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Abgrenzung von Überschwemmungsgebieten mit Methoden der Geoinformatik – dargestellt am Beispiel der Elbe im Landkreis Sächsische Schweiz Gotthard MEINEL, Ulrich SCHUMACHER und Egbert ELEFANT 1 Einführung Die Flutkatastrophe im August 2002 in Mitteleuropa, die über Nacht zahlreiche Gebirgsflüsse, Moldau, Elbe und Donau auf bisher unbekannte Rekordpegel ge- trieben hat, macht eines deutlich: Hochwasserereignisse sind die folgenschwers- ten Katastrophen für die Bevölkerung, Wirtschaft und Umwelt in Mitteleuropa. Al- lein in den letzten zehn Jahren gab es in Deutschland mehrere schwere Über- schwemmungen (v. a. an Rhein, Mosel, Oder und Elbe), wobei die Tendenz zu extremen Ereignissen steigt. Auch in größerer historischer Dimension betrachtet sind Hochwasserkatastrophen keine Seltenheit. Dies gilt ebenso für die Elbe, wo beim größten jemals registrierten und kartierten Hochwasser (bis zum aktuellen Ereignis vom August 2002) im Zusammenhang mit Eisaufbruch im Frühjahr 1845 viele Elbdörfer nahezu vollständig unter Wasser standen (Abb. 1). Abb. 1: Ausschnitt aus der „Karte des Elbstromes des Königreiches Sachsen“ (1850/55) mit Darstellung des Elbehochwassers 1845

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Abgrenzung von Überschwemmungsgebieten mit Methoden der Geoinformatik – dargestellt am Beispiel der Elbe im Landkreis

Sächsische Schweiz

Gotthard MEINEL, Ulrich SCHUMACHER und Egbert ELEFANT

1 Einführung

Die Flutkatastrophe im August 2002 in Mitteleuropa, die über Nacht zahlreiche Gebirgsflüsse, Moldau, Elbe und Donau auf bisher unbekannte Rekordpegel ge-trieben hat, macht eines deutlich: Hochwasserereignisse sind die folgenschwers-ten Katastrophen für die Bevölkerung, Wirtschaft und Umwelt in Mitteleuropa. Al-lein in den letzten zehn Jahren gab es in Deutschland mehrere schwere Über-schwemmungen (v. a. an Rhein, Mosel, Oder und Elbe), wobei die Tendenz zu extremen Ereignissen steigt. Auch in größerer historischer Dimension betrachtet sind Hochwasserkatastrophen keine Seltenheit. Dies gilt ebenso für die Elbe, wo beim größten jemals registrierten und kartierten Hochwasser (bis zum aktuellen Ereignis vom August 2002) im Zusammenhang mit Eisaufbruch im Frühjahr 1845 viele Elbdörfer nahezu vollständig unter Wasser standen (Abb. 1).

Abb. 1: Ausschnitt aus der „Karte des Elbstromes des Königreiches Sachsen“

(1850/55) mit Darstellung des Elbehochwassers 1845

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Das Ausmaß dieser historische Rekordflut wurde durch das neuerliche Sommer-hochwasser in Folge großflächiger, langanhaltender Starkregenfälle im August 2002 wieder erreicht und teilweise sogar übertroffen. Der Elbepegel in Schöna erreichte am 16. August die Marke von 12,02 m und lag damit 2,42 m über dem bisher höchsten Stand. In Dresden stieg die Elbe einen Tag später auf 9,40 m und lag 63 cm über dem Höchstpegel vom Jahr 1845. In Sachsen insgesamt fielen 20 Menschen der Flutkatastrophe zum Opfer. Die kleineren Flüsse aus dem Erzgebir-ge (Gottleuba, Müglitz und Weißeritz) richteten in ihren zumeist schmalen Tälern verheerende Schäden an Straßen, Brücken, Eisenbahnstrecken und Gebäuden an. Der Gesamtschaden der Flut wird für das Gebiet der Bundesrepublik Deutsch-land auf über 10 Mrd. € geschätzt. Die Gefahren und Zerstörungen von Hochwasserereignissen werden nach wie vor häufig unterschätzt. In diesem Zusammenhang sind Maßnahmen des vorbeugen-den Hochwasserschutzes von großer Bedeutung (s.a. Siegel & Richter 2000). Derartige Maßnahmen sind in erster Linie auf die Erhaltung und Rückgewinnung natürlicher Rückhalteflächen gerichtet (§ 32 WHG). Für die Steuerung der bauli-chen Entwicklung in gefährdeten Gebieten ist die Ausweisung von Hochwasserli-nien als Grundlage für baurechtliche Konsequenzen notwendig. In rechtskräftig festgesetzten Überschwemmungsgebieten (die grundstücksbezogen ausgewiesen werden müssen) ist eine Reihe von Handlungen untersagt, so u. a. die Auswei-sung neuer Baugebiete, die Errichtung oder Veränderung von baulichen Anlagen größer 100 m², Aufhöhungen und Abgrabungen mit mehr als 100 m² Grundfläche, das Anlegen von Baum- und Strauchpflanzungen von mehr als 100 m² Grundflä-che und die Umwandlung von Grün- in Ackerland. Außerdem sind Hindernisse für den Hochwasserabfluss zu beseitigen und ggf. die Nutzung von Grundstücken zu ändern. In Sachsen wird gegenwärtig auf der Grundlage des Sächsischen Wassergesetzes eine rechtsverbindliche Ausweisung von Überschwemmungsgebieten für hoch-wassergefährdete Gewässer und Gewässereinzugsgebiete vorgenommen. Dies erfolgt durch die unteren Wasserbehörden (Landratsämter der Landkreise und Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte) in Kooperation mit den Staatlichen Um-welt-fachämtern. Grundlage dieser rechtsverbindlichen Ausweisung können hyd-raulische Berechnungen eines Hochwasserereignisses mit vorgegebener Jährlich-keit bilden. Für die Elbe als Bundeswasserstraße und wichtigstem Fließgewässer Sachsens wurden die Überschwemmungsgebiete für den Landkreis Sächsische Schweiz bestimmt (bis zum 100-jährigen Ereignis; Bezugspunkt war zur Bearbeitungszeit das Hochwasser von 1890). Das entsprechende Projekt im Auftrag des zuständi-gen Staatlichen Umweltfachamtes wurde vom Ingenieurbüro ÖkoProjekt Elbe-Raum GmbH (hydraulische Modellierung) und dem Institut für ökologische Raum-entwicklung e.V. (GIS-Modellierung) bearbeitet. Das Untersuchungsgebiet der Elbe erstreckt sich von der tschechisch-deutschen Grenze bis zur Dresdner Stadt-grenze (Flusskilometer 0,0 bis 39,8). Bei der Modellierung waren sowohl die hyd-raulischen Verhältnisse der Elbe als auch die topographische Situation der Vor-landbereiche zu berücksichtigen. Eine Besonderheit des Untersuchungsraumes

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bildet seine heterogene Naturraumausstattung – angefangen von stark reliefiertem Gelände in der Sächsischen Schweiz bis zu flachem Gelände in der Dresdner Elbtalweitung.

2 Eingangsdaten und Programmbasis

Eine wesentliche Voraussetzung für die rechtsverbindliche Ausweisung von Über-schwemmungsgebieten ist die Feststellung der bei einem Hochwasser ablaufen-den hydraulischen Prozesse. Als geeignete Herangehensweise hat sich dabei in den letzten Jahren die eindimensionale Wasserspiegellagenberechnung mittels Computersimulation durchgesetzt, die sowohl Fachwissen auf dem Gebiet der Hydraulik als auch der Geoinformatik erfordert. Als Eingangsdaten sind hierfür notwendig: das Bemessungshochwasser mit den maßgeblichen Abflusswerten, ein digitales Geländemodell, Querprofile des Gewässerschlauches und Ortholuftbilder, die zur Einschätzung von Geländerauigkeiten und zur Plausibilitätskontrolle die-nen. Die verwendeten Daten seien im Folgenden allgemein sowie in Bezug auf die spezielle Projektsituation kurz erläutert: Das Bemessungshochwasser ergibt sich aus der statistischen Analyse langjähriger Pegelaufzeichnungen (Pegelstände und Abflusswerte). Zur Festlegung der für die Modellierung maßgeblichen Abflusswerte wurden die amtlich festgestellten Ab-flussmengen am Grenzpegel Schöna und am Pegel Dresden übernommen und entsprechend der Flusskilometrierung angepasst. Außerdem wird ein hinreichend genaues Geländemodell benötigt. Die höchsten Anforderungen an die Genauigkeit ergeben sich bei Fließgewässern im Flachland, wo selbst kleinere Erhebungen wie Dämme möglichst detailliert wiedergegeben werden sollen. Ausgangspunkt für die Berechnung eines digitalen Geländemodells (DGM) waren im vorliegenden Fall zwei Laserscannerbefliegungen der Firma TopScan vom Frühjahr 1997 bzw. Herbst 2000. Laserscannerbasierte Modelle besitzen einen wesentlich größeren Detailreichtum als photogrammetrisch erhobe-ne (Meier 2001). Die vom Landesvermessungsamt Sachsen bereitgestellten Daten weisen folgende Parameter auf: Höhengenauigkeit: +/– 15 cm, Lagegenauigkeit: +/– 0,5 m für 97 % der Punkte. Die in unregelmäßiger Verteilung vorliegenden Höhendaten entsprechen selektierten Bodenpunkten, d.h. die implizit in den Roh-daten enthaltene Höheninformation von Vegetation und Bebauung wurde mittels morphologischer Filter korrigiert. Damit wurde aus dem ursprünglich gemessenen digitalen Oberflächenmodell ein digitales Geländemodell abgeleitet. Die Güte der morphologischen Filterung kann visuell durch eine sehr feine Farbabstufung der Höhenwerte überprüft werden. Es zeigten sich hier in einigen Fällen rechteckige Strukturen mit signifikant größeren Höhen gegenüber ihrer unmittelbaren Nach-barschaft. Durch Überlagerung mit dem Luftbild konnten derartige Strukturen meist als Gebäude identifiziert werden. Gleiches gilt teilweise für einige Buschbestände. So muss konstatiert werden, dass morphologische Filter gegenwärtig nicht immer einwandfrei arbeiten (Grenzdörffer et al. 2002).

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Die Transformation der ca. 2,5 - 8,5 Millionen unregelmäßig verteilten Messpunkte pro TK10-Blatt (durchschnittliche Punktdichte von 0,07 - 0,26 Punkten pro m²) in das erforderliche Rasterformat erfolgte mit dem Geoinformationssystem ArcInfo über eine Dreiecksvermaschung (TIN-Modell). Das reguläre Raster-DGM wurde durch lineare Triangulation mit einer Rasterweite von 1 m zunächst blattschnittwei-se berechnet. Anschließend erfolgte die Mosaikierung der Höhendaten für die ge-samte Untersuchungsfläche (Ausschnitt in Abb. 2).

Abb. 2: Ausschnitt aus dem digitalen Geländemodell im Bereich der Lachsbach-mündung Die Querprofile des Elbschlauches vom Wasser- und Schifffahrtsamt Dresden basieren auf Höhenmessungen im Gelände, die mit Hilfe eines GPS-Empfängers (GPS – Global Positioning System) verortet wurden. Dabei ist zwischen Wasser- und Uferpunkten zu unterscheiden, wobei die Wasserpunkte durch Echolotung vom Boot aus erhoben wurden. Für das Untersuchungsgebiet liegen Querprofile aller 100 m vor. Diese Werte sind sehr genau (Höhengenauigkeit +/– 5 cm), um-fassen aber nur teilweise die überschwemmungsrelevanten Vorlandbereiche. Für die hydraulische Modellierung waren deshalb die Profile links und rechts des Elb-schlauches um zusätzliche Höhenwerte zu ergänzen, die aus dem vorliegenden Laser-DGM entnommen werden konnten. Zum Einsatz kam hierfür eine spezielle Erweiterung von ArcView GIS, der „Profile Extractor“. Damit ist es möglich, Hö-henprofile aus einem Geländemodell mit äquidistanten Stützpunkten (z. B. im 1-m-Abstand) entlang beliebig gezeichneter Linien zu erzeugen. Die anschließend not-wendige Ausdünnung der linken und rechten Anschlussprofile durch das Löschen von nicht profilbestimmenden Zwischenpunkten erfolgte durch Editieren ebenfalls

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in ArcView. Zur Abgrenzung der überschwemmungsrelevanten Bereiche der Elbe wurde das Untersuchungsgebiet mit der bekannten Hochwasserlinie von 1890 (entspricht etwa einem 100jährigen Ereignis) und einer Sicherheitszugabe von einem Höhenmeter verschnitten. Ortholuftbilder sind hervorragend geeignet, die örtliche Situation übersichtlich und detailliert darzustellen. Aus Luftbildern lassen sich die Bebauung sowie eine Ein-schätzung der Uferzonen hinsichtlich ihres Bewuchses und der daraus resultieren-den Rauigkeit ablesen. Dem Projekt standen zehn Ortholuftbildkarten im Blatt-schnitt der TK 10 mit einer Bodenauflösung von 0,4 m zur Verfügung. Diese wur-den nach radiometrischem Angleich zu einem Mosaik des Untersuchungsgebietes zusammengefügt. Weiterhin standen eine panchromatische (PAN) und eine multi-spektrale (MS) Szene des amerikanischen Satelliten IKONOS für einen Ausschnitt von 11*11 km mit einer Bodenauflösung von 1 m (PAN) bzw. 4 m (MS) zur Verfü-gung. Im Folgenden sind alle benutzten Eingangsdaten zusammengefasst: — Höhendaten zweier Laserscannerbefliegungen (bereinigt um Vegetation und

Bebauung) — Flussquerprofile (aus Echolot- und Uferhöhenmessungen) — Rasterdaten topographischer Karten 1 : 10.000 (Grundriss, Hydrographie,

Relief) — Ortholuftbilder und IKONOS-Satellitenbildszene — historische Hochwasserstände (insbesondere 1890) — Pegelaufzeichnungen und vorhandene Hochwassermarken — Bestandspläne von vier Brückenbauwerken Aus programmtechnischer Sicht kamen für die GIS-Bearbeitung ArcView (mit den Erweiterungen Spatial Analyst und 3D Analyst), ArcInfo sowie ERDAS Imagine zum Einsatz. Für die hydraulische Modellierung wurde das Programmsystem WSPWIN verwendet.

3 Grundzüge der hydraulischen Modellierung

Anhand des aufzubauenden hydraulischen Modells sollten Fließgeschwindigkeiten und Wasserstände für verschiedene Hochwasserereignisse (HQ2, HQ5, HQ10, HQ20, HQ50, HQ100) berechnet werden, wobei die Hauptwerte des Pegels Dresden und des Grenzpegels D / CR zugrunde liegen. Unter Berücksichtigung der geogra-phischen und meteorologischen Verhältnisse war davon auszugehen, dass Hoch-wasserereignisse der Größenordnung ab HQ10 nahezu ausschließlich im tschechi-schen Teil des Elbeeinzugsgebiets verursacht werden. Die im Untersuchungsge-biet einmündenden Nebengewässer haben darauf keinen nachweisbaren Einfluss, weshalb auf die Ermittlung einer einzugsgebietsabhängigen Abflusskurve verzich-tet wurde. Das grundlegende Verfahren zur Berechnung von Wasserspiegellagen bei statio-när ungleichförmigem Abfluss in offenen, nichtprismatischen Gerinnen besteht in

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einer von Profil zu Profil fortschreitenden Bestimmung diskreter Wasserspiegelhö-hen. Dabei dient der Bernoullische Energiehöhenvergleich zwischen einem Quer-profil mit bereits bekannter Höhe des Wasserspiegels für ein Profil noch unbekann-ter Wasserspiegelhöhe als Grundlage. Außerdem kommt der Berücksichtigung der Strömungsverluste eine erhebliche Bedeutung zu: Man unterscheidet hier zwi-schen kontinuierlich zunehmenden (Wandreibungsverlust) und örtlich konzentrier-ten Verlusten (z.B. Durchlässe und Brücken). Das Programmsystem WSPWIN ist für die Berechnung von gegliederten Flusspro-filen mit Vorländern konzipiert. Weitere örtlich konzentrierte hydraulische Einzel-verluste (insbesondere bei Brücken) werden berücksichtigt. Berechnungsziel ist die Bestimmung der Grenzen der hydraulischen Kapazität eines Gewässerab-schnittes. Der Vorflutnachweis erfolgt dabei stationär (d. h. mit einem zeitlich un-veränderlichen Bemessungswert) und ungleichförmig (d. h. mit veränderlichem Fließquerschnitt). Eine große Bedeutung für die Abflusskapazität eines Fließgewässers hat neben den Faktoren Verlauf und Gerinnegeometrie insbesondere die Oberflächenbe-schaffenheit des benetzten Umfanges. Materialzusammensetzung, Korngröße und Bewuchs fließen als Rauigkeitsparameter in die Abflussberechnung ein. In der Praxis wurde bisher ganz überwiegend die Fließformel von Manning-Strickler an-gewendet, die Rauigkeiten der Gewässersohle bzw. der Böschungen im Manning-Strickler-Beiwert kSt berücksichtigt. Die Ermittlung der Einzelrauigkeiten der Bö-schungen und Vorländer erfolgte durch Begehung und Luftbildinterpretation. Der vorhandene Bewuchs wurde in Umfang und Ausprägung aufgenommen und mit Hilfe von Fotos dokumentiert. Anschließend wurden in Anlehnung an Schröder (DVWK 1990) den Flächen kSt-Werte zugeordnet. Zur Festlegung der Rauigkeits-beiwerte für die Gerinnesohle der Elbe konnte eine Publikation der Bundesanstalt für Gewässerkunde (1994) herangezogen werden, in der die Kornzusammenset-zung der Elbe dokumentiert ist.

Nach Eingabe aller Eingangsdaten zur hydraulischen Modellierung erfolgten die Berechnungen für den gesamten Gewässerabschnitt und verschiedene Ereignisse. Anschließend war es notwendig, das Modell anhand von tatsächlichen Hochwas-serereignissen im Untersuchungsgebiet zu überprüfen. Auf dieser Grundlage muß-te das Modell so kalibriert werden, dass die Ergebnisse der Berechnung statisti-scher Ereignisse mit tatsächlich eingetretenen Ereignissen weitgehend überein-stimmen. Beim Kalibrierungsprozess wurden die Berechnungsresultate für einzel-ne Hochwasserereignisse deshalb mit bekannten Wasserspiegeln (Hochwasser-marken etc.) des Untersuchungsgebietes verglichen und danach die Eingangspa-rameter angepasst. Dabei war zu beachten, dass die Vergleichswerte der tatsäch-lichen Ereignisse in sehr unterschiedlicher Qualität und Dichte zur Verfügung stan-den. Für das Modell lagen folgende auswertbare Vergleichsdaten vor: HQ100-Linie von 1890, HQ20-Linie von 1920, vereinzelte Hochwassermarken am Pegel Schöna und Hauptwerte der Pegel Schöna, Bad Schandau, Königstein, Pirna und Dres-den.

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Insgesamt wird der Zustand der Fließprofile der Elbe im Landkreis Sächsische Schweiz aufgrund topographisch begrenzender Faktoren des Elbsandsteingebir-ges und einer relativ stabilen Besiedlungs- und Bebauungsstruktur im Vergleich vom Modellierungs- zum Bezugszeitraum des Hochwassers von 1890 mit Aus-nahme der städtischen Verdichtungsräume Pirna und Heidenau als sehr kontinu-ierlich und fast unverändert eingeschätzt. Beim Vergleich der Wasserspiegellage des HQ100 (hydraulisches Modell) mit dem Hochwasserereignis von 1890 kommt es zu einer mittleren Abweichung der beiden Linien von weniger als 30 cm, wobei die berechnete Linie fast durchgängig über der aufgezeichneten Linie von 1890 liegt. Damit kann festgestellt werden, dass die berechnete Wasserspiegellage für das Hochwasserereignis HQ100 mit der historischen Wasserspiegellage weitge-hend übereinstimmt. Ergebnis der hydraulischen Berechnungen sind die Wasserspiegelwerte für jedes Querprofil (100 m Abstand) und für jedes Ereignis HQx. Zusätzlich wurden alle Hochwasserabflüsse in hydraulischen Längsschnitten dargestellt.

4 Bestimmung der Hochwasserlinien

Ausgangspunkt der GIS-gestützten Ermittlung der Hochwasserlinien für das x-jährige Ereignis (HQx) bilden die Ergebnisse der hydraulischen Berechnungen mit je einem Wasserspiegelwert pro Querprofil. Die Bearbeitung erfolgte mit dem Geo-informationssystem ArcView und beinhaltete die folgenden Arbeitsschritte: Bestimmung der Wasserspiegellage: Die Achsen der Querprofile mit den hydrau-lisch berechneten Wasserspiegelhöhen waren auf beiden Ufern der Elbe soweit auszudehnen, dass die zu erwartende maximale Überschwemmungsfläche voll-ständig enthalten ist. Ausgehend von der Achsengeometrie erfolgte die Berech-nung der jeweiligen Wasserspiegellage über eine Dreiecksvermaschung (TIN). Für die korrekte Berechnung des TIN-Modells war es teilweise notwendig, die Pro-filachsen zu verkürzen, um bei gekrümmtem Gewässerverlauf Schnittpunkte und damit mehrdeutige Wasserstandshöhen zu vermeiden. Dies trat vor allem bei den stark verlängerten Querprofilen im flachen Gelände der Dresdner Elbtalweitung auf. 3D-Verschneidung der Wasserspiegellage mit dem Laser-DGM: Die auch als „Cut and Fill“-Verschneidung bezeichnete Operation stellt den entscheidenden GIS-Arbeitsschritt zur Ermittlung der Hochwasserlinien dar. Da die Wasserspiegeldaten hier als Dreiecksnetz vorliegen, das DGM aber als Raster, wird eine automatische Transformation der Wasserspiegellage in das entsprechende Rasterformat durch-geführt. Das Verschneidungsergebnis wird anschließend in Flächen mit Gewinn (Wasserspiegel über DGM) und Verlust (Wasserspiegel unter DGM) klassifiziert. Die Gewinnflächen bilden inhaltlich das potentielle Überschwemmungsgebiet. Ermittlung der Hochwasserlinien bzw. Überschwemmungsflächen durch Rasterfil-terung und spezielles Editieren: Das Ergebnis der 3D-Verschneidung kann sich insbesondere im flachen Gelände als sehr diffus darstellen („Salt and Pepper“-

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Effekt), wogegen die Forderung nach klarer Abgrenzung der Überschwemmungs-gebiete steht. Die sukzessive Anwendung eines Majority-Filters auf Rasterebene führte zur Eliminierung kleinster Flächen und damit zu einer Grenzlinienglättung (Abb. 3). Anschließend wurde eine Raster-Vektor-Transformation durchgeführt, um durch Editieren von Polygonen Sonderfälle behandeln zu können. Dazu gehört vor allem die Tilgung von separaten Überschwemmungsflächen, die nicht mit dem Haupt-schlauch der Elbe hydraulisch verbunden sind. Ob sich eine solche Fläche beim entsprechenden Ereignis wirklich mit Wasser füllen würde, konnte allein mit den für das Projekt verfügbaren Daten nicht entschieden werden. Dies erfordert in den betreffenden Fällen (z. B. im Bereich der Wesenitzmündung bei Pratzschwitz) spe-zielle Analysen mit zusätzlichen Informationen (z. B. zur Wasserdurchlässigkeit des Bodens).

Abb. 3: Ergebnis der 3D-Verschneidung der Wasserspiegellage mit dem Laser-DGM vor (links) und nach (rechts) Anwendung eines Majority-Filters im Mündungsbereich der Wesenitz in die Elbe

Die Ergebnisse der Flächenberechnungen der bei den untersuchten Hochwasser-ereignissen insgesamt betroffenen Gebiete sind in Tab. 1 aufgelistet.

Ereignis Zusammenhängende Überschwemmungsfläche [ha] HQ100 1.390 HQ50 1.310 HQ20 1.200 HQ10 1.090 HQ5 980 HQ2 760

Tab. 1: Überschwemmungsfläche der Elbe im Landkreis Sächsische Schweiz für

verschiedene Hochwasserereignisse

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Die Ermittlung der Hochwasserlinien bzw. Überschwemmungsgebiete verfolgt schließlich das Ziel flurstücksbezogener Aussagen über deren Hochwassergefähr-dung. Dies ist durch Verschneidung der Hochwasserlinien mit entsprechenden digitalen Flurstückskarten im GIS möglich. Da in Sachsen (und speziell im Land-kreis Sächsische Schweiz) die Automatisierte Liegenschaftskarte (ALK) noch nicht flächendeckend in Bearbeitungsstufe 8 (mit vollständiger Randanpassung und Homogenisierung der einzelnen Kartenblätter) vorliegt, bleibt diese Aufgabe der Zukunft vorbehalten.

5 Kartographische Darstellung der Überschwemmungsgebiete

Wichtigstes Ergebnis der Bearbeitung ist ein komplexes GIS-Projekt unter Arc-View, welches in verschiedenen Ebenen (Layern) sowohl grundlegende Eingangs-daten (Digitales Geländemodell, Topographische Karten und Luftbilder als Mosaik) als auch die Modellierungsergebnisse (Hochwasserlinien bzw. Überschwem-mungsflächen) enthält. Damit ist es dem Staatlichen Umweltfachamt möglich, die Hochwassersituation (vom 2-jährigen bis zum 100-jährigen Ereignis) im Flusslauf der Elbe in verschiedenen Maßstäben kartographisch darzustellen bzw. bei Bedarf auszuplotten. Als problematisch erweist sich die Lage für die Landratsämter als zuständige untere Wasserbehörden, die gegenwärtig noch nicht über die notwen-dige Computertechnik verfügen.

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Abb. 4: Überschwemmungsgebiet der Elbe für verschiedene Ereignisse – Darstel-

lung der Modellierungsergebnisse für einen Ausschnitt aus Blatt 5049-NO / Pirna der TK 10 (mit Genehmigung des Landesvermessungsamtes Sach-sen, Gen.-Nr.: DN 688/00)

Die Bedeutung von analogen Kartenwerken ist auch heute bei einem fortgeschrit-tenen Stand von Geoinformatik und Digitalkartographie nicht zu unterschätzen. In der Rechtsverordnung zur Erklärung von Überschwemmungsgebieten werden in der Regel Übersichtskarten im Maßstab 1 : 10 000 mit eingetragener Hochwasser-linie abgedruckt und auf Flurkarten im Maßstab 1 : 1 000 Bezug genommen. Des-halb wurde im Rahmen des vorliegenden Projektes auch eine Kartenserie erarbei-tet. Das Überschwemmungsgebiet für das Ereignis HQx als räumlich verortetes und ins GIS integriertes Ergebnis der hydraulischen Modellierung liegt digital im Vektorformat vor und bildet das zentrale Thema der Karte im Maßstab 1 : 10 000. Zur Orientierung wurden die Ebenen Grundriss, Gewässer und Relief der TK 10 als Rasterlayer hinterlegt und die Querprofile der Elbe mit Bezugspunkt sowie Ki-lometrierung eingezeichnet. Für das Untersuchungsgebiet insgesamt wurden die Blattschnittgrenzen der TK 10 so verschoben, dass die Zahl der notwendigen Blät-ter minimiert und gleichzeitig die Elbe mit ihrem Überschwemmungsgebiet zu-sammenhängend dargestellt wird. Einen Kartenausschnitt mit den simulierten Hochwasserereignissen und dem Grundriss der TK 10 zur Orientierung zeigt Abb. 3. Es ist ersichtlich, dass die Altstadt von Pirna bereits bei einem 50-jährigen Er-eignis weitgehend überflutet wird, sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen wer-den (z. B. Abdichtung der Durchfahrten unter dem Bahndamm).

6 Zusammenfassung und Ausblick

Die Ermittlung von potenziell gefährdeten Überschwemmungsflächen als Bestand-teil des vorbeugenden Hochwasserschutzes ist als Grundlage für eine spätere rechtsverbindliche Ausweisung und damit für entsprechende bauliche Konsequen-zen anzusehen. Im vorliegenden Pilotprojekt für die Elbe im Landkreis Sächsische Schweiz basier-te die hydraulische Modellierung auf Höhendaten aus Profilmessungen im Gewäs-serschlauch sowie Laserscanneraufnahmen. Letztere setzen sich als Grundlage für den Aufbau von digitalen Geländehöhenmodellen im Zusammenhang mit hyd-raulischen Fragestellungen immer stärker durch, da sie wesentlich kostengünstiger als terrestrische Vermessungen sind. Problematisch für die Anwendung dieser Aufnahmetechnik bei hydraulischen Fragestellungen sind kleinere Flüsse mit viel Busch- und Baumbestand am Rande des Gewässerlaufes. Hier müssen Areale mit Datenlücken terrestrisch vermessen werden, welche bei dichtem Baumbestand in den Laserscannerdaten bestehen. Forschungsbedarf besteht derzeit noch darin, wie hoch die Messpunktdichte bei der Laserscantechnik für die aus hydraulischer Sicht erforderliche Genauigkeit in Abhängigkeit vom Untersuchungsgebiet zu wäh-len ist, da sie doch einen entscheidenden Kostenfaktor darstellt (Brockmann 1999). Konkurrenz bekommt das Laserscanverfahren zunehmend durch die SAR-

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Interferometrie (Interferometric Synthetic Aperture Radar) sowie die digitale Luft-bildaufnahmetechnik (Meier 2001). In Zukunft dürfte sich die Kopplung von hydraulischer Modellierung und GIS-Bearbeitung in integrierten Softwarepaketen immer mehr durchsetzen. Ein Beispiel hierfür ist bei Herrmann & Tinz (2002) dargestellt, wo ein Modellsystem vorgestellt wird, das neben der Überschwemmungsvorhersage auch die Ermittlung von Scha-denspotenzialen ermöglicht. Für verschiedene Hochwasserereignisse erfolgte hier die Bestimmung der Über-schwemmungsgebiete GIS-gestützt aus den Modellierungsergebnissen. Ihre Dar-stellung auf der Basis topographischer Karten bildet die Grundlage für eine rechts-verbindliche Ausweisung. Die durchgängig digitale Arbeitsweise mit Hilfe von Geo-informationssystemen ermöglicht eine flexiblere Verwaltungsarbeit, eine effiziente-re Projektfortschreibung sowie eine Integration der Daten und Projekte in komple-xe Umweltinformationssysteme. Ein browserbasierter Zugang zu den oft sehr um-fangreichen und zentral gehaltenen Daten wird in Zukunft die Nutzung von GIS-Projekten auch auf einfachen PCs mit Internetzugang ermöglichen (Stahl 2001). Schließlich soll die breite Bevölkerung für die Gefahren aus Hochwasserereignis-sen sensibilisiert werden, denn nur mit einer „hochwassersensiblen“ Bevölkerung kann überregionaler und regionaler vorsorgender und baulicher Hochwasserschutz und damit ausreichender Selbstschutz verwirklicht werden. So könnte eine zielge-richtet aufbereitete Darstellung extremer Hochwasserereignisse die betroffenen Anwohner sensibilisieren und Verständnis für baurechtliche Beschränkungen in Überschwemmungsgebieten wecken. Neben Fotos historischer Ereignisse sollten auch fotorealistische Simulationen auf Basis hochgenauer Modellrechnungen tre-ten. Deshalb werden derzeit die Möglichkeiten von GIS-basierten 3D-Animationen auf Basis der vorliegenden Projektdaten untersucht.

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