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Stilles Staunen über ein schimmernd zartes Weihnachtswunder Der „Monte Soprano Chor“ schenkte seinem Dirigenten Karl-Friedrich Beringer ein erstklassiges Konzert zum 70. Geburtstag ANSBACH – Nach dem Fest ist vor dem Fest: Dieses Festkonzert in der Ansbacher Gumbertuskirche war ei- nes, das bis zum nächsten Heilig- abend vorhält. Und es war ein Ge- burtstags- und Geschenkkonzert, wie es so schnell keines in dieser Art und Güte geben wird. Karl-Friedrich Be- ringer dirigierte den „Monte Soprano Chor“, diesen ganz und gar einzigar- tigen Großmännergesangverein, der aus lauter ehemaligen Mitgliedern des Windsbacher Knabenchores be- steht. Und er dirigierte die „Colours of Brass“, ein erstklassiges Blech- bläserensemble, das in der Posau- nenchortradition wurzelt. Da weihnachtete es also noch ein- mal in St. Gumbertus: lieblich, freundlich, schön und herrlich, groß und ehrlich, reich an Gaben, hoch und sehr prächtig erhaben. Das Kon- zertprojekt war gleichsam ein Ge- schenk der Ehemaligen zu Beringers 70. Geburtstag. Es war auch ein Ge- schenk an die Zuhörergemeinde. Verglichen mit dem Volkslieder-Pro- gramm von 2016 haben der „Monte Soprano Chor“ und Karl-Friedrich Beringer noch einmal einen sehr großen Schritt nach vorne gemacht. Nicht, was die exquisiten Qualitäten des Chores angeht, die sind vorhan- den, seit Beringer Ehemaligen-Chöre dirigiert, sondern was das Pro- gramm, die Werkauswahl und Dra- maturgie, angeht. In „Christ ist er- schienen“ sind die ehemaligen Windsbacher nicht nur auf ihrem ur- eigensten Terrain, der geistlichen Musik, unterwegs, das Programm verschmilzt schwer vereinbare Ge- gensätze zur Einheit. Es ist mit 25 Weihnachtsliedern kleinteilig, fügt sie aber zu einem großen Ganzen. Es ist in sich geschlossen und doch nie gleichförmig. Der bemerkenswerte Aufwand, der diesem Konzertprojekt, das nach Auftritten in Kulmbach und Schwa- bach in Ansbach, in St. Gumbertus, in der Heimatkirche der Windsba- cher, auf seinen emotionalen Höhe- punkt zustrebte, zahlte sich aus. Der musikalische Aufwand – vom orga- nisatorischen gar nicht zu reden – war tatsächlich beträchtlich. Klaus Bucka arrangierte und be- arbeitete einen Großteil der Lieder eigens für dieses Konzertprojekt. Dieter Wendel und Thomas Herget schrieben die Bläser-Überleitungen zu den Chorstücken – zusammenge- legt ergäben sie ein Musterbuch mit Miniaturen für zehn Blechbläser. Da war nichts schematisch, immer wie- der blitzte etwas Neues auf, ein Solo für Posaune oder Horn, ein Dialog für zwei Posaunen oder ein Trompeten- Quartett, das über dem Boden zu schweben scheint – und doch Halt hat. Was „Colours of Brass“ atmo- sphärisch perfekt skizzierte, brachte Karl-Friedrich Beringer dann mit den sopranlosen Sopranos, mit den Tenören und Bässen der ehemaligen Windsbacher, zur Entfaltung. Be- wundernswert wie eh und je die Ho- mogenität der Stimmgruppen, hin- reißend die Wortkunst, die exegeti- sche Klarheit und Plastizität, die Be- ringer mit seinen Sängern erreichte. Es gibt nur sehr wenige Liedsänger, die Text und Melodie so durchdrin- gen und vereinen, hier aber sang nicht nur einer, hier sangen gut und gern 80 Männer, als wären sie einer – was sie in einem gewissen Sinne auch waren. Der aber sang nicht, sondern dirigierte und ließ dabei ein Freuden-Panorama eines besonde- ren Geburtstags entstehen. Natürlich kann ein Männerchor dieser Größe mit Kraft und Macht auftreten. Karl-Friedrich Beringer baute aber auf die ungleich beein- druckendere Kraft und Spannung des Leisen, auf die Magie des tra- genden Pianissimo. Er hatte die Ru- he, das Adventskyrie zu zelebrieren oder die „Heilige Nacht“ geheimnis- voll schimmern zu lassen. Da wurde das Staunen der Gläubigen über das Wunder von Bethlehem zum Klang, da schwang viel Zärtliches und Inni- ges mit und strahlte bis in die be- wegten, tänzerischen, fröhlichen Lieder, die mitunter eine hauchfeine Beweglichkeit, eine silberhelle Leichtigkeit hatten. Und weil Klaus Bucka in seinem Satz von „Fröhliche Weihnacht überall“ so pointiert die Glocken läutet, gab es sogar Fest- tagshumor – wozu die jazzige Weih- nachtssuite von Matthias Nagel passte, die Carl Friedrich Meyer auf der Wiegleb-Orgel spielte. Am Ende war der Applaus groß. Das Publikum erhob sich von den Plätzen. Es feierte Chor und dessen Meister, die danach mit Gästen im Onoldiasaal in den 70. Geburtstag feierten. Per Schlager-Video wünschten dort ehemalige Windsba- cher ihrem „Chef“, dass er noch lan- ge aktiv bleiben möge: so wie Jo- hannes Heesters. Das mag ironisch klingen, ist aber doch ein aufrichti- ger Wunsch. THOMAS WIRTH Weihnachtskonzert der Premium-Klasse: Karl-Friedrich Beringer dirigiert den „Monte Soprano Chor“ und „Colours of Brass“ in der Ansbacher Gumbertuskirche. Fotos: Elke Walter Führte den „Monte Soprano Chor“ auf neue Höhen: Karl-Friedrich Beringer. FLZ Nr. 5 Montag, 8. Januar 2018

A08 D08 N08 R08 Stilles Staunen über ein schimmernd zartes

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Page 1: A08 D08 N08 R08 Stilles Staunen über ein schimmernd zartes

Komödiantische Blicke auf einen Klassiker„Schillers sämtliche Werke… leicht gekürzt“ ab Mittwoch in Dinkelsbühl

DINKELSBÜHL (ewa) – „Die be-deutendsten Werke von FriedrichSchiller an einem Abend auf dieBühne zu bringen“, so RegisseurJürg Schlachter, „das ist kaummachbar.“ Das Landestheater Din-kelsbühl wagt sich mit der Theater-komödie „Schillers sämtliche Wer-ke… leicht gekürzt“ dennoch daran.Die Bühnenvorlage des HamburgerKabarettisten und SchauspielersMichael Ehnert verspricht einenturbulenten Abend über den bedeu-tenden Dramatiker zwischen Wis-senswertem und ausgelassener Pa-rodie. Premiere hat die Produktionam 10. Januar, Beginn 20 Uhr.

„Vier von Schiller begeisterteSchauspieler versuchen“, soSchlachter, „jeder auf seine Weisedas Besondere des Dichters hervor-zuheben.“ Der Witz dabei sei, sagtder gebürtige Schweizer und Wahl-münchner, dass alle Schiller vereh-ren, aber ihn eben jeder anders

sieht. „Das führt zu Kontroversen“,erzählt der Theatermacher, „wobeiin allen Sichtweisen im Kern Schil-ler wirklich drin ist.“

Im Grunde seien die wesentli-chen Werke Schillers (1759 bis 1805)in Ehnerts Vorlage enthalten, be-richtet Schlachter, natürlich in ei-ner gestrafften Kurzversion. DieseKomödie enthielte alles, was denDramatiker ausmacht, betont derRegisseur, ohne daraus aber seich-ten Klamauk zu machen. Vielmehrnähere sich Ehnert Schiller und sei-ner Lebenswelt, aber auch demKontakt zu Johann Wolfgang vonGoethe, mit großer Ernsthaftigkeit.Werke wie „Die Räuber“, „Kabaleund Liebe“, Don Carlos“, „MariaStuart“, „Wallenstein“ oder auch„Wilhelm Tell“ würden in Zitaten

und unterschiedlicher Interpretati-on angespielt werden. Bedeutunghabe auch Schillers Vorstellung vonFreiheit.

In der Vorlage tun dies vier Män-ner. Beim Landestheater spielen ei-ne Frau und drei Männer diese„Schillerbande“, was laut Schlach-ter, eine zusätzliche Dynamik mithineinbringt. So spiele etwa Mari-etta Holl Männerrollen, gleichzeitigübernähmen Maximilian Westphal,Bernd Berleb und Andreas Peterat-zinger auch weibliche Parts. Ein ko-mödiantischer Griff des Autors, derdurch die abgeänderte Besetzungden Travestie-Effekt noch verstär-ken könne.

Angereichert werden die Zitateund Szenen mit Musikeinspielun-gen vertonter Schiller-Werke. „Lei-

der können wir die orchestrale Um-rahmung in dieser Inszenierungnicht live anbieten“, bedauertSchlachter, „das würde unsere Mög-lichkeiten schon aus Platzgründenübersteigen.“

Das Bühnenbild stelle verschie-dene Spielorte zur Verfügung, wirdweiter konkretisiert durch Versatz-stücke aus der Requisitenkiste, wieetwa Degen, Krone oder Apfel.

„Dem ganzen Phänomen Schil-ler“, sagt der Regisseur, „ist kaumgerecht zu werden, aber wir möch-ten die Neugier auf Schillers Werkewecken, so manche Erinnerung da-ran wachrütteln, vor allem aber auchunterhalten.“

Jürg Schlachter, der unter ande-rem bei Kabarettprogrammen vonBernd Regenauer Regie führte,zählt zu den Stammregisseuren desLandestheater Dinkelsbühl. Dorthat er zum Beispiel bereits „FelixKrull“ und „Ronja Räubertochter“inszeniert.

Inszeniert in Dinkelsbühl „Schillerssämtliche Werke … leicht gekürzt“:Jürg Schlachter. Foto: Walter

Stilles Staunen über ein schimmernd zartes WeihnachtswunderDer „Monte Soprano Chor“ schenkte seinem Dirigenten Karl-Friedrich Beringer ein erstklassiges Konzert zum 70. Geburtstag

ANSBACH – Nach dem Fest ist vordem Fest: Dieses Festkonzert in derAnsbacher Gumbertuskirche war ei-nes, das bis zum nächsten Heilig-abend vorhält. Und es war ein Ge-burtstags- und Geschenkkonzert, wiees so schnell keines in dieser Art undGüte geben wird. Karl-Friedrich Be-ringer dirigierte den „Monte SopranoChor“, diesen ganz und gar einzigar-tigen Großmännergesangverein, deraus lauter ehemaligen Mitgliederndes Windsbacher Knabenchores be-steht. Und er dirigierte die „Coloursof Brass“, ein erstklassiges Blech-bläserensemble, das in der Posau-nenchortradition wurzelt.

Da weihnachtete es also noch ein-mal in St. Gumbertus: lieblich,freundlich, schön und herrlich, großund ehrlich, reich an Gaben, hochund sehr prächtig erhaben. Das Kon-zertprojekt war gleichsam ein Ge-schenk der Ehemaligen zu Beringers70. Geburtstag. Es war auch ein Ge-schenk an die Zuhörergemeinde.Verglichen mit dem Volkslieder-Pro-gramm von 2016 haben der „MonteSoprano Chor“ und Karl-FriedrichBeringer noch einmal einen sehrgroßen Schritt nach vorne gemacht.Nicht, was die exquisiten Qualitätendes Chores angeht, die sind vorhan-

den, seit Beringer Ehemaligen-Chöredirigiert, sondern was das Pro-gramm, die Werkauswahl und Dra-maturgie, angeht. In „Christ ist er-schienen“ sind die ehemaligenWindsbacher nicht nur auf ihrem ur-eigensten Terrain, der geistlichenMusik, unterwegs, das Programmverschmilzt schwer vereinbare Ge-gensätze zur Einheit. Es ist mit 25Weihnachtsliedern kleinteilig, fügtsie aber zu einem großen Ganzen. Esist in sich geschlossen und doch niegleichförmig.

Der bemerkenswerte Aufwand, derdiesem Konzertprojekt, das nachAuftritten in Kulmbach und Schwa-bach in Ansbach, in St. Gumbertus,in der Heimatkirche der Windsba-cher, auf seinen emotionalen Höhe-punkt zustrebte, zahlte sich aus. Dermusikalische Aufwand – vom orga-nisatorischen gar nicht zu reden –war tatsächlich beträchtlich.

Klaus Bucka arrangierte und be-arbeitete einen Großteil der Liedereigens für dieses Konzertprojekt.Dieter Wendel und Thomas Hergetschrieben die Bläser-Überleitungenzu den Chorstücken – zusammenge-legt ergäben sie ein Musterbuch mitMiniaturen für zehn Blechbläser. Dawar nichts schematisch, immer wie-der blitzte etwas Neues auf, ein Solo

für Posaune oder Horn, ein Dialog fürzwei Posaunen oder ein Trompeten-Quartett, das über dem Boden zuschweben scheint – und doch Halthat. Was „Colours of Brass“ atmo-sphärisch perfekt skizzierte, brachteKarl-Friedrich Beringer dann mitden sopranlosen Sopranos, mit denTenören und Bässen der ehemaligenWindsbacher, zur Entfaltung. Be-wundernswert wie eh und je die Ho-mogenität der Stimmgruppen, hin-reißend die Wortkunst, die exegeti-sche Klarheit und Plastizität, die Be-

ringer mit seinen Sängern erreichte.Es gibt nur sehr wenige Liedsänger,die Text und Melodie so durchdrin-gen und vereinen, hier aber sangnicht nur einer, hier sangen gut undgern 80 Männer, als wären sie einer –was sie in einem gewissen Sinneauch waren. Der aber sang nicht,sondern dirigierte und ließ dabei einFreuden-Panorama eines besonde-ren Geburtstags entstehen.

Natürlich kann ein Männerchordieser Größe mit Kraft und Machtauftreten. Karl-Friedrich Beringer

baute aber auf die ungleich beein-druckendere Kraft und Spannungdes Leisen, auf die Magie des tra-genden Pianissimo. Er hatte die Ru-he, das Adventskyrie zu zelebrierenoder die „Heilige Nacht“ geheimnis-voll schimmern zu lassen. Da wurdedas Staunen der Gläubigen über dasWunder von Bethlehem zum Klang,da schwang viel Zärtliches und Inni-ges mit und strahlte bis in die be-wegten, tänzerischen, fröhlichenLieder, die mitunter eine hauchfeineBeweglichkeit, eine silberhelleLeichtigkeit hatten. Und weil KlausBucka in seinem Satz von „FröhlicheWeihnacht überall“ so pointiert dieGlocken läutet, gab es sogar Fest-tagshumor – wozu die jazzige Weih-nachtssuite von Matthias Nagelpasste, die Carl Friedrich Meyer aufder Wiegleb-Orgel spielte.

Am Ende war der Applaus groß.Das Publikum erhob sich von denPlätzen. Es feierte Chor und dessenMeister, die danach mit Gästen imOnoldiasaal in den 70. Geburtstagfeierten. Per Schlager-Videowünschten dort ehemalige Windsba-cher ihrem „Chef“, dass er noch lan-ge aktiv bleiben möge: so wie Jo-hannes Heesters. Das mag ironischklingen, ist aber doch ein aufrichti-ger Wunsch. THOMAS WIRTH

Weihnachtskonzert der Premium-Klasse: Karl-Friedrich Beringer dirigiert den „Monte Soprano Chor“ und „Colours of Brass“ in der Ansbacher Gumbertuskirche. Fotos: Elke Walter

Führte den „Monte Soprano Chor“ auf neue Höhen: Karl-Friedrich Beringer.

FLZ Nr. 5 Montag, 8. Januar 2018

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