2
INSERAT eh doch in den Park, hatte er gesagt. Wäh- rend der Arbeitszeit und erst recht am schönsten Tag der Woche in einem Park zu verweilen, ist für einen Schreibtisch- Büezer ein recht lukratives Angebot. Doch der Chef hat nicht bloss einen grosszügigen Tag, nein, der Vorschlag macht Sinn. Denn 2016 feiern wir ein Gartenjahr. Der Schweizer Heimat- schutz hat deshalb ein Büchlein heraus- gegeben mit den 50 schönsten Parks und Gärten der Schweiz. Mehrere Orga- nisationen wollen uns aufzeigen, wie wichtig Gärten und Freiräume für un- sere Lebensqualität sind. Alain Berset sagt: «Der Garten als Begegnungsraum braucht unseren Schutz.» Gerade weil urban immer noch urbaner wird, wer- den freie Flächen in Form von Wiesen, Gärten und Parks immer wichtiger. Da liegt es also nahe, dass der Chef sagt, ich solle den Text über Parks in einem G Park schreiben. Doch zuerst will ich Ih- nen erzählen von meiner Wiese. Wer in einer Stadt lebt, will relativ schnell an ein Fleckchen Grün kom- men. In Zürich hat es mir eine be- stimmte Wiese angetan. Sie liegt zwi- schen mir und einer guten Freundin. Am Hügel thronen die schönsten Häu- ser Zürichs. Im Sommer bringen wir Salat, Wurst und Wein aufs Grün. Mit- ten in der Stadt. Ich verrate Ihnen die Wiese nicht, sie ist klein. Suchen Sie sich Ihre eigene. Wagner und der Pseudogarten Warum wandert der Schweizer auf je- den noch so entlegenen 4000er, schnorchelt in allen Meeren der Welt und beknipst jeden Tempel im Fernen Osten, kennt aber nicht einmal den lau- schigen Park im Nachbardorf? Und warum fährt eigentlich jeder auf die In- sel Mainau? Ich wette, jetzt überlegen Sie, wann Sie das letzte Mal da waren, denn da waren Sie bestimmt schon. Jetzt: Der Park. Ich entscheide mich wegen der erwähnten Heimatignoranz für einen Park, der ganz nah liegt, den ich aber – shame on me – bisher links liegen gelassen habe. Ich wusste, da oben, da muss etwas Prächtiges sein. Und nun sitze ich im Rieterpark in Zü- rich. Und staune. Ein Garten im Kleid einer Landschaft. Landschaftsgärten sollen nämlich so natürlich wie mög- lich aussehen. Angeblich ist das die Gartenkunst des 19. Jahrhunderts. Zu jenen Zeiten war es noch ein privater Garten für vermögende Handelsherren. Für den Rest galt: Betreten verboten! Nach dem kurzen Aufstieg (es geht von der Tramhaltestelle 7 ganz kurz steil hinauf) erscheint rechts die Villa Schönberg. Das 1850 erbaute Fach- werkhaus diente ein paar Jahre später Richard Wagner als «Asyl». Er soll hier an «Tristan und Isolde» gewerkelt ha- ben. Zwischen Drogen und Frauen. Vis-à-vis das Eingangstor zum Park. Hier ist auch das Museum Rietberg. Wie passend, ab Mitte Mai werden «Gärten der Welt» gezeigt. Das Café in der Villa Wesendonck hat ein trendy Essensangebot. Quinoa-Kichererbsen- salat mit Curry oder Couscous mit Man- go. Frucht-Smoothies. Das, was der moderne Mensch heute eben will: ge- sund, hip und lecker. Gestärkt erkunde ich das Terrain: Weg, kleine Häuschen, Wiese, Bänkli mit Kitschaussicht auf den Zürichsee und die Glarner Alpen. Überall rot- schwarze Käfer. Schöne Rücken-Mar- kierung, gleich denkt der Mensch an Gift, das dem Krabbelding entströmen könnte. Ich frage mich, ob das Kartof- felkäfer sind. Aber hier gibt es doch gar keine Härdöpfeläcker! Während an den Café-Tischen Ü60- Freundinnen tratschen, Anzügler allein ihre kostbare Pause geniessen und Mu- seumsarbeiter verweilen – zu erkennen an den dicken Fimo-Ketten –, sitzen in der Wiese Schüler bei der Mittagspau- se. Eine Frau liest auf dem schönsten Bänkli eine Klatschzeitung. Herrchen führen ihre Hunde aus. Wieder An- zügler. Kinder sind gegen Mittag noch rar. Auch gut. Noch verliebte Jungpäärli strecken ihren Frischnachwuchs ki- chernd in die Höhe. Und Jogger. Sie sind ja überall. Jeder nimmt sich aus dem Park, was er braucht. Ich bin zufrieden mit meinem sonnigen Platz mitten auf der Wiese. In der einen Richtung sehe ich das mondäne Haus, in der anderen den mondänen See mit mon- dänem Alpenpanorama. Ringsherum ein Wechselspiel von Nadel- und Laub- bäumen. Friedhöfe und Sir Henry Ich glaube, es gibt verschiedene Parkty- pen. Da sind die Spaziergänger, die auf den Wegen zwischen Bäumen – viel- leicht wär Wasser noch ganz schön – schlendern. Dann die Blumenlieb- haber, die Gründäumler, die gepflegte Beete bestaunen und sich an bunten Es muss nicht die Insel Mainau oder Münchens Englischer Garten sein, auch in der Schweiz haben wir wunderschöne Grünoasen. Ein Plädoyer für den Park VON ALEXANDRA FITZ Betreten erwünscht! Warum ein Park? Der Kanton Glarus braucht keinen Park mit Bäu- men, denn die Berge würden genug Schatten spenden. So emp- fand dies der Gelehrte Oswald Heer. Der Verschönerungsverein sah es anders: Man wollte einen Volksgarten. Im Zentrum des Plat- zes schiesst die Fontäne in die Höhe. Rundum Blumenbeete und Bäume. Seit mehreren Jahren findet um den 1. August die Sommer- bühne mit Musik, Film und Kultur statt. Volksgarten Glarus Seit 1480 schon Claramatte genannt, war es anfangs Turnplatz, Schlittschuhbahn und Badeplatz für Waisenmädchen. Clara wan- delte sich 1872 zu einem Square nach englischem Vorbild – recht- eckige, von Wohnhäusern umgebene Freifläche. Bald musste der grüne Stadtplatz Parkplätzen weichen. Zum Glück wurde die Anla- ge bald verändert, der Baumbestand erneuert. Heute ist er ein be- liebter Aufenthaltsort mitten im Kleinbasel. Claramatte Basel Der Garten des «Alten Gebäu» hat schon einiges mitgemacht. 1729 als barocke Anlage entstanden, wurde er 1860 zum Landschaftsgar- ten umgestaltet. Zurück zur Natur also. Dann diente das Areal lange als Gärtnerei. 2006 wurde er saniert. Der Mammutbaum ist ein Highlight im Stadtpark im Herzen Churs. Für alle Nicht-Bündner: Benannt ist der Park nach dem Bündner Freiheitshelden Benedikt Fontana, der 1499 in der Schlacht an der Calven fiel. Fontanapark Chur 54/55 reisen

Aargauer Zeitung (Ost), vom: Sonntag, 24. April 2016

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Aargauer Zeitung (Ost), vom: Sonntag, 24. April 2016

INSERAT

eh doch in den Park,hatte er gesagt. Wäh-rend der Arbeitszeit underst recht am schönstenTag der Woche in einemPark zu verweilen, istfür einen Schreibtisch-

Büezer ein recht lukratives Angebot.Doch der Chef hat nicht bloss einengrosszügigen Tag, nein, der Vorschlagmacht Sinn. Denn 2016 feiern wir einGartenjahr. Der Schweizer Heimat-schutz hat deshalb ein Büchlein heraus-gegeben mit den 50 schönsten Parksund Gärten der Schweiz. Mehrere Orga-nisationen wollen uns aufzeigen, wiewichtig Gärten und Freiräume für un-sere Lebensqualität sind. Alain Bersetsagt: «Der Garten als Begegnungsraumbraucht unseren Schutz.» Gerade weilurban immer noch urbaner wird, wer-den freie Flächen in Form von Wiesen,Gärten und Parks immer wichtiger. Daliegt es also nahe, dass der Chef sagt,ich solle den Text über Parks in einem

GPark schreiben. Doch zuerst will ich Ih-nen erzählen von meiner Wiese.

Wer in einer Stadt lebt, will relativschnell an ein Fleckchen Grün kom-men. In Zürich hat es mir eine be-stimmte Wiese angetan. Sie liegt zwi-schen mir und einer guten Freundin.Am Hügel thronen die schönsten Häu-ser Zürichs. Im Sommer bringen wirSalat, Wurst und Wein aufs Grün. Mit-ten in der Stadt. Ich verrate Ihnen dieWiese nicht, sie ist klein. Suchen Siesich Ihre eigene.

Wagner und der PseudogartenWarum wandert der Schweizer auf je-den noch so entlegenen 4000er,schnorchelt in allen Meeren der Weltund beknipst jeden Tempel im FernenOsten, kennt aber nicht einmal den lau-schigen Park im Nachbardorf? Undwarum fährt eigentlich jeder auf die In-sel Mainau? Ich wette, jetzt überlegenSie, wann Sie das letzte Mal da waren,denn da waren Sie bestimmt schon.

Jetzt: Der Park. Ich entscheide michwegen der erwähnten Heimatignoranzfür einen Park, der ganz nah liegt, denich aber – shame on me – bisher linksliegen gelassen habe. Ich wusste, daoben, da muss etwas Prächtiges sein.Und nun sitze ich im Rieterpark in Zü-rich. Und staune. Ein Garten im Kleideiner Landschaft. Landschaftsgärtensollen nämlich so natürlich wie mög-lich aussehen. Angeblich ist das dieGartenkunst des 19. Jahrhunderts. Zujenen Zeiten war es noch ein privaterGarten für vermögende Handelsherren.Für den Rest galt: Betreten verboten!

Nach dem kurzen Aufstieg (es gehtvon der Tramhaltestelle 7 ganz kurzsteil hinauf ) erscheint rechts die VillaSchönberg. Das 1850 erbaute Fach-werkhaus diente ein paar Jahre späterRichard Wagner als «Asyl». Er soll hieran «Tristan und Isolde» gewerkelt ha-ben. Zwischen Drogen und Frauen.Vis-à-vis das Eingangstor zum Park.Hier ist auch das Museum Rietberg.

Wie passend, ab Mitte Mai werden«Gärten der Welt» gezeigt. Das Café inder Villa Wesendonck hat ein trendyEssensangebot. Quinoa-Kichererbsen-salat mit Curry oder Couscous mit Man-go. Frucht-Smoothies. Das, was dermoderne Mensch heute eben will: ge-sund, hip und lecker.

Gestärkt erkunde ich das Terrain:Weg, kleine Häuschen, Wiese, Bänklimit Kitschaussicht auf den Zürichseeund die Glarner Alpen. Überall rot-schwarze Käfer. Schöne Rücken-Mar-kierung, gleich denkt der Mensch anGift, das dem Krabbelding entströmenkönnte. Ich frage mich, ob das Kartof-felkäfer sind. Aber hier gibt es doch garkeine Härdöpfeläcker!

Während an den Café-Tischen Ü60-Freundinnen tratschen, Anzügler alleinihre kostbare Pause geniessen und Mu-seumsarbeiter verweilen – zu erkennenan den dicken Fimo-Ketten –, sitzen inder Wiese Schüler bei der Mittagspau-se. Eine Frau liest auf dem schönsten

Bänkli eine Klatschzeitung. Herrchenführen ihre Hunde aus. Wieder An-zügler. Kinder sind gegen Mittag nochrar. Auch gut. Noch verliebte Jungpäärlistrecken ihren Frischnachwuchs ki-chernd in die Höhe. Und Jogger. Siesind ja überall.

Jeder nimmt sich aus dem Park,was er braucht. Ich bin zufriedenmit meinem sonnigen Platz mittenauf der Wiese. In der einen Richtungsehe ich das mondäne Haus, in deranderen den mondänen See mit mon-dänem Alpenpanorama. Ringsherumein Wechselspiel von Nadel- und Laub-bäumen.

Friedhöfe und Sir HenryIch glaube, es gibt verschiedene Parkty-pen. Da sind die Spaziergänger, die aufden Wegen zwischen Bäumen – viel-leicht wär Wasser noch ganz schön –schlendern. Dann die Blumenlieb-haber, die Gründäumler, die gepflegteBeete bestaunen und sich an bunten

Pflanzen erfreuen. Die Sünneler, diemit Buch und Musik auf der Wieseliegen. In Marokko war ich vor vielenJahren im Garten von Yves SaintLaurent. Er war blau. Nicht Yves, derGarten. Schön, keine Frage. Ich binwohl eher der Park-Typ. Das magjetzt vielleicht makaber klingen, aberwährend meines Studiums in Wienging ich sehr gern auf den Zen-tralfriedhof. Ich kannte die Gräber.Die Namen. Der Friedhof ist so gross,es verkehren Busse. Im Herbst einTraum. Die Gedanken schweifen leichtab im Park.

Fokus zurück auf den Rieterpark. AmEnde meiner Wiese (See-Richtung!)steht ein älterer Herr. Weisser Pulli,Bluejeans, Strohhut. Er fixiert mich,kommt langsam auf mich zu. Was nunfolgt, klingt wie eine Erscheinung. Ich

weiss. Ich glaube den Mist auch nicht.Auf meiner Höhe bleibt er stehen. Lä-chelt. Ich lächle. Unbehagen. Also sageich: Grüezi. Er zockelt zu mir her.

Alltag und GorbatschowIch muss abkürzen, denn der Mannmit dem Strohhut und ich verplaudernuns über eine Stunde. Ich nenneihn Henry, Sir Henry. Seinen Namenverrät er nicht. Ist auch unwichtig.Hundert Jahre alt sei er. Auf meine ver-dutzte Antwort, das glaube ich nicht,antwortet er: Ja, dann glauben Sie eshalt nicht.

Nach zwei Minuten hat sich Sir Hen-ry auf mein Tuch gesetzt. Er war Méde-cin Sans Frontières. Sagt er zumindest.Hat auf der ganzen Welt gelebt, sprichtmal Französisch, mal Englisch, malDeutsch und auch Russisch. Ich frage

ihn, woher er kommt. Er schaut nachoben und sagt: Vom Himmel. Nein, die-ser Mann ist nicht wirr. Er weiss ein-fach viel und ist in dieser Welt wohl einwenig verloren. Jeden Tag komme er inden Rieterpark. Auch im Winter. Henryzitiert Goethe, wirft mit lateinischenSätzen um sich und erklärt mir immerwieder, dass der Mensch zu fest im All-tag gefangen ist, in der Routine. Dassdie meisten Menschen dumme Beton-klötze sind. Dass sich alles in derMenschheit wiederholt.

Während der Park sich füllt, die Fuss-bälle der Kinder die Kartoffelkäferüberrollen und Henry mir den Sinn desLebens erklärt, denke ich: Hier kannman einfach sein. Erleben tut man vonallein.

Entdecken Sie Ihr Umfeld! Fahren Siein einen Park! Begegnungen, die man

nicht erwartet, Gedanken, die norma-lerweise vom Alltag erstickt werden.Henry sagt, ich sei wie Gorbatschow.Der sei auch Sternzeichen Fische. Ermöge Fische. Henry liest aus meinerHand. Ich hätte Herz und Verstandnicht am selben Fleck. Was immer dasbedeuten mag. Ständig denke ich anden Bestseller «Das Café am Rande derWelt». Da stösst ein Mann mitten imNichts auf ein Café und spricht dort mitFremden über … den Sinn des Lebens.

Velohelme und SchicklgruberWährend sich neben uns ein Kleinkindfast in Ohmacht schwitzt, weil seineMutter ihm partout den Velohelm nichtabnehmen will (und das auf einerweichen Wiese!), sind wir bei Hitler.«Stellen Sie sich vor, man hätte HeilSchicklgruber gerufen.» Hitler hätte

wohl fast Schicklgruber geheissen.Diese Geschichte müssen Sie selbernachlesen.

Sehen die anderen im Park wohl,dass dieser ältere Herr mir auf einempastellfarbenen Leinentuch das Lebenerklärt? Ich kenne den Mann nicht,trotzdem trennen uns nur wenigeZentimeter auf meinem Tüechli. Dannverabschiedet sich Henry. Er muss me-ditieren. Das war ja klar. Jeden Tag ge-gen 9 Uhr sei er hier, lässt er mich wis-sen. Gemächlich trottet meine Erschei-nung von dannen. Der 100-Jährige, dervon meiner Decke stieg und ver-schwand.

Gorbatschow ist im Sternzeichenwirklich Fisch. Und es waren keine Kar-toffelkäfer.

www.heimatschutz.ch. www.gartenjahr2016.ch

Es muss nicht die Insel Mainau oder Münchens Englischer Garten sein, auch in der Schweizhaben wir wunderschöne Grünoasen. Ein Plädoyer für den ParkVON ALEXANDRA FITZ

Betreten erwünscht!

Die Autorin beim Schreiben dieses Textes im Rieterpark in Zürich. Sie hofft, dass sie nun öfters im Grünen arbeiten darf. Roland Schmid

Warum ein Park? Der Kanton Glarus braucht keinen Park mit Bäu-men, denn die Berge würden genug Schatten spenden. So emp-fand dies der Gelehrte Oswald Heer. Der Verschönerungsvereinsah es anders: Man wollte einen Volksgarten. Im Zentrum des Plat-zes schiesst die Fontäne in die Höhe. Rundum Blumenbeete undBäume. Seit mehreren Jahren findet um den 1. August die Sommer-bühne mit Musik, Film und Kultur statt.

Volksgarten GlarusSeit 1480 schon Claramatte genannt, war es anfangs Turnplatz,Schlittschuhbahn und Badeplatz für Waisenmädchen. Clara wan-delte sich 1872 zu einem Square nach englischem Vorbild – recht-eckige, von Wohnhäusern umgebene Freifläche. Bald musste dergrüne Stadtplatz Parkplätzen weichen. Zum Glück wurde die Anla-ge bald verändert, der Baumbestand erneuert. Heute ist er ein be-liebter Aufenthaltsort mitten im Kleinbasel.

Claramatte BaselDer Garten des «Alten Gebäu» hat schon einiges mitgemacht. 1729als barocke Anlage entstanden, wurde er 1860 zum Landschaftsgar-ten umgestaltet. Zurück zur Natur also. Dann diente das Areal langeals Gärtnerei. 2006 wurde er saniert. Der Mammutbaum ist einHighlight im Stadtpark im Herzen Churs. Für alle Nicht-Bündner:Benannt ist der Park nach dem Bündner Freiheitshelden BenediktFontana, der 1499 in der Schlacht an der Calven fiel.

Fontanapark ChurBally ist nicht nur eine Schweizer Luxus-Schuhmarke, Bally heisstauch ein wunderhübscher Park im Solothurnischen. Die Aargauerärgern sich sicher heute noch, dass dieses Fleckchen so knapp zumNachbarskanton gehört. Eingebettet zwischen Bahnlinie und Aarefindet man Grotten, Kanäle und Teiche. Und diese kleinen Zwergen-häuschen? Miniaturisierte Pfahlbauten. Spazieren mit dem Hund,frisch verliebt auf der Schaukel – in den Ballypark kommt jeder.

Ballypark SchönenwerdWer Azaleen und Rhododendren liebt, muss im April und Mai nachCarona reisen, ein Quartier der Stadt Lugano. Dort blühen sie in al-len Farben gerade in voller Pracht. Die teilweise vier Meter hohenBlütensträucher verdanken wir Luigi Giussani, er kaufte 1957 dasGrundstück am Hang über dem Luganersee. Keine Angst, wer nachder Blütezeit ins Tessin fährt, hat einen umso besseren Ausblicküber den See und die Tessiner Berge.

Parco San Grato Carona

Bilder: Felix

Jungo

54/55 Schweiz am Sonntag24. April 2016reisen

Page 2: Aargauer Zeitung (Ost), vom: Sonntag, 24. April 2016

eh doch in den Park,hatte er gesagt. Wäh-rend der Arbeitszeit underst recht am schönstenTag der Woche in einemPark zu verweilen, istfür einen Schreibtisch-

Büezer ein recht lukratives Angebot.Doch der Chef hat nicht bloss einengrosszügigen Tag, nein, der Vorschlagmacht Sinn. Denn 2016 feiern wir einGartenjahr. Der Schweizer Heimat-schutz hat deshalb ein Büchlein heraus-gegeben mit den 50 schönsten Parksund Gärten der Schweiz. Mehrere Orga-nisationen wollen uns aufzeigen, wiewichtig Gärten und Freiräume für un-sere Lebensqualität sind. Alain Bersetsagt: «Der Garten als Begegnungsraumbraucht unseren Schutz.» Gerade weilurban immer noch urbaner wird, wer-den freie Flächen in Form von Wiesen,Gärten und Parks immer wichtiger. Daliegt es also nahe, dass der Chef sagt,ich solle den Text über Parks in einem

GPark schreiben. Doch zuerst will ich Ih-nen erzählen von meiner Wiese.

Wer in einer Stadt lebt, will relativschnell an ein Fleckchen Grün kom-men. In Zürich hat es mir eine be-stimmte Wiese angetan. Sie liegt zwi-schen mir und einer guten Freundin.Am Hügel thronen die schönsten Häu-ser Zürichs. Im Sommer bringen wirSalat, Wurst und Wein aufs Grün. Mit-ten in der Stadt. Ich verrate Ihnen dieWiese nicht, sie ist klein. Suchen Siesich Ihre eigene.

Wagner und der PseudogartenWarum wandert der Schweizer auf je-den noch so entlegenen 4000er,schnorchelt in allen Meeren der Weltund beknipst jeden Tempel im FernenOsten, kennt aber nicht einmal den lau-schigen Park im Nachbardorf? Undwarum fährt eigentlich jeder auf die In-sel Mainau? Ich wette, jetzt überlegenSie, wann Sie das letzte Mal da waren,denn da waren Sie bestimmt schon.

Jetzt: Der Park. Ich entscheide michwegen der erwähnten Heimatignoranzfür einen Park, der ganz nah liegt, denich aber – shame on me – bisher linksliegen gelassen habe. Ich wusste, daoben, da muss etwas Prächtiges sein.Und nun sitze ich im Rieterpark in Zü-rich. Und staune. Ein Garten im Kleideiner Landschaft. Landschaftsgärtensollen nämlich so natürlich wie mög-lich aussehen. Angeblich ist das dieGartenkunst des 19. Jahrhunderts. Zujenen Zeiten war es noch ein privaterGarten für vermögende Handelsherren.Für den Rest galt: Betreten verboten!

Nach dem kurzen Aufstieg (es gehtvon der Tramhaltestelle 7 ganz kurzsteil hinauf ) erscheint rechts die VillaSchönberg. Das 1850 erbaute Fach-werkhaus diente ein paar Jahre späterRichard Wagner als «Asyl». Er soll hieran «Tristan und Isolde» gewerkelt ha-ben. Zwischen Drogen und Frauen.Vis-à-vis das Eingangstor zum Park.Hier ist auch das Museum Rietberg.

Wie passend, ab Mitte Mai werden«Gärten der Welt» gezeigt. Das Café inder Villa Wesendonck hat ein trendyEssensangebot. Quinoa-Kichererbsen-salat mit Curry oder Couscous mit Man-go. Frucht-Smoothies. Das, was dermoderne Mensch heute eben will: ge-sund, hip und lecker.

Gestärkt erkunde ich das Terrain:Weg, kleine Häuschen, Wiese, Bänklimit Kitschaussicht auf den Zürichseeund die Glarner Alpen. Überall rot-schwarze Käfer. Schöne Rücken-Mar-kierung, gleich denkt der Mensch anGift, das dem Krabbelding entströmenkönnte. Ich frage mich, ob das Kartof-felkäfer sind. Aber hier gibt es doch garkeine Härdöpfeläcker!

Während an den Café-Tischen Ü60-Freundinnen tratschen, Anzügler alleinihre kostbare Pause geniessen und Mu-seumsarbeiter verweilen – zu erkennenan den dicken Fimo-Ketten –, sitzen inder Wiese Schüler bei der Mittagspau-se. Eine Frau liest auf dem schönsten

Bänkli eine Klatschzeitung. Herrchenführen ihre Hunde aus. Wieder An-zügler. Kinder sind gegen Mittag nochrar. Auch gut. Noch verliebte Jungpäärlistrecken ihren Frischnachwuchs ki-chernd in die Höhe. Und Jogger. Siesind ja überall.

Jeder nimmt sich aus dem Park,was er braucht. Ich bin zufriedenmit meinem sonnigen Platz mittenauf der Wiese. In der einen Richtungsehe ich das mondäne Haus, in deranderen den mondänen See mit mon-dänem Alpenpanorama. Ringsherumein Wechselspiel von Nadel- und Laub-bäumen.

Friedhöfe und Sir HenryIch glaube, es gibt verschiedene Parkty-pen. Da sind die Spaziergänger, die aufden Wegen zwischen Bäumen – viel-leicht wär Wasser noch ganz schön –schlendern. Dann die Blumenlieb-haber, die Gründäumler, die gepflegteBeete bestaunen und sich an bunten

Pflanzen erfreuen. Die Sünneler, diemit Buch und Musik auf der Wieseliegen. In Marokko war ich vor vielenJahren im Garten von Yves SaintLaurent. Er war blau. Nicht Yves, derGarten. Schön, keine Frage. Ich binwohl eher der Park-Typ. Das magjetzt vielleicht makaber klingen, aberwährend meines Studiums in Wienging ich sehr gern auf den Zen-tralfriedhof. Ich kannte die Gräber.Die Namen. Der Friedhof ist so gross,es verkehren Busse. Im Herbst einTraum. Die Gedanken schweifen leichtab im Park.

Fokus zurück auf den Rieterpark. AmEnde meiner Wiese (See-Richtung!)steht ein älterer Herr. Weisser Pulli,Bluejeans, Strohhut. Er fixiert mich,kommt langsam auf mich zu. Was nunfolgt, klingt wie eine Erscheinung. Ich

weiss. Ich glaube den Mist auch nicht.Auf meiner Höhe bleibt er stehen. Lä-chelt. Ich lächle. Unbehagen. Also sageich: Grüezi. Er zockelt zu mir her.

Alltag und GorbatschowIch muss abkürzen, denn der Mannmit dem Strohhut und ich verplaudernuns über eine Stunde. Ich nenneihn Henry, Sir Henry. Seinen Namenverrät er nicht. Ist auch unwichtig.Hundert Jahre alt sei er. Auf meine ver-dutzte Antwort, das glaube ich nicht,antwortet er: Ja, dann glauben Sie eshalt nicht.

Nach zwei Minuten hat sich Sir Hen-ry auf mein Tuch gesetzt. Er war Méde-cin Sans Frontières. Sagt er zumindest.Hat auf der ganzen Welt gelebt, sprichtmal Französisch, mal Englisch, malDeutsch und auch Russisch. Ich frage

ihn, woher er kommt. Er schaut nachoben und sagt: Vom Himmel. Nein, die-ser Mann ist nicht wirr. Er weiss ein-fach viel und ist in dieser Welt wohl einwenig verloren. Jeden Tag komme er inden Rieterpark. Auch im Winter. Henryzitiert Goethe, wirft mit lateinischenSätzen um sich und erklärt mir immerwieder, dass der Mensch zu fest im All-tag gefangen ist, in der Routine. Dassdie meisten Menschen dumme Beton-klötze sind. Dass sich alles in derMenschheit wiederholt.

Während der Park sich füllt, die Fuss-bälle der Kinder die Kartoffelkäferüberrollen und Henry mir den Sinn desLebens erklärt, denke ich: Hier kannman einfach sein. Erleben tut man vonallein.

Entdecken Sie Ihr Umfeld! Fahren Siein einen Park! Begegnungen, die man

nicht erwartet, Gedanken, die norma-lerweise vom Alltag erstickt werden.Henry sagt, ich sei wie Gorbatschow.Der sei auch Sternzeichen Fische. Ermöge Fische. Henry liest aus meinerHand. Ich hätte Herz und Verstandnicht am selben Fleck. Was immer dasbedeuten mag. Ständig denke ich anden Bestseller «Das Café am Rande derWelt». Da stösst ein Mann mitten imNichts auf ein Café und spricht dort mitFremden über … den Sinn des Lebens.

Velohelme und SchicklgruberWährend sich neben uns ein Kleinkindfast in Ohmacht schwitzt, weil seineMutter ihm partout den Velohelm nichtabnehmen will (und das auf einerweichen Wiese!), sind wir bei Hitler.«Stellen Sie sich vor, man hätte HeilSchicklgruber gerufen.» Hitler hätte

wohl fast Schicklgruber geheissen.Diese Geschichte müssen Sie selbernachlesen.

Sehen die anderen im Park wohl,dass dieser ältere Herr mir auf einempastellfarbenen Leinentuch das Lebenerklärt? Ich kenne den Mann nicht,trotzdem trennen uns nur wenigeZentimeter auf meinem Tüechli. Dannverabschiedet sich Henry. Er muss me-ditieren. Das war ja klar. Jeden Tag ge-gen 9 Uhr sei er hier, lässt er mich wis-sen. Gemächlich trottet meine Erschei-nung von dannen. Der 100-Jährige, dervon meiner Decke stieg und ver-schwand.

Gorbatschow ist im Sternzeichenwirklich Fisch. Und es waren keine Kar-toffelkäfer.

www.heimatschutz.ch. www.gartenjahr2016.ch

Es muss nicht die Insel Mainau oder Münchens Englischer Garten sein, auch in der Schweizhaben wir wunderschöne Grünoasen. Ein Plädoyer für den ParkVON ALEXANDRA FITZ

Betreten erwünscht!

Die Autorin beim Schreiben dieses Textes im Rieterpark in Zürich. Sie hofft, dass sie nun öfters im Grünen arbeiten darf. Roland Schmid

Bally ist nicht nur eine Schweizer Luxus-Schuhmarke, Bally heisstauch ein wunderhübscher Park im Solothurnischen. Die Aargauerärgern sich sicher heute noch, dass dieses Fleckchen so knapp zumNachbarskanton gehört. Eingebettet zwischen Bahnlinie und Aarefindet man Grotten, Kanäle und Teiche. Und diese kleinen Zwergen-häuschen? Miniaturisierte Pfahlbauten. Spazieren mit dem Hund,frisch verliebt auf der Schaukel – in den Ballypark kommt jeder.

Ballypark SchönenwerdMan nennt sie die grüne Insel im Herzen Berns. Nicht weit vomBerner Hauptbahnhof ist dies ein hübscher Park zum Picknicken,Sünnele oder Petanquespielen. Und ein guter Ausgangspunkt: EinSpaziergang führt bis zur Münsterplattform. Am Weg liegt die Bun-desterrasse mit Ausblick in die Alpen. Von der Rückseite geht esweiter zur Casinoterrasse. Laufen Sie los!

WEITERE INFOS ZU DEN VORGESTELLTEN PARKS UND GÄRTEN UNTER WWW.HEIMATSCHUTZ.CH

Kleine Schanze BernWer Azaleen und Rhododendren liebt, muss im April und Mai nachCarona reisen, ein Quartier der Stadt Lugano. Dort blühen sie in al-len Farben gerade in voller Pracht. Die teilweise vier Meter hohenBlütensträucher verdanken wir Luigi Giussani, er kaufte 1957 dasGrundstück am Hang über dem Luganersee. Keine Angst, wer nachder Blütezeit ins Tessin fährt, hat einen umso besseren Ausblicküber den See und die Tessiner Berge.

Parco San Grato Carona

Bilder: Felix

Jungo

55/56 Schweiz am Sonntag24. April 2016reisen