89
Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Fahrzeugtechnik Heft F 60 Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus Sicht der Verkehrssicherheit

Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen

Fahrzeugtechnik Heft F 60

Ber

icht

e d

er B

und

esan

stal

t fü

r S

traß

enw

esen

Hef

tF

60

Ableitung vonAnforderungen an

Fahrerassistenzsystemeaus Sicht der

Verkehrssicherheit

ISSN 0943-9323ISBN (10) 3-86509-551-8ISBN (13) 978-3-86509-551-0

Page 2: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen

Ableitung vonAnforderungen an

Fahrerassistenzsystemeaus Sicht der

Verkehrssicherheit

Fahrzeugtechnik Heft F 60

von

Mark VollrathSusanne Briest

Caroline Schießl

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)Institut für Verkehrsführung und Fahrzeugsteuerung

Braunschweig

Jörn DrewesUwe Becker

Institut für Verkehrssicherheit und Automatisierungstechnik (IVA)Technische Universität Braunschweig

Page 3: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Die Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlicht ihre Arbeits- und Forschungs-ergebnisse in der Schriftenreihe Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Die Reihebesteht aus folgenden Unterreihen:

A - AllgemeinesB - Brücken- und IngenieurbauF - FahrzeugtechnikM- Mensch und SicherheitS - StraßenbauV - Verkehrstechnik

Es wird darauf hingewiesen, dass die unter dem Namen der Verfasser veröffentlichtenBerichte nicht in jedem Fall die Ansicht desHerausgebers wiedergeben.

Nachdruck und photomechanische Wieder-gabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmi-gung der Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit.

Die Hefte der Schriftenreihe Berichte derBundesanstalt für Straßenwesen können direkt beim Wirtschaftsverlag NW, Verlag für neue Wissenschaft GmbH, Bgm.-Smidt-Str. 74-76, D-27568 Bremerhaven, Telefon (04 71) 9 45 44 - 0, bezogen werden.

Über die Forschungsergebnisse und ihre Veröffentlichungen wird in Kurzform imInformationsdienst BASt-Info berichtet.Dieser Dienst wird kostenlos abgegeben;Interessenten wenden sich bitte an dieBundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit.

Impressum

Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsystemeaus Sicht der Verkehrssicherheit

ProjektbetreuungAnne Bauer

ISSN 0943-9323ISBN (10) 86509-551-8ISBN (13) 978-3-86509-551-0

Bergisch Gladbach, November 2006

HerausgeberBundesanstalt für StraßenwesenBrüderstraße 53, D-51427 Bergisch GladbachTelefon: (0 22 04) 43 - 0Telefax: (0 22 04) 43 - 674

RedaktionReferat Öffentlichkeitsarbeit

Druck und VerlagWirtschaftsverlag NWVerlag für neue Wissenschaft GmbHPostfach 10 11 10, D-27511 BremerhavenTelefon: (04 71) 9 45 44 - 0Telefax: (04 71) 9 45 44 77Email: [email protected]: www.nw-verlag.de

Page 4: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Kurzfassung – Abstract

Ableitung von Anforderungen an Fahrerassis-tenzsysteme aus Sicht der Verkehrssicherheit

Ziel der Studie, die im Auftrag der BASt durchge-führt und zusätzlich vom Land Niedersachsen ge-fördert wurde, ist es, über In-Depth-Analysen vonUnfalldaten der Braunschweiger Polizei aus demJahr 2002 Anforderungen an Fahrerassistenzsyste-me (FAS) abzuleiten und den Sicherheitsgewinn ab-zuschätzen, den die Einführung derartiger Systememit sich bringen würde.

Bei den In-Depth-Analysen wurden aufgrund derUnfallprotokolle die dem Unfall vorausgehendenFehlhandlungen und ihre Ursachen analysiert.Fehlhandlungen sind die Handlungen, die zum Un-fall geführt haben. Diese müsste ein FAS korrigie-ren, um den Unfall zu verhindern, sodass dieseAnalyse Anforderungen an die Funktionalität desFAS ergibt (z. B. Wahl einer sicheren Geschwindig-keit). Die Analyse der Ursachen der Fehlhandlungerfolgte in Anlehnung eines Informationsverarbei-tungsmodells des menschlichen Handelns und er-gibt Hinweise auf die Eingriffsstrategie des FAS.Liegt die Ursache z. B. in fehlender Wahrnehmungvorhandener Information, so kann eine Warnungden Unfall verhindern. Bei einer Fehlentscheidungist eine aktive Unterstützung durch ein FAS not-wendig. Weiter wurden Fehlinterpretationen undAusführungsfehler betrachtet.

Datenbasis sind 4.258 Unfallprotokolle aus Braun-schweig aus dem Jahr 2002 und 185.004 Unfälleaus Deutschland, die als 50%-Stichprobe der amt-lichen Unfallstatistik des Jahres 2002 vom Statisti-schen Bundesamt zur Verfügung gestellt wurde. Inbeiden Datenquellen wurden die Unfälle ausge-wählt, bei denen der Verursacher ein Pkw und derFahrer (so weit bekannt) mindestens 18 Jahre altwar. Die schweren Unfälle aus Braunschweig (993Unfälle) wurden so gewichtet, dass sie hinsichtlichUnfalltyp, Wochentag und Tageszeit mit den bun-desdeutschen Unfällen vergleichbar sind.

Bei den In-Depth-Analysen wurden für 6 Unfalltypenund pro Unfalltypen für die häufigsten Untertypendie Protokolle im Hinblick auf Fehlhandlung und Ur-sache analysiert und gruppiert. Eine stichprobenar-tige Überprüfung der Beurteilerübereinstimmung er-wies sich als sehr zufrieden stellend (Spearman rho= 0.91). Die Analyse zeigt drei große Gruppen von

Unfällen, aus denen sich drei Arten von Unterstüt-zungsbedarf ableiten lassen. Bei den Einbiegen/Kreuzen-Unfällen werden andere Verkehrsteilneh-mer aus unterschiedlichen Gründen bei der Planungvernachlässigt, was als fehlende Wahrnehmung vor-handener Informationen zu beschreiben ist. Seltenerspielen Fehlentscheidungen eine Rolle. Um dieseUnfälle zu verhindern, wird eine Kreuzungsassistenzbenötigt, die bevorrechtigte Fahrzeuge von rechts,links oder entgegenkommend und von rechts kom-mende Radfahrer beim rechts Abbiegen erkennenkann. Durch eine Kreuzungsassistenz, die vor die-sen Fahrzeugen warnt, ließen sich 26,2 % allerschweren Unfälle verhindern.

Bei Fahrunfällen steht die Fehlanpassung der Ge-schwindigkeit an den Straßenzustand, an den Fah-rerzustand und an die eigene Leistungsfähigkeit imVordergrund, was als Fehlentscheidung zu be-schreiben ist. Teilweise kommt die Vernachlässi-gung der Querführung ohne besonderen Grundhinzu (fehlende Wahrnehmung). Eine situationsab-hängige aktive Unterstützung der Geschwindig-keitsregulation mit zusätzlicher Unterstützung derQuerführung könnte insgesamt 20,4 % allerschweren Unfälle verhindern. Auffahren tritt vorallem bei Unfällen im Längsverkehr, aber auch einerReihe anderer Unfalltypen auf. Hier ist ein Systemzur Kollisionsvermeidung mit situationsabhängigerRegelung von Abstand und Geschwindigkeit not-wendig, das auch stehende Fahrzeuge erkennenkann und das Bremsen bei plötzlichen Eingriffen un-terstützt. Würde das System diese Anforderungenerfüllen, könnten damit 17,5 % aller schweren Un-fälle verhindert werden. Da die häufigsten Ursachender Fehlhandlung im Bereich von Fehlentscheidun-gen liegen, ist dazu allerdings eine aktive Unterstüt-zung der Geschwindigkeitshaltung notwendig.

Insgesamt ergibt sich aus den Analysen ein sehrgroßes Unfallvermeidungspotenzial für FAS im Be-reich über 70 % aller schweren Unfälle. Allerdingssind die Anforderungen an diese Systeme groß. Somüssen sie im Kreuzungsbereich bevorrechtigteFahrzeuge aus allen Richtungen erkennen, außer-dem Situationsmerkmale wie Straßenzustand, Hin-dernisse auf der Fahrbahn und Merkmale des Fah-rers wie zum Beispiel einen eingeschränkten Fah-rerzustand berücksichtigen. Teilweise ist eine akti-ve Unterstützung oder ein Eingriff notwendig, wasrechtliche und Akzeptanzprobleme mit sich bringt.Mit der dargestellten Methode der In-Depth-Unfall-analyse aufgrund von Unfallprotokollen ist insge-samt eine Abschätzung des Sicherheitspotenzials

3

Page 5: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

von Assistenzsystemen möglich, wobei die Aussa-gen vorsichtig zu interpretieren sind.

Drawing up requirements for driver assistancesystems from the perspective of traffic safety

The objective of the research, assigned by BAStand additionally promoted by the state of LowerSaxony, is, to draw up requirements for driverassistance systems (FAS) using the In-Depth-Analyses of accident data of the police inBraunschweig from the year 2002 and to estimatethe advantages for safety that the introduction ofsuch systems would provide.

The false actions preceding the accident and theircauses were analysed in the In-Depth-Analysesbased on the accident forms. False actions areactions that lead to accidents. An FAS would haveto correct these to prevent the accident, so thatthis analysis results in requirements to functionality(e.g. selection of a safe speed). The analysis of thecauses of the false actions took place inaccordance with an information processing modelof human behaviour and provides references to theintervention strategy of the FAS. If the cause is, forexample, a lack of perception of existinginformation, a warning can prevent the accident. Inthe case of a false decision, active support from anFAS is necessary. False interpretations and errorsin execution were also observed.

The database for this project are 4,258 accidentforms from Braunschweig from the year 2002 and185,004 accidents in Germany that were madeavailable by the Federal Office for Statistics as a50% random sample of the official accidentstatistics of the year 2002. Accidents were selectedfrom both data sources where the partyresponsible for the accident was a car and thedriver (when known) was at least 18 years old. Theserious accidents in Braunschweig (993 accidents)were ranked in such a way that they could becompared with the accidents in the rest ofGermany with respect to the type of accident, dayof the week and time of day.

The accident forms were analysed and put intogroups in the In-Depth-Analyses for 6 types ofaccident and for the most frequent sub-types withrespect to false actions and causes. Agreementsamongst assessors was checked in a processsimilar to random sampling and proved to be verysatisfactory (Spearman rho = 0.91). The analysisshows three large groups of accidents from which

three types of need for support can be derived. Inthe case of accidents occurring when turning orcrossing, other road users are neglected duringplanning for various reasons, which can bedescribed as a lack of perception of existinginformation. Seldom do false decisions play a role.Assistance while crossing, that can recognisevehicles that have priority from the right, the left orare oncoming and cyclists coming from the right, isrequired to prevent these accidents. 21,2 % of allserious accidents could be prevented by assistancewhile crossing that warns people about thesevehicles.

In the case of accidents while driving, lack ofadaptation of speed to the road conditions, to thestate of the driver and to ones own performance ispredominant and can be described as a falsedecision. It is partly the neglect of horizontalsteering without any reason (lack of perception)that adds to this. Active support of speedregulations dependent on the situation withadditional support of horizontal steering couldprevent 20.4% of all serious accidents.

Tailgating occurs in longitudinal traffic in particular,but also in a series of other accident types. Asystem of avoiding collisions with regulation ofintervals and speeds dependent on the situation isnecessary here, that can also recognise stationaryvehicles and that supports braking in the case ofsudden interventions. If the system were to fulfilthese requirements, 32.5% of all serious accidentscould be prevented. Since the most frequentcauses for false actions lie in the area of falsedecisions, active support of speed maintenance isrequired for this purpose. On the whole the analysisshows that there is much potential for avoidingaccidents using FAS in the range above 70% of allserious accidents. However, there are immensedemands to these systems. They have to recogniseall vehicles that have priority coming from alldirections in the area of the crossing, as well ascharacteristics of the situation such as the state ofthe road, obstacles on the carriageway andcharacteristics of the driver such as an impairedstate. Active support on intervention is partlyrequired, which results in legal problems orproblems of acceptance. Using the method of in-depth analysis of accidents based on accidentforms an estimate of the potential for safety ofassistance systems is possible, on the whole,however, the statements must be interpreted withcaution.

4

Page 6: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Inhalt

1 Unfälle als Handlungsfehler – Hintergrund und Vorgehen . . . . . . . . . 7

1.1 Handlungsfehler, Fehlhandlungen und ihre Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

1.2 Fahrmanöver als Basis derFunktionalität von Assistenz-systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.3 Ursachen für Fehlhandlungen als Basis für die Strategie von Assistenz-systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.4 Fehlhandlungen und ihre Ursachen als Basis für die Funktionalität und Eingriffsstrategie von Fahrer-assistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

1.5 Gruppierung von Unfällen bei In-Depth-Unfallstudien . . . . . . . . . . . . . . 14

1.5.1 Kurze Darstellung wesentlicher Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

1.5.2 Konsequenzen für das eigene Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1.6 Vorhandene Studien zur Ableitung der Wirkung von Assistenzsystemen aus Unfallanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

2 Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.1 Konzept der Braunschweiger Unfallanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.2 Datenbasis und Gewichtung . . . . . . . . . 22

2.2.1 Auswahl der Unfälle für die Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

2.2.2 Beschreibung und Vergleich – Unfälle in Braunschweig undDeutschland 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

2.2.3 Beschreibung der Unfälle im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.3 Datenaufbereitung und Urteiler-übereinstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

2.4 Einbezogene auf dem Markt und in der Entwicklung befindliche Assistenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2.4.1 Geschwindigkeitsregelanlage (GRA – Cruise Control) . . . . . . . . . . . . . . 27

2.4.2 Abstandsregeltempomat (Adaptive Cruise Control – ACC) . . . . . . 27

2.4.3 Adaptive Cruise Control mit Stop-and-Go Funktion . . . . . . . . . . . . . 28

2.4.4 Bremsassistenz (Brake-Assistance-System – BAS) . . . . . . . . . . 28

2.4.5 Automatische Notbremse (Automatic Emergency Brake – ANB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

2.4.6 Anti-Blockiersystem (ABS) . . . . . . . . . . 28

2.4.7 Anti-Schlupf-Regelung (ASR) . . . . . . . . 29

2.4.8 Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2.4.9 Collision-Avoidance-System (ACA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2.4.10 Collision-Warning-System (CWS) . . . . . 29

2.4.11 Curve Speed Assistant (CSA) . . . . . . . . 29

2.4.12 Parkassistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

2.4.13 Spurhalteassistenz (Lane Departure Warning – LDW) . . . . . . . . . . 30

2.4.14 Spurwechselassistenz (Lane Changing Assistance) . . . . . . . . . 30

2.4.15 Intelligent Speed Adaption (ISA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

2.4.16 Kreuzungsassistenz . . . . . . . . . . . . . . . 30

2.4.17 Bewertung der vorhandenen und in Entwicklung befindlichen Assistenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

3.1 Fehlhandlungen und ihre Ursachen bei verschiedenen Unfalltypen . . . . . . . 32

3.2 Der Fahrunfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

3.3 Der Abbiegeunfall . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

3.4 Der Einbiegen/Kreuzen-Unfall . . . . . . . 50

3.5 Der Unfall mit ruhendem Verkehr . . . . . 53

3.6 Der Unfall im Längsverkehr . . . . . . . . . 59

3.7 Sonstige Unfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

4 Diskussion und Ausblick . . . . . . . . . . 71

4.1 Wesentliche Fehlhandlungen und ihre Ursachen – Anforderung an Assistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

4.2 Bewertung vorhandener Assistenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

5

Page 7: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

4.3 Bewertung der Studie . . . . . . . . . . . . . 80

4.4 Rechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . 81

5 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

6

Page 8: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

1 Unfälle als Handlungsfehler –Hintergrund und Vorgehen

Ziel des Projekts ist es, durch die Analyse von Un-fällen und ihrer Ursachen Anforderungen an Fah-rerassistenzsysteme abzuleiten, mit denen dieseUnfälle vermieden werden könnten. Gleichzeitigsind auf dem Markt erhältliche und in der Entwick-lung befindliche Assistenzsysteme in ihrer mögli-chen unfallvermeidenden Wirkung zu bewerten.Vom theoretischen Hintergrund her werden Fehl-handlungen und ihre Ursachen als dem Unfall zeit-lich vorausgehende Bedingungen analysiert unterder Überlegung, dass dem Unfall ein bestimmtesFahrer-Fahrzeug-Verhalten vorausging, das nichtadäquat an die Situation angepasst war. Daraus istfür Assistenzsysteme abzuleiten, welches Verhal-ten unterstützt bzw. erreicht werden müsste, umden Unfall zu verhindern. Über die Analyse der Ur-sachen, warum das Fehlverhalten gezeigt wurde,ist abzuleiten, wie das Assistenzsystem diese Feh-lervermeidung erreichen könnte bzw. wie eine opti-male Eingriffsstrategie der Assistenz in dieser Si-tuation aussieht. Dieser theoretische Hintergrundwird im ersten Teil ausführlich dargestellt. Im zwei-ten Teil werden die Datenbasis und die Methodikbeschrieben. Der dritte Teil stellt die Ergebnisse derAnalysen dar. Eine Abschätzung des Sicherheits-potenzials von Assistenzsystemen, der techni-schen Möglichkeiten, die notwendigen Assistenz-funktionen umzusetzen, und der Anforderungen anden Gesetzgeber zur Umsetzung schließt diesenBericht ab.

1.1 Handlungsfehler, Fehlhandlungenund ihre Ursachen

Verkehrsunfälle sind ein besonders schwerwiegen-der Fall von menschlichen Handlungsfehlern.Dabei soll mit dem Begriff „Fehler“ nicht impliziertsein, dass der Fahrer in einem moralisch bewerten-den Sinne etwas „falsch“ gemacht hat. Vielmehrwird als Fehler definiert, dass Handlungen ausge-führt wurden, die nicht adäquat an die Situation an-gepasst waren, sodass daraus Schäden für Fahrer,Fahrzeug oder die Umwelt entstehen. In der Analy-se geht es entsprechend auch nicht um eineSchuldzuweisung und die Überlegung, durch tech-nische Systeme den Fahrer zu überwachen undseine Handlungen zu korrigieren. Ziel ist es viel-mehr, das Entstehen des Unfalls bedingt durch dasZusammenspiel von Fahrer, Fahrzeug und Umwelt

so zu beschreiben, dass daraus abzuleiten ist, in-wieweit technische Assistenzsysteme dazu beitra-gen können, den Unfall zu vermeiden, und welcheAnforderungen an diese Systeme zu stellen sind.Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein Bezug auf all-gemeine Modelle der Entstehung von Handlungs-fehlern sinnvoll, um diese auf die besondere Situa-tion „Unfall“ zu übertragen.

HACKER (1998) unterscheidet bei der Entstehungvon Handlungsfehlern folgende Begriffe:

· „Handlungsfehler“ beschreibt die Ausführungeiner fehlerhaften Handlung.

· „Fehlhandlung“ beschreibt die Handlung, die fürden Handlungsfehler verantwortlich ist.

· „Ursachen für Fehlhandlungen“ beschreiben dieder Fehlhandlung zugrunde liegenden psychi-schen Prozesse.

An einem Beispiel soll diese Unterscheidung erläu-tert werden (s. Bild 1). Ein Autofahrer biegt an einerampelgeregelten Kreuzung bei Grün links ab. Ermuss den Gegenverkehr beachten, übersieht einentgegenkommendes Fahrzeug und fährt los. Dasentgegenkommende Fahrzeug kann nicht mehrbremsen oder ausweichen und stößt mit ihm zu-sammen. Der Handlungsfehler ist der Zusammen-stoß mit dem entgegenkommenden Fahrzeug. DieFehlhandlung ist das Abbiegen nach links, obwohlGegenverkehr vorhanden ist. Die Ursache, die derFehlhandlung zugrunde liegt, ist das Übersehenbzw. Nichtbeachten des Fahrzeuges, was wiede-rum aus verschiedenen Gründen geschehen kann.Zum Beispiel wurde der Fahrer von tief stehenderSonne geblendet, sodass er das Fahrzeug nichtwahrgenommen hat.

In diesem Modell wird der Ansatzpunkt für eine Un-fallvermeidung zeitlich vor der Kollision selbst ge-

7

Bild 1: Modell von Handlungsfehlern (nach HACKER, 1998) mitdem Beispiel „Unfall beim links Abbiegen“

Page 9: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

sucht. Der Kollision gehen in der Regel bestimmteFehlhandlungen voraus. Gelingt es, diese Fehl-handlungen zu vermeiden bzw. die der Situationangemessenen Handlungen durchzuführen, sokönnte auch der Unfall insgesamt vermieden wer-den. An dieser Stelle liegt der Ansatzpunkt für Fah-rerassistenzsysteme (s. Bild 2). In dem oben be-schriebenen Beispiel müsste ein Assistenzsystemdas Linksabbiegen unterstützen, sodass der Fahrernicht losfährt. Damit ist die Funktionalität der As-sistenz angesprochen, d. h. ein Fahrmanöver (linksAbbiegen), das in einer bestimmten Situation(Kreuzung mit Gegenverkehr und tief stehenderSonne) unterstützt wird. Offen ist allerdings, wie dieUnterstützung durch das Assistenzsystem optimalzu gestalten ist. Hier wird die Analyse der Ursachenwichtig. Wenn der Fahrer das entgegenkommendeFahrzeug wegen Blendung durch die Sonne nichtgesehen hat, kann eine Information darüber genü-gen, dass ein Fahrzeug entgegenkommt. Diese In-formation muss für den Fahrer im Fahrzeug gutsichtbar sein. Er kann sie dann selbstständig nut-zen, wenn er bei der Außensicht Schwierigkeitenbemerkt. Unterschätzt der Fahrer dagegen die Ge-schwindigkeit des Fahrzeugs, so ist eine Warnungnotwendig, dass die Zeitlücke nicht zum Abbiegenausreicht, da nicht davon auszugehen ist, dass derFahrer hier selbst zusätzliche Informationen ein-holt. Bei anderen Ursachen kann auch ein Eingriffdes Assistenzsystems notwendig sein, wenn z. B.zu wenig Zeit für den Fahrer bleibt, um auf eineWarnung noch adäquat zu reagieren.

Für eine Analyse von Unfällen auf Basis dieses Mo-dells ist es damit einerseits wichtig, verschiedeneFunktionalitäten für Assistenzsysteme zu untersu-chen, die ein sicheres Fahren ermöglichen. Des-halb wird im nächsten Kapitel dargestellt, welcheFahrmanöver beim sicheren Fahren wichtig sind,

um einen Katalog von Funktionen von Assistenz zuerarbeiten, der dann bei der Kategorisierung derUnfälle verwendet werden kann. Andererseits istdie Ursachenanalyse wichtig für die Beschreibungder Eingriffsstrategie der Assistenz. Hier werden ineinem weiteren Kapitel verschiedene Modellvor-stellungen über Ursachen von Fehlern dargestellt,die unter dem Ziel zusammengefasst werden, diefür einen bestimmten Unfall beste Strategie abzu-leiten, d. h. diejenige, mit der sich der Ursache desUnfalls am besten begegnen lässt.

1.2 Fahrmanöver als Basis der Funk-tionalität von Assistenzsystemen

Um einen Unfall verhindern zu können, ist es we-sentlich zu verstehen, wie die entsprechende Si-tuation unfallfrei bewältigt werden kann. Damitstellt sich allgemein die Frage, welche Aufgabensich für den Fahrer in verschiedenen Situationenergeben. In Anlehnung an BERNOTAT (1970) unter-scheidet man drei hierarchische Ebenen beim Fah-ren (s. auch DONGES, 1982): Auf der oberstenEbene geht es beim Navigieren um die Wahl derFahrtroute und des zeitlichen Ablaufs der Fahrt.Auf der Führungsebene muss diese Planung inkonkrete Situationen umgesetzt werden. Abhängigvon Bedingungen der Fahr- und Verkehrssituationerfolgt die Festlegung von Soll-Kurs, Soll-Ge-schwindigkeit und Fahrmanövern (z. B. Spurwech-sel, Überholen). Auf der untersten Ebene der Stabi-lisierung geht es darum, die Längs- und Querrege-lung des Fahrzeugs durchzuführen.

Zur Bewältigung dieser Aufgaben sind im Men-schen verschiedene Prozesse der Informationsver-arbeitung zu unterscheiden (z. B. nach RASMUS-SEN, 1983). RASMUSSEN unterscheidet hier zwi-schen wissensbasierten, regelbasierten und fertig-keitsbasierten Handlungen („knowledge, rules andskill“). Bei wissensbasierten Handlungen werden inungewohnten, mehrdeutigen oder komplexen Si-tuationen Wege gesucht, um ein bestimmtes Zielzu erreichen („Problemlösen“). Diese Art von Hand-lungen spielen vor allem auf der Navigationsebenedes Fahrens eine Rolle, d. h. bei der Routenpla-nung (s. Bild 3). Bei regelbasiertem Verhalten wirdin Abhängigkeit von einer Bewertung der aktuellenSituation Verhalten eingesetzt, um bestimmte Ef-fekte zu erreichen. Dies lässt sich über Regeln gutbeschreiben, z. B. „wenn die Ampel rot ist, dannhalte an“. Dieses Verhalten spielt beim Fahren aufder Führungsebene eine wesentliche Rolle, auf der

8

Bild 2: Ableitung der Funktionalität und Assistenzstrategie ausUrsachen und Fehlhandlungen, die zum Handlungsfeh-ler „Unfall“ führen

Page 10: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

in Abhängigkeit von der aktuellen Situation Fahr-manöver ausgewählt werden, Soll-Geschwindig-keiten und Abstände vorgegeben werden usw.Schließlich sind fertigkeitsbasierte Reaktionen da-durch gekennzeichnet, dass ohne bewusste Auf-merksamkeit oder Kontrolle auf bestimmte Reizestereotyp reagiert wird. Diese Art von Reaktionencharakterisiert die Stabilisierungsebene, bei der z. B. Abweichungen von der Idealspur automatischdurch kleine Lenkbewegungen korrigiert werden.

Die Ableitung von Anforderungen an Unterstützungdurch Assistenzsysteme aus Unfallanalysen betrifftim Rahmen des vorliegenden Projekts vor allem dieStabilisierungs- und Führungsebene, da es um diedem Unfall unmittelbar vorausgehenden Bedingun-gen geht. Auch Unterstützung bei der Navigationim Sinne von Umfahren von Staus, Meiden von ge-fährlichen Straßenabschnitten oder gefährlichenFahrerzuständen (z. B. Pausenplanung) könntenzur Unfallverhinderung beitragen. Dabei geht es je-doch um die Vermeidung potenziell gefährlicher Si-tuationen, während bei der vorliegenden Untersu-chung die Unterstützung bei der Bewältigung sol-cher Situationen im Vordergrund steht. Damit wirdvon der Funktionalität der Assistenz her im Rah-men des vorliegenden Projekts die Unterstützungbei der Stabilisierung und Führung des Fahrzeugsin den Vordergrund gestellt.

Bei der Stabilisierung geht es darum, ein Abkom-men von der Fahrbahn und eine Kollision mit ande-ren Fahrzeugen zu vermeiden. Im Bereich derQuerführung muss das Fahrzeug durch Lenken in-

nerhalb eines sicheren Bereichs auf der Fahrspurgehalten werden. Bei der Längsführung muss ei-nerseits eine bestimmte Geschwindigkeit eingehal-ten werden, mit der die Spurhaltung vor allem imBereich von Kurven erfolgreich bewältigt werdenkann. Außerdem müssen vorhandene Geschwin-digkeitsvorgaben (extern durch Verkehrsregeln, in-tern durch Motive und Ziele des Fahrers bedingt)eingehalten werden. Wenn vorausfahrende Fahr-zeuge vorhanden sind, müssen sichere Abständezu ihnen gehalten werden. Für Längs- und Quer-führung ergeben sich durch die FührungsebeneVorgaben im Sinne von Soll- oder Führungswerten,die den Verlauf der Idealspur und insbesondere dietolerierbare Abweichung von der Idealspur, dieideale Geschwindigkeit und den idealen Abstandbetreffen. Dies lässt sich zusammenfassend be-schreiben als das „Wie“ des Fahrens. ZusätzlicheAnforderungen ergeben sich auf der Führungsebe-ne durch unterschiedliche Rahmenbedingungen,die die Ausführung unterschiedlicher Fahrmanövererfordern. Dies entspricht dem „Wohin“ des Fah-rens in einem zeitlich eng begrenzten Rahmen. Hierbeschreibt z. B. NAGEL (1994) 17 verschiedeneFahrmanöver, mit denen sich das Fahren vollstän-dig beschreiben und damit auch durch einen Auto-maten bewältigen lässt (s. Tabelle 1).

Um die Aufgaben auf der Führungsebene vollstän-dig zu beschreiben, sind damit einerseits die Vor-gaben für die Stabilisierungsebene angesprochen,andererseits die verschiedenen Fahrmanöver. DieVorgaben für die Stabilisierungsebene hängen vonden jeweiligen Fahrmanövern ab. Hinzu kommenaber weitere Rahmenbedingungen aus der Situa-tion (z. B. Geschwindigkeitsbegrenzungen, Stra-ßenverlauf, Sichtweite, Reibwert) und dem Fahrer(Motive, Fahrstil usw.). Die 17 Fahrmanöver sinddaher um die Vorgaben der Genauigkeit der Spur-haltung, der Soll-Geschwindigkeit und des Soll-Abstands zu ergänzen.

Assistenzsysteme werden in der Regel über ihreFunktionalität im Sinne der Bewältigung bestimm-ter Fahrmanöver beschrieben, wie die Beispiele

9

Bild 3: Drei Ebenen der Fahraufgabe und die Zuordnung zurdort wichtigen Handlungsebene

Tab. 1: 17 Fahrmanöver, die spezielle Anforderungen auf der Führungsebene charakterisieren (nach NAGEL, 1994)

1 An- und Weiterfahren 7 Hinter Fahrzeug anfahren 13 Rückwärts fahren

2 Straße folgen 8 Fahrzeug folgen 14 U-Turn

3 Annäherung Fahrzeug oder Hindernis 9 Kreuzung queren 15 Wenden

4 Überholen 10 Spurwechsel 16 Einparken

5 Anhalten vor Hindernis 11 Abbiegen 17 Ausparken

6 Hindernis passieren 12 Rechts ranfahren und anhalten

Page 11: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Spurwechselassistent, Parkassistent, Kreuzungs-assistent zeigen. Assistenzfunktionen betreffen ausdieser Sichtweise verschiedene Fahrmanöver, diemit Hilfe eines Assistenzsystems besser oder kom-fortabler bewältigt werden können. Je nachManöver ergeben sich bestimmte Anforderungenan die Sensorik und die Situationsinterpretationund je nach Auslegung des Systems verschiedeneAnforderungen an die Aktorik (z. B. Warnsystemevs. eingreifende Systeme). Dabei kann die Unter-stützung durch die Assistenz vor allem die Füh-rungsebene betreffen (z. B. bei der Spurwechsel-assistenz) oder vor allem die Stabilisierungsebene(z. B. Adaptive Cruise Control ACC, wo vorgegebe-ne Geschwindigkeiten und Abstände eingehaltenwerden).

Mit dieser Beschreibung der Aufgaben des Fahrersauf der Führungs- und Stabilisierungsebene wirdder Raum der möglichen Assistenzfunktionen auf-gespannt. Auf dem Markt und in Entwicklung be-findliche Assistenzfunktionen sind hinsichtlich derdabei angesprochenen Aufgaben einzuordnen.Dies geschieht in Kapitel 2.4, wo diese Assistenz-systeme kurz beschrieben und klassifiziert werden.

Aus den In-Depth-Unfallanalysen ergeben sich An-forderungen an neue Assistenzfunktionen, die imHinblick auf die von ihnen unterstützen Aufgabenauf Stabilisierungs- und Führungsebene genauerzu spezifizieren sind. Unter dem Aspekt, mit Hilfeder Assistenzfunktionen Unfälle zu vermeiden, istfür verschiedene Gruppen von Unfällen anzuge-ben, bei welchem Manöver der Fahrer unterstütztwerden muss, um den Unfall zu verhindern, undwelche besonderen Anforderungen sich ergeben(z. B. Erkennung anderer Fahrzeuge, Fahrradfahreroder Fußgänger, Erkennung des Straßenzustandsusw.), damit dieses Manöver von der Assistenzadäquat unterstützt werden kann. Schließlich er-möglicht die Analyse der Ursachen der Fehlhand-lungen Aussagen darüber, wie der Fahrer unter-stützt werden sollte, um die Fehlhandlung zu ver-meiden. Der entsprechende theoretische Hinter-grund dazu wird im folgenden Kapitel dargestellt.

1.3 Ursachen für Fehlhandlungen alsBasis für die Strategie von Assis-tenzsystemen

In verschiedenen Fehlermodellen werden Gruppenvon Fehlhandlungen unterschieden. NORMAN(1981) trennt zwischen drei Klassen von Fehlhand-

lungen, denen unterschiedliche Ursachen zugrun-de liegen. (1) Bei „Fehlern in der Zielbildung“ wer-den Ziele gesetzt, die nicht der Situation angemes-sen sind. (2) Beim „Aufruf falscher Schemata (Pro-gramme)“ wird zwar das Ziel korrekt gesetzt, aberProgramme ausgewählt, mit denen dieses Zielnicht zu erreichen ist. (3) Bei der „falschen Einord-nung zutreffender Programme“ werden die richti-gen Programme ausgewählt, aber räumlich-zeitlichnicht korrekt eingeordnet. In ähnlicher Weise unter-scheidet auch REASON (1992) „mistakes“, beidenen die Planung und Zielsetzung falsch verläu-fen, „lapses“, bei denen nicht die korrekten Pro-gramme aktiviert werden und „slips“ als Fehler beider Ausführung. Damit siedeln beide Autoren dieFehler bei verschiedenen Teilprozessen der Hand-lung an (s. Tabelle 2). Die Setzung der falschenZiele ist zu begründen durch eine mangelhafte In-formationsaufnahme, sodass die Situation falscheingeschätzt wird. Die Aktivierung der fehlerhaften Programme zur Zielerreichung ist dem Bereich der Handlungsplanung zuzuordnen. Schließlichkönnen Fehler auch bei der Ausführung stattfin-den.

HACKER (1998) stellt bei seiner verhütungsorien-tierten Fehlhandlungsklassifikation die Informatio-nen in den Vordergrund. Seiner Meinung nach liegtdie wesentliche Ursache für verschiedene Artenvon Fehlern in einem Informationsmangel, der un-terschiedliche Ursachen haben kann, oder in derfalschen Nutzung von Informationen. Er unter-scheidet entsprechend in einem ersten Schritt dreiverschiedene Ursachen von Fehlhandlungen. (1)Notwendige Informationen fehlen objektiv. (2) Ob-jektiv vorhandene Informationen werden nicht ge-nutzt. (3) Objektiv vorhandene Informationen wer-den falsch genutzt. Bei der zweiten Gruppe unter-scheidet HACKER fünf Aspekte, die dazu führen,dass vorhandene Informationen nicht genutzt wer-den: (a) Übersehen, (b) Vergessen/Versäumen, (c)Übergehen, (d) Informationsreduktion bei Redun-danzausnutzung und (e) zeit- bzw. kapazitätsbe-dingte Verarbeitungsdefizite. Bei der falschen Nut-zung werden vier Aspekte unterschieden:

10

Tab. 2: Einordnung der Klassen von Fehlhandlung nach demOrt in der Handlung entsprechend den Modellen vonNORMAN (1981) und REASON (1992)

NORMAN REASON

Informationsaufnahme Fehler Zielbildung Mistakes

Handlungsplanung Aufruf falscher Schemata Lapses

Ausführung Falsche Einordnung Slips

Page 12: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

(a) falsche Nutzung im Orientieren (Fehlidentifika-tionen als Sinnestäuschungen oder einstellungsbe-dingte Fehldeutungen, Erinnerungstäuschungen,Fehlbeurteilungen), (b) falsche Nutzung im Zielstel-len, (c) Entwerfen fehlerhafter Programme (zeitlich-räumlich fehlerhafte Festlegungen, fehlerhafte Mit-tel-Weg-Festlegungen) und (d) die unzutreffendeEinordnung richtiger Programme in Ausführungs-bedingungen (zeitlich-räumliche Fehleinordnung,Verwechseln).

Diese Klassifikation von HACKER liefert eine sehrfeine Unterscheidung der Ursachen für Fehlhand-lung, bei der Informationen im Vordergrund stehen.Entsprechende Analysen können genutzt werden,um dem Menschen Informationen so zu vermitteln,dass diese Fehler vermieden werden. Vor dem Hin-tergrund von Unfällen im Straßenverkehr und derÜberlegung, diesen durch Assistenzsysteme ent-gegenzuwirken, erscheint die Konzentration auf In-formationen allerdings als unzureichend. Die zen-trale Frage für die Auslegung der Assistenz ist, in-wieweit Informationen für den Fahrer die Fehlhand-lungen vermeiden können, ob Warnungen oderVorschläge zu Handlungen notwendig sind oder obdie Ausführung der Handlungen unterstützt werdensollte. Eine Klassifikation von Fehlhandlungen indieser Richtung bietet das Modell von RASMUS-SEN (1982), das von O’HARE et al. (O’HARE, WIG-GINS, BATT & MORRISON, 1994) für die Analysevon Flugunfällen modifiziert und von GRÜNDL(2004) auf den Bereich der Kraftfahrzeugunfälleübertragen wurde. Hier wird anlehnend an ein Mo-dell des Handlungsablaufs eine Fehlerklassifikationeingeführt (s. Bild 4).

Wenn der Fahrer keine Möglichkeiten hat, denHandlungsfehler zu vermeiden, handelt es sichnicht um eine Fehlhandlung des Fahrers, sondernum einen mechanischen oder strukturellen Fehler.Dies ist z. B. bei technischen Defekten wie einemVersagen der Bremse der Fall. Auch Assistenz-systeme können in diesem Fall keine Fehler desFahrers vermeiden. Zu prüfen wäre hier, durch wel-che technischen Maßnahmen diese Fehler minimiert werden können. Dies ist allerdings nichtdie Frage des vorliegenden Projekts. Informations-fehler liegen dann vor, wenn der Fahrer wichtige Informationen nicht wahrgenommen hat, die er füreine sichere Bewältigung der Situation benöti-gen würde. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Fahrerbeim Rechtsabbiegen nach links schaut und denvon rechts kommenden Radfahrer übersieht.

Wenn er die Informationen zwar wahrnimmt, die Situation aber nicht adäquat bewertet, so handeltes sich um einen Diagnosefehler. Ein Beispiel wärehier beim links Abbiegen mit Gegenverkehr, wennder Fahrer die Geschwindigkeit des entgegenkom-menden Fahrzeugs unterschätzt. Wenn der Fahrerdie Situation adäquat einschätzt, aber ein falschesZiel setzt, so liegt ein Zielsetzungsfehler vor. Dieswäre z. B. der Fall, wenn sich der Fahrer wegenTermindrucks für das Abbiegen entscheidet,während ein Abwarten angemessen wäre. Ein Feh-ler in der Auswahl der Vorgehensweise liegt dannvor, wenn der Fahrer etwas tut, womit sein Zielnicht zu erreichen ist. Dies wäre z. B. der Fall, wennder Fahrer rechts abbiegen will, sich aber nicht indie korrekte Spur einordnet. Handlungsfehler lie-gen dann vor, wenn die Umsetzung in einzelneHandlungsschritte nicht gelingt. Dies könnte z. B. bei komplexen Handlungen, wenn gleichzeitiggelenkt, gebremst und gehupt werden soll, der Fallsein. Schließlich ist von Bedienungsfehlern dieRede, wenn die motorische Ausführung fehlerhaftdurchgeführt wird, also z. B. der Fuß von der Brem-se rutscht.

Aus der Analyse dieser verschiedenen Fehlerartenlassen sich Anforderungen an die Eingriffsstrategie

11

Bild 4: Modell des Handlungsablaufs bei Fehlern in Anlehnungan RASMUSSEN (1982)

Page 13: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

von Fahrerassistenzsystemen ableiten (s. Tabelle3). Bei Informationsfehlern liegt das Problem darin,dass für den Fahrer relevante Informationen nichtverfügbar sind. Entsprechend sollte eine Vermitt-lung dieser Informationen bereits genügen, damitder Fahrer diesen Fehler nicht begeht (z. B. „Fahr-zeug von rechts“). Bewertet er die wahrgenomme-nen Informationen falsch, muss eine Warnung er-folgen, die eine Neubewertung der Situation aus-löst (z. B. „Nicht losfahren!“). Fehler bei der Zielset-zung und Auswahl von Programmen erfordern eineaktive Unterstützung, die dem Fahrer Hinweisegibt, dass ein Fehler vorliegt und wie dieser korri-giert werden könnte. Für die Spurhaltung könntedies z. B. bedeuten, dass dem Fahrer über ein klei-nes Lenkmoment signalisiert wird, dass er beginnt,von der Fahrbahn abzukommen, und in welcheRichtung er lenken sollte, um dies zu vermeiden.Wenn der Fahrer an einer Kreuzung fälschlicher-weise losfahren möchte, könnte das Gaspedal ihmeinen Widerstand entgegensetzen, der ihm signali-siert, dass er nicht losfahren sollte. Informationenoder Warnungen genügen nicht, da der Fahrer dierelevanten Informationen wahrgenommen und dieSituation adäquat bewertet hat, aber die Handlungfalsch geplant hat. Liegt der Fehler schließlich beider Handlung bzw. Bedienung, so kann nur ein Ein-griff durch das Assistenzsystem den Fehler sicherverhindern, bei dem das Assistenzsystem selbst-ständig die notwendigen Aktionen korrekt ausführt,also z. B. bremst und sicher zum Anhalten kommt,wenn dies der Fahrer nicht tut. Bei dieser Art vonFehler ist der Eingriff notwendig, da der Fehler erstab dem Beginn der Ausführung zu entdecken ist,dem Fahrer keine Zeit für eine Korrektur bleibt undso nur durch einen Systemeingriff die Vermeidungdes Fehlers zu erwarten ist. Informationsaufnahmeund Planung waren adäquat verlaufen, sodass eineUnterstützung durch Information, Warnung oderaktive Unterstützung wenig Erfolg versprechenderscheint.

Im Hinblick auf die Eingriffsstrategien von Fah-rerassistenzsystemen erscheint damit diese Eintei-lung von Fehlerarten sinnvoll. Allerdings könnteman Fehler bei der Zielsetzung und Auswahl vonVorgehensweisen ebenso zusammenfassen wieHandlungs- und Bedienungsfehler, da dort jeweilsdieselben Eingriffsstrategien zu wählen sind. Ähn-lich argumentiert auch LARSEN (2004) bei der Ana-lyse von Unfällen. Er unterscheidet 5 Aspekte beider erfolgreichen Durchführung einer Fahraufgabe(LARSEN, 2004, S. 118):

„1. He must have access to the information, whichis necessary to understand the situation (important information may for instance be hidden behind an advertisement sign).

2. He must perceive the necessary information(e.g. attention must be directed towards otherrelevant road users).

3. He must interpret the information in a correctway (e.g. the interpretation of other road users’behaviour, the interpretation of the course of acurve).

4. He must take the right decision (e.g. aboutwhether to drive into an intersection or to wait).

5. He must act in the right way (e.g. he must makethe right evasive actions).”

Damit unterscheidet LARSEN fünf Fehlerursachen,die für das vorliegende Projekt übernommen wer-den. (1) Wesentliche Informationen sind nicht ver-fügbar. (2) Wesentliche Informationen werden nichtwahrgenommen, z. B. wegen fehlerhafter Richtungder Aufmerksamkeit. (3) Wesentliche Informationenwerden falsch interpretiert. (4) Es wird die falscheEntscheidung getroffen. (5) Handlungen werdenfehlerhaft ausgeführt. In den ersten beiden Fällengeht es darum, dem Fahrer zusätzliche Informatio-nen zu vermitteln (s. Tabelle 4). Bei Fehlinterpreta-tionen sind Warnungen notwendig, die den Fahrerdazu bringen, seine Ziele neu zu setzen. Bei Fehl-entscheidungen muss das System den Fahrer aktivunterstützen, um ihn dazu zu bringen, seine Hand-lungen zu korrigieren. Bei fehlerhafter Ausführungmuss die Assistenz eingreifen und diese motori-schen Fehler korrigieren.

Nicht berücksichtigt sind bei dieser Einteilung aufden ersten Blick bewusste Verstöße gegen Regeln,die von Fahrern durchgeführt werden (s. GRÜNDL,2004). Dies wird auch im Modell von REASON (1992)aufgegriffen, der Verstöße von den grundlegenden

12

Tab. 3: Zuordnung von verschiedenen Unterstützungsstrategi-en für Fahrerassistenzsysteme („FAS-Strategie“) in Ab-hängigkeit von der Fehlerart

Fehlerart FAS-Strategie

Mechanisch -

Information Information

Diagnose Warnung

Zielsetzung Aktive Unterstützung

Auswahl Aktive Unterstützung

Handlung Eingriff

Bedienung Eingriff

Page 14: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Fehlerarten trennt. Fahrer treffen bewusst Entschei-dungen, die sie in gefährliche Situationen bringen,oder wählen Ziele, die gefährlich sind. Zum Beispielwird bei Rot über die Ampel gefahren, unter Alkohol-einfluss gefahren, bei Glätte zu schnell gefahrenusw. Entscheidend für die vorliegende Analyse istdie Frage, wie diese Fehlhandlungen durch Fah-rerassistenzsysteme zu verhindern sind. Weder In-formationen noch Warnungen sind hier sinnvoll, dadavon auszugehen ist, dass sich die Fahrer einesgewissen Risikos bewusst sind, das sie aber unter-schätzen. Im Prinzip handelt es sich hier um eineFehlentscheidung, bei der ein Assistenzsystem zu-mindest aktiv unterstützen muss. Unter der Annah-me, dass das Risiko tatsächlich bewusst eingegan-gen wird, muss allerdings damit gerechnet werden,dass auch diese Unterstützung nicht wirksam ist,sondern vom Fahrer ignoriert wird. Bei einem Ein-griff durch das Assistenzsystem ist eher davon aus-zugehen, dass dieses Verhalten verhindert werdenkann. Die Verstöße werden daher zwar als Fehlent-scheidungen klassifiziert. Für eine optimale Wirkungvon Assistenzsystemen ist hier in Abweichung zuTabelle 4 wahrscheinlich ein Eingriff sinnvoll. Zu-sammenfassend werden damit vier Gruppen vonAssistenzsystemen unterschieden:

(1) Informationssysteme liefern dem Fahrer zusätz-liche Informationen, die ihn darin unterstützen,die Situation richtig einzuschätzen und damitdie Handlungen adäquat planen zu können.

(2) Warnsysteme bewerten diese Informationen zu-sätzlich und machen dem Fahrer deutlich, dassbestimmte Aktionen notwendig sind, überlas-sen ihm aber die Entscheidung, wie er in dieserSituation adäquat reagiert.

(3) Aktiv unterstützende Systeme assistieren demFahrer dabei, die richtige Handlung einzuleiten,ohne diese aber vollständig zu übernehmen.

(4) Eingreifende Systeme führen selbstständig be-stimmte Aktionen aus, wobei der Fahrer jeder-zeit eingreifen und dies übersteuern kann.

Diese Unterscheidung soll kurz an dem Beispiel derUnterstützung der Spurhaltung erläutert werden. EinInformationssystem könnte z. B. bei schlechterSicht oder in Baustellen dem Fahrer zusätzliche In-formationen darüber visuell darstellen, wo er sichauf der Spur befindet (z. B. über ein Head-up-Dis-play). Ein Warnsystem würde dem Fahrer z. B. übereinen Warnton anzeigen, dass er dabei ist, die Fahr-spur zu verlassen. Ein aktiv unterstützendes Systemwürde z. B. zusätzlich ein kleines Lenkmoment inder entsprechenden Richtung auf das Lenkradgeben, sodass der Fahrer dieses nur verstärkenmuss, um die sichere Fahrspurmitte zu erreichen.Ein eingreifendes System würde das Fahrzeugselbstständig in die Fahrbahnmitte lenken, wobeider Fahrer dieses System jederzeit ausschaltenkönnte oder den Lenkeingriff übersteuern könnte.

Eine zusätzliche fünfte Gruppe von Assistenzsyste-men würde selbstständig bestimmte Aktionenübernehmen, ohne dass der Fahrer dies verhindernoder korrigieren kann. Theoretisch könnten siesinnvoll sein, wenn Fahrer bewusst Risiken einge-hen oder nicht fahrtüchtig sind. Diese Art von As-sistenzfunktionen erscheint unter rechtlichen undethischen Gesichtspunkten problematisch (s. Kapi-tel 4.4), sodass sie hier nicht in die Abschätzungaufgenommen wird.

Ziel der In-Depth-Analysen ist eine Einteilung derUrsachen der Fehlhandlung in die hier dargestell-ten Fehlerarten, um Anforderungen an die Eingriffs-strategie für Fahrerassistenzsysteme abzuleiten,die die Fehlhandlung verhindern können. Zusam-men mit der Analyse der Fehlhandlungen, aus derdie notwendige Funktionalität der Fahrerassistenzim Sinne der zu bewältigenden Fahrmanöver undihrer situativen Rahmenbedingungen abzuleiten ist,ergibt sich damit aus den In-Depth-Unfallanalyseneine Beschreibung von Fahrerassistenzsystemenhinsichtlich Funktionalität und Eingriffsstrategie,um bestimmte Unfälle zu verhindern. Gleichzeitiglassen sich mit dieser Einteilung auch am Marktund in Entwicklung befindliche Assistenzsystemeim Hinblick auf die Möglichkeit bewerten, damitUnfälle zu verhindern.

1.4 Fehlhandlungen und ihre Ursachenals Basis für die Funktionalität undEingriffsstrategie von Fahrerassis-tenz

In den vorangehenden Kapitelen ist der theoreti-sche Hintergrund des Projekts dargestellt. Unfälle

13

Tab. 4: Wesentliche Fehlerarten und Eingriffsstrategien für Fah-rerassistenzsysteme im Rahmen dieses Projekts

Fehlerart FAS Strategie

Mechanisch -

Informationsmangel Information vermitteln

Fehlende Wahrnehmung Information vermitteln

Fehlinterpretation Warnung

Fehlentscheidung Aktive Unterstützung

Fehlerhafte Ausführung Eingriff

Page 15: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

werden begriffen als Handlungsfehler, denen be-stimmte Fehlhandlungen aus unterschiedlichen Ur-sachen vorausgingen. Die Beschreibung der Fehl-handlungen und ihrer situativen Rahmenbedingun-gen geschieht im Rahmen eines hierarchischenModells des Fahrens, bei dem sich auf der Stabili-sierungsebene Aufgaben der Längs- und Quer-führung stellen, während auf der Führungsebeneunterschiedliche Fahrmanöver bewältigt werdenmüssen. Als Fehlhandlung ist zu beschreiben, in-wieweit dies dem Fahrer nicht gelang, sodass derUnfall zustande kam. Umgekehrt sind aus denFehlhandlungen Anforderungen an die Funktiona-lität von Fahrerassistenz abzuleiten, mit der dieseAufgaben bzw. Fahrmanöver sicher zu bewältigenwären. Damit ist die erste Frage des Projekts zuklären: „Was muss ein Fahrerassistenzsystem kön-nen, um bestimmte Unfälle zu verhindern?“

Die Frage nach der Eingriffsstrategie, also „Wiemuss das Fahrerassistenzsystem mit dem Fahrerinteragieren, um die Fehlhandlung zu verändern?“,wird durch die Untersuchung der Ursachen derFehlhandlung beantwortet. Einem Fehlermodell fol-gend werden verschiedene Fehlerarten danach un-terschieden, an welcher Stelle der Handlung dieUrsache des Fehlers zu suchen ist, also im We-sentlichen bei der Informationsaufnahme, Interpre-tation, Handlungsplanung oder Durchführung. Zu-sätzlich ist das willentliche Eingehen von Risiken zuberücksichtigen. Die theoretischen Überlegungenzeigen, dass in Abhängigkeit von der Ursache desFehlers Aussagen über diejenige Eingriffsstrategiemöglich sind, von der eine positive Wirkung zu er-warten ist.

Mit dieser Art von Analyse sind für jeden Unfall, beidem die Ursache in einer Fehlhandlung liegt, eineFunktionalität und eine Eingriffsstrategie für einFahrerassistenzsystem anzugeben, mit dem dieserUnfall verhindert werden könnte. Bei Unfällen, beidenen mechanische oder strukturelle Fehler vorlie-gen, ist dies allerdings nicht möglich. Interessantist die Abschätzung der Häufigkeit dieser Unfälle,weil damit das unfallvermeidende Potenzial vonFahrerassistenzsystemen nach oben begrenztwird. Unterstellt man, dass alle anderen Unfälleprinzipiell durch Fahrerassistenzsysteme vermie-den werden könnten, ergibt sich damit eine globa-le Abschätzung der Chancen, mit dieser Art vonAssistenz Unfälle zu verhindern.

Für die In-Depth-Analysen stellt sich die Fragenach der Analyseeinheit. Nach den theoretischen

Überlegungen ist es sinnvoll, einerseits Gruppenvon Unfällen zu bilden, bei denen vergleichbareFahrmanöver vorausgingen, da diese durch einebestimmte Funktionalität von Fahrerassistenz zubewältigen sind. Anderseits sind innerhalb jederGruppe Untergruppen von Unfällen zu bilden, beidenen vergleichbare Fehlhandlungen und ihre Ur-sachen vorliegen, da davon abhängig die wirksameEingriffsstrategie abgeleitet wird. Um diese Überle-gungen empirisch abzusichern, wird im nächstenKapitel kurz dargestellt, wie bei in der Literatur be-schriebenen In-Depth-Unfallstudien Unfälle grup-piert werden bzw. was dort als Analyseeinheit vor-geschlagen wird.

1.5 Gruppierung von Unfällen bei In-Depth-Unfallstudien

Im Folgenden werden verschiedene In-Depth-Un-fallstudien vorgestellt, um daraus Hinweise auf einesinnvolle Gruppierung von Unfällen nach dem Ab-lauf oder den Ursachen zu erhalten. Eine vollstän-dige Übersicht über in der Literatur vorhandene In-Depth-Studien ist hier nicht beabsichtigt, da diesnicht zur Beantwortung der Frage beiträgt, welcheAnforderungen an Assistenzsysteme sich aus Un-fallanalysen ergeben. Deshalb werden die wenigenStudien dargestellt, in denen eine Typisierung vonUnfällen nach dem Ablauf einerseits und den Ursa-chen andererseits vorgenommen wird.

1.5.1 Kurze Darstellung wesentlicher Studien

RÄSÄNEN und SUMMALA (1998) untersuchen inden Jahren 1990-1994 234 Unfälle mit Fahrradfah-rern in vier finnischen Städten. Näher untersuchtwurden 97 Unfälle, die an Übergängen für Fußgän-ger oder Fahrradfahrer stattfanden. Die Unfällewurden nach dem Bewegungsmuster in Unfallty-pen gruppiert. Um Unfallursachen im Bereich vonAufmerksamkeitsdefiziten näher zu beleuchten,wurden Interviews mit Fahrradfahrern und Autofah-rern durchgeführt. Dabei wurde erhoben, ob derKonfliktpartner gesehen wurde, ob noch Zeit zumReagieren war und ob versucht worden war, denUnfall zu vermeiden. Bild 5 zeigt als Beispiel vierTypen, bei denen an einer T-Kreuzung rechts oderlinks abgebogen wurde und ein Fahrradfahrer je-weils von rechts oder links die Straße überquerte.

In einem zweiten Schritt wurden dann die Unfällejeden Typs nach den Ursachen gruppiert, indemAnnahmen und Reaktionen von Auto- und Fahrrad-

14

Page 16: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

fahrern analysiert wurden. Dies ist in Bild 6 für denUnfalltyp 1A1 (rechts abbiegen, Fahrrad kreuzt vonrechts) dargestellt. Bei 17 der 19 Fälle hatten dieAutofahrer den Radfahrer nicht bemerkt, bei einemUnfall hatte der Autofahrer angenommen, der Fahr-radfahrer würde anhalten, und bei dem letzten Un-fall konnte der Autofahrer nicht mehr bremsen.Auch bei den Fahrradfahrern hatten 6 das Autonicht bemerkt. 12 nahmen an, der Autofahrerwerde anhalten, und einer versuchte erfolglos aus-zuweichen.

LARSEN & KINES (2002) untersuchten mit eineminterdisziplinären Team Frontalunfälle und Unfällebeim Linksabbiegen. Die Unfallanalyse bestandaus einer Rekonstruktion der Unfälle mit Hilfe vonPolizeiberichten. Diese wurde durch Interviews mitden Unfallbeteiligten und Zeugen vertieft. Übereinen Zeitraum von 2 Jahren wurden je 17 Unfälle

der beiden Typen analysiert. Bei den Frontalunfäl-len wurden nach dem Ablauf drei Typen unter-schieden, beim Linksabbiegen 6 Typen. Diese wer-den in Bild 7 und Bild 8 kurz beschrieben.

Jedem Frontalunfall wurden dann in einem zweitenSchritt verschiedene Unfallursachen zugeordnet:zu hohe Geschwindigkeit, Alkohol, Drogen, Müdig-keit, emotionale Erregung, Unerfahrenheit, Auf-merksamkeitsfehler und Ausweichmanöver. Beijedem Unfall konnten mehrere dieser Ursachen eineRolle spielen. Eine Gruppierung machte bei der ge-ringen Fallzahl keinen Sinn. Insgesamt ergibt sichdas Bild, dass bei diesen Unfällen bewusst hoheRisiken eingegangen worden waren, was zu Situa-tionen führte, die nicht mehr beherrschbar waren.

Bei den Linksabbieger-Unfällen fanden sich folgen-de Ursachen: unbewusste, fehlerhafte Ausrichtungder Aufmerksamkeit (Unaufmerksamkeit), überhöh-te Geschwindigkeit, Charakteristika der Umwelt,Alkohol oder Medikamente, Fehleinschätzungenvon Geschwindigkeit, Abstand oder Bewegungs-

15

Bild 5: Vier Unfalltypen, bei denen an einer T-Kreuzung nachrechts oder links abgebogen wird und Fahrradfahrer vonrechts oder links die Straße überqueren (aus RÄSÄNEN& SUMMALA, 1998, S. 660)

Bild 6: Annahmen von Auto- und Radfahrern bei Unfällen, beidenen der Fahrer Vorfahrt gewähren muss und nachrechts abbiegen möchte, während ein Fahrradfahrer vorihm von rechts die Straße über den Fußgängerüberwegkreuzt (aus RÄSÄNEN & SUMMALA, 1998, S. 663)

Bild 7: Drei Typen der untersuchte Frontalunfälle (aus LARSEN& KINES, 2002, S. 370). Ganz links geschieht der Unfallbeim Überholen, in der Mitte auf der Gegenfahrbahnund rechts werden alle weiteren Frontalunfälle zusam-mengefasst

Bild 8: Sechs Typen der untersuchten Unfälle beim Linksabbie-gen (aus LARSEN & KINES, 2002, S. 370). Oben linksfährt das Fahrzeug in ein anderes Fahrzeug, das vonlinks kommt. In der Mitte kommt das andere Fahrzeugentgegen, oben rechts von rechts. Unten links fährt einFahrzeug auf den Linksabbieger auf. Unten Mitte kolli-diert der Linksabbieger mit einem Fahrzeug neben sichund unten rechts mit einem Fußgänger, der die Straßekreuzt

Page 17: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

richtung, riskante Überholmanöver, Unerfahrenheit,schlechte Einsehbarkeit und falsche Erwartungenüber Ampelschaltungen. Auch hier machte es beider geringen Fallzahl keinen Sinn, Gruppen vonUnfällen zu bilden. Bei fast allen Unfällen spielte al-lerdings eine fehlerhafte Ausrichtung der Aufmerk-samkeit eine Rolle, d. h., dass die Fahrer nicht oderzu wenig in die Richtung schauten, von der sichder andere Verkehrsteilnehmer näherte.

FLEURY & BRENAC (2001) legen bei ihrer Metho-de der „prototypical scenarios“ (prototypischenSzenarien) die Unfallursachen in den Vordergrund.Zu diesem Zweck werden 4 Stadien des Unfallsunterschieden: (1) die Situation des Fahrers vorFahrtbeginn und die Fahrsituation vor dem Unfalleinschließlich einer Beschreibung der Straße, (2)die Unfallsituation, die entweder unerwartet auftrat,bei einem bestimmten Ereignis (z. B. beim Abbie-gen) oder unter bestimmten kinematischen Bedin-gungen (z. B. zu hohe Geschwindigkeit vor einerscharfen Kurve), (3) die Notfallsituation, in der nurnoch extreme Manöver u. U. den Unfall hätten ver-hindern können, und (4) den Unfall und seine Kon-sequenzen. Von diesen Beschreibungen ausge-hend werden dann Unfälle nach ihrer Ähnlichkeitgruppiert, wobei unabhängige Rater eingesetztwerden. Es handelt sich dabei zwar um ein indukti-ves, subjektives Vorgehen, wobei aber eine hoheInterrater-Übereinstimmung gezeigt werden konn-te. Tabelle 5 zeigt ein Beispiel für dieses Vorgehen.

Bei diesem Müdigkeitsunfall ist die Unfallursachedie akute Müdigkeit, bedingt durch Schlafmangeloder intensive Aktivität einschließlich Arbeit odereiner langen Fahrt vorher. Der Fahrer schläft ein,sodass das Fahrzeug von der Fahrbahn abkommt.Da der Fahrer nicht reagiert, kommt es zum Unfall.Diese Art von Analysen wurde in Frankreich beieiner Reihe von Unfalltypen bislang erfolgreich ein-gesetzt. Aus den Beschreibungen lassen sich Ge-genmaßnahmen auf verschiedenen Ebenen ablei-ten, z. B. für die Verkehrsplanung, aber auch für In-formationskampagnen. Allerdings existiert bislangkein allgemeines Unfallmodell zur Beschreibung, d. h., es liegen zwar prototypische Szenarien fürbestimmte Unfallsituationen vor, aber kein umfas-sender Katalog.

Auch bei dem Ansatz von INRETS (MALATERRE,1990) im Rahmen der In-Depth-Accident-Study(IDAS) werden die Unfallsituation, der Hergang unddie Ursachen bei einer Gruppierung von Unfällenberücksichtigt. Ergänzt durch Interviews wurden 72

Unfälle mit 115 Fahrern durch eine Aufgaben- undFehleranalyse mit einem Zeitaufwand von ca. einerWoche für 2-3 Personen pro Unfall untersucht. DieUnfälle wurden kompakt beschrieben hinsichtlichOrt, Bewegung der Fahrzeuge, erforderlicherHandlung, kritischer Aufgabe, Lokalisierung desfunktionalen Fehlers, Art der Fehlers, vorausgehen-der Bedingungen, der Rolle des Fahrers und weite-rer wichtiger Umweltfaktoren. Tabelle 6 zeigt diesam Beispiel eines Unfalls am Stoppschild.

Für die Gruppierung wurden dann für die unter-suchten Unfälle die Prozesse, die zu dem Fehlerführten, untersucht und nach Ähnlichkeit gruppiert,wobei sich 15 Kategorien ergaben. Dabei spielenim Wesentlichen Fehler an vier Stellen der Hand-lung eine Rolle: (1) bei 37 % bei der Wahrnehmung,(2) bei 33 % bei der Informationsverarbeitung, (3)bei 16 % der Handlungsplanung bzw. Entschei-dung und (4) bei 14 % bei der Ausführung. Insge-samt liegen damit bei den untersuchten Unfällendie Schwierigkeiten vor allem im Bereich der Wahr-nehmung und Informationsverarbeitung. Bild 9

16

Tab. 5: Beispiele für prototypische Szenarien (übersetzt ausFLEURY & BRENAC, 2001, S. 270)

Beschreibung

Situation vor Unfall

Aufgrund von akuter Müdigkeit nachder Arbeit oder intensiver Aktivität odernach einer langen Fahrt fährt der Fahrerauf einer Autobahn

UnfallsituationDer Fahrer schläft ein, das Fahrzeugbeginnt, von der Fahrbahn zu fahren

Notfallsituation Der Fahrer reagiert nicht

UnfallAufprall auf ein Hindernis neben derFahrbahn oder Überschlagen

Tab. 6: Verschiedene Aspekte, die für die Beschreibung desUnfalls für die Gruppierung wichtig sind (übersetzt nachMALATERRE, 1990, S. 1408)

Beschreibung

Ort X-Kreuzung mit Stoppschild

Bewegung Geradeaus kreuzen

Erforderliche HandlungAn Stoppschild anhalten. Fahren,wenn kein anderer Verkehr vorhan-den ist

Kritische Aufgabe Keine

Funktionaler Fehler Wahrnehmung: nicht gesehen

FehlerIn die falsche Richtung gesehenusw.

VorausgehendFehlerhafte Repräsentation derKreuzung

Rolle Aktiv

FaktorenStoppschild durch Lastwagen ver-deckt usw.

Page 18: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

zeigt zwei der Kategorien als Beispiel. Bei der ers-ten Art von Unfällen führt eine fehlerhafte Reprä-sentation der Situation dazu, dass andere Ver-kehrsteilnehmer nicht antizipiert werden und sonicht gesehen werden, obwohl sie gut sichtbarsind. Bei der zweiten Kategorie spielen letztlichschlechte Einschätzungen von Geschwindigkeit,Zeitlücken oder Abstand eine Rolle. Die Ursachendafür sind einerseits ein zu großes Vertrauen in dieVorfahrtsregelung. Hinzu kommt ein Missverständ-nis des Verhaltens anderer. Zum anderen spieltwieder eine fehlerhafte Repräsentation der Ver-kehrssituation eine entscheidende Rolle.

1.5.2 Konsequenzen für das eigene Vorgehen

Bei den ersten beiden Studien (LARSEN & KINES,2002; RÄSÄNEN & SUMMALA, 1998) werden dasFahrmanöver, die Umgebungssituation und dasVerhalten der anderen Verkehrsteilnehmer in denVordergrund gestellt. Im zweiten Schritt werdendann aufgrund von Interviews die Wahrnehmunganderer Verkehrsteilnehmer und das eigene Verhal-ten (RÄSÄNEN & SUMMALA, 1998) bzw. auslösen-de Rahmenbedingungen für Fehler wie Müdigkeit,Unerfahrenheit und Alkohol (LARSEN & KINES,2002) als Unfallursachen untersucht, um derenHäufigkeit darzustellen. Damit steht für die Grup-pierung mehr der Ablauf als die Ursache im Vor-dergrund. Die letzten beiden Studien (FLEURY &BRENAC, 2001; MALATERRE, 1990) konzentrierensich mehr auf die Ursachen. Bei den prototypi-schen Unfällen (FLEURY & BRENAC, 2001) ist dieSituation vor dem Unfall der Ausgangspunkt. BeiINRETS (MALATERRE, 1990) steht die Beschrei-bung des Unfallmechanismus im Vordergrund. Beibeiden Studien wird deutlich, dass typische Fehlerauf unterschiedlichen Ebenen der Handlung zu fin-

den sind und dass sich Unfälle danach gruppierenlassen.

Damit finden sich in diesen Studien die beidenSchwerpunkte, die im ersten Teil dargestellt wur-den. Einerseits geht es um eine Beschreibung derUnfallsituation im Sinne des Fahrmanövers und derRahmenbedingung einschließlich der anderen Ver-kehrsteilnehmer. Dies gewinnt im vorliegendenProjekt besondere Bedeutung, da damit Anforde-rungen an die Funktionalität von Assistenzsyste-men zu stellen sind, um Fehler in dieser Situationzu verhindern. Zum anderen werden die Fehler derFahrer analysiert, die unter diesen Bedingungen zudem Unfall geführt haben. Die In-Depth-Studienzeigen, dass sich Unfälle nach typischen Fehlerngruppieren lassen. Die Beschreibung dieser Fehlerstimmt sehr gut überein mit der aus Fehlermodel-len abgeleiteten Klassifikation von Fehlerarten. MitHilfe dieser Fehlerbeschreibung können Anforde-rungen an die Auslegung von Fahrerassistenz-systemen gestellt werden, um damit diese Fehlerzu verhindern.

Damit ist die wesentliche Frage beantwortet, wie inder vorliegenden Studie Gruppen von hinsichtlichder notwendigen Fahrmanöver ähnlichen Unfallsi-tuationen zu finden sind. In der deutschen Unfallsta-tistik wird die Unfallsituation durch den sog. Unfall-typ abgedeckt. Dieser beschreibt den Verkehrsvor-gang (z. B. Fahren in einer Kurve) bzw. die Konflikt-situation (z. B. Fahrzeug/Fußgänger von rechts), auswelcher der Unfall entstanden ist. Die amtliche Un-fallstatistik unterscheidet hier 7 Typen von Unfällen:

1) Fahrunfall: Um einen Fahrunfall handelt es sich,wenn ein Fahrer die Kontrolle über das Fahr-zeug verliert, z. B. weil er die Geschwindigkeitnicht entsprechend der Situation gewählt hat.

2) Abbiegeunfall: Um einen Abbiegeunfall handeltes sich, wenn der Unfall durch einen Konfliktzwischen einem Abbieger und einem aus glei-cher oder entgegengesetzter Richtung kom-menden Verkehrsteilnehmer ausgelöst wurde.

3) Einbiegen/Kreuzen-Unfall: Um einen Einbie-gen/Kreuzen-Unfall handelt es sich, wenn derUnfall durch einen Konflikt zwischen einem ein-biegenden oder kreuzenden Wartepflichtigenund einem Vorfahrtberechtigten ausgelöstwurde.

4) Überschreiten-Unfall: Um einen Überschreiten-Unfall handelt es sich, wenn der Unfall durcheinen Konflikt zwischen einem die Fahrbahn

17

Bild 9: Zwei Beispiele für einen Unfallmechanismus (übersetztaus MALATERRE, 1990, S. 1413)

Page 19: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

überschreitenden Fußgänger und einem Fahr-zeug ausgelöst wurde – sofern das Fahrzeugnicht abgebogen ist.

5) Unfall durch ruhenden Verkehr: Um einen Unfalldurch ruhenden Verkehr handelt es sich, wennder Unfall durch einen Konflikt zwischen einemFahrzeug des fließenden Verkehrs und einemauf der Fahrbahn ruhenden, d. h. einem halten-den oder parkenden Fahrzeug ausgelöst wurde.

6) Unfall im Längsverkehr: Um einen Unfall imLängsverkehr handelt es sich, wenn der Unfalldurch einen Konflikt zwischen Verkehrsteilneh-mern ausgelöst wurde, die sich in gleicher oderentgegengesetzter Richtung bewegten – soferndieser Konflikt nicht die Folge eines Verkehrs-vorganges war, der einem anderen Unfalltypentspricht.

7) Sonstiger Unfall: Hierunter fallen alle Unfälle, dienicht einem der Unfalltypen 1-6 zuzuordnensind.

Diese erste Gruppierung ist allerdings noch sehrgrob. Eine genauere Beschreibung liefert die drei-stellige Erweiterung des Unfalltypenkatalogs(FGSV, 2003), wobei die Unfallsituation genauerberücksichtigt wird. Die erste Stelle dieser Kodie-rung entspricht dem beschriebenen Unfalltyp. Mitder zweiten und dritten Stelle wird die Fahrsituati-on dann noch genauer beschrieben. Beim Fahrun-fall „1“ wird als „10“ der Fahrunfall in der Kurve er-fasst, wobei „101“ die Linkskurve, „102“ dieRechtskurve beinhaltet.

Dieser Unfalltyp eignet sich sehr gut als ersterSchritt für die Gruppierung von Unfällen hinsicht-lich des Unfallhergangs, da jedem Unfalltyp be-stimmte Fahrmanöver und Rahmenbedingungenzuzuordnen sind, mit denen der Unfall zu vermei-den wäre. Innerhalb jedes Typs werden dann übereine Analyse von Unfallprotokollen verschiedeneFehlhandlungen identifiziert, um dies für den zwei-ten Schritt der Gruppierung zu nutzen. Aus diesenAnalysen werden dann einerseits Anforderungenan Assistenzsysteme abgeleitet, die die Unfälleverhindern könnten. Andererseits kann abge-schätzt werden, welchen Einfluss vorhandene oderin Entwicklung befindliche Assistenzfunktionen aufdie Verkehrssicherheit im Sinne einer Verhinderungvon Unfällen haben. Diese Art von Abschätzungwurde bereits in der Literatur in verschiedenen Stu-dien vorgenommen, die im folgenden Kapitel kurzdargestellt werden.

1.6 Vorhandene Studien zur Ableitungder Wirkung von Assistenzsyste-men aus Unfallanalysen

Seit Beginn der 90er Jahre wird versucht, über Un-fallanalysen prospektiv abzuschätzen, welchen Si-cherheitsgewinn Fahrerassistenzsysteme erreichenkönnten. Dazu wird mit unterschiedlichem Auf-wand geschätzt, inwieweit bestimmte Unfälledurch verschiedene Assistenzsysteme vermiedenwerden würden. Einen Überblick über vorliegendeStudien und eine Bewertung liefert KOCHER-SCHEIDT (2004). Im Folgenden werden wesentli-che Studien kurz dargestellt.

Im Rahmen des PROMETHEUS-Projekts analysier-te die PRO-GEN Safety Group für Unfallstichpro-ben aus drei Ländern das unfallvermeidende Po-tenzial von drei Assistenzfunktionen (zitiert nachKOCHERSCHEIDT, 2004). Dazu wurde für ver-schiedene Unfälle aus drei Ländern von Experteneingeschätzt, was der maximale Nutzen verschie-dener Assistenzfunktionen sein könnte (s. Tabelle7). Insgesamt ergaben sich dabei recht niedrigeWerte, wobei vor allem für den KreuzungsbereichMöglichkeiten gesehen werden, die zwischen 16und 20 % vermeidbarer Unfälle liegen.

Die BMW-Unfallforschung analysierte bei einerStichprobe von Unfällen über Expertenschätzun-gen, inwieweit verschiedene Assistenzsysteme denUnfall vermeiden könnten (KOCHERSCHEIDT,2004). Dazu wurden die detaillierten Unfallrekon-struktionen verwendet und pro Unfall abgeschätzt,ob und in welchem Maße der Unfall hätte verhin-dert werden können. Bild 10 zeigt die Ergebnisse.Höhere Sicherheitspotenziale ergeben sich vorallem für die Absicherung beim Überholen undbeim kooperativen Kreuzen/Einbiegen, wobei auchhier die Werte unter 15 % liegen.

GWEHENBERGER & KIEBACH (2004) berichtendie Ergebnisse verschiedener Unfallanalysen mitschwerem Personenschaden des Gesamtverbands

18

Tab. 7: Geschätzte maximale Effekte von verschiedenen Assistenzfunktionen aus PROMETHEUS (zitiert nachKOCHERSCHEIDT, 2004). Dargestellt ist der Anteil derUnfälle in Prozent, die vermieden werden könnten

Deutschland Frankreich England

Überholen 3 1 6

Kreuzungsassistent 20 16 -

Überwachung desFahrerzustands

10 5 18

Page 20: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV).Dort werden Unfälle mit vergleichbarem Hergangzusammengefasst und dann abgeschätzt, inwie-weit eine bestimmte Assistenzfunktion positiv ge-wirkt hätte (s. Tabelle 8).

Bei Kleintransportern würde eine Rückfahrtkamerainsgesamt 5 % der Unfälle vermeiden, wobei diesinnerorts nur bei 14 % der Fall ist. Bei Lastwagenliegt das Potenzial bei 1 % insgesamt und 3 % in-nerorts. Ein Abbiegassistent und ein seitlicher Ab-standswarner für Lkw betrifft 3 % der Unfälle ins-gesamt und 8 % innerorts. Mit einem Abstands-regler für Lkw ließen sich 11 % der Unfälle insge-samt und 16 % der Unfälle außerorts verhindern.Für ein ISA-System (Intelligent Speed Adaptation,vgl. Kapitel 2.4.15) ist der Effekt nur insgesamt ab-zuschätzen und könnte nach Expertenmeinungzwischen 30 und 60 % der Unfälle liegen.

WILTSCHKO (2003) untersucht 690 polizeilich er-fasste Unfälle aus den Jahren 1996 bis 2001. DieRekonstruktion der Unfallsituation erfolgt anhand

von Unfallberichten und Unfallskizzen. Herange-zogen werden nur innerstädtische Unfälle. Unter-schieden werden in Anlehnung an FASTENMEIER(1995) auf der situativen Seite verschiedeneStraßentypen, Knotentypen und Fahrtrichtungen.Auf der Seite der Unfallursachen werden 8 Artendes Fehlverhaltens eingeführt, die in Tabelle 9 mit ihrer Häufigkeit bei den Unfällen dargestelltsind.

Für drei Arten von Assistenzen (Kreuzungsassis-tenz, Abstandsregler und Spurwechselassistenz)wird für verschiedene Arten von Fehlverhalten ge-schätzt, wie hoch das Vermeidungspotenzial inverschiedenen Verkehrssituationen ist (s. Tabelle10). Bei dieser Schätzung wird davon ausgegan-gen, dass die Assistenzfunktionen informierendbzw. warnend realisiert werden, sodass der Fahrerdie Warnung grundsätzlich missachten könnte. Bei

19

Bild 10: Sicherheitspotenziale verschiedener Assistenzfunktio-nen von der BMW-Unfallforschung (zitiert nach KO-CHERSCHEIDT, 2004)

Tab. 8: Sicherheitspotenzial für verschiedene Assistenzsyste-me aus Studien des GDV bei Unfällen mit schweremPersonenschaden (nach GWEHENBERGER & KIE-BACH, 2004)

Beeinflussbare Unfälle mit schwerem Personenschaden

Gesamt Innerorts Außerorts BRD

Rückfahrtkamera für

Kleintransporter 5 % 14 % - 180

Lkw 1 % 3 % - 50

Abbiegeassistent für Lkw 3 % 8 % - 100

Seitlicher Abstandswar-ner für Lkw

3 % 8 % - 150

Abstandsregler für Lkw 11 % - 16 % 550

ISA (30-60 %) n. a. n. a. n.a.

Tab. 9: Verschiedene Arten des Fehlverhaltens und ihre Häufig-keit bei den untersuchten Unfällen (aus WILTSCHKO,2003, S. 13)

Fehlverhalten Anzahl Anteil

FV1 Abkommen von der Fahrbahn 116 16.8 %

FV2 Fehler in der Abstandsregelung 154 22.3 %

FV3 Fehler beim Fahrstreifenwechsel 50 7.2 %

FV4 Missachtung der Lichtsignalanlage 46 6.7 %

FV5 Missachtung der Vorfahrt 175 25.4 %

FV6 Fehler beim Wenden / Rangieren 45 6.5 %

FV7 Fehler im ruhenden Verkehr 82 11.9 %

FV8Falsches Verhalten gegenüber Fußgän-ger und Radfahrer

22 3.2 %

Tab. 10: Vermeidungspotenzial verschiedener Arten von Assis-tenz für die dargestellten Arten des Fehlverhaltens inbestimmten Verkehrssituationen (aus WILTSCHKO,2003, S. 14)

Assistenz-funktion

Fehlverhalten Vermeidungs-potenzial

Verkehrssituationbzw.

Unfallsituation

Kreuzungs-assistent

FV4:Rotüberfahrt

75 % ampelgeregelt

FV5:Vorfahrtsmiss-achtung

50 % schildergeregelt

Abstands-regler

FV2:Fehler in derAbstands-regelung

80 % kreuzungsfrei

50 % ampelgeregelt

60 % schildergeregelt

Spurwech-selassistent

FV3:Fehler beimFahrstreifen-wechsel

70 % kreuzungsfrei

Page 21: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

automatisch eingreifenden Systemen wäre dasVermeidungspotenzial höher.

Berücksichtigt man nun die Häufigkeit der ver-schiedenen Unfallsituationen, die Häufigkeit desFehlverhaltens in diesen Unfallsituationen und dasVermeidungspotenzial, so kann ein auf das gesam-te Unfallmaterial bezogenes Vermeidungspotenzialberechnet werden (s. Tabelle 11). Für Kreuzungsas-sistenten und Abstandsregler wird ein relativgroßes Potenzial von 15 % bzw. 14 % gesehen,während es für den Spurwechselassistenten bei 3 % liegt.

Sicherheitspotenziale ergeben sich vor allem fürdie Absicherung beim Überholen und beim koope-rativen Kreuzen/Einbiegen, wobei auch hier dieWerte unter 15 % liegen.

Diese Analyse hat den großen Vorteil, dass sie ver-schiedene Arten des Fehlverhaltens in unterschied-lichen Fahrsituationen berücksichtigt und einequantitative Schätzung des Sicherheitspotenzialsermöglicht. Der Aufwand für die entsprechendeDatenaufbereitung ist vertretbar, da von den vor-handenen Unfallberichten ausgegangen wird. Pro-blematisch ist die Schätzung des Vermeidungspo-tenzials: Das Fehlverhalten ist relativ grob be-schrieben (z. B. „Fehler beim Spurwechsel“), so-dass auch die Assistenzfunktion, die hier unterstüt-zen soll, sehr allgemein bleibt (z. B. „Unterstützendes Fahrers bei Spurwechselmanöver“). Wie sichdann für kreuzungsfreie Bereiche ein Vermeidungs-potenzial von 70 % ergibt, ist schwer zu belegen.

Zusammenfassend ergeben sich aus unterschiedli-chen Unfallanalysen für eine beschränkte Anzahlvon Assistenzfunktionen Hinweise darauf, dassdiese bis zu 20 % aller Unfälle verhindern könnten.Allerdings sind die Beschreibungen der Funktiona-lität der Assistenzsysteme, die benötigt wird, umdie Unfälle zu vermeiden, sehr allgemein („Kreu-zungsassistent“), sodass je nach realisierter Funk-tionalität und Eingriffsstrategie diese Prozentsätzesehr stark von dieser Schätzung abweichen kön-nen. Außerdem wurden teilweise sehr große Grup-pen von Unfällen zusammenfassend betrachtet,sodass schwierig abzuschätzen ist, welcher Anteildieser Unfälle durch ein Assistenzsystem verhin-dert werden könnte. Positiv ist anzumerken, dassdurch die Analyse der Unfälle Hinweise darauf er-halten werden, welche Funktionalität zu entwickelnist, um diesen Unfall zu vermeiden. KOCHER-SCHEIDT bewertet dies entsprechend (2004, S. 6):„Die erfolgreichste, aber auch aufwändigste Aus-

wertung von Unfalldaten besteht darin, gut doku-mentierte Unfallanalysen fallweise zu betrachtenund dabei jeweils anhand des Unfallablaufs dasPotenzial der Unfallvermeidung eines zukünftigenAssistenzsystems abzuschätzen.“ Dieser Ansatzist zu erweitern, indem aus dem Unfallablauf abzu-leiten ist, wie denn ein ideales Assistenzsystemaussehen müsste, um diesen Unfall zu vermeiden.Diese Idee wird bei den vorliegenden Analysen ver-folgt.

Die Schätzung, welcher Anteil von Unfällen durcheine bestimmte Assistenzfunktion vermieden wer-den könnte, ist umso schwieriger, je mehr Reakti-onsmöglichkeiten der Fahrer in Bezug auf das As-sistenzsystem hat, d. h., wie das System ausgelegtist. Ein informierendes oder warnendes Systemkann ignoriert werden, der Fahrer kann zu spät rea-gieren usw. Die Effektivität eines solchen Systemsin Bezug auf die Unfallvermeidung hängt einerseitsvon der Auslegung der Assistenz ab (wie wird ge-warnt oder informiert?), anderseits von dem Fahrerund der Situation, in der er sich befindet. Bei einemaktiv unterstützenden oder eingreifenden Systemist eher von einer einheitlichen Wirkung auszuge-hen. Damit müssen bei der Schätzung des Sicher-heitspotenzials unterschiedliche Eingriffsstrategienberücksichtigt werden. Dies wird geleistet durchdie Analyse unterschiedlicher Ursachen für Fehl-handlungen, woraus wiederum Hinweise auf die Ef-fektivität unterschiedlicher Eingriffsstrategien ab-zuleiten sind.

2 Methodik

2.1 Konzept der Braunschweiger Un-fallanalysen

Bild 11 zeigt das Vorgehen der Studie im Überblick.Untersucht werden Unfälle aus Braunschweig ausdem Jahr 2002, die eine Auswahl der UnfälleDeutschlands darstellen. Zur Einordnung und Ge-wichtung der Ergebnisse wird außerdem eine 50%-Stichprobe der Unfälle Deutschlands herangezo-

20

Tab. 11: Sicherungssteigerungspotenzial im Ballungsraum (ausWILTSCHKO, 2003, S. 15)

Assistenzfunktion Reduktion der Unfallzahlen

Reduktion derUnfallkosten

Kreuzungsassistent 15 % 13 %

Abstandsregler 14 % 18 %

Spurwechselassistent 3 % 4 %

Page 22: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

gen. Die vorliegenden Unfallprotokolle werden fürIn-Depth-Analysen genutzt, wobei anhand des Un-fallhergangs verschiedene Unfalltypen unterschie-den werden. Für jeden Unfalltyp wird bestimmt,welches Fahrmanöver (z. B. Kurvenfahrt) sicherdurchgeführt werden muss, um den Unfall zu ver-meiden. Dabei werden situative Rahmenbedingun-gen (z. B. Regen) berücksichtigt. Damit ergibt sichdie Funktionalität eines Fahrerassistenzsystems,mit dem der Unfall zu vermeiden ist. Für vorhande-ne Assistenzfunktionen kann bewertet werden, in-wieweit sie dieses Fahrmanöver unterstützen, umden Unfall zu verhindern. Außerdem werden proUnfalltyp verschiedene Fehlhandlungen und ihreUrsachen bestimmt, die zu dem Unfall geführthaben. Dies ergibt pro Unfalltyp eine zweite Grup-pierungsstufe nach den Ursachen der Fehlhand-lungen, aus denen die Eingriffsstrategie für die un-fallvermeidende Assistenzfunktion abgeleitet wer-den kann bzw. vorhandene Assistenzsysteme mitihrer implementierten Eingriffsstrategie hinsichtlichihres Unfallvermeidungspotenzials entsprechendbewertet werden können.

Damit sind einerseits Anforderungen an Fahreras-sistenzsysteme zu beschreiben, mit denen be-stimmte Unfälle verhindert werden könnten, wobeidie quantitative Wirkung durch Bezug auf die Häu-figkeit dieser Unfälle zu bestimmen ist. Durch dieGewichtung der Braunschweiger Daten entspre-chend der vorliegenden 50%-Unfallstichprobe derUnfälle aus Deutschland insgesamt ist auch dieWirkung in Deutschland insgesamt abzuschätzen.

Zentral für dieses Vorgehen ist im ersten Schritt dieGruppierung von Unfällen nach Unfalltypen, denenein bestimmtes Fahrmanöver mit bestimmten Rah-

menbedingungen (Umwelt, andere Verkehrsteil-nehmer) entspricht. Hier bietet die dreistufige Ein-teilung der Unfalltypen (s. FGSV, 2003) die Lösung.Im zweiten Schritt sind für jeden Unfalltyp Gruppenvon Unfällen zu bestimmen, denen vergleichbareUrsachen zugrunde liegen. In Anlehnung an ver-schiedene oben dargestellte Fehlermodelle wirdzwischen Fehlhandlungen und ihren Ursachen un-terschieden, die verschiedenen Stufen der Hand-lung (Informationsaufnahme, Interpretation, Hand-lungsplanung und Ausführung) zuzuordnen sind.

Die vorliegenden Unfallprotokolle sind gut geeig-net, um die dem Unfall vorangehenden Fehlhand-lungen zu beschreiben, da diese gut beobachtbarbzw. aus der Beschreibung der Unfallstelle und desUnfallhergangs gut abzuleiten sind. Problemati-scher ist die Angabe über die Ursachen. In den inder Literatur dargestellten In-Depth-Unfallstudienwaren häufig Interviews durchgeführt worden, umaus den Aussagen der Fahrer Ursachen für dieFehlhandlungen abzuleiten. Dies ist allerdings mitextrem hohem Aufwand verbunden, der im Rah-men des vorliegenden Projekts vermieden werdensollte. In den Unfallprotokollen finden sich anderer-seits sowohl Aussagen der Fahrer als auch der un-fallaufnehmenden Polizeibeamten, die für die Ab-leitung der Unfallursachen genutzt werden. DiesesVorgehen wird im Einzelnen im Bereich der Metho-dik beschrieben. Vorab ist darauf hinzuweisen,dass diese Zuordnung aufgrund des vorliegendenDatenmaterials teilweise schwierig ist. Dies geht indie Abschätzung ein, mit welcher Eingriffsstrategiedie Fehlhandlung verhindert werden könnte. DieseAussagen sind daher mit Vorsicht zu behandeln,als Hinweise darauf, welche Eingriffsstrategie amsinnvollsten sein könnte. Um diese Hypothesenüber optimale Eingriffsstrategien zu erhärten, sindgezielte weitere Unfalluntersuchungen notwendigoder experimentelle Untersuchungen in Simulato-ren, in denen bestimmte Fehlhandlungen provo-ziert werden und die Ursachen bzw. Gegenmaß-nahmen in ihrer Wirkung untersucht werden kön-nen.

Die zweite Einschränkung der vorliegenden Studiebetrifft das Material der Unfallprotokolle. Die vorlie-gende Stichprobe der Braunschweiger Unfälle wirdunten im Vergleich zu einer vergleichbaren Unfall-statistik für die Bundesrepublik Deutschland imJahr 2002 beschrieben. Wie bei jeder Stichprobestimmt auch diese nicht in allen Merkmalen mit denUnfällen Deutschlands überein. Über eine Gewich-tung mit Einbezug wesentlicher Merkmale wird ver-

21

Bild 11: Überblick über das Vorgehen in der Studie. Zur Er-klärung s. Text

Page 23: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

sucht, den Auswahlverzerrungen entgegenzuwir-ken. Insoweit dies gelingt, sind die Ergebnisse die-ser Untersuchung auch repräsentativ für Deutsch-land.

2.2 Datenbasis und Gewichtung

Im Folgenden wird zunächst die Datenbasis be-schrieben, die die Grundlage für die In-Depth-Ana-lysen bildet. Die Unfallprotokolle des Jahres 2002aus der Polizeidirektion Braunschweig, die die ver-bale Beschreibung des Unfallablaufs enthalten,wurden digitalisiert, sodass sie für die Analysen zurVerfügung standen. Zusätzlich wurden wesentlicheInformationen über den Unfall in eine Datenbankeingetragen, sodass diese in vergleichbarer Formvorliegen wie die Informationen über Unfälle ausder amtlichen Unfallstatistik. Da es sich bei diesenUnfällen um eine lokal begrenzte Stichprobe allerUnfälle handelt, ist für weitergehende Aussagen einBezug auf Unfälle in Deutschland insgesamt not-wendig. Zu diesem Zweck wurde eine 50%-Stich-probe aus der amtlichen Unfallstatistik Deutsch-lands aus dem Jahr 2002 vom Statistischen Bun-desamt zur Verfügung gestellt.

Im ersten Kapitel wird zunächst kurz dargestellt,welche Auswahl aus den beiden Datensätzendurchgeführt wurde im Hinblick auf die Fragestel-lung der Sicherheit erhöhenden Wirkung von Fah-rerassistenzsystemen bei Pkw. Im zweiten Kapitelwird ausgehend von einer Beschreibung wesentli-cher Unterschiede zwischen den beiden Datensät-zen die Gewichtungsprozedur beschrieben, die dieUnfallschwere, den Unfalltyp, Wochentag und Ta-geszeit berücksichtigt. Im letzten Kapitel wird dasErgebnis der Gewichtung im Vergleich der Da-tensätze dargestellt.

2.2.1 Auswahl der Unfälle für die Analysen

Für Deutschland wurde vom Statistischen Bundes-amt eine 50%-Stichprobe mit ausgewählten Merk-malen erworben. Es handelt sich um insgesamt232.154 Unfälle. Von diesen wurden die Unfälleausgewählt, bei denen der Verursacher ein Pkwwar und der Fahrer (so weit bekannt) mindestens18 Jahre alt war. Außerdem wurden die Unfälleausgeschlossen, bei denen die Tageszeit nicht er-fasst worden war, da dies für die Gewichtung (s. u.)wichtig ist.

· Die Datenbasis für die Gewichtung sind damit185.004 Unfälle aus Deutschland im Jahr 2002,

bei denen der Verursacher ein Pkw war und derFahrer (so weit bekannt) mindestens 18 Jahrealt war.

Für Braunschweig liegen als Ausgangsdatensatz5.449 schriftliche Protokolle von Unfällen ausBraunschweig vor, die im Jahr 2002 erfasst wur-den.1 Für diese wurde die Beschreibung des Un-fallhergangs digitalisiert und die wesentlichen In-formationen in vergleichbarer Weise wie bei deramtlichen Unfallstatistik in eine Datenbank über-führt. Erfasst werden Vorgangsnummer, Unfallda-tum, Uhrzeit, Ortslage, Anzahl Beteiligter, Leicht-verletzter, Schwerverletzter und Toter, Gesamt-schaden in Euro, Art des Unfalls, bis zu drei Unfall-ursachen, Anzahl, Alter und Geschlecht der Insas-sen und Fahrzeugart bei Verursacher und Beteilig-tem, Lichtverhältnisse, Straßenzustand, Verkehrs-stufe, Charakteristik der Unfallstelle und der drei-stellige Unfalltyp.

Es wurden zunächst die Unfälle ausgeschlossen,bei denen der Unfalltyp in den Protokollen nicht er-fasst wurde (6 Unfälle). Die Unfälle von 2000 und2001, die sich ebenfalls in der Datenbank befan-den, wurden anhand der Unfallprotokolle identifi-ziert und ebenfalls ausgeschlossen (40 Unfälle).Somit verbleiben insgesamt 5.403 Unfälle in derDatenbank. Da sich die Unfallanalyse auf Pkw kon-zentriert, werden alle Unfälle, bei denen der Verur-sacher kein Pkw ist, aus der Datenbank entfernt(1.140 Unfälle). Schließlich werden alle Unfälle aus-geschlossen, bei denen der Fahrer jünger als 18Jahre war (5 Unfälle).

· Die Datenbasis für die In-Depth-Analysen sinddamit 4.258 Unfälle aus Braunschweig aus demJahr 2002, bei den der Verursacher ein Pkw warund der Fahrer (so weit bekannt) mindestens 18Jahre alt war.

Bei den In-Depth-Analysen zeigten sich verschie-dene Fehler bei den Protokollen. Unfällen war derfalsche Unfalltyp zugeordnet worden oder es warwegen Fehlern beim Digitalisieren kein Protokollzuzuordnen. Für diese Unfälle konnte keine In-Depth-Analyse durchgeführt werden. Sie müssenaber bei den Berechnungen berücksichtigt werden,

22

1 Insgesamt wurden in Braunschweig 2002 9.347 Unfälle auf-genommen. Bei den uns vorliegenden Protokollen handeltes sich um eine Zufallsstichprobe von etwas mehr als 50 % dieser Unfälle.

Page 24: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

da dies sonst die Schätzung eines Effekts von FASbeeinflussen würde.

Bei dem Vergleich der Datensätze aus Braun-schweig und aus Deutschland zeigt sich, dass inden Braunschweiger Protokollen auch Unfälle mitgeringem Sachschaden enthalten sind, während indie Unfallstatistik der Bundesrepublik Deutschlandnur die Unfälle aufgenommen werden, bei denenmindestens ein Fahrzeug nicht mehr fahrbereit istoder eine Ordnungswidrigkeit vorliegt (z. B. Alko-hol). Dieses Kriterium ist allerdings auf den vorlie-genden Protokollbögen nicht zu erkennen, sodasseine entsprechende Auswahl der BraunschweigerUnfälle für die Gewichtung in direkt vergleichbarerWeise nicht möglich ist. Allerdings liegt für dieBraunschweiger Daten die Information über dieHöhe des Sachschadens vor, die bis Mitte der 90erJahre als Kriterium für den Einschluss in die Bun-desdeutsche Statistik genutzt wurde. Um hier eingeeignetes Kriterium zu bestimmen, ab welcherHöhe des Sachschadens Unfälle aus Braun-schweig einbezogen werden sollten, damit sichmöglichst ähnliche Verhältnisse wie in der amtli-chen Unfallstatistik der Bundesrepublik Deutsch-land ergeben, wurde der Anteil von Unfällen mitschwerem Sachschaden (ohne Personenschaden)in der Bundesrepublik Deutschland herangezogen(in der vorliegenden Stichprobe 30,6 %). Für dieBraunschweiger Unfälle wurde dann ein Kriteriumder Schadenshöhe gesucht, dass einen vergleich-baren Anteil liefert. Die beste Annäherung liefert einKriterium von 6.000 € oder mehr, bei dem sich einAnteil von 37,4 % ergibt.2

Damit ergibt sich ein reduzierter Datensatz ausBraunschweig mit schweren Unfällen, der für dieGewichtung auf die bundesdeutschen Verhältnissezu nutzen ist.

· Die Datenbasis für den Vergleich mit der bun-desdeutschen Statistik besteht aus 993 Unfäl-len aus Braunschweig aus dem Jahr 2002, beidenen der Verursacher ein Pkw war, der Fahrer(so weit bekannt) mindestens 18 Jahre alt warund entweder Personenschaden oder Sach-schaden ab 6.000 € vorlag.

Damit bleibt allerdings ein systematische Unter-schied zwischen diesen beiden Datensätzen, daUnfälle mit geringerem Sachschaden in Braun-schweig, bei denen eine Ordnungswidrigkeit vor-lag, im Unterschied zu den Daten der amtlichenUnfallstatistik Deutschland nicht bei diesen schwe-ren Unfällen einbezogen sind. Diese sind damitetwas unterrepräsentiert.

Für die In-Depth-Auswertungen werden alle Datenaus Braunschweig genutzt, da damit einerseitseine breitere Datenbasis vorliegt und da anderer-seits auch Unfälle mit geringerem Sachschadensowohl für die individuellen Fahrer als auch für dieVolkswirtschaft relevant sind. Durch die Gegen-überstellung der Ergebnisse für Braunschweig ins-gesamt (einschließlich geringer Sachschadensun-fälle) und der schweren Braunschweiger Unfällelässt sich auch die mögliche Wirkung von Fah-rerassistenzsystemen im Hinblick auf die unter-schiedliche Schadensschwere bewerten.

In Kapitel 2.2.2 werden die Datensätze kurz be-schrieben und die Gewichtung der BraunschweigerUnfälle dargestellt.

2.2.2 Beschreibung und Vergleich – Unfälle inBraunschweig und Deutschland 2002

Bild 12 zeigt den prozentualen Anteil der verschie-denen Unfalltypen bei den Unfällen in Braun-schweig (bei schweren Unfällen und gesamt) undDeutschland im Vergleich. Insgesamt ist die Struk-tur ähnlich, aber in Braunschweig sind mehr Unfäl-le im Längsverkehr und mehr Unfälle durch ruhen-den Verkehr enthalten, dafür weniger Fahrunfälle,weniger sonstige Unfälle und weniger Überschrei-tenunfälle. Einbiegen/Kreuzen- und Abbiegen-Un-fälle sind bei schweren Braunschweiger Unfällenetwas häufiger als in der Bundesrepublik Deutsch-land, bei den Unfällen gesamt seltener. Die schwe-ren Unfälle in Braunschweig sind den bundesdeut-schen Unfällen erwartungsgemäß ähnlicher, aberauch hier bestehen Unterschiede, sodass eine Ge-wichtung notwendig ist. Der größte Unterschiedbesteht im Bereich der Fahrunfälle, die in derBraunschweiger Datenbasis seltener als in derBundesrepublik Deutschland auftreten. Dies kanndadurch bedingt sein, dass der Anteil des Stadtge-biets größer ist als es für die BundesrepublikDeutschland insgesamt typisch ist.

In Bild 13 ist die Verteilung der Unfälle auf den Wo-chentag und die Tageszeit dargestellt. Samstagund Sonntag wurden als Wochenende zusammen-

23

2 Es wurde ein runder Wert gewählt, da die Analyse der Häu-figkeiten zeigt, dass die Beamten in der Regel auch rundeSchadenssummen schätzen. Verändert man das Kriteriumum 1.000 € nach oben oder unten, sind die Abweichungenvom Anteil in der Bundesrepublik Deutschland größer.

Page 25: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

gefasst. Unfallzeiten zwischen 20 Uhr und 3.59 Uhrwerden als nachts gewertet, Unfallzeiten zwischen4 Uhr und 19.59 Uhr als tagsüber. Hier sind die Un-terschiede geringer. Die Braunschweiger Unfällefinden etwas häufiger am Wochenende und nachtsstatt. Die schweren Braunschweiger Unfälle liegenetwas näher bei den bundesdeutschen Unfällen.

Um diese Unterschiede auszugleichen, ist eine Ge-wichtung der Unfälle aus Braunschweig notwen-dig. Dabei werden die folgenden Merkmale3 be-rücksichtigt:

· Unfalltyp (7-stufig),

· Wochentag (werktags und Wochenende),

· Tageszeit (tags und nachts).

Wie in Bild 13 dargestellt, ist diese Gewichtung nurfür die Unfälle sinnvoll, die von der Unfallschwereher vergleichbar sind. Um die Gewichtung durch-zuführen, wird für jeden der beiden Datensätze(Braunschweig schwere Unfälle und UnfallstatistikDeutschland) die drei dimensionale Verteilung die-ser Merkmale erstellt. Die Unfälle aus Braun-schweig werden dann so gewichtet, dass ihre drei-dimensionale Verteilung der Gewichtung der dreidi-mensionalen Verteilung der Unfälle in Deutschlandentspricht. Um dies zu erreichen, wird für jede Zelleder dreidimensionalen Verteilung ein Gewicht be-rechnet, das sich ergibt als „Prozent Unfälle in die-ser Zelle in Deutschland“ geteilt durch „ProzentUnfälle in dieser Zelle in Braunschweig“. Wenn bei-spielsweise in Braunschweig 1,4 % der schwerenFahrunfälle (Unfalltyp) am Wochenende nachts ge-schehen, in Deutschland insgesamt aber 3,3 %, er-gibt sich das Gewicht als 2,3. Jeder Unfall am Wo-chenende nachts mit einem Fahrunfall zählt dannnach der Gewichtung nicht als ein Unfall, sondernals 2,3 Unfälle. Durch dieses Gewichtungsverfah-ren wird die Repräsentativität der Ergebnisse fürdie Unfälle in Deutschland zumindest hinsichtlichder berücksichtigten Merkmale für die schwerenUnfälle sichergestellt.

Die weiteren Merkmale, die die Unfallsituation undUmweltbedingungen beschreiben, werden für dieGewichtung nicht berücksichtigt. Einerseits han-delt es sich hier um eine weniger differenzierte Be-schreibung als die mit Hilfe des Unfalltyps, sodassüber die Gewichtung mit dem Unfalltyp zumindestteilweise eine Vergleichbarkeit hergestellt wird. An-dererseits ist eine Begrenzung der Gewichtungs-merkmale notwendig, um zu kleine Zellhäufigkeitenbzw. leere Zellen in der mehrdimensionalen Ge-wichtungsmatrix zu vermeiden, bei denen Gewich-te nicht mehr vernünftig zu berechnen sind.

Bei den Analysen der Braunschweiger Unfälle ins-gesamt gehen schweren Unfälle entsprechend die-ser Gewichtung ein. Für die leichten Unfälle wirdein Gewicht von „1“ verwendet, d. h., hier wird aufeine Gewichtung verzichtet, da eine vergleichbareBezugsstichprobe nicht zur Verfügung steht.

Um die Vergleichbarkeit nach der Gewichtung nä-her zu beschreiben, werden im Folgenden die Ver-

24

Bild 12: Prozentualer Anteil der verschiedenen Unfalltypen anden Datensätzen aus Braunschweig und aus Deutsch-land

Bild 13: Prozentualer Anteil der Unfälle in Abhängigkeit vomWochentag und der Tageszeit

3 Auf den Einbezug von Fahrermerkmalen wird verzichtet, dadiese zum Teil nicht vorliegen und dann die entsprechendenUnfälle nicht in die Analysen einbezogen werden könnten.

Page 26: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

teilungen für zentrale Merkmale in den beiden Da-tensätzen gegenübergestellt.

2.2.3 Beschreibung der Unfälle im Vergleich

Tabelle 12 zeigt die prozentualen Häufigkeiten ver-schiedener Merkmale in den drei Datensätzen imVergleich.

Durch die Gewichtung ergibt sich für die schwerenUnfälle in Braunschweig ein n = 992, für die Unfäl-le insgesamt ein n = 4.2574.

Insgesamt ergibt sich durch die Gewichtung einesehr ähnliche Verteilung in diesen verschiedenenMerkmalen. Bei den Unfallarten treten Zusammen-stöße mit einbiegenden Fahrzeugen am häufigstenauf (über 30 % bei den schweren Unfällen in Braun-schweig und der Bundesrepublik Deutschland), ge-folgt von Zusammenstößen mit vorausfahrendenFahrzeugen (15 % in der Bundesrepublik Deutsch-land und 20 % in Braunschweig). Es folgt das Ab-kommen von der Fahrbahn nach rechts und linksund Zusammenstöße mit anfahrenden und entge-genkommenden Fahrzeugen. Die Unfallstellen sindzu etwa einem Viertel Einmündungen, etwas über 20 % Kreuzungen. An dritter Stelle liegen Kurven mit11 % in der Bundesrepublik Deutschland und 14 %in Braunschweig. Über 65 % der Unfälle finden beiTageslicht statt, um 5 % bei Dämmerung und knapp30 % bei Dunkelheit. Beim Straßenzustand sind inBraunschweig etwas seltener trockene Straßen beiden Unfällen zu finden (54 % vs. 62 %) und etwashäufiger nasse und feuchte Straßen (40 % vs. 34 %). Auch die Unfälle innerorts sind in der Braun-schweiger Stichprobe häufiger (79,5 %) als in derBundesrepublik Deutschland (61,4 %). Bei der Un-fallschwere liegen in der Braunschweiger Stichpro-be etwas weniger Unfälle mit Getöteten undSchwerverletzten vor und etwas mehr Unfälle mitSachschaden. Die Altersstruktur der Fahrer ist sehrvergleichbar, ebenso die Geschlechtsverteilung.

Insgesamt sind damit durch die Gewichtung dieschweren Unfälle aus Braunschweig sehr ver-gleichbar hinsichtlich zentraler Unfallmerkmale mitden Unfällen der Bundesrepublik Deutschland.Auch nach der Gewichtung sind allerdings etwashäufiger Unfälle innerorts und mit Sachschadenvertreten.

25

Tab. 12: Prozentuale Verteilung der zentralen Merkmale derUnfälle im Vergleich von Deutschland (n = 185.004),der schweren Unfälle in Braunschweig (n = 992) undder Unfälle in Braunschweig insgesamt (n = 4.257)

Bun

des

rep

ublik

Deu

tsch

land

Bra

unsc

hwei

gS

chw

er

Bra

unsc

hwei

gG

esam

t

Unfallart

Unfall anderer Art 6.0 3.7 3.5

Zus. anfahrendes usw. Fzg. 8.1 8.1 17.0

Zus. vorausfahrendes usw. Fzg. 15.0 20.1 27.6

Zus. seitlich fahrendes Fzg. 3.6 6.1 11.7

Zus. entgegenkommendes Fzg. 8.7 7.8 4.8

Zus. einbiegendes usw. Fzg. 32.3 32.5 22.4

Zus. Fzg./Fußgänger 4.7 4.6 1.1

Aufprall auf Fahrbahnhindernis 0.5 0.2 0.4

Abkommen Fahrbahn nach rechts 11.9 9.1 6.2

Abkommen Fahrbahn nach links 9.4 7.6 5.1

Unfallstelle

Kreuzung 21.2 20.6 20.9

Einmündung 24.0 25.8 25.5

Grundstücksein-/ausfahrt 6.6 8.4 9.0

Steigung 2.8 0.9 0.5

Gefälle 4.7 0.4 0.9

Kurve 10.7 14.2 8.1

Lichtverhältnisse

Tageslicht 65.9 67.8 71.7

Dämmerung 5.6 4.0 3.8

Dunkelheit 28.6 28.2 23.1

Straßenzustand

trocken 61.8 54.4 56.3

Nass/Feucht 34.3 40.4 38.3

Winterglatt 3.6 5.0 4.1

Schlüpfrigkeit 0.3 0.2 0.1

Ortslage

Innerorts 61.4 79.5 84.8

Außerorts 38.6 19.7 13.2

Unfallschwere

Mit Getöteten 1.1 0.4 0.1

Mit Schwerverletzten 12.5 5.7 1.3

Mit Leichtverletzten 55.8 55.4 12.9

Sachschaden 30.6 38.5 85.7

Alter

18-24 27.5 27.7 24.3

25-34 20.1 22.5 22.4

35-44 18.9 16.2 18.4

45-54 12.0 12.0 12.5

55-64 8.6 8.5 8.4

65-74 5.4 5.4 5.6

75 und mehr 3.0 3.6 3.4

Geschlecht

Männlich 65.8 63.3 61.3

Weiblich 30.3 34.0 34.8

4 Der Unterschied zu der ungewichteten Anzahl ergibt sichaufgrund von Rundungen bei den Gewichten.

Page 27: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

2.3 Datenaufbereitung und Urteiler-übereinstimmung

Für die Analysen wurde zunächst für jeden der sieben Unfalltypen (im Folgenden als Grobtypenbezeichnet) eine Häufigkeitsverteilung der dort enthaltenen detaillierter beschriebenen Unfalltypen(im Folgenden als Feintypen bezeichnet) erstellt.Dabei zeigt sich, dass wenige Feintypen bereitsden größten Teil der Grobtypen abdecken. Entsprechend konzentrieren sich die In-Depth-Analysen auf diese häufigsten Feintypen, die amAnfang des jeweiligen Kapitels kurz dargestelltwerden. Tabelle 13 zeigt für die verschiedenen Un-falltypen die Anzahl der vorhandenen Protokolleund die Anzahl und den prozentualen Anteil derProtokolle, die durch dieses Vorgehen der Analyseder häufigsten Feintypen erfasst werden. BeimFahrunfall, Abbiegeunfall, Einbiegen/Kreuzen-Un-fall und dem Unfall im Längsverkehr werden damitjeweils um 90 % aller Unfälle des Grobtyps erfasst.Bei Unfällen mit ruhendem Verkehr und sonstigenUnfällen tritt neben den häufigsten Feintypen nocheine ganze Reihe weiterer Feintypen mit jeweils ei-genem Unfallhergang, spezieller Fehlhandlung,aber in so geringer Häufigkeit auf, dass eine eige-ne Analyse nicht sinnvoll erscheint. Überschreiten-Unfälle wurden nicht berücksichtigt, da hier häufigder Unfallverursacher nicht der Pkw war und ins-gesamt sehr wenige Unfälle dieses Typs vorliegen.

Für jeden Feintyp wurden dann in einem erstenSchritt ca. 20 Unfallprotokolle gelesen und ein Katalog von Fehlhandlungen und verschiedenenUrsachen dieser Fehlhandlungen erstellt. Verschie-dene Feintypen, bei denen derselbe Handlungsfeh-ler auftrat, wurden dann zusammengefasst. Fürdiese wurde ein gemeinsamer Katalog von Fehl-handlungen und ihren Ursachen erstellt. Dieser Katalog diente als Grundlage für die In-Depth-Ana-lysen, die von mehreren Beurteilern durchgeführt

wurden. Diese wiesen jedem Unfall nach demDurchlesen des Unfallprotokolls eine Fehlhandlungmit zugehöriger Ursache zu. Dabei diente der inKapitel 1.3 und 1.4 dargestellte theoretische Hin-tergrund als Basis. Die Fehlhandlungen und ihreUrsachen werden im Ergebnisteil (s. Kapitel 3.1)zusammenfassend beschrieben.

Um die Zuverlässigkeit der Zuordnung zu bestim-men, wurde für jeden Feintyp eine Teilstichprobevon ca. 20 Unfällen von zwei Beurteilern kategori-siert und die Bewertung anschließend diskutiert.Während der Diskussion wurden eventuelle Abwei-chungen und Unklarheiten festgestellt und davonausgehend eine gemeinsame verbesserte Defini-tion für die Zuordnung erstellt. Eine vollständigeDoppeltbeurteilung aller Protokolle mit anschlie-ßender Prüfung bzw. Korrektur war aufgrund dergroßen Anzahl der vorliegenden Protokolle nichtmöglich. Um die Güte der Bewertungen zu über-prüfen, wurde eine Stichprobe des Fahrunfalls (n = 360 Unfälle) von zwei unabhängigen Urteilernanalysiert und anschließend auf ihre Übereinstim-mung verglichen.

26

Tab. 13: Übersicht über vorhandene schwere (links) und Unfälle insgesamt (rechts) aufgeteilt nach dem Unfalltyp. In der jeweilszweiten und dritten Spalte sind die Anzahl und der Prozentsatz der Protokolle aufgeführt, die analysiert wurden, indem diehäufigsten Feintypen pro Grobtyp ausgewählt wurden

UnfalltypSchwere Unfälle Alle Unfälle

Unfälle Anal. Prozent Unfälle Anal. Prozent

Fahrunfall 232 214 92.1 610 563 92.2

Abbiegeunfall 137 122 88.9 517 470 90.9

Einbiegen/Kreuzen-Unfall 249 235 94.5 824 770 93.5

Überschreiten-Unfall 25 0 0.0 27 0 0.0

Unfall mit ruhendem Verkehr 31 22 69.9 412 309 74.9

Unfall im Längsverkehr 226 200 88.4 1.536 1.388 90.3

Sonstiger Unfall 91 47 51.6 330 213 64.5

Tab. 14: Urteilerübereinstimmung (Korrelationskoeffizient Spearman rho) und Anzahl der analysierten Protokollebei den verschiedenen Feintypen der Fahrunfälle undinsgesamt

Fahrunfälle Anzahl Korrelation

101 Linkskurve 96 0.93

102 Rechtskurve 53 0.88

121 Abbiegen/Einbiegen Kurve links 52 0.97

122 Abbiegen/Einbiegen Kurve rechts 34 0.82

124 Beschleunigungsspur 22 0.82

141 Gerade Strecke 29 0.82

142 Gerade Strecke, AvdF links 21 0.91

143 Gerade Strecke, AvdF rechts 53 0.87

Gesamt 360 0.91

Page 28: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Zur Bestimmung der Urteilerübereinstimmungwurde die Korrelation zwischen den beiden Urtei-lern berechnet. Sowohl für die einzelnen Feintypenals auch für alle untersuchten Unfälle ergibt sicheine sehr gute Übereinstimmung (vgl. Tabelle 14).Die Korrelationskoeffizienten (Spearman rho) liegenim Bereich von 0.82 bis 0.97. Die Gesamtüberein-stimmung bei allen analysierten Fahrunfällen be-trägt 0.91.

Als Ergebnis dieser Beurteilung liegt für jeden Un-fall eine Beurteilung der Fehlhandlung und ihrer Ur-sache vor, welche die Basis für die weiteren Aus-wertungen ist. Für jeden Handlungsfehler einesGrobtypen werden dann die verschiedenen Fehl-handlungen zunächst mit ihrer Häufigkeit tabella-risch dargestellt. Jede Fehlhandlung wird danndaraufhin beschrieben, welche Aufgaben das As-sistenzsystem auf der Stabilisierungs- und Füh-rungsebene unterstützen müsste, um den Hand-lungsfehler „Unfall“ zu verhindern. Dabei werdendie Fehlhandlungen mit gleichen Aufgaben zusam-mengefasst. Schließlich wird für jede Fehlhandlungdie Ursache entsprechend dem Ort im Informati-onsverarbeitungsprozess tabellarisch dargestellt,um daraus Anforderungen an die Eingriffsstrategieder Assistenzsysteme abzuleiten. Die Ergebnissewerden dann zusammenfassend über die verschie-denen Unfalltypen hinweg dargestellt, um Anforde-rungen an eine Assistenz abzuleiten, die möglichsteffektiv vor allem die schweren Unfälle verhindert.Umgekehrt werden auf dem Markt oder in der Ent-wicklung befindliche Systeme daraufhin bewertet,welchen Anteil von Unfällen sie verhindern könn-ten. Einen Überblick über die einbezogenen Syste-me gibt das nächste Kapitel.

2.4 Einbezogene auf dem Markt und inder Entwicklung befindliche Assis-tenzsysteme

Untersucht man Fahrerassistenzsysteme, die be-reits am Markt sind oder sich in der Entwicklungbefinden, so werden diese in der Regel im Hinblickauf die Fahrmanöver beschrieben, die von ihnenunterstützt werden. So gibt es z. B. die Spurwech-selassistenz, Parkassistenz, Kreuzungsassistenzusw. Assistenzfunktionen betreffen aus dieserSichtweise verschiedene Fahrmanöver, die mitHilfe eines Assistenzsystems besser oder komfor-tabler bewältigt werden können. Je nach Manöverergeben sich bestimmte Anforderungen an dieSensorik und die Situationsinterpretation und je

nach Auslegung des Systems verschiedene Anfor-derungen an die Aktorik (z. B. Warnsysteme vs.eingreifende Systeme).

Im Folgenden werden wesentliche Assistenzsyste-me kurz beschrieben, für die dann eine Bewertungdes Sicherheitspotenzials vor dem Hintergrund dervorliegenden In-Depth-Unfallanalysen durchgeführtwird. Die Darstellung orientiert sich an europäi-schen Übersichten, wie sie z. B. im Response-Pro-jekt (RESPONSE2, 2004) oder im Rahmen vonSTARDUST (TRG, INRIA & PATH, 2001) erstellt wur-den. Auf eine Darstellung von Assistenzsystemen,die sich noch im frühen Stadium der Forschung be-finden, wird verzichtet, da deren Funktionalität undAuslegung je nach Forscher unterschiedlich undinsgesamt so vage sind, dass eine Sicherheitsbe-wertung kaum möglich erscheint.

2.4.1 Geschwindigkeitsregelanlage (GRA –Cruise Control)

Dieses bereits seit 1962 durch Mercedes-Benz inEuropa eingeführte elektronische System ermög-licht die konstante Einhaltung einer durch den Fah-rer eingestellten Soll-Geschwindigkeit mittels fahr-zeugseitiger Geschwindigkeitsregelung. Das Sys-tem berücksichtigt dabei keine Umfeldinformatio-nen und reagiert lediglich auf Abweichungen deraktuellen Fahrzeuggeschwindigkeit zu der einge-stellten Soll-Geschwindigkeit durch einen Eingriff indie Fahrzeugbeschleunigung. Ein Eingriff in dieFahrzeugverzögerung wird dabei nicht vorgenom-men. Dieses System ist eine reine Komfortfunktionund unterstützt den Fahrer bei der Aufgabe „Straßefolgen“. Eine Anpassung der Geschwindigkeit anden Straßenverlauf erfolgt nicht, sodass hier nureine sehr begrenzte Unterstützung diesesManövers erfolgt. Das typische Einsatzgebiet fürdieses System sind Fahrten auf Autobahnen.

2.4.2 Abstandsregeltempomat (Adaptive CruiseControl – ACC)

Das als Adaptive Cruise Control (ACC) internationaletablierte System übernimmt in einem bestimmtenGeschwindigkeitsbereich die Geschwindigkeits-und Abstandsregelung des Fahrzeugs. Eingeführtwurde das System in Europa zuerst durch DaimlerChrysler im Jahr 1999 mit der S-Klasse (RESPON-SE2, 2004; TRG et al., 2001). Daimler Chryslersetzt dabei ein Millimeterwellen-Radarsystem zurErkennung des Abstands des vorausfahrendenFahrzeugs ein. Sofern sich der Abstand zu diesem

27

Page 29: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

ändert, erfolgt die Regelung durch einen gezieltenEingriff in die Fahrzeugbeschleunigung bzw. -ver-zögerung. Der Eingriff in die Fahrzeugverzögerungist dabei aus Sicherheitsgründen auf 3 m/s2 be-grenzt. Das System ist daher weniger ein Sicher-heitssystem als ein Komfortsystem und unterstütztden Fahrer bei der Aufgabe, anderen fahrendenFahrzeugen in sicherem Abstand zu folgen undggf. die eingestellte Soll-Geschwindigkeit zu redu-zieren, sofern ein vorausfahrendes Fahrzeug eineWeiterfahrt bei aktueller Geschwindigkeit verhin-dert. Sofern die eingestellte Soll-Geschwindigkeitwieder fahrbar ist, wird das Fahrzeug automatischwieder bis zu dieser beschleunigt. Das typischeEinsatzgebiet stellt hierfür die Fahrt auf Autobah-nen dar und erweitert die Funktionalität „Straße fol-gen“ des herkömmlichen „Cruise Controls“ um dasManöver „Fahrzeug folgen“ und „Annäherung anFahrzeug/Hindernis“. Eine Anpassung der Ge-schwindigkeit an den Straßenverlauf erfolgt auchbei diesem System nicht, sodass analog zum„Cruise Control“ nur eine beschränkte Unterstüt-zung der erwähnten Manöver erfolgt. Des Weiterenreagiert das System lediglich auf fahrende undnicht auf stehende bzw. langsam fahrende Fahr-zeuge oder Hindernisse, sodass für Stop-and-Go-Situationen, Notbremsungen sowie bei gefährli-chen Straßenverläufen der Eingriff des Fahrerszwingend weiterhin erforderlich bleibt.

2.4.3 Adaptive Cruise Control mit Stop-and-Go-Funktion

Eine erweiterte Funktionalität wird vom ACC Stop-and-Go übernommen. Während beim ACC nur ineinem bestimmten Geschwindigkeitsbereich eineAbstands- und Geschwindigkeitsregelung desFahrzeugs vorgenommen wird, regelt das ACCStop-and-Go die Geschwindigkeit und den Ab-stand zusätzlich bei sehr langsamen Fahrge-schwindigkeiten bis hin zum Stillstand bzw. ausdem Stillstand heraus. ACC Stop-and-Go unter-stützt neben „Straße folgen“, „Fahrzeug folgen“und „Annäherung an Fahrzeug/Hindernis“ zusätz-lich die Manöver „Anhalten vor einem Hindernis“sowie „Hinter Fahrzeug anfahren“. Auch bei die-sem System erfolgt keine Anpassung der Ge-schwindigkeit an den Straßenverlauf, sodass auchhier nur eine beschränkte Unterstützung desManövers „Straße folgen“ vorhanden ist und derEingriff des Fahrers bei gefährlichen Straßenverläu-fen weiterhin erforderlich bleibt. Das System eignetsich zum Komfortgewinn für Fahrten in Städtenund im Stau auf Autobahnen.

2.4.4 Bremsassistenz (Brake-Assistance-System – BAS)

Der Bremsassistent (Brake-Assistance-SystemBAS) „erkennt” die Absicht des Fahrers, eine Not-bremsung zu machen, und baut den maximalenBremsdruck auf, der von den meisten Fahrern nichtrealisiert wird. Dadurch wird eine deutliche Verrin-gerung des Bremswegs erzielt. Erweiterte Systemewie z. B. das BAS Plus von Daimler Chryslerberücksichtigen zusätzlich Geschwindigkeit undAbstand des vorausfahrenden Verkehrs, um imFalle einer Notbremssituation bereits rechtzeitig diemaximale Bremsenergie zur Verfügung stellen zukönnen. Der Bremsassistent BAS unterstützt alleindas Manöver „Anhalten vor Hindernissen“. AndereManöver werden durch dieses System nicht unter-stützt, da es lediglich für Notbremsungen vorgese-hen ist. Die entsprechende Führungsgröße ist eineSollgeschwindigkeit von 0 km/h. Das System rea-giert hierbei lediglich auf die Handlung des Fahrersund verstärkt sie. Eine Berücksichtigung des Um-felds ist hierbei nicht vorgesehen. Das System istaufgrund der ständigen Möglichkeit einer Notbrem-sung nicht auf spezielle Einsatzbereiche begrenzt.

2.4.5 Automatische Notbremse (Automatic-Emergency-Brake – ANB)

Als Erweiterung des Bremsassistenten setzt diesesnoch in der Entwicklung befindliche System nurdann ein, wenn eine Kollision durch das System alsunvermeidbar erkannt wird, und verringert die En-ergie des Aufpralls durch eine automatischeschnellstmögliche maximale Verzögerung desFahrzeugs. Ermöglicht wird dies durch eine konti-nuierliche Umfeldsensorik, die Hindernisse sowiederen Abstand erkennt. Aufgrund der aktuellenFahrzeuggeschwindigkeit und der durch die Lenk-winkel begrenzten Ausweichmöglichkeiten wird dieKollisionswahrscheinlichkeit bestimmt. Sofern eineKollision unvermeidbar ist, greift das Systemselbsttätig in die Fahrzeugverzögerung ein undübernimmt somit das Fahrmanöver „Anhalten vorHindernis“, auch wenn ein tatsächliches Anhaltenvor dem Hindernis nicht mehr erreicht wird. Analogzum Bremsassistenten ist der Einsatzbereich nichtbegrenzt. Dieses Assistenzsystem verringert dieUnfallfolgen, vermeidet aber den Unfall nicht.

2.4.6 Anti-Blockiersystem (ABS)

Das mittlerweile zur Serienausstattung vieler Fahr-zeuge gehörende und seit 1978 von Bosch auf

28

Page 30: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

dem Markt etablierte Anti-Blockiersystem (ABS)verhindert beim Bremsen des Fahrzeugs dasBlockieren der Räder. Damit wird ein unkontrollier-tes Gleiten des Fahrzeugs verhindert und die Spur-haltung indirekt stabilisiert. Anhand der Drehzahler-kennung der einzelnen Räder kann einem Blockie-ren der Räder durch das System mittels sehr kur-zer Intervallbremsungen entgegengewirkt werden.Moderne Systeme optimieren das Bremsverhaltenjedes einzelnen Rades, um dadurch eine maximaleKraftübertragung zu erreichen. Das dadurch vorallem unterstützte Manöver ist das „Passieren vonHindernissen“, da ein Ausweichen bei Erhalt einerstabilen Spur trotz Bremsens gewährleistet werdenkann. Zusätzlich unterstützt das ABS aufgrund derVerkürzung des Bremsweges durch die Verringe-rung des Schlupfanteils, insbesondere bei nasserbzw. eisiger Fahrbahn, das „Anhalten vor Hinder-nissen“. Das System ist ein reines Sicherheits-system.

2.4.7 Anti-Schlupf-Regelung (ASR)

Ziel der Anti-Schlupf-Regelung (ASR) ist es, einDurchdrehen der Antriebsräder eines Fahrzeugeszu vermeiden, um dieses lenkbar zu halten, Ver-schleiß zu minimieren und optimales Anfahren bzw.Traktion zu gewährleisten. Dabei nutzt das Systembei erkanntem Schlupf der Antriebsräder selbst-ständig gezielte Brems- oder Motormanagement-eingriffe, um das Antriebsmoment zu regulieren.Dieses System wurde bereits 1987 als Weiterent-wicklung des ABS in der Mercedes S-Klasse ein-geführt und ist primär sowohl als Komfort- als auchals Sicherheitsfunktion eine Unterstützung desFahrers bei dem Manöver „Anfahren und Weiter-fahren“. Zusätzlich unterstützend wirkt dieses Sys-tem bei abrupten Änderungen der Beschleunigung,indem es ein Durchdrehen der Antriebsräder unddamit den sicherheitskritischen Übergang in dasGleiten des Fahrzeugs verhindert. Es wirkt somitzusätzlich als Sicherheitsfunktion bei dem Manöver„Straße folgen“.

2.4.8 Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP)

Das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) ver-hindert ein mögliches Schleudern des Fahrzeugsbereits im Ansatz. Dies wird durch blitzschnelle ge-zielte Eingriffe in die Bremsen, die Motor- und dieGetriebesteuerung erreicht. Durch gezieltes Brem-sen an jedem einzelnen Rad „lenkt” das ESP dasFahrzeug in die gewünschte Richtung. Eingeführt

wurde dieses System 1995 von Bosch und Merce-des Benz und wurde durch die serienmäßige Ein-führung in die Mercedes A-Klasse („Elch-Test“)auch in Kompaktklassen eingesetzt und stattetderzeit ca. 64 % aller Neufahrzeuge aus. Damit er-höht sich in allen Fahrsituationen die Spurstabilitätdurch aktive Spurhaltungseingriffe. Der Fahrer wirddurch dieses System bei dem Manöver „Straße fol-gen“ aktiv unterstützt.

2.4.9 Collision-Avoidance-System (ACA)

Das (Advanced)-Collision-Avoidance-System(ACA) soll zukünftig im Sinne eines Notsystems au-tonom tätig werden, wenn der Fahrer auf eine dro-hende Kollision nicht oder unzureichend reagiertund ein Zusammenstoß fahrphysikalisch geradenoch vermeidbar ist. Das System soll nach einerKollisionserkennung mittels aktiver Brems- undAusweichmanöver das Fahrzeug selbstständigkontrolliert zum Stillstand führen. Die unterstützen-den Aufgaben dieses in Entwicklung befindlichenSystems beinhalten sowohl spurhaltungs-, ge-schwindigkeits- als auch abstandsstabilisierendeAnteile. Der Fahrer wird sowohl bei dem Manöver„Anhalten vor Hindernis“ als auch beim „Passierenvon Hindernissen“ unterstützt bzw. sogar ersetzt.

2.4.10 Collision-Warning-System (CWS)

Ähnlich agiert auch das Collision-Warning-System(CWS) als eine Vorstufe des ACA. Während diesensorbasierte Kollisionserkennung beim ACA vonaktiven Handlungseingriffen gefolgt wird, gibt dasCWS lediglich eine Warnung an den Fahrer, ohneeinen aktiven Eingriff zu tätigen. Die Warnung kannsowohl haptisch als auch visuell erfolgen undHandlungsempfehlungen in Form von Ausweich-empfehlungen beinhalten. Eine stabilisierende Wir-kung auf die Spurhaltung und die Geschwindigkeitwird von diesem System nicht erzielt. Die Unter-stützung des Fahrers beschränkt sich bei diesemSystem auf das „Anhalten vor Hindernissen“ unddas „Passieren von Hindernissen“, wobei der akti-ve Eingriff durch den Fahrer erfolgen muss.

2.4.11 Curve Speed Assistant (CSA)

Das sich ebenfalls noch in der Entwicklung befind-liche System Curve Speed Assistant (CSA) ermitteltaus dem vorliegenden sensierten Streckenverlaufeine Geschwindigkeit, die sicher und komfortabelfahrbar ist. In einem ersten Ansatz dieses in Ent-wicklung befindlichen Systems wird dem Fahrer

29

Page 31: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

eine Soll-Geschwindigkeit bzw. eine Bremsemp-fehlung für einen vorliegenden Streckenabschnittin einer entsprechenden Anzeige bereitgestellt. EinEingriff dieses System in die Längsregelung erfolgtderzeit nicht. Das System unterstützt den Fahrerdurch die Bereitstellung von Informationen bei demManöver „Straße folgen“.

2.4.12 Parkassistenz

Ein in der Entwicklung befindlicher Parkassistent,der die Länge eine Parklücke misst, dem Fahreranzeigt, dass diese groß genug ist, und dann dasLenkrad so bewegt, dass eine optimale Trajektoriein die Parklücke gefahren wird, unterstützt das Ein-parken auf der Führungsebene und die Spurhal-tung auf der Stabilisierungsebene. Werden zusätz-lich Warnungen bei zu geringen Abständen zu par-kenden Fahrzeugen angezeigt, so wird auch dieAbstandshaltung unterstützt. Dieses System dientals reines Komfortsystem und übernimmt die Funk-tionen des Einparkens und Ausparkens für denFahrer.

2.4.13 Spurhalteassistenz (Lane DepartureWarning – LDW)

Das System unterstützt den Fahrer bei der Einhal-tung der Fahrspur und warnt diesen ggf. bei unbe-absichtigtem Abkommen. Hierbei sind unter-schiedliche optische Systeme im Einsatz, die diePosition des Fahrzeugs in der Fahrspur ermitteln.Droht das Fahrzeug aus der Spur abzudriften,warnt das System bei Unterschreitung einer Tole-ranzgrenze. Die Fahrspurerkennung wird häufigdurch ein Kamerasystem oder durch Infrarotsenso-rik am Unterboden des Fahrzeugs realisiert. AlsWarnung dient z. B. eine akustische Warnungdurch „Nagelbandrattern” in den Lautsprechernoder eine Sitzvibration. Citroën setzt dieses Sys-tem bereits in den Fahrzeugen der Oberklasse ein.Der Fahrer wird durch dieses System in der Aus-übung des Manövers „Straße folgen“ die Sicherheiterhöhend unterstützt.

2.4.14 Spurwechselassistenz (Lane ChangingAssistance)

Der Spurwechselassistent ist ein Fahrerassistenz-system zur Warnung des Fahrers vor drohendenKollisionen beim Spurwechsel. Das System wirdbeim Betätigen des Blinkers aktiviert (im Gegen-satz zum Spurhalteassistenten, der dabei deakti-viert wird) und warnt den Fahrer vor Kollisionen mit

(herannahenden) Fahrzeugen auf der Nachbarspur.Die Erfassung der Hindernisse erfolgt mit Radar-sensoren, Kameras oder Laserscannern. Warnun-gen werden optisch durch Leuchtanzeigen, meistim Bereich der Außenspiegel, akustisch oder hap-tisch durch Vibration des Lenkrads oder des Blin-kerhebels ausgegeben. Das System befindet sichnoch in der Entwicklung und unterstützt den Fahrerbei dem Manöver „Spurwechsel“ und „Überholen“.Das typische Einsatzgebiet wären somit Fahrtenauf Autobahnen, um das Risiko übersehener Fahr-zeuge z. B. im toten Winkel zu reduzieren.

2.4.15 Intelligent Speed Adaption (ISA)

Intelligent Speed Adaption ist ein in Entwicklungbefindliches Fahrerassistenzsystem, das den Fah-rer dabei unterstützt, die Geschwindigkeit an dieRahmenbedingungen, vor allem die Geschwindig-keitsbegrenzungen, anzupassen. Nach BAUERund SEECK (2004) sollte als ISA nur ein aktiv ein-greifendes „Intelligent-Speed-Management-Sys-tem“ bezeichnet werden. Ein Geschwindigkeits-warnsystem sollte als „Speed-Alert-System“ be-zeichnet werden. Im internationalen Rahmen wirdjedoch eine Vielzahl von verschiedenen Variantenals ISA bezeichnet. Entsprechend hängt auch dieunfallvermeidende Wirkung von ISA davon ab, wel-che Variante realisiert ist. Mit diesen Systemen wirdder Fahrer in seiner Aufgabe „Straße folgen“ vondiesem System unterstützt, um ihn vor gefährlichenSituationen zu bewahren und somit die Verkehrssi-cherheit zu erhöhen.

2.4.16 Kreuzungsassistenz

Derzeit werden unterschiedlich ausgeprägte Assis-tenzfunktionen im Bereich der Kreuzungsassistenzdiskutiert. Da diese noch nicht in der konkretenEntwicklung sind, sind die Beschreibungen nochsehr allgemein. Im Folgenden werden drei Aspekteetwas genauer beschrieben.

Der Abbiegeassistent warnt den Fahrer, wenn erbeim Rechtsabbiegen einen schwächeren Ver-kehrsteilnehmer, insbesondere Zweiradfahrer, imrechten Seitenraum übersehen könnte. Zur Über-wachung des rechten Seitenraumes des Fahrzeugswerden Radarsensoren (24-GHz-Frequenzbereich)verwendet. Die Radarsensoren messen den Ab-stand und die Relativgeschwindigkeit von Objek-ten, die sich seitlich des Fahrzeugs befinden. Dasbesonderes Einsatzgebiet dieses Systems zeigtsich bei größeren Nutzfahrzeugen mit großen Sei-

30

Page 32: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

tenräumen (Lastzüge etc.) im innerstädtischen Ver-kehr.

Die Hinderniserkennung erweitert die Funktionalitätdes Abbiegeassistenten, um die Erkennung vonsowohl starren Objekte (z. B. parkende Fahrzeuge)als auch beweglichen Objekte (z. B. aktiv am Ver-kehr teilnehmende Fahrzeuge). Dabei können auchquerende Objekte erkannt werden. Die Assistenzbietet neben der reinen Umfelderfassung mittelsSensoren verschiedene Möglichkeiten der Assis-tenz für den Fahrer. Neben einer einfachen War-nung bei gefährlichen Manövern des Fahrers istdadurch auch eine automatisierte Kreuzungshilfedenkbar.

Zusätzlich zur Erkennung von Hindernissen undquerendem Verkehr ist die Erkennung der Ver-kehrszeichen an Kreuzungen unumgänglich. DieVerkehrszeichen und Lichtzeichenanlagen zeigenneben den globalen Verkehrsregeln die lokalen Re-geln für das Verhalten an der jeweiligen Kreuzungfür den Fahrer sichtbar an und müssen zur korrek-ten Einschätzung der Kreuzungssituation durch

einen Kreuzungsassistenten fehlerfrei erfasst wer-den. Nur durch die fehlerfreie Erfassung und Aus-wertung der lokal gültigen Verkehrsregeln (z. B.Vorfahrtsregel) kann ein Gefahrenpotenzial erkanntwerden und entsprechend durch die Assistenz rea-giert werden.

2.4.17 Bewertung der vorhandenen und inEntwicklung befindlichen Assistenz-systeme

Die Unterstützung durch Assistenz betrifft ver-schiedene Manöver auf der Führungsebene undAufgaben auf der Stabilisierungsebene. Dies ist inTabelle 15 für die oben beschriebenen Assistenz-systeme zusammenfassend dargestellt. Bereits amMarkt befindliche Assistenzsysteme sind mit einemdunklen Kästchen gekennzeichnet.

Bei dieser Darstellung wird deutlich:

· Die Fahrerassistenzsysteme konzentrieren sichmomentan auf bestimmte Basis-Fahrmanöverwie „Straße folgen“, „Annäherung an und An-

31

Tab. 15: Klassifikation von Assistenzsystemen im Hinblick auf ihre Funktionalität auf der Stabilisierungs- und Führungsebene. Zurweiteren Erklärung, s. Text

bereits am Markt

in der Entwicklung

Stabilisie-rung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

tsfa

hren

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Geschwindigkeitsregelanlage X X X

Abstandsregeltempomat (ACC) X X X X X X X

ACC Stop-and-Go X X X X X X X X X X

Bremsassistenz (BAS) X X

Automatische Notbremse (ANB) X X

Anti-Blockier-System (ABS) X X X

Anti-Schlupf-Regelung (ASR) X X X

Elektronisches Stabilitätsprogramm(ESP)

X X

Collision Avoidance System (ACA) X X X

Collision Warning System (CWS) X X X

Curve Speed Assistant (CSA) X X X X

Parkassistenz X X X X X

Spurhalteassistent (LDW) X X X

Spurwechselassistent (LCA) X X X X

Intelligent Speed Adaption (ISA) X X X

Kreuzungsassistenz X X

Page 33: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

halten vor einem Hindernis“ und „Fahrzeug fol-gen“.

· Auch bei diesen Fahrmanövern werden nur be-stimmte Aspekte unterstützt. Zum Beispiel wirddie Geschwindigkeitsregelung beim „Straße fol-gen“ nicht an Kurven, unübersichtliche Stellenusw. angepasst.

· Für Assistenz bei komplexen Fahrmanövern wiez. B. im Kreuzungsbereich bestehen bislang nurallgemeine Konzepte. Dies ist im Bereich derForschung ein aktuelles Thema (z. B. im Rah-men der Initiative INVENT5).

Tabelle 16 zeigt die Eingriffsstrategien für diese As-sistenzsysteme, wobei die Zuordnung für die in derEntwicklung befindlichen Systeme von den vorhan-denen Informationen ausgeht und bei der Marktein-führung anders aussehen kann. Von den am Marktbefindlichen Systemen übernehmen die Geschwin-digkeitsregelanlage und ACC Teile der Längs-führung, sodass dies als Eingriff zu kennzeichnenist. Bei der Bremsassistenz wird das Bremsen un-terstützt, ebenso das Lenken beim Bremsen mitABS, das Anfahren beim Fahren mit ASR und dieKurvenfahrt durch ESP. Der Spurhalteassistentwarnt bei Verlassen der Spur. Beim ACC Stop-and-Go übernimmt das System das Anhalten auch vorHindernissen und unterstützt (je nach Auslegung

des Herstellers) das Losfahren und das Fahren imStop-and-Go-Verkehr. Die Automatische Notbremsebremst das Fahrzeug selbstständig ab. Das Collisi-on-Avoidance-System bringt das Fahrzeug recht-zeitig zum Stehen. Der Parkassistent übernimmt dieQuerführung beim Einparken (Eingriff) und informiertbzw. warnt im Hinblick auf die Längsführung. Colli-sion-Warning-System und Spurwechselassistenzwarnen den Fahrer. Curve Speed Assistant liefertdem Fahrer zusätzliche Informationen. Je nach Aus-legung kann Intelligent Speed Adaptation nur Infor-mationen liefern, den Fahrer beim Überschreitenzulässiger Geschwindigkeiten warnen, ihn beim Ein-halten der Geschwindigkeit aktiv unterstützen odereingreifen, wenn die Geschwindigkeit überschrittenwird. Ähnliches gilt für die Kreuzungsassistenz. Fürbeide Systeme hängt damit die Wirkung ganz davonab, welche Eingriffsstrategien und Funktionen dortrealisiert werden.

Diese Darstellung macht deutlich, dass die Assis-tenzsysteme entweder sehr begrenzt bestimmteTeile der Fahraufgabe übernehmen oder nur in Ex-tremfällen (z. B. wenn ein Unfall unvermeidbar ist)eingreifen. Insgesamt dominieren Warnungen undInformationen bei den komplexeren Systemen undAktionen, welche die Absichten des Fahrers unter-stützen und für eine optimale Umsetzung sorgen(wie ESP und ABS im Bereich der Spurhaltung undASR im Bereich der Längsregelung). Ziel der In-Depth-Analysen ist es, Hinweise darauf zu liefern,ob diese Eingriffsstrategien angemessen sind, umdie Fehler der Fahrer zu vermeiden.

3 Ergebnisse

3.1 Fehlhandlungen und ihre Ursachenbei verschiedenen Unfalltypen

Bei der empirischen Analyse der Unfalltypen zeigtsich, dass unabhängig vom konkreten Fahr-manöver im Wesentlichen sechs Arten von Fehl-handlungen und ihren Ursachen auftreten:

(1) Vernachlässigung oder Nicht-Ausführung be-stimmter Fahraufgaben,

(2) Fehlanpassung der Manöver an die Situation,

(3) Fehlinterpretation der Situation,

(4) Fehlantizipation des Verhaltens anderer,

32

5 http://www.invent-online.de

Tab. 16: Eingriffsstrategien bei den verschiedenen Assistenz-systemen, die sich bereits am Markt bzw. in der Ent-wicklung befinden

bereits am Markt

in der Entwicklung

Info

rmat

ion

War

nung

Akt

ive

Unt

erst

ützu

ng

Ein

griff

Geschwindigkeitsregelanlage X

Abstandsregeltempomat (ACC) X

ACC Stop-and-Go X X

Bremsassistenz (BAS) X

Automatische Notbremse (ANB) X

Anti-Blockiersystem (ABS) X

Anti-Schlupf-Regelung (ASR) X

Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) X

Collision Avoidance System (ACA) X

Collision Warning System (CWS) X

Curve Speed Assistant (CSA) X

Parkassistenz X X X

Spurhalteassistent (LDW) X

Spurwechselassistent (LCA) X

Intelligent Speed Adaption (ISA) X X X X

Kreuzungsassistent X X X X

Page 34: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

(5) bewusstes Eingehen von Risiken,

(6) Ausführungsfehler.

Tabelle 18 zeigt für diese Fehlhandlungen die ver-schiedenen Aufgaben beim Fahren und die Situa-tionen, die dort relevant sind, im Überblick. Außer-dem sind Fehlerart und Eingriffsstrategie darge-stellt. Diese werden im Folgenden genauer be-schrieben. Bei den Analysen zeigte sich allerdings,dass die Zuordnung der Fehlhandlungen und ihrerUrsachen zu verschiedenen Fehlerarten nichtimmer ausreichend war, um damit die angemesse-ne Eingriffsstrategie abzuleiten, wie es in Kapitel 1.3dargestellt wurde, wo in Tabelle 3 und 4 jeder Feh-lerart eine Eingriffsstrategie zugeordnet wurde (z. B.fehlende Wahrnehmung und informierende Syste-me, Fehlentscheidungen und aktive Unterstützung).Die Analyse der Ursachen zeigte, dass zusätzlicheAspekte berücksichtigt werden müssen:

· Bei Informationsmangel und fehlender Wahr-nehmung sollte es theoretisch zwar reichen, dieInformationen über ein Assistenzsystem zu ver-mitteln. Da häufig Ablenkung oder Überforde-rung des Fahrers die Ursache dafür ist, dass dieInformationen nicht wahrgenommen werden, isthier eine gezielte Warnung notwendig, welchesdie Aufmerksamkeit auf die relevanten Informa-tionen lenkt und die es dem Fahrer erleichtert,die richtige Aktion durchzuführen. Entspre-chend findet sich in der Tabelle auch der Hin-weis, dass zum Teil Warnungen notwendig sind.

· Bei Fehlinterpretationen von Informationen soll-te eine Warnung ausreichen, damit der Fahrerseine Handlungsplanung korrigiert und die Fehl-handlung vermeidet. Die Analysen zeigten aller-

dings, dass diese Fehlhandlungen oft in Situa-tionen auftreten, in denen nicht mehr viel Zeit füreine Korrektur zur Verfügung steht. Hier ist eineaktive Unterstützung erforderlich, bei der dasAssistenzsystem die nötige Aktion einleitet, so-dass der Fahrer dies fortführen und damit dieFehlhandlung verhindern kann.

· Bei Fehlentscheidungen sollte theoretisch eineaktive Unterstützung ausreichen, um dem Fah-rer dabei zu helfen, die Fehlhandlung zu vermei-den. Die Analysen zeigten, dass die Fahrer beieiner Reihe von Unfällen mehr oder weniger be-wusst Risiken eingehen, also z. B. zu schnellfahren, obwohl die Straße glatt ist. Ob dieseFehlentscheidung durch eine aktive Unterstüt-zung (z. B. einen entsprechenden Widerstandim Gaspedal) zu korrigieren ist, ist zu bezwei-feln. Hier ist wahrscheinlich ein übersteuerbarerEingriff notwendig, bei dem das Assistenz-system z. B. eine sichere Geschwindigkeitselbstständig einstellt.

Entsprechend diesen Überlegungen ergibt sich ausTabelle 17 die dargestellte Zuordnung von Fehler-arten und den entsprechenden Eingriffsstrategien.

33

Tab. 17: Wesentliche Fehlerarten und Eingriffsstrategien fürFahrerassistenzsysteme im Rahmen dieses Projekts

Fehlerart FAS-Strategie

Mechanisch -

Informationsmangel Information vermitteln z. T. warnen

Fehlende Wahrnehmung Information vermitteln z. T. warnen

Fehlinterpretation Warnung z. T. aktive Unterstützung

Fehlentscheidung Aktive Unterstützung z. T. Eingriff

Fehlerhafte Ausführung Eingriff

Tab. 18: Überblick über Fehlhandlungen, die bei bestimmten Aufgaben beim Fahren oder in bestimmten Situationen zu finden sind.Für jede Fehlhandlung ist die Zuordnung zur Fehlerart und die notwendige Eingriffsstrategie dargestellt. Zur weiteren Er-klärung, s. Text

Fehlhandlungen Aufgabe beim Fahren Situation Fehlerart

VernachlässigungSpurhaltung, Abstandshaltung,Informationen über andere,Berücksicht. Bevorrechtigter

Fehlende Wahrnehmung

Fehlanpassung an SituationAbstand, Geschwindigkeit, Po-sition auf Spur, Anhalten/Los-fahren

Straßenzustand, Straßenver-lauf, andere Verkehrsteilneh-mer, Fahrerzustand, Fahrer-fähigkeiten, schlechte Sicht-verhältnisse

Fehlinterpretation bzw. Fehlentscheidung

Fehlinterpretation Vorfahrt, Abbiegen, Überholen Fehlinterpretation

Fehleinschätzung Verhalten anderer antizipierenKreuzung, Überholen, Voran-fahrende

Fehlinterpretation

Risiken eingehen Mögl. Kollision mit anderen Fehlentscheidung

Ausführungsfehler Gas/Bremse, Lenken Ausführung

Page 35: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Bei Informationsmangel und fehlender Wahrneh-mung ist es dann sinnvoll zu warnen, wenn vor-handene Informationen wegen einer fehlerhaftenAufmerksamkeitsausrichtung des Fahrers nicht be-achtet werden. Oder: Eine Informationsvermittlungdurch Assistenzsysteme wird nur dann wirksamsein, wenn sichergestellt ist, dass der Fahrer dieseInformation auch beachtet. Bei Fehlinterpretatio-nen ist eine aktive Unterstützung notwendig, wennsehr wenig Zeit für eine Korrektur der Fehlhandlungbleibt. Bei Fehlentscheidungen ist ein Eingriff not-wendig, wenn der Fahrer bewusst fehlerhaft oderrisikoreich plant.

Eine besondere Rolle spielen außerdem Fehlhand-lungen, bei denen die Ursache in einem einge-schränkten Fahrerzustand zu suchen ist (z. B.durch Alkohol). Prinzipiell wäre es natürlich mög-lich, die daraus resultierenden Fehlhandlungendurch Fahrerassistenzsysteme zu vermeiden. Dadies letztlich dazu führen würde, das Fahren miteingeschränktem Zustand zu verstärken, kann dieskeine sinnvolle Lösung sein. Hier müssten vielmehrMöglichkeiten gefunden werden, die Fahrt in die-sem eingeschränkten Zustand zu verhindern. Vo-raussetzung dafür ist die Erkennung des Fahrerzu-stands. Hier werden aktuell verschiedene Metho-den des „driver monitoring“ diskutiert, wobei sichdiese Systeme in der Regel darauf beschränken,den Fahrerzustand rückzumelden. Unklar ist, obdadurch die Fahrt zu verhindern ist bzw. wie dieszu erreichen ist. Entsprechend ist eine Sicherheits-bewertung dieser Systeme nicht möglich.

Vor diesem Hintergrund ist in Tabelle 18 den Feh-lerarten die entsprechende Strategie für Assistenz-systeme zuzuordnen. Dies wird bei der Beschrei-bung der einzelnen Unfalltypen und ihrer Ursachenentsprechend aufgegriffen. Die wesentlichen Fehl-handlungen und ihre Ursachen werden im Folgen-den kurz zusammenfassend beschrieben.

(1) Vernachlässigung: Fahrer führen bestimmteTeile der Fahraufgabe nicht oder nachlässigaus, sodass daraus Unfälle entstehen. Dies be-trifft die Spurhaltung (1.1), die Abstandshaltung(1.2), die aktive Informationssuche hinsichtlichanderer Verkehrsteilnehmer (1.3) oder dieBerücksichtigung anderer bevorrechtigter Ver-kehrsteilnehmer bei der Planung des Fahr-manövers (1.4).

(1.1 und 1.2) Auf der Stabilisierungsebene wird dieSpur- oder Abstandshaltung kurzzeitig nichtdurchgeführt. Als Fehlhandlung ist zu beschrei-

ben, dass die Fahrer nicht auf Abweichungenvon der Idealspur bzw. vom sicheren Abstandreagieren. Handlungsfehler sind das Abkom-men von der Fahrbahn bzw. das Auffahren. Ur-sache für die Fehlhandlung sind Unaufmerk-samkeit, Ablenkung, eine fehlerhafte Ausrich-tung der Aufmerksamkeit oder ein durch Alko-hol, Drogen oder Müdigkeit eingeschränkterFahrerzustand, sodass der Fahrer die relevan-ten Informationen nicht wahrnimmt. Von denFehlerarten her geht es damit um die fehlendeWahrnehmung vorhandener Informationen, so-dass als Eingriffsstrategie ein Weg gefundenwerden muss, diese Informationen dem Fahrertrotz der Einschränkungen zu vermitteln. Diesist problematisch im Fall von Alkohol, Drogenoder bei Müdigkeit. Eine sinnvolle Alternativewäre, das Fahren mit einem eingeschränktenFahrerzustand zu verhindern (s. o.). Im Falle vonAblenkung, Unaufmerksamkeit oder einer feh-lerhaften Ausrichtung der Aufmerksamkeit ist esnotwendig, die Aufmerksamkeit der Fahrer aufdie relevanten Informationen zu lenken. Da vor-handene Informationen nicht wahrgenommenwerden, könnte es notwendig sein, eine ent-sprechende Warnung einzuführen, die demFahrer Hinweise gibt, welche Informationen erin seine Handlungsplanung einbeziehen sollte.

(1.3) Für bestimmte Manöver auf der Führungsebe-ne ist es notwendig, aktiv Informationen übermögliche Konfliktpartner einzuholen. Fehlhand-lung ist in diesem Fall das Unterlassen dieserInformationssuche, sodass die entsprechendenInformationen nicht in die Handlungsplanungeinbezogen werden können. Daraus folgt alszweite Fehlhandlung die Ausführung einesFahrmanövers (z. B. ein Spurwechsel), bei demes dann zum Handlungsfehler „Zusammenstoßmit dem entsprechenden Konfliktpartner“kommt. Die Ursache für die erste Fehlhandlungliegt im Bereich einer Fehlentscheidung, da dieInformationssuche ohne besonderen Grundoder bedingt durch den Fahrerzustand nichtdurchgeführt wird, obwohl es dem Fahrer be-wusst sein sollte, dass er dies tun müsste. EineKorrektur dieser Fehlentscheidung durch einAssistenzsystem ist direkt nur schwer möglich,da es sich nicht um ein auf das eigene Fahrzeugbezogenes und damit im Fahrzeug ohne weite-res registrierbares Verhalten handelt. DieseFehlentscheidung, die Information nicht einzu-holen, führt dazu, dass beim Fahrer Informa-

34

Page 36: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

tionsmangel vorliegt. Dieser ist die Ursache fürdie zweite Fehlhandlung, den Spurwechsel.Dieser Fehler wäre dadurch zu beheben, dassein Assistenzsystem dem Fahrer Informationenüber mögliche Konfliktpartner vermittelt, wobeifraglich erscheint, ob der Fahrer diese Informa-tion berücksichtigt, da er darauf verzichtet hat,Informationen einzuholen. Deshalb wäre zumin-dest eine Warnung notwendig. Diese ist aller-dings erst dann möglich, wenn der Fahrer plötz-lich handelt, ohne den entsprechenden anderenVerkehrsteilnehmer zu berücksichtigen, weilerst dann für das System zu erkennen ist, wasder Fahrer beabsichtigt. Aufgrund der kurzendann verfügbaren Zeit könnte deshalb aucheine aktive Unterstützung durch ein Systemnotwendig werden.

(1.4) Prinzipiell vorhandene Informationen über an-dere bevorrechtigte Verkehrsteilnehmer werdennicht bei der Handlungsplanung berücksichtigt.Fehlhandlung ist das Fahren ohne die Berück-sichtigung dieser anderen Verkehrsteilnehmer.Handlungsfehler ist die Kollision mit diesen Ver-kehrsteilnehmern. Eine Gruppe von Ursachenfür diese Fehlhandlung sind Unaufmerksamkeit,Ablenkung, eine fehlerhafte Ausrichtung derAufmerksamkeit oder ein eingeschränkter Fah-rerzustand, sodass der Fahrer die relevanten In-formationen nicht wahrnimmt. Von den Fehler-arten her geht es damit um die fehlende Wahr-nehmung vorhandener Informationen, sodassals Eingriffsstrategie ein Weg gefunden werdenmuss, diese Informationen dem Fahrer trotz derEinschränkungen zu vermitteln. Auch hier gilt,dass es bei einem eingeschränkten Fahrerzu-stand am sinnvollsten wäre, die Fahrt in diesemZustand zu verhindern (s. o.). In den anderenFällen muss die Aufmerksamkeit der Fahrer aufdie relevanten Informationen gelenkt werden,wozu wahrscheinlich eine Warnung notwendigist, die den Fahrer darauf hinweist, was erberücksichtigen sollte. Als weitere Ursache wirddie fehlerhafte Einschätzung der Situation be-richtet, d. h. eine Fehlinterpretation z. B. derVorfahrtsregelung. Auch in diesem Fall wäre nureine Warnung wirkungsvoll, da die Informationwahrgenommen, aber als nicht relevant bewer-tet wurde.

(2) Die Fahrer passen die Planung und Ausführungihrer Fahrmanöver nicht adäquat an die Situati-on an, sodass ein Unfall geschieht. Nicht ange-passt werden der Abstand, die Geschwindig-

keit, die Position auf der Spur oder die Vorga-ben für die Längsführung (Anhalten und Losfah-ren) im Rahmen von verschiedenen Fahr-manövern. Dabei wird das Verhalten nicht ange-passt an einen bestimmten Straßenzustand(2.1), an den Straßenverlauf (2.2), an andere Ver-kehrsteilnehmer, die die Fahrspuren verengenoder die eine entsprechende Fahrweise verlan-gen (2.3), an den Fahrerzustand (2.4), an Fahrer-fähigkeiten (2.5) und an schlechte Sichtverhält-nisse (2.6). Die Fehlhandlung besteht hier darin,die oben erwähnten Aspekte des Verhaltensnicht entsprechend zu verändern, also z. B.langsamer zu fahren, größere Abstände zuwählen usw. Die verschiedenen Ursachen wer-den im Folgenden kurz dargestellt.

(2.1) Wenn Geschwindigkeit und Abstand trotzNässe oder Glätte nicht angepasst werden, lie-gen die Ursachen nicht im Bereich des Informa-tionsmangels oder der fehlenden Wahrneh-mung, da die entsprechenden Informationenüberdauernd, langfristig und einfach zu erken-nen sind. Zu vermuten sind Fehlinterpretationenz. B. im Sinne einer Fehleinschätzung der Be-herrschbarkeit des Fahrzeugs oder Fehlent-scheidungen, da z. B. die Gefahr unterschätztund die schnelle Ankunft hoch bewertet wird.Da in der Umwelt vorhandene Warnungen (z. B.Geschwindigkeitsbegrenzungen bei Nässe)nicht dazu führen, dass die Geschwindigkeitender Fahrer angepasst werden, ist auch voneinem warnenden Assistenzsystem nur eine be-grenzte Wirkung zu erwarten, sodass wahr-scheinlich nur eine aktive Unterstützung oderein übersteuerbarer Eingriff mit Regelung vonGeschwindigkeit bzw. Abstand wirkungsvolldiesen Fehler vermeidet.

(2.2 und 2.3) Hier wird auf den Straßenverlauf bzw.auf andere Verkehrsteilnehmer wie z. B. Fahr-radfahrer oder parkende Fahrzeuge nicht adä-quat reagiert. Die Ursachen liegen nach denProtokollen vor allem im Bereich der Fehlinter-pretation (z. B. werden Abstände falsch einge-schätzt), sodass nur von Warnungen positiveWirkungen zu erwarten sind. Wegen der kurzenZeiten, die für eine Reaktion verfügbar sind, istes wahrscheinlich nur mit Hilfe einer aktiven Un-terstützung durch Assistenz möglich, um denUnfall zu vermeiden.

(2.4. und 2.5) Wenn der eigene Zustand und die ei-genen Fähigkeiten nicht berücksichtigt werden,

35

Page 37: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

liegt die Ursache im Bereich der Fehlentschei-dungen. Assistenzsysteme müssten in Abhän-gigkeit von Fahrereigenschaften und Fahrerzu-stand diese Fehlentscheidung durch aktive Un-terstützung korrigieren. Einerseits müsstendazu Fahrereigenschaften und Fahrerzustanderfasst werden, was nicht ohne weiteres mög-lich ist. Andererseits könnte die aktive Unter-stützung vom Fahrer gerade unter den entspre-chenden Umständen (z. B. Alkoholisierung)übersteuert werden. Bei einem eingeschränktenFahrer wäre es am sinnvollsten, die weitereFahrt zu verhindern, was aktuell nicht ohne wei-teres möglich ist (s. o.). Wesentliche Sicher-heitsgewinne sind von dieser Möglichkeit abge-sehen nur dadurch zu erwarten, dass das Fahr-zeug das Fahren überwacht, innerhalb eines si-cheren Bereichs hält und notfalls eingreifenkann.

(2.6) Bedingt durch Sichtbehinderungen werden re-levante Merkmale der Umwelt nicht erfasst, aufwelche die Fahrer reagieren müssten. Die Fah-rer müssten im Vorfeld ihr Verhalten entspre-chend anpassen, um dann bei plötzlich auftre-tenden Veränderungen der Umwelt sicher rea-gieren zu können. Als Fehlhandlung ist zu be-schreiben, dass die Fahrer diese Anpassungnicht leisten. Da die Sichtbehinderungen vonden Fahrern wahrgenommen werden, aber sienicht darauf reagieren, ist dies als Fehlentschei-dung zu bewerten. Ein aktiv unterstützendesSystem müsste die Sichtbehinderung erkennenund Geschwindigkeit, Abstand oder den Zeit-punkt des Losfahrens entsprechend anpassen.Dies setzt natürlich voraus, dass das Systemdie Sichtbehinderung als solche erkennt. Eineandere Möglichkeit wäre es, dem Fahrer die In-formationen, die er nicht wahrnimmt, system-seitig zu vermitteln. Dies setzt wiederum vo-raus, dass dem System diese Informationen zurVerfügung stehen, wobei Blendungen, Dunkel-heit, aber auch Verdeckungen berücksichtigtwerden müssten.

(3) In der dritten Gruppe liegt die Ursache für dieFehlhandlung darin, dass vorhandene Informa-tionen falsch interpretiert werden. Dadurch wirddie Situation fehlerhaft bewertet und die Fahrerhandeln aus ihrer Sicht richtig, objektiv aberfehlerhaft. Dies kann die Überzeugung betref-fen, Vorfahrt zu haben, auf einer Fahrspur ab-biegen zu dürfen oder nicht überholt werden zudürfen. In diesem Fall muss ein Assistenz-

system durch eine Warnung diese Fehlinterpre-tation korrigieren. Aufgrund der kurzen Zeit, diefür eine Reaktion zur Verfügung steht (z. B. derFahrer beginnt einen Spurwechsel trotz einesüberholenden Fahrzeugs) ist wahrscheinlicheine zusätzliche Unterstützung notwendig, umdas Fehlverhalten zu verhindern.

(4) In der vierten Gruppe wird das Verhalten ande-rer Verkehrsteilnehmer falsch eingeschätzt odervorhergesehen. Die Ursache für diesen Fehlerliegt ebenfalls in der Fehlinterpretation vorhan-dener Information, wobei es hier um eine Vor-hersage zukünftigen Verhaltens der anderengeht und damit auch die Planung des Verhal-tens betroffen ist. Diese Art von Fehlern spieltim Kreuzungsbereich eine große Rolle, beimÜberholen und bei voranfahrenden Fahrzeugen.Ein warnendes System müsste die Vorhersagedes Fahrers korrigieren. Auch hier wird aufgrundder kurzen Zeitspannen wahrscheinlich eine ak-tive Unterstützung notwendig sein, um dieseUnfälle zu verhindern.

(5) In der fünften Gruppe gehen die Fahrer bewusstRisiken ein. Um diese Art von Fehlentscheidungzu korrigieren, ist ein Eingriff durch das Systemnotwendig, da in der Umwelt vorhandene Infor-mationen und Warnungen ignoriert werden unddies deshalb auch für Warnungen oder aktiveUnterstützung durch das Assistenzsystem zuerwarten ist. Unter Umständen ist allerdings zubefürchten, dass auch die Eingriffe übersteuertwerden oder das Assistenzsystem abgeschaltetwird.

(6) In der letzten Gruppe geschehen Ausführungs-fehler im Bereich der Längs- (z. B. Abrutschenvon Gas und Kupplung) und Querführung (Ver-reißen des Lenkrads usw.). Hier sind ein Eingriffdurch das System und eine Korrektur notwen-dig, um den daraus folgenden Unfall zu verhin-dern.

Diese verschiedenen Fehlhandlungen und ihre Ur-sachen werden im Folgenden bei der Darstellungder einzelnen Unfalltypen auf die Unfallsituationund die dort auftretenden Handlungsfehler bezo-gen. Dabei wird einerseits der Bezug zu den Fahr-aufgaben auf Stabilisierungs- und Führungsebenehergestellt, andererseits zur notwendigen Eingriffs-strategie, um für jeden Unfalltyp Hinweise auf Assistenzsysteme geben zu können, die diese Artvon Unfällen verhindern könnten. Für die häufigs-ten Unfälle werden Beispiele von Unfallprotokollen

36

Page 38: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

mit einer internen Codenummer gegeben. Die ex-akten Anzahlen in den einzelnen Tabellen könnendurch die Gewichtung aufgrund von Rundungenunterschiedlich ausfallen.

3.2 Der Fahrunfall

Bei den Fahrunfällen sind die häufigsten Feintypendie Unfälle in Kurven (101 und 102), auf geraderStrecke mit Abkommen von der Fahrbahn (141,142, 143), beim Abbiegen (121 und 122) und beimAuffahren auf die Autobahn (124). In Tabelle 19 sinddiese Feintypen aufgelistet. Insgesamt werden mitdiesen ausgewählten Typen 92,4 % der Fahrunfäl-le analysiert. Dies entspricht 13,2 % aller Unfälleund 21,6 % der schweren Unfälle.

Laut Definition des Unfalltyps verliert der Fahrer bei den Fahrunfällen die Kontrolle über das Fahr-

zeug, weil er die Geschwindigkeit nicht entspre-chend dem Verlauf, dem Querschnitt, der Neigungoder dem Zustand der Straße gewählt hat oder weiler deren Verlauf oder die Querschnittsän-derung zu spät erkannt hat. Die Fahrer kommennach rechts oder links von der Fahrbahn ab, so-dass Unfälle mit dem Gegenverkehr entstehenkönnen oder das Fahrzeug auf Hindernisse nebender Fahrbahn (Schilder, Bäume, Zäune, Wändeusw.) aufprallt. Der allen Feintypen gemeinsameHandlungsfehler ist der Verlust der Kontrolleeinschließlich der Kollision mit dem Gegenverkehroder Hindernissen.

Auf der Ebene der Fehlhandlungen lassen sich vierverschiedene Gruppen unterscheiden (s. Tabelle20). Am häufigsten finden sich Fehlanpassungender Geschwindigkeit. Diese wird an unterschiedli-che situative Rahmenbedingungen nicht ange-passt, dazu zählen der Straßenzustand, Fahrerzu-stand oder die eigene Leistungsfähigkeit (Selbst-überschätzung).

Ein Beispiel für die Fehlanpassung der Geschwin-digkeit an den Straßenzustand lautet folgender-maßen: „Der Unfallverursacher kam auf eis- bzw.schneeglatter Fahrbahn nach rechts von der Fahr-bahn ab und stieß gegen einen Straßenbaum“(Code 11331).

Bei der zweiten Gruppe von Fehlhandlungen wirddie Querführung ohne besonderen Grund vernach-lässigt. Folgender Unfall beschreibt einen typi-schen Verlauf: „In der lang gestreckten Linkskurve... kam 01 infolge Unachtsamkeit nach links gegenden Bordstein der Mittelleitplanke. Dadurch gerieter ins Schleudern, kam nach rechts von der Fahrbahn ab und prallte in die Leitplanke“ (Code4693).

37

Tab. 19: Häufigkeit der Feintypen beim Fahrunfall bei der Ana-lyse für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle(„Schwer“). Dargestellt sind die gewichteten Anzahlenund als Summe der Anteil der In-Depth analysiertenUnfälle an allen Fahrunfällen und an allen Unfällen ausBraunschweig

Fahrunfälle Gesamt Schwer

101 Linkskurve 125 63

102 Rechtskurve 119 42

143 Auf gerader Strecke, AvdF. rechts 96 39

142 Auf gerader Strecke, AvdF. links 55 21

121 Abbiegen/Einbiegen Kurve links 52 4

141 Auf gerader Strecke 51 23

122 Abbiegen/Einbiegen Kurve rechts 37 8

124 In einer Beschleunigungsspur 28 14

Summe 563 214

% Fahrunfälle 92.4 92.6

% aller Unfälle 13.2 21.6

Tab. 20: Häufigkeit der Fehlhandlungen bei Fahrunfällen. Dargestellt ist die gewichtete Anzahl für alle Unfälle („Gesamt“) undschwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf die Fahrunfälle und alle Unfälle

Fahrunfälle Anzahl % Fahrunfälle % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Fehlanpassung Geschwindigkeit Straßenzustand 354 128 58.0 55.2 8.3 12.9

Fehlanpassung Geschwindigkeit Fahrerzustand 70 44 11.5 19.1 1.6 4.5

Vernachläss. Querführung o. bes. Grund, Unaufmerksamkeit 62 21 10.2 9.2 1.5 2.2

Fehlanpassung Geschwindigkeit Leistungsfähigkeit 29 9 4.8 4.1 0.7 1.0

Ausführungsfehler 6 4 0.9 1.6 0.1 0.4

Fehlanpassung Geschwindigkeit Sichtbehinderung 4 0 0.7 0.0 0.1 0.0

Ausweichen 2 2 0.4 1.0 0.1 0.2

Keine Zuordnung 28 4 4.6 1.8 0.7 0.4

Ausschluss 6 2 0.9 0.8 0.1 0.2

Summe 561 214 92.2 92.8 13.2 21.6

Page 39: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Bei der dritten Gruppe besteht die Fehlhandlung ineinem fehlerhaften Eingriff in die Geschwindigkeits-oder Spurregulation. Ein Beispiel: „Nach Durchfah-ren der Rechtskurve sei 01 mit dem rechten Fußvom Bremspedal abgerutscht und habe auf dasGaspedal getreten. Das Fahrzeug 01 kam nachrechts von der Fahrbahn ab und stieß rechtsseitigauf die Hinterachse des Fahrzeuges 02“ (Code10356).

Die letzte Gruppe umfasst Unfälle, bei denen dieFehlhandlung im bewussten Ausweichen besteht.Der Fahrer geht ein Risiko ein, um den Unfall zuvermeiden. „… In Höhe des KM 1.35 kam ihr einLkw entgegen. Dieser Lkw sei nach ihren Angabenauf ihre Fahrbahnhälfte geraten, sodass sie äußerstrechts fuhr, wobei sie auf einen rechten, unbe-festigten Seitenstreifen geriet und dort einen Leit-pfosten erfasste“ (Code 5991).

Alle Fehlhandlungen geordnet nach der Häufigkeitihres Auftretens sind in Tabelle 20 dargestellt. Anerster Stelle steht die Fehlanpassung der Ge-schwindigkeit an den Straßenzustand (58,0 % allerbzw. 55,2 % der schweren Fahrunfälle). DieFehlanpassung der Geschwindigkeit an den Fah-rerzustand betrifft stärker die schweren Fahrunfälle(19,1 %) als die Fahrunfälle gesamt (11,5 %). Ähn-lich häufig bei beiden Arten von Unfällen ist die Ver-nachlässigung der Querführung mit 10,2 % bzw.9,2 %. Schließlich findet sich eine Fehlanpassungder Geschwindigkeit an die Leistungsfähigkeit derFahrer bei 4,8 % bzw. 4,1 %. Alle anderen Fehl-handlungen treten sehr selten auf.

Nicht zuzuordnen sind Fahrunfälle, bei denen Fahr-erflucht vorlag und bei denen deshalb über denUnfallverlauf keine Aussagen möglich sind (4.6bzw. 1,8 %). Ausgeschlossen wurden Unfälle, beidenen kein Pkw beteiligt war oder die von der Po-lizei falsch klassifiziert wurden (0.9 bzw. 0,8 %).

Für jede der Fehlhandlungen sind bestimmte Fahr-manöver von einem Fahrerassistenzsystem zu be-herrschen, um die Fehlhandlung zu verhindern undso den Unfall zu vermeiden. Diese Zuordnung ist inTabelle 21 dargestellt. Bei der Fehlanpassung gehtes auf der Führungsebene darum, dem Straßenver-lauf zu folgen und eine der Situation angemesseneGeschwindigkeit zu wählen. Dabei ist die Ge-schwindigkeit an Umweltbedingungen wie Nässeund Glätte anzupassen und der Straßenverlaufauch bei Kurven, Kreuzungen und Auffahrten zuberücksichtigen. Die Erkennung des Straßenver-laufs muss trotz schlechter Sichtverhältnisse mög-lich sein. Bei der Vernachlässigung der Spurhal-tung und den Fehlhandlungen bei der Ausführunggeht es auf der Führungsebene ebenfalls darum,der Straße zu folgen, wobei hier die Spurhaltung imVordergrund steht, wo eine bestimmte Genauigkeitvorgegeben wird und diese dann auf der Stabilisie-rungsebene eingehalten werden muss. Beim Aus-weichen schließlich geht es darum, sich einem Hin-dernis anzunähern, vor diesem anzuhalten oder eszu passieren.

Die Ursache der Fehlhandlung (s. Tabelle 22) liegtbei den Fehlanpassungen der Geschwindigkeitdarin, dass die Fahrer Fehlentscheidungen treffen,

38

Tab. 21: Zuordnung der Fehlhandlungen zu den verschiedenen Fahraufgaben beim Fahrunfall. Mit einem Kreuz sind die Fahrauf-gaben gekennzeichnet, die von einem Assistenzsystem beherrscht werden müssen, um den Unfall zu verhindern

Fahrunfall

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Fehlanpassung Geschwindigkeit X X X

Vernachlässigung Querführung X X X

Ausführungsfehler X X X

Ausweichen X X X

Page 40: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

bei denen die vorliegende relevante Informationennicht in ihre Handlungsplanung einbezogen wirdoder der eigene Zustand bzw. die eigenen Fähig-keiten falsch beurteilt werden. Die fehlende Wahr-nehmung vorliegender Information ist die Ursachebei der Vernachlässigung der Spurhaltung. BeimAusweichen trifft der Fahrer eine aus seiner Sichtrichtige Entscheidung, die aber zu dem Unfall führt.Unter Umständen hätte der Unfall durch besserePlanung oder Ausführung vermieden werden kön-nen. Vielleicht hat der Fahrer aber auch nachvoll-ziehbar die weniger schlimme Alternative gewählt.Deshalb liegt hier entweder eine Fehlentscheidungoder eine fehlerhafte Ausführung vor. Schließlichliegen bei der letzten Gruppe von Fehlhandlungendie Ursachen in der Ausführung.

Zusammenfassend bedeutet das für den Fahrunfall:

· Die verschiedenen Feintypen lassen sich beidiesem Unfalltyp hinsichtlich der Fehlhandlun-gen und ihrer Ursachen zusammenfassen.

· Im Vordergrund steht die Fehlanpassung derGeschwindigkeit an die Situation und die Fah-rermerkmale (insgesamt 75 % aller und 78 %der schweren Fahrunfälle), gefolgt von einerVernachlässigung der Spurhaltung (10 % bzw. 9 % der Fahrunfälle). Alle anderen Fehlhandlun-gen entsprechen insgesamt nur 1 % bzw. 3 %der Fahrunfälle.

· Um diese Unfälle zu verhindern, muss die Ge-schwindigkeit an die Situation angepasst wer-den. Die Unterstützung der Spurhaltung stehtmit weitem Abstand an zweiter Stelle.

· Von der Eingriffsstrategie her ist bei der Fehlan-passung eine aktive Unterstützung notwendig.

Ein Assistenzsystem muss die Information überden Straßenzustand, den Fahrerzustand unddie Leistungsfähigkeit der Fahrer berücksichti-gen, um davon ausgehend den Fahrer dabei zuunterstützen, eine sichere Geschwindigkeit zuhalten, indem z. B. über ein aktives GaspedalHinweise gegeben werden, die Geschwindigkeitzu verringern. Da die Fahrer Informationen undWarnungen aus der Umwelt ignorieren, könntees auch sinnvoll sein, durch einen übersteuer-baren Eingriff eine sichere Geschwindigkeit zuhalten. Bei einem eingeschränkten Fahrerzu-stand wäre es am sinnvollsten, die Fahrt zu ver-hindern.

· Bei der Vernachlässigung der Spurhaltung müs-sen dem Fahrer die Informationen über die Po-sition in der Spur vermittelt werden, sodass ersie trotz Unaufmerksamkeit oder Ablenkungwahrnimmt, sodass hier eine Warnung notwen-dig ist. Aufgrund der kurzen zur Verfügung ste-henden Zeit für eine Korrektur könnte sogareine Unterstützung des Lenkens notwendigsein.

· Die seltenen Ausführungsfehler könnten durchein eingreifendes Assistenzsystem, dass dieSpurhaltung überwacht und in kritischen Fällenkorrigiert, verhindert werden.

· Im Fall der seltenen Ausweichmanöver kannunter Umständen ein Collision-Avoidance-Sys-tem positiv wirksam sein.

3.3 Der Abbiegeunfall

Die häufigsten Feintypen der Abbiegeunfälle sind inTabelle 23 aufgeführt. Diese decken 90,9 % allerbzw. 89,1 % der schweren Abbiegeunfälle ab.Diese ausgewählten Abbiegeunfälle entsprechen11,0 % aller und 12,3 % der schweren Unfälle. Amhäufigsten treten Unfälle von Linksabbiegern auf,wobei das Auffahren auf Linksabbieger an ersterStelle steht, gefolgt von Kollisionen mit entgegen-kommenden Fahrzeugen beim Linksabbiegen. Andritter Stelle ist das Auffahren auf einen Rechtsab-bieger zu finden. Alle weiteren Feintypen sind deut-lich seltener.

Um einen Abbiegeunfall handelt es sich, wenn derUnfall durch einen Konflikt zwischen einem Abbie-ger und einem aus gleicher oder entgegengesetz-ter Richtung kommenden Verkehrsteilnehmer aus-gelöst wurde. Das gilt an Einmündungen und Kreu-

39

Tab. 22: Ursachen der Fehlhandlungen für den Fahrunfall. MitKreuzen ist der Punkt in der Handlung angegeben, andem die Ursache für die Fehlhandlung liegt

Fahrunfall

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Fehlanpassung Geschwindigkeit X

Vernachlässigung Querführung X

Ausführungsfehler X

Ausweichen X X

Page 41: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

zungen von Straßen, Feld- oder Radwegen sowiean Zufahrten, z. B. zu einem Grundstück odereinem Parkplatz. Aus der Definition des Abbiege-unfalls wird bereits deutlich, dass es im Unter-schied zum Fahrunfall mehrere Handlungsfehlergibt. Insgesamt lassen sich 6 unterschiedlicheHandlungsfehler beschreiben:

· Handlungsfehler „Auffahren“. Hier werden dieFeintypen 201 (Linksabbieger und nachfolgen-des Fahrzeug) und 231 (Rechtsabbieger undnachfolgendes Fahrzeug) zusammengefasst.

· Handlungsfehler „Kollision mit Entgegenkom-mendem“. Darunter fallen die Feintypen 211(Linksabbieger und entgegenkommendes Fahr-zeug) und 244 (Rechtsabbieger und entgegen-kommender Fahrradfahrer).

· Handlungsfehler „seitliche Kollision beim Abbie-gen“. Darunter fallen Unfälle der Feintypen 202(Linksabbieger und Überholer) und 232 (Rechts-abbieger und Überholer), bei denen der Unfall-schuldige (01) der Abbieger war.

· Handlungsfehler „seitliche Kollision beim Über-holen“. Hierzu zählen ebenfalls Unfälle der Fein-typen 201 und 231, hier war der Verursacher(01) allerdings der Überholer.

· Handlungsfehler „seitliche Kollision gemeinsamabbiegender Fahrzeuge“, unter den die Unfälleder Feintypen 251 (zwei Abbieger nach links)und 252 (zwei Abbieger nach rechts) subsumiertwerden.

· Handlungsfehler „seitliche Kollision mit Fahr-radfahrer rechts“. Dazu zählen die Unfälle des

Feintyps 243 (Rechtsabbieger und Fahrradfah-rer).

Im Folgenden werden für die verschiedenen Hand-lungsfehler die wichtigsten Fehlhandlungen kurzbeschrieben. Beim Handlungsfehler „Auffahren“kommt es zum Unfall, weil ein abbiegendes Fahr-zeug auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auffährt,das vor dem Abbiegen anhält. Hierbei werden vierverschiedene Fehlhandlungen unterschieden. ImVordergrund steht die Vernachlässigung der Ab-standshaltung. Das passiert in den häufigsten Fäl-len aufgrund von Unachtsamkeit, aber auch wegender falschen Ausrichtung der Aufmerksamkeit. EinBeispiel für Ersteres lautet folgendermaßen: „DerBeteiligte 02 befuhr die Celler Heerstr. in Richtungstadtauswärts und hielt in Höhe Nr. XXX an, umnach links in die Straße hinter dem Turme abzubie-gen. Der Beteiligte 01 erkannte den stehenden Lkwzu spät und fuhr auf“ (Code 2771).

Eine weitere Fehlhandlung ist die Fehleinschätzungdes Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer, wiesich anhand des nachstehenden Beispiels zeigenlässt: „Unmittelbar musste 02 aufgrund eines aufdem Radweg kreuzenden Radfahrers verkehrsbe-dingt anhalten. Der nachfolgende 01 hatte nichtdamit ‚gerechnet’ und fuhr auf den stehenden Pkw02 auf“ (Code 6941).

Bei der dritten Gruppe kommt es zu einer Fehlan-passung von Abstand und Geschwindigkeit. Dabeiwird der Straßenzustand, die Fahrerfähigkeit oderder eingeschränkte Fahrerzustand nicht angemes-sen berücksichtigt. Ein Beispiel für die Fehlanpas-sung von Abstand und Geschwindigkeit an denStraßenzustand ist: „Als ihr Fahrzeug bereits zumStillstand gekommen war, näherte sich von hintendie Beteiligte 01. Sie bemerkte die Situation zwarrechtzeitig, konnte ihr Fahrzeug jedoch aufgrundder Eisglätte nicht mehr rechtzeitig zum Stehenbringen und rutschte auf den Pkw der Beteiligten02“ (Code 1702).

Zur letzten Gruppe gehören die Ausführungsfehler,also Unfälle, die als Folge von motorischen Fehlernauftreten: „Der hinter 02 folgende 01 erkannte,dass der 02 eine Radfahrerin passieren lassenwollte, und bremste seinen Pkw ebenfalls ab. Da ervon der Bremse abrutschte, kam es zum Zusam-menstoß mit dem Pkw des 02“ (Code 5783).

In Tabelle 24 sind alle Fehlhandlungen des Abbie-geunfalls mit dem Handlungsfehler „Auffahren“dargestellt, geordnet nach der Häufigkeit dieser

40

Tab. 23: Häufigkeit der Feintypen beim Abbiegeunfall bei derAnalyse für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfäl-le („Schwer“). Dargestellt sind die gewichteten Anzah-len und als Summe der Anteil der In-Depth analysier-ten Unfälle an allen Abbiegeunfällen und an allen Un-fällen aus Braunschweig

Abbiegeunfälle Gesamt Schwer

201 Linksabbieger Nachfolgender 142 38

211 Linksabbieger Gegenverkehr 133 49

231 Rechtsabbieger Nachfolgender 84 8

202 Linksabbieger links Überholender 24 7

243 Rechtsabbieger Fzg. gleiche Seite 24 13

252 Zwei Abbieger rechts 24 1

251 Zwei Abbieger links 15 0

232 Rechtsabbieger rechts Überholender 14 1

244 Rechtsabbieger Entgegenkommender 10 5

Summe 470 122

% Abbiegeunfälle 90.9 89.1% aller Unfälle 11.0 12.3

Page 42: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Fehlhandlungen. Am häufigsten ist die Vernachläs-sigung der Abstandshaltung durch Unaufmerk-samkeit mit 31,3 % aller Abbiegeunfälle und 17,4 % der schweren Abbiegeunfälle gefolgt vonder Vernachlässigung bedingt durch eine falscheAufmerksamkeitsausrichtung (1,6 % bzw. 1,0 %).Ähnlich geringe Häufigkeiten weisen auch die Fehl-einschätzung des Verhaltens anderer (1,4 % bzw.1,0 %) und die Fehlanpassung von Abstand undGeschwindigkeit an den Straßenzustand (1,2 %bzw. 1,5 %) auf. Alle weiteren Fehlhandlungen lie-gen unter 1 %.

Ordnet man die oben beschriebenen Fehlergrup-pen den Fahrmanövern zu, die ein Assistenzsys-tem unterstützen bzw. durchführen muss, um die-

sen Unfall zu verhindern, so zeigt sich für alle Feh-lergruppen das gleiche Muster (s. Tabelle 25). Aufder Führungsebene geht es darum, einen Soll-Ab-stand zum vorausfahrenden Fahrzeug einzuhalten,sowie sich diesem Fahrzeug anzunähern und davoranzuhalten. Das Abbiegen ist nicht angekreuzt, dader Unfall vor dem Abbiegen geschieht und für denAuffahrenden das Abbiegen nicht die Fahraufgabeist. Auf der Stabilisierungsebene steht die Ab-standsregelung im Vordergrund.

Die Ursache für die Vernachlässigung der Ab-standshaltung liegt darin, dass die Fahrer vorhan-dene Informationen nicht wahrnehmen, sodasseine Warnung vor voranfahrenden oder stehendenFahrzeugen zu vermitteln ist. Bedingt durch die

41

Tab. 24: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Abbiegeunfällen mit Auffahren. Dargestellt ist die gewichtete Anzahl füralle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alle Abbiegeunfäl-le und alle Unfälle

Abbiegeunfälle AuffahrenAnzahl % Abb.-Unfälle % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung Abstandshaltung, Unaufmerksamkeit 162 24 31.3 17.4 3.8 2.4

Vernachlässigung Abstandshaltung, falsche Aufmerksam-keitsausrichtung

8 1 1.6 1.0 0.2 0.1

Fehleinschätzung Verhalten anderer 7 1 1.4 1.0 0.2 0.1

Fehlanpassung Abstand und Geschw., Straßenzustand 6 2 1.2 1.5 0.1 0.2

Fehlanpassung Abstand und Geschw., Fahrerfähigkeit 4 0 0.8 0.0 0.1 0.0

Fehlanpassung Abstand und Geschw., Fahrerzustand 2 1 0.3 0.5 0.0 0.1

Ausführungsfehler 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 2 0 0.4 0.0 0.0 0.0

Ausschluss 33 16 6.5 12.0 0.8 1.7

Summe 226 46 43.7 33.5 5.3 4.6

Tab. 25: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für den Abbiegeunfall (Handlungsfehler „Auffahren“)

Abbiegeunfall Auffahren

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung Abstandshaltung X X X X X

Fehleinschätzung Verhalten anderer

X X X X X

Fehlanpassung Abstand und Geschwindigkeit

X X X X X

Ausführungsfehler X X X X X

Page 43: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

kurze zur Verfügung stehende Zeit könnte aucheine entsprechende aktive Unterstützung desBremsens notwendig sein (s. Tabelle 26). Bei derFehleinschätzung des Verhaltens anderer liegt dieUrsache in der Fehlinterpretation vorhandener In-formationen, sodass hier eine Warnung notwendigist bzw. entsprechend der Argumentation obeneine aktive Unterstützung. Bei der Fehlanpassungvon Abstand und Geschwindigkeit sind es Fehlent-scheidungen des Fahrers, die zu dem Unfall ge-führt haben, sodass eine aktive Unterstützung ge-braucht wird. In der letzten Gruppe liegt die Fehler-ursache bei der Ausführung, sodass ein Eingriffnotwendig ist.

Zur zweiten Gruppe zählen Unfälle mit dem Hand-lungsfehler „Kollision mit Entgegenkommendem“.Der Handlungsfehler liegt darin, dass der Fahrerabbiegt, ohne den entgegenkommenden Verkehrzu beachten, und es infolgedessen zur Kollisionkommt. Dies kann entweder beim links Abbiegenmit einem entgegenkommenden Pkw oder beimrechts Abbiegen mit einem entgegenkommendenFahrradfahrer geschehen. Diesem Handlungsfehlergehen vier unterschiedliche Fehlhandlungen vo-raus.

In der ersten Gruppe werden andere Verkehrsteil-nehmer bei der Handlungsplanung der Längs-führung (An- und Weiterfahren) vernachlässigt. Daspassiert aufgrund von Unaufmerksamkeit, ohnebesonderen Grund oder weil die Fahrer die Situati-on falsch einschätzen. Ein Beispiel für die Vernach-lässigung der Längsführung aufgrund von Unacht-samkeit lautet wie folgt: „01 befuhr den Hagenring

aus Richtung Rebenring kommend und beabsich-tigte, nach links auf die Jasperallee stadtauswärtsabzubiegen. Beim Abbiegen nach links übersah erinfolge Unachtsamkeit den entgegenkommendenPkw 02, der den linken Geradeausfahrstreifen desAltewiekringes in Fahrtrichtung Hagenring befuhr,sodass es zum Unfall mit Sachsschaden kam“(Code 0923).

In der zweiten Gruppe geht es darum, dass dasFahren nicht an verschiedene Rahmenbedingun-gen angepasst wird. Abstand und Geschwindigkeitwerden nicht an den Straßenzustand und den Fah-rerzustand angepasst. Beim Anhalten werden Be-sonderheiten des Straßenverlaufs nicht berück-sichtigt. Schließlich wird das An- und Weiterfahrennicht an Sichtbehinderungen angepasst. Ein Bei-spiel für die Fehlanpassung von Abstand und Ge-schwindigkeit an den Straßenverlauf: „Demnachbefuhr der 01 den Mittelweg in Richtung Nordenund wollte in die Hofeinfahrt der BraunschweigerZeitung nach links abbiegen. 02 kam ihm entge-gen. Da sich 01 zu weit in die Gegenfahrbahn ein-geordnet hatte, nach eigenen Angaben stand erdort ca. 2 Sekunden, kam es zu einer leichten Kol-lision mit der Beteiligten 02. Es entstand leichterSachschaden“ (Code 0593).

Bei der bewusst riskanten Planung des Fahr-manövers handelt der Fahrer unter Inkaufnahmeeines Risikos und biegt ab, ohne den anderen pas-sieren zu lassen: „01 befuhr den linken Fahrstreifender Luisenstraße in Richtung Frankfurter Straßeund bog an der Kreuzung Luisenstraße/FrankfurterStraße/Cammanstraße verbotswidrig nach links ab ... . Hierbei übersah die 01 die entgegenkom-mende 02 mit ihrem Pkw“ (Code 8419). Schließlichfindet sich nur ein Ausführungsfehler, sodass aufein Beispiel verzichtet wird.

Eine Auflistung der genannten Fehlhandlungen undihrer Häufigkeiten findet sich in Tabelle 27. An ers-ter Stelle steht die Vernachlässigung der Berück-sichtigung anderer Verkehrsteilnehmer wegen Un-aufmerksamkeit (17,8 % aller Abbiegeunfälle und30,0 % der schweren Abbiegeunfälle) gefolgt vonder Vernachlässigung anderer ohne besonderenGrund (2,4 % bzw. 2,6 %) und wegen einer Fehl-einschätzung der Situation (1,4 % bzw. 1,0 %). DieFehlanpassung des Anhaltens an Besonderheitendes Straßenverlaufs ist die Fehlhandlung bei 1,5 %bzw. 0 % der Abbiegeunfälle. Bei den schwerenAbbiegeunfällen sind die bewusst riskante Planungdes Fahrmanövers und die Fehlanpassung von Ab-

42

Tab. 26: Ursachen der Fehlhandlungen für den Abbiegeunfallmit Auffahren. Mit Kreuzen ist der Punkt in der Hand-lung angegeben, an dem die Ursache für die Fehl-handlung liegt

Abbiegeunfall Auffahren

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung Abstandshaltung X

Fehleinschätzung Verhalten anderer

X

Fehlanpassung Abstand und Geschwindigkeit

X

Ausführungsfehler X

Page 44: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

stand und Geschwindigkeit an den Fahrerzustandhäufiger die Fehlhandlung als bei allen Unfällen (1,1 % bzw. 1,0 % bei den schweren Unfällen imVergleich zu jeweils 0,5 % bei allen Unfällen). Dieweiteren Fehlhandlungen sind sehr selten zu fin-den.

Hinsichtlich der zu unterstützenden Fahrmanöverstehen hier die Planung und Ausführung des Abbie-

gens auf der Führungsebene im Vordergrund (s. Ta-belle 28). In den meisten Fällen liegt die Fehlhand-lung darin, andere Verkehrsteilnehmer bei der Pla-nung nicht zu berücksichtigen. Weiter werden dasAnhalten, das An- und Weiterfahren und die Ab-stands- und Geschwindigkeitswahl nicht an situati-ve Umstände angepasst. Dabei können auch Aus-führungsfehler eine Rolle spielen. Vereinzelt wirddas Fahrmanöver bewusst riskant geplant.

43

Tab. 27: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Abbiegeunfällen mit Entgegenkommenden. Dargestellt ist die gewichte-te Anzahl für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alleAbbiegeunfälle und alle Unfälle

Abbiegeunfälle EntgegenkommenderAnzahl % Abb.-Unfälle % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 92 41 17.8 30.0 2.2 4.1

Vernachlässigung anderer o. bes. Grund 13 4 2.4 2.6 0.3 0.4

Fehlanpassung korrekt anhalten, Besonderh. Straßenverlauf 8 0 1.5 0.0 0.2 0.0

Vernachlässigung anderer wg. Fehleinschätzung, Situation 7 1 1.4 1.0 0.2 0.1

Vernachlässigung anderer wg. falscher Aufmerkeitsausrichtung 5 1 0.9 0.5 0.1 0.1

Fehlanpassung An-/Weiterfahren, Sichtbehinderung 3 1 0.5 0.5 0.1 0.1

Bewusst riskante Planung des Fahrmanövers 2 1 0.5 1.1 0.1 0.1

Fehlanpassung Abstand und Geschw., Fahrerzustand 2 1 0.5 1.0 0.1 0.1

Fehlanpassung Abstand und Geschw., Straßenzustand 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Ausführungsfehler 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 2 1 0.5 1.0 0.1 0.1

Ausschluss 7 3 1.4 2.2 0.2 0.3

Summe 144 55 27.8 39.9 3.4 5.5

Tab. 28: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für den Abbiegeunfall (Handlungsfehler „Kollision mitEntgegenkommenden“)

Abbiegeunfall Kollision mitEntgegenkommenden

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung anderer X X X

Fahranpassung korrekt anhalten X X X

Fehlanpassung An- und Weiterfahrt

X X X

Fehlanpassung Abstand und Geschwindigkeit

X X X

Bewusst riskante Planung X X X

Ausführungsfehler X X X

Page 45: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

In Tabelle 29 ist zu erkennen, dass die fehlendeWahrnehmung von Informationen die wesentlicheUrsache für die Vernachlässigung anderer ist. Hierkönnte ein informierendes Assistenzsystem bereitswirksam sein. Bei den verschiedenen Arten derFehlanpassung liegt die Ursache in einer nicht andie Situation angepassten Handlungsplanung. Beider Fehlanpassung des An- und Weiterfahrenskommt möglicherweise auch eine fehlerhafte Aus-führung hinzu. Unfällen, bei denen bewusst falschgehandelt wird, liegt eine Fehlentscheidung zugrun-de, bei der letzten Gruppe von Unfällen Fehler beider Ausführung. Bei den Fehlentscheidungen isteine aktive Unterstützung notwendig, bei der fehler-haften Ausführung ein übersteuerbarer Eingriff.

Bei der dritten Gruppe, der „seitlichen Kollisionbeim Abbiegen“ besteht der Handlungsfehler in der

seitlichen Kollision mit einem anderen Fahrzeug,während der Fahrer abbiegt. Die Fehlhandlung liegtdarin, dass der Fahrer beim links Abbiegen nichtbeachtet, dass er gerade überholt wird oder dasser beim rechts Abbiegen auf der entsprechendenSpur fälschlicherweise geradeaus fährt.

Dabei werden die anderen Verkehrsteilnehmer beider ersten Fehlhandlung entweder aufgrund vonUnaufmerksamkeit oder Überforderung durch eineandere Aufgabe vernachlässigt (s. Tabelle 30). DerFahrer biegt ab, ohne sich zu vergewissern, ob derAbbiegevorgang gefahrlos möglich ist, wie folgen-des Beispiel zeigt: „01 befuhr die HamburgerStraße stadtauswärts und wollte vom dortigenLinksabbiegerfahrstreifen auf das Gelände der Fa.Holzberg abbiegen. Dabei beachtete er nicht 02,der mit der Straba in der Fahrbahnmitte in gleicheRichtung fuhr, sodass es zum Zusammenstoßkam“ (Code 5775).

Bei der zweiten Fehlhandlung werden Rahmenbe-dingungen der Situation falsch interpretiert und eskommt zum seitlichen Zusammenstoß. FolgendeAussage stellt eine beispielhafte Situation dar: „Un-mittelbar vor der Kreuzung Rudolfplatz befindensich 3 Fahrstreifen, wobei baustellenbedingt derrechte nicht mehr als Geradeausfahrstreifen fun-giert. Gelbe Markierungen sind vorhanden. 01 folg-te nicht der vorgeschriebenen Fahrtrichtung nachrechts in Richtung Sackring, sondern fuhr gerade-aus in Richtung Goslarsche Straße, verließ somitseinen Fahrstreifen nach links. Hierbei stieß er mitder linken vorderen Ecke gegen die rechte Seitedes … 02“ (Code 5341).

Tabelle 30 zeigt die Häufigkeit dieser verschiede-nen Fehlhandlungen, die insgesamt relativ seltensind (0,4 % aller und 0,3 % der schweren Unfälle).Am häufigsten findet sich die Vernachlässigung an-derer wegen Unaufmerksamkeit (1,9 % bzw. 2,2 %aller bzw. der schwere Abbiegeunfälle). Die Fehlin-

44

Tab. 29: Ursachen der Fehlhandlungen für den Abbiegeunfallmit dem Handlungsfehler „Kollision mit Entgegenkom-menden“. Mit Kreuzen ist der Punkt in der Handlungangegeben, an dem die Ursache für die Fehlhandlungliegt

Abbiegeunfall Entgegenkommende

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung anderer X

Fehlanpassung korrekt anhalten X

Fehlanpassung An- und Weiter-fahrt

X X

Fehlanpassung Abstand und Geschwindigkeit

X

Bewusst riskante Planung X

Ausführungsfehler X

Tab. 30: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Abbiegeunfällen mit seitlich Abbiegen. Dargestellt ist die gewichtete An-zahl für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alle Abbie-geunfälle und alle Unfälle

Abbiegeunfälle seitlich AbbiegenAnzahl % Abb.-Unfälle % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 10 3 1.9 2.2 0.2 0.3

Fehlinterpretation von Rahmenbedingungen 3 0 0.6 0.0 0.1 0.0

Vernachlässigung anderer, Überforderung 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 2 0 0.4 0.0 0.0 0.0

Ausschluss 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Summe 17 3 3.3 2.2 0.4 0.3

Page 46: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

terpretation von Rahmenbedingungen kommt nurbei den leichteren Unfällen vor.

Hinsichtlich der zu unterstützenden Fahrmanöverstehen bei der Vernachlässigung die Planung undAusführung des Abbiegens auf der Führungsebeneim Vordergrund (s. Tabelle 31). Insbesondere müs-sen andere, überholende Fahrzeuge beim Abbie-gen berücksichtigt werden. Im zweiten Fall will derFahrer die Kreuzung queren, hat sich aber falscheingeordnet, sodass er abbiegen müsste. Hier istdie Planung der Spurwahl bei der Kreuzungsque-rung zu unterstützen.

In Tabelle 32 ist die Zuordnung der beiden Fehl-handlungen zu den jeweiligen Ursachen darge-stellt. Eine fehlende Wahrnehmung ist die wesent-liche Ursache für die Vernachlässigung andererVerkehrsteilnehmer, wobei hier Unaufmerksamkeitoder Überforderung eine Rolle spielen können. Hierkann ein informierendes System wirksam sein. Beider Fehlinterpretation der Rahmenbedingungen in-terpretiert der Fahrer die vorliegenden Informatio-nen falsch und schätzt so die Situation falsch ein.Um dies zu korrigieren, muss ein Assistenzsystemden Fahrer warnen.

Die Unfälle der vierten Gruppe unterscheiden sichvon denen der dritten Gruppe dadurch, dass derUnfallverursacher überholt, ohne auf ein vorausfah-rendes, abbiegendes Fahrzeug zu achten. DieFehlhandlung besteht sehr häufig darin, dass an-dere Verkehrsteilnehmer bei der Planung des Über-holens vernachlässigt werden, wobei entweder Un-aufmerksamkeit oder ein beeinträchtigter Fahrer-zustand dafür verantwortlich sein können. Ein Bei-

spiel für die Vernachlässigung anderer wegen Un-aufmerksamkeit lautet folgendermaßen: „02 und 01befuhren die Kastanienallee vom Altewiekring kom-mend in Richtung Ebertallee. In Höhe Nr. XXXbremste 02 ab und setzte den Fahrtrichtungsanzei-ger links, da er nach links auf das Grundstück Nr.XXX abbiegen wollte. 01 erkannte das Blinken nacheigenen Angaben nicht und überholte den langsamfahrenden 02 links“ (Code 0475).

Eine weitere Fehlhandlung ist die bewusst riskantePlanung des Fahrmanövers. Hier überholt der 01das vor ihm abbiegende Fahrzeug unter Inkaufnah-me des damit verbundenen Risikos, wie folgendesBeispiel zeigt: „Der 01 befuhr den Rechtsabbieger-fahrstreifen der Hildesheimer Straße in RichtungRudolfplatz und fuhr verbotswidrig geradeaus wei-ter auf den Rudolfplatz ein. Hier kam es zu einerseitlichen Berührung mit dem Pkw des 02, der ge-

45

Tab. 31: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für den Abbiegeunfall mit seitlicher Kollision, bei derder Abbiegende der Unfallverursachende ist

Abbiegeunfall seitliche KollisionAbbiegen

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung anderer X

Fehlinterpretation, Rahmenbedingungen

X

Tab. 32: Ursachen der Fehlhandlungen für den Abbiegeunfallmit dem Handlungsfehler „seitliche Kollision beim Ab-biegen“. Mit Kreuzen ist der Punkt in der Handlung an-gegeben, an dem die Ursache für die Fehlhandlungliegt

Abbiegeunfall seitliche KollisionAbbiegen

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung anderer X

Fehlinterpretation, Rahmenbedingungen

X

Page 47: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

rade dabei war, nach rechts in den Sackring abzu-biegen“ (Code 7636).

Schließlich kann die Fehlhandlung auch darin lie-gen, dass das Verhalten anderer Verkehrsteilneh-mer falsch eingeschätzt wird. Hier rechnet derÜberholer nicht damit, dass der Vorausfahrendeplötzlich abbiegen könnte, und es kommt währenddes Überholvorgangs zur seitlichen Kollision: „Dasich 02 für den Abbiegevorgang nicht unmittelbarneben der Fahrbahnmitte einordnete, vermuteteder hinter 02 fahrende 01, dass diese ihre Fahrt aufder rechten Linksabbiegerspur i. R. Hansestraßefortsetzten wollte. Als 01 linksseitig an 02 vorbei-fahren wollte, steuerte diese ihren Pkw nach links.Trotz Ausweichmanöver der Beteiligten kam es zueiner seitlichen Berührung der Fahrzeuge. Dabeientstand Sachschaden“ (Code 1060).

In einem Fall wurde die Querführung beim Abbie-gen nicht an den Spurverlauf angepasst. Hier wirdauf ein Beispiel verzichtet. Tabelle 33 zeigt die Häu-figkeit dieser verschiedenen Fehlhandlungen. Ins-gesamt betreffen diese Unfälle nur 4,2 % der Ab-biegeunfälle und 0,5 % bzw. 0,6 % aller Unfälle. DieVernachlässigung anderer wegen Unaufmerksam-keit, die bewusst riskante Planung und die Fehlein-schätzung des Verhaltens anderer sind die häufigs-ten Fehlhandlungen. Bei den schweren Unfällenkommt die Vernachlässigung anderer wegen eineseingeschränkten Fahrerzustands relativ häufig vor.

Hinsichtlich der zu unterstützenden Fahrmanövergeht es bei allen Fehlhandlungen auf der Führungs-ebene um das Überholen (s. Tabelle 34). Bei derFehlanpassung der Querführung ist dabei wesent-lich, den Straßenverlauf bei der Planung zu berück-

46

Tab. 33: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Abbiegeunfällen mit seitlich Überholen. Dargestellt ist die gewichtete An-zahl für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alle Abbie-geunfälle und alle Unfälle

Abbiegeunfälle seitlich ÜberholenAnzahl % Abb.-Unfälle % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 10 1 1.9 0.5 0.2 0.1

Bewusst riskante Planung des Fahrmanövers 5 1 1.0 1.0 0.1 0.1

Fehleinschätzung Verhalten anderer 2 1 0.5 1.0 0.1 0.1

Fehlanpassung Querführung, Bes. Straßenverlauf 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Vernachlässigung anderer, Fahrerzustand 1 1 0.2 0.7 0.0 0.1

Keine Zuordnung 1 1 0.3 1.0 0.0 0.1

Ausschluss 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Summe 22 6 4.2 4.2 0.5 0.6

Tab. 34: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für den Abbiegeunfall mit seitlicher Kollision, bei derder Überholende der Unfallverursachende ist

Abbiegeunfall seitliche KollisionÜberholen

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung anderer X

Bewusst riskante Planung X

Fehleinschätzung anderer Verkehrsteilnehmer

X

Fehlanpassung Querführung X X X

Page 48: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

sichtigen und nicht unabsichtlich die Spur zu ver-lassen. Bei den anderen drei Fehlhandlungen gehtes darum, andere Verkehrsteilnehmer in adäquaterWeise bei der Planung des Überholmanövers zuberücksichtigen.

In Tabelle 35 ist die Zuordnung der Fehlhandlungenzu den jeweiligen Ursachen dargestellt. Die fehlen-de Wahrnehmung ist die wesentliche Ursache fürdie Vernachlässigung anderer Verkehrsteilnehmer,wobei hier Unaufmerksamkeit oder ein einge-schränkter Fahrerzustand eine Rolle spielen kön-nen. Bei der bewusst riskanten Planung liegt eineFehlentscheidung vor, bei der Fehleinschätzunganderer Verkehrsteilnehmer eine Fehlinterpretation.Bei der Fehlanpassung der Querführung liegt dieUrsache für den Fehler schließlich im Bereich einerFehlentscheidung, d. h., dass diese Informationennicht in adäquater Weise einbezogen werden. Ent-sprechend kann es bei der Vernachlässigung ande-rer genügen, die Informationen über eine Warnung

zu vermitteln, während in den anderen Fällen eineaktive Unterstützung oder aufgrund der kurzen zurVerfügung stehenden Zeit ein Eingriff als sinnvollerscheint.

Die vorletzte Gruppe umfasst Unfälle mit dem Hand-lungsfehler „seitliche Kollision beim gemeinsam Ab-biegen“. Während des Abbiegevorgangs gerät einFahrzeug aus unterschiedlichen Gründen in die an-dere Fahrspur und kollidiert mit dem anderen.

Von den Fehlhandlungen steht hier die Vernachläs-sigung der Querführung aufgrund von Unaufmerk-samkeit im Vordergrund: „01 und 02 bogen mitihren Kraftfahrzeugen aus der Querumer Straßekommend nach rechts in die Berliner Straße ab. Siefuhren nebeneinander. 02 benutzte den linkenRechtsabbiegerfahrstreifen, 01 benutzte den rech-ten Rechtsabbiegerfahrstreifen. Im Scheitelpunktder Kurve verlor 01 aufgrund von Unachtsamkeitdie Kontrolle über ihren Pkw. Sie fuhr mit ihrem Pkwin den linken Fahrstreifen und es kam zu einer seit-lichen Berührung beider Fahrzeuge“ (Code 0008).

Die weiteren Fehlhandlungen treten so selten auf,dass auf Beispiele verzichtet wird. Bei der Vernach-lässigung der Informationsaufnahme wird ein Spur-wechsel ausgeführt, ohne sich vorher zu vergewis-sern, dass die andere Spur frei ist. Bei der bewusstriskanten Planung des Fahrmanövers wird die Si-tuationsüberprüfung absichtlich unterlassen. Beider Fehleinschätzung des Verhaltens anderer gehtder Fahrer davon aus, dass ihm beim Spurwechselentsprechend viel Platz gelassen wird. Bei derFehlanpassung der Querführung an den Straßen-verlauf wird die Spur nicht adäquat gehalten.

Tabelle 36 zeigt die Häufigkeit dieser verschiede-nen Fehlhandlungen. Am häufigsten ist die Ver-nachlässigung der Querführung wegen Unauf-

47

Tab. 35: Ursachen der Fehlhandlungen für den Abbiegeunfallmit dem Handlungsfehler „seitliche Kollision beimÜberholen“. Mit Kreuzen ist der Punkt in der Handlungangegeben, an dem die Ursache für die Fehlhandlungliegt

Abbiegeunfall seitliche Kollision

Überholen

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung anderer X

Bewusst riskante Planung X

Fehleinschätzung anderer Verkehrsteilnehmer

X

Fehlanpassung Querführung X

Tab. 36: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Abbiegeunfällen beim seitlich gemeinsam Abbiegen. Dargestellt ist diegewichtete Anzahl für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogenauf alle Abbiegeunfälle und alle Unfälle

Abbiegeunfälle seitlich gemeinsamAnzahl % Abb.-Unfälle % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachläss. Querführung o. bes. Grund, Unaufmerksamkeit 22 1 4.2 0.5 0.5 0.1

Vernachlässigung Info-Aufnahme o. bes. Grund 10 0 1.9 0.0 0.2 0.0

Fehlanpassung Querführung, Bes. Straßenverlauf 2 0 0.4 0.0 0.0 0.0

Bewusst riskante Planung des Fahrmanövers 2 0 0.4 0.0 0.0 0.0

Fehleinschätzung Verhalten anderer 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 2 0 0.4 0.0 0.0 0.0

Ausschluss 0 0 0.0 0.0 0.0 0.0

Summe 39 1 7.5 0.5 0.7 0.1

Page 49: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

merksamkeit (4,2 % aller und 0,5 % der schwerenUnfälle). Alle weiteren Fehlhandlungen treten nurbei leichten Unfällen auf. Hier steht an zweiter Stel-le die Vernachlässigung der Informationsaufnahmeohne besonderen Grund (1,9 % aller Unfälle). Alleanderen Fehlhandlungen sind sehr selten. Insge-samt ist damit nur ein sehr geringer Teil aller Unfäl-le betroffen, wobei dies vor allem die leichteren Un-fälle sind (0,7 % aller und 0,1 % der schweren Un-fälle).

Hinsichtlich der zu unterstützenden Fahrmanöversteht bei der Vernachlässigung und Fehlanpassungder Querführung die Spurhaltung beim Abbiegenim Vordergrund, die unterstützt werden muss (s.Tabelle 37). Bei den anderen Fehlhandlungen wirdbeim Abbiegen ein Spurwechsel durchgeführt,wobei andere Fahrzeuge nicht adäquat berück-sichtigt werden.

In Tabelle 38 ist die Zuordnung der Fehlhandlungenzu den jeweiligen Ursachen dargestellt. Bei derVernachlässigung der Querführung steht die feh-lende Wahrnehmung relevanter Informationen imVordergrund. Bei allen anderen Fehlhandlungengeht es um Fehlentscheidungen. Entsprechendsind informierende bzw. aktiv unterstützende Sys-teme notwendig, um diese Fehlhandlungen zu ver-meiden.

Bei der letzten Gruppe besteht der Handlungsfeh-ler darin, dass der Fahrer rechts abbiegt, ohne aufeinen rechtsseitig fahrenden Radfahrer zu achten.Auch hier ist die häufigste Fehlhandlung die Ver-

nachlässigung anderer Verkehrsteilnehmer auf-grund von Unachtsamkeit: „01 befuhr den Mittel-weg in Richtung einwärts und bog nach rechts inden Donnerburgweg ab. Dabei übersah 01 die ingleicher Richtung fahrende 02-Radfahrerin, die aufdem rechten, kombinierten Geh-/Radweg des Mit-telweges in Richtung einwärts fuhr. Es kam zumZusammenstoß mit Personen- und Sachschaden“(Code 1840).

Diese Fehlhandlung kommt bei 0,6 % aller und 1,3 % der schweren Unfälle vor, wobei bei denschweren Unfällen die Verletzungen des Fahrrad-fahrers wesentlich sind (vgl. Tabelle 39). Selten sind

48

Tab. 38: Ursachen der Fehlhandlungen für den Abbiegeunfallmit dem Handlungsfehler „seitliche Kollision beim ge-meinsamen Abbiegen“. Mit Kreuzen ist der Punkt inder Handlung angegeben, an dem die Ursache für dieFehlhandlung liegt

Abbiegeunfall seitliche Kollisionseitlich gemeinsam

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung Querführung X

Vernachlässigung Info.-Aufnahme X

Fehlanpassung Querführung X

Bewusst riskante Planung X

Fehleinschätzung anderer Verkehrsteilnehmer

X

Tab. 37: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für den Abbiegeunfall mit seitlicher Kollision beim ge-meinsamen Abbiegen

Abbiegeunfall seitliche Kollisiongemeinsam Abbiegen

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung Querführung X X X

Vernachlässigung Info-Aufnahme X X

Fehlanpassung Querführung X X X

Bewusst riskante Planung X X

Fehleinschätzung anderer Verkehrsteilnehmer

X X

Page 50: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Unfälle, die aufgrund der fehlerhaften Ausführungbzw. der bewusst riskanten Planung des Fahr-manövers auftreten.

Bei allen Fehlhandlungen muss das rechts Abbie-gen unterstützt werden, wobei Radfahrer vonrechts hinten berücksichtigt werden müssen (s. Ta-belle 40).

In Tabelle 41 ist die Zuordnung der Fehlhandlungenzu den jeweiligen Ursachen dargestellt. Bei derVernachlässigung anderer und der bewusst riskan-ten Planung steht eine Fehlentscheidung im Vor-dergrund. Außerdem kann die Ursache der Fehl-handlung in der Ausführung liegen. Der Schwer-punkt von Assistenzsystemen muss hier bei aktivunterstützenden bzw. eingreifenden Systemen lie-gen, um diese Fehlhandlungen zu vermeiden.

Insgesamt ergeben sich für die Abbiegeunfälle fol-gende Schlussfolgerungen:

· Bei diesem Unfall zeigen sich drei Handlungs-fehler: das Auffahren, die Kollision mit entge-

genkommenden Fahrzeugen und die seitlicheKollision.

· Am häufigsten ist das Auffahren (5,3 % aller und4,6 % der schweren Unfälle insgesamt). Hier istdie bei weitem häufigste Fehlhandlung die Ver-nachlässigung anderer Verkehrsteilnehmer we-

49

Tab. 39: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Abbiegeunfällen mit Radfahrern. Dargestellt ist die gewichtete Anzahl füralle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alle Abbiegeunfäl-le und alle Unfälle

Abbiegeunfälle rechts RadfahrerAnzahl % Abb.-Unfälle % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 19 13 3.6 9.3 0.4 1.3

Ausführungsfehler 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Bewusst riskante Planung des Fahrmanövers 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 0 0 0.0 0.0 0.0 0.0

Ausschluss 3 0 0.6 0.0 0.1 0.0

Summe 24 13 4.6 9.3 0.5 1.3

Tab. 40: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für den Abbiegeunfall mit seitlicher Kollision mit Rad-fahrern beim rechts Abbiegen

Abbiegeunfall seitliche Kollisionrechts Radfahrer

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung anderer X

Ausführungsfehler X

Bewusst riskante Planung X

Tab. 41: Ursachen der Fehlhandlungen für den Abbiegeunfallmit dem Handlungsfehler „seitliche Kollision beim ge-meinsamen Abbiegen“. Mit Kreuzen ist der Punkt inder Handlung angegeben, an dem die Ursache für dieFehlhandlung liegt

Abbiegeunfall seitliche Kollisionrechts Radfahrer

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung anderer X

Ausführungsfehler X

Bewusst riskante Planung X

Page 51: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

gen Unaufmerksamkeit oder einer falschen Auf-merksamkeitsrichtung, sodass hier die fehlendeWahrnehmung als Ursache im Vordergrundsteht. Die seltenere Fehleinschätzung des Ver-haltens ist als Fehlinterpretation zu bewerten.Bei diesen Ursachen kann ein Assistenzsystem,das vor stehenden oder langsam voranfahren-den Fahrzeugen warnt (z. B. Collision-Warning-System), die Unfälle mit einiger Wahrscheinlich-keit verhindern. Ein System, dass das Fahrzeugautomatisch abbremst (Collision-Avoidance-System), sollte die Unfälle vollständig verhin-dern. Bei nur rund 2 % der Auffahrunfälle beimAbbiegen spielt die Fehlanpassung von Ge-schwindigkeit und Abstand eine Rolle. Hier müssten bereits vor der Kreuzung Geschwindig-keit und Abstand an Straßenzustand, Fahrer-fähigkeit und Fahrerzustand angepasst werden.Da es sich um Fehlentscheidungen handelt, sindzumindest aktiv unterstützende Systeme not-wendig.

· Die Kollision mit entgegenkommenden Fahrzeu-gen betrifft 3,4 % aller und 5,5 % der schwerenUnfälle, ist also gerade für die schweren Unfälleeine typische Konstellation beim Abbiegeunfall.Als Fehlhandlung spielt die Vernachlässigunganderer aus verschiedenen Gründen die we-sentliche Rolle (2,8 % bzw. 4,7 % aller schwerenUnfälle), sodass eine Warnung vor entgegen-kommenden Verkehrsteilnehmern bereits sehrwirkungsvoll sein könnte. Dabei müssten sowohlauf der Gegenfahrbahn entgegenkommendeFahrzeuge als auch rechts auf dem Fahrradwegentgegenkommende Radfahrer berücksichtigtwerden. Fehlentscheidungen sind deutlich selte-ner und unterschiedliche Aspekte der Situationwerden dabei nicht berücksichtigt. Hier wäreeine aktive Unterstützung durch ein Assistenz-system notwendig, wobei dieses sowohl dasAnhalten als auch die Entscheidung zum Los-fahren (wenn es sicher ist) unterstützen müsste.

· Bei der seitlichen Kollision treten sehr unter-schiedliche Fehlhandlungen jeweils relativ sel-ten auf. Hier geht es um Fehler beim Überholen,bei Spurwechsel und der Spurhaltung beim Ab-biegen aus wiederum unterschiedlichen Ursa-chen. Gerade für die schweren Unfälle ist dieKollision mit einem Radfahrer beim Rechtsab-biegen wesentlich, was 1,3 % aller schwerenUnfälle ausmacht. Hier spielt die Vernachlässi-gung anderer als Fehlentscheidung der Fahrer

eine hauptsächliche Rolle, sodass eine aktiveUnterstützung notwendig ist.

3.4 Der Einbiegen/Kreuzen-Unfall

Die häufigsten Feintypen für den Einbiegen/Kreu-zen-Unfall sind in Tabelle 42 dargestellt.

Mit diesen ausgewählten Feintypen werden 93,4 %aller bzw. 94,4 % der schweren Einbiegen/Kreu-zen-Unfälle abgedeckt. Dies entspricht 18,1 %aller bzw. 23,7 % der schweren Unfälle. Die Feinty-pen unterscheiden sich in erster Linie danach, auswelcher Richtung der Einbieger bzw. der bevor-rechtigte Verkehrsteilnehmer kommt. Am häufigs-ten ist die Kombination, dass der Fahrer nach linksabbiegen will und ein Bevorrechtigter von linkskommt. Fast gleich häufig will der Fahrer gerade-aus fahren und der Bevorrechtigte kommt vonrechts. An dritter Stelle kommt der Bevorrechtigtevon rechts und der Fahrer will nach links einbiegen.Dann folgen Fälle, bei denen der Bevorrechtigtevon links kommt und der Fahrer rechts oder gera-deaus fährt. Die Unfälle mit Radfahrern sind gera-de bei den schweren Unfällen relativ häufig, vor

50

Tab. 42: Häufigkeit der Feintypen beim Einbiegen/Kreuzen-Un-fall bei der Analyse für alle Unfälle („Gesamt“) undschwere Unfälle („Schwer“). Dargestellt sind die ge-wichtete Anzahl, der Anteil der In-Depth analysiertenUnfälle an allen Einbiegen/Kreuzen-Unfällen und anallen Unfällen aus Braunschweig

Einbiegen/Kreuzen-Unfälle Gesamt Schwer

302 Bevorrechtigter links VT links 167 59

321 Bevorrechtigter rechts, VT gerade 159 60

322 Bevorrechtigter rechts, VT links 116 16

303 Bevorrechtigter links, VT rechts 94 13

301 Bevorechtigter links, VT gerade 71 19

342 Bevorrechtigter Radweg (r), VT gerade 66 41

341 Bevorrechtigter Radweg (l), VT gerade 27 19

323 Bevorrechtigter rechts, VT rechts 25 3

305 Bevorrechtigter links, VT Beschl. 24 2

399 Sonstige Unfälle 21 3

Summe 770 235

% Einbiegen/Kreuzung-Unfälle 93.4 94.4

% aller Unfälle 18.1 23.7

Page 52: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

allem, wenn der Radfahrer von rechts kommt. Alleweiteren Unfälle sind relativ selten.

Um einen Einbiegen/Kreuzen-Unfall handelt essich, wenn der Unfall durch einen Konflikt zwischeneinem einbiegenden oder kreuzenden Wartepflich-tigen und einem Vorfahrtberechtigten ausgelöstwurde. Das gilt an Einmündungen und Kreuzungenvon Straßen, Feld- oder Radwegen, an Bahnüber-gängen sowie an Zufahrten, z. B. von einemGrundstück oder einem Parkplatz.

Der Handlungsfehler besteht in der Kollision imKreuzungsbereich mit einem bevorrechtigten Fahr-zeug, das von links, rechts oder entgegenkommt.Bei diesem Unfalltyp gibt es insgesamt 5 unter-schiedliche Kategorien von Fehlhandlungen, die zudem Unfall führten.

Die häufigste Fehlhandlung ist die Vernachlässi-gung anderer, wobei in den meisten Fällen Unauf-merksamkeit als Grund angegeben wird. Die Fah-rer fahren in den Kreuzungsbereich ein, ohne aufandere Verkehrsteilnehmer zu achten. Daraufhinkommt es im Kreuzungsbereich zur Kollision: „02befuhr die Schmalbachstraße, von der GifhornerStraße kommend, in Richtung Veltenhof. 01 bogaus der Porschestraße nach links in die Schmal-bachstraße ein, ohne auf die bevorrechtigte 02 zuachten. Es kam zum Zusammenstoß, bei dem 02leicht verletzt wurde“ (Code 1329).

Weitere Gründe für die Vernachlässigung anderersind eine falsche Ausrichtung der Aufmerksamkeit (d. h., die Fahrer achten auf andere Dinge, abernicht auf den relevanten Verkehrsteilnehmer), einefalsche Einschätzung der Situation (z. B. glaubt derVerursacher, dass der andere warten muss) undeine Beeinträchtigung des Fahrerzustandes.

An zweiter Stelle der Fehlhandlungen stehenFehlanpassungen. Am häufigsten wird die Quer-führung nicht an den Straßenverlauf und andereVerkehrsteilnehmer angepasst: „Die Beteiligte 01wollte aus der ersten Ausfahrt des dortigen Park-platzes der BBS II nach rechts in die Schwartz-kopfstraße einbiegen. Aufgrund der auf der Straßeparkenden Fahrzeuge ist die Straße jedoch nur ein-spurig zu befahren. Beim Einbiegen wollte 01 nunin etwas größerem Bogen in die Straße einfahrenund übersah hierbei den entgegenkommenden 02.Es kam zum Zusammenstoß“ (Code 2018). Alszweite Fehlhandlung in diesem Bereich wird dasAn- und Weiterfahren nicht an schlechte Sichtbe-dingungen angepasst, sondern z. B. trotz schlech-

ter Sicht in die Kreuzung eingefahren. Schließlichwird in weiteren Fällen die Geschwindigkeit nichtan den Straßenzustand angepasst, sodass derFahrer nicht rechtzeitig zum Halten kommt.

Weiter finden sich Fehleinschätzungen des Verhal-tens anderer, wie sich anhand des folgenden Bei-spiels zeigt: „02 setzte den Fahrtrichtungsanzeigerrechts und ordnete sich in den rechten Fahrstreifenein, denn sie beabsichtigte, nach rechts in dieHansestraße einzubiegen. 01 nahm an, dass 02das Grundstück von Burger King befahren würde.Somit kam es zum Zusammenstoß beider Fahrzeu-ge“ (Code 9574).

Teilweise wird das Fahrmanöver bewusst riskantgeplant. Der vorfahrtberechtigte Verkehrsteilneh-mer wird durchaus erkannt, aber seine Vorfahrtwird missachtet: „Die 01 befuhr die Tuckermann-straße, aus Richtung Königsstieg kommend, inRichtung Goslarsche Straße. Im dortigen Kreu-zungsbereich übersah sie nach eigenen Angabendie von links kommende 02, welche die GoslarscheStraße in Richtung Rudolfplatz befuhr. Die beidenZeugen (Fahrradfahrer) befuhren die GoslarscheStraße in gleicher Richtung und befanden sich nurwenige Meter hinter der 02, als es zum Zusam-menstoß zwischen der 01 und der 02 kam. BeideZeugen gaben – unabhängig voneinander – an, die01 sei mit ihrem Pkw aus der Tuckermannstraße„herausgeschossen“ gekommen, ohne vorher an-gehalten zu haben“ (Code 6582).

Als letzte Fehlhandlung findet sich eine falscheAusführung des Fahrmanövers. Ein Beispiel dafürlautet folgendermaßen: „… In dem Augenblick, alsder vorfahrtsberechtigte 02 die Petristraße ausRichtung Goslarsche Straße in Richtung CellerStraße befuhr und sich in Höhe Einmündung Tho-maestraße befand, fuhr 01 aufgrund eines Bedien-fehlers am Automatikgetriebe plötzlich an“ (Code1008).

Die Häufigkeit dieser verschiedenen Fehlhandlun-gen ist in Tabelle 43 dargestellt. Die Vernachlässi-gung anderer wegen Unaufmerksamkeit spielt bei55,2 % aller und 45,2 % der schweren Unfälle eineRolle. Die falsche Aufmerksamkeitsausrichtungoder Fehleinschätzung der Situation als Ursachefür die Vernachlässigung anderer steht bei denschweren Unfällen mit 17,7 % bzw. 11,9 % stärkerim Vordergrund als bei allen Unfällen (10,8 % bzw.7,0 %). Alle weiteren Fehlhandlungen treten deut-lich seltener auf.

51

Page 53: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Bei allen Fehlhandlungen geht es darum, entwederabzubiegen oder die Kreuzung zu durchqueren,wobei bevorrechtigte Verkehrsteilnehmer berück-sichtigt werden müssen (s. Tabelle 44). Bei derFehlanpassung der Querführung geht es vor allemdarum, die Planung der Spurhaltung an die Situati-on anzupassen, sodass auf der Stabilisierungsebe-ne auch die Spurhaltung unterstützt werden muss.Bei allen anderen Fehlhandlungen steht die Pla-

nung der Längsführung im Vordergrund, d. h. daskorrekte Anhalten oder Losfahren unter Berück-sichtigung der anderen Verkehrsteilnehmer.

Die Ursache der Fehlhandlung (siehe Tabelle 45)liegt bei der Vernachlässigung anderer darin, dassvorhandene Informationen über andere Verkehrs-teilnehmer von den Fahrern nicht wahrgenommenwerden, sodass sie bei der Planung auch nicht

52

Tab. 43: Häufigkeit der Feintypen beim Einbiegen/Kreuzen-Unfall. Dargestellt ist die gewichtete Anzahl für alle Unfälle („Gesamt“)und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf die Einbiegen/Kreuzen-Unfälle und alle Un-fälle

Einbiegen/Kreuzen-UnfälleAnzahl % Abb.-Unfälle % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 455 113 55.2 45.2 10.7 11.3

Vernachlässigung anderer wg. falscher Aufmerkeitsausrichtung 89 44 10.8 17.7 2.1 4.4

Vernachlässigung anderer wg. Fehleinschätzung Situation 58 30 7.0 11.9 1.4 3.0

Fehlanpassung Querführung an Straßenverlauf und andere 36 5 4.3 1.9 0.8 0.5

Fehlanpassung An-/Weiterfahren, Sichtbehinderung 33 8 4.0 3.1 0.8 0.8

Fehleinschätzung Verhalten anderer 24 4 2.9 1.7 0.6 0.4

Bewusst riskante Planung des Fahrmanövers 16 7 2.0 2.9 0.4 0.7

Ausführungsfehler 10 3 1.2 1.0 0.2 0.3

Vernachläss. anderer, Fahrerzustand 9 5 1.1 1.9 0.2 0.5

Fehlanpassung Geschwindigkeit, Straßenzustand 8 2 1.0 0.8 0.2 0.2

Keine Zuordnung 19 6 2.3 2.3 0.4 0.6

Ausschluss 14 9 1.6 3.4 0.3 0.9

Summe 769 234 93 93.9 18.1 23.6

Tab. 44: Zuordnung der Fehlhandlungen zu den verschiedenen Fahraufgaben beim Einbiegen/Kreuzen-Unfall. Mit einem Kreuzsind die Fahraufgaben gekennzeichnet, die von einem Assistenzsystem beherrscht werden müssen, um den Unfall zu ver-hindern

Einbiegen/Kreuzen-Unfall

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung anderer X X X X

Fehlanpassung Querführung X X X X

Fehlanpassung An- und Weiterfahren

X X X X

Fehlanpassung Geschwindigkeit X X X X

Fehleinschätzung anderer X X X X

Bewusst riskante Planung X X X X

Ausführungsfehler X X X X

Page 54: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

berücksichtigt werden. Entsprechend könnte hierein informierendes System bereits wirkungsvollsein. Bei den verschiedenen Arten der Fehlanpas-sung werden von den Fahrern vorliegende Informa-tionen nicht in die Handlungsplanung einbezogen,sodass hier eine Fehlentscheidung vorliegt, diedurch eine aktive Unterstützung korrigiert werdenkönnte. Bei der Fehleinschätzung des Verhaltensspielt die Fehlinterpretationen von Informationeneine Rolle, sodass hier eine Warnung wirken könn-te. Bei bewusst riskanter Planung des Manöversliegt eine Fehlentscheidung vor, wobei eine aktiveUnterstützung oder der Vermeidung der Korrekturdieser Entscheidung hilfreich sein könnte. Bei derfehlerhaften Ausführung ist ein übersteuerbarerEingriff notwendig.

Zusammenfassend bedeutet das für den Einbie-gen/Kreuzen-Unfall:

· Die mit Abstand häufigste Fehlhandlung (14,3 % aller und 19,2 % aller schweren Unfäl-le) besteht darin, andere Verkehrsteilnehmer beider Planung des Manövers zu vernachlässigen,wobei die Informationen dem Fahrer prinzipiellzugänglich sind, aber nicht von ihm wahrge-nommen werden. Die Bereitstellung der Infor-mationen über diese bevorrechtigten Verkehrs-teilnehmer könnte deshalb bereits diese Unfälleverhindern, wobei u. U. eine Warnung notwen-dig ist, damit der Fahrer diese Informationen

auch bei der Planung berücksichtigt. Dazu müsste das Assistenzsystem Fahrzeuge vonrechts und links erkennen, die bevorrechtigtsind, und auch Radfahrer berücksichtigen.

· Alle weiteren Fehlhandlungen sind deutlich sel-tener und betreffen vor allem fehlerhafte Ent-scheidungen der Fahrer, bei denen bei verschie-denen Teilen des Fahrmanövers situative Rah-menbedingungen besser berücksichtigt werdenmüssten. Ein Assistenzsystem, dass diese Feh-ler verhindern kann, muss die gesamte Planungund Durchführung der Einbiegesituation beherr-schen einschließlich der Wahl einer passendenGeschwindigkeit bei der Anfahrt, dem adäqua-ten Anhalten und dem Losfahren unter Berück-sichtigung anderer bevorrechtigter Verkehrsteil-nehmer. Durch eine aktive Unterstützung desFahrers bei der Situationsbewältigung könntenweitere 2,8 % aller bzw. 2,6 % der schwerenUnfälle verhindert werden.

3.5 Der Unfall mit ruhendem Verkehr

Es handelt sich um einen Unfall durch ruhendenVerkehr, wenn der Unfall durch einen Konflikt zwi-schen einem Fahrzeug des fließenden Verkehrsund einem auf der Fahrbahn ruhenden, d. h. einemhaltenden oder parkenden Fahrzeug ausgelöstwurde. Wie Tabelle 46 zeigt, werden durch eineAuswahl der häufigsten Feintypen 75,0 % diesesUnfalltyps ausgewählt bzw. 71,0 % der schwerenUnfälle. Bei diesem Grobtyp tritt neben den analy-sierten häufigsten Feintypen eine große Anzahlweiterer Feintypen mit jeweils geringer Häufigkeitauf, die unterschiedliche Konstellationen beim Ein-und Ausparken beschreiben und damit unter-

53

Tab. 45: Ursachen der Fehlhandlungen für den Einbiegen/Kreuzen-Unfall. Mit Kreuzen ist der Punkt in der Hand-lung angegeben, an dem die Ursache für die Fehl-handlung liegt

Einbiegen/Kreuzen Unfall

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung anderer X

Fehlanpassung Querführung X

Fehlanpassung An- und Weiter-fahren

X

Fehlanpassung Geschwindigkeit X

Fehleinschätzung anderer X

Bewusst riskante Planung X

Ausführungsfehler X Tab. 46: Häufigkeit der Feintypen bei Unfällen durch ruhendenVerkehr bei der Analyse für alle Unfälle („Gesamt“) undschwere Unfälle („Schwer“). Dargestellt sind die ge-wichtete Anzahl, der Anteil der In-Depth analysiertenUnfälle an allen Unfällen durch ruhenden Verkehr undan allen Unfällen aus Braunschweig

Unfälle durch ruhenden Verkehr Gesamt Schwer

501 Parker rechts, VT von links 159 9

551 Anfahren/Ausparken Längsaufstellung 75 9

541 Anhalten/Einparken rechts 29 3

594 Einbieger rechts, parkendes Auto 26 0

571 Ausparken rückwärts Queraufstellung 20 1

Summe 309 22

% Unfälle durch ruhenden Verkehr 75.0 71.0

% aller Unfälle 7.3 2.2

Page 55: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

schiedliche Fehlhandlungen betreffen. Wegen derjeweils geringen Anzahl erscheint eine Analysenicht sinnvoll. Insgesamt werden mit diesen Feinty-pen 7,3 % aller Unfälle und 2,2 % der schwerenUnfälle erfasst, d. h., hier überwiegen Unfälle mitSachschaden.

Dieser Unfalltyp ist gekennzeichnet durch drei un-terschiedliche Handlungsfehler:

· Handlungsfehler „Kollision mit ruhendem Ver-kehr rechts“. Dazu zählen die Feintypen 501(Unfall mit rechtsseitig parkendem Fahrzeug)und 594 (Unfall zwischen Abbieger und rechts-seitig parkendem Fahrzeug).

· Handlungsfehler „Unfall beim Ausparken“. Dazugehören die Feintypen 551 (Anfahren/Auspar-ken aus der Längsaufstellung) und 571 (rück-wärts Ausparken aus der Queraufstellung).

· Handlungsfehler „Auffahren auf ruhenden Ver-kehr“. Hierzu zählt der Feintyp 541 (Anhalten/Einparken rechts).

Bei den Unfällen der ersten Gruppe kommt es zueiner seitlichen Kollision mit einem auf der rechtenStraßenseite geparkten Fahrzeug. Hier finden sichFehlhandlungen in drei Kategorien. Am häufigstenwird die Querführung nicht an den Straßenverlaufund andere Verkehrsteilnehmer angepasst. DieFahrer müssen dem entgegenkommenden Verkehrausweichen, die Straße ist möglicherweise verengtund dabei kommt es zu einer seitlichen Berührungdes geparkten Fahrzeugs. Ein Beispiel lautet wiefolgt: „Demnach befuhr 01 die Georg-Westermann-Allee, aus Richtung Ebertallee kommend, in Rich-tung Helmstedter Straße. In Höhe der Hausnum-mer XXX fuhr 01, ihm kamen auf der engen Fahr-bahn Fahrzeuge entgegen, zu weit nach rechts.Hierbei stieß er gegen den linken Außenspiegel des

ordnungsgemäß am rechten Fahrbahnrand ge-parkten Pkw 02“ (Code 7385).

Als zweite Fehlhandlung ist eine Vernachlässigungder Querführung aus unterschiedlichen Gründen zufinden. Die Hauptursache ist Unaufmerksamkeitdes Fahrers. Ein Beispiel: „Demnach befuhr sie mitihrem Pkw den Schmiedeweg in Richtung derStraße Am Steintore. Aus Unachtsamkeit stieß siedabei seitlich gegen den in Höhe Grundstück Nr.XXX ordnungsgemäß geparkten Pkw zu 02. An bei-den Fahrzeugen entstand Sachschaden“ (Code2065). Weitere Ursachen für die Vernachlässigungder Querführung sind Ablenkung (z. B. durch Mit-fahrer, andere Handlungen) oder ein beeinträchtig-ter Fahrerzustand.

Bei der dritten Art von Fehlhandlungen handelt essich um Ausführungsfehler, die sich wie folgt be-schreiben lassen: „Beim Abbiegen umfuhr 01 links-herum den stehenden 02. Hierbei lenkte 01 zu frühnach links und streifte dadurch den 02“ (Code1539).

Tabelle 47 zeigt die Häufigkeit dieser verschiede-nen Fehlhandlungen.

Die Fehlanpassung der Querführung an den Stra-ßenverlauf ist mit 11,7 % bei den Unfällen im ru-henden Verkehr insgesamt am häufigsten, tritt aberbei den schweren Unfällen nicht auf. Die Vernach-lässigung der Querführung ohne besonderenGrund oder aus Unaufmerksamkeit tritt bei beidenArten von Unfällen ähnlich häufig auf (8,2 % allerund 9,0 % der schweren Unfälle), während Ablen-kung vor allem bei den schweren Unfällen (14,4 %)sehr häufig ist. Ausführungsfehler und die Vernach-lässigung der Querführung wegen des Fahrerzu-stands sind bei den Unfällen insgesamt und beiden schweren Unfällen relativ selten. Dieser Hand-

54

Tab. 47: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Kollisionen mit ruhendem Verkehr rechts. Dargestellt ist die gewichteteAnzahl für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alle Ab-biegeunfälle und alle Unfälle

Kollision mit ruhendem Verkehr rechtsAnzahl % Unfälle ruhend % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Fehlanpassung Querführung an Straßenverlauf und andere 48 0 11.7 0.0 1.1 0.0

Vernachläss. Querführung o. bes. Grund, Unaufmerksamkeit 34 3 8.2 9.0 0.8 0.3

Vernachlässigung Querführung, Ablenkung 8 4 2.1 14.4 0.2 0.5

Ausführungsfehler 4 0 1.0 0.0 0.1 0.0

Vernachlässigung Querführung, Fahrerzustand 1 0 0.4 1.6 0.0 0.0

Keine Zuordnung 78 1 18.9 2.9 1.8 0.1

Ausschluss 11 0 2.7 0.0 0.3 0.0

Summe 185 9 44.8 27.9 4.3 0.9

Page 56: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

lungsfehler betrifft insgesamt vor allem die leichtenUnfälle (44,8 % aller Unfälle mit ruhendem Verkehrund 27,9 % der schweren Unfälle). Insgesamt ent-spricht dies 4,3 % aller Unfälle und 0,9 % derschweren Unfälle.

Bei allen Fehlhandlungen geht es auf der Füh-rungsebene um das Fahrmanöver, der Straße zufolgen bzw. sich an ein Hindernis anzunähern unddieses zu passieren. Von der Planung her müssender Straßenverlauf und andere Fahrzeuge am Randfür die Querführung berücksichtigt werden. Auf derStabilisierungsebene muss die Spur entsprechendgut gehalten werden, sodass Kollisionen mit ste-henden Fahrzeugen rechts vermieden werden (s. Tabelle 48).

Die Ursachen der Fehlhandlung (s. Tabelle 49) lie-gen bei der Fehlanpassung der Querführung darin,dass Straßenverlauf und rechts stehende, ruhendeFahrzeuge nicht adäquat in die Planung einbezo-gen werden bzw. Informationen wie Seitenabstän-de falsch interpretiert werden, sodass hier Warnun-gen bzw. aktive Unterstützung notwendig ist. Beider Vernachlässigung werden vorhandene Informa-tionen von den Fahrern nicht wahrgenommen unddeswegen bei der Planung nicht berücksichtigt.Hier könnten bereits informierende Systeme wir-kungsvoll sein. Bei der letzten Gruppe ist eine feh-lerhafte Ausführung wesentlich, sodass ein über-steuerbarer Eingriff sinnvoll erscheint.

Bei der zweiten Gruppe von Unfällen mit ruhendemVerkehr besteht der Handlungsfehler darin, dass

die Fahrer beim Ausparken mit dem fließenden Ver-kehr zusammenstoßen. Das kann sowohl das Vor-wärts-Ausparken aus der Längsaufstellung alsauch das Rückwärts-Ausparken aus der Querauf-stellung betreffen.

Die häufigste Fehlhandlung ist die Vernachlässi-gung anderer Verkehrsteilnehmer aufgrund vonUnachtsamkeit. Ein Beispiel für die Vernachlässi-gung anderer Verkehrsteilnehmer lautet folgender-maßen: „Der Bet. 01 fuhr vom Fahrbahnrand derCeller Heerstr., Höhe Nr. XXX, vom Fahrbahnrandan, ohne auf den in Richtung stadtauswärts fahren-den Bet. 02 zu achten. Der Beteiligte 02 konntetrotz Vollbremsung eine Kollision nicht mehr verhin-dern“ (Code 0230).

55

Tab. 48: Zuordnung der Fehlhandlungen zu den verschiedenen Fahraufgaben bei Unfällen mit ruhendem Verkehr rechts. Mit einemKreuz sind die Fahraufgaben gekennzeichnet, die von einem Assistenzsystem beherrscht werden müssen, um den Unfallzu verhindern

Kollision mit ruhendem Verkehrrechts

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Fehlanpassung Querführung X X X X X

Vernachlässigung Querführung X X X X X

Ausführungsfehler X X X X X

Tab. 49: Ursachen der Fehlhandlungen für die Kollisionen mitruhendem Verkehr rechts. Mit Kreuzen ist der Punkt inder Handlung angegeben, an dem die Ursache für dieFehlhandlung liegt

Kollision mit ruhendem Verkehrrechts

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Fehlanpassung Querführung X X

Vernachlässigung Querführung X

Ausführungsfehler X

Page 57: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Tabelle 50 zeigt die Häufigkeiten der verschiedenenFehlhandlungen. Die Vernachlässigung andererwegen Unaufmerksamkeit betrifft 19,3 % aller und31,3 % der schweren Unfälle. Alle anderen Fehl-handlungen treten jeweils nur bei einem leichtenUnfall auf. Insgesamt tritt dieser Handlungsfeh-ler bei 2,2 % aller und 1,0 % der schweren Unfälleauf.

Bei allen Fehlhandlungen geht es auf der Führungs-ebene um das Ausparken (s. Tabelle 51). Dabeimüssen einerseits andere Fahrzeuge bei der Pla-nung des An- und Weiterfahrens berücksichtigt wer-den, andererseits der Straßenverlauf und andereVerkehrsteilnehmer bei der Querführung, d. h., derSchwerpunkt liegt entweder bei der Längs- oder beider Querführung.

Die Ursachen der Fehlhandlung (s. Tabelle 52) lie-gen bei der Vernachlässigung anderer darin, dassdie Fahrer die relevanten, prinzipiell vorhandenenInformationen nicht einholen, sich also nicht verge-wissern, ob die Straße frei ist. Hier könnte eine zu-sätzliche Information wertvoll sein. Damit der Fah-rer diese auch beim Ausparken wahrnimmt, istwahrscheinlich eine Warnung notwendig. Bei derFehlanpassung der Querführung und von Abstandund Geschwindigkeit geht es um Fehlentscheidun-gen, die durch aktive Unterstützung zu korrigierensind. Bei der letzten Gruppe ist eine fehlerhafteAusführung wesentlich. Hier ist ein übersteuerbarerEingriff notwendig.

Bei der dritten Gruppe besteht der Handlungsfeh-ler darin, dass der Fahrer auf ein Fahrzeug auffährt,

56

Tab. 50: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Unfällen beim Ausparken. Dargestellt ist die gewichtete Anzahl für alleUnfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alle Abbiegeunfälle undalle Unfälle

Unfall beim AusparkenAnzahl % Unfälle ruhend % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 80 10 19.3 31.3 1.9 1.0

Fehlanpassung Querführung an Straßenverlauf und andere 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Vernachlässigung anderer, Fahrerzustand 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Ausführungsfehler 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Fehlanpassung Abstand und Geschw. Straßenzustand 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 8 1 1.8 1.9 0.2 0.1

Ausschluss 4 0 1.0 0.0 0.1 0.0

Summe 95 10 23.1 33.1 2.2 1.1

Tab. 51: Zuordnung der Fehlhandlungen zu den verschiedenen Fahraufgaben bei Unfällen beim Ausparken. Mit einem Kreuz sinddie Fahraufgaben gekennzeichnet, die von einem Assistenzsystem beherrscht werden müssen, um den Unfall zu verhin-dern

Unfall beim Ausparken

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung anderer X X X

Fehlanpassung Querführung X X X

Fehlanpassung Abstand Geschwindigkeit

X X X

Ausführungsfehler X X X

Page 58: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

das anhält, um einzuparken. Auf der Ebene derFehlhandlungen kommt es einerseits zu einer Ver-nachlässigung der Abstandshaltung aufgrund vonUnaufmerksamkeit, falscher Aufmerksamkeitsaus-richtung oder Ablenkung. Ein Beispiel für Ersteres:„Der Bet. 01 befuhr die Steinstr. in Richtung Peter-silienstraße. Eigenen Angaben zufolge sei er einenAugenblick unachtsam gewesen und sei auf denstehenden Pkw der Bet. 02 aufgefahren. Die Bet.02 suchte einen Parkplatz“ (Code 1450).

Weiter werden Abstand und Geschwindigkeit nichtan den veränderten Straßenzustand angepasst, d. h., der Fahrer fährt bei nasser bzw. glatter Fahr-bahn auf den vor ihm Anhaltenden auf, da er auf-grund der erhöhten Geschwindigkeit nicht mehrabbremsen kann. Ein Beispiel: „Vor HausnummerXXX wollte 02 in eine Parkbox einfahren, was siedurch das Setzen des Blinkers ankündigte. 01, diehinter 02 fuhr, konnte aufgrund der regennassenFahrbahn und des geringen Sicherheitsabstandes

nicht mehr rechtzeitig abbremsen“ (Code 5180).Sehr selten kommt es zu einer Fehlanpassung vonAbstand und Geschwindigkeit an eine vorliegendeSichtbehinderung.

Tabelle 53 zeigt die Häufigkeiten der verschiedenenFehlhandlungen. Insgesamt handelt es sich umeinen kleinen Teil der Unfälle bei ruhendem Verkehr(7,0 % aller und 7,9 % der schweren Unfälle im ru-henden Verkehr). Bezogen auf alle Unfälle betrifftdieser Handlungsfehler 0,7 % bzw. 0,3 % derschweren Unfälle. Am häufigsten ist die Vernach-lässigung der Abstandshaltung wegen Unaufmerk-samkeit (2,6 % aller und 2,6 % der schweren Un-fälle), wobei dies der einzige schwere Unfall diesesTyps ist. Alle anderen Fehlhandlungen treten nurbei den leichten Unfällen auf und dort auch relativselten.

Bei den Fehlhandlungen geht es auf der Führungs-ebene um das Fahrzeugfolgen, die Annäherung anein Fahrzeug oder Hindernis und das sichere An-halten davor (s. Tabelle 54). Bei der Vernachlässi-gung der Abstandshaltung geht es um das Einhal-ten eines sicheren Abstands auf der Stabilisie-rungsebene. Bei der Fehlanpassung kommt hinzu,dass bereits im Vorfeld eine Geschwindigkeit undein Abstand gewählt werden müssen, bei dem manauch bei plötzlichem Anhalten des vorderen Fahr-zeugs sicher zum Stehen kommen kann.

Die Ursachen der Fehlhandlung (s. Tabelle 55) lie-gen bei der Vernachlässigung der Abstandshaltungdarin, dass die Fahrer die relevanten, prinzipiellvorhandenen Informationen nicht einholen, alsonicht in hinreichendem Maß auf den Voranfahren-den achten. Hier könnten entsprechende Informa-tionen bereits wirkungsvoll sein. Bei der Fehlan-passung von Geschwindigkeit und Abstand geht

57

Tab. 52: Ursachen der Fehlhandlungen für die Kollisionen mitruhendem Verkehr rechts. Mit Kreuzen ist der Punkt inder Handlung angegeben, an dem die Ursache für dieFehlhandlung liegt

Unfall beim Ausparken

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung anderer X

Fehlanpassung Querführung X

Fehlanpassung Abstand Geschwindigkeit

X

Ausführungsfehler X

Tab. 53: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Auffahren auf ruhenden Verkehr. Dargestellt ist die gewichtete Anzahl füralle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alle Abbiegeunfäl-le und alle Unfälle

Auffahren auf ruhenden VerkehrAnzahl % Unfälle ruhend % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung Abstandshaltung, Unaufmerksamkeit 11 1 2.6 2.6 0.3 0.1

Fehlanpassung Abstand und Geschw. Straßenzustand 3 0 0.7 0.0 0.1 0.0

Vernachlässigung Abstandshaltung, falsche Aufmerksam-keitsausrichtung

2 0 0.6 0.0 0.1 0.0

Vernachlässigung Abstandshaltung, Ablenkung 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Fehlanpassung Abstand und Geschw. Sichtbehinderungen 1 0 0.2 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 2 0 0.5 0.0 0.0 0.0

Ausschluss 9 2 2.1 5.2 0.2 0.2

Summe 29 3 7.0 7.9 0.7 0.3

Page 59: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

es um Fehlentscheidungen, bei denen wesentlichesituative Bedingungen nicht in die Handlungspla-nung einbezogen werden. Dies könnte durch aktivunterstützende Assistenzsysteme erreicht werden.

Zusammenfassend ergibt sich damit für Unfälle mitruhendem Verkehr:

· Es handelt sich insgesamt um einen kleinen An-teil aller (7,3 %) und besonders der schweren(2,2 %) Unfälle.

· Bei den Unfällen insgesamt treten vor allem Un-fälle mit ruhendem Verkehr rechts (44,8 %) auf,seltener Unfälle beim Ausparken (23,1 %) undsehr selten mit Auffahren (7,0 %) auf.

· Bei den schweren Unfällen sind Unfälle beimAusparken (33,1 %) etwas häufiger als Unfälle

mit ruhendem Verkehr rechts (27,9 %). Unfällemit Auffahren sind auch hier selten (9,2 %).

· Bei den Unfällen mit ruhendem Verkehr rechtssteht die Querführung im Vordergrund. Ein As-sistenzsystem muss bei der Spurhaltungsunter-stützung neben dem Straßenverlauf auch ande-re Fahrzeuge berücksichtigen. Vor allem bei denschweren Unfällen liegt die Ursache darin, dassdie Querführung vernachlässigt wird. Hier isteine Warnung sinnvoll, wobei aufgrund der kur-zen zur Verfügung stehenden Zeit wahrschein-lich eine aktive Unterstützung nötig ist. Dies istbei der Fehlanpassung als Fehlentscheidungdes Fahrers vor allem bei den leichten Unfällenebenfalls notwendig. Mit einer entsprechendenaktiven Unterstützung wären damit 4,3 % allerund 0,9 % der schweren Unfälle zu verhindern.

· Beim Ausparken geht es bei der Längsführungum die Entscheidung, erst dann loszufahren,wenn keine anderen Verkehrsteilnehmer vor-handen sind. Die Ursache dafür liegt im Bereichder fehlenden Wahrnehmung, d. h., die Fahrervernachlässigen die prinzipiell wahrnehmbarenInformationen. Entsprechend wäre hier ein As-sistenzsystem wichtig, dass beim Ausparkendie Information über andere Verkehrsteilnehmervermittelt, etwa über eine entsprechende Warn-funktion. Damit wären 2,2 % aller und 1,1 % derschweren Unfälle zu vermeiden.

· Beim Auffahren auf ruhenden Verkehr steht dieLängsführung im Vordergrund. Vor allem beiden schweren Unfällen ist eine fehlende Wahr-

58

Tab. 54: Zuordnung der Fehlhandlungen zu den verschiedenen Fahraufgaben bei Unfällen mit Auffahren auf ruhenden Verkehr. Miteinem Kreuz sind die Fahraufgaben gekennzeichnet, die von einem Assistenzsystem beherrscht werden müssen, um denUnfall zu verhindern

Auffahren auf ruhenden Verkehr

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung Abstandshaltung

X X X X X

Fehlanpassung Abstand Geschwindigkeit

X X X X X X X

Tab. 55: Ursachen der Fehlhandlungen für die Kollisionen mitruhendem Verkehr rechts. Mit Kreuzen ist der Punkt inder Handlung angegeben, an dem die Ursache für dieFehlhandlung liegt

Auffahren auf ruhenden Verkehr

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung Abstandshaltung

X

Fehlanpassung Abstand Geschwindigkeit

X

Page 60: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

nehmung anderer Verkehrsteilnehmer die Ursa-che, sodass eine Warnung vor stehenden Fahr-zeugen bzw. Hindernissen den Unfall vermeidenwürde. Dies betrifft allerdings nur 0,4 % allerund 0,1 % der schweren Unfälle. Andererseitswürde ein entsprechendes System auch in an-deren Fällen wirksam sein (beim Auffahren beimAbbiegeunfall und bei Unfällen im Längsver-kehr), sodass die Wirkung insgesamt deutlichgrößer wäre.

3.6 Der Unfall im Längsverkehr

Beim Unfall im Längsverkehr wurde eine ganzeReihe unterschiedlicher Feintypen in die Analyseeinbezogen (s. Tabelle 56).

Insgesamt werden damit 90,4 % aller Unfälle imLängsverkehr und 88,5 % der schweren Unfälle imLängsverkehr analysiert. Zu den häufigsten Feinty-pen gehören verschiedene Unfälle mit Auffahrengefolgt von Unfällen beim Spurwechsel. Insgesamtumfasst dieser Unfalltyp 32,6 % aller und 20,2 %der schweren Unfälle.

Um einen Unfall im Längsverkehr handelt es sich,wenn der Unfall durch einen Konflikt zwischen Ver-kehrsteilnehmern ausgelöst wurde, die sich in glei-cher oder entgegengesetzter Richtung bewegten,sofern dieser Konflikt nicht die Folge eines Ver-kehrsvorganges war, der einem anderen Unfalltypentspricht. Es lassen sich vier unterschiedlicheHandlungsfehler unterscheiden:

· Handlungsfehler „Auffahren“. Dazu gehören dieUnfalltypen 601 (Vorausfahrender/Nachfolgen-der, rechte Spur), 602 (Vorausfahrender/Nach-folgender, mittlere Spur), 611 (Stau/Nachfolgen-der) und 621 (Wartepflichtiger/Nachfolgender,vor Kreuzung).

· Handlungsfehler „seitliche Kollision (Spurwech-sel)“. Darunter fallen die Unfalltypen 631 (Spur-wechsler/nach links Nachfolgender, Spurwech-sel wegen vorausfahrenden Fahrzeuges), 639(Spurwechsler/nach links Nachfolgender, Spur-wechsel aus unklaren Gründen), 641 (Spur-wechsler/nach rechts Nachfolgender, Spur-wechsel wegen vorausfahrenden Fahrzeuges)und 649 (Spurwechsler/nach rechts Nachfol-gender, Spurwechsel aus unklaren Gründen).

· Handlungsfehler „seitliche Kollision (nebenei-nander fahrende Fahrzeuge)“. Zu diesem Hand-

lungsfehler gehört der Feintyp 651 (Nebenein-anderfahrende).

· Handlungsfehler „seitliche Kollision (entgegen-kommende Fahrzeuge)“. Dazu zählt der Unfall-typ 681 (Entgegenkommende).

Bei den Unfällen der ersten Gruppe besteht derHandlungsfehler im Auffahren auf ein vorausfah-rendes Fahrzeug. Dabei lassen sich vier Kategorienvon Fehlhandlungen unterscheiden.

Zur häufigsten Kategorie gehört die Fehlanpassungvon Abstand und Geschwindigkeit an unterschied-liche Rahmenbedingungen. Das sind zum einenandere Verkehrsteilnehmer, die plötzlich anhaltenkönnen, aber auch der durch Schnee oder Regenveränderte Straßenzustand. Ein Beispiel für dieseKategorie lautet wie folgt: „Demnach befuhren 01und 02 in genannter Reihenfolge die Berliner Heer-str. in Richtung stadteinwärts. Als 02 sein Fahrzeugin Höhe der Einmündung verkehrsbedingt abbrem-sen musste, erkannte 01 dieses Abbremsen zuspät und fuhr auf den Pkw 02 auf. Sachschaden“(Code 1810).

59

Tab. 56: Häufigkeit der Feintypen bei Unfällen im Längsverkehrbei der Analyse für alle Unfälle („Gesamt“) und schwe-re Unfälle („Schwer“). Dargestellt ist die gewichteteAnzahl, der Anteil der In-Depth analysierten Unfälle anallen Unfällen im Längsverkehr und an allen Unfällenaus Braunschweig

Unfälle im Längsverkehr Gesamt Schwer

601 Vor-Nach, rechte Spur 461 83

623 Warten-Nach, LSA 286 36

602 Vor-Nach, mittlere Spur 134 28

621 Stau-Nach, Kreuzung 85 3

631 Spurw. links weg. voraus 81 12

639 Spurw. links unklar 78 9

649 Spurw. rechts unklar 69 9

641 Spurw. rechts weg. voraus 58 3

651 Nebeneinanderfahrende 51 2

611 Stau-Nach, rechte Spur 49 12

681 Begegnende Fahrzeuge 36 3

Summe 1,388 200

% Unfälle im Längsverkehr 90.4 88.5

% aller Unfälle 32.6 20.2

Page 61: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Zur zweiten Kategorie gehört die Vernachlässigungsowohl anderer Verkehrsteilnehmer als auch derAbstandshaltung aufgrund von Unaufmerksamkeit,Ablenkung oder der Beeinträchtigung des Fahrer-zustandes. Ein Beispiel für die Vernachlässigunganderer Verkehrsteilnehmer lautet: „Als die LZA aufGrün umschaltete, fuhren die Fahrzeuge vor 02 an,bremsten aber noch zweimal ab, sodass 02 eben-falls abbremsen musste. Beim letzten Mal bemerk-te 01 dies zu spät und fuhr noch leicht auf 02 auf.Sachschaden“ (Code 1589).

Zu dritten Kategorie gehören die Ausführungsfeh-ler, die durch nachfolgenden Verlauf beschriebenwerden können: „02 und 01 befuhren die Hum-boldtstr. aus Richtung Gliesmaroder Str. in Rich-tung Hagenring und mussten vor der Lichtzeichen-anlage Humboldtstr./Hagenring bei Rotlicht war-ten. Beim späteren Anfahren rutschte 01 eigenenAngaben zufolge von der Kupplung ab und fuhr aufden Pkw 02 auf“ (Code 9671).

In der letzten Kategorie besteht die Fehlhandlungin der bewusst riskanten Planung des Fahr-manövers, d. h. dass der Abstand so gering unddie Geschwindigkeit so hoch gewählt werden, dasses zu einem Auffahren kommt. „Demnach befuhr02 die A 395 aus Richtung Braunschweig kom-mend im linken Fahrstreifen, in Richtung Bad Harz-burg. In Höhe Kilometer XXX war er im Begriff, denPkw 01 zu überholen, als dieser plötzlich vom rech-ten in den linken Fahrstreifen wechselte und vordem Pkw 02 stark abbremste, ohne dazu einenGrund gehabt zu haben. ... 02 leitete mit seinemPkw eine Vollbremsung ein und geriet dabei ins

Schleudern. … 01 entfernte sich unerlaubt von derUnfallstelle“ (Code 0661).

Tabelle 57 zeigt die Häufigkeit dieser verschiede-nen Fehlhandlungen. Im Vordergrund steht dieFehlanpassung von Abstand und Geschwindigkeitan andere (28,6 % aller und 34,0 % der schwerenUnfälle) und an den Straßenzustand (22,0 % allerund 19,8 % der schweren Unfälle). Deutlich selte-ner ist die Vernachlässigung anderer wegen einerFehleinschätzung der Situation (5,1 % und 2,3 %).Die Vernachlässigung der Abstandshaltung wegenUnaufmerksamkeit (3,6 % und 7,1 %), Ablenkung(2,2 % und 2,0 %), Fahrerzustand (1,5 % und 2,9%) und ohne besonderen Grund (0,1 % und 0,5 %)ist insgesamt ähnlich häufig. Diese Gruppe von Un-fällen entspricht 66,1 % aller und 71,7 % derschweren Unfälle im Längsverkehr.

Die Fehlhandlungen sind auf der Führungsebenedem Folgen eines Fahrzeugs, der Annäherung anein Fahrzeug oder Hindernis und dem Anhalten zu-zuordnen (s. Tabelle 58). Bei der Fehlanpassungund der bewusst riskanten Planung wählen dieFahrer den Abstand und die Geschwindigkeit so,dass sie bei plötzlichem Anhalten des vorderenFahrzeugs nicht sicher zum Stehen kommen kön-nen. Bei der Vernachlässigung stehen die Ab-standshaltung und die Reaktion auf das vordereFahrzeug im Vordergrund. Die Ausführungsfehlerbetreffen sowohl Abstandshaltung als auch Ge-schwindigkeitsregulation.

Die Ursache für die Fehlanpassung von Abstandund Geschwindigkeit liegt darin, dass Fahrer ihnen

60

Tab. 57: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Unfällen mit Längsverkehr mit Auffahren. Dargestellt ist die gewichteteAnzahl für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alle Un-fälle im Längsverkehr und alle Unfälle

Unfälle im Längsverkehr AuffahrenAnzahl % Längsverkehr % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Fehlanpassung Abstand und Geschw. an andere 440 77 28.6 34.0 10.3 7.7

Fehlanpassung Abstand und Geschw. Straßenzustand 338 45 22.0 19.8 7.9 4.5

Vernachlässigung anderer wg. Fehleinschätzung Situation 78 5 5.1 2.3 1.8 0.5

Vernachlässigung Abstandshaltung, Unaufmerksamkeit 55 16 3.6 7.1 1.3 1.6

Vernachlässigung Abstandshaltung, Ablenkung 33 4 2.2 2.0 0.8 0.5

Vernachlässigung Abstandshaltung, Fahrerzustand 23 7 1.5 2.9 0.5 0.7

Ausführungsfehler 18 1 1.2 0.3 0.4 0.1

Bewusst riskante Planung des Fahrmanövers 4 1 0.2 0.3 0.1 0.1

Vernachlässigung Abstandshaltung o. bes. Grund 1 1 0.1 0.5 0.0 0.1

Keine Zuordnung 9 3 0.6 1.3 0.2 0.3

Ausschluss 17 3 1.1 1.2 0.4 0.3

Summe 1.015 162 66.1 71.7 23.8 16.3

Page 62: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

prinzipiell verfügbare Informationen nicht in dieHandlungsplanung einbeziehen (s. Tabelle 59).

Hier handelt es sich um Fehlentscheidungen, diedurch aktive Unterstützung zu korrigieren sind. Beider Vernachlässigung anderer und der Abstands-haltung fehlen den Fahrern wichtige Informationen,die über informierende Systeme zu vermitteln sind.Bedingt durch die kurze zur Verfügung stehendeZeit könnte auch eine entsprechende Warnungnotwendig sein. Ausführungsfehler sind nur durcheine entsprechende Überwachung und Eingriff zuverhindern. Auch bei Fehlentscheidungen im Sinneeiner bewusst riskanten Planung ist davon auszu-gehen, dass eine aktive Unterstützung alleine nichthinreichend ist, um den Unfall zu verhindern.

Der zweite Handlungsfehler bei den Unfällen imLängsverkehr besteht darin, dass der Fahrer einenSpurwechsel durchführt, obwohl ein Fahrzeug inder anderen Spur fährt, sodass es mit diesem zueiner seitlichen Kollision kommt.

Die verschiedenen Fehlhandlungen lassen sich indrei Kategorien zusammenfassen. Die häufigsteFehlhandlung ist die Vernachlässigung der Infor-mationsaufnahme, d. h., die Fahrer vergewissernsich nicht durch einen Seitenblick, ob der Spur-wechsel gefahrlos möglich ist. Das geschieht ausUnaufmerksamkeit, weil die Fahrer wegen dergleichzeitigen Ausführung einer anderen Aufgabeüberfordert sind, oder aufgrund eines beeinträch-tigten Fahrerzustandes. Beispielhaft für den ersten

Fall lässt sich folgende Situation nennen: „Bet. 01befuhr die Berliner Str. in Richtung Volkmarode aufdem rechten Fahrstreifen. Auf Höhe der Hausnum-mer XXX wollte er auf den linken Fahrstreifenwechseln. Hierbei übersah er den neben sich fah-renden Bet. 02 und stieß mit ihm zusammen. Durchden Zusammenstoß wurde das Fahrzeug des Be-teiligten 02 gegen den linken Bordstein gestoßen“(Code 3578).

Zur zweiten Kategorie gehören Unfälle, bei denendie Fehlhandlung darin besteht, dass der Fahrerdie Planung des Fahrens hinsichtlich der Quer-

61

Tab. 58: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für den Unfall im Längsverkehr mit Auffahren

Unfälle im Längsverkehr Auffahren

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Fehlanpassung Abstand und Geschwindigkeit

X X X X X X X

Vernachlässigung anderer X X X X X

Vernachlässigung Abstandshaltung

X X X X X

Ausführungsfehler X X X X X X X

Bewusst riskante Planung X X X X X X X

Tab. 59: Ursachen der Fehlhandlungen für den Unfall imLängsverkehr mit Auffahren. Mit Kreuzen ist der Punktin der Handlung angegeben, an dem die Ursache fürdie Fehlhandlung liegt

Unfälle im Längsverkehr Auffahren

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Fehlanpassung Abstand und Geschwindigkeit

X

Vernachlässigung anderer X

Vernachlässigung Abstandshaltung

X

Ausführungsfehler X

Bewusst riskante Planung X

Page 63: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

führung nicht an den Straßenverlauf bzw. andereVerkehrsteilnehmer anpasst: „… kurz hinter derEinmündung Ludwigstraße wechselte die 01 aufden rechten Fahrstreifen und musste sofort ver-kehrsbedingt bremsen. Der 02 konnte nicht mehrreagieren ... und fuhr auf 01 auf“ (Code 2000).

Die Fehlhandlung der dritten Kategorie bestehtdarin, dass die Fahrer den Spurwechsel durch-führen, da sie bestimmte Rahmenbedingungen derSituation fehlinterpretieren und es somit zu einerKollision kommt, wie das Beispiel veranschaulicht:„Auf Höhe der AS Ölper Kreuz wechselte 01, in derAnnahme, die Fahrbahn würde auf einen Fahrstrei-fen verengt werden, vom rechten in den linkenFahrstreifen und übersah dabei den links nebenihm in gleicher Richtung fahrenden 02, sodass eszum Zusammenstoß kam“ (Code7953).

Tabelle 60 zeigt die Häufigkeit dieser verschiede-nen Fehlhandlungen. In der Mehrzahl der Unfälle ist

die Fehlhandlung die Vernachlässigung der Infor-mationsaufnahme, entweder ohne besonderenGrund (13,7 % aller bzw. 10,2 % der schweren Un-fälle) oder wegen Überforderung (3,3 % bzw. 3,4%). Die anderen Fehlhandlungen sind nur verein-zelt zu finden. Insgesamt betrifft dieser Handlungs-fehler 18,6 % aller und 14,7 % der schweren Fahr-unfälle. Dies entspricht 6,7 % aller und 3,4 % derschweren Unfälle insgesamt.

Die Fehlhandlungen sind auf der Führungsebenedem Spurwechsel zuzuordnen (s. Tabelle 61).

Wesentliche Anforderungen für ein sicheres Bewäl-tigen dieses Manövers sind entsprechend denFehlhandlungen, sich zu vergewissern, dass keineanderen Verkehrsteilnehmer den Spurwechsel be-hindern, vorausschauend auch die weitere Fahrtnach dem Spurwechsel zu planen und die Rah-menbedingungen für das Manöver richtig einzu-schätzen.

62

Tab. 60: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Unfällen mit Längsverkehr mit Spurwechsel. Dargestellt ist die gewich-tete Anzahl für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alleUnfälle im Längsverkehr und alle Unfälle

Unfälle im Längsverkehr SpurwechselAnzahl % Längsverkehr % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung Info-Aufnahme o. bes. Grund 211 23 13.7 10.2 5.0 2.3

Vernachlässigung Info.-Aufnahme weg. Überforderung 51 8 3.3 3.4 1.2 0.8

Fehlanpassung Querführung an Straßenverlauf und andere 8 1 0.5 0.3 0.2 0.1

Fehlinterpretation von Rahmenbedingungen 6 2 0.4 0.8 0.1 0.2

Vernachlässigung Info-Aufnahme wg. Fahrerzustand 2 0 0.1 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 5 0 0.3 0.0 0.1 0.0

Ausschluss 4 0 0.3 0.0 0.1 0.0

Summe 286 33 18.6 14.7 6.7 3.4

Tab. 61: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für den Unfall im Längsverkehr mit Spurwechsel

Unfälle im Längsverkehr Spurwechsel

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung Informations-aufnahme

X

Fehlanpassung Querführung X

Fehlinterpretation von Rahmenbe-dingungen

X

Page 64: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Die Ursache für die Vernachlässigung der Informa-tionsaufnahme ist als Fehlentscheidung zu werten,da die Sicherung nach hinten bei diesem Manövereigentlich immer durchgeführt werden sollte (s. Ta-belle 62). Bei der Fehlinterpretation von Rahmen-bedingungen werden situative Umstände falsch in-terpretiert.

Dadurch fehlen dem Fahrer Informationen überFahrzeuge, die sich seitlich hinten befinden. Ent-sprechend könnte es genügen, entsprechende In-formationen zu vermitteln. Da der Fahrer selbst dieInformation nicht aktiv aufsucht, ist zu vermuten,dass auch diese Informationen zu wenig berück-sichtigt werden, sodass eine Warnung notwendigsein könnte. Bei der zweiten Fehlhandlung muss indie Planung des Spurwechsels die Überlegung ein-bezogen werden, ob nach dem Spurwechsel ein si-cheres Fahren weiter möglich ist, d. h. voraus-schauend geplant werden. Dass dies nicht ge-schieht, ist als Fehlentscheidung zu klassifizieren.Entsprechend ist eine aktive Unterstützung notwen-dig, um die Ausführung des Manövers zu verhin-dern. Es könnte allerdings schwierig sein, dem Fah-rer die Notwendigkeit dafür zu vermitteln. Außer-dem muss vorausgesetzt werden, dass ein Assis-tenzsystem diese vorausschauende Planung be-herrscht. Die Fehlinterpretation von Rahmenbedin-gungen ist ebenfalls als Fehlentscheidung zu wer-ten. Ein Assistenzsystem muss aufgrund einer kor-rekten Analyse der Fahrsituation durch eine aktiveUnterstützung verhindern, dass der Fahrer die Spurwechselt.

Der dritte Handlungsfehler bei den Unfällen imLängsverkehr besteht in der fehlerhaften Überwa-chung der Querführung während des Nebeneinan-

derfahrens, wobei es zu einer Kollision mit dem an-deren Fahrzeug kommt. Häufigste Fehlhandlung istdie Vernachlässigung der Querführung ohne be-sonderen Grund, aus Unaufmerksamkeit oderwegen eines beeinträchtigen Fahrerzustands. Eintypisches Beispiel lautet: „01 fuhr von der Bushal-testelle Rebenring Nr. 23 in den rechten Fahrstrei-fen ein und geriet dabei leicht in den linken Fahr-streifen, wobei sie leicht die 02 touchierte, die imlinken Fahrstreifen in Richtung Hamburger Str. fuhr.Sachschaden“ (Code 5616).

Eine weitere Fehlhandlung ist die Fehlanpassungder Querführung an Besonderheiten des Straßen-verlaufs oder an andere Verkehrsteilnehmer. EinBeispiel: „Vor dem Haus Böcklinstraße XXX wolltedie 01 in eine Parkbox am rechten Fahrbahnrandeinparken. Dies kündigte sie durch Setzen desrechten Fahrtrichtungsanzeigers an. Um in dieParkbox einfahren zu können, scherte sie dabeinach links zur Fahrbahnmitte aus und übersah ausUnachtsamkeit dabei die Beteiligte 02, welche mitihrem Pkw an ihr vorbeifuhr. Es kam zum seitlichenAnstoß mit Schaden an beiden Pkw.“ (Code 6723)

Schließlich tritt in einem Fall als Fehlhandlung dieFehlanpassung der Geschwindigkeit an denStraßenzustand auf, in deren Folge die Spur nichtgehalten werden konnte.

Wie Tabelle 63 zeigt, sind diese verschiedenen Un-fälle insgesamt und vor allem bei den schwerenUnfällen sehr selten. Insgesamt tritt die Vernach-lässigung der Querführung ohne besonderenGrund oder durch Unaufmerksamkeit am häufigs-ten auf (1,4 % aller und 0,0 % der schweren Unfäl-le), gefolgt von Fehlanpassungen der Querführungan andere Verkehrsteilnehmer (0,9 % bzw. 0,3 %)und an den Straßenverlauf (0,7 % bzw. 0,0 %). Die weiteren Fehlhandlungen treten auchbei allen Unfällen nur vereinzelt auf. Dieser Hand-lungsfehler betrifft nur 3,3 % aller und 0,8 % derschweren Fahrunfälle und 1,1 % bzw. 0,2 % allerUnfälle.

Bei diesen Fehlhandlungen geht es auf derFührungsebene um das Straßefolgen, wobei beiden ersten beiden Fehlhandlungen die Querfüh-rung im Vordergrund steht, bei der letzten Fehl-handlung auch die Geschwindigkeitsregelung (s.Tabelle 64).

Die Ursache für die Vernachlässigung der Quer-führung liegt darin, dass dem Fahrer durch Unauf-merksamkeit oder ohne besonderen Grund we-

63

Tab. 62: Ursachen der Fehlhandlungen für den Unfall imLängsverkehr mit Spurwechsel. Mit Kreuzen ist derPunkt in der Handlung angegeben, an dem die Ursa-che für die Fehlhandlung liegt

Unfälle im Längsverkehr Spurwechsel

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung Informations-aufnahme

X X

Fehlanpassung Querführung X

Fehlinterpretation von Rahmen-bedingungen

X

Page 65: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

sentliche Informationen fehlen, sodass hier eine In-formation genügen könnte oder aufgrund der kur-zen zur Verfügung stehenden Zeit eine Warnung (s.Tabelle 65). Bei der Fehlanpassung der Quer-führung liegt eine Fehlentscheidung vor, bei der si-

tuative Rahmenbedingungen wie der Verlauf derFahrspur nicht berücksichtigt werden. Hier ist eineUnterstützung der Spurhaltung unter Einbezug desStraßenverlaufs notwendig. Die Fehlanpassung derGeschwindigkeit ist eine Fehlentscheidung desFahrers, wobei die Geschwindigkeitshaltung mitEinbezug des Straßenzustands durch ein Assis-tenzsystem aktiv unterstützt werden müsste.

Der letzte Handlungsfehler besteht in einer Kollisi-on mit entgegenkommenden Fahrzeugen. Dies ge-schieht, weil die Fahrer aus der Spur geraten. Auchhier steht als Fehlhandlung die Vernachlässigungder Querführung ohne besonderen Grund, aus Un-aufmerksamkeit oder wegen eines beeinträchtigenFahrerzustands im Vordergrund. Ein typisches Bei-spiel lautet: „01 und 02 befuhren die Nordstraße imBegegnungsverkehr. In Höhe der Haus-Nr. XXXkollidierten sie mit ihren Außenspiegeln. Beide Be-teiligten gaben an, nicht äußerst rechts gefahren zusein … Begegnungsverkehr wäre gefahrlos mög-lich gewesen“ (Code 6252).

64

Tab. 63: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Unfällen mit Längsverkehr beim Nebeneinanderfahren. Dargestellt ist diegewichtete Anzahl für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogenauf alle Unfälle im Längsverkehr und alle Unfälle

Unfälle im Längsverkehr NebeneinanderAnzahl % Längsverkehr % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachläss. Querführung o. bes. Grund, Unaufmerksamkeit 21 0 1.4 0.0 0.5 0.0

Fehlanpassung Querführung an andere 14 1 0.9 0.3 0.3 0.1

Fehlanpassung Querführung, Bes. Straßenverlauf 10 0 0.7 0.0 0.2 0.0

Vernachlässigung Querführung, Fahrerzustand 2 1 0.1 0.5 0.0 0.1

Fehlanpassung Geschwindigkeit, Straßenzustand 1 0 0.1 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 3 0 0.2 0.0 0.1 0.0

Ausschluss 0 0 0.0 0.0 0.0 0.0

Summe 51 2 3.3 0.8 1.1 0.2

Tab. 64: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für den Unfall im Längsverkehr beim Nebeneinander-fahren

Unfälle im Längsverkehr Nebeneinander

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung Querführung X X X

Fehlanpassung Querführung X X X

Fehlinterpretation Geschwindigkeit

X X X X X

Tab. 65: Ursachen der Fehlhandlungen für den Unfall imLängsverkehr beim Nebeneinanderfahren. Mit Kreu-zen ist der Punkt in der Handlung angegeben, an demdie Ursache für die Fehlhandlung liegt

Unfälle im Längsverkehr Nebeneinander

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung Querführung X

Fehlanpassung Querführung X

Fehlinterpretation Geschwindigkeit

X

Page 66: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Als zweite Fehlhandlung gehen die Fahrer bewusstRisiken ein und verlassen deshalb ihre Spur. EinBeispiel: „... hätte 01 hinter dem dort ordnungs-gemäß parkenden Pkw warten müssen, um denentgegenkommenden 02 vorbeifahren zu lassen.01 missachtete diese Vorschrift. Es kam zum Zu-sammenstoß“ (Code 6847).

Eine weitere Fehlhandlung ist die Fehlanpassungder Querführung an Besonderheiten des Straßen-verlaufs oder an andere Verkehrsteilnehmer: „01befuhr die Friedrichstr. in Richtung Böcklerstr., 02befuhr ebenfalls die Friedrichstr. in entgegenge-setzter Richtung. Auf Grund der Fahrbahnenge fuhr02 in eine Parklücke am linken Fahrbahnrand, um02 vorbeizulassen. 01 fuhr vorbei und touchiertedabei das Fahrzeug des 02“ (Code 5217).

Schließlich tritt in einem Fall als Fehlhandlung dieFehlanpassung der Geschwindigkeit an den Stra-ßenzustand auf.

Wie Tabelle 66 zeigt, sind auch diese Unfälle sehr selten. Insgesamt tritt die Vernachlässigungder Querführung ohne besonderen Grund oderdurch Unaufmerksamkeit auf häufigsten auf (1,0 %aller und 0,0 % der schweren Unfälle). Bei denschweren Unfällen ist die bewusst riskante Planungdes Fahrmanövers häufiger zu finden (0,6 % allerund 1,0 % der schweren Unfälle). Fehlanpassungender Querführung an Besonderheiten des Straßen-verlaufs (0,4 % bzw. 0,0 %) und an andere Ver-kehrsteilnehmer (0,2 % bzw. 0,3 %) sind ähnlichselten. Die weiteren Fehlhandlungen treten nur ver-einzelt auf.

Bei diesen Fehlhandlungen geht es auf derFührungsebene manöverseitig um das Straßefol-gen, wobei bei den ersten drei Fehlhandlungen dieQuerführung im Vordergrund steht, bei der letztenFehlhandlung auch die Geschwindigkeitsregelung(s. Tabelle 67).

65

Tab. 66: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei Unfällen mit Längsverkehr bei seitlichen Kollisionen mit entgegenkom-menden Fahrzeugen. Dargestellt ist die gewichtete Anzahl für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“),außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alle Unfälle im Längsverkehr und alle Unfälle

Unfälle im Längsverkehr EntgegenkommenderAnzahl % Längsverkehr % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachläss. Querführung o. bes. Grund, Unaufmerksamkeit 16 0 1.0 0.0 0.4 0.0

Bewusst riskante Planung des Fahrmanövers 9 2 0.6 1.0 0.2 0.2

Fehlanpassung Querführung, Bes. Straßenverlauf 6 0 0.4 0.0 0.1 0.0

Fehlanpassung Querführung an Straßenverlauf und andere 3 1 0.2 0.3 0.1 0.1

Vernachlässigung Querführung, Fahrerzustand 1 0 0.1 0.0 0.0 0.0

Fehlanpassung Geschwindigkeit, Straßenzustand 1 0 0.1 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 1 0 0.1 0.0 0.0 0.0

Ausschluss 0 0 0.0 0.0 0.0 0.0

Summe 37 3 2.4 1.3 0.8 0.3

Tab. 67: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für den Unfall im Längsverkehr bei seitlichen Kollisio-nen mit entgegenkommenden Fahrzeugen

Unfälle im Längsverkehr Entgegenkommend

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung Querführung X X X

Bewusst riskante Planung X X X

Fehlanpassung Querführung X X X

Fehlanpassung Geschwindigkeit X X X X X

Page 67: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Die Ursache für die Vernachlässigung der Quer-führung liegt darin, dass dem Fahrer durch Unauf-merksamkeit oder ohne besonderen Grund we-sentliche Informationen fehlen, sodass hier eine In-formation genügen könnte, wobei aufgrund derkurzen zur Verfügung stehenden Zeit auch eineWarnung nötig sein kann (s. Tabelle 68). Der be-wusst riskanten Planung ist als Fehlentscheidungdurch eine aktive Unterstützung entgegenzuwir-ken. Bei der Fehlanpassung der Querführung liegteine Fehlentscheidung vor, bei der situative Rah-menbedingungen wie der Verlauf der Fahrspurnicht berücksichtigt werden. Hier ist eine Unter-stützung der Spurhaltung unter Einbezug desStraßenverlaufs notwendig. Die Fehlanpassung derGeschwindigkeit ist eine Fehlentscheidung desFahrers, wobei die Geschwindigkeitshaltung mitEinbezug des Straßenzustands durch ein Assis-tenzsystem aktiv unterstützt werden müsste.

Insgesamt ergibt sich damit für die Unfälle imLängsverkehr folgendes Bild:

· Dieser Unfalltyp ist vor allem bei den Unfälleninsgesamt sehr häufig (32,6 % aller Unfälle) undetwas seltener bei den schweren Unfällen (20,2 %).

· Bei diesem Unfall dominiert von der Häufigkeither der Handlungsfehler Auffahren (mehr alszwei Drittel dieser Unfälle), gefolgt von Unfällenbeim Spurwechsel (18,6 % aller bzw. 14,7 %der schweren Unfälle im Längsverkehr). Die Un-fälle mit seitlicher Kollision mit einem in dersel-ben oder entgegengesetzter Richtung fahren-den Fahrzeug liegen jeweils unter 5 % der Un-fälle im Längsverkehr.

· Beim Auffahren werden sehr häufig Abstandund Geschwindigkeit im Vorfeld des Unfallsnicht an die Situation angepasst. Die Korrekturdieser Fehlentscheidung müsste durch ein Assi-stenzsystem aktiv unterstützt werden. Damitwären 18,3 % aller und 12,3 % der schwerenUnfälle zu verhindern. Weiter spielt die Vernach-lässigung der Abstandshaltung aus verschiede-nen Gründen eine wesentliche Rolle. Hier liegtdie Ursache in fehlender Wahrnehmung vorhan-dener Information, sodass eine Warnung voreinem zu geringen Abstand bereits den Unfallverhindern könnte. Aufgrund der kurzen zur Ver-fügung stehenden Zeit könnte es bei plötzlichenBremsmanövern des voranfahrenden Fahr-zeugs allerdings notwendig sein, dies aktiv zuunterstützen. Mit einem entsprechenden Sys-tem könnten weitere 2,6 % aller und 2,8 % derschweren Unfälle verhindert werden. Dieseskönnte auch bei der Vernachlässigung andererVerkehrsteilnehmer mit fehlender Wahrneh-mung von plötzlichen Bremsmanövern wir-kungsvoll sein, sodass weitere 1,8 % aller und0,5 % der schweren Unfälle zu verhindernwären.

· Beim Spurwechsel vergewissern sich die Fahrerin den meisten Fällen nicht, dass die Spurneben ihnen frei ist, sondern wechseln direktdie Spur. Entsprechend muss die Querführungim Sinne der Bahnplanung unterstützt werden.Da die Ursache in einer Fehlentscheidung desFahrers liegt, ist eine aktive Unterstützung not-wendig, wenn nicht bereits im Vorfeld die Infor-mation über andere Fahrzeuge in der Spur, indie gewechselt werden soll, vermittelt werdenkann. Damit ließen sich 6,3 % aller und 3,1 %der schweren Unfälle verhindern.

· Bei den Unfällen mit seitlicher Kollision stehenSchwierigkeiten bei der Spurhaltung im Vorder-grund. Die Vernachlässigung der Spurhaltungund die Fehlanpassung der Querführung tretenin ähnlicher Häufigkeit auf, sodass insgesamtein aktives System, dass die Spurhaltung unter-stützt und dabei den Straßenverlauf berück-sichtigt, die Unfälle verhindern könnte. Insge-samt handelt es sich nur um 1,2 % aller und 0,2 % der schweren Unfälle. Allerdings könntediese Art von Assistenz auch bei anderen Unfäl-len wirkungsvoll sein.

· Ähnliches gilt für seitliche Kollisionen mit entge-genkommenden Fahrzeugen. Gerade für die

66

Tab. 68: Ursachen der Fehlhandlungen für den Unfall imLängsverkehr beim Entgegenkommendfahren. MitKreuzen ist der Punkt in der Handlung angegeben, andem die Ursache für die Fehlhandlung liegt

Unfälle im Längsverkehr Entgegenkommend

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung Querführung X

Bewusst riskante Planung X

Fehlanpassung Querführung X

Fehlinterpretation Geschwindigkeit

X

Page 68: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

schweren Unfälle ist es hier auch wichtig, ris-kante Fahrmanöver zu verhindern, was nurdurch ein aktiv unterstützendes Assistenzsys-tem zu leisten wäre. Mit dieser Assistenz, diedie Spurhaltung in Abhängigkeit vom Straßen-verlauf unterstützt, wären 0,6 % aller und 0,1 %der schweren Unfälle zu verhindern.

3.7 Sonstige Unfälle

Bei den sonstigen Unfällen wurden die acht häu-figsten Feintypen in die Analyse einbezogen (s. Ta-belle 69). Insgesamt werden damit 64,5 % allersonstigen Unfälle und 51,6 % der schweren sonsti-gen Unfälle analysiert. Dieser relativ geringe Pro-zentsatz ergibt sich, da eine Vielzahl weiterer, abersehr seltener Feintypen vorhanden war, bei denenes aufgrund der kleinen Häufigkeiten nicht sinnvollerscheint, diese zu analysieren. Insgesamt umfasstdieser Unfalltyp 5,0 % aller und 4,7 % der schwe-ren Unfälle.

Bei diesem Unfalltyp lassen sich insgesamt dreiHandlungsfehler unterscheiden:

· Handlungsfehler „vorwärts und rückwärts ran-gieren beim Parken“. Dazu zählen die Unfallty-pen 701 (Unfall zwischen Parkern in der Längs-aufstellung), 702 (Unfall zwischen Parkern in derQueraufstellung), 703 (Unfall zwischen Parkernauf einem Parkplatz und 705 (geparkten Pkwgestreift).

· Handlungsfehler „Rückwärtsfahren im Verkehr“.Dazu gehören die Unfalltypen 711 (Rückwärts-

fahren) und 716 (Rückwärts mit Pkw gegen Ge-genstand fahren).

· Handlungsfehler „Wenden“. Dazu gehören dieUnfalltypen 721 (Wenden auf einer Hauptstraße)und 723 (Wenden um eine Verkehrsinsel).

In der ersten Gruppe besteht der Handlungsfehlerim fehlerhaften Ein- bzw. Ausparken, in dessenFolge es zu einer Kollision mit einem anderen Fahr-zeug kommt. Es gibt zwei Kategorien von Fehl-handlungen, die zu diesem Unfall führen.

Die häufigste Fehlhandlung ist die Vernachlässi-gung anderer Verkehrsteilnehmer aus Unaufmerk-samkeit und aufgrund eines beeinträchtigten Fah-rerzustands. Vernachlässigungen der Berücksichti-gung des Straßenverlaufs und Ausführungsfehlersind etwas seltener. Sichtbehinderung spielt nur ineinem Fall eine Rolle. Ein Beispiel für die KategorieVernachlässigung (Vernachlässigung anderer Ver-kehrsteilnehmer aufgrund von Unaufmerksamkeit)lautet folgendermaßen: „02 parkte ordnungsgemäßam rechten Fahrbahnrand. 01 stieß beim Rangierengegen das Fahrzeug 02“ (Code 9589).

Ein Beispiel für die fehlerhafte Ausführung als zwei-te Kategorie lautet wie folgt: „01 befuhr den Park-platz i. H. der Telekom AG (T-Punkt Business) undwollte mit seinem Pkw vorwärts einparken. BeimEinfahren in eine Parklücke verwechselt 01 dasGaspedal mit dem Bremspedal“ (Code 0348).

Tabelle 70 zeigt die Häufigkeit dieser Fehlhandlun-gen. Die Vernachlässigung anderer aus verschie-denen Gründen deckt die Mehrzahl dieser Unfälleab, wobei Unaufmerksamkeit (22,6 % aller und 4,9 % der schweren Unfälle) am häufigsten ist undeingeschränkter Fahrerzustand (3,1 % bzw. 7,9 %)bzw. Sichtbehinderung (0,3 % und 0,0 %) relativselten sind. Die Vernachlässigung des Straßenver-laufs tritt bei 2,3 % aller und 2,9 % der schwerenUnfälle auf. Ähnlich häufig sind Ausführungsfehler.Dieser Handlungsfehler deckt 36,2 % aller und28,1 % der schweren sonstigen Unfälle ab und ent-spricht 2,8 % bzw. 2,6 % aller Unfälle.

Bei allen Fehlhandlungen, die diesen Unfällen zu-grunde liegen, geht es um das Ein- und Ausparken(s. Tabelle 71). Die Vernachlässigung anderer Ver-kehrsteilnehmer betrifft vor allem die Längs-führung, d. h. die Entscheidung an- und weiterzu-fahren. Bei der Vernachlässigung des Straßenver-laufs geht es vor allem um die Querführung imSinne der Planung der Fahrspur. Bei den Aus-

67

Tab. 69: Häufigkeit der Feintypen bei sonstigen Unfällen beider Analyse für alle Unfälle („Gesamt“) und schwereUnfälle („Schwer“). Dargestellt sind die gewichtete An-zahl, der Anteil der In-Depth analysierten Unfälle anallen sonstigen Unfällen und an allen Unfällen ausBraunschweig

Sonstige Unfälle Gesamt Schwer

703 Unfall Parker Parkplatz 79 26

716 Rückwärts Pkw/Gegenstand 38 3

721 Wenden Hauptstrasse 25 12

711 Rückwärtsfahren 21 3

701 Unfall Parker Längs 19 0

705 Geparkter Pkw gestreift 16 0

723 Wenden Verkehrsinsel 9 3

702 Unfall Parker Quer 6 0

Summe 213 47

% sonstige Unfälle 64.5 51.6

% aller Unfälle 5.0 4.7

Page 69: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

führungsfehlern kann sowohl Längs- als auchQuerführung betroffen sein.

Wie Tabelle 72 zeigt, ist bei der Vernachlässigunganderer und des Straßenverlaufs eine fehlendeWahrnehmung vorhandener Informationen wesent-lich, d. h., die Bereitstellung der entsprechenden

Informationen könnte diese Unfälle verhindern. BeiAusführungsfehlern muss ein Assistenzsystem ein-greifen.

Bei der zweiten Gruppe besteht der Handlungsfeh-ler darin, dass der Fahrer beim Rückwärtsfahrenmit einem anderen Fahrzeug kollidiert.

Bei diesen Unfällen treten als Fehlhandlungen dieVernachlässigung anderer aufgrund von Unauf-merksamkeit oder wegen eines beeinträchtigtenFahrerzustands auf. Hinzu kommt die Vernachläs-sigung des Straßenverlaufs. Ein Beispiel für dieVernachlässigung anderer aufgrund von Unacht-samkeit lautet folgendermaßen: „01 befand sichmit ihrem Pkw auf dem Gelände der ARAL-Tank-stelle, Sackring/Maienstraße, und fuhr im nördli-chen Bereich einige Meter rückwärts. Hierbei über-sah die 01 die hinter ihrem Pkw aufhältige Radfah-rerin 02, sodass es mit dieser zum Zusammenstoßkam“ (Code 7645). Schließlich trat in zwei Fällenbei den leichten Unfällen ein Ausführungsfehler auf.

68

Tab. 70: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei sonstigen Unfällen mit Rangieren auf dem Parkplatz. Dargestellt ist diegewichtete Anzahl für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogenauf alle sonstigen Unfälle und alle Unfälle

Sonstige Unfälle Rangieren ParkplatzAnzahl % sonstige % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 74 4 22.6 4.9 1.8 0.5

Vernachlässigung anderer, Fahrerzustand 10 7 3.1 7.9 0.2 0.7

Vernachläss. Berücksichtigung, Straßenverlauf o. bes. Grund 8 3 2.3 2.9 0.2 0.3

Ausführungsfehler 5 3 1.4 2.9 0.1 0.3

Vernachlässigung anderer, Sichtbehinderung 1 0 0.3 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 1 0 0.3 0.0 0.0 0.0

Ausschluss 21 9 6.3 9.5 0.5 0.9

Summe 120 26 36.2 28.1 2.8 2.6

Tab. 71: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für sonstige Unfälle mit Rangieren auf dem Parkplatz

Sonstige Unfälle Rangieren Parkplatz

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung anderer X X X X

Vernachlässigung Straßenverlauf X X X X

Ausführungsfehler X X X X X X

Tab. 72: Ursachen der Fehlhandlungen für sonstige Unfälle mitRangieren auf dem Parkplatz. Mit Kreuzen ist derPunkt in der Handlung angegeben, an dem die Ursa-che für die Fehlhandlung liegt

Sonstige Unfälle Rangieren Parkplatz

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung anderer X

Vernachlässigung Straßenverlauf X

Ausführungsfehler X

Page 70: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Entsprechend Tabelle 73 ist die Vernachlässigunganderer aufgrund von Unaufmerksamkeit (13,2 %aller und 4,9 % der schweren Unfälle) oder wegeneines beeinträchtigten Fahrerzustands (1,5 % bzw.0,0 %) am häufigsten. Die Vernachlässigung desStraßenverlaufs steht an dritter Stelle (1,4 % bzw.1,6 %). Insgesamt sind dies 1,3 % aller und 0,7 %der schweren Unfälle.

Bei allen Fehlhandlungen geht es auf der Füh-rungsebene um das Rückwärtsfahren (s. Tabelle74). Die Vernachlässigung anderer Verkehrsteil-nehmer betrifft vor allem die Längsführung, d. h.die Entscheidung, an- und weiterzufahren. Bei der Vernachlässigung des Straßenverlaufs geht esvor allem um die Querführung im Sinne der Pla-nung der Fahrspur. Bei den Ausführungsfehlernkann sowohl Längs- als auch Querführung betrof-fen sein.

Wie Tabelle 75 zeigt, ist bei der Vernachlässigunganderer und des Straßenverlaufs eine fehlendeWahrnehmung vorhandener Informationen wesent-lich, d. h., die Bereitstellung entsprechender Infor-

mationen könnte diese Unfälle verhindern. Bei Aus-führungsfehlern muss die Assistenz eingreifen.

Der Handlungsfehler bei den Unfällen der drittenGruppe besteht darin, dass die Fahrer beim Wen-den mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kollidie-ren. Dabei treten Fehlhandlungen in drei Kategori-en auf. Bei der Vernachlässigung anderer wegen

69

Tab. 73: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei sonstigen Unfällen mit Rückwärtsfahren. Dargestellt ist die gewichteteAnzahl für alle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alle sons-tigen Unfälle und alle Unfälle

Sonstige Unfälle rückwärts FahrenAnzahl % sonstige % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung anderer ,Unaufmerksamkeit 43 4 13.2 4.9 1.0 0.5

Vernachlässigung anderer, Fahrerzustand 5 0 1.5 0.0 0.1 0.0

Vernachläss. Berücksichtigung, Straßenverlauf o. bes. Grund 4 1 1.4 1.6 0.1 0.2

Ausführungsfehler 2 0 0.6 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 1 0 0.3 0.0 0.0 0.0

Ausschluss 3 0 0.9 0.0 0.1 0.0

Summe 59 5 17.9 6.5 1.3 0.7

Tab. 74: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für sonstige Unfälle mit Rückwärtsfahren

Sonstige Unfälle rückwärts Fahren

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung anderer X X X

Vernachlässigung Straßenverlauf X X X

Ausführungsfehler X X X X X

Tab. 75: Ursachen der Fehlhandlungen für sonstige Unfälle mitRückwärtsfahren. Mit Kreuzen ist der Punkt in derHandlung angegeben, an dem die Ursache für dieFehlhandlung liegt

Sonstige Unfälle rückwärts Fahren

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung anderer X

Vernachlässigung Straßenverlauf X

Ausführungsfehler X

Page 71: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Unaufmerksamkeit vergewissern sich die Fahrernicht, ob das Wenden gefahrlos möglich ist, wiefolgendes Beispiel veranschaulicht: „01 befuhr dieHumboldtstr. in Richtung stadteinwärts im rechtenFahrstreifen. Kurz vor der Anbindung Am Fallersle-ber Tore wollte 01 wenden, um dann in Richtungstadtauswärts fahren zu können. Dazu wendete 01vom rechten über den linken Fahrstreifen, ohnehierbei auf den dort fahrenden 02 zu achten. Zu-sammenstoß“ (Code 1588).

Bei der bewusst riskanten Planung liefert folgendeBeschreibung ein Beispiel: „01 befuhr den linkenstadtauswärts führenden Fahrstreifen der Mün-chenstraße, wechselte kurz vor der EinmündungPippelweg nach links – über die weiße durchgezo-gene Linie – in den für Fahrzeuge gesperrten Fahr-streifen und bog von dort nach links über den dor-tigen Gleiskörper ab (01 wollte dann in RichtungLuisenstraße zurückfahren). Beim Wendevorgangachtete 01 nicht auf die in Richtung stadtauswärts

fahrende Strab. 02, sodass es mit dieser zum Zu-sammenstoß kam“ (Code 8792).

Alle anderen Fehlhandlungen sind nur vereinzelt zufinden, wie Tabelle 76 zeigt. Die Vernachlässigunganderer wegen Unaufmerksamkeit ist am häufigs-ten mit 7,5 % aller und 15,2 % der schweren sonstigen Unfälle. An zweiter Stelle steht die be-wusst riskante Planung des Fahrmanövers (2,0 %aller und 1,6 % der schweren sonstigen Unfälle).Alle anderen Fehlhandlungen treten nur vereinzeltbei den leichten Unfällen auf. Insgesamt sind dies0,8 % aller und 1,6 % der schweren Unfälle. DieserHandlungsfehler ist also etwas mehr für die schwe-ren Unfälle relevant.

Alle Fehlhandlungen, die bei diesen Unfällen auf-treten, betreffen das Wenden (s. Tabelle 77). DieVernachlässigung anderer Verkehrsteilnehmer be-trifft vor allem die Längsführung, d. h. die Entschei-dung an- und weiterzufahren. Gleiches gilt für diebewusst riskante Planung. Bei der Fehlanpassung

70

Tab. 76: Häufigkeit der Ursachen der Fehlhandlungen bei sonstigen Unfällen mit Wenden. Dargestellt ist die gewichtete Anzahl füralle Unfälle („Gesamt“) und schwere Unfälle („Schwer“), außerdem der prozentuale Anteil bezogen auf alle sonstigen Un-fälle und alle Unfälle

Sonstige Unfälle WendenAnzahl % sonstige % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 25 14 7.5 15.2 0.6 1.4

Bewusst riskante Planung des Fahrmanövers 6 1 2.0 1.6 0.2 0.2

Vernachlässigung anderer, Sichtbehinderung 1 0 0.3 0.0 0.0 0.0

Vernachlässigung anderer, Fahrerzustand 1 0 0.3 0.0 0.0 0.0

Fehlanpassung Querführung an Straßenverlauf und andere 1 0 0.3 0.0 0.0 0.0

Keine Zuordnung 0 0 0.0 0.0 0.0 0.0

Ausschluss 0 0 0.0 0.0 0.0 0.0

Summe 34 15 10.4 16.8 0.8 1.6

Tab. 77: Zuordnung der verschiedenen Fehlergruppen zu den Fahraufgaben für sonstige Unfälle mit Wenden

Sonstige Unfälle Wenden

Stabili-sierung

Führung

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Sol

l-G

esch

win

dig

keit

Sol

l-A

bst

and

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

der

nis

Üb

erho

len

Anh

alte

n vo

r H

ind

erni

s

Hin

der

nis

pas

sier

en

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g q

uere

n

Sp

urw

echs

el

Ab

bie

gen

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d a

nhal

ten

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

par

ken

Aus

par

ken

Vernachlässigung anderer X X X

Bewusst riskante Planung X X X

Fehlanpassung Querführung X X X

Page 72: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

der Querführung geht es vor allem um die Planungder Fahrspur.

Wie Tabelle 78 zeigt, ist bei der Vernachlässigunganderer eine fehlende Wahrnehmung vorhandenerInformationen wesentlich, d. h., hier müssten demFahrer die entsprechenden Informationen vermit-telt werden. Bei der bewusst riskanten Planungmuss ein aktiv unterstützendes System die Fehl-entscheidung des Fahrers korrigieren, ebenso beiFehlanpassungen der Querführung.

Insgesamt zeigt sich damit für die sonstigen Unfäl-le:

· Bei sonstigen Unfällen sind Unfälle auf demParkplatz, beim Rückwärtsfahren und beimWenden am häufigsten, machen aber insge-samt nur 5 % aller und 4,7 % der schweren Un-fälle aus.

· Auf dem Parkplatz und beim Rückwärtsfahrenwerden von den Fehlhandlungen her am häu-figsten andere Verkehrsteilnehmer nicht berück-sichtigt, sodass ein informierendes System be-reits hilfreich wäre. Dabei müssten auf demParkplatz alle möglichen Verkehrsteilnehmer inder jeweiligen Fahrtrichtung berücksichtigt wer-den, beim Rückwärtsfahren nur die hinter demFahrzeug. Auf dem Parkplatz ließen sich durchein solches System 2,0 % aller und 1,2 % derschweren Unfälle verhindern. Beim Rückwärts-fahren wären dies zusätzlich 1,1 % aller bzw.0,5 % der schweren Unfälle.

· Beim Wenden spielt die Vernachlässigung an-derer Verkehrsteilnehmer eine wesentlicheRolle. Hier könnte ein informierendes Systembereits die Unfälle verhindern, da eine fehlendeWahrnehmung die Ursache ist. Ein solches

System müsste allerdings andere Verkehrsteil-nehmer während des Wendens auf den ver-schiedenen Fahrspuren erkennen. Damit ließensich 0,6 % aller und 1,4 % der schweren Unfäl-le verhindern. Um die riskante Planung diesesManövers zu verhindern, ist ein aktiv unterstüt-zendes Assistenzsystem notwendig, das dieseManöver verhindert. Dies könnte zusätzlich 0,2 % aller und der schweren Unfälle verhin-dern.

4 Diskussion und Ausblick

4.1 Wesentliche Fehlhandlungen undihre Ursachen – Anforderung anAssistenz

Bei der Diskussion der einzelnen Unfalltypen, derdort auftretenden Handlungsfehler und der ihnenvorangehenden Fehlhandlungen ist in den einzel-nen Kapiteln eine Reihe an Anforderungen an verschiedene Funktionalitäten von Assistenzsys-temen und ihre Eingriffsstrategie abgeleitet wor-den. Um diese zusammenfassend darzustellen,werden für alle Handlungsfehler die Fehlhandlun-gen herangezogen, bei denen mindestens fünfschwere Unfälle vorhanden waren, um so die vonder Häufigkeit her wichtigsten Unfälle hervorzuhe-ben. Diese wurden dann nach den Handlungsfeh-lern geordnet. Tabelle 79 zeigt die Ergebnisse inder Übersicht.

An erster Stelle von der Häufigkeit her stehen Ein-biegen/Kreuzen-Unfälle, bei denen 7 Fehlhandlun-gen 21,2 % aller schweren Unfälle abdecken. Beidiesen Unfällen werden andere Verkehrsteilnehmeraus unterschiedlichen Gründen bei der Planungvernachlässigt. Außerdem wird das Verhalten nichtan Sichtbehinderungen angepasst, das Manöverwird bewusst riskant geplant oder die Querführungwird nicht an den Straßenverlauf und andere Ver-kehrsteilnehmer angepasst.

Fahrunfälle mit insgesamt 4 Fehlhandlungen be-treffen weitere 20,4 % aller schweren Unfälle. Hiersteht die Fehlanpassung der Geschwindigkeit anden Straßenzustand, an den Fahrerzustand und andie eigene Leistungsfähigkeit im Vordergrund,außerdem die Vernachlässigung der Querführungohne besonderen Grund.

Unfälle im Längsverkehr mit Auffahren decken mit5 Fehlhandlungen weitere 15,1 % aller schweren

71

Tab. 78: Ursachen der Fehlhandlungen für sonstige Unfälle mitWenden. Mit Kreuzen ist der Punkt in der Handlungangegeben, an dem die Ursache für die Fehlhandlungliegt

Sonstige Unfälle Wenden

Info

rmat

ions

man

gel

Fehl

end

e W

ahrn

ehm

ung

Fehl

inte

rpre

tatio

n

Fehl

ents

chei

dun

g

Fehl

erha

fte

Aus

führ

ung

Vernachlässigung anderer X

Bewusst riskante Planung X

Fehlanpassung Querführung X

Page 73: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Unfälle ab. Dabei wird bei der Wahl von Abstandund Geschwindigkeit nicht in der Planung berück-sichtigt, dass andere Verkehrsteilnehmer plötzlichbremsen könnten. Außerdem wird der Straßenzu-stand nicht in die Planung einbezogen. Die Ab-standshaltung wird aus Unaufmerksamkeit oderwegen eines eingeschränkten Fahrerzustands ver-nachlässigt. Schließlich werden andere Verkehrs-teilnehmer nicht beachtet, weil die Situation falscheingeschätzt wird.

Alle weiteren Handlungsfehler sind deutlich seltenerund liegen im Bereich von jeweils unter 5 % derschweren Unfälle. Abbiegeunfälle mit entgegen-kommenden Fahrzeugen betreffen 4,1 % derschweren Unfälle, wobei die Vernachlässigung an-derer Fahrzeuge aus Unaufmerksamkeit die Ursa-che ist. Unfälle im Längsverkehr mit Spurwechselbetreffen mit 2 Fehlhandlungen 3,1 % der schwerenUnfälle. Hier wird von den Fahrern nicht vor demSpurwechsel sichergestellt, dass keine anderen

72

Tab. 79: Übersicht über die häufigsten Unfalltypen und die dafür verantwortlichen Fehlhandlungen. Eingeschlossen wurden alleFehlhandlungen, bei denen mindestens 5 schwere Unfälle vorliegen. In den ersten beiden Spalten sind die Anzahlen zufinden, in den letzten beiden Spalten die Prozentsätze bezogen auf alle und auf die schweren Unfälle. Für Unfalltypen mitmehreren Fehlhandlungen ist auch die Summe der entsprechenden Fehlhandlungen dargestellt

Anzahl % alle Unfälle

Gesamt Schwer Gesamt Schwer

Einbiegen/Kreuzen Unfälle 695 211 16.3 21.2

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 455 113 10.7 11.3

Vernachlässigung anderer wg. falscher Aufmerkeitsausrichtung 89 44 2.1 4.4

Vernachlässigung anderer wg. Fehleinschätzung, Situation 58 30 1.4 3.0

Fehlanpassung An-/Weiterfahren, Sichtbehinderung 33 8 0.8 0.8

Bewusst riskante Planung des Fahrmanövers 16 7 0.4 0.7

Vernachlässigung anderer, Fahrerzustand 9 5 0.2 0.5

Fehlanpassung Querführung an Straßenverlauf und andere 36 5 0.8 0.5

Fahrunfälle 515 202 12.1 20.4

Fehlanpassung Geschwindigkeit, Straßenzustand 354 128 8.3 12.9

Fehlanpassung Geschwindigkeit, Fahrerzustand 70 44 1.6 4.5

Vernachlässigung Querführung o. bes. Grund, Unaufmerksamkeit 62 21 1.5 2.2

Fehlanpassung Geschwindigkeit, Leistungsfähigkeit 29 9 0.7 1.0

Unfälle im Längsverkehr Auffahren 933 149 21.9 15.1

Fehlanpassung Abstand und Geschwindigkeit an andere 440 77 10.3 7.7

Fehlanpassung Abstand und Geschwindigkeit, Straßenzustand 338 45 7.9 4.5

Vernachlässigung Abstandshaltung, Unaufmerksamkeit 55 16 1.3 1.6

Vernachlässigung Abstandshaltung, Fahrerzustand 23 7 0.5 0.7

Vernachlässigung anderer wg. Fehleinschätzung, Situation 78 5 1.8 0.5

Abbiegeunfälle Entgegenkommender

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 92 41 2.2 4.1

Unfälle im Längsverkehr Spurwechsel 262 31 6.1 3.1

Vernachlässigung Info-Aufnahme o. bes. Grund 211 23 5.0 2.3

Vernachlässigung Info.-Aufnahme weg. Überforderung 51 8 1.2 0.8

Abbiegeunfälle Auffahren

Vernachlässigung Abstandshaltung, Unaufmerksamkeit 162 24 3.8 2.4

Sonstige Unfälle Wenden

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 25 14 0.6 1.4

Abbiegeunfälle rechts Radfahrer

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 19 13 0.4 1.3

Unfall beim Ausparken

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 80 10 1.9 1.0

Sonstige Unfälle Rangieren Parkplatz

Vernachlässigung anderer, Fahrerzustand 10 7 0.2 0.7

Page 74: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Verkehrsteilnehmer auf der Spur vorhanden sind,auf die gewechselt werden soll. Dies geschieht ent-weder ohne besonderen Grund oder wegen Über-forderung durch andere Fahraufgaben.

Bei allen weiteren Handlungsfehlern besteht dieFehlhandlung in der Vernachlässigung anderer Ver-kehrsteilnehmer aufgrund von Unaufmerksamkeit.Dies ist der Fall beim Auffahren bei Abbiegeunfällen(2,4 % der schweren Unfälle), beim Wenden (1,4 %),bei Unfällen mit Radfahrern von rechts hinten beiAbbiegeunfällen (1,3 %), beim Ausparken (1,0 %)und beim Rangieren auf dem Parkplatz (0,7 %).

Um aus dieser Analyse Anforderungen an Assis-tenzsysteme abzuleiten, stellt Tabelle 80 für dieverschiedenen Fehlhandlungen die Fahrmanöverdar, die dabei beherrscht werden müssen. ÄhnlicheFehlhandlungen wurden dabei aus Gründen derÜbersichtlichkeit zusammengefasst (z. B. Vernach-lässigung anderer aus Unaufmerksamkeit, wegen

des Fahrerzustands usw.). Die Unfälle wurden soumsortiert, dass Gruppen entstehen, bei denendieselben Fahrmanöver betroffen sind.

In der oberen Hälfte der Tabelle geht es auf derFührungsebene um das Abbiegen oder Kreuzen.Hier steht hinsichtlich der Häufigkeit die Längsre-gelung im Vordergrund, wobei es darum geht, nurdann loszufahren, wenn die Straße tatsächlich freiist. In einer geringeren Anzahl von Fällen geht esum die Planung der Fahrspur, d. h. die Anpassungder Querführung an die Situation. Am häufigstenmüssen Bevorrechtigte von links oder rechts er-kannt werden, wenn Fahrer in eine Straße einbie-gen oder diese kreuzen. An zweiter Stelle steht daslinks Abbiegen, bei dem entgegenkommende Fahr-zeuge erkannt werden müssen. Der kleinste Anteilbetrifft Radfahrer von rechts hinten beim rechts Ab-biegen. Damit ergibt sich als Anforderung für dieFunktionalität der Assistenz:

73

Tab. 80: Übersicht über Fahrmanöver und Aufgaben auf der Stabilisierungsebene, die bei den verschiedenen Handlungsfehlernund den dafür verantwortlichen Fehlhandlungen unterstützt werden sollten

% Unfälle Stab. Führung

Ges

amt

Sch

wer

Spu

rhal

tung

Ges

chw

indi

gkei

tsre

gelu

ng

Abs

tand

sreg

elun

g

Gen

auig

keit

Spu

rhal

tung

Sol

l-G

esch

win

digk

eit

Sol

l-A

bsta

nd

An-

und

Wei

terf

ahre

n

Str

aße

folg

en

Ann

äher

ung

Fahr

zeug

/Hin

dern

is

Übe

rhol

en

Anh

alte

n vo

r H

inde

rnis

Hin

dern

is p

assi

eren

Hin

ter

Fahr

zeug

anf

ahre

n

Fahr

zeug

fol

gen

Kre

uzun

g qu

eren

Spu

rwec

hsel

Abb

iege

n

Rec

hts

ranf

ahre

n un

d an

halte

n

Rüc

kwär

ts f

ahre

n

U-T

urn

Wen

den

Ein

park

en

Aus

park

en

Einbiegen/Kreuzen-Unfälle 16.3 21.2

Vernachlässigung anderer 14.3 19.2

Fehlanpassung An- und Weiterfahren 0.8 0.8

Bewusst riskante Planung 0.4 0.7

Fehlanpassung Querführung, Straße und andere 0.8 0.5

Abbiegeunfälle Entgegenkommender

Vernachlässigung anderer 2.2 4.1

Abbiegeunfälle rechts Radfahrer

Vernachlässigung anderer 0.4 1.3

Abbiegeunfälle Auffahren

Vernachlässigung Abstandshaltung 3.8 2.4

Unfälle im Längsverkehr Auffahren 21.9 15.1

Fehlanpassung Abstand und Geschwindigkeit 18.3 12.3

Vernachlässigung Abstandshaltung 1.8 2.3

Vernachlässigung anderer 1.8 0.5

Fahrunfälle 12.1 20.4

Fehlanpassung Geschwindigkeit 10.6 18.3

Vernachlässigung Querführung 1.5 2.2

Unfälle im Längsverkehr Spurwechsel

Vernachlässigung Informationsaufnahme 6.1 3.1

Sonstige Unfälle Wenden

Vernachlässigung anderer 0.6 1.4

Unfall beim Ausparken

Vernachlässigung anderer 1.9 1.0

Sonstige Unfälle Rangieren Parkplatz

Vernachlässigung anderer 0.2 0.7

Page 75: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

· Kreuzungsassistenz, die bevorrechtigte Fahr-zeuge von rechts, links oder aus entgegenge-setzter Richtung sowie von rechts hinten kom-mende Fahrradfahrer erkennt, die beim rechtsAbbiegen übersehen werden.

· Gelingt es, ein fehlerhaftes Losfahren des Fah-rers in diesen Fällen zu verhindern, könnendamit 26,2 % aller schweren Unfälle vermiedenwerden, wobei die Erkennung nach rechts undlinks den überwiegenden Teil dieser Unfälle be-trifft, gefolgt von Unfällen mit Fahrzeugen inentgegengesetzter Richtung und mit Radfah-rern von rechts.

In der Mitte der Tabelle finden sich Unfälle mit demHandlungsfehler Auffahren, die auch im Kreu-zungsbereich stattfinden können. Hier müssen dieManöver „Fahrzeug folgen“, „Annäherung an einHindernis“ und „Anhalten vor Hindernis“ durch einAssistenzsystem unterstützt werden. Der Schwer-punkt liegt darin, einen sicheren Abstand einzuhal-ten, wobei teilweise zusätzlich eine der Situationangepasste Geschwindigkeit zu wählen ist, sodassbei plötzlichen Ereignissen noch gebremst werdenkann. Das heißt für die notwendige Funktionalitätvon Assistenz:

· Kollisionsvermeidungssystem, das bereits voreiner Kollision Abstand und Geschwindigkeit inAbhängigkeit von der Fahrsituation regelt, beidem auch stehende Fahrzeuge erkannt werdenund bei dem das Bremsen bei plötzlichen Ereig-nissen unterstützt wird.

· Gelingt es, mit diesem System einen sicherenAbstand und Geschwindigkeit einzuhalten undbei plötzlichen Ereignissen zu bremsen, so kön-nen damit 17,5 % aller schweren Unfälle verhin-dert werden.

Im unteren Bereich finden sich als weitere großeGruppe die Fahrunfälle, bei denen auf der Füh-rungsebene das Manöver „Straße folgen“ unter-stützt werden muss. Auf der Ebene der Fehlhand-lungen geht es vor allem darum, die Geschwindig-keit an die situativen Rahmenbedingungen anzu-passen, wobei der Straßenzustand hier eine we-sentliche Rolle spielt, aber auch ein eingeschränk-ter Fahrerzustand und die Fähigkeiten der Fahrerberücksichtigt werden müssen. In deutlich wenigerFällen ist eine Unterstützung der Spurhaltung not-wendig. Als Assistenzfunktion ergibt sich:

· Eine situationsbezogene Geschwindigkeitsre-gulation, die dafür sorgt, dass der Fahrer eine

der Situation angemessene Geschwindigkeitnicht überschreitet. Zusätzlich ist eine Unter-stützung der Querführung hilfreich.

· Ein Assistenzsystem, dem dies vollständig ge-lingt, kann 20,4 % aller schweren Unfälle ver-hindern, wobei die Querführungsunterstützungdavon 2,2 % ausmacht.

Gerade in diesem Bereich spielt ein eingeschränk-ter Fahrerzustand durch Alkohol, Drogen oder Mü-digkeit eine große Rolle. Prinzipiell könnten Fehl-handlungen, die dadurch bedingt sind, durch einAssistenzsystem korrigiert werden. Sinnvoller wärees allerdings, die Fahrt in dem eingeschränkten Zu-stand zu vermeiden. Die eine wesentliche Voraus-setzung dafür ist die Erkennung des Fahrerzustan-des, wobei aktuell verschiedene Ansätze des „dri-ver monitoring“ diskutiert werden. Die andere we-sentliche Anforderung wäre, dass der Fahrer dazugebracht wird, auf die Fahrt in eingeschränktemZustand zu verzichten. Für Alkohol hat sich hier imamerikanischen Bereich das „Ignition Interlock System“ bewährt (z. B. VOAS, BLACKMAN, TIPPETTS & MARQUES, 2002), bei dem Fahrer vorder Fahrt über eine Atemalkoholprobe im Autonachweisen müssen, dass sie nüchtern sind. Wennnicht, bleibt das Zündschloss gesperrt. Allerdingsist dieses System aufgrund der relativ hohen Kos-ten nicht flächendeckend einzusetzen, sondern vorallem für alkoholauffällige Fahrer gedacht (eine Dis-kussion für den deutschen Bereich gibt KLIPP2005). Noch schwieriger wird es, wenn währenddes Fahrt ein eingeschränkter Zustand, z. B. Mü-digkeit, entdeckt wird. Eine reine Information oderWarnung über den eingeschränkten Zustand wirdwenig wirkungsvoll sein, da dem Fahrer dies in derRegel wohl bewusst ist. Ein wirkungsvolles Systemmüsste den Fahrer dazu bringen, die Fahrt im ein-geschränkten Zustand zu vermeiden.

Alle weiteren Assistenzfunktionen liegen im Bereichunter 5 % der schweren Unfälle. Hier handelt essich um folgende Funktionen:

· Eine Spurwechselassistenz, die vor anderenFahrzeugen warnt, die sich in der Zielspur be-finden, kann 3,1 % aller schweren Unfälle ver-meiden.

· Eine Assistenzfunktion, die eine Kollision mitanderen Fahrzeugen verhindert, die sich in dergeplanten Fahrspur befinden, kann insgesamt3,1 % der schweren Unfälle verhindern, wobeisowohl das Wenden auf der Fahrbahn als auch

74

Page 76: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

das Ausparken bzw. Rangieren auf dem Park-platz berücksichtigt werden sollten.

Damit ergibt sich insgesamt ein sehr hohes Poten-zial, durch wenige Assistenzfunktionen einen mit70,7 % großen Anteil der schweren Unfälle zu ver-hindern. Das größte Potenzial besitzt ein Kollisi-onsvermeidungssystem, gefolgt von einer Kreu-zungsassistenz und einer situationsangemessenenGeschwindigkeitsregulation. Kann das Kollisions-vermeidungssystem auch in anderen Situationenwie beim Parken und Wenden potenzielle Konflikt-objekte erkennen, so erhöht sich dieses Potenzialnoch einmal. Mit weitem Abstand ergibt sich eineNotwendigkeit für eine Spurwechselassistenz.

Diese Ergebnisse decken sich recht gut mit den inKapitel 1.6 dargestellten Studien, die den mögli-chen Nutzen von Assistenzsystemen untersuchen(GWEHENBERGER & KIEBACH, 2004; für einenÜberblick, s. KOCHERSCHEIDT, 2004; WILTSCH-KO, 2003). Bereits im Rahmen von PROMETHEUSwar ein hohes Potenzial für einen Kreuzungsassis-tenten vermutet worden. Die Analysen für Lkw undPkw aufgrund von Unfallanalysen (GWEHENBER-GER & KIEBACH, 2004; WILTSCHKO, 2003) schät-zen dies ebenfalls relativ hoch ein. Auch in diesenStudien wird außerdem ein hohes Potenzial für einAbstandswarnsystem sowohl bei Pkw als auch beiLkw gesehen. Gerade bei Lkw kommt auch dieStudie von GWEHENBERGER und KIEBACH zudem Schluss, dass ein ISA je nach Auslegung einsehr großes unfallvermeidendes Potenzial habenkönnte. Insgesamt liegen die Schätzungen der un-fallvermeidenden Wirkung geringer als in der vor-liegenden Studie. Dies erklärt sich dadurch, dasshier das maximale Potenzial angegeben ist, alsoeine Wirkung bei allen untersuchten Unfällen.

Anzumerken ist auch, dass nicht alle Feintypen indiese Abschätzung einbezogen wurden. Mit einigerWahrscheinlichkeit sind diese Assistenzsystemeauch bei weiteren Feintypen wirksam, sodass eingrößeres Potenzial anzunehmen ist, das allerdingsim Rahmen dieser Studie nicht genauer anzugebenist.

Allerdings sind die Anforderungen an diese ver-schiedenen Assistenzsysteme sehr hoch. Bei demKollisionsvermeidungssystem und der Geschwin-digkeitsregelung müssen Straßenzustand und eineingeschränkter Fahrerzustand ebenso berück-sichtigt werden wie ein plötzliches Anhalten oderunerwartete Hindernisse auf der Fahrbahn. Um dieUnfälle zu verhindern, muss das System mit Si-

cherheit dafür sorgen, dass die entsprechendenAbstände und Geschwindigkeiten tatsächlich ein-gehalten werden. Hier wird der zweite Aspekt derAnalysen wesentlich, die Frage der Eingriffsstrate-gie.

Um diese zu beschreiben, sind in Tabelle 81 dieverschiedenen Ursachen der Fehlhandlungen dar-gestellt. Die Fehlhandlungen sind nach den Hand-lungsfehlern wie in Tabelle 80 geordnet. Auffälligist, dass Informationsmangel bei den hier ausge-wählten schweren Unfällen keine Rolle spielt. Nachden Protokollen ist davon auszugehen, dass die re-levanten Informationen bei diesen Unfällen prinzi-piell vorhanden sind, aber von den Fahrern entwe-der nicht wahrgenommen oder bei der Entschei-dung nicht adäquat berücksichtigt werden. AuchFehlinterpretationen spielen bei den schweren Un-fällen keine Rolle. Damit könnten bereits informie-rende Systeme recht wirkungsvoll sein, wenn derFahrer diese zusätzlichen Informationen durch dieSysteme berücksichtigt. Um dies sicherzustellen,ist es wahrscheinlich notwendig, diese Informatio-nen im Sinne einer Warnung zu vermitteln, um dieAufmerksamkeit des Fahrers auf diese Weise aktivauf die Information zu richten, Hinweise zu geben,dass dies in die Handlungsplanung einbezogenwerden sollte, und damit die Wahrscheinlichkeit zuerhöhen, dass diese auch berücksichtigt wird. BeiFehlentscheidungen ist eine aktive Unterstützungnotwendig, um diese zu korrigieren. Allerdingsgehen hier Fahrer häufig mehr oder weniger be-wusst Risiken ein, sodass ein übersteuerbarer Ein-griff, bei dem das Fahrzeug prinzipiell selbstständigdie Korrektur übernimmt, besser dazu beitragenkönnte, dass dies gelingt.

Bei der Kreuzungsassistenz (Einbiegen/Kreuzen-Unfälle und Abbiegeunfälle mit Entgegenkommen-den) ist die relevante Information über die vor-fahrtsberechtigten Fahrzeuge prinzipiell vorhan-den, wird aber von den Fahrern nicht wahrgenom-men, wobei Unaufmerksamkeit, Ausrichtung derAufmerksamkeit auf andere Aspekte der Fahrsitua-tion und der Fahrerzustand dazu beitragen können.Auch hier könnte bereits eine Information durch einAssistenzsystem ausreichen. Um sicherzustellen,dass diese auch berücksichtigt wird, erscheint al-lerdings eine gezielte Warnung vor anderen Ver-kehrsteilnehmern vor allem bei Unaufmerksamkeitsinnvoller. Bei einem eingeschränkten Fahrerzu-stand wäre es am besten, die Fahrt zu verhindern.Eine Fehlentscheidung des Fahrers liegt in 2,0 %der Unfälle vor. Da die Informationen prinzipiell

75

Page 77: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

wahrgenommen, aber nicht beachtet werden, istdavon auszugehen, dass auch eine Warnung miteiniger Wahrscheinlichkeit ignoriert wird, sodasseine aktive Unterstützung des Systems notwendigist.

Beim Auffahren im Längsverkehr und beim Abbie-gen (Kollisionsvermeidungssystem) geht es sehrhäufig um Fehlentscheidungen des Fahrers, die si-tuative Rahmenbedingungen nicht in die Planungvon Geschwindigkeit und Abstand mit einbeziehen.Wesentlich ist, dass ein Assistenzsystem dafürsorgt, dass der Straßenzustand, mögliche plötzli-che Reaktionen voranfahrender Fahrzeuge undplötzlich auftauchende Hindernisse bei der Pla-nung der Geschwindigkeit und des Abstands be-rücksichtigt werden. Da diese Informationen prinzi-

piell für den Fahrer verfügbar sind, aber missachtetwerden, wird auch eine aktive Unterstützung derEinhaltung einer adäquaten Geschwindigkeit undeines ausreichenden Abstands nicht ausreichendsein. Hier könnte ein übersteuerbarer Eingriff bes-sere Ergebnisse liefern. Eine informierende oderwarnende Assistenzfunktion, die bei der Vernach-lässigung der Abstandshaltung positiv wirkenkönnte, betrifft nur 5,2 % von insgesamt 17,5 %aller schweren Unfälle.

Ähnliches gilt für die Fahrunfälle (situationsange-passte Geschwindigkeitsregelung), wo die Ge-schwindigkeit ebenfalls nicht an die situativen Rah-menbedingungen wie den Straßenzustand ange-passt wird. Hinzu kommt, dass auch Fahrerzustandund Fahrerfähigkeit berücksichtigt werden müss-

76

Tab. 81: Übersicht über die Ursachen der Fehlhandlungen bei den häufigsten Handlungsfehlern. Die schwarzen Kästen zeigen dieUrsache, die bei der jeweiligen Fehlhandlung verantwortlich ist

% Unfälle Ursache

Ges

amt

Sch

wer

Sp

urha

ltung

Ges

chw

ind

igke

itsre

gelu

ng

Ab

stan

dsr

egel

ung

Gen

auig

keit

Sp

urha

ltung

Aus

par

ken

Einbiegen/Kreuzen-Unfälle 16.3 21.2

Vernachläss. anderer 14.3 19.2

Fehlanpassung An- und Weiterfahren 0.8 0.8

Bewusst riskante Planung 0.4 0.7

Fehlanpassung Querführung, Straße und andere 0.8 0.5

Abbiegeunfälle EntgegenkommenderVernachlässigung anderer 2.2 4.1

Abbiegeunfälle rechts RadfahrerVernachlässigung anderer 0.4 1.3

Abbiegeunfälle AuffahrenVernachlässigung Abstandshaltung 3.8 2.4

Unfälle im Längsverkehr Auffahren 21.9 15.1

Fehlanpassung Abstand und Geschwindigkeit 18.3 12.3

Vernachlässigung Abstandshaltung 1.8 2.3

Vernachlässigung anderer 1.8 0.5

Fahrunfälle 12.1 20.4

Fehlanpassung Geschwindigkeit 10.6 18.3

Vernachlässigung Querführung 1.5 2.2

Unfälle im Längsverkehr SpurwechselVernachlässigung Informationsaufnahme 6.1 3.1

Sonstige Unfälle WendenVernachlässigung anderer 0.6 1.4

Unfall beim AusparkenVernachlässigung anderer 1.9 1.0

Sonstige Unfälle Rangieren ParkplatzVernachlässigung anderer 0.2 0.7

Page 78: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

ten. Entsprechend müsste auch hier ein Assistenz-system mit einem übersteuerbaren Eingriff dafürsorgen, dass eine sichere Geschwindigkeit einge-halten wird, um die Unfälle zu vermeiden. Der Ver-nachlässigung der Querführung bei 2,2 % derschweren Unfälle könnte dagegen durch eine infor-mierende oder warnende Assistenzfunktion entge-gengewirkt werden.

Bei den restlichen Unfällen steht die fehlendeWahrnehmung im Vordergrund. Hier wäre eine In-formation oder Warnung vor anderen Verkehrsteil-nehmern, die sich in der geplanten eigenen Fahr-spur befinden, wahrscheinlich ausreichend, umdiese insgesamt 3,1 % der schweren Unfälle zuverhindern.

Zusammenfassend zeigt sich in Bezug auf die Ein-griffsstrategie von Assistenzsystemen Folgendes:

· Die Analysen weisen darauf ihn, dass etwagleich hohe Anteile von informierenden bzw.warnenden (38,2 % der schweren Unfälle) undaktiv unterstützenden bzw. eingreifenden (32,5 % der schweren Unfälle) Assistenzsyste-men notwendig sind, um Unfälle wirkungsvollzu verhindern.

· Informierende bzw. warnende Assistenzsyste-me erscheinen vor allem im Bereich der Kreu-zungsassistenz sinnvoll und bei Assistenz, dieKollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmernverhindert.

· Aktiv unterstützende und eingreifende Assis-tenzsysteme erscheinen für den Bereich derKollisionsvermeidungssysteme und der situati-onsangemessenen Geschwindigkeitsregelungs-systeme als notwendig, da die Fahrer die ihnenvorliegende Informationen bzw. Warnungen ausder Umwelt ignorieren.

4.2 Bewertung vorhandener Assistenz-systeme

Vor diesem Hintergrund können die in Kapitel 2.4beschriebenen Assistenzsysteme hinsichtlich ihresUnfallvermeidungspotenzials bewertet werden. Ei-nerseits geht es dabei darum, ob diese Assistenz-systeme eine Funktionalität aufweisen, die be-stimmte Handlungsfehler verhindern könnte.Außerdem ist die Eingriffsstrategie wesentlich. DieBewertung ist in Tabelle 82 dargestellt, wobei wie-derum nur die Handlungsfehler und Fehlhandlun-

gen berücksichtigt werden, die mit einer substanzi-ellen Häufigkeit in der Analyse zu finden waren.

Bei einer Reihe von Systemen ergeben sich keineEintragungen, d. h., hier sind keine Sicherheitspo-tenziale zu erwarten. Dies betrifft die Geschwindig-keitsregelanlage, die Automatische Notbremse, dieAnti-Schlupf-Regelung, den Curve-Speed-Assis-tant und die Parkassistenz. Dabei erscheint derCurve-Speed-Assistant gerade für die Fahrunfällezunächst interessant, da für den Kurvenbereich si-chere Geschwindigkeiten vorgegeben werden. DieAnalysen zeigen aber, dass nicht der Kurvenverlaufallein, sondern der Straßenzustand, der Fahrerzu-stand und die Leistungsfähigkeit des Fahrers einewesentliche Rolle spielen. Solange dies nichtberücksichtigt wird, ist nicht von einer positivenWirkung auszugehen.

Die Parkassistenz in der vorgestellten Form über-wacht das Einparken in Längsrichtung. Die we-sentliche Anforderung wäre, beim Ausparken oderParkmanövern auf Parkplätzen vor anderen Fahr-zeugen zu warnen. Deshalb ist auch vom Parkas-sistenten keine unfallverhindernde Wirkung zu er-warten.

Die Automatische Notbremse greift nur ein, wenndie Kollision nicht zu vermeiden ist und trägt dazubei, die Unfallfolgen zu mindern, verhindert aberden Unfall nicht.

Bei einer Reihe von Systemen sind graue Eintra-gungen zu finden. Hier ist möglicherweise von Wir-kungen auszugehen, die aber schwer zu quantifi-zieren sind. Bei den schwarzen Eintragungen isteine Wirkung zu erwarten.

Das ACC-System kann bei Auffahrunfällen imLängsverkehr eine unfallvermeidende Wirkunghaben, da von vornherein ein sicherer Abstand zumVordermann gewählt wird und ein Eingriff sowohl indie Beschleunigung als auch in die Verzögerungmöglich ist. Nicht wirksam ist das System bei einerÄnderung des Straßenzustandes und bei der Ver-nachlässigung der Abstandshaltung aufgrund einerFehleinschätzung der Situation. Außerdem ist die-ses System nicht einsetzbar, wenn die voranfah-renden Fahrzeuge sehr langsam sind oder stehen.Dies wird erreicht bei der Erweiterung auf ACCStop-and-Go. Allerdings sind auch bei diesemSystem Grenzen hinsichtlich der maximalen Verzö-gerung vorhanden, die momentan allerdingsschwierig anzugeben sind, da sich dieses Systemnoch in Entwicklung befindet. Deshalb sind auch

77

Page 79: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

hier die entsprechenden Zellen grau gekennzeich-net, da unklar bleibt, welchen Anteil der entspre-chenden Situationen durch ein solches System be-wältigt werden kann. Im Extremfall geht dieses

System über in ein Collision-Avoidance-System,das diese Auffahrunfälle sicher verhindern könnte.Für ein solches System, das sichere Abstände ein-hält und bei plötzlichem Abbremsen oder Hinder-

78

Tab. 82: Bewertung der Assistenzsysteme hinsichtlich ihres Unfallvermeidungspotenzials

% alle Unfälle

Ges

amt

Sch

wer

Ges

chw

ind

igke

itsre

gela

nlag

e

Ab

stan

dsr

egel

tem

pom

at (A

CC

)

AC

C S

top

-and

-Go

Bre

msa

ssis

tenz

(BA

S)

Aut

omat

isch

e N

otb

rem

se (A

NB

)

Ant

i-B

lock

iers

yste

m (A

BS

)

Ant

i-S

chlu

pf-

Reg

elun

g (A

SR

)

Ele

ktro

nisc

hes

Sta

bili

täts

pro

gram

m (E

SP

)

Col

lisio

n A

void

ance

Sys

tem

(AC

A)

Col

lisio

n W

arni

ng S

yste

m (C

WS

)

Cur

ve S

pee

d A

ssis

tant

(CS

A)

Par

kass

iste

nz

Sp

urha

lteas

sist

ent

(LD

W)

Sp

urw

echs

elas

sist

ent

(LC

A)

Inte

llige

nt S

pee

d A

dap

tion

(ISA

)

Kre

uzun

gsas

sist

enz

Einbiegen/Kreuzen Unfälle 16.3 21.2

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 10.7 11.3

Vernachlässig. anderer wg. falscher Aufmerkeitsausrichtung 2.1 4.4

Vernachlässigung anderer wg. Fehleinschätzung, Situation 1.4 3.0

Fehlanpassung An-/Weiterfahren, Sichtbehinderung 0.8 0.8

Bewusst riskante Planung des Fahrmanövers 0.4 0.7

Vernachlässigung anderer, Fahrerzustand 0.2 0.5

Fehlanpassung Querführung an Straßenverlauf und andere 0.8 0.5

Fahrunfälle 12.1 20.4

Fehlanpassung Geschwindigkeit, Straßenzustand 8.3 12.9

Fehlanpassung Geschwindigkeit, Fahrerzustand 1.6 4.5

Vernachläss. Querführung o. bes. Grund, Unaufmerksamkeit 1.5 2.2

Fehlanpassung Geschwindigkeit, Leistungsfähigkeit 0.7 1.0

Unfälle im Längsverkehr Auffahren 21.9 15.1

Fehlanpassung Abstand und Geschw. an andere 10.3 7.7

Fehlanpassung Abstand und Geschwindigk., Straßenzustand 7.9 4.5

Vernachlässigung Abstandshaltung, Unaufmerksamkeit 1.3 1.6

Vernachlässigung Abstandshaltung, Fahrerzustand 0.5 0.7

Vernachlässigung anderer wg. Fehleinschätzung, Situation 1.8 0.5

Abbiegeunfälle Entgegenkommender

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 2.2 4.1

Unfälle im Längsverkehr Spurwechsel 6.1 3.1

Vernachlässigung Info-Aufnahme o. bes. Grund 5.0 2.3

Vernachlässigung Info.-Aufnahme weg. Überforderung 1.2 0.8

Abbiegeunfälle Auffahren

Vernachlässigung Abstandshaltung, Unaufmerksamkeit 3.8 2.4

Sonstige Unfälle Wenden

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 0.6 1.4

Abbiegeunfälle rechts Radfahrer

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 0.4 1.3

Unfall beim Ausparken

Vernachlässigung anderer, Unaufmerksamkeit 1.9 1.0

Sonstige Unfälle Rangieren Parkplatz

Vernachläss. anderer Fahrerzustand 0.2 0.7

Page 80: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

nissen den Fahrer aktiv unterstützt, ergäbe sichnach den oben dargestellten Analysen ein sehrhohes Potenzial für eine Unfallvermeidung.

Der Bremsassistent unterstützt die Vollbremsungund kann dann positiv wirksam werden, wenn dieFahrer noch versuchen, die Kollision zu verhindern.Wie häufig dies der Fall ist, ist bei den vorliegendenDaten nicht zu entscheiden, sodass eine quantita-tive Abschätzung der Wirkung nicht möglich ist.

Das Antiblockiersystem (ABS) könnte bei einemdrohenden Auffahrunfall auf nasser bzw. eisglatterStraße das Anhalten vor einem plötzlich bremsen-den Fahrzeug oder ein Ausweichen unterstützen.Eine grundsätzlich unfallvermeidende Wirkungkann allerdings nicht angenommen werden. In Un-fallstudien, in denen Fahrzeuge mit und ohne ABSverglichen werden, zeigen sich kleine positive Ef-fekte von ABS vor allem bei Eis und Schnee(ASCHENBRENNER, BIEHL & WURM, 1992; imÜberblick s. KOCHERSCHEIDT, 2004; KULLGREN,LIE & TINGVALL, 1994), wobei diese Effekte unter10 % liegen. Eine Zuordnung zu einzelnen Fehl-handlungen erscheint für dieses System allerdingssehr schwierig. Entsprechend wurde nur bei Auf-fahrunfällen bedingt durch eine Fehlanpassung vonAbstand und Geschwindigkeit eine mögliche posi-tive Wirkung durch ein graues Kästchen signali-siert.

ESP kann gerade bei Fahrunfällen den Fahrer darinunterstützen, auch im Grenzbereich die Kontrollezu behalten. Dafür sprechen verschiedene Unfall-studien, die bei Vergleichen von Unfällen mit undohne ESP einen deutlichen positiven Effekt vonESP nachweisen (für Amerika s. FARMER, 2004;für einen Überblick s. LANGWIEDER, 2004). Einegenaue Zuordnung zu einzelnen Fehlhandlungenerscheint allerdings nicht möglich, sodass diesgrau dargestellt wurde.

Das Collision-Avoidance-System sollte Auffahr-unfälle im Längsverkehr und bei Abbiegeunfäl-len vermeiden, da es sowohl in die Spurhaltung alsauch in die Abstands- und Geschwindigkeitsre-gulation eingreifen und das Fahrzeug sicher zumStehen bringen kann. Gelingt dies vollständig, sosind damit mindestens 25,7 % aller Unfälle und17,5 % der schweren Unfälle zu vermeiden. DieserProzentsatz kann konkret noch höher liegen, daauch bei anderen Unfällen Kollisionen eine wesent-liche Rolle spielen, die dieses System vermeidenkönnte.

Das Collision-Warning-System könnte zumindestbei den Unfällen, die aufgrund der fehlenden Infor-mationswahrnehmung auftreten, wirksam sein.Dies betrifft 6,9 % aller Unfälle und 4,6 % derschweren Unfälle.

Der Spurhalteassistent (LDW) könnte bei Fahrun-fällen, bei denen die Querführung durch Unauf-merksamkeit vernachlässigt wird, eine unterstüt-zende Wirkung haben. Allerdings ist bei der kurzenzur Verfügung stehenden Zeit für eine Reaktion desFahrers schwer abzuschätzen, inwieweit eine War-nung allein ohne aktive Unterstützung genügt.Wäre das der Fall, könnten damit 1,5 % aller bzw.2,2 % der schweren Unfälle verhindert werden.

Die Unfälle im Längsverkehr, die durch einen unge-sicherten Spurwechsel erfolgen, ließen sich mitdem Spurwechselassistenten verhindern, da derFahrer die relevante Information, nämlich dass derSpurwechsel wegen eines anderen Fahrzeugsnicht möglich ist, nicht wahrnimmt. Eine Warnungdes Systems sollte also dazu führen, dass derSpurwechsel erst dann vorgenommen wird, wennkein Fahrzeug auf der anderen Fahrspur fährt.Damit könnten 6,2 % aller und 3,1 % der schwerenUnfälle verhindert werden.

Für die Intelligent Speed Adaptation (ISA) hängt dieWirkung einerseits von der Auslegung, anderer-seits von der Funktionalität ab, d. h., welche Infor-mationen aus der Umwelt in die Vorgabe der Ge-schwindigkeit einbezogen werden. Wenn nur dieRichtgeschwindigkeit als Information angezeigtwird, ist die Wirkung nur dann zu erwarten, wennentsprechende Informationen nicht wahrgenom-men wurden. Dies war nach den vorliegenden Pro-tokollen selten der Fall. Außerdem müsste die Ge-schwindigkeit vor allem an zusätzliche situativeRahmenbedingungen angepasst werden. Gelingtes, diese zusätzlich bei der Geschwindigkeitsvor-gabe von ISA zu berücksichtigen und den Fahrerbei der Geschwindigkeitswahl aktiv zu unterstüt-zen, könnte eine höhere Wirkung erreicht werden,die nach den Analysen über 18 % der schwerenUnfälle betrifft. Dieser Anteil könnte noch größerwerden, wenn nicht nur die Unfälle im Längsver-kehr, sondern auch weitere Unfälle verhindert wer-den könnten, bei denen eine zu hohe Geschwin-digkeit eine Rolle spielt.

Noch schwieriger ist die Bewertung der Kreu-zungsassistenz, da die Beschreibung der Funktio-nalität bislang sehr allgemein oder sehr unter-schiedlich ist und über die Eingriffsstrategie keine

79

Page 81: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Aussagen möglich sind. Entsprechend sind diemöglicherweise damit zu verhindernden Unfälle ingrau dargestellt. Wie schon bei der Beschreibungder Anforderungen an Assistenzsysteme in Kapitel4.1 deutlich wird, ergibt sich für diese Art von System insgesamt ein sehr hohes unfallvermeiden-des Potenzial.

4.3 Bewertung der Studie

Bei der vorliegenden Studie wurde versucht, In-Depth-Analysen von Unfällen mit deutlich reduzier-tem Aufwand gegenüber herkömmlichen Studien(s. Kapitel 1.5) durchzuführen, indem vorliegendeUnfallprotokolle von geschulten Experten im Hin-blick auf die vorliegenden Fehlhandlungen und ihreUrsachen analysiert wurden. Damit ergibt sich dieMöglichkeit, ohne eigene Datenerhebungen unddurch Lesen von pro Unfall maximal einer Seite Un-fallbeschreibung wertvolle zusätzliche Informatio-nen über den Unfallhergang zu gewinnen, die in deramtlichen Unfallstatistik nicht enthalten sind.

Problematisch bei dieser Analyse ist, dass die Be-schreibung des Unfallhergangs aufgrund von Aus-sagen der Unfallbeteiligten und den Beobachtun-gen durch Polizeibeamte geschieht, wobei einer-seits die Vollständigkeit und der Wahrheitsgehaltder Aussagen, andererseits Beobachtungsfehlerund Annahmen der Beamten die Gültigkeit dieserBerichte einschränken. Diese Problematik gilt aberprinzipiell auch für In-Depth-Analysen mit höheremAufwand, wobei über ausführliche Interviews vonBeteiligten und Zeugen und detaillierte Unfallre-konstruktionen die Fehler zu verringern sind, aller-dings mit deutlich höherem Aufwand.

Die Analyse wurde theoriegeleitet in Anlehnung anModelle menschlichen Fehlverhaltens durchge-führt. Dabei sind zwei Stufen zu unterscheiden: (1)Aus der Analyse der Fehlhandlungen lassen sichAnforderungen an die Funktionalität der Assistenzableiten. (2) Die Analyse der Ursachen der Fehl-handlungen ermöglicht Aussagen über die notwen-dige Eingriffsstrategie.

Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere dererste Aspekt mit Hilfe der hier vorgestellten Unter-scheidung verschiedener Typen des Fahrunfallsund dabei auftretender Fehlhandlungen sehr gutmöglich ist. Diese lassen sich aus den Protokollensehr gut ableiten, sodass die notwendige Funktio-nalität von Assistenzfunktionen, mit denen sich ge-rade schwere Unfälle vermeiden lassen, gut be-

schreiben lässt. Eine entsprechende Zusammen-fassung gibt Kapitel 4.1.

Die Analyse der Ursachen der Fehlhandlungen istproblematischer, da in diesem Fall die Aussagender Fahrer entscheidend dafür sind, welche Ursa-chen angenommen werden. Außerdem wurdediese Zuordnung über Expertenurteile vorgenom-men, die zwar sehr gut, aber nicht perfekt überein-stimmten. Deshalb ist einerseits mit einer großenUngenauigkeit zu rechnen. Andererseits ermöglichtdie Analyse zumindest eine grobe Abschätzung derHäufigkeit unterschiedlicher Arten von Ursachen.Im Wesentlichen lassen sich diese auf zwei großeGruppen reduzieren: Einerseits geht es um die feh-lende Wahrnehmung vorhandener Informationen,bei denen die Vermittlung dieser Informationenüber Warnungen bereits die Unfälle verhindernkönnte. Andererseits liegen Fehlentscheidungenvor, bei denen eine aktive Unterstützung bzw. einübersteuerbarer Eingriff durch ein Assistenzsystemnotwendig ist. Fehlende Informationen tauchenkaum als Ursache auf. Fehlinterpretationen betref-fen vor allem die Vorhersage des Verhaltens ande-rer Verkehrsteilnehmer, treten selten auf und sinddurch eine aktive Unterstützung zu verhindern.Ausführungsfehler sind ebenfalls selten und erfor-dern einen Eingriff durch ein Assistenzsystem.

Bei dem Versuch, diesen Ursachen Eingriffsstrate-gien für Assistenzsysteme zuzuordnen, zeigte sich,dass zusätzliche Aspekte wichtig sind. Bei fehlen-der Wahrnehmung von Informationen ist der Fahrerhäufig überfordert oder richtet seine Aufmerksam-keit falsch aus, sodass nur eine Warnung, die ihndarauf hinweist, die Fehlhandlung zu vermeiden,Erfolg versprechend erscheint. Hier muss also zu-sätzlich berücksichtigt werden, warum die Informa-tionen nicht wahrgenommen werden. Bei Fehlinter-pretationen vorhandener Informationen kommthäufig hinzu, dass nur wenig Zeit für eine Korrekturder Fehlhandlung zur Verfügung steht, sodass eineWarnung nicht ausreichen wird, sondern eine akti-ve Unterstützung durch ein Assistenzsystem dieKorrektur einleiten sollte. Schließlich zeigt sich beiFehlhandlungen, dass Fahrer in bestimmten Fällenbewusst Risiken eingehen, bei denen auch eine ak-tive Unterstützung mit einiger Wahrscheinlichkeitübersteuert werden wird. Ein übersteuerbarer Ein-griff erscheint in diesen Fällen wirkungsvoller. Ins-gesamt sind damit teilweise noch zusätzliche Infor-mationen über die „Ursachen der Ursachen“ derFehlhandlung zu berücksichtigen, um eine wir-kungsvolle Eingriffsstrategie anzugeben.

80

Page 82: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Diese Unterscheidung der verschiedenen Ursa-chen macht deutlich, dass die Frage nach der Ein-griffsstrategie ganz wesentlich dafür ist, ob ein be-stimmtes Assistenzsystem Unfälle verhindern kannoder nicht. Warnende Systeme sind nur dann wir-kungsvoll, wenn fehlende Wahrnehmungen die Ur-sache der Fehlhandlung sind. Ein wesentlicher Ein-fluss ist nicht zu erwarten, wenn Fehlentscheidun-gen für die Fehlhandlung verantwortlich sind. Ent-sprechend gibt es eine Reihe von Funktionalitäten,für die eine aktive Unterstützung durch das Systemnotwendig ist, wenn eine sicherheitserhöhendeWirkung erreicht werden soll (s. Kapitel 4.1).

Insgesamt ermöglicht diese Analyse damit rechtgenaue Beschreibungen von Funktionalität undEingriffsstrategie für drei wesentliche Assistenz-systeme, die substanziell dazu beitragen können,vor allem die schweren Unfälle zu verhindern. Diequantitativen Aussagen darüber, welcher Prozent-satz der Unfälle damit verhindert werden könnte,ist allerdings mit Vorsicht zu betrachten und imSinne einer Gewichtung des relativen Einflussesdieser verschiedenen Assistenzfunktionen. DieSchätzung des Sicherheitspotenzials ist durchmehrere Punkte eingeschränkt:

· Die Unfälle aus Braunschweig sind nur begrenztrepräsentativ für Deutschland. Insbesonderesind mehr Unfälle aus dem städtischen Bereichenthalten, als es insgesamt typisch ist. Durcheine Gewichtung hinsichtlich zentraler Merkma-le wurde die Übereinstimmung verbessert, aberdie Unterschiede nicht vollständig ausgegli-chen. Insbesondere die Definition „schwererUnfälle“ ist nicht vollständig vergleichbar.

· Es wurden nicht alle Unfälle und alle Unfalltypenanalysiert. Die Analysen beschränken sich aufUnfälle, bei denen der Verursacher ein Pkw warund der Fahrer mindestens 18 Jahre alt (so-fern diese Information verfügbar war). Mögli-cherweise können auch Assistenzsysteme beiden unschuldig beteiligten Pkw zur Unfallver-meidung beitragen. Außerdem ist die Definitionder Unfallverursachung durch die Polizeibeam-ten nicht unproblematisch (z. B. wegen Teil-schuld usw.).

· Überschreiten-Unfälle und -Feintypen, die sehrselten vorkamen, wurden wegen der geringenHäufigkeit nicht analysiert. Assistenzsystemekönnten einen Teil dieser Unfälle vermeiden,wobei nicht anzugeben ist, wie groß dieser An-teil ist. Da insgesamt 12,8 % aller Unfälle und

15,3 % der schweren Unfälle nicht analysiertwurden, könnte sich die positive Wirkung maxi-mal um diesen Prozentsatz erhöhen. Möglicher-weise sind aber für diese Unfälle auch spezielleandere Assistenzfunktionen notwendig.

Unter diesem Vorbehalt sind die angegebenen Pro-zentsätze als Gewichtung zu verstehen, welche As-sistenzfunktionen mit welcher Eingriffsstrategie zuentwickeln sind, wenn damit substanzielle Verbes-serungen der Sicherheit im Verkehr erreicht werdenkönnen. Deutlich wird, dass sowohl Warnungen alsauch eine aktive Unterstützung durch Systeme not-wendig sind. Im Folgenden wird dies unter rechtli-chen Aspekten kurz diskutiert.

4.4 Rechtliche Aspekte

Beim Einsatz von Fahrerassistenzsystemen inFahrzeugen, die am Verkehr teilnehmen, stellt sichbei einem Unfall auf Grund eines fehlerhaften Fah-rerassistenzsystems die Frage der Haftung. Dochbevor es überhaupt zum Einsatz solcher Systemekommen kann, muss die Zulässigkeit bzw. der er-laubte Grad der Assistenz untersucht werden.

Die Wiener Konvention über den Straßenverkehrstellt die Rahmenbedingungen für die deutschenstraßenverkehrsrechtlichen Vorschriften und musssomit eingehalten werden (s. z. B. ALBRECHT,2005; RESPONSE2, 2004). Artikel 8 Abs. 1 und 5sind für die Art der Unterstützung durch Fahreras-sistenz zu beachten. Sie besagen, dass jedes Fahr-zeug einen Führer haben muss, der es dauernd be-herrscht. Artikel 13 Abs. 1 unterstreicht diese For-derung: „Jeder Fahrzeugführer muss unter allenUmständen sein Fahrzeug beherrschen, um denSorgfaltspflichten genügen zu können und umständig in der Lage zu sein, alle ihm obliegendenFahrbewegungen auszuführen.“ Daraus ergibt sichdie Grundbedingung, dass der Fahrer sein Fahr-zeug beherrschen können muss und die Fahreras-sistenzsysteme überstimmbar sein müssen. DerEinsatz von nicht überstimmbaren Systemen istnur dann zulässig, wenn der Fahrer die Verkehrssi-tuationen objektiv nicht bewältigen kann und derEingriff selbst dem Willen des Fahrers entspricht.

Vor diesem Hintergrund stellen sich die nationalenrechtlichen Rahmenbedingungen für die Haftungfolgendermaßen dar (die Darstellung orientiert sichim Wesentlichen an ALBRECHT, 2005; RES-PONSE2, 2004):

81

Page 83: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Nach § 7 StVG ist der Halter eines Kraftfahrzeugesim Falle eines Unfalls verpflichtet, dem Geschädig-ten den entstandenen Schaden zu ersetzen. Er istnur dann von der Ersatzpflicht ausgeschlossen,wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursachtwird. Der Halter haftet somit auch für Schäden, diedurch Fehler der Beschaffenheit des Fahrzeugsentstehen. Da auch die Fahrerassistenzsystemedie Beschaffenheit eines Fahrzeuges kennzeich-nen, ist der Halter dazu verpflichtet, Schadenser-satz zu leisten, wenn der entstehende Schaden aufein fehlerhaft arbeitendes Fahrerassistenzsystemoder auf fehlerhaften Umgang mit einem ordnungs-gemäß arbeitenden Fahrerassistenzsystem zurück-zuführen ist.

Der Fahrzeugführer haftet nach § 18 StVG jedochnur im Falle des (zunächst vermuteten) Verschul-dens, wenn fahrlässiges oder vorsätzliches Han-deln tatsächlich vorliegt. Laut § 276 Abs. 2 BGBwird die Fahrlässigkeit durch Außeracht-Lassen„der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ gekenn-zeichnet. Dabei grenzt sich die Fahrlässigkeit vomVorsatz insoweit ab, als dass der Handelnde denAusgang der Situation nicht wollte. Damit Fahrläs-sigkeit überhaupt vorliegen kann, bedarf es dem-nach der Vermeidbarkeit und der Voraussehbarkeitdes rechts- beziehungsweise pflichtwidrigen Er-folgs. Nach § 18 StVG trägt der Fahrzeugführerdemnach keinerlei Verantwortung für einen Scha-den, welcher durch Fehler eines Fahrerassistenz-systems verursacht wird, es sei denn, der Führer istfür den Fehler verantwortlich (bspw. aufgrund einerverschuldeten Fehlbedienung) oder er hätte es aufGrund äußerer Warnungen vorhersehen können.Die Beweislast, sich vom vermuteten Schuldvor-wurf zu befreien, liegt beim Fahrzeugführer.

Aus § 823 Abs. 1 BGB lassen sich ebenfalls Scha-densersatzpflichten für den Fahrer und den Halterableiten. Es wird darin im Gegensatz zu den §§ 7und 18 StVG geregelt, dass Fahrer und Halter le-diglich bei rechtswidrigem und schuldhaftem Han-deln haften. Die Beweislast liegt auf der Seite desGeschädigten.

Nach § 1 ProdHaftG ist der Hersteller verpflichtet,Schadensersatz zu leisten, wenn ein Schadendurch ein fehlerhaftes Produkt oder Teilproduktentsteht. Ein Verschulden des Herstellers ist dabeinicht notwendig (verschuldungsunabhängige Pro-dukthaftung). Das Gesetz greift – im Falle einesSachschadens, sonst ohne diese Beschränkung –allerdings nur bei Produkten, die für den privaten

Gebrauch bestimmt sind und eine andere Sacheals sich selbst beschädigen. Es sind somit Schä-den an einem Fahrzeug selbst, die auf ein fehler-haftes Fahrerassistenzsystem zurückzuführen sind,aus der Ersatzpflicht ausgenommen, es sei denn,das Fahrerassistenzsystem wurde nachträglicheingebaut. (Denkbar ist der Ersatz des Schadensam Fahrzeug aber noch nach den Grundsätzen derProduzentenhaftung, § 823 Abs. 1 BGB, sowie auf-grund von Gewährleistung). Im Fall des Produkt-haftungsgesetzes muss der Geschädigte lediglichdie Fehlerhaftigkeit des Produktes und die Ursäch-lichkeit des Fehlers für den Schaden nachweisen,auf Verschulden des Herstellers kommt es nicht an,da der Hersteller für das In-Verkehr-Bringen ver-schuldensunabhängig haftet (sog. Gefährdungs-haftung). Der Nachweis eines Fehlers des Fah-rerassistenzsystems dürfte sich aber vor allem beielektronischen Bauteilen nur schwer realisieren las-sen.

Fahrerassistenzsysteme, wie z. B. das ABS, die le-diglich zur Funktionsoptimierung eines vom Fahr-zeugführer ausgelösten Steuerungsbefehls dienen,sind nicht besonders hervorzuheben. Es wird le-diglich der Wille des Fahrers möglichst effektiv um-gesetzt, ohne in die Fahrt direkt einzugreifen. DieSachherrschaft liegt bei dieser Art von Assistenz-systemen uneingeschränkt beim Fahrzeugführer.Im Vergleich zu anderen Bauteilen am Kraftfahr-zeug entstehen keine Besonderheiten, die eine ge-sonderte Untersuchung der Rechtsfolgen ihresEinsatzes rechtfertigen.

Die erweiterten Assistenzsysteme lassen sich ana-log Kapitel 1.3 in fünf Klassen unterteilen. (1) Infor-mationssysteme liefern dem Fahrer zusätzliche In-formationen, die ihn darin unterstützen, die Situa-tion richtig einzuschätzen und damit die Handlun-gen adäquat planen zu können. (2) Warnsystemebewerten diese Informationen zusätzlich und ma-chen dem Fahrer deutlich, dass bestimmte Aktio-nen notwendig sind, überlassen ihm aber die Ent-scheidung, wie er in dieser Situation adäquat rea-giert. (3) Aktiv unterstützende Systeme assistierenden Fahrer dabei, die richtige Handlung einzulei-ten, ohne diese aber vollständig zu übernehmen.(4) Eingreifende Systeme führen selbstständig be-stimmte Aktionen aus, wobei der Fahrer jederzeiteingreifen und dies übersteuern kann. (5) Der fünf-ten Gruppe der Assistenzsysteme gehören Syste-me an, die nicht durch den Fahrer überstimmbarsind und somit die Kontrolle des Fahrzeugs über-nehmen.

82

Page 84: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Die informierenden und warnenden Assistenzsys-teme belassen stets die volle Kontrolle über dasFahrzeug bei dem Fahrzeugführer. Die Systemestellen unter Einbeziehung sämtlicher umgebenderUmstände (z. B. Wetterzustand etc.) Informationenzur Verfügung, die mittels eines bspw. visuellen,akustischen oder haptischen Hinweises den Fahrerin seiner Entscheidung über eine angemesseneReaktion unterstützen. Eine Beeinflussung desFahrzeugführers ist die Folge. Die aktiv unterstüt-zenden Assistenzsysteme leiten diese angemesse-ne Reaktion auch ein bzw. unterstützen den Fahrerbei der Ausführung. Dabei hat der Fahrer die volleKontrolle über das Fahrzeug, weil er das Systemjederzeit überstimmen kann und somit die ihm vor-geschlagene Reaktion nicht ausführen muss. DieFahrentscheidungen des Fahrzeugführers werdenallerdings vom Fahrerassistenzsystem stark beein-flusst. Die gleichen rechtlichen Konsequenzen wiefür die warnenden und aktiv unterstützenden Assistenzsysteme gelten auch für Systeme, die fürden Fahrer Situationen bewältigen, in denen ernicht rechtzeitig reagieren kann, aber stets über-steuern könnte und demnach zu der vierten Grup-pe (überstimmbarer Eingriff) zu zählen sind.

Aus haftungsrechtlicher Sicht ergeben sich beieinem Schaden aufgrund einer Fehlfunktion desFahrerassistenzsystems stets Ersatzpflichten fürden Halter nach § 7 StVG und für den Fahrzeug-hersteller im Fall eines Produktfehlers auf Grundvon § 1 ProdHaftG. Eine Haftung des Halters auchaufgrund der weiteren denkbaren Anspruchs-grundlage des § 823 Abs. 1 BGB ist nur im Fall vonVerschulden denkbar, genauso die Haftung desHerstellers, wobei hier im Rahmen der Produzen-tenhaftung Beweiserleichterungen für den Geschä-digten zum Tragen kommen. Der Fahrer hat keiner-lei rechtliche Konsequenzen zu befürchten, da erFehlfunktionen des Fahrerassistenzsystems in derRegel nicht verschuldet haben wird. § 18 StVG und§ 823 Abs. 1 BGB greifen somit nur im Fall schuld-haften Handelns. Es bestehen zwar, wie eben er-wähnt, Ersatzansprüche durch die Produkthaf-tungspflicht gegen den Fahrzeughersteller, diesesind aber auf Grund der schwierigen Beweislage inder Realität möglicherweise nur eingeschränkt.

Eine Sonderrolle nehmen Fahrerassistenzsystemeein, die auf Telematik basieren, da es sich hierbeium eine Kooperation fahrzeugexterner und fahr-zeuginterner Komponenten handelt. So würde amBeispiel einer intelligenten Geschwindigkeitsadap-tion (ISA – Intelligent Speed Adaptation) der Halter

weiterhin nach § 7 StVG und der Hersteller nach § 1 ProdHaftG für das fehlerhafte System zur Re-chenschaft gezogen werden.

Bei einem durch falschen Umgang mit den Fah-rerassistenzsystemen auftretenden Unfall haftetder Halter nach § 7 StVG. Nach der alternativ an-wendbaren Anspruchsgrundlage, § 823 Abs. 1BGB, allerdings nur dann, wenn eine ungeeignetePerson sein Fahrzeug führt, deren Auswahl er zuvertreten hat. Ungeeignet bedeutet in diesem Fallbspw., dass der Fahrzeugführer nicht mit dem As-sistenzsystem vertraut ist. Der Fahrer haftet nach § 18 StVG und § 823 Abs. 1 BGB, weil der falscheUmgang ein schuldhaftes Handeln darstellt, zumin-dest dann, wenn er sich durch Lesen der Bedie-nungsanleitung oder Einweisung hätte Klarheitüber die Funktion verschaffen können. Für denFahrzeughersteller ergeben sich Ersatzpflichten,wenn der Instruktionspflicht nicht ausreichendnachgekommen wird.

Aus Sicht der Wiener Konvention über den Stra-ßenverkehr (der Fahrer muss jederzeit die volleSachherrschaft haben) ergeben sich bei den war-nenden, aktiv unterstützenden und überstimmbareingreifenden Assistenzsystemen keinerlei Proble-me, sofern der Fahrzeugführer stets in der Lage ist,die Assistenz zu überstimmen bzw. abzuschalten.

Die Gruppe der Fahrerassistenzsysteme, die Hand-lungen ohne eine mögliche Überstimmbarkeitdurch den Fahrzeugführer selbstständig ausführen,obwohl der Fahrer noch rechtzeitig reagieren könn-te, wirft schwerwiegende Rechtsprobleme auf, daein teilautonomes oder telematikbasiertes Fahrenim nationalen und internationalen Straßenverkehrs-recht noch nicht berücksichtigt wird und somit un-angemessene Rechtsfolgen nicht bedacht werden.Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei Vertrags-schluss ein teilautonomes oder telematikbasiertesFahren fern aller Vorstellungen war. Eine Änderungder vertraglichen Grundlagen wäre hier ggf. erfor-derlich.

Nach Artikel 8 Abs. 1 und 5 sowie Artikel 13 Abs. 1der Wiener Konventionen ist ein Fahrerassis-tenzsystem, welches die vollkommene Sachherr-schaft dem Fahrer entzieht, nicht zulassungsfähig.Gegebenenfalls wäre der Begriff des Fahrzeugfüh-rers völlig neu zu definieren.

Aus der aktuellen haftungsrechtlichen Sicht würdeder Fahrzeughalter nach § 7 StVG im Rahmen sei-ner Gefährdungshaftung wiederum für alle auf

83

Page 85: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Fehlfunktionen der auf Fahrerassistenzsystemezurückzuführenden Schäden haften. Im Gegensatzdazu würde der Fahrzeugführer von jeglichenSchadensersatzpflichten nach § 18 StVG und § 823 Abs. 1 BGB befreit werden, da ein schuld-haftes Handeln durch die nicht übersteuerbarenSysteme nicht mehr möglich wäre. Bei dem Fahr-zeughersteller würde die verschuldensunabhängi-ge Produkthaftung zum Tragen kommen. Die Er-satzpflicht nach ProdHaftG ist allerdings bereitsdurch tatbestandliche Anforderungen beschränkt.

Sofern bei Fahrerassistenzsystemen die Daten-grundlage von staatlicher Seite erfasst wird, kämeebenfalls noch die Staatshaftung nach § 839 BGBin Verbindung mit Artikel 34 GG in Betracht, daFehler der Amtswalter bei Zusammenstellung derDaten Ersatzpflichten auslösen könnten.

Insgesamt würde ein hohes Maß an Verantwortlich-keit vor allem beim Halter, aber auch bei dem Her-steller liegen. Es wäre dabei zu klären, wie sichdiese Verantwortlichkeit auf die Haftpflichtversi-cherung im Zuge des erweiterten Rahmens der Ge-fährdungshaftung auswirkt. Risikobezogene Um-stufungen bei den Versicherungsprämien infolgeerweiterter Assistenzsysteme wären hier denkbar.

Die heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen sindfür informierende, warnende, aktiv unterstützendeund überstimmbar eingreifende Fahrerassistenz-systeme durchaus akzeptabel und angemessen.Gleiches gilt auch für eingreifende Systeme, diezwar nicht überstimmbar sind, aber nur in Situatio-nen eingreifen, in denen der Fahrer keine Möglich-keit hat, rechtzeitig oder überhaupt zu reagierenund diese dem fahrerischen Willen entsprechen.Fahrerassistenzsysteme, die in Fahrsituationeneingreifen, in denen es dem Fahrer noch möglichist, rechtzeitig und angemessen zu reagieren, undden Fahrer überstimmen, sind nach der aktuellenRechtslage allerdings unzulässig. Bei diesen Assis-tenzsystemen wäre auch nur noch eine Haftungder Hersteller und Halter denkbar.

Möglichkeiten der Absicherung auf Seiten der Her-steller für informierende, warnende und aktiv unter-stützende Assistenzsysteme mit der Möglichkeitder Überstimmung ergeben sich aus zweierleiSicht. Während das Trainieren der Fahrer zur kor-rekten Nutzung der eingreifenden Assistenzsyste-me die Vertrautheit mit den Systemgrenzen be-stärkt und somit die Möglichkeit der Überstim-mung des Systems durch den Fahrer im Gefahren-

fall schult, sichern Warnungen und Anleitungenden Hersteller auf rechtlicher Basis ab, sofern dortdie Systemgrenzen eindeutig beschrieben sind.Unsachgemäßer Umgang mit den Systemen, auchaufgrund von Unwissenheit, der einen Schaden zurFolge hat, wird regelmäßig zu einer Haftung desFahrers führen. Zugleich ergibt sich daraus die Kri-tik an der Komplexität des Funktionsumfangs vonerweiterten Assistenzsystemen und der daraus re-sultierenden Notwendigkeit für die Hersteller, denFunktionsumfang fahrertauglich zu begrenzen undintuitiv zu gestalten.

Die Fragen der Haftung im Fall der Übertragungvon Fahreraufgaben an ein Assistenzsystem kön-nen im Rahmen dieser Arbeit nicht vollständig undschon gar nicht für den Einzelfall geklärt werden.Dies liegt darin begründet, dass für die Frage derHaftung letztlich gerade die tatsächlich gewähltetechnische Ausgestaltung sowie die konkreteSchadensentstehung entscheidend sind. Produkt-haftungsrechtliche Fragen hindern die Implemen-tierung jedoch am ehesten. Ausgehend von auto-matisierten Assistenz-(Sicherheits-)Systemen inanderen Verkehrsbereichen (z. B. Luftfahrt, Schie-nenverkehr) wird deutlich, dass Ausfälle nicht voll-ständig zu vermeiden sind und eine 100%ige Zu-verlässigkeit – wenn überhaupt – allenfalls theore-tisch denkbar ist. Ein Hersteller muss aber nur fürProduktfehler haften, wenn diese nach dem Standvon Wissenschaft und Technik von ihm hätten er-kannt werden können. Dieses Maximum an Sicher-heit lässt sich mittels durchgängiger Nachweis-führung über den gesamten Entwicklungsprozesssowie gewissenhafter Risikoanalyse erreichen, so-dass die Haftungsrisiken bei Einführung von Fah-rerassistenzsystemen vertretbar erscheinen. Eineabsolute Sicherheit gibt es für Hersteller ohnehinnicht, da mit dem In-Verkehr-Bringen von Produk-ten notwendig ein juristisches Haftungsrisiko ver-bunden ist.

5 Danksagung

Die Studie wurde zusätzlich gefördert vom LandNiedersachsen im Rahmen des Projekts „Strate-gien für Fahrerassistenzsysteme“. Wir dankenaußerdem der Braunschweiger Polizei, vor allemHerrn Kühne, für ihre ausgezeichnete Unterstüt-zung im Rahmen dieses Projekts.

84

Page 86: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

6 Literatur

ALBRECHT, F. (2005): Die rechtlichen Rahmenbe-dingungen bei der Implementierung von Fah-rerassistenzsystemen zur Geschwindigkeitsbe-einflussung. Deutsches Autorecht DAR, 4, S. 186-198

ASCHENBRENNER, K. M., BIEHL, B. & WURM, G.W. (1992): Mehr Verkehrssicherheit durch bes-sere Technik. Bergisch Gladbach: Bundes-anstalt für Straßenwesen, Bericht zum For-schungsprojekt 8323

BAUER, A., & SEECK, A. (2004): Geschwindig-keitsmanagement mit Hilfe von Fahrerassis-tenzsystemen – Offene Forschungsfragen. InVDI (Ed.), Integrierte Sicherheit und Fahrerassi-stenzsysteme (S. 485-496). Düsseldorf: VDI-Verlag

BERNOTAT, R. (1970): Anthropotechnik in der Fahr-zeugführung [Operation functions in vehiclecontrol]. Ergonomics, 13 (3), 353-377

DONGES, E. (1982): Aspekte der aktiven Sicherheitbei der Führung von Personenkraftwagen. Au-tomobil-Industrie, 2, 183-190

FARMER, C. M. (2004): Effect of electronic stabilitycontrol on automobile crash risk. Traffic InjuryPrevention, 5 (4), 317-325

FASTENMEIER, W. (1995): Autofahrer und Ver-kehrssituationen: Neue Wege zur Bewertungvon Sicherheit und Zuverlässigkeit modernerStraßenverkehrssysteme. Köln: Verlag TÜVRheinland

FGSV (2003): Merkblatt für die Auswertung vonStraßenverkehrsunfällen – Teil 1: Führen undAuswerten von Unfalltypen-Steckkarten [FGSV-Nr. 316/1]. Köln: FGSV Verlag

FLEURY, D., & BRENAC, T. (2001): Accidentprototypical scenarios, a tool for road safetyresearch and diagnostic studies. AccidentAnalysis & Prevention, 33 (2), 267-276

GRÜNDL, M. (2004): Analyse des Fahrerverhaltensvor dem Unfall. Verkehrsunfall und Fahrzeug-technik, 42 (1), 2-7

GWEHENBERGER, J., & KIEBACH, H. (2004): Si-cherheitspotenzial ausgewählter Fahrerassis-tenzsysteme – Ergebnisse aus der Analyse vonRealunfällen. Paper presented at the Tagung

Aktive Sicherheit durch Fahrerassistenz, Gar-ching bei München, 11.-12. März 2004

HACKER, W. (1998): Allgemeine Arbeitspsycholo-gie. Bern: Verlag Hans Huber

KLIPP, S. (2005): Are There Ways to Establish In-terlock Programs in Germany? Paper presentedat the 6th Annual IGNITION INTERLOCK SYM-POSIUM “A Global Perspective”, 25.-27.9.2005, Annecy, France

KOCHERSCHEIDT, H. (2004): Wege zur Effizienz-betrachtung von Fahrerassistenzsystemen.Paper presented at the Tagung Aktive Sicher-heit durch Fahrerassistenz, Garching bei Mün-chen, 11.-12. März 2004

KULLGREN, A., LIE, A., & TINGVALL, C. (1994):The effectiveness of ABS in real life accidents.Paper presented at the Proceedings of the 14th

ESV, München

LANGWIEDER, K. (2004): Sicherheitsgewinn durchESP. Internationale Erfahrung aus Realunfällen.Paper presented at the Tagung Aktive Sicher-heit durch Fahrerassistenz, Garching bei Mün-chen, 11.-12. März 2004

LARSEN, L. (2004): Methods of multidisciplinary In-Depth-Analyses of road traffic accidents.Journal of Hazardous Materials, 111 (1-3), 115-122

LARSEN, L., & KINES, P. (2002): Multidisciplinaryin-depth investigations of head-on and left-turnroad collisions. Accident Analysis & Prevention,34 (3), 367-380

MALATERRE, G. (1990): Error analysis and in-depth accident studies. Ergonomics, 33(10/11), 1403-1421

NAGEL, H.-H. (1994): A Vision of “Vision andLanguage” Comprises Action: An Example fromRoad Traffic. Artificial Intelligence Review, 8,189-214

NORMAN, D. A. (1981): Categorization of actionslips. Psychological Review, 88 (1), 1-15

O’HARE, D., WIGGINS, M., BATT, R., &MORRISON, D. (1994): Cognitive failureanalysis for aircraft accident investigation.Ergonomics, 37, 1855-1869

RÄSÄNEN, M., & SUMMALA, H. (1998): Attentionand expectation problems in bicycle-car

85

Page 87: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

collisions: an in-depth study. Accident Analysis& Prevention, 30 (5), 657-666

RASMUSSEN, J. (1982): Human errors: Ataxonomy for describing human malfunction inindustrial installations. Journal of OccupationalAccidents, 4, 311-333

RASMUSSEN, J. (1983): Skills, rules, andknowledge; signals, signs, and symbols, andother distinctions in human performancemodels. IEEE Transactions on Systems, Man,and Cybernetics, SMC-13 (3), 257-266

REASON, J. (1992): Human Error. Cambridge:University Press

RESPONSE2. (2004): Deliverable D2: Methods forRisk-Benefit-Analysis of ADAS: MicroPerspective and Macroscopic Socio-EconomicEvaluation. Internet: http://response. adase2.net/docs/ response_index_asp_ id~19685_domid~695_sp~E_addlastid~0_m1~19662_m2~19685_suma~.htm

TRG, INRIA & PATH (2001): STARDUST (TowardsSustainable Town development: A Research onDeployment of Urban Sustainable Transport Systems) D1: Critical Analysis of ADAS/AVGOptions to 2010, Selection of Options to be In-vestigated. Internet: http://www.trg.soton.ac.uk/ stardust/reports.htm

VOAS, R. B., BLACKMAN, K. O., TIPPETTS, A. S.,& MARQUES, P. R. (2002): Evaluation of aprogram to motivate impaired driving offendersto install ignition interlocks. Accident Analysis &Prevention, 34 (4), 449-455

WILTSCHKO, T. (2003): Mikroskopische Unfallana-lyse zur Identifikation von Wirkungsfeldernzukünftiger Fahrerassistenzsysteme. Paper presented at the 19. VerkehrswissenschaftlicheTage, 22.-23.9.2003, Dresden

86

Page 88: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Schriftenreihe

Berichte der Bundesanstaltfür Straßenwesen

Unterreihe „Fahrzeugtechnik“

F 1: Einfluß der Korrosion auf die passive Sicherheit von PkwFaerber, Wobben € 12,50

F 2: Kriterien für die Prüfung von MotorradhelmenKönig, Werner, Schuller, Beier, Spann € 13,50

F 3: Sicherheit von MotorradhelmenZellmer € 11,00

F 4: Weiterentwicklung der AbgassonderuntersuchungTeil 1: Vergleich der Ergebnisse aus Abgasuntersuchung und Typ-prüfverfahrenRichter, MichelmannTeil 2: Praxiserprobung des vorgesehenen Prüverfahrens für Fahr-zeuge mit KatalysatorAlbus € 13,50

F 5: Nutzen durch fahrzeugseitigen FußgängerschutzBamberg, Zellmer € 11,00

F 6: Sicherheit von Fahrradanhängern zum PersonentransportWobben, Zahn € 12,50

F 7: Kontrastwahrnehmung bei unterschiedlicher Lichttrans-mission von Pkw-ScheibenTeil 1: Kontrastwahrnehmung im nächtlichen Straßenverkehr beiFahrern mit verminderter TagessehschärfeP. JungeTeil 2: Kontrastwahrnehmung in der Dämmerung bei Fahrern mitverminderter TagessehschärfeChmielarz, SieglTeil 3: Wirkung abgedunkelter Heckscheiben - VergleichsstudieDerkum € 14,00

F8: Anforderungen an den Kinnschutz von IntegralhelmenOtte, Schroeder, Eidam, Kraemer € 10,50

F 9: Kraftschlußpotentiale moderner Motorradreifen unter Stra-ßenbedingungenSchmieder, Bley, Spickermann, von Zettelmann € 11,00

F 10: Einsatz der Gasentladungslampe in Kfz-ScheinwerfernDamasky € 12,50

F 11: Informationsdarstellung im Fahrzeug mit Hilfe eines Head-Up-DisplaysMutschler € 16,50

F 12: Gefährdung durch Frontschutzbügel an GeländefahrzeugenTeil 1: Gefährdung von Fußgängern und RadfahrernZellmer, SchmidTeil 2: Quantifizierung der Gefährdung von FußgängernZellmer € 12,00

F 13: Untersuchung rollwiderstandsarmer Pkw-ReifenSander € 11,50

F 14: Der Aufprall des Kopfes auf die Fronthaube von Pkw beimFußgängerunfall – Entwicklung eines PrüfverfahrensGlaeser € 15,50

F 15: Verkehrssicherheit von FahrrädernTeil 1: Möglichkeiten zur Verbesserung der Verkehrssicherheit vonFahrrädernHeinrich, von der Osten-SackenTeil 2: Ergebnisse aus einem Expertengespräch „Verkehrssicher-heit von Fahrrädern“Nicklisch € 22,50

F 16: Messung der tatsächlichen Achslasten von NutzfahrzeugenSagerer, Wartenberg, Schmidt € 12,50

F 17: Sicherheitsbewertung von Personenkraftwagen – Problem-analyse und VerfahrenskonzeptGrunow, Heuser, Krüger, Zangemeister € 17,50

F 18: Bremsverhalten von Fahrern von Motorrädern mit und ohneABSPräckel € 14,50

F 19: Schwingungsdämpferprüfung an Pkw im Rahmen der Haupt-untersuchungPullwitt € 11,50

F 20: Vergleichsmessungen des Rollwiderstands auf der Straße undim PrüfstandSander € 13,00

F 21: Einflußgrößen auf den Kraftschluß bei NässeFach € 14,00

F 22: Schadstoffemissionen und Kraftstoffverbrauch bei kurzzeiti-ger MotorabschaltungBugsel, Albus, Sievert € 10,50

F 23: Unfalldatenschreiber als Informationsquelle für die Unfall-forschung in der Pre-Crash-PhaseBerg, Mayer € 19,50

F 24: Beurteilung der Sicherheitsaspekte eines neuartigen Zwei-radkonzeptesKalliske, Albus, Faerber € 12,00

F 25: Sicherheit des Transportes von Kindern auf Fahrrädern undin FahrradanhängernKalliske, Wobben, Nee € 11,50

F 26: Entwicklung eines Testverfahrens für Antriebsschlupf-Regel-systemeSchweers € 11,50

F 27: Betriebslasten an FahrrädernVötter, Groß, Esser, Born, Flamm, Rieck € 10,50

F 28: Überprüfung elektronischer Systeme in KraftfahrzeugenKohlstruck, Wallentowitz € 13,00

F 29: Verkehrssicherheit runderneuerter ReifenTeil 1: Verkehrssicherheit runderneuerter ReifenGlaeserTeil 2: Verkehrssicherheit runderneuerter Lkw-ReifenAubel € 13,00

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

87

Page 89: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsysteme aus ... · Bundesanstalt für Straßenwesen, Referat Öffentlichkeitsarbeit. Impressum Bericht zum Forschungsprojekt 82.214/2001

Alle Berichte sind zu beziehen beim:

Wirtschaftsverlag NWVerlag für neue Wissenschaft GmbHPostfach 10 11 10D-27511 BremerhavenTelefon: (04 71) 9 45 44 - 0Telefax: (04 71) 9 45 44 77Email: [email protected]: www.nw-verlag.de

Dort ist auch ein Komplettverzeichnis erhältlich.

F 30: Rechnerische Simulation des Fahrverhaltens von Lkw mitBreitreifenFaber € 12,50

F 31: Passive Sicherheit von Pkw bei VerkehrsunfällenOtte € 12,50

F 32: Die Fahrzeugtechnische Versuchsanlage der BASt – Einwei-hung mit Verleihung des Verkehrssicherheitspreises 2000 am 4. und5. Mai 2000 in Bergisch Gladbach € 14,00

F 33: Sicherheitsbelange aktiver FahrdynamikregelungenGaupp, Wobben, Horn, Seemann € 17,00

F 34: Ermittlung von Emissionen im Stationärbetrieb mit dem Emis-sions-Mess-FahrzeugSander, Bugsel, Sievert, Albus € 11,00

F 35: Sicherheitsanalyse der Systeme zum Automatischen FahrenWallentowitz, Ehmanns, Neunzig, Weilkes, Steinauer,Bölling, Richter, Gaupp € 19,00

F 36: Anforderungen an Rückspiegel von Krafträdernvan de Sand, Wallentowitz, Schrüllkamp € 14,00

F 37: Abgasuntersuchung - Erfolgskontrolle: Ottomotor – G-KatAfflerbach, Hassel, Schmidt, Sonnborn, Weber € 11,50

F 38: Optimierte Fahrzeugfront hinsichtlich des FußgängerschutzesFriesen, Wallentowitz, Philipps € 12,50

F 39: Optimierung des rückwärtigen Signalbildes zur Reduzierungvon Auffahrunfällen bei GefahrenbremsungGail, Lorig, Gelau, Heuzeroth, Sievert € 19,50

F 40: Prüfverfahren für Spritzschutzsysteme an KraftfahrzeugenDomsch, Sandkühler, Wallentowitz € 16,50

F 41: Abgasuntersuchung: DieselfahrzeugeAfflerbach, Hassel, Mäurer, Schmidt, Weber € 14,00

F 42: Schwachstellenanalyse zur Optimierungdes Notausstieg-systems bei ReisebussenKrieg, Rüter, Weißgerber € 15,00

F 43: Testverfahren zur Bewertung und Verbesserung von Kin-derschutzsystemen beim Pkw-SeitenaufprallNett € 16,50

F 44: Aktive und passive Sicherheit gebrauchter Leichtkraftfahr-zeugeGail, Pastor, Spiering, Sander, Lorig € 12,00

F 45: Untersuchungen zur Abgasemission von Motorrädern imRahmen der WMTC-AktivitätenSteven € 12,50

F 46: Anforderungen an zukünftige Kraftrad-Bremssysteme zurSteigerung der FahrsicherheitFunke, Winner € 12,00

F 47: Kompetenzerwerb im Umgang mit Fahrerinformations-systemenJahn, Oehme, Rösler, Krems € 13,50

F 48: Standgeräuschmessung an Motorrädern im Verkehr und beider Hauptuntersuchung nach § 29 STVZOPullwitt, Redmann € 13,50

2001

2002

2003

2004

F 49: Prüfverfahren für die passive Sicherheit motorisierter Zwei-räderBerg, Rücker, Mattern, Kallieris € 18,00

F 50: Seitenairbag und KinderrückhaltesystemeGehre, Kramer, Schindler € 14,50

F 51: Brandverhalten der Innenausstattung von ReisebussenEgelhaaf, Berg, Staubach, Lange € 16,50

F 52: Intelligente RückhaltesystemeSchindler, Kühn, Siegler € 16,00

F 53: Unfallverletzungen in Fahrzeugen mit AirbagKlanner, Ambios, Paulus, Hummel, Langwieder, Köster € 15,00

F 54: Gefährdung von Fußgängern und Radfahrern an Kreuzungendurch rechts abbiegende LkwNiewöhner, Berg € 16,50

F 55: 1st International Conference on ESAR „Expert Symposiumon Accident Research“ – Reports on the ESAR-Conference on 3rd/4th September 2004 at Hannover Medical School € 29,00

F 56: Untersuchung von Verkehrssicherheitsaspekten durchdie Verwendung asphärischer AußenspiegelBach, Rüter, Carstengerdes, Wender, Otte € 17,00

F 57: Untersuchung von Reifen mit NotlaufeigenschaftenGail, Pullwitt, Sander, Lorig, Bartels € 15,00

F 58: Bestimmung von NutzfahrzeugemissionsfaktorenSteven, Kleinebrahm € 15,50

F 59: Hochrechnung von Daten aus Erhebungen am UnfallortHautzinger, Pfeiffer, Schmidt € 15,50

F 60: Ableitung von Anforderungen an Fahrerassistenzsystemeaus Sicht der VerkehrssicherheitVollrath, Briest, Schießl, Drewes, Becker € 16,50

2005

2006

88