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Besprechungen 467 eine willkommene, aber scheinbare Bestiitigung. Wie so mancher andere Denker, gelangt er nicht zum Verstiindnis des Logischen, weil er zwar richtig sinnvolle von sinnlosen Siitzen unterscheidet, daneben aber nicht die eigentiimliche und wichtige Funktion beachtet, die den nichtssagenden aber doch nicht sinnlosen S/itzen zukommt, niimlich den tautologischen. An diesem Punkte war K a n t mit seiner Unterscheidung des Synthetischen und Analytischen auf besserem Wege, und es ist merkwiirdig, daft W e i n b e r g dem Philosophen, den er so oft lobt, ohne ihm beizustimmen, gerade dort nicht folgt, woes gut gewesen w~ire. K a n t fiihlte, da~ die S/itze vom Widerspruch und ausgeschlossenen Dritten einen ganz anderen Charakter haben als die, welche er flir synthetische Grunds~itze des reinen Verstandes hielt. Diese allerdings h/~chst wichtige Korrektur ist m. E. die einzige, deren die sonst so einslchtigen Ausfiihrungen yon W e i n b e r g bediirfen. Denken wir sic uns iiberall durchgefiihrt, so wird dadurch sein pragmatistischer Wahrheitsbegriff aufgehoben, und sein Empirismus wiirde scheinbar weniger radikal, in Wahrheit aber viel reiner und konsequenter, seine Argumente gegen die Metaphysik wiirden noch klarer erscheinen und gegen alle Angriffe gesichert sein. Ida miSchte die Lektiire des kleinen Werkes aufs w~irmste empfehlen; es geht schnurstracks auf die Wahrheit los und kommt ihr meiner Meinung nach so nahe, daft gleichsam nur noch ein letzter Schritt zu tun bleibt. Das Erscheinen dieser besonnenen, klugen und ehrlichen Arbeit ist herzlich zu begriii~en in unserer Zeit, in der unter dem Namen Philosophie so viel wirre und vornehm tuende metaphysische Schrif~steUerei aufiritt. M. S c h I i c k, Wien. J i~ r g e n J ~ r g e n s e n : A Treatise of Formal Logic, its evolution and main brandies, with its relations to mathematics and philosophy. Vol. I, XV, z66 Seiten. VoL II, z73 Seiten. Vol. III, 3zI Seiten. Kopenhagen, Levin & Munksgaard; London, Humphrey Milford (Oxford University Press). i93 I. Aus dem Vorwort dieses groflen Werkes geht hervor, daft es entstanden ist als Preisschrit~ tiber eine yon der D~inischen Akademie der Wissenschafien im Jahre I9z4 gestellte Aufgabe: es sollten die Hauptformen der seit Boole und seiner Nachfolger aufgetretenen allgemeinen logisdaen Theorien untersucht werden, deren geschichtliche Entwicklung und Verh~ilmis zur klassischen Logik nachgewiesen und diejenige Stellung angegeben werden, die die Logik diesen Theorien gem~fl in bezug auf die Philosophie und Mathematik einnehmen soll. Die Aufstellung die- ser Preisaufgabe -- wodurch die D~inische Akademie ihr hohes wissensdaafiliches Niveau dokumentlert hat -- hat dem Verfasser den Ansto8 dazu gegeben, das erstg iiberhaupt existierende umfassende und ersd~pfende Handbuch der gesamten Logik, mit besonderer BerLicksichtigung der nenesten Entwicklungsphasen der- selben, zu schreiben. Etwa von dem bekannten ,,Survey of Symbolic Logic" yon L e w i s (I918) unterscheidet sich das vorliegendeWerk sowohl dadurd~, da~ auch die klassische Logik ziemlich eingehend dargestellt wird, als auch dadurch, daft die Diskussion der neueren -- etwa bis zum Jahre I9z5 aufgetretenen --Theorien der Logik auf breitester Basis gef~ihrt wird; insbesondere ist die Darstellung des Systems yon W h i t e h e a d und R u s s e 11 so eingehend, da~ sic das Original- studium der Principia Mathematica (PrM) diirfie ersetzen k/~nnen. Der erste Band bietet eine Darstellung der historischen Entwiddung der drei Hauptrichtungen der logischen Forschung, der klassischen Logik, der Algebra der Logik und der Logistik. Die Algebra der Logik (Leibniz, de Morgan, Boole, Peirce, Schr6der u. a.) unterscheidet rich yon der Logistik (Frege, Peano, Whitehead und Russell) dadurch, da~ die erstere eine spezielle deduktive Theorie, die tetztere dagegen die Theorie der Deduk- tion ist.

A treatise of formal logic

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Page 1: A treatise of formal logic

Besprechungen 467

eine willkommene, aber scheinbare Bestiitigung. Wie so mancher andere Denker, gelangt er nicht zum Verstiindnis des Logischen, weil er zwar richtig sinnvolle von sinnlosen Siitzen unterscheidet, daneben aber nicht die eigentiimliche und wichtige Funktion beachtet, die den nichtssagenden aber doch nicht sinnlosen S/itzen zukommt, niimlich den tautologischen. An diesem Punkte war K a n t mit seiner Unterscheidung des Synthetischen und Analytischen auf besserem Wege, und es ist merkwiirdig, daft W e i n b e r g dem Philosophen, den er so oft lobt, ohne ihm beizustimmen, gerade dort nicht folgt, woes gut gewesen w~ire. K a n t fiihlte, da~ die S/itze vom Widerspruch und ausgeschlossenen Dritten einen ganz anderen Charakter haben als die, welche er flir synthetische Grunds~itze des reinen Verstandes hielt.

Diese allerdings h/~chst wichtige Korrektur ist m. E. die einzige, deren die sonst so einslchtigen Ausfiihrungen yon W e i n b e r g bediirfen. Denken wir sic uns iiberall durchgefiihrt, so wird dadurch sein pragmatistischer Wahrheitsbegriff aufgehoben, und sein Empirismus wiirde scheinbar weniger radikal, in Wahrheit aber viel reiner und konsequenter, seine Argumente gegen die Metaphysik wiirden noch klarer erscheinen und gegen alle Angriffe gesichert sein.

Ida miSchte die Lektiire des kleinen Werkes aufs w~irmste empfehlen; es geht schnurstracks auf die Wahrheit los und kommt ihr meiner Meinung nach so nahe, daft gleichsam nur noch ein letzter Schritt zu tun bleibt. Das Erscheinen dieser besonnenen, klugen und ehrlichen Arbeit ist herzlich zu begriii~en in unserer Zeit, in der unter dem Namen Philosophie so viel wirre und vornehm tuende metaphysische Schrif~steUerei aufiritt. M. S c h I i c k , Wien.

J i~ r g e n J ~ r g e n s e n : A T r e a t i s e o f F o r m a l L o g i c , its evolution and main brandies, with its relations to mathematics and philosophy. Vol. I, XV, z66 Seiten. VoL II, z73 Seiten. Vol. III, 3zI Seiten. Kopenhagen, Levin & Munksgaard; London, Humphrey Milford (Oxford University Press). i93 I.

Aus dem Vorwort dieses groflen Werkes geht hervor, daft es entstanden ist als Preisschrit~ tiber eine yon der D~inischen Akademie der Wissenschafien im Jahre I9z4 gestellte Aufgabe: es sollten die Hauptformen der seit Boole und seiner Nachfolger aufgetretenen allgemeinen logisdaen Theorien untersucht werden, deren geschichtliche Entwicklung und Verh~ilmis zur klassischen Logik nachgewiesen und diejenige Stellung angegeben werden, die die Logik diesen Theorien gem~fl in bezug auf die Philosophie und Mathematik einnehmen soll. Die Aufstellung die- ser Preisaufgabe - - wodurch die D~inische Akademie ihr hohes wissensdaafiliches Niveau dokumentlert hat - - hat dem Verfasser den Ansto8 dazu gegeben, das erstg iiberhaupt existierende umfassende und ersd~pfende Handbuch der gesamten Logik, mit besonderer BerLicksichtigung der nenesten Entwicklungsphasen der- selben, zu schreiben. Etwa von dem bekannten ,,Survey of Symbolic Logic" yon L e w i s (I918) unterscheidet sich das vorliegendeWerk sowohl dadurd~, da~ auch die klassische Logik ziemlich eingehend dargestellt wird, als auch dadurch, daft die Diskussion der neueren - - etwa bis zum Jahre I9z5 aufgetretenen - -Theor ien der Logik auf breitester Basis gef~ihrt wird; insbesondere ist die Darstellung des Systems yon W h i t e h e a d und R u s s e 11 so eingehend, da~ sic das Original- studium der Principia Mathematica (PrM) diirfie ersetzen k/~nnen.

Der erste Band bietet eine Darstellung der historischen Entwiddung der drei Hauptrichtungen der logischen Forschung, der klassischen Logik, der Algebra der Logik und der Logistik. Die Algebra der Logik ( L e i b n i z , de M o r g a n , B o o l e , P e i r c e , S c h r 6 d e r u. a.) unterscheidet rich yon der Logistik ( F r e g e , P e a n o , W h i t e h e a d und R u s s e l l ) dadurch, da~ die erstere eine spezielle deduktive Theorie, die tetztere dagegen die Theorie der Deduk- tion ist.

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468 Besprechungen

Der zweite Band behandelt diese drei Ridatungen vom systematisch-kritischen Gesidatspunkt. Die klassische Logik besitzt, wegen ihrer vielen Unvollkommen- heiten und Fehler, jetzt nur eine historisdae Bedeutung. Aber auch die Algebra der Logik, deren Darstellung sich hier an das Schr~dersdae System anschliel~t, weist wesentliche Schw/ichen auf; insbesondere ist der Beweisgang in ihr insofern zirkelhaPc, als sie manche von den logischen Ableitungsregeln, die in den Theo- remen ausgedrii&t werden, beim Beweis dieser Theoreme sdaon voraussetzt. Eine aktuelle Bedeutung hat deshalb nur die Logistik, deren Aufbau in PrM zu einem vorl/iufigen Abschlut~ kam; yon diesem System wird, unter Berii&sichtigung der Verbesserungen dutch S h e f f e r und N i c o d , eine sehr eingehende Darstellung gegeben.

Der dritte Band, der die Diskussion und Kritik enth/ilt, ist wohl fiir den Kenner des Gebietes das Interessanteste. Die ersten Kapitel untersuchen das Ver- h~iltnis der Logistik zur Mathematik. Nach einer Ubersicht der Ansichten der Fachmathematiker iiber die logischen Grundlagen der Mathematik gibt der Ver- fasser eine Rechtfertigung des logizistischen (R u s s e I 1 schen) Standpunktes: die Arithmetisierung der Mathematik soil durch die Logisierung der Arithmetik ge- kr/~nt werden. Auch in der Frage der logisda-mathematischen Paradoxien nimmt der Verfasser den R u s s e l l sdaen Standpunkt ein; er diskutiert sehr eingehend die (,,verzweigte") Typentheorie der PrM und das Reduzibilit/itsaxiom. Obwohl dieses Axiom - - sdaon durch die Art seiner Formulierung - - von Bedenken nicht frei ist, sollen doch ,,sdawerwiegende induktive Argumente" fiir dasselbe spredaen. Die letzten Kapitel enthalten eingehende Untersuchungen iiber den Gegenstand und den Stoff der Logik, iiber das Verh/iltnis der Logik zur Denkpsydaologie und Spradawissenschafi, Analysen der ,,logischen Formen" und der ,,formalen Wahr- heir" der Logik, wobei auda die durda W i t t g e n s t e i n gewonnenen entschei- denden neuen Einsidaten beriicksidatigt werden. - -

Die Darstellung ist iiberall griindlida und klar, die Kritik und die Begriin- dung des eigenen Standpunktes besonnen und wohl durchdadat, die Belesenheit enorm. Ein gewaltiger Wissenschaftsstoff ist bier selbst~indig durchgearbeitet und gestaltet worden.

Daraus, dal~ das Manuskript sdaon im Jahre 19z 5 abgeschlossen wurde, ergibt sida freilich, daf~ die systematisdae Darstellung nicht ganz dem gegenw/irtigen Stand der Fragen entspricht. Die ,,verzweigte" Typentheorie hat wohl keine Vertreter mehr, und was das Reduzibilit~itsaxiom betrifft, so hat es sich ja er- wiesen, das es nicht nur aus ( ~ nicht-tautologisda), sondern sogar nicht allgemeingiiltig ist ( W a i s m a n n , Bernays) . Man diirfie jedoda von einem gro~en Handbuch der hier vorliegenden Art iiberhaupt nicht fordern k~nnen, dal~ es in jeder Hinsicht up to date w/ire, zumal es sich hier um eine Wisenschafi han- delt, die sida in rapider Entwi&lung zu befinden sdaeint. Seinen Zweck als eine einfiihrende, historisch-systematische Darstellung der Logik erfiillt das groSe Werk auf eine hervorragende Weise. E. K a i I a , Helsingfors.

B e r n h a r d Bav ink : Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaiten. 4. Aufl. S. Hirzel, Leipzig, i93o. 616 S.

Es ist zun~ichst eine ganz augerordentliche extensive Leistung, was uns in diesem Buche vorgelegt wird. Der Verfasser hat sich durch alas gesamte phy- sikalische und biologische Wissen unserer Zeit hindurdagearbeitet und legt in seinem Werk eine zusammenfassende Darstellung des naturwissensdaafilidaen Besitzstandes unserer Tage vor. Wiirde schon seine Darlegung der modernen Physik eine Leistung bedeuten, so ist man iiberrascht, den Verfasser auf astro- nomischem und biologischem Gebiet als einen ebensoguten Sachkenner bewundern zu diirfen. Und nicht nur als einen Kenner; vielmehr ist ebenso die Art seiner