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Riistungsaltlasten Originalarbeiten Abbau von N-Lost M. Hutter, H. Schindlbauer Dipl.-lng. Markus Hutter und Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hellmuth Schindlbauer, Forschungsinstitut ffir Chemie und Technologie von Erdflpro- dukten der TU-Wien, Getreidemarkt 9, A-1060 Wien Zusammenfassung. Der Inhalt von N-Lost-Granaten aus dem 2. Weltkrieg wurde hinsichtlich seiner Zusammensetzung, seines Ein- flusses auf die Umwelt und seiner Abbaubarkeit untersucht. Durch die hydrolytische Abbaubarkeit von N-Lost, die schwache toxische Wirkung yon N,N,N',N'-Tetrakis-(2-chorethyl)-piper- azoniumdichlorid, einem Dimerisationsprodukt yon N-Lost und des- sen Hydrolyse bis zum Triethanolamin f/ilk die Kontaminierung des Erdreiches und des Grundwassers aufgrund unserer Versuchsergeb- nisse welt niedriger als erwartet aus. Der Nachweis dieses Kampfo stoffes und seiner Abbauprodukte ist gaschromatographisch rasch und mit hoher Empfindlichkeit in Wasser und Erdreich m6glich. Abstract. N-Lost Degradation N-Lost grenades (World War II) were investigated to determine com- position, environmental impact, and degratation of their contents. The experiments suggest that the contamination of soil and ground- water is less serious than expected, due to the hydrolytic degrada- tion of N-Lost, the minor toxic effect of N,N,N',N'-tetra(2-chloro- ethyl)~piperazonium dichloride, the dimerization product of N-Lost, and its hydrolysis to triethanolamine. Gas chromatographic analy- sis allows for easy and sensitive detection of this warfare agent and its degradation products in water and soil-, 1 Einleitung Auch auf 6sterreichischem Staatsgebiet wurde nach dem 2. Weltkrieg eine grfftere Zahl von Kampfstoffgranaten auf- gefunden, und bis heute gibt es einzelne Neufunde. Daher interessiert die Frage, was geschehen kann, wenn der Inhah solcher Granaten in Boden und Grundwasser gelangt. We- gen des hohen Siedepunktes von N-Lost [Tris-(2-chlorethyl)- amin] von 230 - 235 °C [1] ist ein Austritt an die Luft nicht zu beffirchten, zumal im Kriege diese Granaten ihren Inhalt durch Versprfihen zur Wirkung brachten. Das Auffinden und Zerlegen von 3 solcher Kampfstoffgra- naten erm6glichte uns die Untersuchung des Zustandes ihrer N-Lost-Inhalte, der Bildung von N,N,N',N'-Tetrakis- (2-chlorethyl)-piperazoniumdichlorid, des Abbauverhaltens der beiden Verbindungen bei Einwirkung von Wasser und des analytischen Nachweises der gebildeten Abbauprodukte in Wasser und Erdreich, um ein eventuelles Auftreten dieser Stoffe rasch und sicher nachweisen zu k6nnen. Bisher ist in der Literatur fiber Tris-(2-chlorethyl)-amin als Kampfstoff lediglich das Verhalten gegenfiber Sauerstoff, Wasser und einigen L6sungsmitteln unterschiedlicher Pola- rit~it beschrieben women [1, 2]. Der von CRANEund RYDON [2] beschriebene hydrolytische Abbau von N-Lost (linker Teil von ~ Abb. 2) zeigt zwar alle Zwischenprodukte, gibt je- doch keine Auskunft fiber die Reaktionsgeschwindigkeiten der einzelnen Schritte bis hin zu Triethanolamin und N- Ethanolmorpholin. Die Reaktionsgeschwindigkeiten und die Stabilit~it der einzelnen Abbauprodukte sind entscheidende Parameter bei der Untersuchung einer Umweltgef~ihrdung durch N-Lost. Ausgehend vom Abbauschema nach CRANE und RYDONun- tersuchten wir die Abbaugeschwindigkeit von N-Lost durch Wasser und die Stabilit~it der durch die Hydrolyse entstehen- den Verbindungen. Die zur Abschfitzung einer Umweltge- fiihrdung notwendigen toxikologischen Kenndaten wurden in dieser Arbeit nur yon N,N,N',N'-Tetrakis-(2-chlorethyl)- piperazoniumdichlorid bestimmt, da diese von Tris- (2-chlorethyl)-amin bekannt sind [1, 3]. 2 Analyse der Granateninhalte Untersucht wurde der Inhalt dreier vom Amt ffir Wehrtech- nik zerlegter Kampfstoffgranaten. Alle drei Proben wiesen einen honigfarbenen flfissigen und einen gelblichen festen An- teil mit unterschiedlicher Mengenverteilung auf. Bei Probe 1 nahm der feste Anteil von anf~inglich ungeffihr 20 % in den ersten ffinf Wochen in einer braunen Glasflasche um mehr als das Doppelte zu, wShrend bei den beiden anderen Pro- ben der anf/ingliche Anteil an Feststoff bei ca. 50 % unver- ~indert blieb. Nach Filtration der drei Proben ergab eine gaschromatogra- phische Untersuchung der Filtrate, daft es sich bei allen Pro- ben um diese Einzelsubstanz handelt. Die Linien bei 3 und 3,5 ppm in den 1H- und bei 42,7 und 57,4 ppm in den 13C- NMR-Spektren der 3 Proben stimmen exakt mit den f/ir Tris- (2-chlorethyl)-amin (Verbindung I, Abb. 2) gefundenen Li- nien fiberein, ebenso wie die Infrarotspektren mit den spezi- fischen Banden bei 2960 cm -1 (aliph. CH-Valenzschwin- gungen, bei 2840 cm -1 (CHz(-N)) , bei 1460, 1440 und 1110 cm 1 (CH2(-C1)) , (CH2(-N)) (~ Spektrum 1). Es han- delt sich demnach bei dem flfissigen Anteil der Granatenin- halte um N-Lost, in deren Gaschromatogrammen keine Ver- unreinigungen sichtbar waren. Die Identffizierung des Feststoffanteils gestaltete sich schwie- tiger. In der Literatur [1, 2] sind, abgesehen von den Hy- drolyseprodukten, als Abbauprodukt von Tris-(2-chorethyl)- amin nur ein Dimeres, das N,N,N',N'-Tetrakis-(2-chlor- ethyl)-piperazoniumdichlorid (Verbindung II, Abb. 2), er- w~ihnt. Der Feststoffanteil der Granateninhalte wurde mehr- mals mit Dichlormethan gewaschen und anschlieflend ge- trocknet, aber der fiir Verbindung II in der Literatur ge- nannte Schmelzpunkt von 331 °C konnte nicht gefunden werden. Die Probe begann, sich auf dem Heiztisch ab 200 °C zu zersetzten. Nach Umkristallisieren aus Wasser/Ethanol 1 90 UWSF-Z.Umweltchem. Okotox. 5 (4) 190-193 (1993) © ecomed-verlagsgesellschaft mbH & Co KG Landsberg

Abbau von N-Lost; N-lost degradation;

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Page 1: Abbau von N-Lost; N-lost degradation;

Riistungsaltlasten Originalarbeiten

Abbau von N-Los t

M. Hutter, H. Schindlbauer

Dipl.-lng. Markus Hutter und Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hellmuth Schindlbauer, Forschungsinstitut ffir Chemie und Technologie von Erdflpro- dukten der TU-Wien, Getreidemarkt 9, A-1060 Wien

Zusammenfassung. Der Inhalt von N-Lost-Granaten aus dem 2. Weltkrieg wurde hinsichtlich seiner Zusammensetzung, seines Ein- flusses auf die Umwelt und seiner Abbaubarkeit untersucht. Durch die hydrolytische Abbaubarkeit von N-Lost, die schwache toxische Wirkung yon N,N,N',N'-Tetrakis-(2-chorethyl)-piper- azoniumdichlorid, einem Dimerisationsprodukt yon N-Lost und des- sen Hydrolyse bis zum Triethanolamin f/ilk die Kontaminierung des Erdreiches und des Grundwassers aufgrund unserer Versuchsergeb- nisse welt niedriger als erwartet aus. Der Nachweis dieses Kampfo stoffes und seiner Abbauprodukte ist gaschromatographisch rasch und mit hoher Empfindlichkeit in Wasser und Erdreich m6glich.

Abstract. N-Lost Degradation N-Lost grenades (World War II) were investigated to determine com- position, environmental impact, and degratation of their contents. The experiments suggest that the contamination of soil and ground- water is less serious than expected, due to the hydrolytic degrada- tion of N-Lost, the minor toxic effect of N,N,N',N'-tetra(2-chloro- ethyl)~piperazonium dichloride, the dimerization product of N-Lost, and its hydrolysis to triethanolamine. Gas chromatographic analy- sis allows for easy and sensitive detection of this warfare agent and its degradation products in water and soil-,

1 Einleitung

Auch auf 6sterreichischem Staatsgebiet wurde nach dem 2. Weltkrieg eine grfftere Zahl von Kampfstoffgranaten auf- gefunden, und bis heute gibt es einzelne Neufunde. Daher interessiert die Frage, was geschehen kann, wenn der Inhah solcher Granaten in Boden und Grundwasser gelangt. We- gen des hohen Siedepunktes von N-Lost [Tris-(2-chlorethyl)- amin] von 230 - 235 °C [1] ist ein Austritt an die Luft nicht zu beffirchten, zumal im Kriege diese Granaten ihren Inhalt durch Versprfihen zur Wirkung brachten. Das Auffinden und Zerlegen von 3 solcher Kampfstoffgra- naten erm6glichte uns die Untersuchung des Zustandes ihrer N-Lost-Inhalte, der Bildung von N,N,N',N'-Tetrakis- (2-chlorethyl)-piperazoniumdichlorid, des Abbauverhaltens der beiden Verbindungen bei Einwirkung von Wasser und des analytischen Nachweises der gebildeten Abbauprodukte in Wasser und Erdreich, um ein eventuelles Auftreten dieser Stoffe rasch und sicher nachweisen zu k6nnen. Bisher ist in der Literatur fiber Tris-(2-chlorethyl)-amin als Kampfstoff lediglich das Verhalten gegenfiber Sauerstoff, Wasser und einigen L6sungsmitteln unterschiedlicher Pola- rit~it beschrieben women [1, 2]. Der von CRANE und RYDON [2] beschriebene hydrolytische Abbau von N-Lost (linker Teil von ~ Abb. 2) zeigt zwar alle Zwischenprodukte, gibt je- doch keine Auskunft fiber die Reaktionsgeschwindigkeiten

der einzelnen Schritte bis hin zu Triethanolamin und N- Ethanolmorpholin. Die Reaktionsgeschwindigkeiten und die Stabilit~it der einzelnen Abbauprodukte sind entscheidende Parameter bei der Untersuchung einer Umweltgef~ihrdung durch N-Lost. Ausgehend vom Abbauschema nach CRANE und RYDON un- tersuchten wir die Abbaugeschwindigkeit von N-Lost durch Wasser und die Stabilit~it der durch die Hydrolyse entstehen- den Verbindungen. Die zur Abschfitzung einer Umweltge- fiihrdung notwendigen toxikologischen Kenndaten wurden in dieser Arbeit nur yon N,N,N',N'-Tetrakis-(2-chlorethyl)- piperazoniumdichlorid bestimmt, da diese von Tris- (2-chlorethyl)-amin bekannt sind [1, 3].

2 Analyse der Granateninhalte

Untersucht wurde der Inhalt dreier vom Amt ffir Wehrtech- nik zerlegter Kampfstoffgranaten. Alle drei Proben wiesen einen honigfarbenen flfissigen und einen gelblichen festen An- teil mit unterschiedlicher Mengenverteilung auf. Bei Probe 1 nahm der feste Anteil von anf~inglich ungeffihr 20 % in den ersten ffinf Wochen in einer braunen Glasflasche um mehr als das Doppelte zu, wShrend bei den beiden anderen Pro- ben der anf/ingliche Anteil an Feststoff bei ca. 50 % unver- ~indert blieb. Nach Filtration der drei Proben ergab eine gaschromatogra- phische Untersuchung der Filtrate, daft es sich bei allen Pro- ben um diese Einzelsubstanz handelt. Die Linien bei 3 und 3,5 ppm in den 1H- und bei 42,7 und 57,4 ppm in den 13C- NMR-Spektren der 3 Proben stimmen exakt mit den f/ir Tris- (2-chlorethyl)-amin (Verbindung I, Abb. 2) gefundenen Li- nien fiberein, ebenso wie die Infrarotspektren mit den spezi- fischen Banden bei 2960 cm -1 (aliph. CH-Valenzschwin- gungen, bei 2840 cm -1 (CHz(-N)) , bei 1460, 1440 und 1110 cm 1 (CH2(-C1)) , (CH2(-N)) (~ Spektrum 1). Es han- delt sich demnach bei dem flfissigen Anteil der Granatenin- halte um N-Lost, in deren Gaschromatogrammen keine Ver- unreinigungen sichtbar waren. Die Identffizierung des Feststoffanteils gestaltete sich schwie- tiger. In der Literatur [1, 2] sind, abgesehen von den Hy- drolyseprodukten, als Abbauprodukt von Tris-(2-chorethyl)- amin nur ein Dimeres, das N,N,N',N'-Tetrakis-(2-chlor- ethyl)-piperazoniumdichlorid (Verbindung II, Abb. 2), er- w~ihnt. Der Feststoffanteil der Granateninhalte wurde mehr- mals mit Dichlormethan gewaschen und anschlieflend ge- trocknet, aber der fiir Verbindung II in der Literatur ge- nannte Schmelzpunkt von 331 °C konnte nicht gefunden werden. Die Probe begann, sich auf dem Heiztisch ab 200 °C zu zersetzten. Nach Umkristallisieren aus Wasser/Ethanol

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Originalarbeiten Rfistungsaltlasten

N

1

Spektrum 1 : Tris-(2-chlorethyl)-amin

4

I I I I I 2400.0 ~9oo.o 15oo.o 11oo.o a5o.oo

Wavanumbers (cm 4)

o~ eq I I

4000.0 3200.0 600

Spektrum 2: N, N, N 1, N',-Tetrakis-(2-chlorethyl)-piperazoniumchlorid

oq

I--

r~

co

cq

co

i 40000 3200.0 24'o0.0

! ~ 11'00.0 ~ ~3 1900.0 1500.0 850.00 6 0

Wavenumbers (cm -1)

t o _

4000.0

p -

Spektrum 3: Tris-(2-chlorethyl)-amin-Hydrochlorid

~ 6

a

,I

I I I I ' I ' ~ 3200.0 2400.0 1900.0 1500.0 1100.0 850.00 600

Wavenumbers (cm -1)

wurde an den so erhaltenen weiflen Kristallen mittels Ther- mogravimetrie und Differential-Scanning-Calorimetrie ein Schmelzpunkt bei 128 - 133 °C und ein Zersetzungsbeginn bei 240 °C gefunden. Die Infrarotspektren waren nicht sehr aufschlul~reich, da lediglich die aliphatischen CH-Valenz- schwingungen bei 2 960 cm -1 (~ Spektren 2, 3) zu einer In- terpretation zur Verffigung standen. Die Auswertung der NMR-Spektren ergab nur zwei benachbarte CH2-Gruppen, die sich von den Spektren von reinem Tris-(2-chlorethyl)- amin nur durch eine geringe Tieffeldverschiebung von 3,8 nach 4,1 ppm unterschieden. Als L6sungsmittet diente Deu- teriumoxid, in dem sich die Proben erst nach 1/ingerem Er- w~irmen 16sten. Die so erhahenen Daten und Spektren wur- den auch mit denen yon Tris-(2-chlorethyl)-amin-hydro- chlorid (Verbindung IV, Abb. 2) verglichen. Die Schmelz- punkte des umkristallisierten Feststoffes aus den Granaten und eines separat synthetisierten Tris-(2-chlorethyl)- aminhydrochlorids (131 °C) [2] sowie die chemische Ver- schiebung und das Aufspahungsmuster in den NMR- Spektren stimmten fiberein. Die Infrarotspektren des rohen und umkristallisierten Fest- stoffanteiles der Granaten wiesen jedoch auf zwei unter- schiedliche Substanzen hin. Dies best~itigten auch die Elemen- taranalysen von Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Chlor (-~ Tabelle 1).

Tabelle 1: Elementaranalyse

%-Masse C H N CI

Tris-(2-chlorethyl)-amin- hydrochlorid (Verb. IV) berechnet 29,90 5,44 5,81 58,85 gefunden: 30,09 5,31 5,74 58,60 Feststoffanteil aus Granaten (Verb. II) berechnet: 35,24 5,91 6,85 52,0 gemessen: 34,74 5,66 6,56 52,0

Die erhaltenen Daten fiihren zu dem Schlufl, dat] N,N,N',N'- Tetrakis-(2-chlorethyl)-piperazoniumdichlorid (Verbin- dung II, Abb. 2) mit Wasser und Chloridionen, die bei der fortschreitenden Hydrolyse von reinem Tris-(2-chlorethyl)- amin und dessen Derivaten freigesetzt werden, leicht zum Hy- drochlorid (Verbindung IV, Abb. 2) gespalten wird. Der Feststoff in den Granaten besteht somit aus N,N,N',N'- Tetrakis-(2-chlorethyl)-piperazoniumdichlorid und ist durch geringe Mengen Tris-(2-chlorethyl)-amin-hydrochlorid ver- unreinigt, das als Salz in einem Gaschromatogramm nicht sichtbar ist.

3 Hydro lyse und Toxiz idi t

Um den Einflufl von N-Lost auf die Umweh beschreiben zu k6nnen, war es notwendig, das Verhahen von Tris- (2-chloretyl)-amin und N,N,N',N'-Tetrakis-(2-chlorethyl)- piperazoniumdichlorid bei Einwirkung von Wasser zu un- tersuchen. Da in diesen Motek/~len eine Substitution der CI- Atome durch OH-Gruppen m6glich ist (-0 Abb. 2), wurde sowohl Verbindung I als auch Verbindung IImit einem gro- flen 0berschu~ Wasser vermischt und zur Bestimmung der Hydrolysegeschwindigkeit die Zunahme der Chloridionen- konzentration tiber einen langeren Zeitraum verfolgt (~ Abb. 1 ).

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50

45

40

35

.- 30

25

2O

• Tris-(2-ch lorethyl)-amin

Granatenfcststoff

10

5

0 I I

0 10 20

Abb. 1: Hydro ly se wm N-l .os t und dessen Der iva ten

I I

30 40

Zeit in Stunden

I I I I

50 60 70 80

CH~--CI~--CI /

\ CH:--C%---O

P]

H~O l "HCI NNN~

/ Ha N-----CHT--CH~--CI • \ CH~---~--Cl

Im] "-., H20

CH)--C%--OH / .,o

N--c%--c%--o. • \ C'tt2--~--OIt

H~O

,q C~I-CH 3 / \

FCl --CH 2 --CH~ CH2 -nil2 CH2--CH~'-C~

/ V V / "~ / / \ / \ |

In]

HIO / / -

cii,--c.~--cl -~ cl-

j

-HCI ~ H30

CH,--CHT--OH /

N--o~7--c~--o. \ CH2--CHT--CI

M

OW---~----C~--N 0 \ / Clt~-Clt~

[Wl

Abb. 2- A b b a u s c h e m a yon N-Los t

In Abb. 1 erkennt man bei den Verbindungen zu Beginn der Reaktion einen raschen Anstieg von Chloridionen. Bereits nach 24 Stunden ist bei Tris-'(2-chlorethyl)-amin ann/ihernd 50 % des Chlors durch OH-Gruppen substituiert. Bei N ,N,N ' ,N ' - Tetrakis- (2-chloretyl) - piperazoniumdichlorid dauert es etwa 30 Stunden, bis 50 % hydrolisiert sind. F/ir beide Versuche wurden jeweils 5 g Substanz genau ein- gewogen, mit 500 ml Wasser vermischt, bei 25 °C thermo- statisiert und 3 Tage lang gerfihrt. In diesen drei Tagen wur- den in regelm/it~igen Abst/inden Proben fi 25 ml gezogen und die Chloridionenkonzentration mit einer 0,1 molaren Silber- nitratl6sung bestimmt. Da die C1-Substitution jedoch an drei verschiedenen OH- Gruppen erfolgen kann, wurde die Stabilit/it der in Abb. 2

2 Cl-

dargestelhen Zwischenprodukte bis hin zu Triethanolamin in einem weiteren Hydrolyseversuch untersucht. 10 g N-Lost wurden in 21 Wasser mehrere Tage gerfihrt und nach 1, 16, 40 und 78 Stunden je 250 ml Wasser enmommen. Diese 4 Proben wurden mit Dichlormethan extrahiert und sowohl die w/it~rige als auch die organische Phase gaschromatogra- phisch untersucht. In den w/if~rigen L6sungen konnte bei al- len 4 Proben lediglich Triethanolamin und in der organischen Phase neben der Ausgangsverbindung N-Lost ebenfalls nur Triethanolamin und in Spuren 4-Morpholinethanol nachge- wiesen werden. Zusammenfassend l/lilt sich nach diesen Ver- suchen sagen, dat~ die Hydrolyse von Tris-(2-chlorethyl)- amin und von N,N,N',N'-Tetrakis-(-chlorethyl)-piperazo- niumdichlorid innerhalb von 30 Stunden zu ann/ihernd 50 % zu Triethanolamin abl/iuft, ohne stabile, nachweisbare Zwi- schenprodukte zu bilden. Abb. 2 zeigt das durch den Ab- bau vom Dimeren (Verbindung II) erg/inzte Reaktionsschema von CRANE und RYDON [2].

Da diese Versuche ohne kontinuierlichen Frischwasserzufluf~ durchgeffihrt wurden, entsprechen sie nicht den realen Ver- h~iltnissen bei einer eventuellen Verseuchung des Grundwas- sers oder des Bodens. Um diese realen Verh/ihnisse nachzu- empfinden, wurde ein dritter Hydrolyseversuch durchgeffihrt. 5 g N-Lost wurden in 2 1 Wasser mehrere Tage gerfihrt und nach 72 Stunden die Chloridionenkonzentration der L6sung bestimmc Nach Zugabe von einem 1/21 Wasser wurde fiber den Zeitraum von 2 Tagen mehrmals der Chloridionenge- halt bestimmt; es war anf/inglich ein langsamer, dann nach ca. 15 Stunden ein st/irkerer CI-Austausch um weitere 1 1 % zu erkennen. Nochmals wurde ein 1/21 Wasser zugegeben, und es konnte fiber den gesamten Zeitraum von 160 Stun- den ein ca. 68 %iger hydrolytischer Abbau bestimmt wet- den. Im Falle einer Verseuchung des Grundwassers durch den Inhah von Kampfstoffgranaten ist wegen der wesentlich gr6-

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f~eren Wassermengen ein hydrolytischer Abbau in noch stfir- kerem Ausmaf zu erwarten, wobei bei den Versuchen im Labor ein vollstfindiger Abbau nicht erreicht werden konnte und somit auch eine geringe Verseuchung des Geliindes nicht auszuschliefen ist. Die Toxizitfit von reinem N-Lost ist aus der Literatur [3] be- kannt, und so wurde nur die von Verbindung II bestimmt. Diese Untersuchungen wurden in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt ffir Wassergfite (Bundesministerium ffir Land- und Forstwirtschaft) durchgeffihrt, wobei die Reaktion von Fischen und Kleinkrebsen (Daphnien) fiberprfift wurde [4]. Die Tests mit Regenbogenforellen wurden entsprechend ONORM M 6263, Teil 2 (semistatischer Test) und die Ver- suche mit Daphnien gemM~ ONORM M 6264 durchgeffihrt. Die Testergebnisse zeigten, daft die Daphnientoxizit~t um etwa drei Zehnerpotenzen h6her ist als dies bei den Fischen der Fall war; die NOEC (no observed effect concentration) der Daphnien wurde bei 1 mg/1, diejenige der Fische bei 1 g/1 beobachtet. Ffir reines Tris-(2-chlorethyl)-amin liegt die ffir den Men- schen t6dliche Dosis bei 10 bis 20 mg je Kilogramm K6r- pergewicht. Wiiftrige L6sungen (3 - 10 %) des Hydrochlo- rids von Verbindung 1 k6nnen starke Hautverletzungen her- vorrufen [1].

Bei diesen Untersuchungen wurde auch festgestellt, daft die Toxizitfit des Dimeren (Verbindung II) im Laufe der Zeit ab- nimmt, was auf die rasche Hydrolyse und den dadurch be- wirkten Abbau zu Triethanolamin hinweist. Bei der Bewer- tung des Feststoffes nach ~ 19 Wasserhaushaltsgesetz der BRD (1987) und ~ 31 a des 6sterreichischen Wasserrechts- gesetzes w~ire dieser in Wassergef/ihrdungsklasse I (schwach wassergeffihrdend) einzustufen.

4 Nachweisgrenzen

Der Nachweis von Tris-(2-chlorethyl)-amin und dessen Re- aktionsprodukten in Wasser und Erdreich gelingt nach ei- ner Extraktion mit einem geeigneten L6sungsmittel mittels Gaschromatographie sehr gut. Als L6sungsmittel far Ver- bindung I eignen sich am besten chlorierte Kohlenwasser- stoffe, die nahezu quantitative Extraktionsergebnisse brin- gen, wfihrend die L6slichkeit mit zunehmend weniger pola- ren L6sungsmitteln abnimmt. Da die Verwendung von chlo- rierten L6sungsmitteln in Gaschromatographen mit einem Elektronen-Einfang-Detektor nicht m6glich ist, muft jedoch Toluol verwendet werden, in dem sich Verbindung I nach einer einmaligen Extraktion zu fiber 80 % wiederfinden l~iftt. Der Nachweis von N,N,N',N'-Tetrakis-(2-chlorethyl)-piper- azoniumdichlorid und Tris-(2-chlorethyl)-ammoniumchlorid gelingt durch Freisetzen der Base mit einer verdfinnten Kaliumhydroxid-L6sung und anschlieftender Extraktion. Aus dem Erdreich mfissen diese Salze zuerst mit Wasser extra- hiert und anschlieftend mit der Kaliumhydroxid-L6sung ver- setzt werden. Warmes Wasser ist jedoch zu vermeiden, da dies den hydrolytischen Abbau f6rdert. Triethanolamin, das bei der Hydrolyse von N-Lost und des- sen Derivaten entstehen kann, wird direkt aus dem Wasser gaschromatographisch bestimmt. Die gaschromatographischen Untersuchungen (--* Abb. 2) mit verschiedenen Detektoren (FID 1, NPD 2, MSD 3 und ECD 4) zeigten, dat~ sich der ECD am besten eignet, jedoch bei der quantitativen Bestimmung ein geringer Fehler berfick-

sichtigt werden muff, da, wie oben erw~ihnt, die Extraktion mit Toluol nicht vollstfindig verlfiuft. Zur Bestimmung der Nachweisgrenze von Tris-(2-chlorethyl)- amin bei Verwendung der einzelnen Detektoren wurden so- wohl in Dichlormethan als auch in Toluol Verdfinnungsrei- hen dieser Substanz von 100 bis 0,001 mg/1 hergestellt und gaschromatographisch ausgewertet. Tabelle 2 faftt die jewei- ligen Bedingungen und Ergebnisse zusammen. Als GC-S/iule diente eine 25 m HP-5-S~iule (5 % Methyl-Phenyl-Silicone) (--" Tabelle 2).

Tabelle 2: Gaschromatographische Untersuchungen yon Tris-(2-chlorethyl)-amin Detektor FID NPD ECD MSD

L6sungsmittel CH=CH 2 CH2CH 2 Toluol CH?CH?

Menge 2 ,ul 2/zl 3 ,ul 1 pl

Temp. 40 °C :5 min 40 °C :5 min 80 °C :5 min 40 °C :5 min Programm iso; iso; iso; iso;

15 °C/min his 15 °C/min bis 10 °C/min bis 15 °C/min bis 240 °C; 240 °C: 240 °C; 240 °C: 240 °C; 240 °C: 240 °C; 240 °C:

10 min iso 10 rain iso 10 miniso 10 min iso

Nachweis- grenze 2 mg/I 10 mg/I 3 ,ug/I 1 mg/I

Neben dem gaschromatographischen Nachweis von N-Lost und dessen Derivaten, der zur Gel/indesicherung eines gr6- fteren Aufwandes bedarf (Grundwassersonden, Erdproben- entnahmestellen in Tiefen bis 5 - 6 m, etc.) wurden die Ver- wendungsm6glichkeiten von Dr/iger-R6hrchen ® ffir organi- sche, basische Stickstoff-Verbindungen mit einem Kaliumwis- mutiodid-Reagenz (Umschlag von gelb nach orange) in Kom- bination mit einer Drfiger-Stitz-Sonde ffir den Nachweis von N-Lost im Erdreich untersucht. Ffir diese Nachweismethode stellt sich vor allem die Frage, ob der Dampfdruck von Tris-(2-chlorethyl)-amin in einem Temperaturbereich von 5 ° - 20 °C im Erdreich ausreicht, eine Rir den Nachweis hinreichende Dampfkonzentration zu erhalten. Im Labor wurden Messungen bei 5 °, 10 ° und 19 °C durch- geffihrt. Mit den Prfifr6hrchen wurde in einem Abstand von 15 cm fiber der Oberfl/iche des konzentrierten Kampfstof- fes gemessen. Bei allen Temperaturen konnte ein Farbum- schlag festgestellt werden, dessen L~inge im R6hrchen mit Zunahme der Luftmenge linear anstieg. Der Nachteil dieser Methode ist, daft sich die festen Derivate des Kampfstoffes nicht nachweisen lassen und die Empfindlichkeit nicht ffir N-Lost spezifisch ist.

Danksagung

Wir danken dem Bundesministerium ffir Innere Angelegenheiten ffir seine finanzielle Unterstfitzung und die Bereitstellung der Granateninhalte.

5

[1]

[2]

[3]

[4]

Literatur

S. FRANKE: Milit~irchemie (2. Auflage), 2 9 5 - 305, Milit~irverlag der DDR (VEB)-Berlin, 1977 C. W. CRANE; H. N.RYDON: Dimerisation und Hydrolyse yon 2,2',2"-Trichlortriethylamin, J. Chem. Soc. 5 2 7 - 5 3 0 (1947) H. FRUCTON; M. BERGEMANN: Die Durchdringung der blasenzie- henden Dfimpfe durch die menschliche Haut. J. Gen. Physiol 29, 441 - 468 (1946) W. KOHL; W. RODINGER: Gutachten fiber die aquatische Toxizi- tilt des Umsetzungsproduktes yon Kampfstoffgranaten, Wien 1990, bisher nicht ver6ffentlicht

1 Flammenionisationsdetektor 2 Stickstoff-Phosphor-Detektor

3 Massenselektiver Detektor 4 Elektronen-Ein fang-Detektor

Eingegangen: 25.01. 1993 Akzeptiert: 29.01. 1993

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