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1 Messen beruflicher Kompetenz von Berufsschullehrern Felix Rauner A + B Forschungs berichte Forschungsnetzwerk Arbeit und Bildung Hrsg.: Universität Bremen FG Berufsbildungsforschung (i:BB) KIT – Karlsruher Institut für Technologie Institut für Berufspädagogik und Allgemeine Pädagogik Pädagogische Hochschule Heidelberg Fach Technik Pädagogische Hochschule Weingarten Professur für Technikdidaktik

A+B Nr. 11 Messen beruflicher Kompetenz von Berufschullehrern · 7 Das Ziel, mit den Methoden der Large-Scale Kompetenzdiagnostik tiefere Einsichten in die berufliche Kompetenz(entwicklung)

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Messen  beruflicher  Kompetenz  von  Berufsschullehrern    Felix  Rauner  

A  +  B  Forschungs-­berichte  

 

     

 

Forschungsnetzwerk  Arbeit  und  Bildung  

Hrsg.:    Universität  Bremen  FG  Berufsbildungsforschung  (i:BB)      KIT  –  Karlsruher  Institut  für  Technologie  Institut  für  Berufspädagogik  und  Allgemeine  Pädagogik    Pädagogische  Hochschule  Heidelberg  Fach  Technik    Pädagogische  Hochschule  Weingarten  Professur  für  Technikdidaktik    

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Felix Rauner Messen  beruflicher  Kompetenz  von  Berufsschullehrern    A+B Forschungsberichte Nr. 11/2013 Bremen, Heidelberg, Karlsruhe, Weingarten: A+B Forschungsnetzwerk In den A+B Forschungsberichten werden aktuelle Forschungsberichte aus der Arbeits- und Bildungs-forschung veröffentlicht. Arbeit und Bildung verweist auf die vorberufliche und die berufliche Bildung sowie auf die berufliche Weiterbildung. Diese Form der online-Publikation erlaubt es, Forschungser-gebnisse zu einem frühen Zeitpunkt zugänglich zu machen. Jeder Forschungsbericht durchläuft ein internes Reviewverfahren. Die Reihe A+B Forschungs-berichte ist auch offen für externe Autoren, die dem Forschungsnetzwerk durch ihre Forschungsarbei-ten verbunden sind. Die Verantwortung für den Inhalt der Beiträge liegt bei den Autoren. A+B Forschungsberichte is a series where topical results of the current research on labour and edu-cation are being published. Labour and education refers to pre-vocational education, vocational edu-cation and training as well as continuing vocational education. In order to assure a high degree of topicality, A+B Forschungsberichte is published online. Quality is guaranteed by an internal review process involving several researchers. A+B Forschungsberichte offers a platform also for external researchers, who are linked to the Forschungsnetzwerk via their own research in the field of labour and education. The authors are responsible for the content of their contributions. A + B Forschungsberichte erscheinen online unter: www.ibb.uni-bremen.de www.ibp.kit.edu www.ph-heidelberg.de/org/technik/index.htm www.ph-weingarten.de ISSN 1867-9277 Redaktion: PD Dr. Walter Jungmann Kontakt: [email protected] Institut für Berufspädagogik und Allgemeine Pädagogik KIT – Karlsruher Institut für Technologie (Universität des Landes Baden-Württemberg und nationales Forschungszentrum in der Helmholtz-Gemeinschaft) © 2013, A+B Forschungsnetzwerk Universität Bremen FG Berufsbildungsforschung (i:BB) Leobener Straße/NW 2 28359 Bremen Tel. +49 421 218-4634 E-Mail: [email protected]

KIT – Karlsruher Institut für Technologie Institut für Berufspädagogik und Allgemeine Pädagogik Hertzstr. 16 76187 Karlsruhe Tel: +49 721 608-43690 Fax: +49 721 608-46104 E-Mail: [email protected]

Pädagogische Hochschule Heidelberg Fakultät III Im Neuenheimer Feld 561 69120 Heidelberg Tel.: +49 6221 477-441 Fax: +49 6221 477-497 E-Mail: [email protected]

Pädagogische Hochschule Weingarten Professur Technikdidaktik Kirchplatz 2 88250 Weingarten Tel.: +49 751 501-8273 Fax: +49 751 501-8200 E-Mail: [email protected]

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Messen beruflicher Kompetenz von Berufsschullehrern A+B Forschungsberichte Nr. 11/2013 Bremen, Heidelberg, Karlsruhe, Weingarten: A+B Forschungsnetzwerk Zusammenfassung Die KMK hat Empfehlungen für eine an Kompetenzen und Standards orientierte Aus- und Fortbildung von Lehrern vorgelegt. Es geht dabei auch um die Erfassung der Wirkung und Wirksamkeit von Lehrerbildung als einer Voraussetzung für begründete Innovationen. Die Ergebnisse der KOMET-Projekte zeigen, dass die Kompetenzausprägung von Auszubilden-den/Studenten im Bereich der beruflichen Bildung am stärksten durch die Kompetenz ihrer Lehrer/Ausbilder beeinflusst wird. Es wird daher ein Verfahren zur Erfassung der Kompe-tenzausprägung von Berufschullehrern und Ausbildern bildungstheoretisch begründet. Für die psychometrische Evaluation des Kompetenzmodells (Kriterienvalidität) sowie die Über-prüfung der inhaltlichen Validität des Testverfahrens (externe Validität) ist ein umfangreiches empirisches Projekt geplant. Abstract The KMK has put forward recommendations for the initial and continuing education and training of teachers with a view to competences and standards. The focus is on monitoring the impact and effectiveness of teacher education as a prerequisite for innovation. As the experience of the COMET projects shows, the competence development of VET students is influenced in the first place by the competence of their teachers and trainers. Therefore a procedure for assessing the competence of teachers and trainers is developed on a peda-gogical basis. A large-scale empirical study will be implemented for the psychometric evalua-tion of the competence model (criterion validity) and for testing the content validity of the procedure (external validity).

Felix Rauner Messen beruflicher Kompetenz von Berufsschullehrern A+B Forschungsberichte Nr. 11/2013 Bremen, Heidelberg, Karlsruhe, Weingarten: A+B Forschungsnetzwerk Zusammenfassung Die KMK hat Empfehlungen für eine an Kompetenzen und Standards orientierte Aus- und Fortbildung von Lehrern vorgelegt. Es geht dabei auch um die Erfassung der Wirkung und Wirksamkeit von Lehrerbildung als einer Voraussetzung für begründete Innovationen. Die Ergebnisse der KOMET-Projekte zeigen, dass die Kompetenzausprägung von Auszubilden-den/Studenten im Bereich der beruflichen Bildung am stärksten durch die Kompetenz ihrer Lehrer/Ausbilder beeinflusst wird. Es wird daher ein Verfahren zur Erfassung der Kompe-tenzausprägung von Berufschullehrern und Ausbildern bildungstheoretisch begründet. Für die psychometrische Evaluation des Kompetenzmodells (Kriterienvalidität) sowie die Über-prüfung der inhaltlichen Validität des Testverfahrens (externe Validität) ist ein umfangreiches empirisches Projekt geplant. Abstract The KMK has put forward recommendations for the initial and continuing education and training of teachers with a view to competences and standards. The focus is on monitoring the impact and effectiveness of teacher education as a prerequisite for innovation. As the experience of the COMET projects shows, the competence development of VET students is influenced in the first place by the competence of their teachers and trainers. Therefore a procedure for assessing the competence of teachers and trainers is developed on a peda-gogical basis. A large-scale empirical study will be implemented for the psychometric evaluation of the competence model (criterion validity) and for testing the content validity of the procedure (external validity).

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Felix Rauner Messen beruflicher Kompetenz von Berufsschullehrern Inhalt

1 Zur Begründung des Projekts: Messen von Berufsschullehrerkompetenz............5

2 Standards der Lehrerbildung und -tätigkeit als Grundlage für die Kompetenzdiagnostik Besonderheiten für Berufsschullehrer................................7

3 Das Kompetenzmodell „Lehrerarbeit an beruflichen Schulen“ ............................13

4 Operationalisierung der Kompetenzkomponenten ..............................................16

5 Testaufgaben.......................................................................................................19

6 Forschungsbedarf................................................................................................21

Literatur......................................................................................................................23  

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1 Zur Begründung des Projekts: Messen von Berufsschullehrerkompetenz Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat 2004 Standards für die Lehrerbildung (Bericht der Arbeitsgruppe) herausgegeben. TERHART führt einleitend aus: „Eine […] an Kompetenzen und Standards orientierte Erfassung der Wirkung und Wirksamkeit von Lehrerbildung ist […] die Voraussetzung dafür, um ggf. begründete Verbesserungen einführen zu können“ (KMK 2004a, S. 3). Sein Hinweis, dass sich die berufliche Kompetenz von Lehrkräften letztlich erst an der Qualität ihres Unterrichtes entscheidet, findet seine Bestätigung auch in den Untersu-chungsergebnissen des Projekts „Kompetenzdiagnostik in der beruflichen Bildung“ (KO-MET). Neben dem Faktor Lehrer haben sich die schulische Vorbildung der Auszubildenden bzw. Fachschulstudierenden sowie das betriebliche Lernmilieu in der dualen Berufsausbil-dung als weitere Determinanten der beruflichen Kompetenzentwicklung erwiesen (RAUNER u. a. 2011, Kap. 7).

Beim Messen beruflicher Kompetenz von Berufsschullehrern muss zwischen zwei Aspekten unterschieden werden. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, Lehrer zu animieren, sich an den Tests ihrer Schüler zu beteiligen. Sowohl bei PISA als auch im KOMET-Projekt wurde dies erprobt. Zum Messen von Lehrerkompetenz reicht dies natürlich nicht aus. Dazu bedarf es der Entwicklung eines Kompetenz- und Messmodells. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Definition und Operationalisierung der Anforderungsdimension sowie die Begründung von Kompetenzniveaus (siehe dazu KMK 2004b, 3).

Eine umfangreiche quantitative Untersuchung beruflicher Kompetenzentwicklung deckte auf, dass zwischen den 40 Testklassen (Hessen/Bremen) von Auszubildenden (Elektroniker) und Fachschulstudierenden – davon: 31 v. Hessen – außerordentlich große – nicht erwartete – Unterschiede in deren Kompetenzausprägung bestehen. Abb. 1 zeigt dies für das 3. Kompe-tenzniveau („Ganzheitliche Gestaltungskompetenz“).

Abb. 1: Anteil von Testteilnehmern (Hessen), die das Niveau „Ganzheitliche Gestaltungskompetenz“

erreichen, pro Klasse: E-B = Elektroniker/innen für Betriebstechnik, E-EG = Elektroniker/innen FR Energie- und Gebäudetechnik, F-VZ = Fachschulstudierende Vollzeit, F-TZ = Fachschul-studierende Teilzeit; GPW = Gesamtpunktwert

Als ebenso unerwartet groß stellte sich die Heterogenität der Kompetenzentwicklung inner-halb der Testgruppen (Klassen) heraus (Abb. 2).

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Abb. 2: Perzentilbänder für die berufliche Kompetenz ausgewählter Testgruppen auf Klassenebene

für Auszubildende, Fachschulstudierende und Lehrer (Ergebnisse 2009; Heinemann, Maurer Rauner 2011, 166)

Zwischen den leistungsstarken und leistungsschwächeren Testpersonen besteht innerhalb einer Klasse nicht selten eine Differenz, die zwei Jahren Ausbildung entspricht.

Auf dem Aggregationsniveau der zwei Elektroniker-Berufe: Elektroniker für Betriebstechnik und Elektroniker der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik (E-EG) erweist sich die schulische Vorbildung als ein entscheidender Faktor, mit dem das höhere Kompetenzniveau der E-B erklärt werden kann (vgl. auch BAUMERT u. a. 2001, Kap.7).

Von didaktischem Interesse sind die Analysen der Kontextdaten in Bezug auf die Leistungs-unterschiede zwischen den Klassen desselben Ausbildungsberufes (z. B. E-B). Neben dem betrieblichen Lernmilieu (bei Auszubildenden) und damit der Kompetenz der Ausbilder sind die Fähigkeiten und das Verhalten der Lehrer die ausschlaggebende Einflussgröße für die berufliche Kompetenzentwicklung der Schüler/Studierenden. Vergleicht man die Klassen, die von demselben Lehrer unterrichtet werden, jedoch in unterschiedlichen Betrieben ihre Aus-bildung erhalten, dann liegen diese in ihrer mittleren Kompetenzausprägung relativ dicht bei-einander – auch dann, wenn die Ausbildungsbetriebe sich in ihrer Ausbildungsqualität bzw. in ihrem Ausbildungsmilieu deutlich voneinander unterscheiden.

Zur zentralen Bedeutung, die dem Lehrer in allen Bildungsformen, -gängen und -systemen für die Kompetenzentwicklung der Lernenden zukommt, liegen umfangreiche Befunde und vielfältige Erkenntnisse aus der Bildungsforschung vor. Zusammenfassend hat John HATTIE auf den Stand der Forschung hingewiesen (HATTIE 2003, 2011). Die extrem großen Unterschiede in den Kompetenzausprägungen der Testgruppen sowie das Phänomen der Übertragung der Kompetenzprofile der Lehrer auf ihre Auszubilden-den/Studierenden legen es daher nahe, die Lehrerkompetenz zu messen. Gelingt dies, dann wäre das ein großer Schritt für die Qualitätsentwicklung beruflicher Bildung.

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Das Ziel, mit den Methoden der Large-Scale Kompetenzdiagnostik tiefere Einsichten in die berufliche Kompetenz(entwicklung) von Berufschullehrern zu erlangen, lässt sich begründen mit 1) den Ergebnissen der empirischen Berufsbildungsforschung, wonach es bisher nur sehr

begrenzt gelungen ist, Berufschullehrer zu befähigen, die 1996 von der KMK vereinbar-te Einführung des Lernfeldkonzeptes in die Entwicklung von Rahmenlehrplänen für be-rufsschulische Bildungsgänge umzusetzen (vgl. PRZYGODDA, BAUER 2004, 75 f.; LEHBERGER 2012, Kap. 1),

2) der großen Heterogenität, die bei den Erhebungen beruflicher Kompetenz von Auszu-bildenden/Studierenden zwischen den Testgruppen vergleichbarer Bildungsgänge auf-getreten sind (s. o.) sowie

3) dem großen Anteil von Auszubildenden und Studierenden, die am Ende ihrer Ausbil-dung nicht über die Fähigkeit verfügen, berufliche Aufgaben fachgerecht und vollstän-dig zu lösen.

2 Standards der Lehrerbildung und -tätigkeit als Grundlage für die Kompetenzdiagnostik Besonderheiten für Berufsschullehrer

Bei der Begründung der KMK-Standards für die Lehrerbildung werden die Bildungswissen-schaften als die wesentliche Grundlage für den Erwerb der Lehrerkompetenzen hervorgeho-ben. Dies sind v.a. die erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Studienanteile sowie die darauf basierenden Kompetenzen (KMK 2004a, 4). Aus der Sicht allgemeiner Bil-dung lässt sich diese Einschränkung möglicherweise rechtfertigen, da vor allem in der Tradi-tion der geisteswissenschaftlichen Pädagogik mit dem Paradigma der Exemplarizität die Bedeutung der Inhalte des Lehrens und Lernens auf die Funktion eines Mediums im Bil-dungsprozess reduziert wurde (vgl. WENIGER 1957). In der beruflichen Bildung kommt den Ausbildungsinhalten dagegen eine konstituierende Bedeutung zu. In den nach Berufsbil-dungsgesetz (BBiG) verordneten Berufsbildern und Ausbildungsordnungen sind die in einem Beruf zu beherrschenden Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verbindlich festgelegt. Dies gilt in besonderer Weise für die Prüfungsanforderungen. Sie sind die Grundlage für die Überprüfung der Berufsfähigkeit in den einzelnen Berufen. Gesondert überprüft werden Fä-higkeiten und Kenntnisse, die für die Ausübung eines Berufes notwendig (!) vorausgesetzt werden müssen, da mit einem Berufsabschluss nicht selten die Berechtigung erworben wird, einen Beruf auszuüben. So überprüft z. B. der Germanische Lloyd nach eigenen Qualitäts-standards die sichere Beherrschung verschiedener Schweißtechniken bei Auszubildenden im Beruf des Industriemechanikers (Fachrichtung Schiffsmechanik). Immer wenn es um si-cherheits-, umwelt- und gesundheitsrelevante Ausbildungsinhalte geht, sind Berufsschulleh-rer und Ausbilder besonders herausgefordert, die entsprechenden Ausbildungsinhalte zu vermitteln und deren sichere Beherrschung zu überprüfen. Daraus ergibt sich, dass ein Kompetenzmodell ‚Berufsschullehrer‘ eine Inhaltsdimension ausweisen muss.

Sichtet man die Standards für die Aus- und Weiterbildung von Lehrern, dann finden sich weitgehend übereinstimmend, wenn auch unterschiedlich ausdifferenziert, die Beschreibun-gen der Fähigkeiten, die sich Lehrer in ihrer Aus- und Weiterbildung aneignen sollen. Auffäl-lig ist, dass in der Mehrzahl der Ausbildungskonzepte die Dimension des Fachwissens nicht berücksichtigt wird. So schlägt z. B. Fritz OSER (1997) 88 „Standards“ für die Lehrerbildung vor. Dabei handelt es sich um 12 übergeordnete Ausbildungsbereiche („Standardgruppen“), die in 88 detaillierte Ausbildungsziele (Standards) aufgeschlüsselt werden. Bemerkenswert ist auch hier, dass in dieser Zusammenstellung die Inhaltsdimension von Kompetenz fehlt. In den von OSER zitierten Ausbildungsrichtlinien des „National Board for Professional Tea-ching Standards“ (NBTS) wird dagegen als eine der „fünf Ideale zur Erhebung und Überprü-fung von Teaching Standards“ unter b) „das Wissen um den Inhalt, der gelernt wird…“ auf-geführt (zitiert nach OSER 1997, 28). In einer anderen aktuellen Zusammenstellung von Pro-

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fessionalisierungsstandards für die Lehrerbildung werden die Fachinhalte sogar besonders hervorgehoben. In den „Professionalisierungsstandards der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz“ heißt es:

„1. Die Lehrperson verfügt über Fachwissen, versteht die Inhalte, Strukturen und zentralen Forschungsmethoden ihrer Fachbereiche und sie kann Lernsituationen schaffen, die diese fachspezifischen Aspekte für die Lernenden bedeutsam machen“ (Professionalisierungs-standards der pädagogischen Hochschule Zentralschweiz [2011]).

Vorschlag für ein Messverfahren von OSER,CURCIO und DÜGGELI

OSER, GIAN, CURCIO und DÜGGELI haben zur Kompetenzmessung in der Ausbildung von Lehrern ein Verfahren entwickelt und psychometrisch evaluiert. Methodisch basiert das Kon-zept auf Situationsfilmen (Mehrperspektivaufnahmen und daraus generierte Filmvignetten) und einem Expertenrating der Kompetenzprofile von Lehrern (OSER, CURCIO, DÜGGELI 2007)1 OSER und seine Forschungsgruppe entscheiden sich aus guten Gründen für den methodischen Mittelweg zwischen der direkten Beobachtung und den Verfahren der Selbst-beurteilung, da beide Verfahren bisher nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt ha-ben. Die Methode der direkten Beobachtung scheidet bereits aus testökonomischen Grün-den aus. Selbst wenn es gelänge, ein reliables Ratingverfahren zu entwickeln, dann würde mit diesem Verfahren eine entscheidende Kompetenzdimension nicht erfasst: das dem Leh-rerverhalten zugrunde liegende handlungsleitende Wissen. Selbst wenn man unterstellt, dass man vom beobachtbaren Handeln auf das handlungsleitende Wissen schließen kann, dann bleibt bei dieser Methode offen, zu welchem Grad Lehrer ihre Handlungen begründet reflektieren können oder ob sie eher intuitiv und auf der Grundlage eingeübter ‚Skills‘ han-deln. Will man Lehrerkompetenz auf dem Kompetenzniveau reflektierten professionellen Wissens und Handels erfassen, dann kommen die Beobachter nicht umhin, das beobachtete Verhalten mit den beobachteten Lehrern zu reflektieren. Dem Entschlüsseln der im beob-achtbaren Verhalten inkorporierten Kompetenzen als eine domänenspezifische kognitive Disposition, sind enge Grenzen gesetzt. Diese Einschränkung gilt auch für das von OSER und seinem Team vorgeschlagene „advokatorische Verfahren“, das ebenfalls auf einem Be-obachtungsverfahren basiert. In den auf Videodokumenten basierenden Formen der Lehrer-bildung ist daher ein wesentliches Element die gemeinsame Reflektion des Beobachteten. Dabei hat der beobachtete Lehrer die Möglichkeit, darzulegen, warum er sich in spezifischen Situationen so und nicht anders verhalten hat (Video-Feedback). Ohne die Reflektion der visuellen Dokumente mit den Akteuren haben videogestützte Beobachtungsmethoden für das Messen von Kompetenz nur eine begrenzte Reichweite.

Interessant ist der OSER-Ansatz zur Identifizierung von Kompetenzprofilen auf einem mittle-ren Abstraktionsniveau, da vermieden wird, lediglich Kompetenzniveaus zu bestimmen. Die Profile wurden nach dem Delphi-Verfahren entwickelt bzw. identifiziert. Am Beispiel des Kompetenzprofils A 2.3 (A2: „Vermittlungsformen“ ist eine von neun Standarduntergruppen): „Die Lehrperson organisiert verschiedene Arten von Gruppenunterricht...“ (ebd. 16).

Mit dem Konzept der Kompetenzprofile gelingt eine Annäherung an die zu beschreibende und zu erfassende Qualität von Lehrerkompetenz. Das Projekt zeigt, mit welchem empiri-schen Aufwand die Entwicklung dieses Verfahren zum Messen von Berufsschullehrerkom-petenz verbunden ist.

1 Das Projekt wurde mit 793 Lehrpersonen von Berufsfachschulen durchgeführt. Es handelt sich jedoch um ein

Vorhaben, das nicht auf die berufliche Bildung eingeschränkt ist.

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Kompetenzprofile

Der Ansatz, Kompetenzprofile zur Erfassung von Berufsschullehrerkompetenz zu nutzen, ist insofern interessant, als er über die eindimensionale Skalierung von Kompetenz in der Form von Punktwerten deutlich hinausreicht. Mit Kompetenzprofilen kann die Qualität von Kompe-tenz repräsentiert werden (ebd. 17 ff.). Die Repräsentation von Kompetenzprofilen setzt ein Kompetenzmodell voraus, vor allem eine wissenschaftlich und normativ zu begründende Modellierung der Anforderungsdimension. Die Schwierigkeit besteht bei diesem Verfahren darin, die Menge der Profile zu bestimmen. OSER u. a. wählen einen mittleren Abstraktions-grad, um die Vielfalt der Profile auf 45 zu begrenzen. Es sprechen also pragmatische Grün-de für das Differenzierungsniveau. Da jeder Lehrer über sein „eigenes“ Kompetenzprofil ver-fügt, das möglicherweise noch von Fach zu Fach variiert, fordert diese Vorgehensweise eine Auseinandersetzung mit der Frage nach einer Taxonomie oder nach anderen Formen der Systematisierung der Kompetenzprofile heraus. Einen Ausweg aus der Schwierigkeit, die Kompetenzprofile von Lehrern auf eine bestimmte Zahl von Profilen zu verdichten, besteht darin, die Kompetenzdimensionen (Teilkompetenzen) wissenschaftlich und normativ zu iden-tifizieren, die es erlauben, beliebige Kompetenzprofile abzubilden. Mit dieser Vorgehenswei-se ist es Howard GARDNER gelungen, das Konzept der multiplen Intelligenz als ein Konzept der Kompetenzforschung zu etablieren (CONNELL, SHERIDAN, GARDNER 2003). Danach können Fähigkeiten (abilities) als funktional integrierte Intelligenzprofile konzeptualisiert wer-den. Durch die Ausprägung von spezifischen Intelligenzen ist ein Raum für die Kompetenz-entwicklung bzw. die potenziellen Fähigkeiten gegeben (Abb. 2)

Abb. 2: Beispiel eines individuellen Intelligenzprofils sowie zwei verschiedene Intelligenzprofile und die unterschiedlichen Räume für die Kompetenzentwicklung, die sie definieren (CONNELL, SHERIDAN, GARDNER 2003, 138 u. 140 f.)

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Validität des OSER-Testverfahrens

Hier weisen OSER u. a. zu recht auf einen sehr sensiblen Punkt der Kompetenzdiagnostik hin. Eine hohe Validität der Messverfahren bzw. der Testaufgaben kann zuletzt nur bestätigt werden, wenn man nachweisen könne, wie sich die Lehrerkompetenz auf die Kompetenz-entwicklung der Schüler auswirke. „Ob allerdings mit dem vorliegenden Diagnoseinstrument tatsächlich die Qualitätsausprägung eines Standards erfasst wird oder nicht, ist mit Hilfe von Quer-Validierungen zu prüfen“ (ebd. 19). Das vorgesehene Verfahren eines Expertenratings schöpft die Möglichkeiten aus, die dieses Verfahren insgesamt bietet. Letztlich muss der Nachweis erbracht werden, ob Schülerleistungen auf die Kompetenz ihrer Lehrer zurückzu-führen ist.

Die Handlungsfelder für Berufsschullehrer

In der Lehrerbildung ist es notwendig, zu den vielfältigen Bedingungs- und Entscheidungs-feldern des didaktischen Handelns von Lehrern – z. B. zu dem der Vermittlungsmethoden – Lehrveranstaltungen vorzusehen. Dies gilt ebenso für die Aneignung des Fachwissens. Ob ein Lehrer/-student über Methoden- und Fachkompetenz verfügt, lässt sich überprüfen. Das Messen von Lehrerkompetenz setzt jedoch Testaufgaben bzw. Testarrangements voraus, die auf der Grundlage eines Kompetenzmodells zu entwickeln sind. Die Inhaltsdimension des Kompetenzmodells weist als ein Handlungsfeld „Unterrichten“ aus. Um zu bestimmen, mit welchen Kompetenzausprägungen ein Lehrer unterrichtet und über welches charakteri-stische Kompetenzprofil er in diesem Handlungsfeld verfügt, bedarf es eines Messmodells, das alle relevanten Aspekte dieses Handlungsfeldes abdeckt. Das bedeutet, dass die Quali-tät von Gruppenarbeit als ein neben vielen anderen und miteinander zusammenwirkenden Aspekten im Handlungsfeld „Unterricht“ erfasst werden muss. Die Zusammenarbeit in einer Lerngruppe gewinnt ihren didaktischen Stellenwert erst im Kontext des Unterrichtsvorha-bens.

In den KMK-Standards für die Lehrerbildung werden vier Ausbildungs- und Aufgabenberei-che für Lehrer ausgewiesen:

1. Schule als Organisation 2. Planung, Durchführung und Auswertung von Unterricht 3. Beurteilung von Schülerleistungen 4. Kooperation von Kollegen im Rahmen von Unterrichts- und Schulentwicklung (KMK

2004a)

Bei jedem dieser vier Ausbildungs- und Aufgabenbereiche wird unterschieden nach dem im Studium anzueignenden Wissen und den im Vorbereitungsdienst und in der Lehrerarbeit anzueignenden bzw. zu beherrschenden Fähigkeiten.

Fasst man die Ausbildungs- und Aufgabenbereiche 1. und 4. zu einem Handlungsfeld „Betei-ligung an der Schulentwicklung“ zusammen (s. KMK 2004b, 3; Ziffer 5) und geht man im Sinne des Konzepts der vollständigen Handlung davon aus, dass Unterricht auch die Eva-luation und Überprüfung von Lernprozessen sowie die Beurteilung von Schülerleistungen einschließt (2. und 3.)2, dann bleiben zwei Handlungsfelder übrig.

Für Berufsschullehrer lassen sich die folgenden vier Aufgabenfelder begründen.

1. Planen, Durchführen und Auswerten beruflicher Lernprozesse Das zentrale Aufgabenfeld jedes Lehrers an beruflichen Schulen ist die Gestaltung und Eva-luation beruflicher Bildungsprozesse sowie ihre individuelle Bewertung (vgl. KMK 2004b, 3). Dem KOMET-Kompetenzmodell kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeu-

2 Lehrerinnen und Lehrer üben ihre Beurteilungs- und Beratungsaufgaben im Unterricht […] aus“

(ebd., 3. Ziffer 3).

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tung zu. Die Zusammenarbeit mit anderen Lehrern (z. B. der Fachgruppe) sowie mit den außerschulischen Kooperationspartnern (z. B. Ausbildern) ist daher die Regel.

2. Entwickeln von Bildungsprogrammen Berufsbilder, Rahmenlehrpläne und Ausbildungsordnungen werden zunehmend entwick-lungsoffen gestaltet, damit der sich beschleunigende technische Wandel nicht zu einem ständigen Aktualitätsrückstand der Ordnungsmittel führt. Die Umsetzung offener Bildungs-pläne sowie die Applikation breitbandig angelegter Kernberufe (z. B. Mechatroniker, Poly-mechaniker (Schweiz), Informatiker (Schweiz), Mediengestalter) unter Berücksichtigung der lokalen und regionalen Anwendungsfelder der einschlägigen Ausbildungsbetriebe bringt es mit sich, dass die Entwicklung von Bildungsprogrammen im Bereich der dualen Berufsaus-bildung zu den Kernaufgaben von Berufschullehrern gehört. Die Berücksichtigung der Quali-fikationspotenziale der an der dualen Berufsausbildung beteiligten Unternehmen setzt einen hohen Grad an berufsfachlicher Kompetenz – neben den berufspädagogisch-didaktischen Fähigkeiten – voraus.

3. Planen, Entwickeln und Gestalten der Lernumgebung Von besonderer didaktischer Relevanz für die Gestaltung beruflicher Bildungsprozesse sind die Fachräume und Werkstätten. Ihre Qualität entscheidet wesentlich über die Umsetzung „handlungsorientierter“ Lernformen. Die Fachräume und ihre Ausstattung sind daher oft ein „Markenzeichen“ von Fachbereichen bzw. beruflichen Schulen. Wie sich Fachräume und Werkstätten unter den Bedingungen des technischen Wandels und sich verändernder Quali-fikationsanforderungen so gestalten lassen, dass sie eine experimentelle Qualität aufweisen, die es erlaubt, sich auch prospektiv mit der beruflichen Arbeitswelt auseinander zu setzen, fordert Berufschullehrer in diesem Handlungsfeld besonders heraus. Darüber hinaus ist das didaktische Handeln der Lehrer auch von der Medienausstattung sowie der Qualität der Netzzugänge abhängig.

4. Beteiligung an der Schulentwicklung Mit einer Verlagerung operativer Aufgaben der Schulentwicklung auf die Ebene beruflicher Bildungseinrichtungen gehört die Beteiligung der Berufsschullehrer an der Qualitätsentwick-lung und -sicherung zu ihren originären Aufgaben. Die außerordentlich große Vielfalt der Berufe, beruflichen Bildungsgänge und der regional spezifischen Einbettung beruflicher Bil-dung in die Wirtschaftsstrukturen fordert den Wandel beruflicher Schulen hin zu regionalen Kompetenzzentren. Dabei ist abzusehen, dass die Gewichte sich zunehmend in den Bereich der beruflichen Fort- und Weiterbildung verlagern werden. Die internationale Entwicklung hin zu „Further Educational Colleges“ und zu „Community Colleges“ (USA) ist hier bereits weiter fortgeschritten. In diesem Zusammenhang verlieren die traditionellen Konzepte der „Schul“Entwicklung an Bedeutung. Der Wandel beruflicher Schulen zu Kompetenzzentren erfordert die Entwicklung neuer Formen der Organisationsentwicklung sowie ihre Institutio-nalisierung neben den Hochschulen und den allgemeinen SII-Oberstufen.

Bei der Entwicklung von Testaufgaben für ein Projekt „Messen beruflicher Kompetenz von Berufsschullehrern“ sollten die vier Handlungsfelder wenigstens durch je eine komplexe Testaufgabe repräsentiert sein.

In der Lehrerbildungsdiskussion wird auf die unterschiedlichen Dimensionen bzw. Teilkom-petenzen professionellen Lehrerhandels hingewiesen. Dabei geht es um die Teilkompeten-zen Unterrichten, Erziehen, Beraten, Beurteilen und Innovieren, wie sie bereits vom deut-schen Bildungsrat (1970) und reformuliert von der KMK-Lehrerbildungskommission (1999) begründet wurden. Werden diese Dimensionen von Lehrerkompetenz in der Form von Mo-dulen als in sich abgeschlossene Fähigkeiten in der Phase der Einarbeitung in die Lehrertä-tigkeit in Studienseminaren ‚gelehrt‘, dann besteht das Risiko, dass diese Teilkompetenzen als voneinander isolierte Eigenschaften des Lehrerhandelns missverstanden werden. Für die Standards der Lehrerbildung bedeutet das, dass sich die Beratungs-, Unterrichts-, Erzie-hungs-, etc. -kompetenz erst im Kontext der domänenspezifischen Gestaltung und Evaluati-on der (Aus)bildungsprozesse erweisen. Darauf weist die KMK in ihren Standards ausdrück-

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lich hin. Die Erziehungsaufgabe in der Schule sei eng mit dem Unterricht verknüpft. Ebenso handle es sich beim Beurteilen und Beraten nicht um isolierte Handlungsfelder, sondern um Aufgaben, die in den Unterricht integriert seien (KMK 2004b, 3).

In dem nach Disziplinen und Modulen strukturierten Lehrerstudium lässt sich disziplinäres Wissen vermitteln und in Klausuren testen. Professionelle Handlungskompetenz von Lehrern erweist sich dagegen erst in den domänenspezifischen konkreten Handlungsfeldern (s. o.).

Eine Besonderheit der beruflichen Bildung ist ihr übergeordnetes Leitziel: „Befähigung zur Mitgestaltung der Arbeitswelt in sozialer und ökologischer Verantwortung“ (KMK 1991, 196). Die Leitidee einer gestaltungsorientierten Berufsbildung hat weitreichende Konsequenzen für die Professionalisierung von Berufsschullehrern und die Realisierung der Lernumgebungen in den an der Berufsausbildung beteiligten Institutionen: berufliche Schulen, Ausbildungsbe-triebe und überbetriebliche Ausbildungsstätten.

Für die Inhalte beruflicher Bildung bedeutet dies, dass diese nicht auf dem Wege der didak-tischen Transformation wissenschaftlicher Inhalte gewonnen werden können. Das berufliche Arbeitsprozesswissen hat eine eigene Qualität. Bei der Realisierung einer elektrischen Be-leuchtungsanlage in einem Wohn- oder Büroraum, einer Metzgerei oder der Gemüseabtei-lung eines Lebensmitteldiscounts gestaltet sich die Auswahl und Anordnung von Beleuch-tungskörpern in Bezug auf Helligkeit und Farbtemperatur unter Beachtung der jeweiligen Standards für Arbeitsstätten, Verkaufsräume etc. nicht zuletzt auch unter Beachtung ästheti-scher Kriterien sowie der Bedienungs- und Reparaturfreundlichkeit höchst unterschiedlich. Die Entscheidung für eine Niedrig- oder Normalspannungslösung ist ebenso eine Frage des Abwägens von miteinander konkurrierenden Kriterien. Würde man den Fachunterricht wis-senschaftspropädeutisch auf die Grundlagen der Elektrotechnik ausrichten, dann stünden die Schaltlogik und die Funktionsweise der Beleuchtungskörper im Vordergrund. Der Inhalt „Elektrische Beleuchtung“ würde zu einer der angewandten Naturwissenschaft. Die reale Arbeitswelt mit ihren berufsfachlichen Anforderungen – die eigentlichen Inhalte beruflicher Bildung – blieben dann ebenso wie die Leitidee der Mitgestaltung der Arbeitswelt ausge-klammert. In der beruflichen Arbeitswelt stehen Fachkräfte stets vor der Aufgabe, die jeweils gegebenen Lösungs- und Gestaltungsspielräume auszuschöpfen – „in sozialer und ökologi-scher Verantwortung“ (KMK 1999, 3,8).

Die Implikationen des Lernfeldkonzeptes, das sich auf diese Leitidee stützt, liegen für die Handlungsfelder von Berufsschullehrern auf der Hand. Die Lernumgebungen für die berufli-che Bildung müssen sich in ihrer Qualität daran messen lassen, ob sie nach dem Konzept angewandter Wissenschaft (Applied Sciences) oder dem Konzept der holistischen Lösung beruflicher Aufgaben ausgelegt sind (s. 3. und 4.). Donald SCHÖN hat mit seiner erkenntnis-theoretischen Schrift „The Reflective Practitioner“, korrespondierend zur Kategorie der prak-tischen Intelligenz, die grundlegende Bedeutung der praktischen Kompetenz (Practical Competence and Professional Artistry) als eine eigenständige, nicht durch das theoretische (deklarative) Wissen angeleitete Kompetenz nachgewiesen. Zugleich führt ihn dies zu einer kritischen Bewertung des akademischen (disziplinären) Wissens als einer kognitiven Vor-aussetzung für kompetentes Handeln. SCHÖN fasst seine Untersuchungsergebnisse in der Einsicht zusammen:

„I have become convinced that universities are not devoted to the production and dis-tribution of fundamental knowledge in general. They are institutions committed, for the most part, to a particular epistemology, a view of knowledge that fosters selective inattention to practical competence and professional artistry“(SCHÖN 1983, S. VII).

Er zitiert in diesem Zusammenhang aus einer Untersuchung ärztlicher Praxis: „85 % of the problems a doctor sees in his office are not in the book“. Die tiefere Ursache für die Unfähig-keit des Bildungssystems, Wissen zu vermitteln, das berufliche Kompetenzen begründet, sieht Schön im disziplinären fachsystematischen Wissen.

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„The systematic knowledge base of a profession is thought to have four essential prop-erties. It is specialized, firmly bounded, scientific and standardized. This last point is par-ticularly important, because it bears on the paradigmatic relationship which holds, ac-cording to Technical Rationality, between a profession‘s knowledge base and its prac-tice“(ebd., S. 23).

Er verweist auf eine umfangreiche Curriculumanalyse von Edgar SCHEIN. Dieser kritisiert das in den schulischen Curricula inkorporierte Wissenskonzept:

„Usually the professional curriculum starts with a common science core followed by the applied science elements. The attitudinal and skill components are usually labelled ‚practicum‘ or ‚clinical work‘ and may be provided simultaneously with the applied sci-ence components or they may occur even later in the professional education, depending upon the availability of clients or the ease of simulating the realities that the professional will have to face“ (SCHEIN 1973, S. 44, zitiert nach SCHÖN 1983, S. 27).

3 Das Kompetenzmodell „Lehrerarbeit an beruflichen Schulen“ Die zentrale Aufgabe der Lehrer an beruflichen Schulen besteht darin, Schüler und Studie-rende zu befähigen, die Arbeitswelt und die Gesellschaft in sozialer und ökologischer Ver-antwortung mit zu gestalten (KMK 1991/1999). Die Leitideen und Ziele beruflicher Bildung sowie der Lehrerbildung und der Lehrertätigkeit bilden den Begründungsrahmen für ein Kompetenzmodell „Berufsschullehrer“ (Abb. 3).

Abb. 3: Zum Zusammenhang zwischen den Zielen und Theorien beruflicher Bildung, der Aus- und

Weiterbildung von Berufschullehrern sowie dem Gestalten, evaluieren und Messen ihrer Kompetenz

Zur Vermittlung zwischen den Leitideen, Zielen und Theorien beruflicher Bildung sowie der Lehrerbildung und der Entwicklung von Testaufgaben und Beschreibung ihrer Lösungsräu-me bedarf es der Entwicklung eines Kompetenz- und Messmodells „Berufsschullehrer“. Die didaktische Relevanz des Kompetenzmodells lässt sich vor allem daraus ersehen, dass es zugleich als eine Anleitung – neben anderen – für die Ausbildung von Berufschullehrern ge-eignet ist.

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Abb. 4: Das ‚Berufsschullehrer‘-Kompetenzmodell beruflicher Bildung Das Kompetenzmodell ‚Berufsschullehrer‘ umfasst die bei der Kompetenzmodellierung übli-chen Dimensionen

− Anforderungsdimension (Kompetenzausprägung/Kompetenzniveaus) − Inhaltsdimension sowie − Handlungsdimension (vgl. KMK 2005; SCHECKER, PARCHMANN 2006, 55; RAU-

NER u. a. 2011, 51 ff.).

Anforderungsdimension Die Anforderungsdimension bildet die aufeinander aufbauenden Niveaustufen beruflicher Kompetenz ab. Sie werden anhand von Fähigkeiten definiert, die sich aus der Bearbeitung und Lösung beruflicher Aufgaben ergeben (s. BYBEE 1997; KOMET-Bd. 3, Abb. 3, Kap. 1.3). Die objektiven und subjektiven Anforderungen an die Lehrerarbeit verweisen unmittel-bar auf ihre berufsfachlichen und berufspädagogisch-didaktischen Fähigkeiten. Als Interpre-tationsrahmen dienen die neun Kriterien des Kompetenzstufenmodells mit seinen drei Kom-petenzniveaus sowie dem darunterliegenden Niveau der nominellen Kompetenz.

1. Funktionale Kompetenz Über funktionale Kompetenz verfügen (angehende) Berufsschullehrer, die sich im Rahmen ihrer hochschulischen Ausbildung grundlegendes berufspädagogisch-didaktisches, berufs-fachliches, berufs-/fachdidaktisches und fachmethodisches Wissen angeeignet haben. Funk-tionale Kompetenz basiert vor allem auf dem einschlägigen handlungsleitenden pädago-gisch-didaktischen und berufsfachlichen Wissen, ohne dass die Testpersonen in der Lage sind, dieses Wissen situationsspezifisch anzuwenden sowie ihr pädagogisches Handeln hin-reichen zu begründen und zu reflektieren.

2. Prozessuale Kompetenz Über prozessuale Kompetenz verfügen Berufsschullehrer, die zudem in der Lage sind, ihr berufliches Wissen in der Berufsbildungspraxis situationsadäquat anzuwenden, zu reflektie-ren und sich darüber hinaus weiter zu bilden. Charakteristisch für dieses Kompetenzniveau

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ist die Fähigkeit, berufliche Bildungsprozesse unter den realen Bedingungen des Schul- bzw. Ausbildungswirklichkeit zu gestalten und zu organisieren. Die Lehrer verfügen über ein be-rufspädagogisches Arbeitskonzept. Sie sind Teil der beruflichen Praxisgemeinschaft.

3. Gestaltungskompetenz Das höchste Kompetenzniveau repräsentiert aufbauend auf den vorherigen Niveaus die Fä-higkeit, berufspädagogische Aufgaben holistisch (vollständig) zu lösen. Dies schließt die Kriterien der Sozialverträglichkeit der Lehrerarbeit ebenso ein wie die Fähigkeit der sozialkul-turellen Einbettung der beruflichen Bildungsprozesse. Das Niveau der holistischen Kompe-tenz schließt die Fähigkeit ein, mit einiger Kreativität zwischen den vielfältigen Anforderun-gen an die holistischen Aufgabenlösung situationsspezifisch abzuwägen: z. B. zwischen den Vorgaben des Curriculums, den zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie einer möglichst ausgeprägten individuellen Förderung der Lernenden. Die einschlägigen berufsfachlichen und pädagogisch-didaktischen Innovationen in seinem Berufsfeld sind ihm vertraut.

4. Nominelle Kompetenz fällt aus dem Rahmen beruflicher Kompetenzen heraus, wenn man, wie hier, die Entwick-lung beruflicher Kompetenz als charakteristisches Kriterium für den Erfolg der Lehrerausbil-dung in die Modellbildung einführt. (Angehende) Berufsschullehrer, die lediglich das Niveau nominelle Kompetenz erreichen, werden der Risikogruppe zugeordnet. Risikoschüler sind nach der PISA-Definition den Anforderungen einer erfolgreichen Berufsausbildung nicht ge-wachsen und haben mit erheblichen Schwierigkeiten beim Übergang in das Berufsleben zu rechnen (BAUMERT u. a. 2001, 117). Diese Definition lässt sich sinngemäß auf die Lehrer-ausbildung und -tätigkeit übertragen. Für Lehrer, deren kognitive domänenspezifische Lei-stungsdisposition (Kompetenz) unterhalb des ersten Kompetenzniveaus (funktionale Kompe-tenz) liegt und die trotzdem als Lehrer tätig sind, besteht daher ein dringender Fortbildungs-bedarf. Umfang und inhaltliche Ausgestaltung der Fortbildung lässt sich anhand des KO-MET-Testverfahrens relativ genau identifizieren.

Inhaltsdimension Bei der Operationalisierung der Inhaltsdimension werden die vier oben beschriebenen Hand-lungsfelder für Berufsschullehrer zugrunde gelegt. Während sich die beruflichen Handlungs-felder von Auszubildenden bzw. beruflichen Fachkräften inhaltlich – von Beruf zu Beruf und vor allem von Berufsfeld zu Berufsfeld – grundlegend voneinander unterscheiden, kann für Berufspädagogen (Lehrer/Ausbilder) eine einheitliche berufs- und berufsfeldübergreifende Inhaltsstruktur zugrunde gelegt werden (s. S. 6). Diese muss jedoch bei der Entwicklung von Testaufgaben und der Beschreibung der ent-sprechenden Lösungsräume berufsspezifisch ausgestaltet werden. Die übergeordnete Strukturierung der Inhalte in der Form der vier Handlungsfelder lässt sich berufspädagogisch begründen. Die Modellierung der Inhaltsdimension auf diesem mittleren Operationalisie-rungsniveau erlaubt es, ein gemeinsames Kompetenz- und Messmodell für Lehrer berufli-cher Fachrichtungen zu entwickeln und damit auch Lehrerkompetenz berufsfeldübergreifend zu vergleichen. Zugleich gilt jedoch, dass das berufliche Wissen der zu qualifizierenden Fachkräfte für die Gestaltung und Organisation beruflicher Bildungsprozesse einen hohen Stellenwert hat.

Handlungsdimension Bei der Begründung der Handlungsdimension des Kompetenzmodells kann auf die Begrün-dung des KOMET-Kompetenzmodells verwiesen werden. Für das Lehrerhandeln gilt in be-sonderer Weise das Konzept der vollständigen Arbeits- und Lernhandlung. Eine Abspaltung des Überprüfens des Ausbildungserfolges, wie es das Berufsbildungsgesetz für die Zwi-schen- und Abschlussprüfungen (bzw. Teil 1 und Teil 2 der Prüfung) vorsieht, beeinträchtigt die professionelle Ausgestaltung der Feedbackstruktur und -praxis für den Lernort Berufs-schule (vgl. KOMET-Bd. 3, 222 ff.). Die Operationalisierung der Handlungsdimension schließt daher die ausbildungsbegleitende Überprüfung der Kompetenzentwicklung ein.

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Die Handlungsdimension des Kompetenz- und Messmodells nimmt das arbeitswissenschaft-liche Konzept der „vollständigen Aufgaben“ (ULICH 1994, 168) auf3:

− Das selbstständige Setzen von Zielen, die in übergeordnete Ziele eingebettet werden können,

− Selbstständige Handlungsvorbereitungen im Sinne der Wahrnehmung von Planungs-funktionen,

− Auswahl der Mittel einschließlich der erforderlichen Interaktionen zur adäquaten Ziel-erreichung,

− Ausführungsfunktionen mit Ablauffeedback zur allfälligen Handlungskorrektur, − Kontrolle und Resultatfeedback und die Möglichkeit, Ergebnisse der eigenen Hand-

lungen auf Übereinstimmung mit den gesetzten Zielen zu überprüfen“ (ULICH 1994, 168).

Bemerkenswert ist, dass ULICH die Kategorie der „vollständigen Aufgaben“ hervorhebt und damit einen Bezug zur Arbeitsgestaltung als einem zentralen Gegenstand der arbeitswis-senschaftlichen Forschung herstellt. Die programmatische Bedeutung, die das Konzept der vollständigen Handlung (Aufgabengestaltung) in der Berufspädagogik erlangt hat, hat hier eine ihrer Wurzeln. Eine andere liegt in dem Grad der mittleren Operationalisierung in der Form der Ausdifferenzierung der vollständigen Arbeits- und Lernhandlung in aufeinander folgende Handlungsschritte. Für das didaktische Handeln von Lehrern und Ausbildern bietet dieses Schema eine gewisse Handlungssicherheit. Eine mittlerweile auch internationale Verbreitung fand dieses Handlungsstrukturmodell im Zusammenhang mit der Einführung des Lernfeldkonzepts in die Entwicklung von beruflichen Curricula.

Eine weitere Funktion erfüllt die Handlungsdimension bei der Anwendung des Kompetenz-modells als eine didaktische Anleitung zur Strukturierung prozessbezogener Lösungshilfen bei der Lösung beruflicher Arbeits- und Lernaufgaben (vgl. KATZENMEYER u. a. 2009, 173 ff.).

Während die Anforderungs- und Inhaltsdimension des Kompetenzmodells ‚produktbezoge-ne’ Dimensionen sind, bildet die Handlungsdimension die Prozessstruktur von Arbeits- und Lernhandlungen ab.

4 Operationalisierung der Kompetenzkomponenten

9. Kreativität 8. Sozial-kulturelle Einbettung

Holistische Kompetenz

7. Sozialverträglichkeit 6. Unterrichts- und Ausbildungsorganisation 5. Effizienz Prozesskompetenz 4. Nachhaltigkeit 3. Fachmethodik (Lehr- und Lernformen) 2. Berufs-/Fachdidaktik Funktionale Kompetenz 1. Berufsfachlichkeit

Tab. 2: Die Komponenten der Kompetenzniveaus Den drei aufeinander aufbauenden Kompetenzniveaus (vgl. das KOMET-Kompetenzmodell) werden je drei Kompetenzkomponenten zugeordnet. Die Operationalisierung der Anforde-rungsdimension stützt sich auf die psychometrische Evaluation des KOMET-Kompetenz- 3 ULICH nimmt Bezug auf HELLPACH 1922, 1927; TOMACZEWSKI 1981; HACKER 1986 und VOLPERT

1987.

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und Messmodells, das in seiner Grundstruktur ähnlich aufgebaut ist (ERDWIEN, MARTENS 2009, 62 ff.; RAUNER, HEINEMANN, MARTENS, MAURER 2011, 109 ff.).

1. Berufsfachlichkeit Der inhaltliche Bezugspunkt für die Gestaltung beruflicher Lernprozesse sind die charakteri-stischen beruflichen Arbeitsprozesse/-aufgaben und das darin inkorporierte Arbeitsprozess-wissen. Dieses hat eine objektive und subjektive Komponente, gegeben durch die fachli-chen/fachwissenschaftlichen Zusammenhänge, sowie eine ausgeprägte subjektive Kompo-nente, gegeben durch das handlungsleitende, handlungserklärende und handlungs-reflektierende Wissen (vgl. LEHBERGER 2013). Eine besondere Herausforderung für die Lehrer an beruflichen Schulen stellt einerseits das langlebige Strukturwissen sowie anderer-seits das an der Oberfläche der technisch-ökonomischen Entwicklung anzusiedelnde „Ober-flächenwissen“ dar. Die Entscheidung darüber, ob das berufsfachliche Wissen angeeignet werden muss, oder ob es dabei um die Fähigkeit geht, sich dieses Wissen situativ unter Nutzung der entsprechenden Medien zu erschließen, erfordert von Lehrern eine hohe be-rufsfachliche Kompetenz.

1) Werden die berufsfachlichen Zusammenhänge richtig dargestellt? 2) Entspricht der Lösungsvorschlag „dem Stand der Entwicklung“? 3) Wird das objektive und subjektive Arbeitsprozesswissen berücksichtigt? 4) Werden die berufsfachlich gegebenen Gestaltungsspielräume berücksichtigt? 5) Wird zwischen Aneignen und Recherchieren beim Umgang mit dem berufsfachlichen

Wissen differenziert?

2. Berufs-/Fachdidaktik Die berufs-/fachdidaktische Kompetenz von Berufschullehrern und Ausbildern entscheidet über die Fähigkeit der Transformation berufsfachlicher Inhalte in Lehr- und Lerninhalte. Mit der Einführung des Lernfeldkonzeptes wurde als Bezugspunkt für die inhaltliche Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen das fachsystematische Wissen durch das Arbeitsprozesswis-sen abgelöst. Der fach-/berufsfachdidaktische Bezugspunkt für die Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen sind die „bedeutsamen beruflichen Arbeitssituationen“. Da die fachliche und fachwissenschaftliche Ausbildung von Lehrern sich in der Regel an den einschlägigen Fä-chern orientiert, stellt die Umsetzung des Lernfeldkonzeptes eine besondere Herausforde-rung dar.

1) Wurde die berufsfachliche Validität der Bildungsziele und -inhalte (in Bezug auf das Berufsbild) angemessen berücksichtigt?

2) Wurden die (Aus-)Bildungsziele ausgewiesen? 3) Ist es gelungen, die Fachinhalte/die Aufgabenstellung auf ein adressatenspezifisches

Niveau zu transferieren? 4) Wurde das didaktische Konzept der holistischen Aufgabenlösung bei der Planung und

dem Evaluationskonzept berücksichtigt? 5) Wurden alternative Lösungsmöglichkeiten bei der Umsetzung aufgabenorientierter

Lernformen durch die Lernenden berücksichtigt?

3. Fachmethodik (Lehr- und Lernformen) Das Konzept der beruflichen Handlungskompetenz sowie die in den Ausbildungsordnungen definierten Berufsbilder erfordern einen gezielten Umgang bei der Auswahl und Anwendung von Lern- und Vermittlungsformen. So erfordert z. B. die Aneignung sicherheitsrelevanter Fähigkeiten andere Lehr- und Lernformen als die eher allgemeinbildenden Aspekte berufli-cher Bildung. Von ebenso zentraler Bedeutung ist die Berücksichtigung des Zusammenhan-ges zwischen Wissen und Können. Eine hervorgehobene Bedeutung kommt dabei dem ‚handlungsorientierten Lernen’ zu.

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1) Ist das methodische Konzept für das Unterrichtsvorhaben (Lernaufgaben, Projekte etc.) angemessen?

2) Werden alternative Methoden des Lernens und Lehrens gegeneinander abgewogen? 3) Wird bei der Unterrichtsmethode die Heterogenität der Klasse berücksichtigt? 4) Werden Formen des Handlungslernens angemessen berücksichtigt? 5) Erhalten die Schüler die Möglichkeit, ihre Lernergebnisse zu präsentieren und zu be-

werten?

4. Nachhaltigkeit Unterricht und Ausbildung zielen stets auf die nachhaltige Aneignung von Fähigkeiten. Am ehesten gelingt dies durch einen hohen Grad an selbstorganisiertem Lernen und wenn das Lernen durch ein ausgeprägtes Feedback begleitet wird (vgl. HATTIE 2003). Im projektför-mig organisierten Lernen ist der Projekterfolg, die Präsentation der Ergebnisse und die Er-fahrung, dass ein Unterrichtsvorhaben etwas „gebracht hat“, ganz entscheidend für die An-eignung von Wissen, das sich einprägt sowie grundlegenden Fähigkeiten, die vielfältigen Situationen Handlungsfähigkeit begründen.

1) Wird ein Lernen an der Oberfläche beruflicher Arbeit vermieden? 2) Wird der Aspekt der ‚Prospektivität’ (zukünftige Anforderungen an berufliche Fachkräf-

te) berücksichtigt? 3) Werden entwicklungsfördernde Lernformen verstärkt (Entwicklung berufliche Identität)? 4) Werden Formen der Qualitätssicherung eingesetzt? 5) Wird der Aspekt der beruflich-sozialen Integration berücksichtigt?

5. Effizienz Der optimale Einsatz von Ressourcen ist für die Gestaltung und Organisation beruflicher Bildung eine besondere Herausforderung. Dies betrifft die Ausstattung und Nutzung der Fachräume und Labore. Die Form der Zusammenarbeit zwischen den Lehrern sowie zwi-schen Lehrern und Ausbildern beinhaltet die Möglichkeit, nicht nur die Qualität von Unterricht und Ausbildung zu erhöhen, sondern auch die Effizienz bei der Planung, Durchführung und Evaluation von Unterricht und Ausbildung.

1) Ist der methodische und zeitliche Aufwand für das Unterrichtsvorhaben angemessen? 2) Werden die Möglichkeiten der Teamarbeit genutzt? 3) Entspricht der Umfang der Unterrichtsvorbereitung der Bedeutung des Unterrichtsvor-

habens? 4) Wird überprüft, ob die mit dem Unterrichtsvorhaben intendierten Ziele erreicht werden? 5) Wird der Einsatz der angewendeten Mittel (Computereinsatz, Lehr-/Lernmaterialien,

Nutzung von Laboren und Fachräumen) begründet?

6. Unterrichts- und Ausbildungsorganisation In der beruflichen Bildung stellt die Unterrichts- und Ausbildungsorganisation besonders ho-he Anforderungen an Lehrer und Ausbilder. Dies betrifft vor allem das Zusammenspiel zwi-schen theoretischem und praktischem Lernen in der dualen Berufsausbildung sowie die Or-ganisation und Gestaltung von Praktika in Berufsfach- und Fachschulen. Die Bildungsinhalte müssen aufeinander abgestimmt werden und gemeinsame Projekte erfordern einen hohen Koordinierungsaufwand. Mit der Einführung der Lernfelder in den beruflichen Schulen haben die Anforderungen an die Zusammenarbeit zwischen den Lehrern deutlich zugenommen. Bei der Bildung von Klassen muss entschieden werden, ob in der dualen Berufsausbildung unternehmensspezifische oder gemischte Klassen eingerichtet werden.

1) Werden die räumlichen und Ausstattungsressourcen der Schule angemessen genutzt? 2) Werden die Möglichkeiten der Lernortkooperation ausgeschöpft? 3) Werden die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen den Lehrern genutzt? 4) Ist der Zugang zum Internet für Lehrer und Schüler/Studierende gesichert? 5) Ist das Feedback über die Lernergebnisse angemessen etabliert?

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7. Sozialverträglichkeit Sozialverträglichkeit bezieht sich bei der Lehrerarbeit vor allem den Aspekt der humanen Arbeitsgestaltung, den Gesundheitsschutz sowie die über die beruflichen Arbeitszusammen-hänge hinausreichenden sozialen Aspekte der Lehrertätigkeit (z. B. den Umgang mit den unterschiedlichsten Interessenlagen von Schulleitung, Bildungsverwaltung, Eltern, Betrieben und Auszubildenden).

1) Inwieweit berücksichtigt der Lösungsvorschlag Aspekte humaner Arbeitsgestaltung für Lehrer?

2) Werden Aspekte des Gesundheitsschutzes berücksichtigt? 3) Werden die Möglichkeiten der Teamarbeit genutzt und bedacht? 4) Wird der Aspekt der Schaffung eines guten Lernklimas bedacht? 5) Wird der Umgang mit Störungen und Konflikten (Organisation, Schule, Schüler, Kolle-

gen) berücksichtigt?

8. Sozial-kulturelle Einbettung Die Lehrerarbeit wird zunehmend mit Fragen des kulturellen und sozialen Kontexts der Be-rufsausbildung konfrontiert. Die betrifft einerseits die familiäre Situation der Schüler und Auszubildenden (z. B. Alleinerziehende) sowie die ökonomische Situation (z. B. Armut) der Lernenden. Vor allem in den Städten und Ballungszentren ist der Migrationshintergrund der Schüler und Studierenden (Sprache, soziale Normen, Religion etc.) ein zentraler Aspekt der Lehrerarbeit.

1) Wird der familiäre Kontext der Lernenden bei der Planung und Durchführung des Un-terrichtsvorhabens berücksichtigt?

2) Werden die Gegebenheiten des sozialen Milieus berücksichtigt? 3) Inwieweit werden die Aspekte des Rollenverhaltens bedacht? 4) Inwieweit wird das Konfliktpotential, das sich aus dem gesellschaftlich-kulturellen Hin-

tergrund der Lernenden ergibt, berücksichtigt? 5) Wird die ökonomische Situation der Lernenden berücksichtigt?

9. Kreativität Kreativität ist eine Kompetenz, die sich bildungstheoretisch nur schwer einem Kompetenzni-veau zuordnen lässt. Sie liegt gewissermaßen quer zu den anderen Kompetenzkomponen-ten. Ausschlaggebend für eine Zuordnung zum dritten Kompetenzniveau (holistische Kom-petenz) war das Argument, dass es auf dem höchsten Kompetenzniveau darauf ankommt, bei der ‚Suche‘ nach einer guten Aufgabenlösung alle lösungsrelevanten Kriterien situations-spezifisch gegeneinander abzuwägen. Das besondere „Plus“ einer Lösung ergibt sich dabei nicht nur aus der Berücksichtigung aller Kriterien, sondern der Fähigkeit der kreativen Aus-gestaltung einzelner Lösungsdimensionen und der ausbalancierten Gewichtung der Kriteri-en. Diese Herausforderung an der beruflichen Kompetenz stellt sich in vollem Umfang erst auf dem Niveau der ganzheitlichen (holistischen) Kompetenz.

1) Enthält die Lösung Elemente, die über den erwarteten Lösungsraum hinaus reichen? 2) Wird eine unkonventionelle und zugleich sinnvolle Lösung entwickelt? 3) Zeigt die Lösung Problemsensitivität? 4) Werden die Lösungskriterien kreativ gegeneinander abgewogen? 5) Werden besondere situationsspezifische Akzente bei einzelnen Lösungskriterien ge-

setzt?

5 Testaufgaben Testaufgaben beziehen sich auf die Gestaltung und Organisation beruflicher Bildungs-prozesse. Sie repräsentieren die beruflichen Handlungsfelder der Berufschullehrer (S. 6). Anders als bei einer Prüfung (wie z. B. dem 2. Staatsexamen) kommt es bei der Kompe-tenzdiagnostik nicht auf eine umfassende Überprüfung der Befähigung zur Ausübung des Lehrerberufes an, sondern um die Erfassung der Kompetenzausprägung in Form des Kom-

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petenzniveaus und des Kompetenzprofils: Ausprägung der neun Kompetenzkomponenten (Tab. 2). An der Kompetenzausprägung lässt sich ablesen, ob (angehende) Berufschullehrer über die konzeptuell-planerische Fähigkeit verfügen, berufliche Bildungsprozesse in Abwä-gung aller relevanten Faktoren (Gestaltungskompetenz) zu planen. Testergebnisse auf dem Niveau von funktionaler und prozessualer Kompetenz zeigen Defizite bzw. Fortbildungsbe-darf im Kompetenzprofil. Die Testaufgaben − erfassen eine realistische Aufgabenstellung aus einem der vier beruflichen Handlungsfel-

der. − stecken einen für den jeweiligen Beruf gegebenen Gestaltungsspielraum ab und ermögli-

chen damit eine Vielzahl verschiedener Lösungsvarianten unterschiedlicher Tiefe und Breite.

− sind gestaltungsoffen, d. h. es gibt nicht nur eine richtige oder falsche Lösung, sondern anforderungsbezogene Varianten.

− erfordern bei ihrer umfassenden Lösung die im Kompetenzmodell ausgewiesenen Kom-ponenten der Anforderungs-, Handlungs- und Inhaltsdimension.

− erfordern bei ihrer Lösung ein berufsfachlich- und berufspädagogisch-didaktisch zu be-gründetes Vorgehen. Die Lösung der Aufgabe erfolgt planerisch konzeptionell. Sie um-fasst eine umfassende Begründung.

Tab. 3: Leitlinien zur Entwicklung von Testaufgaben Struktur der Testaufgaben

Da mit diesem Testverfahren nicht das Lehrerverhalten, sondern lediglich Lehrerkompetenz als eine kognitive Disposition gemessen wird, beziehen sich die Testaufgaben zum Hand-lungsfeld Unterricht (Planen, Durchführen und Auswerten beruflicher Lernprozesse) auf die Konzeptualisierung des Unterrichts, so wie sie in der Praxis in der Form der Unterrichtsvor-bereitung stattfindet. Offen ist zunächst, ob Lehrer mit einer hohen Kompetenz im Hand-lungsfeld Unterrichtsplanung auch eine hohe Kompetenz im Unterrichten verfügen. Die Auf-klärung dieses Zusammenhangs bedarf einer besonderen empirischen Untersuchung (s. 6.). Für die Handlungsfelder „Entwicklung von Bildungsprogrammen“ sowie „Planen, Entwickeln und Gestalten der Lernumgebung“ gilt diese Einschränkung nicht, da es sich bei diesen Auf-gaben um planerische Aufgaben handelt.

Jede Testaufgabe umfasst

1. Die Situationsbeschreibung Es wird eine realistische bzw. reale Situation zu einem der vier beruflichen Aufgabenfel-der geschildert, so dass sich der (angehende) Lehrer ein genaues Bild über die zu lösen-de Aufgabe machen kann. Die Situationsbeschreibung benennt die Anknüpfungspunkte für die Aufgabenlösung. Eine fragengeleitete Aufschlüsselung der Situationsbeschreibung bzw. der Aufgabenstellung ist nicht vorgesehen, da damit der Lösungsweg bereits vorge-zeichnet wäre.

2. Die Aufgabenstellung besteht aus der Aufforderung, einen situationsadäquaten und um-setzbaren Lösungsvorschlag – ggf. auch gleichwertige Lösungsvorschläge – zu entwic-keln und diese(n) detailliert zu begründen.

3. Dazu werden Lösungshilfen angegeben und bereit gestellt. Es kann davon ausgegangen werden, dass (angehende) Lehrer ihre planerischen Arbeiten unter Zuhilfenahme des Computers und des Internets erledigen. Bei der Aufgabenbearbeitung sind nach den übli-chen Regeln die entsprechenden Quellen anzugeben.

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Zeitlicher Umfang der Testaufgaben

Die Bearbeitungszeit von Testaufgaben beträgt maximal 180 Minuten. Die Testaufgaben sind so konstruiert, dass diese Zeit ausreicht, um die Aufgaben ohne Zeitdruck zu bearbei-ten.

6 Forschungsbedarf Der hier vorgelegte Vorschlag für die Struktur eines Kompetenzmodells „Berufschullehrer“ bedarf einer vertieften bildungstheoretischen Ausarbeitung des skizzierten Begründungs-rahmens sowie des Kompetenzmodells. In den Blick zu nehmen sind dabei vor allem die Besonderheiten der beruflichen Bildung. Dazu gehört z. B. die Einsicht, dass jede berufliche Bildung sich daran messen lassen muss, welchen Beitrag sie zum Erreichen der Berufsfä-higkeit der beruflich zu Bildenden leistet. Für die Form der dualen Organisation der berufli-chen Bildung wird dies nicht nur unterstellt, sondern auch überprüft. Für (hoch)schulisch ori-entierte Formen beruflicher Bildung, zeigt die Prüfungspraxis bzw. die Kompetenzforschung, welche Kompetenzen und Qualifikationen sich die Auszubildenden und Studierenden auf dem Weg zur Berufsfähigkeit in (hoch)schulischen Bildungsgängen aneignen (können).

Für eine standardisierte Kompetenzerhebung bei Berufschullehrern besteht eine Schwierig-keit darin, dass ihre Ausbildung international höchst unterschiedlich organisiert ist (GROLL-MANN 2005; GROLLMANN, RAUNER 2007). Für ein Kompetenzmodell Berufschullehrer sowie die Gestaltung der Testaufgaben hat dies zur Konsequenz, die oben begründeten Handlungsfelder zugrunde zu legen und nicht ein nationales Curriculum bzw. nationale Standards für die Ausbildung von Berufschullehrern. Die internationale Anschlussfähigkeit eines Kompetenzmodells lässt sich am ehesten im Kontext international vergleichender For-schungsprojekte (der Kompetenzforschung) untersuchen. Auf der Grundlage der Testaufga-ben lässt sich am ehesten zeigen, ob und wie weit die Akteure der Berufsschullehrerqualifi-zierung in ihren expliziten und impliziten Konzepten und Theorien der Professionalisierung von Berufschullehrern übereinstimmen.

Psychometrische Evaluation des Kompetenzmodells Der zweite Schritt in einem Forschungsprozess „Kompetenzdiagnostik Berufschullehrer“ ist die psychometrische Evaluation des Kompetenzmodells. Das Konzept der offenen komple-xen Testaufgaben stellt hohe Anforderungen an die Testmethodik. Im Rahmen des KOMET-Projektes konnte gezeigt werden, welche psychometrischen Evaluationsverfahren sich für diese Forschung eignen (MARTENS, ROST 2009, 96 ff.; ERDWIEN, MARTENS 2009, 62 ff.; MARTENS u. a. 2011; HAASLER, ERDWIEN 2009, 142 ff.).

Untersuchen des Zusammenhangs zwischen der gemessenen Lehrerkompetenz und der Qualität des Unterrichts Zu Recht hebt die KMK in ihren Standards für die Lehrerbildung einleitend hervor: „Die be-rufliche Qualität von Lehrkräften entscheidet sich an der Qualität ihres Unterrichtes“ (KMK 2004b, 3). Diese grundlegende Einsicht erfordert eine Erforschung dieses Zusammenhan-ges. Die Sinnhaftigkeit, Lehrerkompetenz mit den Methoden der Large-Scale Kompetenz-diagnostik zu messen und dabei die Fähigkeiten der Lehrer auf eine domänenspezifische kognitive Disposition zu reduzieren, ist nur dann vertretbar, wenn der Zusammenhang zwi-schen der gemessenen Lehrerkompetenz und der Qualität des Unterrichtes empirisch nach-gewiesen werden kann. Dann erst wäre die gemessene Kompetenzausprägung ein Indikator für die berufliche Kompetenz von Lehrern. Ein Außenkriterium zur Überprüfung der inhaltli-chen Validität der Testaufgaben zum Handlungsfeld Unterricht ist die Kompetenzentwicklung der Schüler. Erst wenn empirisch nachgewiesen ist, dass die mit diesem Testverfahren ge-messene Kompetenz der Lehrer im Handlungsfeld Unterricht mit der (gemessenen) Kompe-tenz ihrer Schüler so korreliert, dass die Kompetenzentwicklung der Schüler auf den Unter-richt ihrer Lehrer zurückgeführt werden kann, ist die inhaltliche Validität der Testaufgaben zum Messen von Unterrichtskompetenz gegeben.

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Erfassen der beruflichen Identität und des beruflichen Engagements Es wird von einem engen Zusammenhang zwischen der Kompetenz- und Identitäts-entwicklung angehender Berufsschullehrer ausgegangen. Dies legt eine Erfassung der be-ruflichen Identität und des beruflichen Engagements auf der Grundlage einschlägiger (psy-chometrisch evaluierter) Skalen nahe (vgl. HEINEMANN, RAUNER 2008).

Im Rahmen eines Pilotprojekts wird

− das Kompetenz- und Messmodell psychometrisch evaluiert, − untersucht, ob und zu welchem Grad die auf der Grundlage des Kompetenzmodells

gemessene Berufsschullehrerkompetenz Aussagen über die Qualität der Lehrertätig-keit (Unterrichten, Gestaltung der Lernumgebung etc.) zulässt,

− untersucht, ob auf der Grundlage des Kompetenz- und Messmodells berufs- und be-rufsfeldübergreifende sowie international vergleichende Untersuchungen möglich sind.

Aus pragmatischen Gründen soll das Pilotprojekt in der zweiten Phase der Lehrerbildung durchgeführt werden – und zwar gegen Ende der Ausbildung. Dann lässt sich am ehesten untersuchen, ob und zu welchem Grad die Ausbildungsziele (die Berufsfähigkeit) erreicht werden.

Erfassen der Kontextdaten Die Erhebung der Kontextdaten erlaubt es, die Untersuchungsergebnisse detailliert zu inter-pretieren und Schlussfolgerungen für die Verbesserung der Lehrerbildung zu begründen (vgl. HAASLER u. a. 2009, 123 ff.).

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Bislang erschienen in der Reihe A+B: A+B 01/2008: Heinemann, Lars/Rauner Felix: „Identität und Engagement: Konstruktion ei-

nes Instruments zur Beschreibung der Entwicklung beruflichen Engagements und beruflicher Identität“

A+B 02/2009: Rauner, Felix/Heinemann, Lars/Haasler, Bernd: „Messen beruflicher Kompe-tenz und beruflichen Engagements“

A+B 03/2009: Fischer, Martin: „Über das Verhältnis von Wissen und Handeln in der Berufli-chen Arbeit und Ausbildung“

A+B 04/2009: Maurer, Andrea/Rauner, Felix/Piening, Dorothea: “Lernen im Arbeitsprozess – ein nicht ausgeschöpftes Potenzial dualer Berufsausbildung“

A+B 05/2010 Xu, Han: „Umsetzung der Lernfeldkonzepte zwischen Wunsch und Wirklich-keit – eine empirische Studie in den Berufsfeldern Elektro- und Metalltechnik“

A+B 06/2010 Hauschildt, Ursel/Piening, Dorothea/Rauner, Felix: „Lösung von Ausbil-dungsverträgen aus der Sicht von Auszubildenden und Betrieben“

A+B 07/2010 Rauner, Felix: „Demarkationen zwischen beruflicher und akademischer Bil-dung und wie man sie überwinden kann“

A+B 08/2010 Haasler, Bernd/Eckebrecht, Jochen: „Fertigungsoptimierung und Personal-entwicklung sind untrennbar“ – Eine explorative Studie arbeitswissenschaftli-cher Beratungs- und Forschungspraxis“

A+B 09/2012 Rauner, Felix/Maurer, Andrea/Piening, Dorothea: „Lernen in Geschäftspro-zessen“ (in Planung)

A+B 10/2012 Rauner, Felix: „Multiple Kompetenz: Die Fähigkeit der holistischen Lösung beruflicher Aufgaben“