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ABSCHLUSSBERICHT - Sachsen€¦ · ABSCHLUSSBERICHT DER STRATEGIEKOMMISSION FÜR EINEN LEISTUNGSFÄHIGEN ÖPNV/SPNV IN SACHSEN 15. Dezember 2017 Dieser Abschlussbericht stellt –

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ABSCHLUSSBERICHT DER STRATEGIEKOMMISSION FÜR EINEN LEISTUNGSFÄHIGEN

ÖPNV/SPNV IN SACHSEN 15. Dezember 2017

Dieser Abschlussbericht stellt – neben den Thesenpapieren in der Anlage – das Ergebnis der ÖPNV-

Strategiekommission Sachsen dar. Vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und

Verkehr (SMWA) in Dresden wurde die Erstellung organisatorisch begleitet und die gutachterliche

Begleitung finanziert.

Die im Abschlussbericht getroffenen Aussagen müssen nicht mit den Meinungen und Positionen des

SMWA übereinstimmen.

Gutachterliche Begleitung durch Finanzierung durch

Projektleitung

Michael Holzhey und Hinrich Brümmer (ETC)

Projektmitarbeiter in den Arbeitsgruppen:

Ralf Jugelt, Torsten Perner, Thomas Petersen

(ETC), René Naumann, Marc-Oliver Wille,

Dr. Axel Stein und Ludger Sippel (KCW)

und weitere Projektmitarbeitende:

Katrin Glesel, Marie Godemann, Sarah Holt,

Niklas Rodenhausen, Rando Schade, Marian

Volmer und Dr. Fabian Walter (ETC), Lukas Fol-

janty (KCW)

Mitarbeiter der Geschäftsstelle

Mario Bause, Dr. Eric Nitzsche (Leitung),

Susann Albrecht (zeitweise), Susanne Illich-

mann, Jana Ottiger

Das Projekt wurde finanziert aus Steuermitteln auf der Grundlage des von den Abgeordneten des

Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes.

Dieses Gutachten unterliegt den Bestimmungen des deutschen Urheberrechts. Soweit nicht anders

schriftlich vereinbart, ist eine Veröffentlichung oder Weitergabe, auch in Auszügen, nicht zulässig.

Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Bericht auf die gleichzeitige Verwen-dung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Im Sinne der Gleichbehandlung gelten sämtliche Personenbezeichnungen gleichwohl für alle Geschlechter

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Seite 4 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Grußwort

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

vor zweieinhalb Jahren haben wir die ÖPNV-

Strategiekommission ins Leben gerufen. Dem

Gremium gehören 27 Mitglieder an, die in sehr

unterschiedlichen Funktionen tätig sind. Neben

den wichtigsten Akteuren des sächsischen

ÖPNV waren Repräsentanten aller im Sächsi-

schen Landtag vertretenen Fraktionen, Vertre-

ter der kommunalen Ebene, der involvierten

Ministerien, der Fahrgastverbände, Gewerk-

schaften, Industrie- und Handelskammern, der

Menschen mit Behinderungen sowie zwei Pro-

fessoren aus der Wissenschaft zur Mitarbeit

eingeladen.

Mit dem vorliegenden Abschlussbericht wird

auch die zu Beginn der Kommissionsarbeit viel-

fach gestellte Frage, ob ein solch großes und

inhomogenes Gremium überhaupt erfolgreich

arbeiten kann, mit einem klaren „Ja“ beant-

wortet. Insbesondere im Rahmen der fachli-

chen Tätigkeit in den fünf Arbeitsgruppen ha-

ben die Mitglieder der ÖPNV-Strategiekom-

mission den sächsischen ÖPNV so gründlich

wie nie zuvor evaluiert. Sie haben sondiert,

diskutiert, abgewogen, bisweilen auch mitei-

nander gerungen und schließlich eine Vielzahl

konkreter Handlungsempfehlungen entwickelt.

Es ist mir ein Bedürfnis, allen Kommissionsmit-

gliedern für ihr Engagement, ihren fachlichen

Beitrag, ihre Kooperations- und Kompromiss-

fähigkeit zu danken.

Der Abschlussbericht fällt in eine Zeit, in der

große Fragen auf Antworten warten: Wie kann

es uns gelingen, die Erträge unserer gesamt-

wirtschaftlichen Entwicklung so zu verteilen,

dass sich nicht viele Menschen, ganze Gesell-

schaftsgruppen und Regionen abgehängt oder

an den Rand gedrängt fühlen? Wie nutzen wir

die Möglichkeiten der Digitalisierung zum

Wohle der Menschen? Wie können wir es

schaffen, unsere Städte noch lebenswerter zu

gestalten? Zu vielen dieser uns alle betreffen-

den und bewegenden Themen kann der Ab-

schlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission

fundierte Beiträge leisten.

Dank der Arbeit der Kommission kennen wir

die Stärken und Schwächen unseres ÖPNV-

Systems wesentlich besser. Es ist der große

Verdienst der Fachkommission, dass wir heute

aus einer Vielzahl durchdachter Lösungsansät-

ze auswählen können. Ein landesweites Bus-

netz mit Plus- und Taktbussen würde die Er-

reichbarkeiten und die Alltagsmobilität für

viele Menschen insbesondere im ländlichen

Raum deutlich verbessern. In den wachsenden

Städten kann das bereits sehr gute ÖPNV-

Angebot weiter ausgebaut werden, wenn wir

die Investitionstätigkeit in Infrastruktur und

Fahrzeuge gezielt erhöhen. Mit einem Sachsen-

Tarif können wir dem Wunsch vieler Fahrgäste

nach einfachen, einheitlichen und die Grenzen

der Verbünde überschreitenden Angeboten

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 5 von 178

gerecht werden. Ein spezielles „Bildungsticket“

soll den Schülern und Auszubildenden einen

kostengünstigen Zugang zum ÖPNV verschaf-

fen und die Elternbeiträge für die notwendige

Schülerbeförderung vereinheitlichen.

Nicht jedes Vorhaben können wir unverzüglich

in Angriff nehmen bzw. mit den zur Verfügung

stehenden Ressourcen in vollem Umfang reali-

sieren. Wir werden aber so schnell wie möglich

die vordringlichen Handlungsfelder und Projek-

te identifizieren um kraftvoll in die Umset-

zungsphase zu starten. Es liegt an uns - den

Verantwortlichen in der Landes- und Kommu-

nalpolitik sowie den Akteuren des ÖPNV - aus

den zahlreichen Handlungsempfehlungen kon-

krete Maßnahmen und Projekte zu wählen und

in die Praxis zu überführen. Damit werden wir

unseren ÖPNV noch kundenfreundlicher, inno-

vativer, wirtschaftlicher und umweltfreundli-

cher machen.

Schon heute erzielen unsere sächsischen Ver-

kehrsunternehmen und -verbünde bei reprä-

sentativen Umfragen regelmäßig Spitzenplätze.

Ich möchte es daher nicht versäumen, auch

den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

der hiesigen ÖPNV-Branche recht herzlich für

die geleistete Arbeit zu danken.

Die Handlungsempfehlungen der ÖPNV-

Strategiekommission liegen auf dem Tisch.

Jetzt ist es Zeit für Taten.

Martin Dulig

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Seite 6 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Das Wichtigste in Kürze

Dem Öffentlichen Personennahverkehr

(ÖPNV) im Freistaat Sachsen ist es in den letz-

ten 20 Jahren gelungen, wesentliche Heraus-

forderungen der Branche dank des verantwor-

tungsvollen Zusammenspiels der Akteure zu

meistern. Erfolgsbeispiele sind die Reduzie-

rung von einst 70 Tarifen auf nunmehr 5 Ver-

bundtarife, der bundesweite Spitzenplatz des

ÖPNV in Leipzig und Dresden sowohl bei den

Fahrgastzahlen als auch in Kundenbefragun-

gen oder die Einführung von Handyticketlö-

sungen in allen sächsischen Verbünden.

Auch der gutachterliche Vergleich mit struktu-

rell ähnlichen Ländern wie Thüringen, Nieder-

sachsen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz

zeigt, dass das Leistungsbild des sächsischen

ÖPNV und dessen Wirtschaftlichkeitskennzif-

fern positiv abschneiden.

Allerdings wäre es fahrlässig, sich auf dem

Erreichten auszuruhen. Mindestens am Hori-

zont, teilweise aber schon „vor der Haustür“

sind mehrere Entwicklungen erkennbar, die

den Entscheidungsträgern für den ÖPNV des

Freistaates Sachsen schon heute Weichenstel-

lungen und konkrete Reaktionen abverlangen:

Die Fahrgäste erwarten, dass Schwach-

stellen im Bestandssystem beseitigt wer-

den. Verbesserungsbedarfe werden viel-

fach in der aktiven Gestaltung landesbe-

deutsamer Aufgaben gesehen. Hierzu

zählen z.B. die Aufwertung des ÖPNV-

Angebotes in der Fläche jenseits des

Schülerverkehrs oder die Harmonisierung

von Tarif- und Beförderungsbestimmun-

gen. Derartige Produktverbesserungen

sind zugleich die Voraussetzung dafür,

weitere Nutzer(gruppen) für den ÖPNV zu

gewinnen. Auch die gesetzliche Vorgabe

zur Herstellung der Barrierefreiheit bringt

das Erfordernis zum Ausdruck, ein Defizit

zu beheben, um allen Nutzern die Teil-

nahme am ÖPNV zu ermöglichen.

Das Wachstum der Bevölkerung in den

Ballungszentren Leipzig, Dresden und

Chemnitz eröffnet die Chance, mit zu-

kunftsfähigen Mobilitätsstrategien neue

Fahrgastpotenziale zu erschließen. Vo-

raussetzung ist, dass zusätzliche Fahr-

zeugkapazitäten und leistungsfähige Inf-

rastrukturnetze bereitgestellt werden.

Neue Rahmenbedingungen wie die Alte-

rung der Gesellschaft oder Abwanderung

werfen die Frage auf, wie durch ÖPNV die

soziale Teilhabe im ländlichen Raum ge-

währleistet werden kann.

Der digitale Wandel wiederum bildet ei-

ne Querschnittsaufgabe ab, die dem

ÖPNV in den Städten wie in der Fläche

per Saldo neue Möglichkeiten bescheren.

Die über Sachsen hinausreichende Sys-

temfrage lautet, inwieweit die Trennlinie

zwischen öffentlichem und individuellem

Verkehr künftig durch Innovationen ver-

schoben oder durchlässig wird.

Bündelt man die Handlungsbedarfe für den

sächsischen ÖPNV aus politischer Sicht zu

plakativen Schwerpunkten, ergibt sich folgen-

des Aufgaben-Viereck:

Abb. 1: Schwerpunktaufgaben für den sächsischen ÖPNV

Über die Schwerpunkte auf der Leistungsseite

hinaus gibt es weitere Aufgaben, die ebenso

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 7 von 178

dringlich sind. Hierzu gehören z.B. alle Finan-

zierungsthemen.

Der wesentliche Teil der skizzierten Heraus-

forderungen findet sich im Einsetzungsbe-

schluss dieser ÖPNV-Strategiekommission

wieder, die Mitte 2015 ihre Arbeit aufnahm.

Nachdem zunächst die Grundlagen in Gestalt

eines Basisgutachtens erarbeitet wurden, lag

der Fokus der beiden letzten Jahre darauf, den

sächsischen ÖPNV der Zukunft zu konzipieren.

Hierzu wurden fünf Arbeitsgruppen (AG) ge-

bildet, die sich den Handlungsfeldern

Angebotsentwicklung,

Infrastruktur und Fahrzeuge,

Tarif und Vertrieb,

Finanzierung und

Organisation

widmeten. Als Strategiehorizont wurde der

Zeitraum 2025/2030 gewählt.

Der vorliegende Abschlussbericht fasst die

Ergebnisse der ÖPNV-Strategiekommission als

Handlungsempfehlungen zusammen.

Finanzierung des Bestandssystems ist nicht gesichert

Bevor der ÖPNV zu neuen Zielen aufbricht,

lautet der Prüfauftrag „vor der Klammer“, ob

das Bestandssystem auch künftig finanziert

werden kann.

Hierzu hat die AG Finanzierung die Ergiebig-

keit der heutigen Finanzierungsquellen („Mit-

telherkunft“) analysiert und die Summe der

voraussichtlich verfügbaren Mittel mit den

fortgeschriebenen Bestandsausgaben („Mit-

telverwendung“) gespiegelt.

Auf der Mittelherkunftsseite ist zu konstatie-

ren:

Die Kulisse der Regionalisierungsmittel ist

bis 2031 gesichert. Der Freistaat Sachsen

reicht den Großteil an die kommunalen

Zweckverbände im Rahmen der bis 2027

geltenden Verordnung des Sächsischen

Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit

und Verkehr zur Finanzierung des Öffent-

lichen Personennahverkehrs (ÖPNVFin-

VO) weiter – vorrangig zur Finanzierung

des SPNV. Von den verbleibenden Mit-

teln sollen Teile des Gesetzes zur Finan-

zierung des Ausbildungsverkehrs im Öf-

fentlichen Personennahverkehr (ÖPNVFi-

nAusG) und das ÖPNV-Landes-

investitionsprogramm (LIP) gespeist wer-

den. Zudem müssen in Summe 285 Mio.

EUR bis 2022 temporär zurückgelegt

werden, um die Ausgaben im Zeitraum

2023 bis 2031 zu decken.

Das Entflechtungsgesetz läuft Ende 2019

aus. Aus den Umsatzsteueranteilen, die

der Freistaat Sachsen ersatzweise vom

Bund erhält, ist das LIP künftig zweckge-

bunden angemessen zu dotieren.

Das dem Gemeindeverkehrsfinanzie-

rungsgesetz (GVFG) entstammende

GVFG-Bundesprogramm zur Finanzierung

großer Vorhaben ist im bundesweiten

Maßstab mehrfach überzeichnet. Das

jährliche Mittelvolumen (332,56 Mio.

EUR) wurde seit 20 Jahren nicht dynami-

siert. Als notwendig gilt eine Erhöhung

der Gesamtmittel auf 1 Milliarde EUR pro

Jahr.

Das EU-Programm des Europäischen

Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)

läuft 2020 aus. Sollte es nicht fortge-

schrieben werden, müsste der Mittelan-

teil für den ÖPNV ersetzt werden.

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Modellrech-

nung zur Finanzierung der Bestandsausgaben

bis 2031 nur dann haarscharf aufgeht („rote

Null“), wenn die Planungsprämissen des Best-

falles greifen. Diese sehen vor, dass die Höhe

der Investitionsfördermittel absolut konstant

bleibt. Um einer Entwertung dieses Mittelvo-

lumens zu entgehen, dürften die Planungs-

und Baukosten 13 Jahre lang nicht steigen.

Realistisch ist dieses Szenario nicht.

Fazit: Die Finanzierung der Bestandsausgaben

ist – trotz strikter Vorsorgepolitik – nicht ge-

sichert. Hiervon unbenommen bleibt die Fra-

ge, ob die Bestandsausgaben heute den Be-

standsbedarf abbilden (siehe M2 zu Ersatzin-

vestitionen).

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Seite 8 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Strategie 2025/2030 – Maßnahmenkata-log

Um den ÖPNV im Freistaat Sachsen zu verbes-

sern und für die nächsten 10 bis 15 Jahre zu-

kunftsfest aufzustellen, haben die 5 Arbeits-

gruppen 13 Maßnahmen entwickelt.

Abb. 2 listet die Maßnahmen mit ihrer jeweils

zentralen positiven Wirkung auf. Im Weiteren

werden sie in Kurzform vorgestellt.

Das ÖPNV-Angebotskonzept setzt sich aus den

vier Modulen M1a bis M1d in Verbindung mit

der Maßnahme 4 „Invest Oberzentren“ zu-

sammen. Die Angebots- bzw. Netzelemente

stellen eine passgenaue Antwort auf die wich-

tigsten Handlungsziele in Abhängigkeit der

Raumstruktur und deren Verkehrspotenziale

dar. Die zentrale Verbesserung des heutigen

ÖPNV-Angebots liegt

in einer geplanten Ausweitung der Be-

dienungszeiten an Werktagen und am

Wochenende, auch in den Schulferien,

in der konsequenten Vertaktung und

Verzahnung der Angebote vom Fernver-

kehr bis zum Anrufbus (Sachsen-Takt)

sowie

in der landesweiten Etablierung von

PlusBus und TaktBus als zentrale Schar-

niere zwischen ländlichem und Ballungs-

raum und als Ergänzung des SPNV-

Netzes.

Der Mehrwert des landesweiten Angebots-

konzepts geht aus der Abb. 3 hervor.

Während heute 52% aller Sachsen an das

ÖPNV-Grundnetz angebunden sind, werden es

künftig 80% sein, die Anschluss an ein vertak-

tetes Angebot (mindestens Zweistundentakt)

haben. Eine Steigerung um 28 Prozentpunkte

bedeutet, dass gut 1 Mio. Einwohner erstmalig

von einem verlässlichen Angebot profitieren.

Abb. 2: Maßnahmenkatalog mit Nutzenwirkung

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 9 von 178

Dies gilt zum einen in vielen der 98 Städte und

Gemeinden, in denen 0,5 Mio. Sachsen zum

ersten Mal im Takt fahren. Aber auch dort, wo

bereits heute Stadtbusse oder Straßenbahnen

verkehren, wird das Angebot für weitere 0,7

Mio. Einwohner spürbar besser.

Durch die sachsenweite Einführung von Plus-

und TaktBussen werden gut 0,5 Mio. Sachsen

zusätzlich zu den heute 0,25 Mio. Einwohnern

innerhalb von etwa 5 min Fußweg eine Halte-

stelle des Regionalverkehrs erreichen und auf

diese Weise zügig in die nächsten Zentren

gelangen.

Jene Teile des Freistaates Sachsen, aus denen

das Grundnetz nicht innerhalb von 5 min er-

reichbar ist und in denen knapp 0,8 Mio. Men-

schen, d.h. 20% aller Sachsen leben (vormals

1,9 Mio. bzw. 48%), werden unverändert

durch LandBusse und vermehrt durch flexible

Angebote erschlossen. Die konkrete Ausge-

staltung dieser Angebote findet auf lokaler

Ebene statt – idealerweise im Zusammenhang

mit der Einführung von Plus/TaktBus-Linien.

Der Einsatz flexibler Bedienformen wird durch

eine Klärung der genehmigungsrechtlichen

und fördertechnischen Bedingungen auf Lan-

desebene unterstützt.

Haben langlebige Anlagegüter wie die Fahr-

zeuge oder die Infrastruktur das Ende ihrer

Lebensdauer erreicht, müssen sie ersetzt wer-

den. Damit dieser Fall nicht vorzeitig eintritt,

ist eine regelmäßige Instandhaltung entschei-

dend. Ohne ausreichende Ersatzinvestitionen

droht ein Fahren auf Verschleiß mit Substanz-

verzehr.

Berechnungen der AG Infrastruktur und Fahr-

zeuge kommen zu dem Ergebnis, dass der

jährliche Bedarf für Ersatzinvestitionen bei

225 Mio. EUR liegt. Unterstellt man aktuelle

Förderquoten und einen Anteil der kommuna-

len Ebene (Verkehrsunternehmen und Aufga-

benträger) in Höhe der historischen Eigenbei-

träge, müsste das ÖPNV-

Landesinvestitionsprogramm auf 141 Mio.

EUR allein für Ersatzinvestitionen aufgestockt

werden.

Empfohlen wird zudem, den Ersatz von ÖPNV-

Infrastruktur als weiteren Förderzweck im LIP

explizit zuzulassen, da anstehende Investitio-

nen künftig nicht mehr wie bisher in Ausbau-

programme integrierbar sein werden.

Der barrierefreie Zugang zum ÖPNV ist eine

zentrale Prämisse, damit auch für mobilitäts-

eingeschränkte Menschen eine selbstbe-

Abb. 3: Mehrwert des ÖPNV-Angebotskonzepts

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Seite 10 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

stimmte und umfassende Teilhabe gewährleis-

tet ist. Das Personenbeförderungsgesetz

(PBefG) schreibt vor, die Barrierefreiheit bis

zum 1.1.2022 umzusetzen.

Realistisch ist die Umrüstung aller Haltestellen

im Freistaat Sachsen bis 2030 mit Ziel-Ausbau-

graden je nach Einrichtung zwischen 45% und

100%. Um die bestmögliche zeitnahe Wirkung

zu erzielen, ist über die Nahverkehrspläne

eine Priorisierung der Vorhaben nötig und

möglich. Der Mittelbedarf wird mit 29 Mio.

EUR pro Jahr beziffert.

Wie unter M1 erwähnt, stehen die Oberzen-

tren – vornehmlich die Ballungsräume – vor

der Aufgabe, das Fahrgastwachstum infolge

der Bevölkerungszunahme zu bewältigen und

neue Fahrgastpotenziale vor dem Hintergrund

der beginnenden Mobilitätswende zu er-

schließen. Der Investitionspfad ist davon ab-

hängig, welche verkehrlichen Ausbauziele

verfolgt werden:

Soll der heutige Modal Split gehalten werden

(Fortschreibungsszenario), sind von 2019 bis

2030 über den Substanzerhalt hinaus Investi-

tionen in Höhe von rund 40 Mio. EUR p.a.

erforderlich.

Im Falle einer offensiven ÖPNV-Politik, die auf

eine spürbare Steigerung des ÖPNV-

Marktanteils abzielt (Wachstumsszenario: Ziel

ist ein Modal-Split-Anteil des Umweltverbun-

des von 70%), ist mit zusätzlichen 65 Mio. EUR

pro Jahr ab 2024 zu rechnen.

Um Anwendungserfahrungen im Bereich

Elektromobilität zu sammeln und anwen-

dungsreife Lösungen zügig ausrollen zu kön-

nen, geht eine Modellrechnung der AG Infra-

struktur und Fahrzeuge allein für die sechs

sächsischen Oberzentren von ca. 19 Mio. EUR

zusätzlichem jährlichen Investitionsbedarf aus.

Hinzu kommen derzeit noch nicht bezifferbare

Mehrbedarfe für die flächendeckende Einfüh-

rung von digitalen Technologien im ÖPNV in

Mittelzentren und im ländlichen Raum.

Die Erprobung regionaler Betreibermodelle

zur effizienteren Bewirtschaftung der Schie-

neninfrastruktur ist eine qualitative Maßnah-

me, die zunächst kein Geld kostet und langfris-

tig eine bessere Infrastrukturbewirtschaftung

ermöglichen soll. Erforderlich ist allerdings die

Bereitschaft des Bundes, Teile der Ersatzinves-

titionsmittel auf die Länder zu übertragen.

Für die wachsende Anzahl überregionaler

Fahrten im Freistaat Sachsen wird ein eigen-

ständiger Sachsen-Tarif in Form eines Dachta-

rifes empfohlen. Dieser wird die Nutzung aller

öffentlichen Verkehrsmittel in einem Fahrpreis

zusammenfassen.

Um einen Landestarif zu entwerfen, sind die

Interessen vieler Akteure zu berücksichtigen.

Der Blick in andere Länder zeigt, dass eine

stufenweise Umsetzung realistisch ist. Die

Einrichtung einer Trägerorganisation setzt den

Grundstein, den Sachsen-Tarif zu entwickeln.

Um diese personell auszustatten, ist etwa 1

Mio. EUR p.a. nötig. Hinzu kommen Aus-

gleichszahlungen für Durchtarifierungsverluste

in der Anlaufphase in Höhe von jährlich 5 – 15

Mio. EUR.

Die ÖPNV-Branche ist gefordert, mit der digi-

talen Entwicklung Schritt zu halten. Die tech-

nischen Lösungen für mobile Endgeräte müs-

sen dahingehend weiterentwickelt werden,

dass verbundübergreifende Fahrkartenkäufe

und Reiseinformationen lückenlos möglich

werden.

Hierfür müssen die verschiedenen Hinter-

grundsysteme miteinander kommunizieren

können. Die sächsischen Verkehrsverbünde

arbeiten bereits mit den Nachbarregionen an

einer integrierten Umsetzung für das Medium

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 11 von 178

Smartphone. Die Mehraufwendungen werden

auf 2 Mio. EUR geschätzt.

Auf diesem Fundament können Systeme mit

einem weiteren Fahrgastnutzen aufbauen.

Beispielsweise kann dann der Zustieg eines

Fahrgastes automatisch erkannt und der Fahr-

preis nach der Inanspruchnahme je Fahrt ab-

gerechnet werden. Zudem könnten mittelfris-

tig die etablierten Smartcards der sächsischen

Verbünde und Unternehmen integriert wer-

den.

Ziel des Bildungstickets ist es, Schülern und

Auszubildenden einen kostengünstigen Zu-

gang zum ÖPNV zu verschaffen und die El-

ternbeiträge für die notwendige Schülerbe-

förderung zu vereinheitlichen.

Die Arbeitsgruppe Tarif und Vertrieb hat das

Konzept eines Bildungstickets konkretisiert

und die Schritte bis zur Einführung skizziert.

Dabei wurde klar, dass – ähnlich wie beim

Sachsen-Tarif – ein hinreichender zeitlicher

Vorlauf einzuplanen ist. Die resultierenden

Einnahmenausfälle der sächsischen Verbünde

und Unternehmen wurden in einer Modell-

rechnung auf mindestens 47 Mio. EUR pro

Jahr beziffert. Diese müssten zusätzlich zur

Aufstockung des ÖPNVFinAusG (M11) ausge-

glichen werden.

Die AG Organisation hat verschiedene Organi-

sationsmodelle entwickelt und bewertet. Auf

der Grundlage von empirischen und theoreti-

schen Überlegungen sowie eines „Stresstests“

kommt sie zu dem Ergebnis, dass die heutige,

kommunal verfasste Organisationsstruktur

geeignet ist, die künftigen Herausforderungen

zu bewältigen. Allerdings wird an einigen Stel-

len Entwicklungsbedarf gesehen. Daher

schlägt die Strategiekommission vor, eine

ergänzende Stelle zur Koordinierung von lan-

desbedeutsamen Aufgaben zu etablieren, um

den sächsischen ÖPNV weiterzuentwickeln

sowie Abstimmungs- und Planungsprozesse

effizienter zu organisieren. Die Strategiekom-

mission empfiehlt hierzu wenige Leitsätze:

Gegründet wird eine neutrale Koordinie-

rungsstelle als Multi-Themen-Center.

Die Koordinierungsstelle unterstützt, hat

aber keine Entscheidungsbefugnis.

Das Land soll sich an der Organisation

zum Zwecke der Selbstbindung beteili-

gen, aber:

Die Beteiligung des Landes beschränkt

sich auf eine qualifizierte Minderheit, um

der kommunalen Verfasstheit des ÖPNV

unverändert Rechnung zu tragen.

Für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle

ist ein Zeitbedarf von rund neun bis zwölf Mo-

naten zu veranschlagen, da wesentliche orga-

nisatorische, rechtliche, personelle, Eigen-

tums- und finanzielle Fragen – insbesondere

auf und mit der kommunalen Ebene – geklärt

und verschiedene Gremien befasst werden

müssen. Ob, wann und in welcher Form das

Konstrukt zustande kommt, ist somit ein Er-

gebnis der Verhandlungen zwischen kommu-

naler Ebene und Land.

Das Land leistet einen Beitrag zur Finanzierung

des Ausbildungsverkehrs, indem es den kom-

munalen Aufgabenträgern über das ÖPNVFin-

AusG Mittel zur Verfügung stellt, mit denen

die Mindereinnahmen der Verkehrsunter-

nehmen aus rabattierten Zeitfahrausweisen

ausgeglichen werden.

Problematisch ist, dass die Gesamtkosten des

Systems seit geraumer Zeit überdurchschnitt-

lich steigen, ohne sie derzeit landesweit erfas-

sen zu können. Hierauf gründet z.B. die Forde-

rung, das ÖPNVFinAusG um bis zu 60 Mio. EUR

p.a. zu erhöhen und damit Kostensteigerun-

gen auffangen zu können.

Strategisch ergeben sich weitere Handlungs-

ansätze, z.B. die verpflichtende Analyse von

Mobilitätsfolgekosten bei kultus- und sozialpo-

litischen Entscheidungen.

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Seite 12 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Die Nutzerfinanzierung ist insbesondere im

ÖSPV der Ballungszentren eine zentrale Finan-

zierungssäule. Verkehrsunternehmen und -

ver-bünde in Sachsen erreichen durch diffe-

renzierte und an regionale Märkte angepasste

Preispolitik einen im Vergleich sehr guten

Wert.

Aus dem Ländervergleich geht hervor, dass

auch die Zuschusswerte der sächsischen

Zweckverbände gut sind, aber die Fahrgast-

und Auslastungszahlen im SPNV unter dem

Bundesschnitt liegen. Zu prüfen ist, inwieweit

linienbezogene Entwicklungsziele wirksame

Anreize zur Verbesserung setzen könnten.

Die Nutznießerfinanzierung zielt auf Modelle

ab, neben den Nutzern auch die unmittelbar

durch den ÖPNV Begünstigten an der Finan-

zierung zu beteiligen. Damit die kommunale

Ebene dieses Instrument nutzen kann, sollte

der Freistaat Sachsen hierfür notwendige lan-

desgesetzliche Anpassungen prüfen.

Strategie 2025/2030 – zusätzlicher Finan-zierungsbedarf

Die 13 Maßnahmen verursachen im Zielzu-

stand – gemessen an der Jahresscheibe 2025 –

bei vollständiger Umsetzung in der Summe

einen fiskalischen Mehrbedarf von rund 500

Mio. EUR pro Jahr (siehe Abb. 4).

Dabei handelt es sich um den Gesamtbedarf,

den alle Akteure zusammen aufbieten müssen

(Freistaat Sachsen, kommunale Ebene und

Nutzer), da keine der beteiligten Gruppen eine

solche Größenordnung alleine schultern kann.

Hierfür sind Mischfinanzierungslösungen zu

entwickeln, die auf eine konzertierte Lasten-

verteilung unter Federführung des Freistaats

Sachsen abzielen.

Entscheidend wird dabei sein, den Gesamtbe-

trag von 500 Mio. EUR p.a. – der zunächst

hoch anmutet – im politischen Diskurs, d.h.

beim Einwerben von Mitteln in den richtigen

Bezug zu setzen.

Abb. 4: Finanzieller Mehrbedarf der Maßnahmen 2025

Relativ zum Marktvolumen des sächsischen

ÖPNV, das 2025 auf 1.500 Mio. EUR zu schät-

zen ist, beläuft sich die geplante Ausweitung

auf ein Drittel. Dieses Delta ist der Preis dafür,

den ÖPNV im Freistaat Sachsen auf eine neue

Entwicklungsstufe zu heben, die sich durch

einen Quantensprung an Verbesserungen im

Angebot auszeichnet. Es unterstellt einen

deutlich höheren gesellschaftlichen Stellen-

wert des ÖPNV und arbeitet zugleich auf die-

sen hin.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 13 von 178

Umsetzung 2019/2020

Auch wenn der Fokus der Konzeptionsarbeit –

wie bei Strategien üblich – auf der mittel- bis

langfristigen Zeitschiene liegt, enthalten die

Handlungsempfehlungen zahlreiche Maß-

nahmen, die deutlich schneller eingeführt

werden können. Ziel ist es, bereits 2018 die

ersten Umsetzungsschritte einzuleiten, um

2019/2020 konkrete Verbesserungen im

ÖPNV sichtbar werden zu lassen. Zu diesem

Zweck soll die Strategiekommission auch im

kommenden Jahr den Umsetzungsprozess

begleiten.

Die Empfehlungen der ÖPNV-Strategiekom-

mission sind als Angebot an die Politik zu ver-

stehen, aus einem Menü an Vorschlägen wäh-

len zu können. Dabei ist zu beachten, dass

nicht alle Maßnahmen gleichermaßen dispo-

nibel sind. Beispiele hierfür:

Ersatzinvestitionen können nicht dauer-

haft aufgeschoben werden, ohne Kollate-

ralschäden mit Spätfolgen zu erzeugen

(Substanzverzehr).

Die Umsetzung der Barrierefreiheit ist

gesetzlich vorgegeben.

Die Maßnahmen und Module des Ange-

botskonzeptes weisen eine Wechselwir-

kung untereinander auf.

Hiervon abgesehen bleibt die tatsächliche

Priorisierung der politischen Willensbildung

vorbehalten, die zwischen der Regierung, dem

Sächsischen Landtag und der kommunalen

Ebene stattfindet. Ein zentraler Meilenstein ist

die Aufstellung des Doppelhaushaltes

2019/2020 durch den Gesetzgeber.

Abb. 5 veranschaulicht die wesentlichen Etap-

pen des Zeitplans 2018.

Die von der ÖPNV-Strategiekommission ent-

wickelten Maßnahmen wurden anhand von

sechs Prüfkriterien geprüft:

Modularität

Beteiligte Akteure

Planerischer Vorlauf

Technisch-betriebliche Machbarkeit

Rechtlicher Vorbehalt/Prüfbedarf

Fördervoraussetzung

Ziel ist, für die politischen Entscheider eine

realistische Einschätzung der zeitlichen Um-

setzbarkeit zu ermöglichen.

Aus diesem Prozess ergeben sich folgende

Maßnahmen, die eine relativ schnelle Umset-

zungsmöglichkeit implizieren:

Einrichtung einer Koordinierungsstelle,

schrittweise Einführung des PlusBus- und

TaktBus-Netzes,

Entwurf einer Investitionsstrategie (inkl.

Schaffung von Planungskapazitäten) und

Abbildung von Wachstumsinvestitionen,

für die die Komplementärfinanzierung

vorliegt,

Gründung einer Trägerorganisation für

einen Sachsen-Tarif sowie Einführung

erster Tarifprodukte,

Umsetzung von landesweiten digitalen

Vertriebslösungen und

die Befassung mit dem Bildungsticket

und arrondierenden Fragen der Finanzie-

rung des Ausbildungsverkehrs.

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Seite 14 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Abb. 5: Zeitplan 2018 – wesentliche Etappen

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 15 von 178

INHALT

GRUßWORT ...................................................................................................................... 4

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE ............................................................................................... 6

EINLEITUNG .................................................................................................................... 16

PHASE 1: GRUNDLAGEN ........................................................................................... 21 A.

I. Erwartungsmanagement ............................................................................................ 21

II. Zielharmonien und Systemgrenzen ........................................................................... 24

III. Ziele für den sächsischen ÖPNV ................................................................................. 26

IV. Status quo im sächsischen ÖPNV ............................................................................... 27

PHASE 2: KONZEPTION DER STRATEGIE 2025/2030 ................................................... 43 B.

I. Angebotsentwicklung ................................................................................................. 43

II. Infrastruktur und Fahrzeuge ...................................................................................... 53

III. Tarif und Vertrieb ....................................................................................................... 58

IV. Organisation ............................................................................................................... 61

V. Digitalisierung............................................................................................................. 67

VI. Finanzierung ............................................................................................................... 72

PHASE 3: UMSETZUNG IN DIE PRAXIS ....................................................................... 81 C.

I. Politischer Zeitrahmen ............................................................................................... 82

II. Eignung der Maßnahmen für 2019/2020 .................................................................. 82

III. Ausblick 2019/2020 .................................................................................................... 86

ABBILDUNGSVERZEICHNIS .............................................................................................. 88

TABELLENVERZEICHNIS ................................................................................................... 90

ANLAGEN ........................................................................................................................ 91

I. Thesenpapier der Arbeitsgruppe Angebotsentwicklung ........................................... 92

II. Thesenpapier der Arbeitsgruppe Tarif und Vertrieb ............................................... 110

III. Thesenpapier der Arbeitsgruppe Infrastruktur und Fahrzeuge ............................... 119

IV. Thesenpapier der Arbeitsgruppe Organisation ....................................................... 135

V. Thesenpapier der Arbeitsgruppe Finanzierung ....................................................... 147

VI. Glossar ...................................................................................................................... 164

VII. Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................. 175

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Seite 16 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Einleitung

Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV)

im Freistaat Sachsen ist ein wichtiger Baustein

der Daseinsvorsorge. Er ist ein Garant dafür,

dass die Bürger täglich sicher, umweltfreund-

lich und zuverlässig zur Arbeitsstelle, in die

Schule und zu Einkaufs- und Freizeitstätten

gelangen.

Der ÖPNV steht vor der Herausforderung, auf

große Trends in Wirtschaft und Gesellschaft

Antworten geben zu müssen, z.B. die Alterung

und Urbanisierung, den digitalen Wandel und

Änderungen der Bund-Länder-Finanzbezie-

hungen. Diese Umwälzungen muss der Markt

in seinem komplexen Geflecht aus Regelungen

und Zuständigkeiten vieler Akteure bewältigen.

Die Strahlkraft auf viele Gesellschaftsbereiche

legt den Schluss nahe, den Prozess breit anzu-

legen.

Die ideelle Geburtsstunde der ÖPNV-

Strategiekommission beruht auf dem Koaliti-

onsvertrag der CDU/SPD-Koalition des 6. Säch-

sischen Landtags, in dem es heißt:

„[…] angesichts der demografischen Heraus-

forderungen sowie der sich verändernden

Finanzierungsgrundlagen werden wir eine

Strategiekommission für den sächsischen

ÖPNV/SPNV ins Leben rufen, die eine Ge-

samtstrategie für einen weiterhin leistungs-

fähigen öffentlichen Verkehr im Freistaat

entwickeln soll.“

Auf diese Initiative hin beschloss der Sächsi-

sche Landtag in seiner 9. Sitzung am 11. März

2015 mit großer Mehrheit den Antrag 6/1067

zur Einsetzung einer Strategiekommission für

einen leistungsfähigen ÖPNV/SPNV in Sachsen

(ÖPNV-Strategiekommission). Darin wird die

Staatsregierung aufgefordert, der Kommission

mindestens folgende Aufgaben und Themen-

schwerpunkte vorzugeben:

„Erarbeitung von Lösungsansätzen zur Si-

cherstellung der ÖPNV/SPNV-Erreichbar-

keiten vor dem Hintergrund der demogra-

fischen Entwicklung,

Ermittlung des Finanzierungsbedarfs für

die Grundversorgung mit ÖPNV/SPNV-

Leistungen,

Ermittlung des korrespondierenden Inves-

titionsbedarfs unter Beachtung der sich

verändernden Finanzierungsgrundlagen,

Darstellung von Optimierungsmöglichkei-

ten der Organisations- und Ausschrei-

bungsstrukturen sowie der Tarif- und Be-

förderungsbedingungen im sächsischen

ÖPNV/SPNV,

Lösungsvorschläge zur Harmonisierung

der Tarif- und Beförderungsbedingungen

im Freistaat Sachsen,

Prüfung von Möglichkeiten zur Einführung

eines integralen Taktfahrplans.“

Die Strategiekommission wurde im Mai 2015

konstituiert. Um fachliche Kompetenzen und

gesellschaftliche Interessen gleichermaßen in

der ÖPNV-Strategiekommission vertreten zu

sehen, wurde der Kreis der Mitglieder weit

gefasst (siehe Abb. 6).

Den Vorsitz der ÖPNV-Strategiekommission

nimmt der Staatssekretär für Wirtschaft und

Verkehr Dr. Hartmut Mangold wahr; Jürgen

Petzold und Reiner Zieschank fungieren als

Stellvertreter. Sie sind auch Mitglieder des

internen Lenkungskreises, der eine koordinie-

rende Funktion ausübt.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 17 von 178

Abb. 6: Übersicht der ständigen Mitglieder der Kommission und der Arbeitsgruppen

Die ÖPNV-Strategiekommission wird durch

eine Geschäftsstelle im SMWA organisatorisch

unterstützt. Die fachliche Begleitung leistet ein

in einem europaweiten Vergabeverfahren aus-

gewähltes Gutachterkonsortium, bestehend

aus ETC Transport Consultants GmbH und KCW

GmbH. Daneben berät die vci GmbH die Kom-

missionsmitglieder in Tariffragen.

Die ÖPNV-Strategiekommission hat fünf Ar-

beitsgruppen gebildet:

Angebotsentwicklung (AngE)

Infrastruktur und Fahrzeuge (IuF)

Finanzierung (Fin)

Tarif und Vertrieb (TuV)

Organisation (Orga)

Diese konstituierten sich Ende Januar 2016 –

mit Ausnahme der AG Organisation, die ihre

Arbeit im August 2016 aufnahm. Die Arbeits-

gruppen tagten in vier- bis sechswöchigen Sit-

zungsabständen. Kommissionsmitglieder konn-

ten sich in einer oder mehreren Arbeitsgrup-

pen als regelmäßige Mitglieder engagieren.

Die Arbeit der ÖPNV-Strategiekommission lässt

sich über den Zeitraum ab der konstituieren-

den Sitzung am 27. Mai 2015 in drei Phasen

einteilen:

Grundlagen

Konzeption

Umsetzung

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Seite 18 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

1. Grundlagenphase (Aug. 15 – Apr. 16)

Den Auftakt der Kommissionsarbeit bildete

eine Befragung aller 27 Mitglieder als Stake-

holder zu den Stärken und Schwächen des

ÖPNV in Sachsen, die gutachterlich ausgewer-

tet wurden.

Anschließend erstellten ETC/KCW ab Septem-

ber 2015 ein Basisgutachten, das den Kommis-

sionsmitgliedern im April 2016 vorgestellt und

in den Arbeitsgruppen diskutiert wurde.

Als zentrale Arbeitsgrundlage der ÖPNV-

Strategiekommission enthält das Basisgutach-

ten die Bestandsaufnahme des Status quo im

sächsischen ÖPNV. In ihm sind die zentralen

Informationen, Kennzahlen, Rahmenbedingun-

gen und Prognosen/Szenarien dokumentiert.

Zugleich setzt es damit Impulse, zu welchen

Herausforderungen in den Arbeitsgruppen

vorrangig Strategien und Lösungen in der

nächsten Phase zu entwickeln seien.

Zur Einarbeitung der Ergebnisse der 6. Regio-

nalisierten Bevölkerungsvorausberechnung

und der Leistungsdaten 2014 aus dem SPNV-

Erfolgsmonitor wurde das Basisgutachten im

Februar 2017 aktualisiert. Es wurde als Druck-

sache des Sächsischen Landtags unter der Nr.

6/5343 veröffentlicht und steht der Allgemein-

heit auf der Internetseite des SMWA zur Verfü-

gung.1

Die Ergebnisse der Grundlagenphase sind im

Kapitel A dargestellt.

2. Konzeptionsphase (Mai 16 – Dez. 17)

Die Konzeptionsphase umspannt den inhaltli-

chen Schwerpunkt der Kommissionsarbeit, die

im Wesentlichen in den fünf Arbeitsgruppen

geleistet worden ist.

In den ersten Sitzungen 2016 wurde zunächst

je Arbeitsgruppe ein Themenvorrat angelegt.

Im Anschluss daran wurden die Themen aufbe-

reitet und mit der gebotenen Ausführlichkeit

erörtert.

1 http://www.verkehr.sachsen.de/13273.html,

Abruf am 11.12.2017.

In dieser Phase wurden – über das Basisgutach-

ten hinaus – von vielen Seiten Fachbeiträge als

Input für die Arbeitsgruppen bereitgestellt, z.B.

durch

die Erstellung von Ausarbeitungen und

Dokumentationen durch Kommissions-

mitglieder, die Geschäftsstelle oder Gut-

achter,

Informationen über laufende Projekte,

Gesetzesvorhaben und politische Prozes-

se,

die Datenerfassung und Befragung von

kommunalen Institutionen und Verkehrs-

unternehmen sowie -verbünden,

Vorträge von Kommissionsmitgliedern

und von Externen,

Einzelaufträge (Gutachten, Berichte), die

von den Arbeitsgruppen initiiert wurden,

Gutachten, Veröffentlichungen und Be-

richte von Dritten.

Im Herbst 2016 reifte die Entscheidung heran,

den Abschluss der Konzeptionsphase auf De-

zember 2017 vorzuziehen, um einen ersten Teil

der empfohlenen Maßnahmen noch in der

laufenden 6. Legislaturperiode des Sächsischen

Landtags umsetzen zu können und die eingelei-

teten Schritte sichtbar werden zu lassen.

Mit Blick auf den ambitionierten Zeitplan ver-

ständigten sich die Kommissionsmitglieder auf

einen dreistufigen Trichterprozess, der im

Zentrum der Abb. 7 auf Seite 19 veranschau-

licht wird.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 19 von 178

Abb. 7: Phasen und Prozess der Kommissionsarbeit

Stufe 1: „Steckbriefe“

Es wurden 18 Themenschwerpunkte fest-

gelegt, für die die wesentlichen Informati-

onen, die Ergebnisse der Diskussion in den

Arbeitsgruppen und die Handlungsemp-

fehlungen in dem Format eines Steck-

briefs zusammengeführt wurden. Sie wur-

den im Zeitraum Mai bis Juli 2017 in den

Arbeitsgruppen ausführlich erörtert und

größtenteils verabschiedet. Aus den Steck-

briefen sind die in diesem Bericht vorge-

stellten Maßnahmenvorschläge der ÖPNV-

Strategiekommission entwachsen.

Stufe 2: „Thesenpapiere“

Um die finanziellen Mehrbedarfe der

Maßnahmen zu quantifizieren und ihre

Umsetzbarkeit auf der Zeitschiene einzu-

ordnen, lautete der Auftrag an die Ar-

beitsgruppen, ihre Steckbriefe im zweiten

Schritt zu einem Thesenpapier zu verdich-

ten. Vorangestellt sind kurze Thesen, die

im nachgeschalteten Begründungsapparat

erläutert werden.

Ein wesentlicher Zwischenschritt war die

monetäre Bewertung der Maßnahmen in

einer „Matrix“, mit der sich vornehmlich

im August 2017 intensiv befasst wurde.

Die Thesenpapiere wurden in der Arbeits-

sitzung der Strategiekommission am 8.

November 2017 beschlossen.

Stufe 3: „Abschlussbericht“

Im letzten Schritt wurden die zentralen

Aussagen der fünf Thesenpapiere konzep-

tionell zusammengebunden in den vorlie-

genden Abschlussbericht überführt. Die in

Stufe 2 erarbeiteten Thesenpapiere wer-

den im Anhang im originalen Wortlaut do-

kumentiert.

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Seite 20 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Insgesamt haben die Arbeitsgruppen in der

Konzeptionsphase 81 Mal binnen 24 Monaten

getagt. Darüber hinaus trafen sich die Sprecher

der Arbeitsgruppen fünf Mal, um die Wechsel-

wirkungen einzelner Themen zu besprechen. In

11 Sitzungen der ÖPNV-Strategiekommission in

dem Zeitraum wurden die Arbeitsstände der

AGs in großer Runde debattiert.

Die in diesem Bericht in Kapitel B zusammenge-

fassten Arbeitsergebnisse der ÖPNV-Strategie-

kommission bündeln die strategischen Empfeh-

lungen an die politischen Entscheidungsträger

im Freistaat Sachsen zur Weiterentwicklung

des öffentlichen Nahverkehrs.

3. Umsetzungsphase (Jan. 18 – Aug. 19)

Der Anspruch dieser ÖPNV-Strategiekom-

mission ist es, neben Strategien auch konkrete

Maßnahmen zu entwickeln und deren Umset-

zung mit in die Wege zu leiten. Die über fast

drei Jahre eingeübte vertrauensvolle Zusam-

menarbeit soll dazu genutzt werden, die Vor-

schläge in die Praxis zu überführen.

Angestrebt wird, die ersten Verbesserungen im

sächsischen ÖPNV 2019/2020 zu erzielen bzw.

Maßnahmen mit längerem Vorlauf bis dahin

sichtbar werden zu lassen. Hierzu wird die

ÖPNV-Strategiekommission auch 2018 den

Umsetzungsprozess weiterhin begleiten.

Die wesentlichen Meilensteine der Umset-

zungsvorbereitung 2018 sind der Abb. 8 zu

entnehmen.

Im ersten Quartal steht die politische Willens-

bildung im Vordergrund, welche der Vorschlä-

ge in welcher Taktung tatsächlich umgesetzt

werden sollen. Hierbei wird auch den Verhand-

lungen des Freistaates mit der kommunalen

Ebene eine entscheidende Bedeutung zukom-

men, da der ÖPNV kommunal verfasst ist. Pa-

rallel müssen die benötigten Mittel in den

Doppelhaushalt 2019/2020 eingestellt werden.

Je schneller im politischen Raum manifest wird,

welche Vorschläge tatsächlich gewünscht sind,

desto eher kann mit der operativen Umsetzung

begonnen werden. Auch sie muss fachlich noch

vertiefend vorbereitet werden.

Ein Ausblick hierzu findet sich im Kapitel C.

Abb. 8: Zeitplan 2018 – wesentliche Etappen

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 21 von 178

Phase 1: GrundlagenA.

Stellt man sich die Frage, warum der Öffentli-

che Personennahverkehr (ÖPNV) als „öffent-

lich“ bezeichnet wird, leistet das ÖPNVG fol-

gende amtliche Erklärungshilfe:

„Öffentlicher Personennahverkehr […] ist die

allgemein zugängliche Beförderung von

Personen mit Verkehrsmitteln im Linienver-

kehr, die überwiegend dazu bestimmt sind,

die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort-

oder Regionalverkehr zu befriedigen. Ein

solcher Verkehr liegt vor, wenn bei der

Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Ver-

kehrsmittels die Beförderungsstrecke 50 Ki-

lometer oder die Beförderungszeit eine

Stunde nicht übersteigt.“

Ungeachtet der in Gesetzestexten üblichen

Sperrigkeit der Formulierung ist klar herauszu-

lesen, dass der freie Zugang zum Verkehrsmit-

tel (Bus, Straßenbahn, Eisenbahn, Fähre, Taxi

o.ä.) das prägende Kriterium ist. Darüber hin-

aus bringt der Terminus „Linienverkehr“ den

Anspruch an eine Regelmäßigkeit bzw. Min-

destmenge des Fahrtenangebotes zum Aus-

druck.

Im gesellschaftlichen Diskurs manifestiert sich

der öffentliche Charakter häufig an zwei weite-

ren Eigenschaften:

Ein wesentlicher Nutzen des ÖPNV und

damit auch sein Stellenwert resultiert aus

der Beförderung großer Fahrgastmengen

– im Gegensatz zum motorisierten Indivi-

dualverkehr mit einem durchschnittlichen

Besetzungsgrad von < 1,5 Personen (da-

von < 1,2 Personen im Berufsverkehr). Aus

diesem Grund werden öffentliche Ver-

kehrsmittel in Metropolen auch als „Mas-

sen“transportmittel bezeichnet.

Die meisten Bürger sehen die öffentliche

Hand in der Verantwortung, den ÖPNV als

Teil der Daseinsvorsorge zu organisieren

und in dem Maße zu finanzieren, wie die

zumutbaren Beiträge der Nutzer zur Kos-

tendeckung nicht ausreichen.

Da grundsätzlich jede(r) den ÖPNV nutzen kann

und die Allgemeinheit in der Rolle des Steuer-

zahlers bei der Finanzierung eingebunden ist,

lässt sich ein Phänomen flächendeckend be-

obachten:

Nicht jeder nutzt den ÖPNV, aber jede(r) hat

eine Meinung zum ÖPNV!

Diese Breitenwirkung ist Chance und Last zu-

gleich: Auf der einen Seite lässt sich eine hohe

Aufmerksamkeit dazu nutzen, für die Vorteil-

haftigkeit des eigenen Produktes zu werben.

Dagegen stehen die Vielzahl und Vielschichtig-

keit von Erwartungen, die die Fahrgäste, po-

tenziellen Nutzer und der Steuerzahler an den

ÖPNV knüpfen und überzogen sein können.

I. Erwartungsmanagement

Wie umfassend der Kanon der an den ÖPNV

gerichteten Erwartungen ist, lässt sich instruk-

tiv anhand der erhofften Eigenschaften des

Produktes veranschaulichen, die Abb. 9 in Ad-

jektivform festhält.

Abb. 9: Erwartungen an den ÖPNV

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Seite 22 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Zu den Eigenschaften im Einzelnen:

„erreichbar“: Die Erreichbarkeit eines

Ziels wird im Wesentlichen durch die

Fahrzeiten und die Bedienhäufigkeit (Fre-

quenz, Takt) von seiner Quelle bestimmt.2

Mindeststandards für Bedienungshäufig-

keiten finden sich in den regionalen Nah-

verkehrsplänen, ebenso die jeweilige Aus-

legung der Reisezeiten. Sachsenweit ein-

heitliche Mindeststandards für die jeweili-

gen Raumtypen und -strukturen sind da-

mit nicht definiert.

Erwartet wird vom ÖPNV in der Zukunft,

die Erreichbarkeit auch unter erschwerten

Bedingungen wie dem demografischen

Wandel im ländlichen Raum sicherzustel-

len oder zu verbessern. Die Sicherung der

Mobilität durch den ÖPNV ist Vorausset-

zung zur Teilhabe am öffentlichen Leben

für diejenigen, die auf keine Alternative

zurückgreifen können.

„gutes Fahrtenangebot“: Während die

unterste Schwelle der Erreichbarkeit auf

die Existenzsicherung der Mobilität ab-

hebt, deckt ein gutes Fahrtenangebot die

Ansprüche darüber ab. Hier geht es da-

rum, die Angebote an der Nachfrage aus-

zurichten, d.h. Kapazitäten für die Last-

spitzen vorzuhalten, stringente Taktsys-

teme anzubieten, die Linienführung an

den realen Bedarfen zu orientieren oder

auch nachts im städtischen Raum inklusi-

ve Einzugsbereich ein attraktives Angebot

zu gewährleisten.

„pünktlich“, „schnell“ und „zuverlässig“

(= leistungsfähig): Bei spurgeführten Sys-

temen wie der Eisen- oder Straßenbahn

setzt der Nutzer eine pünktliche und zu-

verlässige Leistung entlang seiner Reise-

2 In den übergeordneten bundes- und landesweiten

Planungsdokumenten wie den „Richtlinien für inte-grierte Netzgestaltung“ der FGSV (RIN 2008), dem Landesentwicklungsplan (LEP Sachsen 2013) und dem Landesverkehrsplan (LVP Sachsen 2025) wer-den in erster Linie anzustrebende Reisezeiten defi-niert.

kette voraus. Hierzu gehört auch, eine An-

schlusssicherheit zu gewährleisten.

Der ÖPNV sollte zeitlich konkurrenzfähig

zum Pkw sein, zumindest in Ballungsräu-

men und auf Hauptachsen. Um dies zu er-

reichen, sind aber zumeist keine massiven

Geschwindigkeitserhöhungen notwendig,

sondern zuvorderst ein störungsfreier Be-

trieb in den Ballungsräumen sowie Direkt-

verbindungen und gute Anschüsse im Re-

gionalverkehr.

Bei nicht vermeidbaren Abweichungen

vom Regelbetrieb erwarten die Fahrgäste,

dass Alternativen (Schienenersatz- und

Busnotverkehr) zeitnah bereitgestellt

werden und hierüber zuverlässig infor-

miert wird. Dies ist derzeit häufig noch

nicht der Fall.

„komfortabel“: In Abhängigkeit der Rei-

sedauer hat der Fahrgast unterschiedliche

Ansprüche an die Beförderungs- und Auf-

enthaltsqualität. Zentrale Schlagworte für

den Fahrzeugkomfort sind Beinfreiheit,

Arbeitsfähigkeit durch Steckdosen und

WLAN, gastronomische Versorgung oder

Mitnahme von Fahrrädern und Gepäck.

An den Zugangsstellen sind die Aufent-

haltsqualität bei Wartezeiten und die Si-

cherheit bedeutsam.

„barrierefrei“: Wie schon die Ausgangsde-

finition zeigte, ist der freie Zugang zu den

öffentlichen Verkehrsmitteln ein identi-

tätsstiftendes Urmerkmal. Dies gilt für alle

Nutzer, insbesondere auch für solche mit

körperlichen oder situativen Erschwernis-

sen (Alter, Kinderwagen, Gepäck).

Die Erwartung an die Barrierefreiheit un-

terfächert sich in den selbstbestimmten

technischen Zugang zu Fahrzeug (Nieder-

flur, Rampe, Lifter) und Bahnsteig/Halte-

stelle, aber auch in die Erleichterung des

Vor- und Nachlaufs, indem die Entfernung

zur Zugangsstelle so gering wie möglich

gehalten wird (Haltestellendichte). Auch

akustische und taktile Leitsysteme sowie

im Ausnahmefall das Bereithalten perso-

nengebundener Dienste sowie Hinweise

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 23 von 178

in „Leichter Sprache“ erleichtern die Nut-

zung für diesen Personenkreis.

„preislich attraktiv“: Die Attraktivität ei-

nes Preises hängt von der Zahlungsbereit-

schaft jedes einzelnen Nutzers ab, die

wiederum durch sein verfügbares Ein-

kommen und seine Präferenzen bestimmt

wird. Harter Benchmark sind die Nut-

zungskosten eines Pkw, die auf Grenzkos-

tenbasis kalkuliert werden, wenn ein Auto

vorhanden ist (Besitz). Hier spielen auch

die Kosten des Parkraums eine bedeuten-

de Rolle. Familien rechnen die Mobilitäts-

kosten aller Mitglieder auf.

Klar ist, dass nicht die absolute Preishöhe

auf das Nutzerverhalten einwirkt, sondern

vor allem bei einer Pkw-Verfügbarkeit das

Verhältnis von Preis (Kosten) und Leistung

(Nutzen). Letztere bemisst sich durch die

Faktoren Fahrtdauer, Komfort und Flexibi-

lität.

„erschwinglich“: Diese Eigenschaft er-

gänzt den vorigen Punkt um die sozialpoli-

tische Komponente der einkommensab-

hängigen Zahlungsfähigkeit.

„intuitiv/leicht verständlich“: Diese An-

forderung erstreckt sich auf verschiedene

Bereiche. So erwartet der Fahrgast, das

Fahrtenangebot auf einen Blick verstehen

zu können. Abschreckendes Gegenbeispiel

sind Aushänge im Schülerverkehr, in de-

nen der kleingedruckte Fußnotenapparat

zu Gültigkeit und Ausnahmen länger ist als

die Liste der Abfahrtszeiten.

Ebenfalls ein sensibles Dauerthema im

deutschen ÖPNV ist die Übersichtlichkeit

von Tarif, Beförderungsbestimmungen

und Vertrieb, teils als Folge einer Klein-

staaterei, wie die nachstehende Karikatur

in Abb. 10 überspitzt.

Perspektivisch werden die Möglichkeiten

der Digitalisierung hier allerdings Abhilfe

schaffen.

Abb. 10: Karikatur zu Tarifübersichtlichkeit

„sicher“: Die systemische Sicherheit der

Beförderung im ÖPNV in der Kombination

aus Infrastruktur und Fahrzeug ist für die

Öffentlichkeit kein Thema, da gesetzliche

Regelwerke diese sicherstellen und die

verschwindend geringen Unfallzahlen im

Verhältnis zum MIV empirisch belegt sind.

Kritischer wird hingegen in den letzten

Jahren die Sicherheit im öffentlichen

Raum gesehen. Hier erwarten die Fahr-

gäste angstfreie Räume an den Zugangs-

stellen und in den Fahrzeugen selbst. Die

Verkehrsunternehmen stehen vor der

Herausforderung, dies durch Technik

(Kameras, Licht) und/oder Personal zu

gewährleisten.

„wirtschaftlich“: Abstrakt wird jeder die

Forderung unterschreiben, dass eine öf-

fentliche Leistung wirtschaftlich erbracht

werden muss. Dies gilt insbesondere für

das kapitalintensive System Schiene. Denn

jede Ineffizienz bedeutet bei knappen

Mitteln, eine andere (zusätzliche) Leistung

nicht bereitstellen zu können. Welcher

Kostendeckungsgrad im konkreten An-

wendungsfall noch gerade akzeptiert wird

oder ab welcher Nutzerzahl sich ein Ange-

bot nicht mehr lohnt, ist politisch immer

umstritten.

„ökologisch“: Der umweltbezogene For-

derungskatalog umfasst mehrere Sub-

themen. So soll der ÖPNV möglichst emis-

sionsarm produziert werden, um seinen

Umweltvorteil und den erwarteten Bei-

trag zum Klimaschutz auszuspielen. Vo-

raussetzung hierfür ist eine adäquate Aus-

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Seite 24 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

lastung. Elektromobil sind Züge und Stra-

ßenbahnen seit mehr als 100 Jahren un-

terwegs, sofern die Infrastruktur elektrifi-

ziert ist.

Die aktuelle Diskussion um Fahrverbote

zur Reduktion der Stickoxidbelastung und

die Endlichkeit von Verbrennungsmotoren

sollte dem ÖPNV perspektivisch in die

Hände spielen, muss im politischen Lob-

bying aber noch stärker herausgearbeitet

werden.

Ein bis dato wunderer Punkt rankt sich um

das Thema Lärm, bei dem zumindest die

„schwere Schiene“ Nachholbedarf hat, al-

lerdings primär im Güterverkehr. Stören-

de Geräusche des SPNV oder der leichten

Schiene resultieren zumeist aus einer

suboptimalen Wartung der Infrastruktur

oder Standphänomenen.

„nachhaltig“: Der Begriff des nachhaltigen

Wirtschaftens stammt ursprünglich aus

der sächsischen Forstwirtschaft des 18.

Jahrhunderts. In der aktuellen Diskussion

hat er eine umwelt-, sozialpolitische und

ökonomische Dimension. Wesentlicher

Anspruch der nachhaltigen Entwicklung ist

der Leitgedanke der Generationengerech-

tigkeit, indem die gegenwärtigen Nut-

zungsansprüche nicht jene der künftigen

Generationen einschränken. Der ÖPNV

leistet einen elementaren Beitrag zur

nachhaltigen Mobilität.

„zukunftsfähig“: Schließlich wird erwar-

tet, dass der ÖPNV mit der Zeit geht und

auf Trends und technologische Neuerun-

gen reagiert oder diese antizipiert. Die be-

sondere Herausforderung liegt für ihn da-

rin, den lohnenswerten Zeitpunkt eines

Systemübergangs zu erkennen.

II. Zielharmonien und Systemgren-zen

Die Vielzahl unterschiedlicher Erwartungen ist

so lange unproblematisch, wie sie maßvoll

bleiben und in die gleiche Richtung wirken.

Eine solche Zielharmonie ist bei vielen Eigen-

schaften – zumindest eine gewisse Wegstrecke

lang – der Fall. So führen alle positiven Merk-

male, die die Attraktivität des ÖPNV steigern,

zu erhöhten Fahrgastzahlen, die die Wirtschaft-

lichkeit und Energieeffizienz verbessern.

Aber: Angesichts der Fülle der gestellten An-

forderungen ist es unvermeidlich, nicht alle

Individualwünsche jedes Einzelnen erfüllen zu

können. Während der Käufer eines Autos oder

Fahrrades sein Beförderungsmittel nach sei-

nem Geschmack aussuchen kann (Funktionali-

tät, Design usw.), erzwingt die gemeinsame

Nutzung eines Verkehrsmittels stets einen

Kompromiss zur Lösung eines Zielkonfliktes.

Diese Zwangskomponente lässt sich im Idealfall

reduzieren, aber auch dann nicht in Gänze

beseitigen, wenn die Möglichkeiten der Digita-

lisierung den ÖV in Teilen individualisieren, sei

es durch On-Demand-Verkehre (Abkehr vom

starren Fahrplan) oder kleinere und dichter

getaktete Gefäßgrößen (Senkung der Mitnut-

zerzahl).

Der zu zahlende „Preis“ des Einzelnen wird

durch den Bündelungsvorteil aufgewogen, der

sich je Nutzer in einer höheren Wirtschaftlich-

keit und geringerem Energieverbrauch nieder-

schlägt.

Das komplexe System stößt jedoch dann an

Systemgrenzen, sobald objektive Zielkonflikte

entstehen. Ausgewählte Beispiele:

Die Forderung nach wenigen Tarifen

oder gar einer einzigen Flatrate in einem

Verbundraum ist aus Übersichtsgründen

verständlich. Dagegen stehen reduzierte

Möglichkeiten der Auslastungssteuerung,

Gerechtigkeitsprobleme (Abkehr vom

Verursacherprinzip oder keine Möglichkeit

zur sozialen Differenzierung) und der Ver-

zicht auf unternehmerische Anreize zur

Preisdifferenzierung, auch zur Erarbeitung

von Wettbewerbsvorteilen.

In Ballungsräumen mit starken Pendlerbe-

ziehungen wollen die im Umland Woh-

nenden so schnell wie möglich in die und

aus der City fahren. Dies spricht für direk-

te Expressverbindungen mit wenigen Hal-

ten. Jeder ausgelassene Halt bedeutet

aber für andere Nutzer, Umsteigebezie-

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 25 von 178

hungen oder längere Reisezeiten in Kauf

nehmen zu müssen.

Anschlusssicherung bedeutet betrieblich,

auf den verspäteten Zubringer zu warten.

Der Preis dafür ist, dass viele Nutzer auf

wenige Umsteiger warten und nun ihre

Reisekette gefährdet sehen.

Die Forderung nach einem sicheren Sitz-

platz für jeden Fahrgast zwänge die Ver-

kehrsunternehmen, die Dimensionierung

der besonders kostspieligen Fahrzeugka-

pazitäten an der Morgenspitze der Haupt-

verkehrszeit auszurichten. In allen ande-

ren Zeiten werden dadurch teilweise un-

terausgelastete Kapazitäten durch die Ge-

gend gefahren. Insofern ist der „zumutba-

re Stehplatzanteil“ bei der Kapazitätspla-

nung immer ein Kompromiss.

Die Mitnahme von Fahrrädern in Zügen In

der Hauptverkehrszeit unterstützt die Rei-

sekette „Rad – Zug“ und damit den Um-

weltverbund. Zugleich wird der Fahrgast-

raum verknappt und der Fahrgastwechsel

häufig erschwert. Aus diesem Grund ist

auch eine vollständige Harmonisierung

von Tarifbestimmungen schwierig, da die

Anforderungen in Ballungsräumen und

außerhalb unterschiedlich sind.

Eine Deckelung der Beiträge aus der Nut-

zerfinanzierung hat automatisch zur Folge,

den Steuerzahler stärker zu belasten.

Übersteigt der Fahrgasterfolg die beste-

henden Kapazitäten, entstehen sprungfixe

Kosten einer Angebotsausweitung, die die

Wirtschaftlichkeit zunächst verschlech-

tern.

Wird ein zur Verfügung stehender knap-

per Euro ausschließlich nachfrageorien-

tiert eingesetzt, ist der wachsende Bal-

lungsraum immer im Vorteil. Im ländli-

chen Raum womöglich durch ÖPNV-

Angebote die Einwohner zu halten ist eine

andere Nutzendimension, die objektiv

nicht gegeneinander gewichtet werden

kann.

Die Liste ließe sich nahtlos fortsetzen. Sie zeigt,

dass die Vielzahl der Erwartungen an den

ÖPNV – auf politischer Ebene gekleidet in zahl-

reiche verkehrs-, umwelt- und sozialpolitische

(Teil-)Ziele – in keine durchgängig wider-

spruchsfreie Rangfolge gebracht werden kann.

Erschwerend kommt hinzu, dass verkehrspoli-

tische Ziele in Deutschland – wie auch in ande-

ren Politikfeldern – selten operationalisiert,

also quantifiziert und zeitlich spezifiziert wer-

den (Ausnahmen allenfalls im Ordnungsrecht).

Ohne harte Messbarkeit ist jedoch keine wirk-

same Erfolgskontrolle von Maßnahmen mög-

lich.´

Fazit: Es ist wie bei allen Dienstleistungen aus

der Sicht des Fahrgastes, aber auch der Politik

und des Steuerzahlers richtig und verständlich,

die Messlatte für die Leistungsfähigkeit des

ÖPNV hoch zu hängen. Nur so kann das Pro-

dukt stetig besser werden.

Zugleich ist es jedoch wichtig, die Systemgren-

zen – insbesondere das Spannungsfeld zur

Wirtschaftlichkeit – im Blick zu haben. Die Digi-

talisierung berechtigt zur Hoffnung, diese

Grenzen zu verschieben und z.B. neue Potenzi-

ale der Bedienung im ländlichen Raum zu er-

schließen. Ob und wie schnell das gelingt, ist

jedoch heute noch nicht seriös absehbar.

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Seite 26 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

III. Ziele für den sächsischen ÖPNV

Für die Zielbildung zur künftigen Entwicklung

im sächsischen ÖPNV sollten folgende Leitsät-

ze gelten:

Der Hauptkonkurrent unter den Verkehrs-

trägern bleibt noch auf lange Zeit der mo-

torisierte Individualverkehr (MIV). Die

verkehrs-, aber auch klimapolitisch moti-

vierte Ambition für den ÖPNV muss es

daher sein, den eigenen Modal-Split-

Anteil zu Lasten des MIV zu steigern. Ein

sachsenweiter Zielwert hat aufgrund der

Mixtur von Agglomerationsräumen und

ländlichem Raum keine echte Aussage-

kraft. In den Oberzentren liegen zum Teil

spezifische Ziele als planerische Orientie-

rungshilfe bereits vor. Hierüber muss aber

letztlich die kommunale Ebene entschei-

den.

Im ländlichen Raum muss das (Mindest-)

Ziel lauten, die Teilhabe am öffentlichen

Leben durch ein angemessenes Angebot

zu sichern, und zwar auch im Falle er-

schwerter Bedingungen. Dabei sind die

Wechselwirkungen von Pendlerverflech-

tungen zwischen Region und Wirtschafts-

raum zu beachten.

Neben der Sicherung eines angemessenen

Grundangebots sollte in der ÖPNV-

Planung das Prinzip der Nachfrageorien-

tierung berücksichtigt werden.

Der ÖPNV sollte zum Ziel haben, das Be-

dürfnis der Mobilität verkehrsmittelneut-

ral abzudecken. Dies bedeutet in der Pla-

nung, nicht zuerst den Verkehrsträger

(SPNV, ÖSPV) als Mittel zur Leistungser-

bringung zu setzen, sondern die Reiseket-

te im Blick zu haben.

Wie für alle Verkehrsträger und Subsys-

teme gilt für den ÖPNV im Besonderen,

dass der Konkurrent im Hauptlauf der

Partner im Vor- und Nachlauf ist. Insofern

müssen die Vernetzung und Einfachheit

des Übergangs optimiert werden.

Wie weit man dem ÖPNV auf der Instru-

mentenebene Vorrang einräumt, z.B. in-

dem man Busspuren einrichtet, Leitsys-

teme auf ihn ausrichtet, oder umgekehrt

den motorisierten Individualverkehr ein-

schränkt (z.B. Parkraumbewirtschaftung),

ist eine Frage der subjektiven Bewertung.

Tatsache ist allerdings, dass a) eine ernste

Umsetzung der Klimaziele aus heutiger

Sicht nur vorstellbar ist, wenn der ÖPNV

in Agglomerationen gepusht wird. Zudem

lässt sich b) zeigen, dass eine Pro-ÖPNV-

Politik die Lebensqualität in den Städten

einschließlich der Attraktivität der Innen-

städte deutlich erhöhen kann.

Der ÖPNV sollte Innovationen aufge-

schlossen sein, z.T. auch als Vorreiter

agieren. Den richtigen Absprungzeitpunkt

in Richtung einer neuen Plattformtechno-

logie zu finden ist schwierig und bedarf –

wie in anderen Märkten auch – häufig ei-

ner Anschubfinanzierung, um die ökono-

mischen Risiken in der Startphase abzufe-

dern.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 27 von 178

IV. Status quo im sächsischen ÖPNV

Das aktuelle Leistungsbild des sächsischen

ÖPNV ist in der Gesamtschau positiv. Dies zei-

gen mehrere Indikatoren, die in der AG Finan-

zierung mit Hilfe eines Vergleichs Sachsens mit

den Ländern Niedersachsen, Sachsen-Anhalt,

Thüringen und Rheinland-Pfalz herausgearbei-

tet wurden. Ebenso hat die umfassende Be-

standsaufnahme im Basisgutachten auf ver-

schiedene Stärken des Status quo hingewiesen.

Dessen ungeachtet beruht die Einberufung

einer Strategiekommission erkennbar auf der

Einschätzung, dass in der nächsten Dekade ein

Handlungsbedarf in hohem Maße wahrschein-

lich ist. Die Gründe sind:

Konkrete Schwächen im heutigen System

sind identifiziert und öffentlich adressiert,

z.B. die Frage des Substanzerhaltes von

Infrastruktur und Fahrzeugflotten.

Neue Herausforderungen wie das Bevöl-

kerungs- und das Fahrgastwachstum in

den Ballungsräumen erfordern konkrete

Antworten.

Verbesserungspotenziale sind in komple-

xen Systemen nie ausgeschöpft.

Randbedingungen wie die Digitalisierung

wandeln sich so deutlich, dass ein Weiter

so (auch bei aktueller Zufriedenheit) kei-

nen Erfolg für die Zukunft verspricht.

Zielgerichtetes Handeln erfordert in dieser

Ausgangssituation folgenden analytischen

Dreiklang:

Wo steht der ÖPNV in Sachsen heute?

Wohin würde sich der ÖPNV entwickeln,

wenn man nichts Neues unternähme?

Wohin soll sich der ÖPNV der Zukunft be-

wegen (siehe Fazit im vorhergehenden

Abschnitt)?

Welche Schritte vom Ist zum Soll sind in

welchem Zeitrahmen anzustreben (Um-

setzung)?

Im Weiteren werden die wichtigsten Treiber

und der Stand des ÖPNV auf den essentiellen

Handlungsfeldern in Kurzform umrissen. Am

Ende jedes Abschnitts werden die ableitbaren

Herausforderungen in Frageform notiert. Diese

bildeten eine Art „Pflichtenheft“ für die Diskus-

sion in den Arbeitsgruppen.

Demografischer Wandel

Der in der 6. Regionalisierten Bevölkerungsvo-

rausberechnung für den Freistaat Sachsen vor-

genommene Rück- und Ausblick auf die Folgen

des demografischen Wandels sehen für den

Freistaat Sachsen signifikante Änderungen auf

der Landesebene:

Seit der Wiedervereinigung ging die Ein-

wohnerzahl um 15% auf heute rund 4

Mio. zurück.

Im Zeitraum bis 2030 wird mit einer wei-

teren Bevölkerungsabnahme auf bis zu

3,85 Mio. Einwohnern gerechnet. Aller-

dings fällt dieser Rückgang deutlich gerin-

ger aus als in der vorangegangenen Prog-

nose.

Bis 2030 ist mit einer Alterung der Gesell-

schaft zu rechnen. So nimmt der Anteil

der über 65-Jährigen um 17% zu, während

er für die 20- bis 65-Jährigen um 13%

schrumpft.

Die Zahl der schwerbehinderten Men-

schen in Sachsen ist seit 2007 um ca.

100.000 auf nunmehr fast 400.000 gestie-

gen. Dies ist eine Steigerung um ein Drit-

tel. Rund zwei Drittel der schwerbehinder-

ten Menschen sind älter als 60.

Innerhalb des Landes kommt es zu einer dia-

metralen Scherenbewegung:

In den Agglomerationen schreitet die Ur-

banisierung voran. So wird die Bevölke-

rung in und um die beiden größten Ober-

zentren Dresden und Leipzig weiter um 10

bis 15% zunehmen.

In der Gegenrichtung sinkt die Einwohner-

zahl außerhalb der Ballungsräume, in pe-

ripheren Gebieten teilweise um mehr als

15%. Dennoch werden auch 2030 rund 0,8

Mio. Menschen in nichtzentralen Orten

leben, weitere rund 0,6 Mio. Personen in

Grundzentren.

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Seite 28 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Herausforderungen

Wie kann das Bevölkerungswachstum in

den Ballungsräumen als Chance für eine

nachhaltige Verkehrswende genutzt

werden?

Wie können öffentliche Mobilitätsange-

bote in allen Landesteilen, also auch in

schrumpfenden Regionen gewährleistet

werden?

Wie können Zugangs- und Nutzungsbar-

rieren zum ÖPNV gesenkt werden, bei-

spielsweise für Menschen mit Behinde-

rungen und für Senioren?

Öffentliches Verkehrsangebot und Er-reichbarkeit

In den drei Ballungszentren Dresden, Leipzig

und Chemnitz steht rund um die Uhr ein um-

fangreiches und attraktives Verkehrsangebot

von Straßenbahn und Bus zur Verfügung. Die

Linien verkehren tagsüber überwiegend im 10-

Minuten-Takt.

Ergänzt wird das Angebot durch Sharing-

Angebote und Taxen, die im Vertrieb oftmals

mit dem ÖPNV verknüpft sind (z.B. „Leipzig

mobil“).

In den drei Oberzentren Plauen, Zwickau und

Görlitz besteht zwar ebenfalls ein stadtweites

Angebot an Straßenbahn- und Busverkehr,

allerdings mit deutlich längeren Taktzeiten und

Betriebspausen.

Das Leistungsvolumen ist in den letzten Jahren

insgesamt stabil geblieben. Kleineren Ange-

botsausweitungen in Dresden und Leipzig ste-

hen gleichbleibende (Chemnitz) oder leicht

rückläufige Verkehrsleistungen (Zwickau, Gör-

litz, Plauen) gegenüber.

In den Landkreisen konzentriert sich das

ÖPNV-Angebot auf den Schülerverkehr, dessen

Anteil an der Gesamtnachfrage mehr als 70%

ausmacht, wohingegen Schüler weniger als

15% der Gesamtbevölkerung darstellen. Dage-

gen mangelt es oft an einem verlässlichen An-

gebot im Jedermannverkehr für Arbeitnehmer,

Besorgungen und den Freizeitverkehr. An Wo-

chenenden und in den Schulferien fährt in vie-

len Regionen kein Bus bzw. nur vereinzelt. Im

Ergebnis wird der ÖPNV hier seiner Funktion

der Daseinsvorsorge nicht immer gerecht, be-

sonders in Regionen ohne SPNV-Anschluss.

Dies gilt sowohl für innerörtliche Nah- als auch

regionale Mobilitätsbedürfnisse.

In den Regionen, in denen SPNV angeboten

wird, ist die Erreichbarkeit durch das ganztägi-

ge, vertaktete Angebot besser und gliedert sich

in drei Kategorien:

Tab. 1: Produktkategorien und Angebotsmerkmale im SPNV

Trotz des ganztägig vertakteten SPNV-

Angebotes entspricht das überregionale Eisen-

bahnangebot nur teilweise dem eigentlichen

Bedarf nach schnellen Verbindungen zwischen

den sächsischen Regionen und der überregio-

nalen Anbindung Sachsens. Hier macht sich

insbesondere die erhebliche Ausdünnung des

Fernverkehrsangebots in den vergangenen 15

Jahren bemerkbar, die zusätzliche SPNV-

Angebote nur teilweise kompensieren konn-

ten. Auch mit der Inbetriebnahme der VDE 8

(Nürnberg – Erfurt – Leipzig/Halle – Berlin) liegt

Sachsen weiterhin ein wenig im Windschatten

der Hauptverkehrsströme. Ein wesentlicher

Grund hierfür ist die bisher unzureichende

Verzahnung des Fern- und Regionalverkehrs

nach dem Prinzip des Integralen Taktfahrplans.

Das gegenwärtige Angebot im ländlichen Raum

weist teilweise erhebliche strukturelle Defizite

auf. So sind die Reisezeiten auf den regionalen

Achsen in vielen Fällen nur sehr eingeschränkt

konkurrenzfähig zum MIV. Dies betrifft insbe-

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 29 von 178

sondere Relationen ohne SPNV-Angebot oder

mit erforderlichem Umsteigen, indem die Um-

steigezeiten oftmals zu lang sind – sowohl in-

nerhalb der Teilsysteme SPNV und ÖSPV als

auch zwischen beiden Verkehrsträgern.

Nicht ausreichende Fahrplanabstimmungen

und Anschlusssicherungen resultieren z.T. in

unnötig lange Reise- und Umsteigezeiten. Dies

betrifft insbesondere das Erzgebirge – hier

oftmals auch durch ungünstige Haltestellenla-

gen – sowie Regionen in Nordsachsen (Torgau)

und Nordostsachsen (Hoyerswerda, Weißwas-

ser). Alternative schnelle Busverbindungen

fehlen.

Herausforderungen:

Wie muss das Verkehrsangebot in den

Ballungsräumen angesichts des prognos-

tizierten Einwohnerzuwachses und einer

beginnenden Mobilitätswende weiter-

entwickelt werden?

Wie können die Potenziale der innerört-

lichen Nahmobilität in kleineren Städten

gehoben werden?

Wie lassen sich regionale Erreichbar-

keitsdefizite in ländlichen Regionen ohne

SPNV verringern?

Wie lassen sich verlässliche (und wirt-

schaftlich vertretbare) Verkehrsangebo-

te im ländlichen Raum auch außerhalb

des Schülerverkehrs schaffen?

Wie lässt sich die intra- und intermodale

Verknüpfung der Teilsysteme – vom

Fernverkehr zum Anruftaxi – weiter ver-

bessern (Abstimmung Fahrplanangebo-

te, Anschlusssicherung)?

Verkehrsnachfrage

Die Verkehrsnachfrage im sächsischen SPNV

stieg bei summarisch nahezu unverändertem

Verkehrsangebot von 2006 bis 2015 um 27%

von 1,26 Mrd. auf 1,61 Mrd. Pkm. Allerdings

fallen die Nachfrage und deren Entwicklung

regional sehr unterschiedlich aus; zugewonnen

haben vor allem die S-Bahnen und RE-

Verkehre. RB-Verkehre stagnierten hingegen

oftmals oder haben sogar Fahrgäste verloren,

insbesondere in peripheren Räumen.

Die positive Entwicklung der Gesamtnachfrage

der letzten Jahre ist insbesondere auf die Inbe-

triebnahme des Leipziger City-Tunnels zurück-

zuführen. Dies betrifft vor allem die Nachfrage

im Leipziger Umland. Als Indikator dafür sei an

dieser Stelle der Anstieg der Verkehrsleistung

im ZVNL-Gebiet um 34% in den Jahren 2013 bis

2015 angeführt.

Die höchste Verkehrsnachfrage besteht auf

den Hauptstrecken des sog. sächsischen Drei-

ecks (Dresden – Chemnitz – Leipzig – Zwickau)

(ca. 3.000 bis 5.000 Reisende pro Werktag)

sowie auf den im S-Bahn-Verkehr bedienten

Achsen (bis zu 20.000 Reisende pro Werktag) in

den Ballungsräumen um Dresden und Leipzig.

Dieselbetriebene Nebenbahnen weisen zum

Teil eine Belegung von unter 1.000 Reisenden

pro Werktag auf.

Die regional stark ausdifferenzierte Verkehrs-

nachfrage kann den Abb. 11 und 12 aus der

ÖPNVFinVO-Erfolgskontrolle für das Jahr 2015

(Datenstand 16.11.2017) entnommen werden.

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Seite 30 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Abb. 11: Streckenspezifische Veränderung der Verkehrsnachfrage im SPNV 2010-2015

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 31 von 178

Abb. 12: Linienscharfe Auslastung Pkm/Zkm 2015

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Im ÖSPV liegt die Verkehrsleistung bei rund 2,7

Mrd. Pkm (2014), davon fallen ca. 40% im Stra-

ßenbahnverkehr an. Dies stellt einen Zuwachs

der Beförderungsleistung um über 10% seit

2005 dar – trotz insgesamt rückläufiger Ein-

wohnerzahlen. Treiber dieser Entwicklung ist

die wachsende Nachfrage in den Ballungszen-

tren. So steht Dresden mit jährlich 288 Fahrten

pro Jahr und Einwohner an der Spitze ver-

gleichbarer deutscher Städte mit rund 0,5 Mio.

Einwohnern. In anderen europäischen Ländern

erreicht der ÖPNV in vergleichbar großen Städ-

ten allerdings teilweise eine noch deutlich hö-

here Nachfrage, insbesondere in der Schweiz

(z.B. Bern, Zürich).

In den Landkreisen legen die Bewohner dage-

gen im Durchschnitt nur 21 – 50 Fahrten im

Jahr zurück.

Herausforderungen:

Wie kann der unterschiedlichen Nach-

frageentwicklung im Freistaat Sachsen

begegnet werden?

Wie können die wachsenden Nachfra-

gepotenziale in und um die Ballungs-

räume gehoben werden? Strahlt dieser

Zuwachs auch auf andere Regionen aus?

Wie kann die Auslastung auf Strecken

mit geringer Nachfrage verbessert wer-

den?

Welche Zielwerte werden für die Ver-

kehrsnachfrage in den unterschiedlichen

Teilräumen angestrebt?

Umwelt und Klimawandel

Die Zielsetzung der Verringerung von Treib-

hausgas-Emissionen, Lärm und Luftschadstof-

fen ist allgegenwärtig. Stellvertretend steht

hierfür die von der Bundesregierung verkünde-

te Energiewende mit dem Ziel einer 40%igen

Treibhausgasreduzierung bis 2020 gegenüber

1990. Hierin spielt der Verkehr jedoch nur eine

untergeordnete Rolle, obwohl er für etwa 20%

aller Treibhausgasemissionen in Deutschland

verantwortlich zeichnet.

Der Verkehr ist dabei der einzige Sektor, der

keine nennenswerten Treibhausgasreduzierun-

gen vorzuweisen hat. Zwar sank der spezifische

Treibhausgasausstoß (z.B. durch effizientere

Antriebstechnik), aber die allgemeine Zunahme

von Verkehr überlagerte diese Erfolge.

Gingen die Treibhausgasemissionen in

Deutschland bis 2015 über alle Emittenten –

dank überdurchschnittlicher Beiträge der neu-

en Länder – um 27% zurück, kann der Ver-

kehrssektor nur auf einen Rückgang der Emis-

sionen um 2,2% verweisen und nimmt damit

den mit Abstand letzten Platz ein (vgl. Abb. 14;

Quelle: UBA (2017) Nationaler Inventarbe-

richt).

Neben dem Flugzeug ist das Auto mit Verbren-

nungsmotor ein entscheidender Emittent, der

das Klima belastet. Hier hat die seit der Wie-

dervereinigung eingetretene Massenmotorisie-

rung in den neuen Ländern in besonderem

Maße als Bremse für die Erreichung der Klima-

schutzziele im deutschen Verkehrssektor ge-

wirkt. Allerdings ist der sächsische Motorisie-

rungsgrad heute im Vergleich mit anderen

Flächenländern vergleichsweise gering.

Abb. 13: Motorisierung im Ländervergleich

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 33 von 178

Der ÖPNV verfügt dagegen über eine sehr gute

Umweltbilanz. Eine Senkung der Emissionen im

Verkehrssektor wird sich aber nur durch einen

Ausbau des Umweltverbundes und die Redu-

zierung des Pkw-Verkehrs erreichen lassen.

Die Überlegenheit des Schienen- gegenüber

dem Straßenverkehr lässt sich in Klimafragen

an dem deutlich geringeren Energieverbrauch

der Schiene feststellen. Die Datenbank Umwelt

und Verkehr weist im Vergleich zur Straße ca.

50% im Personen- und 27% im Güterverkehr

aus.

Auch eine stärkere Nutzung öffentlicher Ver-

kehrsmittel im Personenverkehr, die sich in der

Auslastung widerspiegelt, würde diese Bilanz

verbessern.

Entscheidend sind daher Verkehrsverlagerun-

gen in urbanen Räumen, insbesondere den

Ballungszentren, aber auch bei der Nahmobili-

tät in den Mittelzentren sowie auf Hauptver-

bindungsachsen in den Landkreisen, um die

Klimabilanz zu verbessern. Im deutschen SPNV

hat sich zwischen 2002 und 2014 die Verkehrs-

leistung in Pkm um 40% erhöht. Ursächlich ist

hierfür bundesweit die Steigerung der Auslas-

tung der Züge. Hier stehen dem Freistaat noch

Aufholmöglichkeiten offen, wie der Vergleich

mit Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-

Anhalt und Thüringen zeigt.

Abb. 15: Auslastung Pkm/Zkm im Ländervergleich

In besonderem Maße in den Verdichtungsräu-

men hat sich auf Bundesebene die Feinstaub-

belastung zu einem verkehrs- und umweltpoli-

tischen Thema entwickelt. Unabhängig von

Pkw-seitigen Anpassungsstrategien sieht die

Politik im Stadtverkehr den ÖPNV als „saubere

Alternative“, um lokalen Belastungen z.B.

durch Feinstaub oder gesundheitsschädliche

Stickoxide zu begegnen.

Abb. 14: Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland seit 1990 nach Sektoren.

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Seite 34 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Verstärkt sind Bemühungen auf verschiedenen

Ebenen zu beobachten, die in Richtung einer

Einschränkung des Autoverkehrs in den Bal-

lungsräumen abzielen:

Die Feinstaubbelastung durch Pkw hat in

mehreren deutschen Städten dazu ge-

führt, dass Grenzwerte dauerhaft über-

schritten werden. Die Ergebnisse des ei-

gens dafür abgehaltenen „Dieselgipfels“

im September 2017 zeigen aber auch eine

Ambivalenz. Zwar sind die im „Luftreinhal-

tefond“ bereitgestellten Fördermittel

i.H.v. 1.000 Mio. EUR explizit auch für Ver-

besserungen des ÖPNV in betroffenen

Städten einsetzbar. Gleichzeitig zeigt aber

die Zielsetzung der Gespräche, dass damit

vorrangig Pkw-Fahrverbote abgewendet

werden sollen. Insoweit bleibt abzuwar-

ten, wie die Bilanz der aus dieser Initiative

erwachsenden Maßnahmen eines Tages

ausfällt.

Einige Städte begegnen der Feinstaub-

problematik in den Städten vornehmlich

durch die Einführung von Umweltzonen.

Die 56 Umweltzonen in Deutschland dür-

fen nur von Fahrzeugen mit entsprechen-

den Abgaswerten befahren werden. Die

Umweltzonen haben neben der lokalen

Luftreinhaltung implizit auch die Erneue-

rung der Pkw-Bestände zum Ziel. Im Frei-

staat ist bislang nur in Leipzig eine solche

Umweltzone eingeführt.

Die Diskussionen über die Einführung ei-

ner City-Maut werden vor diesem Hinter-

grund vereinzelt geführt (z.B. Köln, Stutt-

gart). Diese haben v.a. zum Ziel, den Ver-

kehr über Zahlungsbereitschaften zu

steuern. International feiern diese Instru-

mente z.T. sehr zufriedenstellende Ergeb-

nisse (Stockholm, London), in Deutschland

wartet man jedoch noch auf eine erfolg-

reiche Umsetzung.

In Deutschland wesentlich weiter verbrei-

tet ist die Parkraumbewirtschaftung (z.B.

Berlin, München). Diese reguliert in den

Parkzonen die Parkraumnutzung. Kritiker

werfen diesem Konzept vor, bei den Auto-

fahrern „abzukassieren“, verkennen dabei

aber den Wert des öffentlichen Raumes,

den sie bis dahin kostenlos in Anspruch

nahmen.

Zum Gesamtbild der Auswirkungen der Ver-

kehrsträger auf die individuelle Gesundheit

gehört aber auch, dass der ökologische Vorteil

nur dann ausgespielt werden kann, wenn eine

hinreichende Auslastung der Angebote er-

reicht wird.

Herausforderungen:

Mit welchen Maßnahmen kann der

sächsische ÖPNV attraktiver gemacht

werden, um Verkehr auf den Umwelt-

verbund zu verlagern?

Wie können die Umweltvorteile des

ÖPNV – insbesondere in Ballungszen-

tren – stärker in den Vordergrund ge-

stellt werden?

Inwiefern ist Sachsen bereit, neben dem

Ausbau des Umweltverbundes auch Pri-

vilegien für den Autoverkehr in Bal-

lungszentren zurückzunehmen, um ei-

nen spürbaren Beitrag des Verkehrs

zum Klimaschutz zu leisten? Können

sektorale Ziele für Treibhausgasemissio-

nen hierbei helfen?

Wie kann die Auslastung des ÖPNV –

insbesondere im ländlichen Raum - ver-

bessert werden?

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Infrastruktur und Fahrzeuge

Die Infrastruktur zur überregionalen Eisen-

bahnanbindung Sachsens ist überwiegend gut

ausgebaut und erfährt durch die Inbetrieb-

nahme der VDE 8 Nürnberg – Erfurt –

Leipzig/Halle – Berlin am 10.12.2017 und die

vier bis 16minütige Fahrzeitverkürzung zwi-

schen Berlin und Dresden (je nach Richtung)

eine spürbare Verbesserung. Ausbaubedarf

wird v.a. noch bei der Elektrifizierung gesehen

(Leipzig – Chemnitz, Dresden – Görlitz).

Das SPNV-Netz ist in den Ballungszentren und

auf den Hauptachsen gezielt modernisiert

worden. Die S-Bahn-Infrastruktur in Dresden

und Leipzig bietet Möglichkeiten für Angebots-

ausweitungen und zur Siedlungskonzentration

entlang der Achsen. Punktueller Handlungsbe-

darf erwächst aus der Abstimmung mit dem

überregionalen Verkehr (Deutschland-Takt).

Eine Systemfrage ist die möglichst fahrgast-

freundliche Umsetzung von Baumaßnahmen.

Im straßengebundenen ÖPNV sind die Stra-

ßenbahnsysteme in Dresden, Leipzig und

Chemnitz teilweise modernisiert und ausge-

baut worden. Der Bevölkerungs- und vor allem

Fahrgastzuwachs machen allerdings perspekti-

visch weitere Ausbaumaßnahmen notwendig.

Mit Abstrichen gilt dies auch für die kleineren

Straßenbahnstädte Görlitz, Plauen und Zwick-

au, die stabile Einwohnerzahlen erwarten.

Im ländlichen Raum wurde der ÖPNV beim

Infrastrukturausbau nur am Rande betrachtet,

da der Straßenausbau für den MIV im Vorder-

grund stand. Dabei hat sich die Konkurrenzfä-

higkeit des ÖPNV insgesamt verschlechtert.

Punktuell haben sich die Fahrzeiten im Busver-

kehr auch verlängert, weil neue Umgehungs-

straßen den Bus zu Umwegen zwingen, wenn

die alte Strecke durch den Ort gesperrt wird.

Auch die Lage der Haltepunkte hat sich zuwei-

len verschlechtert.

Die Fahrzeugflotte des sächsischen ÖPNV weist

einen hohen Modernitätsgrad auf. Dies steigert

Fahrgastnutzen und unterstützt eine effiziente

Betriebsführung. Künftig liegen fahrzeugseitige

Schwerpunkte des ÖSPV v.a. in der Kapazitäts-

ausweitung in den Ballungsräumen und dem

rollierenden Ersatz.

Eine weitere Herausforderung stellt die barrie-

refreie Ertüchtigung der Fahrzeuge dar, bei-

spielsweise durch die Ausrüstung von SPNV-

Fahrzeugen mit Schiebetritten und der Ertüch-

tigung der Busflotte im ländlichen Raum. Die

Herstellung der Barrierefreiheit bei Haltestel-

len ist landesweit ebenfalls weiter voranzu-

bringen. Der jüngste Vorschlag der DB AG, die

Bahnsteige bundesweit auf 76cm auszubauen,

würde jahrelange Bemühungen im sächsischen

SPNV jedenfalls konterkarieren, da hier in den

vergangenen Jahren Infrastruktur und Fahr-

zeuge auf eine Bahnsteighöhe von 55cm ausge-

legt wurden.

Im SPNV legen die Zweckverbände in den Ver-

kehrsvergaben autonom die Anforderungen an

die Fahrzeuge fest. Im Hinblick auf eine abge-

stimmte Investitionsstrategie zur Herstellung

eines Sachsen-Taktes ist ein landesweites Kon-

zept für Infrastruktur- und Fahrzeug-

konzeptionen sinnvoll. Wie wichtig eine inte-

grierte Infrastruktur- und Fahrzeugstrategie ist,

zeigt sich im Kleinen beim Thema Neigetech-

nik. Hier wurde Infrastruktur umfassen ausge-

baut (z.B. Sachsen-Franken-Magistrale), kann

aber nicht wie ursprünglich geplant genutzt

werden, da aus verschiedenen Gründen keine

Neigetechnikfahrzeuge mehr eingesetzt wer-

den.

Parallel dazu ist die weitere Entwicklung im

Bereich Infrastruktur und Fahrzeuge wesentlich

davon abhängig, wie weit und wie schnell eine

Marktdurchdringung mit alternativen Antriebs-

systemen stattfinden wird.

Bedingt durch den hohen Kapitaleinsatz bei der

Fahrzeugbeschaffung wurden im sächsischen

SPNV innovative Finanzierungslösungen umge-

setzt. Mit der Etablierung des Fahrzeugpools

für das Elektronetz Mittelsachsen ist hier ein

erfolgreicher Einstieg gelungen. Diese Modelle

können auch vor dem Hintergrund der Innova-

tionsschübe im Bereich Antriebstechnologie

weiter interessant sein.

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Seite 36 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Herausforderungen

Welcher Ausbaubedarf der Stadtver-

kehrssysteme in den Ballungszentren ist

nötig?

Wie kann ein realistischer Umsetzungs-

pfad für die Barrierefreiheit im sächsi-

schen ÖPNV aussehen? Wie lässt sich der

Prozess mit den sowieso vorzunehmen-

den Ersatzinvestitionen intelligent ver-

zahnen?

Welche Gestaltungsmöglichkeiten bieten

sich Freistaat und Zweckverbänden bei

der Entwicklung der bundeseigenen Ei-

senbahninfrastruktur?

Wie kann ein integriertes Entwicklungs-

konzept für Infrastruktur und Fahrzeuge

im SPNV umgesetzt werden?

Wie können die Entwicklungssprünge bei

den alternativen Antriebstechnologien für

den Nahverkehr mobilisiert werden?

Wie können für den Freistaat wichtige

Infrastrukturmaßnahmen unterstützt

werden?

Tarif und Vertrieb

Der sächsische ÖPNV wird in erheblichem Ma-

ße durch die Nutzer finanziert: im Jahr 2014

trugen die Fahrgäste mit insgesamt rund 365

Mio. EUR zu einem Drittel des Mittelvolumens

im sächsischen ÖPNV bei. Neben der Fahr-

gastmenge sind für die Summe der Fahrgelder-

löse die zugrundeliegenden Tarife und die Ef-

fektivität der Vertriebswege maßgeblich. Hier

liegt eine zentrale Verantwortung und Gestal-

tungsaufgabe der Verkehrsunternehmen.

In der Gesamtheit lässt sich auch der öffentli-

che Personennahverkehr im Freistaat Sachsen

nicht alleine mit der Nutzerfinanzierung finan-

zieren. Besonders daseinsvorsorgenahe Ver-

kehre, wie z.B. der Ausbildungsverkehr, sind

zusätzlich dauerhaft auf öffentliche Zuwen-

dungen angewiesen. Stagniert die öffentliche

Finanzierung, können Angebote nicht mehr

finanziert werden – oder die Nutzerfinanzie-

rung ist durch Tarifanpassung entsprechend zu

erhöhen, et vice versa. Schon die laufenden

Kostensteigerungen im ÖPNV wurden in der

jüngeren Vergangenheit v.a. durch die Auswei-

tung der Nutzerfinanzierung aufgefangen. Da-

her haben sich die ÖPNV-Tarife bundesweit

seit der Jahrtausendwende weit oberhalb der

Preise der Pkw-Nutzung und der allgemeinen

Inflationsrate entwickelt, was die intermodale

Attraktivität des ÖPNV vermindert hat.

Der Freistaat Sachsen verfügt flächendeckend

über eine Verbundstruktur. Die fünf sächsi-

schen Verkehrsverbünde (MDV, VMS, VON,

VVO und VVV) mit ihren jeweils zahlreichen

Verkehrsunternehmen sind für die Entwicklung

und Einnahmeaufteilung der Verbundtarife

zuständig. Die erlösverantwortlichen Verkehrs-

unternehmen gestalten in den Verbünden die

Tarife und Beförderungsbestimmungen. Ver-

trieb und Kundenservice liegen ebenfalls re-

gelmäßig in der Verantwortung der Unterneh-

men. Die kommunalen Zweckverbände als

sächsische SPNV-Aufgabenträger legen für

Aufträge im Regionalverkehr in Abstimmung

mit den Verbünden Vorgaben im Bereich Tarif

und Vertrieb fest. Eine Besonderheit ist dabei

der in die Nachbarländer Sachsen-Anhalt und

Thüringen übergreifende Mitteldeutsche Ver-

kehrsverbund (MDV), dessen Zweckver-

bandspendant, der ZVNL, territorial auf die

Landkreise Leipzig und Nordsachsen sowie die

Stadt Leipzig beschränkt ist.

Verkehrsunternehmen und -verbünde haben

über die Jahre Tarifbestimmungen entwickelt,

die für ihre Regionen und Märkte die verschie-

denen Erwartungen der Fahrgäste in den Ver-

bundräumen reflektieren. So existieren in drei

Verbünden Zonentarife (MDV, VMS sowie

VVO) und in zwei Verbünden Zonen-Relations-

Tarife (VVV und ZVON). Weil ein Großteil der

ÖPNV-Fahrten innerhalb der Verkehrsverbün-

de stattfindet, werden die Tarife vor allem

diesen Angeboten gerecht. Daher sind die Ta-

rifbestimmungen und Beförderungsbedingun-

gen durch die Verkehrsverbünde regional un-

terschiedlich entwickelt worden.

Für Fahrten über Verbundgrenzen hinweg

wandelt sich das Bild: Dann können mehrere

Fahrscheine nötig sein, Tarife sind oft überpro-

portional teuer. Darüber hinaus erschweren

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 37 von 178

unterschiedliche Bestimmungen, z.B. bei der

Fahrradmitnahme, die Tarifauswahl. „Nach

außen“, bei Fahrten über Verbundgrenzen

hinweg, kann sich der „innere“ Vorteil der Ver-

bundintegration also als Nachteil darstellen.

Dabei ist das Potenzial dieser Fahrten steigend:

Alleine im SPNV queren täglich ca. 20.000

Pendler die Verbundgrenzen. Besonders auf-

kommensstark sind diese z.B. auf den Achsen

im Dreieck Dresden – Leipzig – Chemnitz, aber

auch entlang Bautzen – Görlitz – Dresden oder

Leipzig/Dresden – Berlin.

Der Fahrscheinverkauf in den Verbünden wird

über mehrere Vertriebswege der Unterneh-

men abgewickelt. Der Vertrieb schließt dabei

die Beratung mit der Tarif- und Fahrplanaus-

kunft ein. Der Fahrgast kann – regional unter-

schiedlich – Fahrkarten

beim Fahrer,

an Automaten,

in Kunden- und Servicecentern und

in Fahrkartenagenturen

erhalten. Darüber hinaus können Verbundfahr-

karten bequem über das Smartphone erstan-

den werden, bisher aber nicht bei Fahrten dar-

über hinaus.

Bereitstellungsentscheidungen in Tarif und

Vertrieb nehmen damit insgesamt wichtige, in

der Gesamtschau aber dennoch nur unterstüt-

zende Funktionen wahr. Erst auf Basis einer

überzeugenden Qualität und Quantität des

ÖPNV-Angebots können Tarif- und Vertriebs-

strategien als Parameter für eine Verbesserung

dienen.

Herausforderungen

Wie weit hat es Sinn, die Tarif- und Be-

förderungsbedingungen der Verkehrs-

verbünde zu harmonisieren?

Wie können (gefühlte) tarifäre und ver-

triebliche Zugangsbarrieren für die Fahr-

gäste gesenkt werden?

Welche Rahmenbedingungen und Vo-

raussetzungen sind für einen landesweit

gültigen Sachsen-Tarif nötig?

Wie können die Möglichkeiten der Digi-

talisierung in einen für Fahrgäste besse-

ren ÖPNV-Vertrieb umgesetzt werden?

Unter welchen Rahmenbedingungen

kann das in der Koalitionsvereinbarung

enthaltene Bildungsticket ausgestaltet

werden?

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Seite 38 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Organisation

Die Arbeitsteilung zwischen Leistungsbestel-

lung und Leistungserstellung ist in Sachsen so

konfiguriert wie in allen Bundesländern. Wäh-

rend die öffentliche Hand als Aufgabenträger

die Verkehrsleistungen im Linienverkehr „ver-

antwortet“, d.h. plant, bestellt und finanziert,

sind die Verkehrsunternehmen für alle operati-

ven Aufgaben zuständig. Hierzu zählen z.B.

Tarif und Vertrieb, die betriebliche und wirt-

schaftliche Erbringung des Fahrtenangebotes

oder auch die Planung und Durchführung von

Investitionen.

Eine Besonderheit des Freistaates ist die kon-

sequente Verortung der Aufgabenträgerschaft

auf der kommunalen Ebene (vgl. Abb. 16):

Die fünf kommunalen Zweckverbände

verantworten die Verkehrsleistungen im

Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Bei

verbundübergreifenden Leistungen wird

mit den zuständigen anderen Aufgaben-

trägern (ggf. außerhalb Sachsens) koope-

riert. Federführer ist in der Regel der Be-

steller mit der größten Leistungsmenge.

Im straßengebundenen Nahverkehr

(ÖSPV, d.h. Bus und Straßenbahn) sind die

drei Kreisfreien Städte und die zehn Land-

kreise Träger für den Linienverkehr sowie

die Schülerbeförderung. Im Vogtlandkreis

ist die Aufgabe an den Zweckverband

ÖPNV Vogtland übertragen. Die kommu-

nalen Verkehrsunternehmen übernehmen

auf der operativen Ebene vielfach auch lo-

kale Aufgabenträgerfunktionen.

Die Kreiseigenen Oberzentren mit Straßen-

bahnsystemen (Görlitz, Plauen, Zwickau) sind

freiwillige Aufgabenträger für den Stadtver-

kehr. Plauen hat die Aufgabe auf den ZVV

übertragen.

Über die hoheitliche Rolle der Aufgabenträger-

schaft hinaus erbringen die kommunalen

Zweckverbände und die jeweiligen Verkehrs-

verbünde diverse Managementleistungen wie

Erstellung der Nahverkehrspläne,

Koordination verkehrsträgerübergreifen-

der Fahrpläne,

Gestaltung der Verbundtarife und Ein-

Abb. 16: Akteure der kommunalen Ebene im sächsischen ÖPNV

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 39 von 178

nahmenaufteilung,

Koordination von Marketing und Vertrieb

in Abstimmung mit den Verkehrsunter-

nehmen,

Begleitung des Infrastrukturausbaus, ins-

besondere Schnittstellen inklusive der Be-

antragung von Fördermitteln.

Die kommunalen Zweckverbände und Ver-

kehrsverbünde stimmen geografisch und orga-

nisatorisch überein – außer im länderübergrei-

fenden Ballungsraum Leipzig/Halle. Hier ist der

ZVNL als SPNV-Aufgabenträger nur für den

sächsischen Teilraum zuständig, während der

MDV als Mischverbund den Ballungsraum über

drei Bundesländer abdeckt.

Das Land bekleidet bisher keine herausgeho-

bene Koordinierungsrolle, sondern steuert – in

beschränktem Maße – als Mittelgeber mit Hilfe

seiner Finanzierungsinstrumente und Förder-

programme.

Insgesamt sind im sächsischen ÖPNV rund

20.000 Menschen in vielfältigen Funktionen

beschäftigt. Sie bilden das Rückgrat, damit das

System täglich seine wertvollen Dienste er-

bringt.

Mögliche Verbesserungspotenziale auf der

organisatorischen Ebene sind Gegenstand des

Abschnitts IV im Kapitel B.

Finanzierung

Die Finanzierung des ÖPNV in Sachsen weist

jene finanzarchitektonische Mixtur aus zahlrei-

chen Quellen auf der Mittelherkunftsebene

und verschiedenen Verwendungszwecken auf,

wie sie in allen Bundesländern typisch ist. Für

das Gebilde hat sich das Sprachbild der „Spa-

ghetti-Finanzierung“ etabliert, das die histo-

risch gewachsene Komplexität einer Mischfi-

nanzierung über drei Gebietskörperschafts-

ebenen (Bund, Länder, Kommunen) und dem

Nutzer zum Ausdruck bringt.

Die Finanzierungsbilanz 2014 aus Mittelher-

kunft und Mittelverwendung sieht wie folgt

aus:

Ein zentraler Mehrwert des Basisgutachtens,

war es, für das Jahr 2014 – mit Abstrichen auch

für 2010 und 2012 – zum ersten Mal ein weit-

gehend vollständiges Bild über die Finanzie-

rungsstrukturen im sächsischen ÖPNV zu

zeichnen. Zu verdanken ist dies auch der Mit-

arbeit der kommunalen Aufgabenträger, die

sich an einer gesonderten Erhebung der kom-

munalen Verkehrs- und Finanzdaten für den

gesamten Zeitraum 2010 – 2014 beteiligten.

Wesentliche Aussagen sind:

Das Marktvolumen des ÖPNV in Sachsen

betrug 2014 knapp 1,2 Mrd. EUR (vgl.

Tab. 2). Unter Einrechnung der gestiege-

nen Fahrgastzahlen sowie der Teuerung

dürfte es inzwischen bei rund 1,3 Mrd.

EUR liegen.

Knapp 31% aller Mittel steuerten die Nut-

zer über den Fahrkartenerwerb sowie die

Elternbeiträge im Ausbildungsverkehr bei.

Umgekehrt trug die öffentliche Hand

knapp 70%.

Herausforderungen

Ist die heutige Organisationsstruktur

geeignet, landesbedeutsame Aufgaben

zu bewältigen – insbesondere wenn die

Verkehrsverflechtungen zunehmen wer-

den? Wenn nein: welche dann?

Wie lässt sich die Abstimmung zwischen

den Aufgabenträgern und dem Freistaat

Sachsen verbessern?

Welche verkehrspolitische Rolle soll das

Land künftig einnehmen?

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Seite 40 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Differenziert nach Verkehrsträgern brach-

ten die Fahrgäste im SPNV gut 26% der

Mittel auf, während die analoge Quote im

ÖSPV bei knapp 43% lag, wie überall stark

streuend zwischen den nachfragestarken

Ballungsräumen und der Fläche.

Von der Summe aller Finanzmittel (Zu-

schüsse plus Nutzererlöse) wurden 86%

konsumtiv, d.h. für Verkehrsleistungen,

den Ausbildungsverkehr und Tarifausglei-

che eingesetzt. 12,6% der gesamten Mit-

tel wurden investiv aus öffentlichen För-

dermitteln gespeist. 1,4% sind den Regie-

kosten im weiteren Sinne zuzurechnen.

Die Abb. 17 zeigt die unterschiedlichen Ent-

wicklungstendenzen zwischen ländlichem

Raum und den großen Städten.

Abb. 17: Entwicklung kommunaler Gesamtaufwand im ÖSPV im Verhältnis zur Verkehrsleistung (in EUR/Pkm)

Tab. 2: ÖPNV-Finanzierung Sachsen 2014 in Mio. EUR

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 41 von 178

In den Städten ist der haushaltswirksame Auf-

wand für den ÖSPV relativ zu der Verkehrsleis-

tung in den letzten Jahren aufgrund der Nach-

frageentwicklung leicht rückläufig.

Dagegen verzeichnen die Landkreise deutliche

Mehraufwendungen (auch durch die Schüler-

beförderung) bei stagnierender Verkehrsleis-

tung. Die Versorgung mit Nahverkehrsleistun-

gen wird hier deshalb immer mehr zum finan-

ziellen Kraftakt.

Auf der Ebene des Freistaats betrachtet hat

sich die bestehende Finanzarchitektur des

sächsischen ÖPNV bewährt (vgl. Abb. 18). Der

Freistaat führt die Finanzmittel mit den drei

Säulen ÖPNVFinVO, Landesinvestitionspro-

gramm (LIP) und ÖPNVFinAusG ihrer Verwen-

dung zu.

Die ÖPNVFinVO leistet die Feinverteilung

der Regionalisierungsmittel. Das Gros er-

halten die kommunalen Zweckverbände,

vorwiegend für die Bestellung von SPNV-

Verkehren. Die restlichen RegG-Mittel

werden in das ÖPNVFinAusG, das LIP und

künftig auch in die RegG-Rücklage gelenkt.

Im ÖPNV-Landesinvestitionsprogramm

werden unterschiedliche Quellen gebün-

delt und projektbezogen z.B. an Unter-

nehmen oder kommunale Aufgabenträger

ausgereicht. Die Förderung des Freistaats

muss jeweils durch Eigenmittel der Pro-

jektträger komplementiert werden.

Abb. 18: ÖPNV-Finanzarchitektur auf der Landesebene im Freistaat Sachsen

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Seite 42 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Über das ÖPNVFinAusG wird den kommu-

nalen Aufgabenträgern schließlich ein

Ausgleich für Mindereinnahmen gewährt,

die bei der Beförderung von Personen mit

ermäßigten Zeitfahrausweisen des Ausbil-

dungsverkehrs entstehen. Hierfür werden

sowohl Regionalisierungs- als auch Lan-

desmittel verwendet.

Die Finanzierung des Ausbildungsverkehrs

nimmt vor allem in den sächsischen Landkrei-

sen eine immer prägnantere Rolle ein. Dies

zeigt die Entwicklung der kommunalen Auf-

wendungen in diesem Bereich (vgl. Abb. 19)

Abb. 19: Kommunaler Aufwand der Schülerbeförderung im freigestellten- und Linienverkehr

Die Zuständigkeit und Finanzierung der kom-

munalen Pflichtaufgabe der notwendigen Schü-

lerbeförderung sind dabei wie folgt zu charak-

terisieren:

Im Linienverkehr: in diesem Fall werden

die Schüler auf einer prinzipiell für alle

Fahrgäste zugänglichen Linie befördert.

Die Beförderung übernimmt das für die

entsprechende Linie beauftragte Ver-

kehrsunternehmen. Die Kostentragung

des (rabattierten) Fahrausweises durch

die Nutzer wird durch kommunale Schü-

lerbeförderungssatzungen geregelt, die

Schülerbeförderungsträger tragen den

restlichen Preis des Fahrausweises.

Im freigestellten Verkehr: in diesem Fall

werden die Schüler individuell (z.B. Taxi-

unternehmen) befördert – der freigestell-

te Verkehr wird deshalb nicht dem ÖPNV

i.e.S. zugeordnet. Dies kann z.B. aufgrund

einer Mobilitätseinschränkung des Schü-

lers nötig sein oder eines im Linienverkehr

nicht zumutbaren Schulwegs. Die Schüler-

beförderungsträger erstatten in diesem

Fall die Kosten der Beförderung.

Darüber hinaus müssen Schüler, die nicht an-

spruchsberechtigt sind, die Kosten für den

Fahrausweis zur Schule aus eigener Tasche

tragen.

Herausforderungen

Welche fiskalische Vorsorgepolitik ist

vonnöten, um die nach dem „Kieler

Schlüssel“ vorgesehene zeitweilige ab-

solute Abnahme der Regionalisierungs-

mittel abzufedern und damit das Be-

standssystem – vor allem auch investiv

(Substanzerhalt) – zu sichern?

Wie lässt sich die Finanzierungskulisse

für den ÖPNV künftig vor dem Hinter-

grund sichern, dass das Entflechtungs-

gesetz 2019 ausläuft und die Fortschrei-

bung der EFRE-Mittel nicht gesichert

ist?

Wie ist der zusätzliche Mittelbedarf für

die von der Strategiekommission vorge-

schlagenen Maßnahmen aufzubringen?

Ist die sächsische Finanzarchitektur zu-

kunftsfest, oder lassen sich Elemente

anderer Bundesländer einbauen?

Wie lassen sich wirksame Effizienzanrei-

ze im System der „Spaghetti-Finanz-

ierung“ verankern?

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 43 von 178

Phase 2: Konzeption der Strategie 2025/2030B.

Im Ergebnis der Bestandsaufnahme wurden

fünf große Themenblöcke zur handhabbaren

Zerlegung der Strategieentwicklung identifi-

ziert, die zur Gründung der gleichnamigen Ar-

beitsgruppen führte. Diese entwickelten zielge-

richtete Konzepte und Maßnahmen für den

zukunftsfähigen ÖPNV im Freistaat Sachsen.

Die Darstellung in diesem Kapitel beginnt mit

der Angebotsentwicklung, die den Kern aller

Angebotsverbesserungen (Abschnitt I) dar-

stellt. Anschließend werden die hierfür erfor-

derlichen Investitionen in Infrastruktur und

Fahrzeuge (Abschnitt II) aufgezeigt. Dem

schließt sich das die Angebotsentwicklung un-

terstreichende Tarif- und Vertriebssysteme

(Abschnitt III) an, sowie die für das Gesamt-

konzept erforderliche Organisation (Abschnitt

IV). Daneben wurde das Querschnittsthema

der Digitalisierung gutachterlich gesondert

untersucht (Abschnitt V). Die Phase 2 schließt

mit der Übersicht der für die Umsetzung des

Gesamtkonzepts erforderlichen Finanzkulisse

und entsprechender Finanzierungsinstrumente

(Abschnitt VI).

Die Arbeitsgruppen haben insgesamt 13 Maß-

nahmen (M1 – M13) entwickelt, die in den

nachfolgenden Abschnitten jeweils besonders

hervorgehoben sind.

I. Angebotsentwicklung

Ausgangslage und Planungsansatz

Die ÖPNV-Angebotsplanung der sächsischen

Aufgabenträger ist auf die Verkehrsbedürfnisse

in ihrem jeweiligen Gebiet ausgerichtet. Dem-

entsprechend wurden die Verkehrsangebote

entwickelt und fortgeschrieben. Die bestehen-

de Finanzierungskulisse verlangte dabei zu-

meist, die Angebotsentwicklung auf eine An-

passung des Status quo zu fokussieren.

Der ÖPNV-Strategiekommission kommt die

Aufgabe zu, konzeptionell und territorial weiter

zu denken. Daher hat die AG Angebotsentwick-

lung in Zusammenarbeit mit den sächsischen

SPNV-Aufgabenträgern und Verkehrsverbün-

den versucht, sich von regionalen und finanzi-

ellen Einschränkungen zu lösen. Dies stellt ei-

nen notwendigen Ansatz für einen zukunftsfes-

ten ÖPNV in Sachsen dar.

Im Ergebnis wurde eine ÖPNV-Angebots-

konzeption für den gesamten Freistaat Sachsen

und seine Teilräume entworfen, die folgende

Kriterien erfüllt:

landesweite Geltung, also über Aufgaben-

trägergrenzen hinausgehend,

sachsenweit einheitlicher Bedienungs-

standard für bestimmte Raumtypen und

Raumstrukturen,

zeitliche Abdeckung von morgens bis in

die Abendstunden sowie an Wochenen-

den und in Schulferien in einer Taktfre-

quenz, die sich deutlich stärker an der Le-

benswirklichkeit der Menschen orientiert

(Pilotprojekt „Muldental in Fahrt“ als Re-

ferenz),

Erweiterung der Erschließungswirkung des

SPNV-Netzes durch ein vertaktetes Plus-

und TaktBus-Netz auf Regionen ohne

Bahnanschluss,

Angebotsorientierung, d.h. von der heuti-

gen Nachfrage in gewisser Weise abstra-

hierend und mit dem Ziel, vorhandene

Nachfragepotenziale zu heben.

Maßgabe hierfür war, das ÖPNV-Angebot an-

gesichts der verkehrs- und umweltpolitischen

Zielstellungen zu einer konkurrenzfähigen Al-

ternative zum Autoverkehr zu entwickeln. Hier-

für sind unterschiedliche Konzepte für die

strukturellen und demografischen Bedingun-

gen der Teilräume Sachsens nötig:

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Seite 44 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

der Ausbau zum vorrangigen Verkehrsmit-

tel in den Ballungsräumen und

die Schaffung einer umfassenden und ver-

lässlichen Erschließungsfunktion im ländli-

chen Raum.

Charakteristisch für das entwickelte Angebots-

konzept sind daher die zentralen Eigenschaften

eines aufeinander abgestimmten, fahr-

gastfreundlichen und durchgängigen Takt-

systems (Sachsen-Takt),

einer Ausweitung der Bedienzeiten und

der Haltestellendichte sowie

eines einheitlichen, verständlichen Ange-

botssystems für alle Landesteile im Frei-

staat mit hohem Wiedererkennungswert

für die Fahrgäste.

Neujustierung der vorhandenen Buslinien

bzw. Aufnahme neuer Linien zu den wich-

tigen Quellen und Zielen.

Daraus ergeben sich die in Tab. 3 dargestellten

Netzelemente, die auf die jeweiligen Raum-

strukturen und Verkehrspotenziale zugeschnit-

ten sind.

Die Netzelemente umfassen neben den vier

angebotsbezogenen Teilelementen (sortiert

nach Angebotsdichte)

M1a: StadtBus,

M1b: SPNV-Wachstum,

M1c: PlusBus/TaktBus, und

M1d: LandBus/FlexBus

auch die Ausbaumaßnahmen, die in den Ober-

zentren eine perspektivische Angebotsauswei-

tung erst möglich machen (M4). Aufgrund des

stark investiven Charakters sind die Maßnah-

men in den Oberzentren konzeptionell in Ab-

schnitt II beschrieben.

Zentrale Angebotsprodukte erfüllen vom An-

rufbus bis hin zur S-Bahn jeweils bestimmte

Verkehrsfunktionen, die sich v.a. in der Nach-

frageintensität unterscheiden. Um für die

Fahrgäste und deren Reiseketten wertvoll zu

sein, müssen die Produkte aneinandergereiht

Tab. 3: Netzelemente des Angebotskonzepts

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 45 von 178

und mit möglichst geringen Umsteigezeiten in

Anspruch genommen werden können. Kern der

Zielkonzeption ist daher, den Nachfrageströ-

men im Freistaat die notwendigen Produkte

zuzuordnen und mit Hilfe einer durchgehenden

Vertaktung die Angebote deutlich besser als

bisher zu verzahnen.

Hierzu wurden für die verschiedenen Teilräu-

me die oben dargestellten Netzelemente ent-

wickelt. Diese bedienen mit ihren auf die jewei-

lige Raumstruktur zugeschnittenen Angeboten

die Verkehrspotenziale in diesen Teilräumen.

Damit verbessern sie bereits als isolierte Maß-

nahmen die Leistungsfähigkeit und Attraktivität

des ÖPNV. Die Maßnahmen sind so aufeinan-

der abgestimmt, dass sie eine noch größere

Wirkung erzielen können, wenn sie gesamthaft

realisiert werden. Als Bestandteil eines Sach-

sen-Takts bedienen sie alle Teilräume Sachsens

und ermöglichen eine durchgehende und logi-

sche Angebotskette.

Die Produkte, ihre Angebotsparameter und

Verkehrsfunktionen sind in der Tab. 4 aufge-

führt.

Die zentrale Verbesserung des heutigen ÖPNV-

Angebots liegt

in einer geplanten Ausweitung der Bedie-

nungszeiten an Werktagen und (z.T. ein-

geschränkt) auch am Wochenende, auch

in den Schulferien,

in der konsequenten Vertaktung und Ver-

zahnung der Angebote und

in der landesweiten Etablierung von Plus-

Bus und TaktBus als zentrale Scharniere

zwischen ländlichem und Ballungsraum

und als Ergänzung des SPNV-Netzes.

ÖSPV: Oberzentren

Für die drei Ballungszentren Dresden, Leipzig

und Chemnitz steht die Weiterentwicklung des

ÖPNV zum Vorrangsystem vor dem Autover-

kehr im Mittelpunkt. Ziel ist ein Modal-Split-

Anteil des Umweltverbunds (ÖV + nichtmotori-

sierter Verkehr) von über 70%, wie er derzeit

schon in der Spitzengruppe europäischer Städ-

te3 erreicht wird.

Hierfür ist eine deutliche Angebotsausweitung

sowohl auf bestehenden Relationen wie auch

die verbesserte Erschließung verdichteter oder

neuer Siedlungs- und Gewerbegebiete und

öffentlicher Einrichtungen notwendig. Die de-

taillierte Ausweitung wird durch

Fuhrparkerweiterungen inkl. der Anpas-

sung von Abstell- und Werkstattkapazitä-

ten und

3 Städte zwischen 200.000 und 500.000 Einwohnern

in der Schweiz oder Dänemark, aber auch Freiburg in Deutschland.

Tab. 4: Produkte, Angebotsparameter und Verkehrsfunktion

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den sukzessiven Ausbau der Straßen-

bahnnetze auf hochbelasteten Strecken

(z.B. Schaffung von Tangentialen)

erreicht.

In den weiteren drei Oberzentren mit Stra-

ßenbahnangebot (Plauen, Zwickau und Gör-

litz) besteht das vorrangige Ziel darin, das be-

stehende Angebot auf dem heutigen Niveau

fortschreiben und bedarfsgerecht ausbauen zu

können. Insofern liegt der Handlungsschwer-

punkt auf einer betrieblichen und verkehrli-

chen Optimierung des Angebotes, insbesonde-

re der Modernisierung der Straßenbahnsyste-

me. Die Planungen der Stadtverwaltungen und

Verkehrsunternehmen sehen lokal unter-

schiedliche Maßnahmen vor, z.B. die Ersatzin-

vestitionen in Fahrzeuge oder rechnergestützte

Betriebsleitsysteme oder die Sanierung von

einzelnen Streckenabschnitten.

Für eine deutliche Erhöhung des Modal-Split-

Anteils des Umweltverbundes sind zusätzlich

verkehrsträgerübergreifende Bausteine wich-

tig, wie

die Stärkung des nichtmotorisierten Indi-

vidualverkehrs (z.B. Ausbau Radwege-

netz),

intermodale Zugangs- und Schnittstellen

(z.B. Mobilitätsstationen), bis hin zu

eine auf den Umweltverbund ausgerichte-

te Siedlungsentwicklung entlang der

ÖPNV-Achsen.

ÖSPV: Landkreise

Die Landkreise außerhalb der Oberzentren

haben sehr unterschiedliche Raum- und Sied-

lungsstrukturen. Für sie werden spezifische

Angebotskonzepte vorgeschlagen:

In kompakten Siedlungsgebieten ab ca.

10.000 Einwohnern sind attraktive Stadt-

verkehrsangebote (StadtBus) zu sichern,

zu verbessern bzw. erstmalig zu etablie-

ren.

Sachsenweit ist die Wirksamkeit des SPNV

durch direkt geführte und regelmäßig ver-

kehrende landesweite Buslinien (PlusBus

bzw. TaktBus) zu verstärken. Diese dienen

über den SPNV hinaus der Verknüpfung

der verschiedenen ÖPNV-Systeme bzw.

der verschiedenen Verkehrsrelationen

und Verbindungen in den einzelnen Lan-

desteilen. Damit werden auch die Zentra-

le-Orte- und Achsen-Konzepte der Landes-

und Regionalplanung sowie die Struktur

der Metropolregion Mitteldeutschland

unterstützt. Die Taktung des PlusBus (1h-

Takt) bzw. TaktBus (2h-Takt) soll sich in

seinen Angebots- und Qualitätsstandards

am SPNV orientieren.

In peripheren Gebieten ergänzen lokal

angepasste Angebote (Land- bzw. Flex-

Bus) das Grundnetz aus SPNV und Plus-

und TaktBus. Idealerweise werden diese

Angebote im Zuge der Etablierung der

Plus/TaktBus-Linien in einem Verkehrsge-

biet grundlegend überplant bzw. neu ein-

gerichtet. Inwiefern und in welcher Form

dabei klassische Buslinien oder flexible

Bedienformen angeboten werden sollen,

ist durch die kommunalen Aufgabenträger

und Verkehrsunternehmen vor Ort zu ent-

scheiden.

Das durch die AG Angebotsentwicklung auf

dieser Basis entwickelte Grundnetz ist in Abb.

20 dargestellt.

Schließlich schlägt die AG Angebotsentwicklung

einheitliche Qualitätsmerkmale und Bedie-

nungsstandards vor, um die Wahrnehmung

und Wiedererkennung des ÖPNV als zusam-

menhängendes ganzheitliches System zu un-

terstützen (vgl. Tab. 5).

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Abb. 20: Vorschlag AG Angebotsentwicklung für ein landesweites ÖPNV-Zielkonzept

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ÖSPV-Produkt Qualitätsmerkmale

StadtBus Verknüpfung mit SPNV und sonstigen PlusBus-, StadtBus- und TaktBus-Linien an geeigneten Stationen, Übergangszeit 10min

Rendezvoushaltestellen in zentraler Lage

hohe Haltestellendichte; Barrierefreiheit an Knotenpunkten und weite-ren ausgewählten Haltestellen möglich

Mini-/Midibusse mit Niederflurtechnik

Bedienung aller wichtigen Aufkommensschwerpunkte

PlusBus und TaktBus

Verknüpfung mit SPNV und sonstigen PlusBus-, StadtBus- und TaktBus-Linien an geeigneten Stationen, Übergangszeit 10min

hohe Reisegeschwindigkeit und Pünktlichkeit (Sicherstellung ggf. durch Busspuren und Bevorrechtigungen an Lichtsignalanlagen)

Lage und Anzahl der Haltestellen sind unter Abwägung der einander wi-dersprechenden Ziele „Verbesserung der Erschließung“ und „Erhöhung der Reisegeschwindigkeit“ zu prüfen

Fahrradmitnahme

Sitzplätze als Standard (Anschnallmöglichkeit)

WLAN im Fahrzeug, Toiletten an wichtigen Knotenpunkten

Fahrgastinformation und Anschlusssicherung, Info zu PlusBus auch im SPNV

sachsenweite Erkennbarkeit (z.B. Logo, Farbgestaltung bei Neufahrzeu-gen)

LandBus Angebot mit regional angepasstem Takt für den ländlichen Raum unter-halb der Grundzentren mit bis zu 500 Einwohnern

Knoten mit SPNV und regionalen Buslinien (so vorhanden)

Anschlusssicherung an wichtigen Taktknoten zu SPNV, Plus- und TaktBus

hierzu zählen auch Schülerverkehre, die nicht in das Grundnetzintegriert werden können

FlexBus FlexBus als bedarfsabhängige Alternative zum LandBus, bei Bedarf auch im Flächenbetrieb

Bürgerbus und ande-re Mitfahrgelegen-heiten

Ergänzung durch Bürgerbusse und Mitfahrangebote bei vorhandenem lokalem Engagement

Tab. 5: Vorschlag der AG Angebotsentwicklung für Qualitätsmerkmale der ÖSPV-Produkte

Schienenpersonennahverkehr (SPNV)

Der SPNV ist das Rückgrat des sächsischen

ÖPNV. Ihm kommt die Aufgabe zu, die Landes-

teile zügig und in attraktiver Frequenz zu ver-

binden. An ihn knüpfen die regionalen und

lokalen Angebote des ÖSPV an. Aus verkehrli-

cher und wirtschaftlicher Sicht sind aufgrund

der hohen Fixkosten im Schienenverkehr be-

stehende und künftige Angebote vor allem an

der Nachfrageerwartung zu spiegeln. Die Aus-

führungen zur Nutzerfinanzierung (vgl. Ab-

schnitt VI) zeigen, dass sich landesweit die

Nachfrage im SPNV verbessern kann bzw. soll-

te.

Hier zeigen sich gegenläufige Entwicklungsper-

spektiven im Freistaat: Auf bestimmten Relati-

onen sind gemäß der SPNV-Erfolgskontrolle

Fahrgastzuwächse zu erwarten, die eine Aus-

weitung der Angebote rechtfertigen bzw. nötig

machen. Für andere Strecken sind die Erwar-

tungen aus vielfältigen Gründen geringer. Für

diese hat die AG Angebotsentwicklung einen

Instrumentenkasten mit Gegenmaßnahmen

erarbeitet.

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Die Entwicklung des SPNV-Angebots auf nach-

fragestarken Relationen ist durch die Zweck-

verbände bereits in wichtigen Verkehrsverträ-

gen angelegt, wie z.B. Angebotsoptionen in

den Verkehrsverträgen für die S-Bahnen in

Leipzig und Dresden und des Chemnitzer Mo-

dells. Darüber hinaus wurden in der AG Ange-

botsentwicklung weitere Kriterien diskutiert,

die eine Ausweitung rechtfertigen. Dies sind

die konsequente Ausstattung/Ergänzung

der überregionalen Achsen mit Regional-

expressangeboten,

insbesondere die Stärkung der Verkehre

zwischen den drei Ballungsräumen Dres-

den, Leipzig und Chemnitz,

die Rücknahme von ehemals aus finanziel-

len Gründen vorgenommenen Angebots-

kürzungen und

der Ersatz von ehemaligen Fernverkehrs-

angeboten der DB AG.

Daraus erwächst die Empfehlung, in Abhängig-

keit von laufenden Verkehrsverträgen und

erforderlichem Fahrzeugmehrbedarf für nach-

fragestarke Strecken die in Tab. 6 dargestellten

Zusatzleistungen zu bestellen.

Für den Umgang mit nachfrageschwachen

Linien im SPNV sind Anpassungsperspektiven

zu definieren. Als nachfrageschwache Strecken

werden SPNV-Relationen verstanden, auf de-

nen abschnittsweise unter 200.000 Fahrgäste

(Pkm/km) im Jahr verkehren. Diese lassen sich

in vier Typen hinsichtlich der Verkehrsnachfra-

ge und Lage im Verkehrsnetz einteilen:

Abb. 21: Typen nachfrageschwacher SPNV-Linien4

Zum Verständnis bzw. zur Einordnung ist zu

beachten:

Trotz der geringen Nachfrage können die-

se Linien als Grundgerüst der regionalen

Erschließung in ihrem jeweiligen Raum

dienen, auf dem das geplante weiterfüh-

rende Plus-/TaktBus-Netz aufbaut.

Auch aus diesem Grund ist eine Einzelfall-

betrachtung dieser Strecken notwendig.

Der Nachfragerückgang betrifft häufig nur

4 In Rot sind jeweils die nachfrageschwachen Ab-

schnitte dargestellt.

Tab. 6: Empfehlung Zusatzleistung

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Seite 50 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

die Streckenenden oder mittlere Stre-

ckenabschnitte zwischen zwei Zentren.

Unabhängig davon ist eine Abbestellung

während eines gültigen Verkehrsvertrages

häufig wirtschaftlich unvorteilhaft. Anpas-

sungen sind zumeist bei der Neuvergabe

von Verträgen sinnvoll.

Für die langfristige Entwicklung von nach-

fragearmen Strecken fehlt oft ein verläss-

licher Ausblick, ob der SPNV weiterbetrie-

ben oder eingestellt werden soll. Bisher

wurden Abbestellungen (in Sachsen etwa

25% des historischen Liniennetzes von

1990) zumeist kurzfristig wegen fehlender

Finanzmittel vorgenommen.

Verantwortlich für die Angebotsentscheidung

sind die zuständigen Zweckverbände. Die AG

Angebotsentwicklung empfiehlt, im Einzelfall

eine sorgsame Ursachenforschung vorzuneh-

men, denkbare Lösungsansätze auf ihre Um-

setzung und Wirkungen zu prüfen und darauf

aufbauend ein Maßnahmenpaket zu erarbei-

ten, das z.B. aus einer Anpassung von Reisezei-

ten und Fahrplangestaltung oder Tarif- bzw.

Marketingmaßnahmen besteht. Flankiert von

der Erhebung der Nachfrageentwicklung der

SPNV-Erfolgskontrolle können diese Maßnah-

men bewertet und als Grundlage für eine Ent-

scheidung vor der Neuvergabe der Leistungen

auf der Ebene der Zweckverbände herangezo-

gen werden.

Verzahnung (Sachsen-Takt)

Kern des Angebotskonzepts muss eine intelli-

gente Verknüpfung der unterschiedlichen

ÖPNV-Angebote sein. Dies ist in besonderem

Maße eine Frage geschickter Vertaktung, um

Umstiege zu erleichtern und so eine gute

Netzwirkung zu erzielen und durch ein attrakti-

ves Angebot möglichst viele Fahrgäste zu ge-

winnen.

Der sog. „Integrale Taktfahrplan“ (ITF) ist ein

übergreifendes Planungsprinzip, das in der

Schweiz und seit der Bahnreform auch in ein-

zelnen Bundesländern (z.B. Rheinland-Pfalz

und Bayern) etabliert ist: Züge und Busse fah-

ren in einem festen Takt, und bestimmte Um-

steigehaltestellen werden als Taktknoten aus-

gebaut, so dass dort im Idealfall Umstiege zwi-

schen allen Linien gewährleistet sind (Rundum-

Anschluss). Umgekehrt richtet sich der ITF ei-

nes Landes idealerweise an den Taktfahrplänen

des Fernverkehrs bzw. angrenzender Regionen

aus.

Der in Sachsen nur teilweise bestehende ITF

soll dahingehend ausgeweitet werden, dass er

systematisch kurze Anschlüsse in allen

Knotenbahnhöfen ermöglicht und

alle Verkehrsmittel umfasst (Fernverkehr,

SPNV und Bus).

Üblicherweise wird ein ITF aus dem Fernver-

kehrsangebot abgeleitet. Gerade vor dem Hin-

tergrund der gegenwärtigen Aktivitäten des

BMVI zur Einführung eines Deutschland-Taktes

besteht deshalb aus sächsischer Perspektive

Handlungsbedarf.

Deutschland-Takt

Das BMVI entwickelt derzeit gemeinsam mit

der Deutschen Bahn AG und den SPNV-

Aufgabenträgern den sog. Deutschland-Takt

als Grundlage für den kommenden Infra-

strukturausbau. Damit soll erstmals das Pla-

nungsprinzip des ITF „erst Fahrplan, dann

Infrastrukturausbau“ im bundesweiten

Schienennetz angewandt werden. Hierfür

wird ein deutschlandweiter Zielfahrplan

2030+ entwickelt. Darauf aufbauend wer-

den die zusätzlich erforderlichen Infrastruk-

tur-Ausbaumaßnahmen für den Deutsch-

land-Takt definiert.

Das Systemangebot aus eigenwirtschaftlichem

Fernverkehr (SPFV) und gemeinwirtschaftli-

chem SPNV bedarf einer stabilen langfristigen

Abstimmung, einer geeigneten Infrastruktur

und abgestimmter Taktmuster sowie einer

nachhaltigen Sicherheit der SPFV-

Durchführung. Aus den regionalen Taktknoten

des SPNV ergeben sich wiederum Übergangs-

punkte zum regionalen Busverkehr, insbeson-

dere dem Plus- und TaktBus-Netz.

Für die Konzeption eines Sachsen-Takts ist mit

Blick auf die Zukunft nötig,

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 51 von 178

grundsätzlich das Konzept des Taktver-

kehrs als Systemangebot für alle Ver-

kehrsmittel des ÖV zu fördern,

den Ausbau der Infrastruktur an einem

Zielfahrplan auszurichten und

den Sachsen-Takt als Marke zu platzieren.

Die AG Angebotsentwicklung schlägt daraus

abgeleitet vor,

eine gezielte und kontinuierliche Abstim-

mung mit dem BMVI zur Anbindung Sach-

sens an den geplanten Deutschland-Takt

zu etablieren. Hierzu ist seitens des Frei-

staats Sachsen ein zentraler Ansprech-

partner zu installieren, der die Interessen

und Planungen innerhalb Sachsens bün-

delt, koordiniert und entsprechend vor

dem Bund, anderen Bundesländern und

der DB AG vertritt. Diese Aufgabe kann

durch eine Koordinierungsstelle vorge-

nommen werden, wie es sie in ähnlicher

Weise auch schon in anderen Ländern

gibt.

Die Angebots- und Infrastrukturplanung

mit dem Sachsen-Takt eng zu verzahnen.

Hierzu ist ein Zielzustand zu formulieren,

an dem die laufenden Vorhaben ausge-

richtet werden können.

Das RE-Netz in einem weiteren Schritt

landesweit auf den Knoten Leipzig auszu-

richten.

In Abb. 22 sind die derzeitigen Ist-Fahrzeiten

(rot) den grün markierten Fahrzeiten des je-

weils schnellsten Produktes im ITF-tauglichen

Zielzustand gegenübergestellt.

Zu erkennen ist, dass auf den meisten Relati-

onen lediglich Fahrzeitgewinne im Minuten-

bereich erforderlich sind, um die Taktsystema-

tik herzustellen. Selbst optisch große Sprünge

wie 21 min Reduzierung auf der Strecke Dres-

den – Görlitz relativieren sich, wenn man in

Rechnung stellt, dass 2010 dort bereits 10 min

schneller gefahren wurde und eine Elektrifi-

zierung eine zusätzliche Beschleunigung er-

möglichen würde. Gleichwohl sind in Einzelfäl-

len umfangreichere Infrastrukturmaßnahmen

notwendig.

Abb. 22: Aktuelle und für den Sachsen-Takt nötige Kantenzeiten zwischen den wichtigsten Knoten

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Wirkung der Zielkonzeption

Die Angebotskonzeption stiftet dem Fahrgast

einen landesweiten Nutzen, der in Abb. 23

deutlich wird:

In den Ballungszentren Dresden, Leipzig

und Chemnitz profitieren rund 1,4 Mio.

Einwohner vom Ausbau der Stadtver-

kehrssysteme (33% aller Sachsen).

Weitere 98 Städte und Gemeinden wer-

den ebenfalls über ein Stadtverkehrsan-

gebot verfügen. In vielen von ihnen wird

es damit erstmalig ein qualitativ hochwer-

tiges ÖPNV-Angebot geben. Und auch

dort, wo bereits heute Stadtbusse oder

Straßenbahnen verkehren, wird das An-

gebot spürbar besser. Es profitieren insge-

samt gut 1,2 Mio. Menschen, d.h. 29% al-

ler Sachsen von der Verbesserung; über

0,5 Mio. Einwohner haben erstmals ein

Stadtverkehrsangebot.

Eine signifikante Verbesserung findet im

Regionalverkehr durch die sachsenweite

Einführung von Plus- und TaktBussen

statt. 0,7 Mio. Menschen, d.h. 18% aller

Sachsen werden innerhalb von etwa 5min

Fußweg eine Haltestelle des Regionalver-

kehrs erreichen und auf diese Weise zügig

in die nächsten Zentren gelangen. Derzeit

haben nur rund 0,25 Mio. Einwohner (6%

aller Sachsen) im ländlichen Raum ein

vergleichbares Angebot.

Von diesem Plus- und TaktBus-Angebot

profitieren außerdem die bereits erwähn-

ten rund 2,6 Mio. Menschen, die in den

Städten leben, da es Fahrten in verschie-

dene Himmelsrichtungen vereinfacht.

Jene Teile des Freistaates Sachsen, aus

denen das Grundnetz nicht innerhalb von

5min erreichbar ist und in denen knapp

0,8 Mio. Menschen, d.h. 20% aller Sach-

sen leben (vormals 1,9 Mio. bzw. 48%),

werden unverändert durch LandBusse und

vermehrt durch flexible Angebote er-

schlossen. Die konkrete Ausgestaltung

dieser Angebote findet auf lokaler Ebene

statt – idealerweise im Zusammenhang

mit der Einführung von Plus/TaktBus-

Linien. Der Einsatz flexibler Bedienformen

wird durch eine Klärung der genehmi-

gungsrechtlichen und fördertechnischen

Bedingungen auf Landesebene unter-

stützt.

Mit diesem Grundnetz aus großstädtischem

Angebot in Dresden, Leipzig und Chemnitz,

StadtBussen in über 90 kleineren Städten und

Gemeinden, SPNV, Plus- und TaktBussen im

Regionalverkehr werden 80% der sächsischen

Bevölkerung erschlossen. Legt man die heuti-

gen Fahrpläne zugrunde, finden nur etwa 52%

ein vergleichbares Angebot vor.

Die genannten Maßnahmen werden zu einer

spürbaren Erhöhung des Modal-Split-Anteils

des ÖPNV führen. Damit leistet Sachsen einen

wichtigen Beitrag für die Erreichung von Klima-

und Umweltschutzzielen.

Abb. 23: Erschließungswirkung der Angebotskonzeption im Status quo versus 2025

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 53 von 178

II. Infrastruktur und Fahrzeuge

Ausgangslage

Seit der Wiedervereinigung, spätestens der

Regionalisierung, sind in allen Landesteilen

Anlagegüter des ÖPNV neu geschaffen bzw.

ersetzt worden. Sichtbar ist dies an den mo-

dernisierten Straßenbahnsystemen in den

Städten genauso wie an den neuen Zugangs-

stellen im ländlichen Raum und an den vieler-

orts eingesetzten modernen Schienenfahrzeu-

gen und Omnibussen.

Die Bereitstellung langfristigen Anlagevermö-

gens muss an einer ebenso langfristigen Stra-

tegie ausgerichtet sein. Die Kapitalintensität

der Anlagegüter und die erforderlichen Pla-

nungsvorlaufzeiten lassen eine kurzfristig wirk-

same Anpassung i.d.R. nicht zu.

Kursänderungen in der Investitionsstrategie

sind daher gut zu begründen. Anschaulich ist

eine Anpassung dort zu empfehlen, wo

eine mehrjährige Über- oder Untersteue-

rung von Investitionen festgestellt werden

kann oder

veränderte Rahmenbedingungen es not-

wendig machen, die Investitionsstrategie

anzupassen oder zu erweitern.

Die Arbeitsgruppe Infrastruktur und Fahrzeuge

hat vier Schwerpunktthemen identifiziert und

mit Maßnahmen hinterlegt, für die in dieser

Hinsicht ein Gegensteuern geboten ist:

Steuerung und Auskömmlichkeit der Er-

satzinvestitionen,

Investitionsstrategien für die wachsenden

Ballungsräume,

Maßnahmen zur Herstellung der gesetz-

lich verankerten Barrierefreiheit sowie

Ausweitung des Einsatzes marktreifer in-

novativer Lösungen im Regelbetrieb (Digi-

talisierung, Elektromobilität).

Darüber hinaus wurden strategische Hand-

lungsempfehlungen zu regionalisierter Eisen-

bahninfrastruktur in Sachsen entwickelt.

Langlebige Anlagegüter wie Fahrzeuge oder

bauliche Anlagen bedürfen der wiederkehren-

den Wartung und Reparatur. Andererseits lau-

fen sie Gefahr, an Leistungsfähigkeit einzubü-

ßen. Diese Erkenntnis weicht vielerorts aus

dem Bewusstsein, wenn es sich um öffentlich

bereitgestellte Anlagegüter handelt. Auch die-

se erfordern eine regelmäßige Instandhaltung,

ehe sie am Ende ihrer technischen Lebensdau-

er zu ersetzen sind.

Werden Anlagegüter und deren Komponenten

nicht rechtzeitig erneuert, fährt das System auf

Verschleiß. Man spricht dann von Substanzver-

zehr. Kritisch daran ist, dass die schrittweise

Verschlechterung der Leistungsfähigkeit infolge

ausbleibender Erneuerung desto weniger auf-

fällt, je länger die Nutzungsdauer des Anlage-

gutes reicht. Sichtbar werden die Folgen des

Investitionsrückstaus zumeist erst dann, wenn

gravierende Leistungseinschränkungen eintre-

ten oder gar die Stilllegung des Anlagegutes

droht.

Für die sächsische Verkehrspolitik bedeutet

dies, dass der am offensiven Ausbau der grund-

legenden Modernisierung des Systems orien-

tierte investive Ausgabenschwerpunkt der Ver-

gangenheit in eine stabile Ersatzinvestitionspo-

litik für die Zukunft zu überführen ist. Dies ist

Voraussetzung, um die in diesem Bereich er-

reichte Qualität im sächsischen ÖPNV halten zu

können.

Im ÖSPV fördert der Freistaat über das LIP die

Ersatzbeschaffung von Omnibussen und Stra-

ßenbahnen, die Erneuerung von Straßen-

bahninfrastruktur sowie Haltestellen und Be-

triebshöfen mit Fördersätzen, deren Höhe nach

Anlagenart differenziert. Im SPNV werden För-

derungen über das Landesinvestitionspro-

gramm des Freistaates nur noch punktuell ge-

währt.

In den Jahren 2012 – 2016 hat der Freistaat

Ersatzinvestitionen im Bereich von ca. 43 bis 89

Mio. EUR jährlich im LIP gefördert, davon etwa

47% für Fahrzeuganschaffungen. Hinzu kamen

und kommen die Mitfinanzierungsanteile der

Verkehrsunternehmen bzw. kommunalen Auf-

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gabenträger, so dass von aktuell mehr als

ca. 115 Mio. EUR an jährlichen Ersatzinvestitio-

nen ausgegangen werden kann.

Der konkrete Förderbedarf ist das Ergebnis der

kurz- bis mittelfristigen Planungen der Unter-

nehmen und Gebietskörperschaften. Den tat-

sächlichen Bedarf an Ersatzinvestitionen zu

ermitteln, ist methodisch schwierig, da viele

verschiedene Parameter in Betracht zu ziehen

sind. Unter vereinfachten Annahmen kann von

einem Durchschnittsbedarf für den ÖSPV

(Fahrzeuge, Infrastruktur, Vertriebstechnik,

Betriebsleitsysteme) in Höhe von jährlich ca.

225 Mio. EUR ausgegangen werden.

Dieser Wert übertrifft offensichtlich die bishe-

rige Finanzierungskulisse. Übertragen auf his-

torische Förderanteile des Freistaates würde

dies künftig eine notwendige Aufstockung des

LIP alleine für Ersatzinvestitionen auf ca. 141

Mio. EUR pro Jahr bedeuten. Entsprechend

müssten auch Verkehrsunternehmen und

Kommunen ihre Eigenanteile steigern.

Daher ist eine Empfehlung der Kommission, auf

allen Ebenen die fiskalischen Grundlagen zu

legen, diesen Umfang zumindest perspektivisch

erreichen zu können.

Mit dem reinen Vorhalten der notwendigen

Finanzmittel für den Ersatzinvestitionsbedarf

ist es aber ebenfalls nicht getan. Regelmäßige

Wartung und Pflege durch die Unternehmen

sind notwendige Voraussetzung für eine wirt-

schaftliche Nutzung. Fehlanreize zur Kompen-

sation eingesparter Ausgaben der laufenden

Instandhaltung durch eine geförderte Ersatzin-

vestition sind dabei zu vermeiden.

Vor dem Hintergrund des erreichten Aus-

baustandes wird empfohlen, den Ersatz von

ÖPNV-Infrastruktur als weiteren Förderzweck

im LIP explizit zuzulassen, da anstehende Inves-

titionen künftig nicht mehr im bisherigen Um-

fang in Ausbauprogramme integrierbar sein

werden. Bislang hat die rechtliche Lage eine

Verwendung von Entflechtungsmitteln für Er-

satzinvestitionen verhindert. Jedoch sollte im

Zuge einer Nachfolgeregelung hiervon abgewi-

chen werden.

Spätestens mit der Novelle des Personenbe-

förderungsgesetzes (PBefG) ist das Thema Bar-

rierefreiheit als ein prioritäres Ziel in die Agen-

da der Branche aufgerückt.

Öffentlicher Verkehr hat den Anspruch, für alle

Bürger Mobilität anzubieten. Dies schließt auch

Bevölkerungsgruppen mit ein, die im weiteren

Sinne als mobilitätseingeschränkt bezeichnet

werden. Mit der zunehmenden Alterung der

Gesellschaft wird die Bedeutung dieser Perso-

nenkreise auch als Fahrgäste weiter zunehmen,

wie der Blick auf die Attribute verrät, unter

denen eine Mobilitätseinschränkung verstan-

den wird:

Menschen mit körperlichen Behinderun-

gen,

Menschen mit Sinnesbehinderungen und

kognitive Einschränkungen,

Menschen mit situativen Einschränkun-

gen, z.B. durch Gepäck oder Kinderwagen

und

Senioren.

Auch wenn der Gesetzgeber seine Vorgaben

dahingehend geöffnet hat, dass auch abwei-

chende Umsetzungsfahrpläne zugelassen wer-

den, ist die Herstellung der Barrierefreiheit

zum 1.1.2022 im ÖSPV fixiert.

Dies hat im Freistaat Sachsen bereits insoweit

Berücksichtigung gefunden, als die Förderung

von Investitionsmaßnahmen über das LIP mit

an die barrierefreie Ausgestaltung geknüpft ist.

Damit wird im rollierenden Ersatz bereits ein

Gutteil der nötigen Maßnahmen „mit erledigt“.

Für ein bedarfsgerechtes Angebot an barriere-

freien Taxen wird ein Förderbaustein empfoh-

len.

Darüber hinaus sind durch die Aufgaben- und

Baulastträger aber noch weit mehr Umset-

zungsschritte zu gehen.

Im Dialog mit Interessenvertretungen und mit

Blick auf die finanzielle Machbarkeit haben sich

die Partner in einer Arbeitsgruppe der Aufgabe

verschrieben, dieses ambitionierte Ziel

schnellstmöglich zu erreichen. Dies wurde

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durch die von der ÖPNV-Strategiekommission

angestoßene Diskussion noch intensiviert.

Im Ergebnis ist ein strategischer Ansatz mit

folgenden Eckpunkten entwickelt worden:

Das Erreichen des Ziels der umfassenden

Barrierefreiheit bis 1.1.2022 ist wün-

schens- und erstrebenswert, aber nicht

realistisch. In Anbetracht der planerischen

und baulichen Vorlaufzeiten erscheint für

den Freistaat das Jahr 2030 als Zielpunkt

geeigneter.

Dazu erscheint es notwendig und ange-

messen, das Umrüstziel abzuschichten.

Die Umrüstung aller Haltestellen im Frei-

staat ist weder umsetzbar, noch ent-

spricht sie in dieser Absolutheit der Forde-

rung der Betroffenen. Entscheidend ist ein

realistischer Ausbaugrad, der dennoch ei-

ne möglichst flächendeckende barriere-

freie Erreichbarkeit sichert. Die gemein-

sam mit dem Beauftragten der Sächsi-

schen Staatsregierung für die Belange von

Menschen mit Behinderungen erarbeite-

ten Ausbauziele sind der Tab. 7 zu ent-

nehmen.

Tab. 7: Barrierefreiheit Ausbaugrad, Status quo und Zielzustand 2030

Um eine möglichst zeitnahe Wirkung zu erzie-

len, wird eine Priorisierung vorgeschlagen. Die

Ertüchtigung der ÖPNV-Infrastruktur ist v.a. an

zentralen Umsteigeknoten und wichtigen

Fahrtzielen (Wohngebiete, Ärztehäuser, Ein-

kaufsmöglichkeiten) vorzunehmen.

Eine überschlägige Abschätzung des zusätzli-

chen Mittelbedarfs kommt zu dem Ergebnis,

dass jährlich 29 Mio. EUR notwendig sind, um

die empfohlenen Umrüstziele an ÖSPV-

Haltestellen bis 2030 zu erreichen. Bei den

Fahrzeugen werden die barrierefreien Merk-

male durch deren fortlaufende Erneuerung der

Fahrzeuge umgesetzt.

Den jeweils zuständigen Akteuren wird ergän-

zend empfohlen, in den Bereichen Information

und Kommunikation die spezifischen Belange

der Menschen mit Behinderungen zu berück-

sichtigen und diese bei allen Fragen, die deren

Interessen berühren, zu beteiligen.

Bis zur Erreichung einer vollständigen Barriere-

freiheit sind ggf. noch erforderliche Anmelde-

fristen zügig spürbar zu verringern.

In den Ballungs- und Oberzentren hat die Be-

völkerungszunahme samt einhergehender Ver-

dichtung im Raum zur Folge, dass zusätzliche

Angebote im ÖPNV erforderlich werden. Dies

gilt sowohl für die Zahl der Fahrten (Betriebs-

leistung) als auch für die Kapazitäten. Dieser

Mehrbedarf mündet ab einem gewissen Punkt

in zusätzlichen Investitionsbedarf in die Infra-

struktur samt Zugangsstellen sowie in Fahrzeu-

ge.

Der von den Städten einzuschlagende Investiti-

onspfad ist davon abhängig, welche verkehrli-

chen Ausbauziele verfolgt werden. Die ÖPNV-

Strategiekommission hat die Entwicklung in

zwei unterschiedlichen Szenarien modelliert:

Im Fortschreibungsszenario wird im We-

sentlichen das Angebotsniveau im Status

quo fortgeführt. Investive Maßnahmen

fokussieren auf eine Erhaltung des ge-

genwärtigen Modal Split, was demogra-

fiebedingt Nachfragesteigerungen in den

Ballungszentren mit sich bringt. Investiv

sind Fahrzeugbeschaffungen, die Schaf-

fung der dafür notwendigen infrastruktu-

rellen Voraussetzungen sowie die bereits

beschlossenen Neu- und Ausbaumaß-

nahmen im Infrastrukturbereich notwen-

dig.

Im Vergleich dazu nimmt das Wachs-

tumsszenario eine Erhöhung des ÖV-

Anteils an der Gesamtmobilität ins Visier.

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Dies setzt z.T. umfangreiche Netzerweite-

rungen sowie weitere Fahrzeugbeschaf-

fungen voraus, um die hierfür notwendige

Beförderungskapazität verkehrlich bereit-

stellen zu können.

Aus den Szenarien lassen sich für die Ballungs-

zentren (Dresden, Leipzig, Chemnitz) und

Oberzentren (Görlitz, Plauen, Zwickau) konkre-

te Investitionsbedarfe aus den Planungen der

Verkehrsunternehmen ableiten. Hierbei sind in

Abgrenzung zu den Ersatzinvestitionen echte

Neu- und Ausbauvorhaben bzw. Fahrzeugneu-

anschaffungen gemeint.

In Summe resultieren bei einer vollständigen

Umsetzung der Planungen die folgenden finan-

ziellen Bedarfe:

Im Fortschreibungsszenario beträgt der

Investitionsbedarf in den sächsischen Bal-

lungsräumen und Oberzentren im Zeit-

raum 2019 – 2030 ca. 474 Mio. EUR (zu

heutigen Preisen). Umgerechnet auf Jah-

reswerte sind ca. 40 Mio. EUR veran-

schlagt.

Im Wachstumsszenario sind den Werten

des Fortschreibungsszenarios weitere Fi-

nanzbedarfe hinzuzufügen. Nach den

Schätzungen der Verkehrsunternehmen

fallen für die Investitionen in den Bal-

lungszentren zusätzlich ca. 484 Mio. EUR

an. Diese verteilen sich auf jährliche Be-

darfe von ca. 65 Mio. EUR im Zeitraum

2024 – 2030 sowie die Kosten der Vorlauf-

finanzierung bis 2024, im Wesentlichen

für die Planungen.

Die Entwicklungsperspektiven der Digitalisie-

rung im ÖPNV sind aus heutiger Sicht vielfältig

und in ihrer Gesamtheit noch nicht einheitlich

(vgl. Abschnitt V).

Gleiches gilt für innovative Antriebstechnolo-

gien, deren technische Ausgereiftheit zum heu-

tigen Zeitpunkt oft noch „im Fluss“ ist. Abseh-

bar wird der ÖPNV aber – dort wo er noch

nicht elektromobil unterwegs ist – Alternativen

zum Dieselmotor suchen und finden müssen.

Dies wird in der Übergangsphase nach derzeiti-

gem Kenntnisstand Mehrkosten bei Fahrzeug-

beschaffung und -betrieb, aber auch bei der

erforderlichen Ladeinfrastruktur nach sich zie-

hen.

Die Marktdurchdringung von Technologien wie

beispielsweise der Elektromobilität als An-

triebseinheit ist noch nicht abgeschlossen. Dies

führt dazu, dass – zumindest übergangsweise –

die Fahrzeugbeschaffung Preise jenseits des

Marktwerts von fossil betriebenen Einheiten

verursacht. Hinzu können in diesem konkreten

Beispiel Zusatzaufwendungen für ortsfeste

Anlagen zur Aufladung oder Speicherung von

Energie kommen. Aus rein unternehmerischer

Entscheidungsperspektive müsste der ÖPNV-

Markt somit bis auf weiteres auf solche innova-

tiven Technologien verzichten.

Absehbar ist aber, dass der ÖPNV z.B. die Ent-

wicklung alternativer Antriebstechnologien mit

zum Gegenstand seiner Angebote machen

muss. Ohne eine sukzessive Loslösung vom

Dieselmotor als vorherrschende Antriebsform

im Busverkehr würde er seinen Status als um-

weltfreundlichstes Verkehrsmittel langfristig

gefährden. Sachsen bietet gute Voraussetzun-

gen für den notwendigen Innovationsschub, da

die Automobilindustrie stark im Land vertreten

ist und die großen Verkehrsunternehmen wie

DVB und LVB bereits in der Testphase sind

(Hybridfahrzeuge, vollelektrische Buslinien).

Ebenso zeichnen sich diverse Einsatzgebiete

digitaler Technologien in Betrieb und Instand-

haltung der Verkehrssysteme ab, die einen

wichtigen Innovationssprung darstellen wür-

den (zu den Potenzialen des digitalen Wandels

vgl. auch M8 in Abschnitt III).

Es sind Mittel und Wege zu finden, wie innova-

tive Lösungen in den Förderrahmen des sächsi-

schen ÖPNV eingebunden werden können.

Auf der budgetären Ebene sind zusätzliche

Mittel bereitzustellen. Um Anwendungserfah-

rungen im Bereich Elektromobilität zu sam-

meln und anwendungsreife Lösungen zügig

ausrollen zu können, geht eine Modellrech-

nung der AG Infrastruktur und Fahrzeuge allein

für die sechs sächsischen Oberzentren von ca.

19 Mio. EUR zusätzlichem jährlichen Investiti-

onsbedarf aus. Hinzu kommen derzeit noch

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 57 von 178

nicht bezifferbare Mehrbedarfe für die flä-

chendeckende Einführung von digitalen Tech-

nologien im ÖPNV in Mittelzentren und im

ländlichen Raum.

Ökonomische Effizienzgewinne lassen sich der-

zeit seriös nicht abschätzen, gleichwohl sind

betriebliche und vertriebliche Optimierungspo-

tenziale sichtbar und bereits in Anwendung

(z.B. IT-gestütztes Instandhaltungsmanage-

ment oder e-Ticketing).

Auf der Ebene der Förderstruktur wird ange-

regt, die Förderkriterien allgemein auf die An-

forderungen der digitalen Veränderungen aus-

zurichten. Damit einher geht v.a. die Empfeh-

lung, eine Flexibilisierung des Förderrahmens

anzugehen, der sich von tradierten Einteilun-

gen löst).

Die Nutzungspreise der bundeseigenen Eisen-

bahninfrastruktur (Trassen und Stationen) stei-

gen stetig und überproportional zur allgemei-

nen Kostenentwicklung an. Die SPNV-Besteller

müssen deshalb jährliche Mehraufwendungen

tragen, denen nicht immer ein Äquivalent auf

der Leistungsseite entgegensteht. Praxisbei-

spiele im Bereich der NE-Bahnen zeigen, dass

durch eine regionale Verantwortung Entwick-

lungspotenziale und auch Kostensenkungen

besonders bei Nebennetzen erreichbar sind.

Daher sollte durch den Freistaat gemeinsam

mit anderen Ländern beim Bund weiter dafür

geworben werden, handhabbare Rahmenbe-

dingungen für die Umsetzung regionaler Be-

treibermodelle zu schaffen. Dies schließt ein,

auch die Voraussetzungen für eine anteilige

Finanzierung der Ersatzinvestitionen für regio-

nale Eisenbahnstrecken durch den Bund zu

schaffen. Hierzu müsste die Leistungs- und

Finanzierungsvereinbarung des Bundes mit der

DB AG und deren EIU so modifiziert werden,

dass eine anteilige Übertragung auf die Länder

möglich ist.

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III. Tarif und Vertrieb

Ausgangslage

Die Verantwortlichkeiten im Themenfeld Tarif

und Vertrieb werden im Freistaat Sachsen

durch die fünf Verkehrsverbünde und die Ver-

kehrsunternehmen wahrgenommen. In Bezug

auf Tarif und Vertrieb ist die im Freistaat flä-

chendeckende Organisation in Tarif- bzw. Ver-

kehrsverbünden für Fahrgäste ein hohes Gut.

Es ermöglicht im Verbund die Nutzung des

ÖPNV über mehrere Verkehrsunternehmen

hinweg mit einem Fahrschein. Durch die Ver-

ankerung vor Ort sind differenzierte Tarifange-

bote und Preisentwicklungen möglich, die sich

etwa an lokalen Verkehrsbedürfnissen oder

wirtschaftlichen Entwicklungen anpassen.

Verkehrsunternehmen und -verbünde steuern

ihre Einnahmen durch die Tarifpolitik. Fahr-

geldeinnahmen alleine aber können die Kos-

tenentwicklung eines leistungsfähigen öffentli-

chen Verkehrs nicht tragen, weshalb auch Frei-

staat und kommunale Aufgabenträger den

ÖPNV mit finanzieren müssen. Damit Ver-

kehrsunternehmen und -verbünde die Entwick-

lung ihrer Tarife gleichermaßen markt- wie

daseinsvorsorgegerecht entwickeln können,

wurden unterstützende Maßnahmen unter der

Überschrift Nutzerfinanzierung diskutiert.

Wiederkehrend werden Forderungen laut, eine

Harmonisierung (Angleichung) der Verbundta-

rife umzusetzen, so zum Beispiel im Einset-

zungsbeschluss des Sächsischen Landtages (vgl.

Einleitung). Die damit verbundene Hoffnung

ist, dass die Nutzung des öffentlichen Verkehrs

bei tarifgrenzenüberschreitenden Verbindun-

gen einfacher wird. Mit der, während der

ÖPNV-Strategiekommission auf den Weg ge-

brachten, sachsenweiten Vereinheitlichung der

Beförderungsbedingungen haben die Verbünde

hier einen wichtigen Harmonisierungsschritt

erreicht. Allerdings würde eine darüber hinaus

gehende Harmonisierung der Tarife die Stärke

der regionalen Differenzierung ein Stück weit

aufheben.

Eine ideale Strategie bringt das Ziel der berech-

tigten Vereinfachung mit dem Weiterbestehen

der regionalen Verantwortung für die Tarife in

Einklang. In diesem Sinne hat die ÖPNV-

Strategiekommission Konzepte entwickelt um,

einen landesweit gültigen Sachsen-Tarif

für verbundgrenzenüberschreitende Fahr-

ten auf den Weg zu bringen und

gleichzeitig digitale Vertriebslösungen für

den schnellen und bequemen Kauf von

verbund- und landesgrenzenüberschrei-

tende Fahrkarten z.B. mit dem Smartpho-

ne zu entwickeln.

Auch beim Bildungsticket geht die Zielsetzung

in Richtung Harmonisierung – in diesem Fall

von Rahmenbedingungen und Eigenanteilen im

Ausbildungsverkehr. Die Kommission hat sich

intensiv mit dieser konkreten Maßnahme be-

schäftigt.

Die ÖPNV-Strategiekommission erkennt die

Notwendigkeit eines verbundübergreifenden

Tarifs im sächsischen ÖPNV. Unabhängig der

vom Sächsischen Landtag postulierten Forde-

rung sind steigende Nutzerzahlen und ein

wachsendes Nachfragepotenzial bei Fahrten

über sächsische Verbundgrenzen hinaus fest-

zustellen. Diese Entwicklungen rechtfertigen

die Einführung eines eigenständigen Tarifs.

Gleichzeitig bleiben die regionalen Verbundta-

rife für Fahrten innerhalb der Verbundgrenzen

erhalten – und damit auch die Vorteile einer

regionalen Tarifdifferenzierung.

Einhellig wird von der AG Tarif und Vertrieb das

Modell eines Dachtarifs präferiert, der eine

Ablösung der Unternehmenstarife im sächsi-

schen SPNV notwendig macht. Die detaillierte

Konzeption des Sachsen-Tarifs muss durch eine

Trägerorganisation vorgenommen werden. Sie

hat die Aufgabe, aus den beteiligten Akteuren

das Gremium zu bilden, das über Tarifsorti-

mente, Preisbildungsmechanismen oder die

Einnahmeaufteilung entscheidet.

Der Sachsen-Tarif wird zu Mehraufwendungen

führen, da sowohl die Einführung als auch lau-

fende Begleitung und Pflege von Tarifen Res-

sourcen verzehrt. Für die personelle Ausstat-

tung einer Trägerorganisation sind laufende

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 59 von 178

Aufwendungen i.H.v. ca. 1 Mio. EUR p.a. zu

erwarten. Um den Tarif attraktiv zu machen,

kann es darüber hinaus notwendig sein, min-

destens übergangsweise Einnahmeausfälle der

Verbünde auszugleichen (Durchtarifierungsver-

luste), die ohne das Detailkonzept des Tarifs

noch nicht valide beziffert werden können. Es

ist aber davon auszugehen, dass die prognosti-

zierten Fahrgastzuwächse durch den Sachsen-

Tarif diese Lücken mittelfristig schließen.

Die Zielsetzung künftiger Vertriebslösungen

muss sein, dass Fahrgäste den ÖPNV möglichst

einfach und überall nutzen können – und dabei

nur ein Minimum an Aufmerksamkeit dem

Fahrkartenkauf widmen müssen. Das setzt

voraus, dass Preis- und Reiseauskünfte in Echt-

zeit bei der Buchung zur Verfügung stehen und

Tickets auch verbundübergreifend von der

Start- zur Zielhaltstelle gebucht werden kön-

nen. Strategisch sind die Systeme auch für die

Integration von Mobilitätsangeboten Dritter,

z.B. Sharing- oder Mietwagenanbietern nutz-

bar.

Ausgehend von ersten Erfolgen wie der sach-

senweiten Verfügbarkeit von Handytickets sind

weitere Entwicklungsschritte zu gehen. Es wer-

den sogenannte account-basierte Systeme

bevorzugt. Fahrgäste identifizieren sich nur

noch mit ihrem Kundenkonto (account), das

auf verschiedenen Nutzermedien (z.B. Smart-

card, Smartphone, Kreditkarte) die Fahrkarte

speichern kann. Vorteil hiervon ist, dass die

Rechenleistung in leistungsstarke Hintergrund-

systeme verlagert wird. Diese sind die techni-

sche Voraussetzung für die Einführung von

nutzungsabhängigen Tarifen (e-Tarife), die eine

Fahrpreisberechnung erst nach der Fahrt vor-

nehmen.

Zur Implementierung dieser Technologien wird

eine gestaffelte Strategie für die Nutzermedien

Smartphone und Smartcard vorgeschlagen:

Der Entwicklungspfad im Bereich Smart-

phone ist bereits abgesteckt. Hier arbei-

ten die sächsischen Verbünde an den

technischen Anpassungen, z.B. einem

zentralen Tarifserver und der Ertüchtigung

der Verbund-Applikationen. Wenn auch

die vertraglichen Grundlagen für die ge-

genseitige Freigabe und Anerkennung der

Tarife rechtzeitig gelegt sind, ist die Ein-

führung einer landesweiten Vertriebslö-

sung in Sachsen und Mitteldeutschland

noch in 2019 zu Mehraufwendungen von

ca. 2 Mio. EUR realistisch.

In einem zweiten, nachgelagerten Schritt

ist eine sachsenweite Vertriebslösung im

Bereich der Smartcards anzugehen. Wei-

tere technische Anpassungen sind in den

Hintergrundsystemen notwendig, damit

ein Fahrgast in mehreren Verbünden mit

derselben Smartcard den ÖPNV benutzen

kann. Auch sind Fahrzeuge und Haltestel-

len mit der nötigen Infrastruktur (z.B.

Terminals, Validatoren, …) auszustatten.

Hierfür werden ca. 28 Mio. EUR an zusätz-

lichem Finanzbedarf bis 2025 geschätzt.

Darüber hinaus wird empfohlen, landes-

weite Vertriebslösungen durch eine un-

terstützende organisatorische Einbettung

zu fördern. Hierfür bietet sich aufgrund

der thematischen Nähe an, die Trägeror-

ganisation für den Sachsen-Tarif mit die-

sen Aufgaben zu betrauen.

Die Digitalisierung des ÖPNV-Vertriebs birgt

damit große Chancen. Der Zugang der Fahrgäs-

te zum ÖPNV wird sich entscheidend wandeln.

Ist heute noch der Fahrscheinkauf integraler

Bestandteil einer Fahrt, reicht es, künftig nur

noch die Beförderungsleistung in Anspruch zu

nehmen.

Um die Akzeptanz bei den Fahrgästen zu si-

chern, ist die Einführung digitaler Vertriebslö-

sungen vorerst nur komplementär zu den be-

stehenden Vertriebskanälen auszugestalten.

Alle bisherigen Vertriebskanäle sollten mindes-

tens mittelfristig den Fahrgästen weiter zur

Verfügung stehen.

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Seite 60 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Die im Koalitionsvertrag ausgesprochene Ziel-

setzung eines Bildungstickets ist durch die

ÖPNV-Strategiekommission aufgenommen

worden. So wie der Ausbildungsverkehr neben

der Verkehrspolitik weitere Politikbereiche

berührt, können mit dem Bildungsticket u.a.

starke sozial- und bildungspolitische Motive in

Zusammenhang gebracht werden.

Es soll die Schülerbeförderung zu sachsenweit

tariflich einheitlichen Rahmenbedingungen

sicherstellen, wie z.B. der Angleichung der Ei-

genanteile der Schülerbeförderung. In der Fol-

ge wird das Bildungsticket die Mobilitätschan-

cen aller Schüler und somit auch den Zugang zu

Bildung und sozialer Teilhabe erhöhen. Die

stärkere Bindung junger Menschen an den

ÖPNV wird die Fahrgastnachfrage dauerhaft

verstetigen. Hierfür ist aber Voraussetzung,

dass lokal entsprechende Verkehre angeboten

werden.

Die ÖPNV-Strategiekommission hat den Begriff

des Bildungstickets aus dem Koalitionsvertrag

konkretisiert:

Als Angebot an alle sächsischen Schüler

und Auszubildenden soll das Bildungsti-

cket diese in die Lage versetzen, rund um

die Uhr den ÖPNV im jeweiligen Ver-

kehrsverbund nutzen zu können.

Der Beförderungsanspruch der notwendi-

gen Beförderung gemäß § 23 Abs. 3

SchulG bleibt aber weiter z.B. auf das Vor-

liegen von Mindestentfernungen be-

schränkt.

Das Bildungsticket ersetzt damit die bishe-

rigen Zeitfahrausweise (soweit möglich)

und wird zu sachsenweit einheitlichen Be-

dingungen und Preisen ausgegeben. Vo-

raussetzung für das Bildungsticket ist da-

mit eine, die verschiedenen aktuellen Re-

gelungen in den Kreisen und Kreisfreien

Städten beachtende, Vereinheitlichung

der Schülerbeförderungssatzungen im

Hinblick auf die Anspruchsvoraussetzun-

gen.

Bei Verkehrsverbünden und -unternehmen

führt ein Bildungsticket jedoch zu erheblichen

Einnahmeausfällen, weshalb ein finanzieller

Ausgleich durch den Freistaat notwendig wäre.

Eine Modellrechnung der AG Tarif und Vertrieb

beziffert die hierbei auszugleichenden Minder-

einnahmen auf mindestens ca. 47 Mio. EUR

jährlich.

Die Diskussion hat gezeigt, dass das Bildungsti-

cket wegen der vielfältigen Zielstellungen eine

hohe Komplexität aufweist. Diese drückt sich

durch auftretende Zielkonflikte innerhalb der

Konzeption aus:

Zwar wird heute oft bemängelt, dass die

Eigenanteile der Schülerbeförderung dif-

ferieren. Aber auch ein sachsenweit ein-

heitlicher Preis kann bei den heute unter-

schiedlichen Angeboten der kommunalen

Aufgabenträger (z.B. Ballungsraum vs. Flä-

che) von den Nutzern als ungerecht erach-

tet werden.

Ein einheitlicher Preis für ein Bildungsti-

cket für alle Schüler und Auszubildende ist

eine nachvollziehbare Forderung. Jedoch

ist die Gruppe der Schüler und Auszubil-

denden im Binnenverhältnis sehr hetero-

gen was z.B. unterschiedliche altersbe-

dingte Nutzungshäufigkeiten oder die Ein-

kommenssituationen angeht.

Abschließend ist zu betonen, dass das Bil-

dungsticket als Tarifprodukt betrachtet wurde.

Es ist nicht mit einer Ausweitung des Verkehrs-

angebotes gleichzusetzen. Vielmehr könnte

eine durch das Bildungsticket induzierte Mehr-

nachfrage im Schülerverkehr zu der Notwen-

digkeit punktueller Angebotserhöhungen und

damit zusätzlichen sprungfixen Kosten bei den

Verkehrsunternehmen führen.

Die Einführung des Bildungstickets bedarf da-

her verschiedener vorbereitender Prozesse in

Politik und Verwaltung, insbesondere der Eini-

gung aller beteiligten Akteure.

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IV. Organisation

Dem sächsischen ÖPNV ist es in den letzten 20

Jahren in der Gesamtschau gelungen, die we-

sentlichen Herausforderungen zu bewältigen.

Erfolgsindikatoren sind z.B. die im bundeswei-

ten Vergleich niedrigen Bestellerentgelte im

SPNV sowie die Reduzierung der einst 70 Tarife

auf nunmehr fünf Verbundtarife. Insofern hat

sich die sächsische Organisationsstruktur aus

der Vogelperspektive bewährt.

Ungeachtet des insgesamt positiven Zwischen-

zeugnisses erscheint es dennoch sinnvoll, in

größeren Zeitabständen das System ÖPNV

einer Revision zu unterziehen. Anlass hierfür

können festgestellte Schwachstellen sein oder

der Erfahrungsgrundsatz, dass die dynamische

Wandlung der Rahmenbedingungen – z.B. der

Megatrend Digitalisierung – neue Antworten

erfordert: entweder (graduell) im System oder

als Veränderung des Systems selbst.

Vor diesem Hintergrund lautet einer der sechs

Themenschwerpunkte im Einsetzungsbeschluss

der ÖPNV-Strategiekommission:

„Darstellung von Optimierungsmöglichkei-

ten der Organisations- und Ausschreibungs-

strukturen […] im sächsischen ÖPNV/SPNV“

Die Abarbeitung des Auftrags wird nachste-

hend in vier Prüfschritte zerlegt, die primär in

der Arbeitsgruppe Organisation vollzogen wur-

den.

Prüfschritt 1: Best practice

Im separaten Basisgutachten zur Organisation

wurde herausgearbeitet, dass sich empirisch

kein eindeutig überlegenes Erfolgsmodell in

Deutschland oder im europäischen Ausland

aufdrängt. Ausdruck dessen auf der Bundes-

ebene ist

die subsidiär geprägte große Spannweite

in den 16 Bundesländern zwischen zentra-

ler Steuerung durch eine Landesgesell-

schaft (zumindest für den Verkehrsträger

SPNV) auf der einen Seite sowie dem ent-

gegengesetzten Modell dezentraler kom-

munaler Verantwortung, das in Sachsen

bundesweit am konsequentesten umge-

setzt ist,

die regional inhomogene Aufteilung der

Zuständigkeiten innerhalb einzelner Län-

der wie z.B. in Niedersachsen oder auch

Baden-Württemberg und Hessen, ohne

dass dort grundlegende Änderungen er-

wogen bzw. durchgesetzt wurden und

der Verzicht auf größere Organisationsre-

formen seit der Regionalisierung 1996. Ei-

ne Ausnahme bildet die Reduzierung von

9 auf 3 Zweckverbänden sowie die Einfüh-

rung von sechs Kompetenzcentern in

NRW. Allerdings wird beim Blick unter die

Oberfläche deutlich, dass ein wesentlicher

Teil der alten Strukturen fortexistiert.

Ursächlich für die hohe Bestandskraft der vor

20 Jahren gewählten Modelle in den Ländern

dürften zwei Faktoren sein:

Zum einen stehen die Anforderungen der

Verkehrsträger ÖSPV und SPNV an ihre

Organisation in einem objektiven, nicht

auflösbaren Widerstreit (jenseits der Fra-

ge, wie lange diese tradierte Ausrichtung

an Produktionsformen statt Reiseketten

noch sinnig ist): Bus- und Straßenbahn-

verkehre erfüllen tendenziell kleinräumi-

gere Erschließungs- und Mobilitätsbedürf-

nisse als langlaufende Eisenbahnverkehre.

An diesen gegensätzlichen Eignungsprofi-

len wird sich wahrscheinlich in Zukunft

wenig ändern, auch wenn der Anspruch

an die Schnittstellenbewältigung/Vernet-

zung steigen, die Grenzen zwischen Indi-

vidual- und öffentlichem Verkehr ver-

schwimmen oder sich die Arbeitsteilung

der Verkehrsmodi verschieben dürften.

Der ÖPNV ist ein historisch gewachsenes,

überaus komplexes System. Sinnbild hier-

für ist das stark verästelte Geflecht der

Mischfinanzierung über drei Gebietskör-

perschaftsebenen (Bund, Länder, Kom-

munen), das als „Spaghetti-Finanzierung“

bezeichnet wird.

Grundlegende organisatorische Änderun-

gen wirken mit hoher Wahrscheinlichkeit

auf die Leistungsfähigkeit und Finanzbe-

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Seite 62 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

ziehungen der Beteiligten zurück. In der

Abwägung von Chancen und Risiken einer

Organisationsreform werden die Risiken

in der Regel als zeitnäher und gewichtiger

empfunden als die möglichen Vorteile.

Dies gilt insbesondere im Abgleich mit der

politischen Option, durch organische Ver-

änderungen auf der Maßnahmenebene –

aber im bestehenden System – konkrete

Verbesserungen für den Endkunden oder

auch den Steuerzahler zu erwirken.

Zwischenfazit: Die Wahl des Organisationsmo-

dells nötigt auf der Landesebene unweigerlich

einen Kompromiss ab. Mögliche Vorteile einer

zentralen Steuerung (z.B. geringerer Abstim-

mungsaufwand) gehen mit dem Nachteil ein-

her, auf die positiven Wirkungen dezentralen

Handelns (Einbindung lokaler Kenntnisse und

Motivation) zu verzichten – und umgekehrt.

Auch die Befragung der Kommissionsmitglieder

im Herbst 2015 sowie die vertiefende Diskussi-

on unter den Mitgliedern der AG Organisation

förderte diese Ambivalenz an mehreren Bei-

spielen zutage. Was einerseits als Stärke her-

vorgehoben wurde, mutete zugleich als Schwä-

che an, wenn der Blickwinkel verändert wurde.

In der Folge ist es unvermeidlich, dass jede

Entscheidung zugunsten einer Grundvariante

Kritik bzw. die Sehnsucht nach dem Gegenent-

wurf hervorruft. So wird in (Flächen-)Ländern

mit starken SPNV-Landesgesellschaften regel-

mäßig beklagt, dass die Belange der Ballungs-

räume dominierten, die Nahverkehrsplanung

eisenbahnlastig sei und die Schnittstellen zwi-

schen SPNV und ÖSPV suboptimal funktionier-

ten. Umgekehrt werden in Sachsen mit kom-

munaler Aufgabenträgerschaft bei fünf Zweck-

verbänden und Verkehrsverbünden andere

Defizite moniert, z.B. bei der Abstimmung zwi-

schen den Beteiligten oder der Uneinheitlich-

keit von Beförderungsbestimmungen.

Das bundesweit in fast allen Flächenländern

aufkeimende Thema der landesbedeutsamen

Buslinien zeigt, dass sich beide Grundmodelle

schwertun, um verkehrliche Bedarfe „in der

Mitte“ zu besetzen.

Am Ende ist zu entscheiden, welche System-

bausteine das Fundament der Organisation

bilden, auf dem weitere Aufgaben angesiedelt

werden. Sachsen hat sich seinerzeit für das

Modell „kommunal und dezentral“ entschie-

den. Gemessen an den Eigenschaften der

Dienstleistung ÖPNV und den künftigen Anfor-

derungen wie der Handlungsgeschwindigkeit

spricht weiterhin einiges für diesen Weg.

Im Übrigen gibt es viele Anzeichen dafür, dass

der Einfluss des Organisationsmodells auf das

Leistungsvermögen des ÖPNV überschätzt

wird. Die personelle Besetzung der Entschei-

dungsträger und das handwerkliche Können in

den Institutionen sind mindestens so gewichti-

ge Determinanten.

Prüfschritt 2: Stresstest Status-quo-Modell

Auch wenn empirisch kein Anhaltspunkt sicht-

bar würde, die Organisationsstruktur im ÖPNV

Sachsens grundlegend zu reformieren, ist der

Einwand plausibel, dass vergangenheitsbezo-

gene Analysen nur bedingt etwas über die Eig-

nung in der Zukunft aussagen.

Aus diesem Grund verständigte sich die AG

Organisation darauf, die Status-quo-Orga-

nisation einem Stresstest zu unterziehen. Hier-

zu wurden folgende sieben Zukunftsthemen-

felder identifiziert:

Nr. Themenfeld

A Differenzierte Erfordernisse bei Angebotsgestaltung

B Digitalisierung und Datennutzung

C Neue Mobilitätsformen

D Sachsen-Tarif

E Harmonisierte Produktangebote und Qualitätsanforderungen

F Hebung Effizienzpotenziale im SPNV

G Bessere Fahrzeugverfügbarkeit im SPNV

Tab. 8: Themenfelder Stresstest

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 63 von 178

Vergabeoptimierung im SPNV

Die AG Organisation hat mögliche Optimie-

rungspotenziale bei der Vergabe von SPNV-

Verkehrsleistungen eingehender untersucht.

Als instrumentelle Ansatzpunkte wurden

gewählt:

Größe und Zuschnitt der Wettbewerbs-

netze

Vereinheitlichung und Standardisierung

der Vergabeunterlagen/-bedingungen

Gestaltung der Wertschöpfungstiefe

(z.B. separater Vertrieb)

Wahl der Vertragsart (brutto, netto,

Mix)

Marktpflege/Bieterkommunikation

Setzen von Anreizen zur Wettbewerbs-

teilnahme

Unterstützung bei der Fahrzeugfinanzie-

rung

Im Ergebnis der Analyse zeigt sich, dass in

vielen Handlungsfeldern der „beste“ Weg

fachlich umstritten ist und stattdessen Philo-

sophien und Überzeugungen dominieren. So

hängt z.B. die Bewertung des Einsatzes von

Unterstützungsinstrumenten der Fahrzeugfi-

nanzierung davon ab, wie hoch die Eigen-

tums- und Insolvenzrisiken für die öffentliche

Hand bewertet werden. Hinsichtlich der

Größe der Vergabenetze waren kleinere

Netzvolumina in der Finanzmarktkrise wich-

tig, um den Wettbewerb zu stützen; größere

Netze versprechen aber gewisse Synergien

bei der Fahrzeugbeschaffung.

Von der Empfehlung abgesehen, bei AT-

übergreifenden Vergaben eine einheitliche

Vertragsart zu wählen, hängt die Optimie-

rung von den Randbedingungen des Einzel-

falls ab. Insofern kam die AG Organisation

überein, keine großen Optimierungspoten-

ziale zu identifizieren, insbesondere nicht in

Abhängigkeit vom Organisationsmodell.

Leitfrage war, inwieweit die heutige Aufstel-

lung des ÖPNV geeignet erscheint, die abseh-

baren Anforderungen und Entwicklungen in

den 7 Themenfeldern zu meistern, insbesonde-

re im Hinblick auf landesbedeutsame Aufga-

ben.

Ergebnis der Prüfung ist:

Hervorstechendes Merkmal der gegen-

wärtigen Organisation ist die besonders

gute Eignung für Themenfeld A. Hier

kommt die lokale Nähe am besten zum

Tragen.

Auch die Themenfelder B bis E lassen sich

mit der dezentralen Aufstellung wie in

Sachsen künftig voraussichtlich gut bewäl-

tigen. Allerdings wird an einigen Stellen

gezielter Entwicklungsbedarf gesehen –

insbesondere eine koordinierende und

fördernde Rolle des Landes bei der Ent-

wicklung von Standards und Produkten,

sofern sie landesbedeutsame Themen be-

rühren.

Gerade innovative Zukunftsfelder (Digita-

lisierung) mit noch unsicheren Entwick-

lungspfaden lassen eine landesweite Stra-

tegie und Notwendigkeit der Abstimmung

sinnhaft erscheinen.

Die Themen F und G werden als organisa-

tionsunabhängig erachtet (siehe auch Kas-

ten „Vergabeoptimierung“).

Prüfschritt 3: Modellvarianten mit erstem Filter

Abgerundet wurde die Prüfung damit, die im

Stresstest festgestellten Entwicklungspotenzia-

le mit der vollen Bandbreite an Modellvarian-

ten zu spiegeln. Den Aufsetzpunkt markiert das

nachstehende Vier-Quadranten-Schema aus

dem ergänzenden Basisgutachten zur Organi-

sation.

Variante A

Fortführung Status quo

Variante B

Optimierung von Schnitt-stellen und Prozessen im

Status quo

Variante C

Zusammenlegung von Strukturen

Variante D

Sachsenweite, modal übergreifende ÖPNV-

Organisation

Tab. 9: Varianten Organisationsmodelle

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Zu erkennen sind vier Grundvarianten, die vom

Status quo (A) mit steigendem Änderungsum-

fang zum gegenüberliegenden Pol (D) reichen,

der in einer Landesgesellschaft die Vergabe

von SPNV- und ÖSPV-Leistungen bündelt (wird

bisher in keinem Land praktiziert). Dazwischen

liegen die Fortschreibung des Status quo (B)

sowie Variante C mit gesellschaftsrechtlichen

Änderungen von Strukturen.

Um der Vielfalt der Zusammenlegungsoptionen

gerecht zu werden, wurden im Feld C drei Un-

tervarianten (nach weiteren Aussonderungs-

schritten) entwickelt (vgl. Tab. 10), so dass am

Ende sechs Modellalternativen bewertet wur-

den.

Variante C

Zusammenlegung von Strukturen

Variante C1

Bündelung bei Zweckverbänden als SPNV-Aufgabenträger

Variante C2

Landesweite Organisation im SPNV als Gesell-schaft der kommunalen Aufgabenträger mit Minderheitsbeteiligung des Landes

Variante C3

Landesweite Organisation im SPNV als Landesge-sellschaft (zunächst allgemein mit dezentraler Struktur wie bisher auf Verbundebene)

Tab. 10: Modellvariante C mit Untervarianten

Im Wege des ersten großen Filterungsschritts

schieden vier der sechs Optionen aus, und zwar

A, D, C3 und C2. Die Gründe in Kurzform:

A: Ein „Weiter so“ ohne jede Änderung

erschien nicht geeignet, die identifizierten

Verbesserungsbedarfe bei den landesbe-

deutsamen Themen zu erschließen. Auch

die Signalwirkung wurde für nachteilig er-

achtet.

D: Diese Variante wäre der vollständige

Gegenentwurf zum heutigen Modell und

würde die Kommunalisierung des ÖPNV

zu einem Gutteil aufheben. Dies wurde

weder für sinnvoll angesehen noch für po-

litisch vermittelbar.

C3: Dem Modell einer SPNV-Landes-

gesellschaft, das in Ländern wie Schles-

wig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern

oder Bayern praktiziert wurden Vorteile

bescheinigt, z.B. ein verringerter Abstim-

mungsaufwand auf der Bestellerseite, ei-

ne stärkere Verhandlungsmacht gegen-

über den Eisenbahnverkehrsunternehmen

(EVU) oder ein womöglich „effektiverer

Durchgriff“ des Landes. Per Saldo wurden

die Nachteile jedoch höher gewichtet,

insbesondere der Verlust an lokaler Pla-

nungs- und Entscheidungsnähe sowie das

aufwendigere Management der Schnitt-

stellen zwischen SPNV und ÖSPV.

C2: Die Vor- und Nachteile dieses Modells

einer Landesgesellschaft „light“ ähnelten

der Argumentation zu C3. Ausschlagge-

bend für die Ablehnung waren die Kom-

plexität der Gesellschaftsstruktur, die

mutmaßlich schwierige Entscheidungsfin-

dung in der Gesellschaft sowie der erheb-

liche Aufwand der Umorganisation.

Prüfschritt 4: Variante B versus C1

Gemeinsames Merkmal der Varianten B und C1

ist die Einrichtung einer Koordinierungsstelle.

Der Unterschied liegt darin, dass sie bei B unter

Beibehaltung der 5 Zweckverbände das alleini-

ge und somit zentrale Wesensmerkmal zur

Optimierung des Status quo ausmacht. Dage-

gen richtet sich bei C1 das Hauptaugenmerk

auf die Zusammenlegung von Zweckverbänden

(z.B. von 5 auf 3), die durch die Koordinie-

rungsstelle als „Beiwerk“ noch ergänzt wird.

Der Vorschlag einer Koordinierungsstelle grün-

det auf der Überlegung, ein organisatorisch

schlankes Bindeglied zwischen den kommunal

verfassten Aufgabenträgern und dem Land zu

etablieren. Unter Beibehaltung der heutigen

Kompetenzen und Arbeitsteilungen soll das

Scharnier die vorhandenen Akteure bei der

Umsetzung landesbedeutsamer Themen unter-

stützen. Der Mehrwert ist darin zu sehen, den

Austausch von Informationen und Positionen

zwischen kommunaler Ebene und Land zu in-

stitutionalisieren und zu verstetigen. Wie

wertvoll vor allem der Hebel der Kommunikati-

on ist, zeigen die Erfahrungen aus der inzwi-

schen 2,5jährigen Arbeit der Strategiekommis-

sion.

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Aus den Arbeitsgruppen heraus wurden fol-

gende Aufgaben genannt, die aufgrund ihrer

Landesbedeutsamkeit einer Koordinierung

bedürfen oder diese zumindest nahelegen:

Einführung und Begleitung eines landes-

weiten Tarifs,

Umsetzung landesbedeutsames Buskon-

zept, ggf. landesweite Bedienungsstan-

dards,

Umsetzung Sachsen-Takt (SPNV + ÖSPV),

Unterstützung der Vertretung beim Bund

zum Deutschland-Takt,

landesweite Harmonisierung des digita-

len, modernen Vertriebs,

Koordination der Digitalisierung/Daten-

nutzung im ÖV,

Erarbeitung Investitionsstrategie für das

Land (z.B. 10- oder 15-Jahres-Horizont),

Begleitung der Einführung neuer Mobili-

tätsformen,

Begleitung von landeseinheitlichen Tarif-

maßnahmen im Ausbildungsverkehr,

Vergabeoptimierung im SPNV (Einzelmaß-

nahmen),

Datencenter ÖPNV,

Erstellung von Mobilitätsfolgenkostenana-

lysen.

Zu beachten ist, dass der Aufgabenkanon dy-

namisch ist. Das Aufgabenspektrum kann je-

derzeit verkleinert oder erweitert werden.

Die Variante C1 – Zusammenlegung von

Zweckverbänden – ist ebenfalls eine vorstell-

bare Option, die bundesweit in einem Fall

(Nordrhein-Westfalen) praktiziert wurde. Als

mögliche Vorteile werden vereinfachte Ab-

stimmungsprozesse durch eine Reduzierung

der Beteiligtenzahl genannt, die im Idealfall in

eine höhere „Durchgriffsfähigkeit“ des Landes

münde (v.a. Durchsetzungsgeschwindigkeit von

Maßnahmen).

Während im Meinungsbild der AG Organisation

anfänglich beide Varianten in der Bewertung

nahe beieinander lagen, hat die intensive Be-

fassung mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen

die Kräfte etwas verschoben.

Regiekosten

Für die Reduzierung der Zahl der Zweckver-

bände wird zuweilen mit dem Argument ge-

worben, die Regiekosten signifikant zu sen-

ken. Dabei stützt sich die Begründung auf

einen Vergleich der Werte für die Position

„Managementaufwand“, die die Länder ge-

mäß der Berichtspflicht des RegG in ihren

Transparenznachweisen ausweisen. Hiernach

liegt Sachsen z.B. in den Jahren 2013/2014 im

oberen Drittel.

Bei näherer Betrachtung zeigt sich das Prob-

lem von „Äpfel-Birnen-Vergleichen“. Allein die

unterschiedliche Buchungspraxis der Länder

hat zur Folge, dass die Absolutwerte und An-

teile stark abweichen. Darüber hinaus diver-

giert die Leistungstiefe der Organisationen

erheblich. Während kommunale Zweckver-

bände wie in NRW, Hessen und Sachsen stets

verschiedene Funktionen für den ÖSPV mit

ausüben, konzentrieren sich einige Landesge-

sellschaften weit überwiegend auf den SPNV.

Entscheidend ist in der Gesamtschau, dass die

Hebelwirkung dieser Maßnahme stark über-

schätzt wird. Selbst im Land mit dem höchs-

ten Kostenanteil machen die Regiekosten

lediglich ca. 5% aus.

Fazit: Die Regiekosten sind für die Wahl der

Organisationsform zweitrangig. Inwieweit

eine Fusion der Zweckverbände Vorteile auf

der Leistungsseite oder in der häufiger be-

schworenen „Durchgriffsfähigkeit“ des Landes

brächte, wäre separat zu bewerten.

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Ausschlaggebend war die Überlegung, dass

Fusionsvorhaben aufgrund ihres erheblichen

zeitlichen Vorlaufs die Gefahr bergen, die Um-

setzung der für dringlicher erachteten sachori-

entierten Maßnahmen zu erschweren oder

auszubremsen. Zudem gilt die eingangs er-

wähnte Erkenntnis, dass die Wirkungen auf der

Kosten- und Leistungsseite kaum merklich und

kausal schwer messbar sein werden und –

wenn existent – in der ferneren Zukunft liegen.

Für den Fahrgast ist die Organisation zweitran-

gig, ihn interessiert die zeitnahe Beseitigung

von Schwachstellen im bestehenden System.

Auf der Basis der Empfehlungen der AG Orga-

nisation schlägt die Strategiekommission vor,

eine ergänzende Stelle zur Koordinierung von

landesbedeutsamen Aufgaben zu etablieren,

um den sächsischen ÖPNV weiterzuentwickeln

sowie Abstimmungs- und Planungsprozesse

effizienter zu organisieren.

Für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle

ist ein Zeitbedarf von rund neun bis zwölf Mo-

naten zu veranschlagen, da wesentliche orga-

nisatorische, rechtliche, personelle, Eigentums-

und finanzielle Fragen – insbesondere auf und

mit der kommunalen Ebene – geklärt und ver-

schiedene Gremien befasst werden müssen.

Ob, wann und in welcher Form das Konstrukt

zustande kommt, ist somit ein Ergebnis der

Verhandlungen zwischen kommunaler Ebene

und Land.

Die Strategiekommission empfiehlt hierzu we-

nige Leitsätze:

Gegründet wird eine neutrale Koordinie-

rungsstelle als Multi-Themen-Center.

Die Koordinierungsstelle unterstützt, hat

aber keine Entscheidungsbefugnis.

Das Land soll sich an der Organisation zum

Zwecke der Selbstbindung beteiligen,

aber:

Die Beteiligung des Landes beschränkt

sich auf eine qualifizierte Minderheit, um

der kommunalen Verfasstheit des ÖPNV

unverändert Rechnung zu tragen.

Die Einrichtung der Koordinierungsstelle

schließt ausdrücklich nicht aus, bei einzelnen

Themen wie z.B. der Einführung eines Landes-

tarifs ergänzende Lösungen zu wählen. In je-

dem Fall muss die künftige Organisation ge-

währleisten, dass die Verkehrsunternehmen

bei Themen, die wie bei Tarif und Vertrieb ihre

unternehmerischen Belange unmittelbar be-

rühren, entsprechend ihren Verantwortlichkei-

ten einbezogen werden.

Die Kosten einer Koordinierungsstelle lassen

sich erst beziffern, wenn Aufgabenumfang und

gewünschte Leistungstiefe feststehen. Die AG

Tarif und Vertrieb schätzt den Management-

aufwand der Einführung und dauerhaften Be-

gleitung des Sachsen-Tarifs auf rund eine Mio.

EUR p.a.

Damit die Umsetzung der Maßnahmen 1 bis 13

ohne Zeitverlust vorangetrieben werden kann,

empfiehlt die Strategiekommission, ihre derzeit

vorhandenen Strukturen (z.B. die Geschäfts-

stelle) hierfür interimsweise zu nutzen und

weiterzuentwickeln.

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V. Digitalisierung

Digitalisierung als Innovationsprozess macht

auch nicht vor der ÖPNV-Branche halt. Mit

ihrem Potenzial zur (Teil-)Automatisierung und

Verknüpfung von Prozessen birgt sie große

Chancen für alle Ebenen des öffentlichen Ver-

kehrs (Verkehrsunternehmen und -verbünde,

Fahrzeughersteller, Kunden). So könnten bei-

spielsweise durch ausgeklügelte Algorithmen

On-Demand-Verkehre mit Kleinbussen die

Kundenbedürfnisse abbilden und theoretisch

schwach ausgelastete Linienverkehre ersetzen.

Oder es können durch präventive Wartungsin-

tervalle dank eingebauter Sensorik kombiniert

mit der Verfügbarkeit von 3-D-Druckern Werk-

stattabläufe optimiert werden.

Die Anzahl der vielen hochkarätig besetzten

Veranstaltungen zu Themen wie Digitalisie-

rung, Smart Data und ÖV ist ein klares Indiz

dafür, dass die Debatte längst zwischen Betei-

ligten aus Forschung, Wissenschaft, Politik und

Betrieb entfacht ist. Technisch ist theoretisch

bereits vieles möglich und einiges bereits auch

praktisch umgesetzt oder wird in Piloten er-

probt.

Die Studie für die ÖPNV-Strategiekommission

zur Digitalisierung zielt darauf ab,

die Aktivitäten (inklusive Treiber und

Hemmnisse) deutschlandweit und mit ei-

nem Fokus auf Sachsen und insbesondere

auch auf den ländlichen Raum aufzuneh-

men,

die Wirkung einzelner Digitalisierungs-

maßnahmen zu analysieren und

Trends in vertiefenden Experteninter-

views zu ergründen um Entwicklungsten-

denzen und spezifische Handlungsemp-

fehlungen abzuleiten.

Digitalisierungsthesen

Bereits heute existieren viele überzeugende

Einzelmaßnahmen auf allen Ebenen (u.a. un-

ternehmensintern, fahrzeugseitig, infrastruk-

turtechnisch, in der Kundenkommunikation).

Ein wahrlicher Gewinn (betriebliche Effizienz-

steigerung, internes Analysepotenzial, Entste-

hung neuer Geschäftsmodelle, erhöhte Kun-

denakzeptanz) kann erzielt werden, wenn digi-

tale Ideen/Systeme/Innovationen miteinander

verknüpft werden.

Viele Entwicklungen laufen zeitlich parallel,

bauen aber auch aufeinander auf und lassen

sich teilweise miteinander verknüpfen und

bergen in der Summe große Entwicklungschan-

cen. Ein fundamentaler Systemwandel ist zu

erwarten – der Zeitpunkt und Tiefe der Umwäl-

zung bleiben jedoch unklar. Die Entwicklung

innerhalb bestehender Systeme und Verknüp-

fungen zwischen den Systemen besteht fort.

Abb. 24: Digitalisierung und Innovationsgrade

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Schlaglichter aus den Ergebnissen

Grundsätzlich zeigen die Ergebnisse der Studie,

dass:

Digitalisierung unternehmensintern ein

kontinuierlich fortschreitender Prozess ist,

der bereits zu Effizienzverbesserungen

und Kostenreduzierungen geführt hat (be-

triebliche Optimierungen, Qualitätskon-

trolle, Berichtswesen, Vertrieb).

eine hohe Praxisreife und Anwendungstie-

fe für die digitale Vernetzung von Ver-

kehrsangeboten und deren Begleitinfor-

mationen bei Aufgabenträgern bereits

vorhanden ist.

Forschungs- und Entwicklung zu Antriebs-

technologien, Sensorik, LST und autono-

men Fahren auf intensiv hohem Niveau

bleiben (hier ist Sachsen Vorreiter) und

maßgeblich die Vernetzung der Berei-

che/Systeme Kunde, Fahrzeug und Infra-

struktur unterstützen.

eine systemsprengende Wirkung (be-

darfsgerechter, umweltschonender, kos-

tengünstiger ÖPNV unabhängig von Zeit

und Nachfragestärke) theoretisch möglich

erscheint, jedoch praktisch noch nicht

darstellbar ist.

Rahmendokumente wie der Koalitionsvertrag,

der LVP und die NVPs machen deutlich, dass

Sachsen aktuell

Kundenkommunikation sowie Verkehrs-

leit- und Abfertigungstechnik explizit mit

13,6 Mio. EUR fördert, die tatsächliche

Gesamtfördersumme für Digitalisierungs-

vorhaben, die dem ÖPNV dienen, jedoch

wahrscheinlich höher liegt (da Digitalisie-

rung ein Querschnittthema ist),

die Planung und Umsetzung von flexiblen,

haltestellenlosen Bedienangeboten vor-

sieht, und

digitale Produkte wie WLAN im Bus, Social

Media Präsenz, Mitfahr-Apps unterstützt.

Die extensive Online-Recherche von rund 170

Einzelbeispielen zu Digitalisierung im ÖPNV je

Bundesland fördert zutage, dass Sachsen im

Vergleich

überdurchschnittlich viele Pilotprojekte,

Konzepte und Ideen vorzuweisen hat,

den Fokus mehrheitlich auf innovative

straßengebundene Fahrzeugkonzepte

legt,

mit „Leipzig mobil“ eine deutschlandweit

führende digitale multimodale Mobilitäts-

plattform existiert,

verstärkt Testfahrten mit autonomen

Kleinbussen durchgeführt hat (z.B. DVB-

Gelände),

mit dem SaxMobility-Projekt aktiver noch

auf vernetzte e-Mobilität setzt,

mit Plänen für autonomes Fahren der

Dresdner Cargo-Tram sich potenziell als

Vorreiter für schienengebundenes auto-

nomes Fahren im offenen System positio-

niert.

Im Hinblick auf das Digitalisierungspotenzial

und dessen Bedeutung für innovative ÖPNV-

Konzepte im ländlichen Raum – wie autonome

Kleinbusse für Bedarfsverkehre, Anwohner als

Mobilitätsdienstleister für Personenfahrten

und Paketdienste sowie haltestellenlose On-

Demand-Verkehre innerorts und als Anbindung

an Mittelzentren – zeigen die Aussagen der

Stakeholder/Experten, dass diese durchaus

positiv bewertet werden. Experteneinschät-

zungen belegen jedoch, dass zu deren Umset-

zung (a) politisches Bekenntnis zum Vorhaben

und (b) eine initiale Ausklammerung der Wirt-

schaftlichkeit notwendig sind.

Dabei sind auch Regelungen im geltenden

Rechtsrahmen kritisch zu hinterfragen und

durch den Gesetzgeber anzupassen. Beispiel-

haft zu nennen ist:

(Haltestellenlose) On-Demand-Verkehre

lassen sich mit dem geltenden PBefG zum

Teil nur schlecht oder gar nicht vereinba-

ren. Die im PBefG gemachten Ausnahmen

stehen jeweils unter dem Vorbehalt, dass

öffentliche Verkehrsinteressen nicht ver-

letzt werden (z.B. Bestandsverkehre, aber

auch Taxengewerbe).

Schwierigkeiten entstehen auch in den

Fällen, in denen keine Genehmigung als

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Linienverkehr (§ 42 PBefG) oder linienver-

kehrsähnlich (§ 2 Abs. 6 i.V.m. § 42 PBefG)

möglich ist, öffentliche Förderungen aber

einen solchen voraussetzen.

Die vertiefende und detaillierte Wirkungsana-

lyse innerhalb und zwischen den ÖPNV-

Bereichen Betrieb, Fahrzeug, Infrastruktur und

Kunde greift alle in der Recherche identifizier-

ten Maßnahmen auf und stellt sie gegenüber.

Basierend auf der These, dass die Kombination

von Digitalisierungsaspekten das größte Poten-

zial für ÖPNV-Unternehmen und -Orga-

nisationen birgt, haben folgende Trends weg-

weisenden Charakter (vgl. Tab. 11).

Auch Äußerungen der Stakeholder/Experten zu

Potenzialabschätzungen von Digitalisierungs-

aspekten nähren die Thesen, dass u.a.

eine hohe Wirkungsfähigkeit bei der sen-

sorischen Erfassung und Analyse zu erwar-

ten ist, um Personal- und Fahrzeugeinsatz

sowie Werkstattbelegung zu optimieren

und Echtzeitmonitoring der Infrastruktur-

und Fahrzeugzustände zu ermöglichen,

Fahrzeug Betrieb Infrastruktur Kunde

Fahrzeug einheitliche Standards (gerade bei autono-men Fzg) zukünftig noch wichtiger

schnelllebige Kompo-nenten erfordern schnellen Tausch

WLAN-Ausweitung in Fahrzeugen

Dynamic Pricing: Be-rücksichtigung von Auslastungsdaten mit-tels AFZS durchaus denkbar

Verknüpfung LST, DFI + (teil-) autonome Fzg

Schnittstellen, Stan-dards herstellerüber-greifend, (teil-) auto-nome Fzg (C2I & C2C Kommunikation)

Optimierung Rad-Schiene-System (Ver-schleiß, Geräusche)

On Board WLAN/ Infotainment

Verknüpfung On De-mand und autonomer Bus (IVS notwendig für Einbindung Infrastruk-turdaten in Echtzeit + Verkehrsdaten)

Betrieb intelligente Messver-

fahren (Sensorik) wer-den bedeutender

On-Demand-Verkehre und agile Personalein-satzplanung als neues Geschäftsmodell

differenzierte Inter-vallberechnung der Wartung für effiziente Werkstattnutzung

erweiterte Daten-grundlage (Open Data) durch Entwickler-Community

Kunde als Qualitätssi-cherer: Smartphone als Datengenerator (Datenschutz beach-ten)

Personalisierung Fahr-gastinfos bei Abwei-chungen zunehmend wichtig

Infra-

struktur

Wartungsspezifische Arbeitszeiterfassung mit größter überge-ordneter Wirkung da diese signifikanten be-trieblichen Einfluss auf Infrastrukturauslas-tung z.B. Werkstatt-nutzung hat

unterstützt Tür-zu-Tür-Planung durch inf-rastrukturelle Open-Source-Daten wie Bar-rierefreiheit-Infos

Smartphone als Da-tengenerator, Einbin-dung in LST denkbar

Kunde zunehmende Indivi-

dualisierung von An-gebot u. Information

erhöhte Transparenz für Tarifinformatio-nen, Bewertungen mit großer Auswirkung

Tab. 11: Digitalisierungsaspekte und Potenzial für ÖPNV-Unternehmen

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die Auswertung von Kundendaten zu Mo-

bilitätsverhalten noch viele Einsichten

birgt, und

Open Source Data in seinem potenziellen

Beitrag zu Digitalisierungsaspekten durch-

aus gemischt bewertet wird.

Handlungsempfehlungen

Abgeleitet aus den vertieften Erkenntnissen

hat die Studie drei Kategorien von Handlungs-

empfehlungen identifiziert und mit konkreten

Unterpunkten versehen.

Zusammengefasst empfiehlt es sich, folgende

Vorschläge aufzugreifen und diese in einem

ersten Schritt einer Prüfung auf Dringlichkeits-

bedarf und Umsetzungsfähigkeit zu unterzie-

hen:

Grundlagen (wissenschaftlich, technisch,

rechtlich, organisatorisch) erarbeiten, die digi-

tale Innovationen im ÖPNV begünstigen

Differenzierte Nachfrageprognosen für

das autonome Fahren veranlassen im Sin-

ne systemischer Wirtschaftlichkeitsbe-

trachtung. Die Wirtschaftlichkeit des Fahr-

zeugeinsatzes (Auslastung!) für konkrete

Praxisanwendungen ist zu hinterfragen.

Anpassungen der rechtlichen und finanzi-

ellen Rahmenbedingungen definieren und

anstoßen, z.B. die Genehmigung von in

den ÖPNV integrierten Ridesharing-

Angebote sicher zu ermöglichen oder zu

vereinfachen. Diskussion um Genehmi-

gungsrecht für flexible Bedienformen an-

stoßen (in den ÖPNV eingebundene fle-

xible Bedienformen könnten per gesetzli-

cher Fiktion – ähnlich den Sonderlinien-

verkehren in § 43 PBefG – dem Linienver-

kehr gleichgestellt werden).

Zudem sollte die Erprobung von On-

Demand-Verkehren außerhalb des ÖPNV

über eine Anpassung der Erprobungsklau-

sel (§ 2 Abs. 7 PBefG) praxistauglicher

ausgestaltet werden.

Über neuartige Verkehrsverträge (Inhalte

und Laufzeiten) diskutieren, um immer

kürzere Innovationszyklen bei digitalen

Komponenten zu berücksichtigen sowie

auch Sharing-Konzepte aufgreifen; u.a.

Kosten für geplante/geforderte digitale

Maßnahmen je NWkm errechnen und zu

Transparenzzwecken kommunizieren.

Förderung und Ausarbeitung konkreter Pilot-

projekte zum autonomen Fahren mit Klein-

bussen, aber auch anderer vielversprechender

Ansätze sowie Unterstützung bestehender

unternehmensinterner Digitalisierungsbemü-

hungen

Innovative Digitalisierungsvorhaben für

ÖPNV im LVP verankern/umreißen; u.a.

Leitlinien für (ländlich) relevante Maß-

nahmen ausbauen (inkl. Informationen zu

durchgängigen Reiseketten, Alternativen

bei unzulänglicher Anschlusssicherung); in

NVPs gezielte Digitalisierungsprojekte be-

nennen und auch digital gesteuer-

te/gestützte flexible Bedienformen aus-

drücklich erwähnen, um (trotz Einzelfall-

prüfung) die Genehmigungsfähigkeit zu

erhöhen

Grundlage für verkehrsträgerübergreifen-

de Informations-, Buchungs- und Abrech-

nungsprozesse auf mobilen Endgeräten si-

chern, um Vernetzung der Verkehrsträger

auszubauen und zu verstetigen; u.a. stabi-

le betriebliche und strategische Prozesse

garantieren bzw. bestehen behalten und

überregionale Organisation anstreben, um

Schnittstellen, gerade beim Übergang zwi-

schen Verkehrsverbünden, zu gewährleis-

ten.

Open-Data- bzw. ÖPNV-Mobilitätsdaten-

marktplatz-Strategie ausarbeiten; Ver-

pflichtung auf Länderebene einfordern,

übergreifenden Datenaustausch ermögli-

chen (Plattform).

Unternehmen als Treiber verstehen: for-

malisierte Einführungsunterstützung kon-

zipieren, um Neues neben dem laufenden

Betrieb und auch unter Kostendruck aus-

probieren zu können.

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Stärkung/Bewusstseinsbildung von ÖPNV als

Markt, Branche und Treiber und entsprechen-

de Förderung von Forschung und Organisation

Aktive Innovatoren-Rolle der Verkehrsun-

ternehmen ermutigen und stärken, damit

sich der ÖPNV als Gestalter versteht und

den Markt auch weiterhin für sich in An-

spruch nehmen kann. Eine strategische

Positionierung hierzu ist unabdingbar, u.a.

aktiv Zukunftsszenarien zum autonomen

Fahren zu entwickeln oder Experimentier-

klauseln in langfristigen Vereinbarungen

(Verkehrsverträge) umzusetzen, um digi-

talen Innovationen im ÖPNV-Betrieb den

Weg zu bereiten.

Forschung gezielt ausbauen und teilweise

auch (wieder) auf Bundesebene ansie-

deln: Länder verstärkter vernetzen (Know-

ledge Sharing = vielleicht braucht nicht je-

des ein eigenes digitales Testfeld); über

ein neues Bundesprogramm zur Nahver-

kehrsforschung nachdenken; Aus- und

Aufbau von Zukunftslabors und Entwick-

lungszentren vorantreiben, ÖPNV-Digitali-

sierungsstatus explizit in Indices/Studien

hervorheben.

Zur Wahrheit der Digitalisierung im ÖPNV, be-

sonders mit Fokus auf neue Angebotsmodelle,

gehört auch, dass eine Kultur des Scheiterns in

gewissem Umfang Bestandteil werden muss.

Gerade bei noch unsicheren Prozessen lassen

sich nicht alle Eventualitäten im Vorfeld be-

rücksichtigen. Daher sind vereinfachte Prozess-

regeln, zugleich aber auch Folgenbewertung

und Konsequenzen aus dieser unabdingbar.

Hierbei kann ein harmonisiertes Vorgehen im

Freistaat sinnvoll sein, um Doppelstrukturen zu

vermeiden und Erfahrungen zwischen den Akt-

euren im Freistaat auszutauschen.

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VI. Finanzierung

„Geld ist notorisch knapp und hat man nie ge-

nug“ – Dieser Erfahrungssatz überlagert in der

Regel alle Strategiefragen zur Finanzierung.

Dies zeigte sich auch zu Beginn der Kommissi-

onsarbeit, als die Mittelherkunftsseite beson-

ders im Fokus stand, weil die künftige Entwick-

lung der Regionalisierungsmittel – der mit Ab-

stand wichtigsten Quelle für den ÖPNV – in der

Schwebe hing.

Nach der Einigung zwischen Bund und Ländern

im Sommer 2016 rückten die tatsächlichen

Strategiefragen in den Mittelpunkt. In der AG

Finanzierung wurden folgende Themen-

schwerpunkte gesetzt:

Wie ordnet sich das ÖPNV-Finanz-

ierungssystem in Sachsen im Vergleich zu

anderen Ländern ein? Welche Erfolgsbau-

steine lassen sich übernehmen? Gibt es

Änderungsbedarf an der Finanzarchitektur

im sächsischen ÖPNV?

Ist die Finanzierung des bestehenden Sys-

tems (Verkehrsleistungen plus Investitio-

nen) gesichert?

Wie lassen sich die Mittelbedarfe der vor-

geschlagenen Maßnahmen decken?

Welche Reformansätze gibt es, um die

Determinanten des Ausbildungsverkehrs

anzugehen?

Welche Effizienzpotenziale lassen sich

durch geeignete Finanzierungsinstrumen-

te heben?

Welche zusätzlichen Mittel sind jenseits

der öffentlichen Hand zu erschließen?

Im Weiteren werden die wesentlichen Ergeb-

nisse zusammengefasst.

Ländervergleich ÖPNV-Finanzierung

Der gutachterliche Abgleich der ÖPNV-

Finanzierung in Sachsen (Stand 2014) mit den

vier strukturell vergleichbaren Ländern Nieder-

sachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und

Thüringen hat ergeben, dass Sachsen die Ge-

genüberstellung in puncto Leistungsfähigkeit

und Wirtschaftlichkeit nicht zu scheuen

braucht.

Zu erwähnen sind:

Der durchschnittliche Zuschuss im SPNV

Sachsens beträgt 9,32 EUR pro Zugkilome-

ter (2014) und ist im Quervergleich sehr

gut vorzeigbar. Eine Aufwertung erfährt

der Wert noch dadurch, dass die Beiträge

der Nutzer in Form von Fahrgelderlösen

unter dem Durchschnitt liegen. Im Um-

kehrschluss haben die Besteller ihr Ange-

bot kostenbewusst geplant und die Leis-

tungen erfolgreich vergeben. Allerdings

liegt der Kostendeckungsgrad beim SPNV

im unteren Bereich der verglichenen Län-

der (vgl. auch M12).

Im Gegensatz zum SPNV fällt die Nutzerfi-

nanzierungsquote im ÖSPV hoch aus. Dies

ist vor allem eine Folge der Fahrgasterfol-

ge in den Ballungszentren und führt in

Kombination mit einer hohen Produktivi-

tät zu einem bundesweit niedrigen spezi-

fischen Zuschussbedarf.

In allen Ländern liegt der Anteil „originä-

rer Landesmittel“ am Gesamtumsatz des

ÖPNV unter 5%. Sachsens Anteil beträgt

2,7%, was im Vergleich der fünf Länder

Platz 2 bedeutet.

Sachsen investiert mit 12,6% im Vergleich

weit überdurchschnittlich (2. Platz nach

Niedersachsen, dort aber inklusive Fahr-

zeugpool). Darüber hinaus finden sich

teilweise auch in konsumtiven Positionen

Investitionsbestandteile (z.B. Busse im

ÖSPV oder anteilige Eigeninvestitionen in

Trassen- und Stationsentgelten für den

SPNV), die sich allerdings nicht immer

trennscharf abgrenzen lassen.

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Gleichwohl zeigt der Vergleich auch kritische

Erkenntnisse auf bzw. gibt Anregungen auf der

Instrumentenebene. Neben dem Verbesse-

rungspotenzial bei der Nutzerfinanzierung im

SPNV ist z.B. zu konstatieren, dass Sachsen –

stärker als viele andere Länder – zwischen

2010 und 2014 bei der Finanzierung des Aus-

bildungsverkehrs Landes- durch RegG-Mittel

ersetzt hat. Interessante Impulse setzen Sach-

sen-Anhalt und Brandenburg mit der Anwen-

dung „dynamischer Schlüssel“ bei der Ausrei-

chung von ÖPNV-Mitteln.

Ein klares Erfolgsmodell oder gar eine Blaupau-

se für Sachsen lässt sich aus dem Vergleich

nicht ablesen. Aufgrund der inneren Logik je-

der „Spaghetti-Finanzierung“ eines Landes

einschließlich unterschiedlicher vertikaler Fi-

nanzausgleichssysteme wäre eine Eins-zu-eins-

Übertragung ohnehin weder möglich noch

ratsam.

In der Gesamtschau wirkt das Finanzierungs-

system des ÖPNV im Freistaat – bisher und im

Ländervergleich – solide aufgestellt.

Künftige Finanzierung des Bestandssys-tems

Im Hinblick auf die kommenden Aufgaben bis

2025/2030 steht die Finanzierung des ÖPNV im

Freistaat Sachsen auf der Landeshaushaltsebe-

ne vor erheblichen Herausforderungen. Zu den

beiden großen Aufgabenblöcken zählen (1) die

Aufrechterhaltung des Bestandssystems sowie

(2) die Beschaffung zusätzlicher Mittel für neue

Erfordernisse (siehe nächsten Abschnitt).

Die Analyse der Zukunftsfestigkeit der etablier-

ten Finanzierungsquellen zeigt, dass bereits die

Finanzierung des Status quo im ÖPNV kein

Selbstläufer sein wird.

Überwiegend positiv zu werten ist das Ergebnis

der Revision des Regionalisierungsgesetzes,

indem erheblicher Schaden abgewendet und

eine zufriedenstellende Mittelausstattung er-

reicht werden konnte. Für den Freistaat Sach-

sen bedeutet dies

einerseits eine Planungssicherheit durch

eine gesetzliche Festschreibung der Zu-

weisungsbeträge bis 2031. Diese reicht

der Freistaat bis 2027 über die ÖPNVFin-

VO zu einem sukzessive wachsenden An-

teil an die Zweckverbände weiter (ca. 90%

2027), die damit überwiegend SPNV-

Leistungen bestellen. Der Rest fließt ins

ÖPNVFinAusG, das LIP und in die nachste-

hend begründete Rücklage.

Grenzen der Landes-Finanzarchitektur

Nach dem Verursacher- oder Äquivalenz-

prinzip lautet die Erfolgsformel effizienten

Handelns, die Ausgaben-, Aufgaben- und

Einnahmenverantwortung möglichst in eine

Hand zu legen. Die „Spaghetti-Finanz-

ierung“ im ÖPNV – also die Mischfinanzie-

rung fast jeder Aktivität – verstößt syste-

matisch gegen diese Regel, so dass der

Befund einer soliden Finanzierung auf den

ersten Blick irritieren mag.

Abgesehen davon dass dieses Geflecht in

allen Ländern existiert, ist zu beachten,

dass eine echte Finanzierungsreform nur

von der Bundesebene bzw. im Rahmen

einer Föderalismuskommission III angesto-

ßen werden kann. Solange der milliarden-

schwere künstliche Finanzierungskreislauf

fortlebt, wonach der Bund den Ländern

Regionalisierungsmittel zuweist, die wiede-

rum zu mehr als 50% über die Trassen- und

Stationsentgelte an die Eisenbahninfra-

strukturunternehmen des Bundes zurück-

fließen, sind die Stellschrauben auf der

Landesebene begrenzt.

Dieses Korsett der Mischfinanzierung engte

letztlich auch die Diskussion über visionäre

Finanzierungsmodelle- und -instrumente

ein, z.B. zu Mehrjährigkeitsprinzipien, bes-

seren Mittelübertragbarkeit, Flexibilisie-

rungsoptionen, Finanzierungsfonds, Lan-

des- oder regionalen Verkehrsfinanzie-

rungsgesellschaften. Die Arbeitsgruppe

verständigte sich schon früh auf eine prag-

matische, eher bestandsorientierte Strate-

gieentwicklung, auch um schwer kalkulier-

bare Risiken und hohe Transaktionsverluste

zu vermeiden.

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Seite 74 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

andererseits eine Herausforderung, den

nicht-linearen Verlauf der Zuweisungen

im Revisionszeitraum zu bewirtschaften.

Gemäß Kieler Schlüssel sinkt der Zuwei-

sungsbetrag bis 2021 nach der Sockeler-

höhung 2016 absolut ab, um dann wieder

moderat zu steigen. Relativ zur fiktiven

Planungslinie gemäß altem RegG stellt

sich Sachsen ab 2021 schlechter mit zu-

nehmend auseinanderklaffender Schere

(siehe Abb. 25). Eine Verstetigung der

Mittel setzt voraus, aus dem temporären

Mittelüberschuss eine erhebliche finanzi-

elle Reserve anzulegen, um in den Jahren

bis 2031 die Lücken schließen zu können.

Die für 2020 geplante Revision der ÖPNVFinVO

bietet grundsätzlich die Chance, auf veränderte

Rahmenbedingungen und gesammelte Erfah-

rungen zu reagieren, muss jedoch die Auswir-

kungen von Änderungen auf die langfristigen

Planungen (Verkehrsverträge, Investitionen)

antizipieren.

Als problematisch erweisen sich die Planungs-

unsicherheiten bei den weiteren Finanztöpfen

im sächsischen ÖPNV:

Das GVFG-Bundesprogramm ist bundes-

weit seit Jahren mehrfach überzeichnet.

Mit Blick auf die künftigen Aufgaben ist

neben der überfälligen Einführung einer

jährlichen Dynamisierung eine deutliche

Erhöhung – etwa auf 1.000 Mio. EUR p.a.

– anzustreben.

Das Entflechtungsgesetz läuft Ende 2019

aus. Zu fordern ist, dass sie ab 2020 min-

destens auf dem heutigen Niveau (jährlich

rund 15 Mio. EUR allein für den ÖPNV) mit

Hilfe der künftig höheren Umsatzsteuer-

anteile des Freistaates verstetigt werden

und dem ÖPNV in der Praxis zweckgebun-

den zur Verfügung stehen.

Die dem ÖPNV zugutekommenden EFRE-

Mittel sind durch Landesmittel zu erset-

zen, falls das Programm nicht fortge-

schrieben wird.

Der Anspannungsgrad der Finanzierung wird

deutlich, wenn man die mutmaßlich vorhande-

ne Mittelkulisse den fortgeschriebenen proji-

zierbaren Bestandsausgaben mit Hilfe der Mo-

dellrechnung in der Tab. 12 gegenüberstellt

Abb. 25: Entwicklung ReG-Mittel Sachsen nach neuer und hypothetisch alter Gesetzeslage

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 75 von 178

Tab. 12: Modellrechnung zur ÖPNV-Finanzierung Sachsen

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Seite 76 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Zu erkennen ist, dass die Rechnung so gerade

zur schwarzen Null aufgeht, wenn der Freistaat

bis 2022 eine RegG-Reserve in Höhe von fast

285 Mio. EUR anspart, die anschließend bis

2031 vollständig abgeschmolzen wird.

Zu beachten sind jedoch die zentralen Prämis-

sen dieser Modellrechnung:

Die Reichweite der Ansparreserve aus den

RegG-Mitteln und damit der Abbaurate im

Zeitraum 2023 bis 2031 ist darauf ausge-

richtet, a) die überwiegend konsumtiven,

mit 1,8% p.a. fortgeschriebenen Zuschüs-

se an die ÖPNV-Zweckverbände, b) rund

zwei Drittel der ab 2021 mit 1,8% p.a. dy-

namisierten ÖPNVFinAusG-Mittel sowie c)

einen jährlichen Festbetrag für Investitio-

nen in Höhe von 40,7 Mio. EUR zu decken.

Alle weiteren Einnahmen- und Bestands-

ausgabenwerte für Investitionen aus dem

LIP bleiben nominal unverändert. Dies

hätte zur Folge, dass bei zu erwartenden

Kostensteigerungen die Kaufkraft je EUR

Investitionszuschuss (weiterhin) abnähme

und real weniger investiert werden könn-

te, wodurch ein Substanzverzehr in Kauf

zu nehmen wäre.

Die unterstellte Dynamisierung der Be-

triebsbeihilfen für die Schmalspurbahnen

(1,0% p.a.) und des Landesanteils am

ÖPNVFinAusG (1,8% p.a. ab 2021) führt

automatisch zu einem Aufwuchs der Mit-

tel aus dem Landeshaushalt.

Fazit: Im Ergebnis ist festzustellen, dass schon

das Niveau der heutigen Bestandsausgaben

trotz geplanter strikter Vorsorgepolitik nicht

vollständig ausfinanziert ist, da das Einfrieren

der nominellen Investitionsmittel empirisch

nicht mit der natürlichen Teuerung in Einklang

zu bringen ist. Ob der unterstellte Planungsho-

rizont der RegG-Umverteilung über 15 Jahre

politisch praktikabel und durchhaltbar ist,

bleibt zudem abzuwarten.

Finanzierung von Mehrbedarfen

Steht bereits die langfristige Sicherung der

Bestandsausgaben vor erheblichen Herausfor-

derungen, wurden durch die ÖPNV-Strategie-

kommission Handlungsschwerpunkte identifi-

ziert, die zusätzliche Finanzmittel erfordern

(vgl. Tab. 13).

Tab. 13: Finanzieller Mehrbedarfe im Zielhorizont 2025

Erarbeitet wurde ein Bündel an Maßnahmen,

das die weitere Leistungsfähigkeit des sächsi-

schen Nahverkehrs sicherstellen soll. Die Maß-

nahmen verursachen im Zielzustand 2025/

2030 bei vollständiger Umsetzung in der Sum-

me einen fiskalischen Mehrbedarf von rund

500 Mio. EUR pro Jahr über alle Akteure (Frei-

staat, Kommunen und Verkehrsunternehmen,

ggf. Nutzer). Saldiert werden dabei die heute

durchschnittlich im System befindlichen Mittel

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 77 von 178

(Fördermittel des Landes, Beiträge der kom-

munalen VU bzw. Nutzer), die fortgeschrieben

und also „sowieso vorhanden“ unterstellt wer-

den.

Schätzt man das Marktvolumen 2025 auf 1.500

Mio. EUR, bedeutet dies ein Wachstum um

etwa ein Drittel. Die Dimension relativiert sich,

wenn man den Mehraufwand ins Verhältnis zu

den damit erzielbaren quantitativen und quali-

tativen Verbesserungen im ÖPNV setzt.

Folgende künftige Ausgabenschwerpunkte ver-

dienen eine gesonderte Erwähnung:

1) Investitionen

Der Nukleus jeder Investitionspolitik ist es,

ausreichend Mittel für die Ersatzinvestiti-

onen in das vorhandene System bereitzu-

stellen, um mittelfristig nicht in die Falle

des Substanzverzehrs im ÖPNV-System zu

laufen (vgl. M2 in Abschnitt II).

Neue Aufgaben sind:

- Um die aus dem Bevölkerungswachs-

tum resultierende Nachfragesteige-

rung in den Ballungsräumen Dresden,

Leipzig und Chemnitz abzufangen

(Fortschreibungsszenario), sind zu-

sätzliche jährliche Investitionen in

Höhe von 48 Mio. EUR im Jahr 2025

erforderlich. Für eine offensive

ÖPNV-Politik mit dem Ausbau des

Nahverkehrs zum Vorrangsystem sind

weitere 43 Mio. EUR im Jahr 2025

aufzubringen (Wachstumsszenario).

Hinzu kommen 7 Mio. EUR für den

Ausbau in den Oberzentren Görlitz,

Plauen und Zwickau mit Straßenbah-

nen.

- Im ländlichen Raum ist die Situation

eine andere: Dort muss ein angemes-

senes Maß an öffentlicher Mobilität

durch Erprobung und Einführung mo-

derner, digital gestützter Mobilitäts-

konzepte gewährleistet werden. Auch

dies erfordert Investitionen, die der-

zeit nicht bezifferbar sind, weil die

Umwälzungen und Entwicklungs-

schritte infolge der Digitalisierung al-

lenfalls grob umrissen werden kön-

nen.

- Hinzu kommt die Umsetzung der

bundesgesetzlich vorgeschriebenen

Barrierefreiheit mit einem ambitio-

nierten, aber machbaren Umrüstziel

2030, das Investitionen von 29 Mio.

EUR pro Jahr verursacht. Dieses Ziel

zum 1.1.2022 ist nicht neu, hat aber

durch die PBefG-Novellierung 2013

verbindlichen Charakter erhalten.

2) Landesweites Buskonzept (vgl. M1 in Ab-

schnitt I). Neben der Sicherstellung des not-

wendigen Finanzbedarfs steht die Einbindung

der Finanzierung in die bestehende Finanzie-

rungsstruktur als Herausforderung an. Die AG

Finanzierung hält am ehesten die ÖPNVFinVO

für politisch-instrumentell geeignet, hierüber

einen vom Freistaat Sachsen beigestellten Fi-

nanzierungsbetrag einzusteuern.

3) Digitaler Wandel (vgl. Abschnitt V): Die Digi-

talisierung hat den ÖPNV voll erfasst und wird

diesen Markt in den kommenden 20 Jahren

erheblich verändern. Die Herausforderung

besteht einerseits darin, dass die Innovations-

zyklen absehbar erhöhte Aufwendungen z.B.

bei elektrisch betriebenen Fahrzeugen erwar-

ten lassen. Daneben müssen die Fördersyste-

me so flexibilisiert werden, dass neue Formen

der Mobilität getestet werden können. Hierfür

sollten zusätzliche Mittel von anderen Ressorts

aktiv eingeworben werden.

Fazit: Absehbar ist, dass keine der sächsischen

ÖPNV-Akteursgruppen den identifizierten

Mehrbedarf von insgesamt 500 Mio. EUR pro

Jahr im Zielzustand alleine wird schultern kön-

nen (und wollen). Stattdessen sind Mischfinan-

zierungslösungen zu entwickeln, die einer

konzertierten Lastenverteilung unter Federfüh-

rung des Freistaats bedürfen. Voraussetzung

für das erfolgreiche Einwerben von Mitteln im

politischen Diskurs ist, den öffentlichen Stel-

lenwert des ÖPNV signifikant zu erhöhen.

Die Finanzierung des Ausbildungsverkehrs

weist mehrere Besonderheiten auf. So ist die-

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Seite 78 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

ser in Teilen kein ÖPNV im engeren Sinne; zu-

gleich ist die notwendige Schülerbeförderung

anders als der „klassische“ ÖPNV eine Pflicht-

aufgabe der kommunalen Aufgabenträger.

Die Kosten für das System Ausbildungsverkehr

nehmen gerade in den Kreisen und Kreisfreien

Städten seit geraumer Zeit beständig zu, ohne

dass bisher Umfang und Treiber regelmäßig

und valide erhoben werden. Die Ursachen der

Kostenentwicklung sind komplex. Neben den

laufenden Kostensteigerungen z.B. bei Perso-

nal und Energie, können auch vereinzelt spezi-

fische Faktoren dieser Verkehrsart („histori-

sche“ Umlaufplanung) genannt werden.

Das ÖPNVFinAusG regelt den Ausgleich von

Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen

aus ermäßigten Zeitfahrausweisen, indem der

Gesamtumfang der Ausgleichsmittel und deren

Verteilung zur Unterstützung der Aufgabenträ-

ger festgelegt werden. Diese legen gemäß § 1

Abs. 2 „in eigener Zuständigkeit die Vorausset-

zungen für die Auszahlung der Mittel an die

Verkehrsunternehmen nach Maßgabe der

Zweckbindung nach Abs. 1“ fest. Hierdurch

kann es zu abweichenden Mittelverteilungsver-

fahren kommen, die sich in unterschiedlicher

Form an den bisherigen Vorgaben zum Aus-

gleichsverfahren nach §45a PBefG orientieren.

Aus der Sicht des ÖPNV ist problematisch, dass

eine Vielzahl ÖPNV-ferner Entscheidungsebe-

nen die Produktionskosten der Verkehrsunter-

nehmen beeinflussen, ohne hierfür ein Preis-

schild gezeigt zu bekommen. Hierzu zählen

bildungspolitische Parameter (z.B. Schulnetz-

planung, freie Schulwahl) oder sozialpolitische

Aspekte (z.B. Ganztagsbetreuung, Inklusion).

Anforderungen wie die Umlaufplanung in

räumlicher und zeitlicher Hinsicht an die Erfor-

dernisse des Ausbildungsverkehrs anzupassen,

können unmittelbar zu zusätzlichen Aufwen-

dungen bei den Schülerbeförderungsträgern

führen.

Verschärfend wirken die Konsequenzen aus

solchen Entscheidungen auf die Beförderungs-

kosten, wenn die gesamte Beförderungsleis-

tung im individuellen (freigestellten) Verkehr

steigt. Obwohl diese Art der Verkehre an sich

nicht mehr dem ÖPNV zuzurechnen sind, be-

lasten die ökonomischen Folgen die den ÖPNV

tragenden Akteure unmittelbar.

Zur Verbesserung dieser Situation wird folgen-

des strategisches Vorgehen vorgeschlagen:

Kurzfristige Entlastung der kommunalen

Aufgabenträger und Verkehrsunterneh-

men: Die vom Freistaat Sachsen über das

ÖPNVFinAusG gewährten Ausgleichsmittel

für den Ausbildungsverkehr bilden die tat-

sächliche Kostenentwicklung nicht ab. .Ein

Gutachten nennt eine Unterdeckung von

jährlich 60 Mio. EUR. Daher kann eine hö-

here Dotierung helfen, um auf der Seite

der kommunalen Verkehrsunternehmen

Gestaltungsräume zu schaffen, beispiels-

weise zur Finanzierung moderner Fahr-

zeuge.

Aufbau einer laufenden Evaluation der

Kostenentwicklung im Ausbildungsver-

kehr: Um eine gemeinsame und ausrei-

chende Informationsbasis zu schaffen, ist

die Aufwandsentwicklung im Ausbil-

dungsverkehr dauerhaft und transparent

nachzuweisen.

Zugleich wird empfohlen, die Erhebung

von Mobilitätsfolgekosten im Vorfeld poli-

tischer Entscheidungen verpflichtend vor-

zuschreiben.

Langfristig ist zu prüfen, ob Politikbereich-

übergreifende Konzepte entwickelt wer-

den können. Darunter sind Maßnahmen

zu verstehen, die z.B. gleichermaßen bil-

dungs-, sozial und verkehrspolitisch ähnli-

che Zielsetzungen zum Gegenstand haben

(z.B. kulturelle Nachmittagsangebote im

Schulraum).

Weitere Potenziale der ÖPNV-Finanzierung

Neben den vorangestellten sind weitere The-

menfelder in der AG Finanzierung diskutiert

worden, die sich mit der Erschließung zusätzli-

cher Finanzierungsquellen und dem Heben von

Effizienzreserven befassen.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 79 von 178

Bundesweit hat der Anteil der Nutzerfinanzie-

rung (Fahrgeldeinnahmen) in den letzten 10

Jahren deutlich zugenommen (vgl. Ländergut-

achten zur Revision der Regionalisierungsmit-

tel). Dies gilt auch für Sachsen. Zentral hierfür

sind auf die jeweiligen Marktbedingungen aus-

gerichtete und regional differenzierte Preise.

Insbesondere im ÖSPV gelingt Unternehmen

und Verbünden damit ein wichtiger Beitrag zur

Finanzierung des Gesamtsystems. Allerdings

zeigt der Ländervergleich, dass der Anteil der

Nutzerfinanzierung im SPNV im Gegensatz zu

den städtisch geprägten ÖSPV-Werten unter-

durchschnittlich ausfällt (vgl. Abb. 26). Ursäch-

lich ist nicht die Tarifhöhe, sondern die Nach-

fragemenge (Fahrgastzahlen).

Ziel muss es somit sein, diese auf allen Stre-

ckenkategorien zu steigern und hierfür Ent-

wicklungsziele zu definieren. Dies gilt sowohl

für nachfrageschwache Strecken (vgl. Ab-

schnitt I) als auch die zentralen SPNV-Achsen,

für die der in der AG Tarif und Vertrieb ange-

regte Sachsen-Tarif (vgl. M7 in Abschnitt III)

positive Nachfrageeffekte auslösen soll. Als

Entscheidungsgrundlage wird empfohlen, sach-

senweit die Auslastung im SPNV zu evaluieren

und künftig Entwicklungsziele für die Fahrgast-

nachfrage von Linien, z.B. in Verkehrsanteilen

(Modal Split), zu formulieren.

Um dem ÖPNV zusätzliche Mittel zuzuführen,

sind ergänzende Finanzierungsinstrumente

ergebnisoffen zu prüfen, insbesondere um dem

hohen Anspannungsgrad von öffentlicher und

Nutzer-Finanzierung zu begegnen. Eine Mög-

lichkeit kann die Einbindung von Akteuren sein,

die (noch) keine direkten Nutzer des ÖPNV

sind, aber durch die Anbindung an ein gutes

ÖPNV-Angebot hinreichend belegbar profitie-

ren.

Weil diese ergänzenden Finanzierungsinstru-

mente ausnahmslos auf der kommunalen Ebe-

ne verortet und zudem politisch sensibel sind,

ist dort zu entscheiden, ob und in welcher

Form sie zum Einsatz gelangen sollen.

Die Unterstützung des Landes muss sich darauf

konzentrieren, die rechtlichen Grundlagen zu

deren Einführung schaffen.

Bisher sind – mit Ausnahme der ÖPNV-Taxe –

im Kommunalen Abgabengesetz (KAG) die ge-

setzlichen Möglichkeiten für Beitragsmodelle

im ÖPNV noch nicht vorhanden. Der Freistaat

sollte dies anpassen und so Spielraum bei der

Instrumentenauswahl schaffen. Die Entschei-

dung über die Einführung entsprechender In-

strumente und deren Ausgestaltung ist von

den kommunalen Akteuren zu treffen. Diese

sollten hierfür in den offenen Dialog mit den

Bürgern treten und Für und Wider der Instru-

Abb. 26: Nutzerfinanzierungsanteile SPNV und ÖSPV 2014

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Seite 80 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

mente abwägen. Dabei kann die Diskussion

über Ziele und Umfang des ÖPNV-Angebotes

mit der Beitragsdiskussion in einen fühlbaren

Zusammenhang gebracht werden. Zugleich

sind die Anforderungen des Abgabenrechts

erheblich, so dass im Vorfeld einer Einführung

in Hinblick auf Beitragserhebung, Satzung usw.

umfassende Vorüberlegungen zu treffen sind.

Die Einführung einer Nutznießerfinanzierung

sollte in keinem Fall die bestehende öffentliche

Finanzierung hinsichtlich ihrer Quellen und des

Mittelniveaus ersetzen, sondern sie auf eine

breitere Basis stellen, z.B. für Angebotsverbes-

serungen.

Effizienzreserven

Neben der Sicherung der Budgets müssen die

Entscheidungsträger im ÖPNV weiterhin konti-

nuierlich daran arbeiten, im Tagesgeschäft

nach Effizienzreserven Ausschau zu halten.

Punktuelle Anpassungen der Finanzarchitektur

könnten z.B. sein

Anreizsetzungen im Hinblick auf die Ent-

wicklungsziele für SPNV-Strecken und für

die Förderung des neuen Buskonzepts,

die Einführung einer Bagatellgrenze im LIP

(Verschiebung der Mittel und Investitions-

verantwortung für kleinere Projekte in

Richtung der Zweckverbände),

eine stärkere Erfolgskontrolle der Förder-

programme (z.B. Nutzung etablierter Mo-

nitoringberichte, Prüfung Passfähigkeit

und Optimierung der Instrumente),

Pauschalierungen von Mitteln.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 81 von 178

Phase 3: Umsetzung in die PraxisC.

In der Beschreibung der Bestandsaufnahme

des sächsischen ÖPNV wurden unterschiedli-

che Handlungsbedarfe aufgeworfen (vgl. Ab-

schnitt IV im Kapitel A). Die ÖPNV-Strategie-

kommission hat sich in ihrer Arbeit diesen Fra-

gen gestellt und Lösungswege konzipiert, die in

einem Bündel an Maßnahmenvorschlägen zu-

sammengefasst sind (vgl. Abb. 27).

Die Maßnahmenübersicht zeigt, dass die ent-

wickelten Handlungsempfehlungen einen ho-

hen Nutzen für die umweltfreundliche Mobili-

tät der sächsischen Bürger darstellen. Was

fehlt ist – nicht mehr und nicht weniger – die

Initiierung der Umsetzung dieser Maßnahmen

durch die politischen Entscheider im Sächsi-

schen Landtag und auf der kommunalen Ebe-

ne.

Da Strategien mittel- bis langfristig angelegt

sind, hat die Strategiekommission als Zielhori-

zont für ihre Vision des zukünftigen ÖPNV in

Sachsen den Zeitraum 2025/2030 gewählt.

Eine Vorausschau von rund 10 Jahren ist inso-

fern geboten, als Investitionsstrategien – z.B. in

Ausrichtung auf das Wachstum der Ballungs-

räume – aufgrund der planerischen und bauli-

chen Vorläufe früher nicht greifen können.

Zudem spricht aus heutiger Sicht viel dafür,

dass die Umwälzungen infolge der Digitalisie-

rung dann einigermaßen berechenbar werden.

Hiervon unbenommen enthalten die Hand-

lungsempfehlungen zahlreiche Maßnahmen,

die deutlich schneller umgesetzt werden kön-

nen. Ziel ist es, bereits 2018 die ersten Umset-

zungsschritte einzuleiten, um 2019/2020 kon-

krete Verbesserungen im ÖPNV sichtbar wer-

den zu lassen. Zu diesem Zweck soll die Strate-

giekommission auch im kommenden Jahr den

Umsetzungsprozess begleiten.

Abb. 27: Maßnahmenkatalog und Nutzenwirkung

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Seite 82 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

I. Politischer Zeitrahmen

Die Empfehlungen der ÖPNV-Strategie-

kommission sind als Angebot an die Politik zu

verstehen, aus einem Menü an Vorschlägen

wählen zu können. Die tatsächliche Priorisie-

rung bleibt der politischen Willensbildung vor-

behalten, die zwischen der Regierung, dem

Sächsischen Landtag und der kommunalen

Ebene stattfindet.

Ein zentraler Meilenstein ist die Aufstellung des

Doppelhaushaltes 2019/2020 durch den Ge-

setzgeber. Dort müssen die Mittel für diejeni-

gen Maßnahmen eingestellt werden, die in

dem Zeitraum angegangen werden sollen. Abb.

28 veranschaulicht die wesentlichen Etappen

des Zeitplans 2018.

Die geplanten Verfahrensschritte sind:

Im ersten Quartal 2018 wird die Staatsre-

gierung über das Verfahren zur weiteren

Arbeit informiert.

Dazu müssen im ersten Quartal 2018

mehrere Prozesse parallel angestoßen

werden:

- In der Staatsregierung wird die Wil-

lensbildung vorangetrieben, welche

der Maßnahmen aus Sicht der Exekuti-

ve Vorrang genießen und in der Sum-

me finanzierbar erscheinen.

- Der Sächsische Landtag hat die Mög-

lichkeit, die Vorschläge zu debattieren

und seine Prioritäten kundzutun.

- Das SMWA sondiert im engen Aus-

tausch mit den kommunalen Aufgaben-

trägern, welche Maßnahmen konsens-

fähig sind und wie die erforderlichen

Mittel aufgebracht werden können.

Die Strategiekommission soll weiterhin

eingebunden bleiben.

Die Geschäftsstelle begleitet den weiteren

Prozess bis Ende 2019.

II. Eignung der Maßnahmen für 2019/2020

Die von der ÖPNV-Strategiekommission entwi-

ckelten Maßnahmen sind ein Baukasten, der

seine Wirkung bei vollständiger Anwendung im

Zielzeitraum 2025/2030 entfacht.

Für jede Maßnahme – soweit sie dies der Art

nach zulässt – ist eine „Hochlaufkurve“ hinter-

legt worden,

in welchem Umfang bzw. in welcher Teil-

menge,

zu welchem Jahr und

unter welchen Voraussetzungen

die Implementierung grundsätzlich möglich

erscheint. Damit die Politik einzelne Elemente

auswählen und die Zeitschiene der Umsetzung

samt der Prämissen realistisch einschätzen

kann, ist es hilfreich, die Maßnahmen an ver-

schiedenen Prüfkriterien zu spiegeln und das

Ergebnis transparent zu machen. Dieser Ab-

Abb. 28: Zeitplan 2018 – wesentliche Etappen

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 83 von 178

gleich bedarf aber im ersten Quartal 2018 einer

Feinjustierung, um die ersten Schritte operativ

planbar eintakten zu können.

Die zugrunde gelegten sechs Prüfkriterien sind:

1. Modularität

Zentrales Kriterium ist die Modularität,

auch Teil- oder Skalierbarkeit einer Maß-

nahme. Hierunter wird die Eigenschaft ver-

standen, in welchem Maße eine Maßnah-

me parzelliert werden kann. Das Spektrum

reicht von „uneingeschränkt teilbar“ bis

„nur in Gänze umsetzbar“.

Ein Beispiel für die Teilbarkeit bis auf die

kleinste Ebene ist die Einführung des lan-

desweiten Buskonzeptes, indem jede ein-

zelne Fahrt zusätzlich eingeführt werden

kann. Auch die Aufnahme eines neuen Hal-

tes oder einer Linie räumt hohe Freiheits-

grade ein. Allerdings kann ein Korrektiv aus

anderen Gründen für erforderlich erachtet

werden, z.B. das Schnüren einer bestimm-

ten Paketgröße, damit die Verbesserungen

überhaupt wahrnehmbar sind.

Für die Kategorie „ganz oder gar nicht“

steht exemplarisch die Implementierung

des Landestarifs, der diese Bezeichnung

nur verdient, wenn er tatsächlich landes-

weit für alle Nutzergruppen, Fahrscheinty-

pen und Vertriebskanäle gilt.

2. Beteiligte Akteure

Die Zahl der beteiligten Akteure sowie de-

ren unterschiedlichen Interessen sind ein

Indikator für die Höhe der Transaktionskos-

ten. Je mehr Personen/Organisationen ein-

zubinden und je heterogener die unter ei-

nen Hut zu bringenden Interessen sind,

desto größer ist erfahrungsgemäß der Ab-

stimmungsaufwand, der die Zeitschiene

belastet.

3. Planerischer Vorlauf

Die Maßnahmen unterscheiden sich nach

dem Ausmaß des planerischen Vorlaufs.

Damit können verschiedene konzeptionel-

le Tätigkeiten gemeint sein: Beispielsweise

die Herstellung (verkehrs-)planerischer

Grundlagen, fachliche Abstimmungen un-

ter Aufgabenträgern oder der Aufbau or-

ganisatorischer Strukturen.

4. Technisch-betriebliche Machbarkeit

Ein Teil der Maßnahmen erfordert techni-

sche oder betriebliche Vorleistungen. Wäh-

rend das dritte Kriterium eine Einigkeit in

der Idee voraussetzt, geht es hier um die

operative Umsetzung, d.h. der Verknüp-

fung von Sach- und Personalressourcen

inkl. der Beschaffung oder Eigenkonstruk-

tion. Das Ergebnis ist z.B. die Rüstzeit der

Verkehrsunternehmen.

Ob Standardlösungen umgesetzt werden

oder aber neue Wege noch zu entwickeln

sind, bleibt an dieser Stelle offen. Bei der

Maßnahme „Investition in Digitalisierung

oder Elektromobilität“ ist die Marktent-

wicklung selbst noch in der Schwebe, so

dass die Machbarkeit letztlich der Markt-

prognose ähnelt.

5. Rechtlicher Vorbehalt/Prüfbedarf

Für alle Maßnahmen kann die Prüfung von

besonderen rechtlichen Sachverhalten

notwendig sein. Zu differenzieren ist zwi-

schen der vermuteten Intensität des Prüf-

bedarfs und den betroffenen Rechtsgebie-

ten. Üblich berührte Rechtsbereiche wie

z.B. im Zusammenhang mit einer Tarifge-

nehmigung oder einem Vergabeverfahren

sind hier nicht aufgeführt.

6. Fördervoraussetzung

Der Großteil der Maßnahmen zieht finanzi-

elle Mehraufwendungen nach sich. Ein

weiteres Prüfkriterium liegt deshalb in der

Bewertung, wie gut die Vorschläge in die

bestehende Finanzarchitektur eingebettet

werden können. Lassen sich z.B. ein bereits

etabliertes Förderprogramm oder eine der

vorhandenen Finanzierungssäulen nutzen,

oder muss etwas neu geschaffen werden?

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Maßnah-me

Modula-rität

Beteiligte Planerischer

Vorlauf

Techn.-betriebl.

Machbar-keit

Rechtlicher Prüfbedarf

Vorausset-zung Fi-

nanzarchi-tektur

ÖPNV-Koordinie-rungsstelle

0/1-Entschei-dung

Freistaat, komm. Aufgabenträger, Zweckverbände, Verkehrsverbün-de, Verkehrsun-ternehmen

3 – 6 Monate für die konzept. Entscheidungen, 9 – 12 Monate bis zu Gremien-beschlüssen

Gründung und gesellschafts-rechtliches Design der Koordinie-rungsstelle

keine beson-dere Voraus-setzung

SPNV-Wachstum/

Sachsen-Takt

einge-schränkt skalierbar (Stufen-modell denkbar)

Freistaat, Zweck-verbände, BMVI, DB Netz, DB Fernverkehr

Abstimmungen mit bzw. zw. mehreren Insti-tutionen, Pla-nungsvorläufe für Einzelmaß-nahmen

ITF-Konzepte, Machbar-keitsstudien

ggf. Prüfung von eisen-bahnrechtli-chen Normen

keine beson-dere Voraus-setzung

Plus-Bus/TaktBus

uneinge-schränkt skalierbar

Freistaat, komm. Aufgabenträger, Zweckverbände, Verkehrsverbün-de, Verkehrsun-ternehmen

Linienkonzeptio-nen (Fahr- und Einsatzplanung), ggf. Fahrzeugbe-schaffung und Vergabeverfah-ren, ca. 1 bis 2 Jahre

punktuelle Maßnahmen, z.B. Verknüp-fungsstellen oder Vor-rangmaß-nahmen

Aufgabenträ-gerschaft, ggf. Förderstruktur (z.B. innerhalb ÖPNVFinVO), ggf. Prüfung Beihilferecht

Vorausset-zung der Förderung durch Frei-staat klären

StadtBus uneinge-schränkt skalierbar

Freistaat, komm. Aufgabenträger, Gemeinden, Zweckverbände, Verkehrsverbün-de, Verkehrsun-ternehmen

Linienkonzeptio-nen (Fahr- und Einsatzplanung), ggf. Fahrzeugbe-schaffung und Vergabeverfah-ren, ca. 1 bis 3 Jahre

punktuelle Maßnahmen, z.B. Verknüp-fungsstellen oder Vor-rangmaß-nahmen

Aufgabenträ-gerschaft, ggf. Förderstruktur (z.B. innerhalb ÖPNVFinVO), ggf. Prüfung Beihilferecht

Vorausset-zung der Förderung durch Frei-staat klären

Land-Bus/FlexBus

uneinge-schränkt skalierbar

Freistaat, komm. Aufgabenträger, Gemeinden, Zweckverbände, Verkehrsverbün-de, Verkehrsun-ternehmen

Linienkonzeptio-nen (Fahr- und Einsatzplanung), ggf. Fahrzeugbe-schaffung und Vergabeverfah-ren, ca. 1 bis 2 Jahre

Optimierung der Bestell-systeme

Auslegung PBefG für fle-xible Systeme und Bürger-busse

Vorausset-zung der Förderung durch Frei-staat klären

Ersatzinves-titionen

uneinge-schränkt skalierbar

Freistaat, komm. Aufgabenträger, komm. Straßen-baulastträger, Verkehrsverbün-de, Verkehrsun-ternehmen

Ermittlung Be-darfe, ggf. Pla-nungsvorläufe

Anpassung Förderrichtli-nie, ggf. Prü-fung Beihilfe-recht

keine beson-dere Voraus-setzung

Barrierefrei-heit

0/1-Entschei-dung; konzepti-onelle Freiheits-grade

Freistaat, komm. Aufgabenträger, komm. Baulast-träger, Verkehrs-verbünde, Ver-kehrsunterneh-men, Behinder-tenverbände

Ermittlung Be-darfe, Planungs-vorläufe, ggf. Fortschreibung der NVP

im Einzelfall Bündelung von Maß-nahmen z.B. im Haltestel-lenumfeld

Regel-Ausnahme-Prinzip gemäß Anforderung PBefG; Ggf. Anpassung ÖPNVG

keine be-sondere Vo-raussetzung

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 85 von 178

Maßnah-me

Modula-rität

Beteiligte Planerischer

Vorlauf

Techn.-betriebl.

Machbar-keit

Rechtlicher Prüfbedarf

Vorausset-zung Fi-

nanzarchi-tektur

Investitio-nen Bal-lungsräume und Ober-zentren

uneinge-schränkt skalierbar

Freistaat, komm. Aufgabenträger, komm. Baulast-träger, Verkehrs-unternehmen

Planungsvorläufe für Einzelmaß-nahmen

von Einzel-maßnahmen abhängig

ggf. Prüfung Beihilferecht

keine be-sondere Vo-raussetzung

Investitio-nen Digitali-sierung und E-Mobilität

uneinge-schränkt skalierbar

Freistaat, komm. Aufgabenträger, Verkehrsverbün-de und Verkehrs-unternehmen

Übliche Pla-nungs- / Be-schaffungsvor-laufzeiten in Abhängigkeit des Maßnahmenum-fangs, ggf. zu-sätzliche kon-zept. Vorarbei-ten nötig

von Einzel-maßnahmen abhängig

unklar, ggf. Anpassung Förderrichtli-nien und wei-tere Regelwer-ke/ Gesetze, ggf. Prüfung Beihilferecht

Anforderun-gen ggf. durch Ein-bindung In-novations-förderung aus anderen Ressorts und Quellen

Sachsen-Tarif

0/1-Entschei-dung; konzept. Freiheits-grade

Freistaat, Ver-kehrsverbünde und Verkehrsun-ternehmen, EVU mit SPNV-Haustarifen und Freistaat

Gründung Trä-gerorganisation als 1. Schritt zum Sachsen-Tarif, Entw. Tarif und EAV, Ablösung EVU-Haustarife

techn. Um-setzung durch Indust-rie

Gründung Trä-gerorganisa-tion

keine be-sondere Vo-raussetzung

Digitaler Vertrieb

0/1-Entschei-dung; konzept. Freiheits-grade

Freistaat, Ver-kehrsverbünde und Verkehrsun-ternehmen (auch außerhalb Sach-sens)

Smartphone: i.W. abhängig von techn. Um-setzung und Verträgen, Smartcard: De-signentschei-dung

techn. Um-setzung durch Indust-rie, Smart-card: Be-schaf-fung Terminalinf-rastruktur

Vereinbarun-gen zwischen Verbünden, ggf. Daten-schutzbe-stimmungen

keine be-sondere Vo-raussetzung

Bildungs-ticket

0/1-Entschei-dung; konzept. Freiheits-grade

Freistaat, komm. Aufgabenträger, Schülerbeförde-rungsträger, Ver-kehrsverbünde, Verkehrsunter-nehmen, Bil-dungspolitik

Designentschei-dung, Satzungs-änderungen, vertriebliche Umsetzung

ggf. Anforde-rungen aus Designent-scheidung

komplex; je nach Detailde-sign mind. Anpassung komm. Satzun-gen, ggf. auch SchulG

absehbar hohe Anfor-derungen

Ausbil-dungs-verkehr

0/1-Entschei-dung; konzept. Freiheits-grade

Freistaat, komm. Aufgabenträger, Verkehrsverbün-de

Methodik Evalu-ation

– – –

Erhöhung

ÖPNVFin-AusG

uneinge-schränkt skalierbar

Freistaat, komm. Aufgabenträger

Normales Ge-setzgebungs-verfahren

– – keine be-sondere Vo-raussetzung

Mobilitäts-folgekos-tenanalyse

0/1-Entscheid.

Freistaat, komm. Aufgabenträger

Methodik – – –

Tab. 14: Prüfkriterien und Umsetzbarkeit

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Seite 86 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

III. Ausblick 2019/2020

Die Bewertung der Maßnahmen anhand der

sechs Prüfkriterien (vgl. Tab. 14) gibt einen

Überblick, welche Maßnahmen bis 2019/2020

umgesetzt werden können und welche Voraus-

setzungen hierfür 2018 zu schaffen sind.

Die wesentlichen Aussagen zu den Maßnah-

men mit relativ schneller Umsetzungsmöglich-

keit sind:

Koordinierungsstelle

Die Umsetzung des Projektes „Einrichtung der

Koordinierungsstelle“ sollte höchste Priorität

genießen und Anfang 2018 in die Wege geleitet

werden, da sie ein Scharnier für die erfolgrei-

che Einführung anderer Maßnahmen bildet

(insbesondere die Einführung des Sachsen-

Tarifs). Zentral sind die Verhandlungen des

Freistaates mit der kommunalen Ebene, um

sich auf ein konkretes Aufgabenspektrum, ein

Organisationsmodell und die Finanzierung zu

verständigen. Im Hinblick auf die politische

Überzeugungsarbeit, Prüfungen durch die

Rechtsaufsichtsbehörden und die erforderli-

chen Gremienbeschlüsse ist hierfür ist ein

Mindestzeitbedarf von rund 9 bis 12 Monaten

anzusetzen.

Damit der operative Umsetzungsprozess bei

den anderen Maßnahmen bis dahin nicht

stockt, soll die Geschäftsstelle interimsweise

im Sinne eines Vorlaufbetriebs fungieren und

z.B. organisatorisch unterstützen.

PlusBus/TaktBus

Aufgrund der hohen Teilbarkeit eignet sich das

landesweite Buskonzept mit dem Modul Plus-

Bus/TaktBus besonders gut zur beschleunigten

Implementierung. Die Angebotsplanungen

hierzu wurden bereits in der Arbeitsgruppe mit

den Zweckverbänden linienscharf abgestimmt.

Weitere Voraussetzungen sind:

Etablierung einer Dachmarke als landes-

weiter Standard zur werbewirksamen

Umsetzung des Konzeptes, inkl. farblicher

Gestaltung der Linienbusse und Kenn-

zeichnung der Haltestellen in einheitli-

chem Corporate Design.

Einbettung in die Finanzarchitektur: Hier

wird vorgeschlagen, die ÖPNVFinVO als

normativen Rahmen zu wählen und keine

Busförderungen auszureichen, sondern

den Werteverzehr der Busse im Rahmen

der Bestellerentgelte abzugelten. Den-

noch sind zahlreiche Detailfragen zu klä-

ren, z.B. Art der Zweckbindung, Pauscha-

lierung, Erfolgskontrolle, Verhinderung

von Mitnahmeeffekten, u.ä.

Positive Verhandlungen zur Aufteilung der

Finanzierung auf Freistaat und kommuna-

le Ebene.

Investitionsstrategie 2030

Soll der ÖPNV im Bestand erhalten und auf den

digitalen und barrierefreien Prozesslevel 2030

gehoben werden, muss eine konsistente Inves-

titionsstrategie entwickelt werden. Ziel ist es,

die Bedarfe für den Substanzerhalt, die Aus-

richtung auf die Urbanisierung und die Investi-

tionen in die digitale Welt (v.a. auch im ländli-

chen Raum) sowie zur Herstellung der Barriere-

freiheit materiell zu verzahnen.

Die Investitionen selbst entfalten ihre Wirkun-

gen immer erst mittel- bis langfristig. Die Stra-

tegie 2030 muss aber in den kommenden zwei

Jahren projektscharf angelegt werden. Ein Vor-

schlag lautet, hierzu einen „One-Stop-Shop“

(z.B. bei der Koordinierungsstelle) anzusiedeln,

der den Stellenwert der Aufgabe signalisiert

und die fachliche Abstimmung zwischen den

vielen Beteiligten verantwortet. Hierzu gehört

auch die Analyse der notwendigen Ressourcen

– z.B. bei den Genehmigungsbehörden – mit

anschließender Maßnahmenkonzeption zur

Engpassbeseitigung.

Sachsen-Tarif

Aufgrund der notwendigen Vorleistungen

(Gründung einer koordinierenden verbund-

übergreifenden Trägerorganisation, Wahl der

Tarifstruktur- und -höhe, Abschaffung der

Haustarife im SPNV, Berechnung der Durchtari-

fierungsverluste, Änderung aller Verkehrsver-

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 87 von 178

träge, Einigung auf ein Einnahmeaufteilungs-

verfahren, Anpassungen im Vertrieb u.ä.) ist

mit einer Vorbereitungszeit von 3 bis 5 Jahren

zu rechnen.

Vorstufen wie die Etablierung einer verbund-

raumübergreifenden Tageskarte für ganz Sach-

sen als zusätzliches Tarifangebot sind schneller

umsetzbar, aber nur ein Schritt hin zum voll-

wertigen Landestarif. In jedem Fall ist es mög-

lich, bis Mitte 2019 eine anfassbare Vorstellung

des künftigen Tarifproduktes zu entwickeln,

das in der Öffentlichkeit als Mehrwert vorzeig-

bar ist.

Moderner digitaler Vertrieb

Sowohl Smartphone- als auch Smartcard-

basierte Lösungen sind in den sächsischen Ver-

bünden bereits im Einsatz. Was fehlt, ist die

Herstellung eines landesweiten Vertriebsstan-

dards, der die klassischen Vertriebskanäle er-

gänzt.

Bis 2019 kann erwartet werden, dass die Ver-

bünde für das Smartphone die notwendigen

technischen und vertraglichen Grundlagen

gelegt haben, um einen mit Fahrplaninformati-

onen hinterlegten Kauf von Tickets für Fahrten

im Freistaat in einer Anwendung an den Fahr-

gast zu bringen. Diese wird in der Zukunft auch

durch die künftig einzubindenden Tarifproduk-

te (z.B. Sachsen-Tarif) wachsen.

Von der Fahrgastakzeptanz wird abhängen, ob

auch das Nutzermedium Smartcard weiter

entwickelt wird. Umsetzungsgeschwindigkeit

und Funktionalität (z.B. Reiseinformationen)

sprechen mittelfristig für das Vertriebsmedium

Smartphone.

Bildungsticket

Um die Einführung eines eigenständigen Tarif-

angebotes für Schüler und Auszubildende wie

das „Bildungsticket“ bis Ende 2019 zu ermögli-

chen, bedarf es der intensiven Abstimmung

zwischen allen beteiligten Akteuren. Ähnlich

wie beim landesweit geltenden Sachsen-Tarif

sind die inhaltliche Ausgestaltung (zeitliche und

räumliche Gültigkeit der Fahrausweise) und die

Kostentragung zu klären. Wichtige Rahmenbe-

dingungen sind die Höhe und Entwicklung der

Elternbeiträge sowie die Weiterentwicklung

des Verkehrsangebotes, vor allem im ländli-

chen Raum (siehe landesweites Buskonzept).

Ausbildungsverkehr

Zudem ist auf der übergeordneten Ebene des

Ausbildungsverkehrs zu prüfen, wie dessen

Finanzierung angesichts seit Jahren überdurch-

schnittlich steigender Kosten insgesamt sicher-

gestellt werden kann. Derzeit steuert das Land

jährlich reichlich 60 Mio. EUR Ausgleichszah-

lungen über das ÖPNVFinAusG bei, während

die kommunale Ebene die erhebliche Differenz

zu den tatsächlichen Kosten trägt. Wie hoch

die Kosten des Ausbildungsverkehrs landesweit

sind, ist derzeit nicht verlässlich bekannt. Da-

her erscheint es erforderlich, künftig die Kos-

ten des Gesamtsystems und deren Entwicklung

zu erfassen, z.B. im Wege eines landesweiten

Monitoring. Dies sollte auch die Mobilitätsfol-

gekosten von kultus- und sozialpolitischen

Maßnahmen für den ÖPNV mit einschließen.

Weitere Maßnahmen

Die Umsetzung aller weiteren Maßnahmen

wird als zeitaufwendiger eingeschätzt. Dies

bedeutet nicht per se, dass sie minder prioritär

seien. Vielmehr dient der Befund der realisti-

schen Einordnung der Erwartungen, was bis

2019 leistbar ist.

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Seite 88 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Schwerpunktaufgaben für den sächsischen ÖPNV ..................................................................... 6

Abb. 2: Maßnahmenkatalog mit Nutzenwirkung .................................................................................... 8

Abb. 3: Mehrwert des ÖPNV-Angebotskonzepts .................................................................................... 9

Abb. 4: Finanzieller Mehrbedarf der Maßnahmen 2025 ...................................................................... 12

Abb. 5: Zeitplan 2018 – wesentliche Etappen ....................................................................................... 14

Abb. 6: Übersicht der ständigen Mitglieder der Kommission und der Arbeitsgruppen ....................... 17

Abb. 7: Phasen und Prozess der Kommissionsarbeit ............................................................................ 19

Abb. 8: Zeitplan 2018 – wesentliche Etappen ....................................................................................... 20

Abb. 9: Erwartungen an den ÖPNV ....................................................................................................... 21

Abb. 10: Karikatur zu Tarifübersichtlichkeit .......................................................................................... 23

Abb. 11: Streckenspezifische Veränderung der Verkehrsnachfrage im SPNV 2010-2015 .................... 30

Abb. 12: Linienscharfe Auslastung Pkm/Zkm 2015 ............................................................................... 31

Abb. 13: Motorisierung im Ländervergleich .......................................................................................... 32

Abb. 14: Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland seit 1990 nach Sektoren. ............ 33

Abb. 15: Auslastung Pkm/Zkm im Ländervergleich ............................................................................... 33

Abb. 16: Akteure der kommunalen Ebene im sächsischen ÖPNV ........................................................ 38

Abb. 17: Entwicklung kommunaler Gesamtaufwand im ÖSPV im Verhältnis zur Verkehrsleistung .... 40

Abb. 18: ÖPNV-Finanzarchitektur auf der Landesebene im Freistaat Sachsen .................................... 41

Abb. 19: Kommunaler Aufwand der Schülerbeförderung im freigestellten- und Linienverkehr .......... 42

Abb. 20: Vorschlag AG Angebotsentwicklung für ein landesweites ÖPNV-Zielkonzept ....................... 47

Abb. 21: Typen nachfrageschwacher SPNV-Linien ................................................................................ 49

Abb. 22: Aktuelle und für den Sachsen-Takt nötige Kantenzeiten zwischen den wichtigsten Knoten . 51

Abb. 23: Erschließungswirkung der Angebotskonzeption im Status quo versus 2025 ......................... 52

Abb. 24: Digitalisierung und Innovationsgrade ..................................................................................... 67

Abb. 25: Entwicklung ReG-Mittel Sachsen nach neuer und hypothetisch alter Gesetzeslage ............. 74

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen Seite 89 von 178

Abb. 26: Nutzerfinanzierungsanteile SPNV und ÖSPV 2014 ................................................................. 79

Abb. 27: Maßnahmenkatalog und Nutzenwirkung ............................................................................... 81

Abb. 28: Zeitplan 2018 – wesentliche Etappen ..................................................................................... 82

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Seite 90 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Produktkategorien und Angebotsmerkmale im SPNV .............................................................. 28

Tab. 2: ÖPNV-Finanzierung Sachsen 2014 in Mio. EUR ......................................................................... 40

Tab. 3: Netzelemente des Angebotskonzepts ....................................................................................... 44

Tab. 4: Produkte, Angebotsparameter und Verkehrsfunktion ............................................................. 45

Tab. 5: Vorschlag der AG Angebotsentwicklung für Qualitätsmerkmale der ÖSPV-Produkte .............. 48

Tab. 6: Empfehlung Zusatzleistung ....................................................................................................... 49

Tab. 7: Barrierefreiheit Ausbaugrad, Status quo ................................................................................... 55

Tab. 8: Themenfelder Stresstest ........................................................................................................... 62

Tab. 9: Varianten Organisationsmodelle ............................................................................................... 63

Tab. 10: Modellvariante C mit Untervarianten ..................................................................................... 64

Tab. 11: Digitalisierungsaspekte und Potenzial für ÖPNV-Unternehmen ............................................. 69

Tab. 12: Modellrechnung zur ÖPNV-Finanzierung Sachsen .................................................................. 75

Tab. 13: Finanzieller Mehrbedarfe im Zielhorizont 2025 ...................................................................... 76

Tab. 14: Prüfkriterien und Umsetzbarkeit ............................................................................................. 85

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 91 von 178

Abschlussbericht

Anlagen

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I. Thesenpapier der Arbeitsgruppe Angebotsentwicklung

ANSATZ

1. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV)1 leistet für die Lebensqualität im Freistaat Sach-

sen, für die Sicherung der Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung, der Leistungsfähigkeit der

Wirtschaft sowie für das Erreichen der nationalen bzw. freistaatlichen Ziele und Verpflich-

tungen im Umwelt- und Klimaschutz einen wesentlichen, unverzichtbaren Beitrag.

2. Der ÖPNV ist deshalb in seiner Wettbewerbsposition zu stärken, indem er

in den Ballungsräumen Vorrang gegenüber dem Autoverkehr erhält (vgl. ÖPNV-Gesetz

Sachsen sowie Stand der Planungstechnik) und

in den anderen Landesteilen zu einer attraktiven Alternative zum Auto weiterentwickelt

bzw. zur Mobilitätssicherung (Daseinsvorsorge) angeboten wird.

3. Hierzu ist die räumliche und zeitliche Bedienung im ÖPNV sachsenweit deutlich zu verbes-

sern durch

ein aufeinander abgestimmtes und durchgängiges Verkehrsangebot und

eine verbesserte zeitliche Abdeckung von morgens bis abends sowie an Wochenenden

und in den Schulferien.

4. Das künftige ÖPNV-Angebot hat die spezifischen Bedingungen in den verschiedenen Teil-

räumen Sachsens struktur- und sachgerecht einzubeziehen. Das betrifft

eine deutliche Stärkung der Angebote in den wachsenden Ballungsräumen,

ein landesweites Grundnetz von Bahn und Bus auf den Verbindungs- und Entwicklungs-

achsen,

die Sicherung der örtlichen Mobilität in Mittel- und Grundzentren sowie

die Gewährleistung einer Grundbedienung in den peripheren und dünn besiedelten

Räumen.

5. Der integrale Taktfahrplan ist die grundlegende Planungsprämisse für alle ÖV-Angebote.

Der Sachsen-Takt ist in den künftigen Deutschland-Takt einzubinden, wozu es einer klaren

und deutlichen Positionierung Sachsens bei Bund1 und Deutscher Bahn AG (DB AG)2 bedarf.

AUSGESTALTUNG

6. Das künftige ÖPNV-Netz ist zur Erhöhung seines Modal-Split-Anteils in den kommenden

zehn Jahren funktional nach den verschiedenen Teilräumen und Verbindungsfunktionen zu

gliedern und mit folgenden Netzelementen zu gestalten:

a) Weiterentwicklung des ÖPNV zum Vorrangsystem in den wachsenden Ballungszentren

(Dresden, Leipzig, Chemnitz);

b) Modernisierung der Straßenbahnsysteme in den Oberzentren (Görlitz3, Zwickau, Plauen);

c) Ausbau der 52 StadtBus-Systeme und Einführung von 40 neuen StadtBus-Systemen in Or-

ten ab ca. 10.000 Einwohnern (in der Regel Halbstundentakt);

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 93 von 178

d) Ausweitung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) auf nachfragestarken Strecken

(insbesondere Regional-Express [RE] und S-Bahn); gleichzeitig Prüfung, wie nachfrageschwa-

che Strecken gestärkt werden können oder bei ausbleibendem Erfolg ggf. auf Busverkehr um-

zustellen sind;

e) Ausbau der SPNV-Wirksamkeit und Erweiterung des ÖPNV-Netzes durch ein landesweites

Plus-/TaktBus-Netz im Stunden- bzw. Zwei-Stundentakt (170 Linien mit rund 4.400 km);

f) Bereitstellung eines Land-/FlexBus-Grundangebotes in peripheren Räumen, wobei flexible

Angebote verstärkt eingesetzt werden sollen.

7. Diese sechs Netzelemente und die Angebots- und Qualitätsstandards sind Grundlage für die

künftige ÖPNV-Planung im Freistaat Sachsen.

8. Der Freistaat Sachsen unterstützt und koordiniert die Aufgabenträger bei der Entwicklung

und Finanzierung von Plus-/TaktBus- und StadtBus-Konzepten, insbesondere bei verbund-

und landkreisübergreifenden Verbindungslinien zentraler Orte.

9. Es wird eine sachsenweit agierende Koordinierungsstelle mit folgenden Aufgaben eingerich-

tet:

Mitwirkung bei der Umsetzung eines vertakteten Grundnetzes aus SPNV und Plus-/ Takt-

Bussen einschließlich Einbindung in den Deutschland-Takt,

Unterstützung flexibler und alternativer Angebote sowie

Erfolgskontrolle zur Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen.

10. Land, Verbünde und Kommunen verständigen sich über eine einheitliche Auslegung des Per-

sonenbeförderungsgesetzes (PBefG) in Bezug auf die Konzeption und Genehmigung flexib-

ler ÖPNV-Angebote mit dem Ziel, flexible Angebote einfacher realisieren zu können.

11. Zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und zur weiteren bürgernahen Erschlie-

ßung in peripheren und dünn besiedelten Räumen sind die Rahmenbedingungen für Bürger-

busse zu verbessern, insbesondere durch ein geeignetes Förderinstrumentarium.

AUSFÜHRUNG / UMSETZUNG

12. Der Ausbau des ÖPNV zum Vorrangsystem in den Ballungsräumen ist unabdingbar, um auch

künftig die Leistungsfähigkeit dieser Wachstumskerne und die dortige Lebensqualität zu ge-

währleisten. Hier sind die erforderlichen Finanzmittel für Ersatz- und Ausbau-Investitionen

bereitzustellen, um eine kontinuierliche Realisierung sicherzustellen.

13. Im ländlichen Raum hat der Aufbau eines landesweiten Grundnetzes aus SPNV und Plus-

/TaktBus hohe Priorität. Von dem aufgezeigten Grundnetz werden künftig 80% der sächsi-

schen Bevölkerung (3,3 von 4,1 Mio. Einwohnern4) unmittelbar profitieren, da sie in fußläufi-

ger Entfernung zu einer Haltestelle leben. Je nach bisherigem ÖPNV-Angebot kommt es zu

einer Verbesserung in der Fahrtenhäufigkeit, dem Bedienungszeitraum, der Linienvielfalt, der

Umsteigequalität oder mehrerem hiervon. Für die weiteren 800.000 Einwohner ist dieses

Grundnetz über Land- und FlexBusse erreichbar. Erste Umsetzungsschritte wurden in 2017

gestartet und weitere können in Abhängigkeit von der Finanzierung zeitnah folgen.

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Seite 94 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

14. Mit der Einführung des Grundnetzes wären die ÖPNV-Angebote in den Regionen grundle-

gend zu überplanen und entsprechende Synergien zu nutzen. Abseits des Grundnetzes er-

folgt die Erschließung durch LandBusse. In peripheren und dünn besiedelten Räumen werden

dabei flexible Angebote (FlexBusse) eine stärkere Rolle spielen.

15. Insbesondere der Aufbau der zusätzlichen StadtBus-Systeme in Mittel- und Grundzentren

wird einen größeren zeitlichen Vorlauf erfordern. Die stufenweise Realisierung ab 2018 wird

in starkem Maße von der Initiative der jeweiligen Gemeinden und ihren finanziellen Mitteln

abhängen. Die Gemeinden sind durch den Freistaat, die Zweckverbände und Landkreise ent-

sprechend zu unterstützen.

16. Die Umsetzung der vorgenannten Konzepte bedarf zusätzlicher Mittel für Investitionen und

Leistungserstellung. Dabei ist die Bereitstellung oder ein Ersatz der bisherigen Entflech-

tungsmittel auf Landesebene mit Vorrang ÖPNV als ein Baustein erforderlich.

1. Ziele der Angebotsentwicklung

Ziele der Angebotsentwicklung im Freistaat

Sachsen sind:

eine Verbesserung der räumlichen und

zeitlichen Bedienung mit öffentlichen

Verkehrsleistungen durch

- ein aufeinander abgestimmtes, fahr-

gastfreundliches und durchgängiges

Taktsystem von der regionalen bis zur

örtlichen Bedienung, das in die Takte

des Fernverkehrs eingebunden ist,

- eine Verbesserung der zeitlichen Ab-

deckung von morgens bis in die

Abendstunden sowie an Wochenen-

den in einer Taktfrequenz, die sich an

der Lebenswirklichkeit der Menschen

in Sachsen orientiert,

- ein Angebotssystem, das auf die struk-

turellen, demografischen und wirt-

schaftlichen Bedingungen der Teilräu-

me Sachsens abgestimmt ist;

Entwicklung eines verständlichen Ange-

botssystems, durchgängig für alle Lan-

desteile, für Ballungszentren sowie länd-

liche Gemeinden gleichermaßen, und mit

hohem Wiedererkennungswert;

eine sach- und strukturgerechte Aufga-

benteilung zwischen den Aufgabenträ-

gern.

2. Analyse des Status quo

Im Freistaat Sachsen entwickeln sich die Teil-

räume sehr unterschiedlich. Besonders augen-

fällig wird dies am Beispiel der Bevölkerungs-

entwicklung. In und um die drei größten Städ-

te nimmt die Bevölkerung zu, was im Falle

Leipzigs und Dresdens in hohem Maße zutrifft

und sich im Falle von Chemnitz andeutet. In

diesen drei Oberzentren und den benachbar-

ten wachsenden Gemeinden leben 43% der

sächsischen Bevölkerung.5 Diese Räume müs-

sen ein Verkehrswachstum bewältigen und

benötigen Investitionen in die Verkehrsinfra-

struktur zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit

(besonders dort, wo die Kapazitäts- und ver-

kehrsbedingte Immissionsgrenzen erreicht

wurden oder zeitnah erreicht werden) und um

ihren Beitrags zum Umwelt- und Klimaschutz

zu leisten. Eine besondere Rolle spielen au-

ßerdem die absehbar zunehmenden Stadt-

Umland-Verflechtungen und die Herstellung

der gesetzlich geforderten Barrierefreiheit.

Für den überwiegenden Teil der sächsischen

Gemeinden wird jedoch eine z. T. erhebliche

Bevölkerungsabnahme prognostiziert, die sich

u.a. in einem Fachkräftemangel und zurück-

gehenden Schülerzahlen niederschlägt. Ver-

einfachend können diese Gemeinden als po-

tenzielle ÖPNV-Problemräume mit Erreichbar-

keits- und damit Teilhabedefiziten bezeichnet

werden. Im Zuge der überdurchschnittlichen

Alterung spielt auch in diesen Teilen Sachsens

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 95 von 178

Seniorenmobilität und mit ihr das Thema

„Barrierefreiheit“ eine große Rolle. Außerdem

bedarf es angemessener Mobilitätsangebote

für Familien. Diese Gemeinden liegen über-

wiegend im ländlichen Raum, auch in dessen

verdichteten Bereichen, sowie im Verdich-

tungsraum um Chemnitz und Zwickau. Unter-

schiede bestehen zwischen ihnen hinsichtlich

der konkreten planerischen Herausforderun-

gen:

In den Ober- und Mittelzentren außer-

halb der demografisch wachsenden

Räume leben derzeit 24% der sächsi-

schen Bevölkerung.6 Diese Zentren wer-

den zwar in geringerem Maße schrump-

fen als die sie umgebenden Gemeinden,

allerdings bedarf es wegen der rückläufi-

gen Bevölkerung besonderer Anstren-

gungen, sie als regionale „Anker“ zu sta-

bilisieren und zu entwickeln. Über sie

findet die Verknüpfung abgelegener länd-

licher Räume mit den Wachstumsräumen

statt, außerdem bieten sie Potenzial für

attraktive Stadt- und Ortsbuslösungen im

Binnenverkehr.

Der Anteil der Bevölkerung, der in

schrumpfenden Grundzentren oder

nichtzentralen Gemeinden lebt, ist mit

derzeit 33%7 beträchtlich. Trotz des de-

mografischen Wandels wird er in den

kommenden Jahren nicht wesentlich sin-

ken. Diese Städte und Gemeinden, die

wegen ihrer Zentren- und Achsenferne

über eine geringe Lagegunst verfügen,

bedürfen einer auf ihre räumlichen Be-

dingungen zugeschnittenen Strategie.

Derzeit sind die in den Regional- und

Nahverkehrsplänen für diese Räume ge-

troffenen planerischen Aussagen unein-

heitlich und kaum konkret.

Eine besondere Bedeutung für die Siche-

rung der Erreichbarkeit außerhalb der

Oberzentren kommt deshalb dem leis-

tungsfähigen ÖPNV entlang der Achsen

zu. Sie verbinden die sächsischen Zentren

untereinander und mittelbar auch die

kleineren Flächengemeinden mit den

Großstädten. In vielen Achsen über-

nimmt der SPNV diese Aufgabe – aller-

dings verbunden mit der Einschränkung,

dass eine einzelne Bahnstation in Flä-

chengemeinden nicht die Erschließung

sämtlicher Einwohner dieser Gemeinde

sicherstellen kann. Abseits vom SPNV er-

schlossener Räume übernehmen bereits

vereinzelt ÖSPV-Angebote die überregio-

nale Erschließung. Diese ÖSPV-Angebote

müssen systematisch weiter ausgebaut

werden und mit einem attraktiven Takt

und nachfrageadäquaten Bedienzeiten

ergänzt werden. Außerdem ist auf eini-

gen SPNV-Nebenstrecken die Nachfrage

derzeit so gering, dass eine grundhafte

Strategie für die zukunftsfähige Anbin-

dung der betroffenen Räume zu entwi-

ckeln ist.

3. Handlungsempfehlungen

Um den räumlichen Herausforderungen ge-

recht werden zu können, ist es erforderlich,

für folgende Handlungsfelder Strategien zu

entwickeln:

Ausbau und Weiterentwicklung des

ÖPNV in Oberzentren mit Straßenbahn-

angebot (vgl. Ziffer 3.1),

angebotsorientierte ÖSPV-Konzepte in

den Landkreisen (PlusBus, TaktBus,

StadtBus, LandBus, FlexBus) (vgl. Ziffer

3.2).

Weiterentwicklung von nachfragestarken

SPNV-Strecken als Rückgrat des sächsi-

schen ÖPNV (vgl. Ziffer 3.3),

Perspektiven zur Weiterentwicklung

nachfrageschwacher SPNV-Strecken (vgl.

Ziffer 3.4),

konsequente Verknüpfung aller ÖPNV-

Angebote zur Stützung des SPNV als alle

Landesteile verbindendes Rückgrat des

ÖPNV (vgl. Ziffer 3.5),

Die Wirkung dieser Empfehlungen auf die

Erschließung Sachsens ist unter Ziffer 3.6 zu-

sammengefasst.

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Seite 96 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

3.1 Ausbau und Weiterentwicklung des ÖPNV in Oberzentren mit Straßenbahn-angebot

Der ÖPNV bildet in den sächsischen Oberzen-

tren mit Straßenbahnangebot (Chemnitz,

Dresden, Leipzig, Plauen, Zwickau, Görlitz die

wesentliche Säule des ÖV und ist elementar

für die Funktionsfähigkeit dieser Städte. Gera-

de vor dem Hintergrund der – bereits einge-

tretenen und weiter prognostizierten – Bevöl-

kerungszunahme stellt der Anspruch der Wei-

terentwicklung des ÖPNV deshalb eine beson-

dere Herausforderung dar. Die Konsequenzen

fallen für die sechs Straßenbahnstädte inso-

fern unterschiedlich aus, als die Dynamik in

der Bevölkerungsentwicklung insbesondere

für Leipzig und Dresden, mit Abstrichen auch

Chemnitz, anders ausfällt als in Plauen, Zwick-

au und Görlitz. Insofern sind auch Ziele und

Maßnahmen für die Angebotsentwicklung zu

unterscheiden.

3.1.1 Entwicklung des ÖPNV zum Vor-rangsystem in Leipzig, Dresden und Chemnitz durch Angebotsausweitung

Die Weiterentwicklung des ÖPNV zum Vor-

rangsystem gegenüber dem Autoverkehr kann

in Leipzig, Dresden und Chemnitz nur bei einer

deutlichen Angebotsausweitung gelingen.

Neben der deutlichen Verdichtung des Ange-

botes auf bestehenden Strecken gehört dazu

auch die Ausweitung des Angebotes zur Ver-

besserung der Erschließung verdichteter oder

neuer Siedlungs- und Gewerbegebiete und

öffentlicher Einrichtungen sowie flankierende

Maßnahmen wie Mobilitätsmanagement,

Parkraumbewirtschaftung etc. (s.u.).

Mit den bestehenden Fahrzeug- und Infra-

strukturkapazitäten kann dieser Leistungsauf-

wuchs wegen der in den Spitzenstunden heu-

te bereits gegebenen Nachfrage nur in Teilen

bewerkstelligt werden. Besonders problema-

tisch wird der zu erwartende Anstieg der Ver-

kehrsnachfrage im Schüler- und Berufsverkehr

ausfallen. Dies hat auch Einfluss auf die At-

traktivität des ÖPNV, da überfüllte Fahrzeuge

i.d.R. die Zufriedenheit der Fahrgäste min-

dern.

Die hierzu bereits erarbeiteten strategischen

Szenarien der Verkehrsunternehmen sehen in

einem ersten Anpassungsschritt Fuhrparker-

weiterungen vor. Notwendig werden dabei

entsprechende Abstell- und Werkstattkapazi-

täten. Bei weiter steigender Nachfrage wird

dann sequentiell die Umstellung von stark

nachgefragten Busverkehren auf leistungsfä-

higere Straßenbahnneubaustrecken erfolgen

müssen. In Innenstadtbereichen werden Stra-

ßenbahnneubaustrecken zur Entlastung der

aufgrund der Neuverkehre nicht mehr leis-

tungsfähigen Bestandsstrecken erforderlich.

Die zeitliche Einordnung dieser Maßnahmen

lässt sich an der nachfolgenden, von den

Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) für das

Beispiel Leipzig erarbeiteten Darstellung (Ab-

bildung 1) skizzieren: Der auf Grundlage des

zu erwartenden Bevölkerungswachstums und

der verkehrspolitischen Ziele der Stadt prog-

nostizierte Fahrgastzuwachs ist mit dem roten

Pfeil dargestellt. In den ersten Jahren kann die

für diesen Zuwachs nötige Fahrzeugkapazität

durch Optimierung und Ergänzung der Fahr-

zeugflotte, aber auch der Betriebshöfe (z.B.

Abstellanlagen) noch kurz- bis mittelfristig

bereitgestellt werden. Ab etwa 2025 werden

diese Maßnahmen jedoch nicht mehr ausrei-

chen und die Weiterentwicklung des Schie-

nennetzes wird essentiell. Aufgrund der für

den Streckenausbau erforderlichen Planungs-

vorläufe ist eine Beschäftigung mit diesem

Ausbau bereits in wenigen Jahren unumgäng-

lich.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 97 von 178

3.1.2 Entwicklung des ÖPNV in Plauen, Zwickau und Görlitz insbesondere durch Modernisierung der Straßenbahnsysteme

In Plauen, Zwickau und Görlitz besteht – vor

dem Hintergrund der relativ konstanten Be-

völkerungsentwicklung und des deutlich nied-

rigeren ÖPNV-Anteils am Modal Split (um

etwa 10%9) – das vorrangige Ziel darin, das

bestehende Angebot auf dem heutigen Niveau

fortschreiben und geringfügig ausbauen zu

können. Der Handlungsschwerpunkt liegt des-

halb derzeit auf einer betrieblichen und ver-

kehrlichen Optimierung des Angebotes, insbe-

sondere der Modernisierung der Straßen-

bahnsysteme. Die hierzu bereits erarbeiteten

konkreten Planungen der Stadtverwaltungen

und Verkehrsunternehmen sehen – z.B. durch

Ersatzinvestitionen in Fahrzeuge oder rech-

nergestützte Betriebsleitsysteme oder durch

Sanierung von einzelnen Streckenabschnitten

– für die nahe Zukunft Maßnahmen zur Siche-

rung von Attraktivität, Effizienz und Funktions-

fähigkeit der vorhandenen Netze sowie zur

Herstellung der Barrierefreiheit vor.

Das darüberhinausgehende Ziel einer spürba-

ren Erhöhung des ÖPNV-Anteils am Modal

Split erfordert zusätzliche, insbesondere in-

vestive Maßnahmen. Dazu gehören gezielte

Erweiterungen des Straßenbahnnetzes, die

Anschaffung von Straßenbahnfahrzeugen zur

Taktverdichtung, die barrierefreie Modernisie-

rung von Trassen in Bundesstraßen oder die

Umstellung auf Elektroantrieb im Busverkehr.

Aufgrund der geringeren Verkehrsnachfrage

ist aber davon auszugehen, dass Netzergän-

zungen überwiegend mit Linienbussen erfol-

gen.

3.1.3 Verkehrsträgerübergreifende und dabei stärker am Umweltverbund ausge-richtete Verkehrsplanung in allen sechs Oberzentren

In allen sechs Oberzentren zeichnet sich ab,

dass die verfolgten Ziele nicht allein durch

investive und betriebliche Maßnahmen er-

reicht werden können. Zusätzlich sind folgen-

de organisatorische, verkehrsträgerübergrei-

fende und dabei stärker am Umweltverbund

ausgerichtete Bausteine für die Verkehrspla-

nung wichtig:

Einrichtungen für den nichtmotorisierten

Verkehr, insbesondere der Fahrradinfra-

struktur zur Schaffung eines lückenlosen

Netzes mit Hochleistungs- und Erschlie-

ßungstrassen sowie ausreichenden Ab-

stellkapazitäten,

intermodale Zugangs- und Schnittstellen

(z.B. Mobilitätsstationen),

intelligentes Verkehrsmanagement, z.B.

zur Reduktion von Umsteigezeiten, An-

schlusssicherung oder Optimierung von

Umläufen; aber auch zur Stauvermeidung

im Autoverkehr,

Abb. 1: Maßnahmen zur Bewältigung des Fahrgastzuwachses in einem Ballungszentrum8

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Seite 98 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

mobilitätsbeeinflussende Maßnahmen

(z.B. Tarifierung, betriebliches Mobili-

tätsmanagement, durch Konzepte für

Gewerbegebiete oder Großveranstaltun-

gen, Sharing-Angebote),

auf den Umweltverbund ausgerichtete

Siedlungsentwicklung entlang der ÖPNV-

Achsen,

Flächenaufteilung zugunsten des Um-

weltverbundes und Bewirtschaftung des

knappen Parkraumes.

3.2 Angebotsorientierte ÖSPV-Konzepte in den Landkreisen (PlusBus, TaktBus, StadtBus, LandBus, FlexBus)

Für die Umsetzung der oben benannten Ziele

bestehen in den einzelnen Teilräumen Sach-

sens unterschiedliche Herausforderungen.

Deshalb werden zwischen Raum- und Sied-

lungstyp differenzierende Maßnahmen abge-

leitet:

Sachsenweit ist das SPNV-Netz durch di-

rekt geführte und regelmäßig verkehren-

de Buslinien zu ergänzen, um die Auslas-

tung des SPNV zu erhöhen, den Aus-

tausch zwischen den verschiedenen Lan-

desteilen zu ermöglichen und die im Fol-

genden erläuterten verschiedenen Stadt-

verkehrssysteme miteinander zu ver-

knüpfen. Damit werden auch die Zentra-

le-Orte- und Achsen-Konzepte der Lan-

des- und Regionalplanung sowie die

Struktur der Metropolregion Mittel-

deutschland unterstützt. Dieses Busan-

gebot soll sich in seinen Angebots- und

Qualitätsstandards am SPNV orientieren.

Das Angebot, das den in Tabelle 1 und

Tabelle 2 aufgelisteten Qualitätsmerkma-

len entspricht, ist als Plus- bzw. TaktBus

zu vermarkten.

In kompakten Siedlungsgebieten sind zur

Sicherung der Mobilität attraktive Stadt-

verkehrsangebote zu sichern, zu verbes-

sern oder erstmalig einzurichten. Das An-

gebot, das den in Tabelle 1 und Tabelle 2

aufgelisteten Qualitätsmerkmalen ent-

spricht, ist als StadtBus zu vermarkten.

Weniger kompakte Siedlungen – darun-

ter auch die Außenbereiche der Städte

und Gemeinden mit Stadtverkehrsange-

bot – werden, sofern sie im Einzugsbe-

reich des Bus-Grundnetzes (Plus- bzw.

TaktBus) liegen, durch dieses erschlos-

sen.

Gemeinden und Siedlungen, die für

Stadtverkehrskonzepte nicht die erfor-

derliche Kompaktheit und Struktur mit-

bringen und die nicht über das Grundnetz

erschlossen werden können, bedürfen

angepasster Konzepte zur Sicherung der

Daseinsvorsorge. Da die ÖPNV-Nachfrage

in diesen Gebieten erfahrungsgemäß ge-

ring ausfällt, sind entsprechend kleinteili-

ge und ortsangepasste Lösungen, ein-

schließlich flexibler Bedienformen und

Bürgerbusse, zu finden. Das Angebot, das

den in Tabelle 1 und Tabelle 2 aufgeliste-

ten Qualitätsmerkmalen entspricht, ist

als Land- bzw. FlexBus zu vermarkten.

Ein Vorschlag für das Grundnetz aus SPNV,

Plus- und TaktBussen sowie den Stadtverkeh-

ren ist in der folgenden Abbildung dargestellt.

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Abb. 2: Vorschlag eines sachsenweiten ÖPNV-Grundnetzes aus SPNV, Plus- und TaktBussen sowie StadtBussen10

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Seite 100 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Der Verkehrsplanung des Freistaates Sachsen

wird empfohlen, die benannten Netzelemente

als Grundlage für die künftige ÖPNV-Planung

zu nutzen. Hierfür werden im Folgenden die

für das Systemverständnis und den Systembe-

trieb notwendigen Standards – Produktkate-

gorien mit den zugehörigen Angebotsparame-

tern vorgeschlagen:

Raumtyp Systemange-bot

Ver-kehrs-mittel

Bedienzeit-raum Mo-Fr

Fahrtenpaa-re

Mo-Fr

Fahrtenpaa-re Sa

Fahrtenpaa-re So

Stadtverkehr

Stadtbusstädte (Mit-tel- und Grundzentren sowie weitere kom-pakte Gemeinden ab ca. 10.000 Einwohner)

z. T. neu einge-führte Stadtver-kehrs-systeme

StadtBus 5:00 –

23:00

32 (30min-Takt)

28 (30min-Takt)

24 (30min-Takt)

Regionalverkehr

(über-) regionale Achsen und weitere wichtige Verbindun-gen

Grundnetz des ÖSPV

PlusBus

TaktBus

5:00 –

23:00

18 (1h-Takt)

1211

(2h-Takt)

12 8

ländlicher Raum in den Achsenzwischen-räumen

Ergänzungsnetz des ÖSPV

Land- / FlexBus

lokal verschieden

1 bis 6 0 bis 6 0 bis 6

Tab. 1: Angebotsparameter für StadtBusse, Plus- und TaktBusse sowie Land- und FlexBusse12

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 101 von 178

Zu den einzelnen ÖSPV-Produkten werden

folgende Qualitätsmerkmale vorgeschlagen:

ÖSPV-Produkt Qualitätsmerkmal

StadtBus Verknüpfung mit SPNV und sonstigen PlusBus-, StadtBus- und TaktBus-Linien an ge-eigneten Stationen, Übergangszeit 10min

Rendezvoushaltestellen in zentraler Lage

hohe Haltestellendichte; Barrierefreiheit an Knotenpunkten und weiteren ausgewähl-ten Haltestellen möglich

Mini-/Midibusse mit Niederflurtechnik

Bedienung aller wichtigen Aufkommensschwerpunkte

PlusBus und TaktBus

Verknüpfung mit SPNV und sonstigen PlusBus-, StadtBus- und TaktBus-Linien an ge-eigneten Stationen, Übergangszeit 10min

hohe Reisegeschwindigkeit und Pünktlichkeit (Sicherstellung ggf. durch Busspuren und Bevorrechtigungen an Lichtsignalanlagen)

Lage und Anzahl der Haltestellen sind unter Abwägung der einander widersprechen-den Ziele „Verbesserung der Erschließung“ und „Erhöhung der Reisegeschwindigkeit“ zu prüfen

Fahrradmitnahme

Sitzplätze als Standard (Anschnallmöglichkeit)

WLAN im Fahrzeug/Toiletten an wichtigen Knotenpunkten

Fahrgastinformation und Anschlusssicherung/Info zu PlusBus auch im SPNV

sachsenweite Erkennbarkeit (z.B. Logo, Farbgestaltung bei Neufahrzeugen)

LandBus Angebot mit regional angepasstem Takt für den ländlichen Raum unterhalb der Grundzentren mit bis zu 500 Einwohnern

Knoten mit SPNV und regionalen Buslinien (so vorhanden)

Anschlusssicherung an wichtigen Taktknoten zu SPNV, Plus- und TaktBus

hierzu zählen auch Schülerverkehre, die nicht in das Grundnetz integriert werden kön-nen

FlexBus FlexBus als bedarfsabhängige Alternative zum LandBus, bei Bedarf auch im Flächenbe-trieb

Bürgerbus und andere Mitfahrgelegenheiten

Ergänzung durch Bürgerbusse und Mitfahrangebote bei vorhandenem lokalem Enga-gement

Tab. 2: Vorschlag für Qualitätsmerkmale der ÖSPV-Produkte13

3.3 Weiterentwicklung von nachfrage-starken SPNV-Strecken als Rückgrat des sächsischen ÖPNV

Der SPNV hat die Aufgabe, alle Landesteile

zügig und in attraktiver Frequenz zu verbin-

den. Im Einzelnen lässt sich das Angebot funk-

tional nach drei grundlegenden, sich teilweise

auf Abschnitten des Schienennetzes ergän-

zenden Kategorien14 unterteilen:

S-Bahnen und S-Bahn-ähnliche Verkehre

in den Ballungsräumen Leipzig, Dresden

und Chemnitz zur Abwicklung nachfrage-

starken Ballungsraumverkehrs,

RE-Linien zur schnellen Verbindung der

Zentralen Orte und weiterer Aufkom-

mensschwerpunkte,

RB-Linien zur Flächenerschließung so-

wohl im Stadt-Umland-Verkehr als auch

im ländlichen Raum.

Für die Erreichung der unter Ziffer 0 genann-

ten Ziele ist die Bereitstellung eines durchge-

hend hochwertigen Angebotes im SPNV erfor-

derlich. Hierzu gehören grundsätzlich folgende

Maßnahmen:

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Seite 102 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

die Differenzierung von langsamen und

schnellen Angeboten auf den Hauptach-

sen,

die Schaffung überregionaler, d.h. über

Sachsen hinausgehender Verbindungen,

der weitere, zumeist schon vertraglich

vereinbarte Ausbau der S-Bahn-

Angebote,

ein möglichst durchgängiger Stundentakt

und

die punktuelle Schließung von Lücken im

SPNV-Angebot.

Auf dieser Grundlage sind in Abhängigkeit von

laufenden Verkehrsverträgen und erforderli-

chem Fahrzeugmehrbedarf Zusatzleistungen

in folgenden Schritten15 vorgesehen:

ab 2019: 1,1 Mio. Zkm (davon 0,02 Zkm

RE): Wiederbestellung kürzlich abbestell-

ter Leistungen und die Nutzung fester

Optionen, sofern kein Fahrzeugmehrbe-

darf entsteht,

ab 2020: 0,6 Mio. Zkm: RE-Stundentakt

Dresden – Görlitz,

ab 2022: 0,4 Mio. Zkm: RE Dresden – Ustí

nad Labem (CZ) und Erfurt – Chemnitz,

ab 2024: 2,0 Mio. Zkm (davon 1,8 Zkm

RE): Halbstundentakt Dresden – Leipzig

und Chemnitz – Leipzig, Taktverdichtung

Leipzig – Zeitz,

ab 2025: 0,2 Mio. Zkm: Halbstundentakt

Dresden – Ottendorf-Okrilla,

ab 2026: 0,3 Mio. Zkm: RE/S5X Leipzig –

Plauen – Hof,

ab 2028: 0,2 Mio. Zkm: RE Zwickau – Kar-

lovy Vary (CZ),

ab 2030/31: 0,1 Mio. Zkm: Taktverdich-

tung Leipzig – Erfurt/Jena.

Damit wird das Konzept eines Sachsentaktes

(vgl. Ziffer 3.5) um fehlende Angebotskompo-

nenten erweitert. Nicht zuletzt wird dadurch

auch der Nutzen der ohnehin vorgehaltenen

teuren Ressourcen (Infrastruktur, partiell auch

Fahrzeuge) für den SPNV maximiert.

3.4 Perspektiven zur Weiterentwicklung nachfrageschwacher SPNV-Strecken

Auf einer Reihe von SPNV-Strecken werden

abschnittsweise unter 200.000 Pkm/km ab-

gewickelt. Sie können als „nachfrageschwach“

bezeichnet werden. Trotz der geringeren

Nachfrage stellen diese Linien jedoch das ele-

mentare Grundgerüst der regionalen Erschlie-

ßung in ihrem jeweiligen Raum dar, auf dem

das geplante weiterführende Plus-/TaktBus-

Netz (vgl. Ziffer 3.2) aufbaut. Gäbe es diese

Linien nicht, würden größere Lücken hinsicht-

lich der regionalen Erschließung auftreten. Die

betrachteten Strecken lassen sich in vier Kate-

gorien hinsichtlich Verkehrsnachfrage und

Lage im Verkehrsnetz einteilen:

Abb. 3: Kategorien und Beispiele nachfrageschwacher Strecken

16

A) gesamte Strecke mit geringer Auslastung,

B) mittlerer Streckenabschnitt mit geringer

Auslastung, an den Streckenenden im Zu-

lauf auf größere Zentren nimmt die Nach-

frage spürbar zu,

C) Ende einer Strecke mit geringer Auslas-

tung,

D) Ende einer Strecke mit geringer Auslas-

tung, diese ist aber am Endpunkt mit an-

deren Strecken verknüpft und stellt dort

einen wichtigen Anschluss her.

Darüber hinaus haben die Strecken oftmals

eine hohe Bedeutung für die Erschließung

touristisch bedeutender Regionen und werden

teilweise auch im Güterverkehr genutzt.

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Für die langfristige Entwicklung dieser Stre-

cken fehlt bislang eine verlässliche Perspekti-

ve, ob der SPNV weiterbetrieben oder einge-

stellt werden soll. Die zahlreichen Abbestel-

lungen der vergangenen Jahre – über 800 km

Schienenstrecke, d.h. etwa 25% des Gesamt-

netzes seit 1990 – mussten zumeist kurzfristig

wegen verringerter Finanzmittel erfolgen,

ohne dass eine ausreichende Betrachtung der

Ursachen und möglichen Maßnahmen zur

Nachfragesteigerung möglich war. Diese Ent-

wicklung war und ist für den ÖPNV auch des-

halb problematisch, da zeitgleich das Straßen-

netz erheblich erweitert wurde und sich die

Wettbewerbsposition des ÖPNV entsprechend

verschlechterte:

Abb. 4: Entwicklung des Schienen- und Straßennetzes im Freistaat Sachsen zwischen 1990 und 2015

17

Insofern ist für die Diskussion der Zukunft von

weiterhin in Betrieb befindlichen nachfrage-

schwachen Strecken wichtig, die wesentlichen

Gründe für die geringe Nachfrage zu ermitteln

und denkbare Lösungsansätze auf ihre Umset-

zung und Wirkungen zu prüfen:

Reisezeiten und Fahrplangestaltung (z.B.

aufgrund einer ungünstigen Lage der Hal-

testellen, von Langsamfahrstellen, von

sehr langen Umsteigezeiten zum sonsti-

gen SPNV oder Busnetz),

Tarif und Marketing (z.B. aufgrund un-

verhältnismäßig teurer und komplizierter

Tarife, ausbaufähiger Vermarktung),

Infrastrukturgestaltung und -kosten (z.B.

aufgrund noch unbefriedigender bauli-

cher Gestaltung intermodaler Verknüp-

fungspunkte, deutschlandweit gültiger

Richtlinien, die nicht immer zu regional

günstigen und fahrgastfreundlichen bau-

lichen Lösungen führen, hoher Trassen-

und Stationsgebühren oder ungenügend

aufeinander abgestimmter Flächennut-

zung und Verkehrsplanung),

Verlässlichkeit des Angebots (z.B. durch

regelmäßige Fahrplaneinschränkungen

und -änderungen infolge langwieriger

Baumaßnahmen).

hohe Motorisierung aus spezifischen re-

gionalen Gründen (z.B. Automobilindust-

rie)

Die betroffenen Zweckverbände und weitere

beteiligte Akteure (Landkreise etc.) sollten für

die jeweilige Strecke und die lokalen Bedin-

gungen hierauf aufbauend zeitnah ein indivi-

duell zugeschnittenes Maßnahmenpaket zur

Nachfragesteigerung herausarbeiten. Dies

sollte die notwendigen Maßnahmen, unter-

setzt mit den erforderlichen Finanzbedarfen

sowie der zu erwartenden Fahrgaststeigerung,

beinhalten.

Auf dieser Grundlage wäre dann in einer wei-

teren Phase – in erster Linie mit den jeweili-

gen Zweckverbänden – eine Diskussion dar-

über zu führen, ob die Initiative zur Umset-

zung der jeweiligen Maßnahmen zielführend

erscheint (Kosten, Aufwand und Erfolgschan-

cen) oder eine alternative Erschließung/Be-

dienung als insgesamt zielführender angese-

hen wird. Dabei ist auch zu beachten, welche

Fahrzeiten mit alternativen Buskonzepten und

welche Wirkung auf die Erreichbarkeitsver-

hältnisse sich dann ergeben.

Außerdem ist für die nachfrageschwachen

Strecken die Nachfrageentwicklung kontinu-

ierlich von den Zweckverbänden im Rahmen

der SPNV-Erfolgskontrolle zu evaluieren. Die

Erfolgskontrolle sollte daher um eine geson-

derte Betrachtung der nachfrageschwachen

Strecken – einschließlich der Erfassung zeitlich

begrenzter, die Nachfrage limitierender Fakto-

ren – erweitert werden.

3100 km 2300 km

7000 km

-800 km

7000 km

+700 km

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

1990 2015 1990 2015

SPNV Straßen

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Seite 104 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Spätestens vor der Neuvergabe ist dann von

den Zweckverbänden zu entscheiden, ob der

SPNV-Betrieb langfristig aufrechterhalten,

aufgewertet und verbessert oder eingestellt

werden soll.

3.5 Konsequente Verknüpfung aller ÖPNV-Angebote zur Stützung des SPNV als alle Landesteile verbindendes Rück-grat des ÖPNV

Eine Verknüpfung aller ÖPNV-Angebote ist in

besonderem Maße eine Frage geschickter

Vertaktung, um Umstiege zu erleichtern und

so eine gute Netzwirkung zu erzielen. Der sog.

„integrierte Taktfahrplan“ (ITF) ist ein über-

greifendes Planungsprinzip, welches in der

Schweiz und seit der Bahnreform auch in ein-

zelnen Bundesländern (z.B. Rheinland-Pfalz

und Bayern) etabliert ist: Züge und Busse fah-

ren in einem festen Takt und bestimmte Um-

steigehaltestellen werden als Taktknoten aus-

gebaut, sodass dort im Idealfall Umstiege zwi-

schen allen Linien gewährleistet sind (Rund-

umanschluss).

Der Ansatz des ITF beschränkt sich nicht auf

den SPNV, sondern ist vielmehr ein übergrei-

fendes Konzept, in dem alle öffentlichen Ver-

kehrsmittel vom Schienenpersonenfernver-

kehr (SPFV, z.B. ICE) bis zum Regionalbus mit-

einander verknüpft werden. Üblicherweise

wird ein ITF top down aus dem SPFV abgelei-

tet, auf den dann der SPNV und anschließend

der Regionalbus abgestimmt werden. Gerade

vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Akti-

vitäten des Bundesverkehrsministeriums zur

Einführung eines Deutschland-Taktes besteht

deshalb aus sächsischer Perspektive Hand-

lungsbedarf sowohl für den SPFV als auch den

SPNV: Das Systemangebot aus eigenwirt-

schaftlichem SPFV und gemeinwirtschaftli-

chem SPNV bedarf einer stabilen langfristigen

Abstimmung, einer geeigneten Infrastruktur

und abgestimmter Taktmuster sowie einer

nachhaltigen Sicherheit der SPFV-Durch-

führung. Aus den regionalen Taktknoten des

SPNV ergeben sich wiederum Übergangspunk-

te zum regionalen Busverkehr, insbesondere

dem Plus-/TaktBus-Netz (vgl. Ziffer 3.2). Der

abzuleitende Sachsen-Takt erfordert die Ein-

haltung folgender drei Prinzipien:

Taktverkehr als Systemangebot für alle

Verkehrsmittel des ÖV,

Ausbau der Infrastruktur nach einem Ziel-

fahrplan und

Sachsen-Takt als Marke für die nachhalti-

ge Stärkung des ÖV.

Hierfür sind folgende Maßnahmen erforder-

lich:

1. Vernetzung und Abstimmung mit dem

Deutschland-Takt des Bundesverkehrsmi-

nisterium

Zur schrittweisen Realisierung eines Sachsen-

Taktes bedarf es einer entsprechenden politi-

schen Strategie, ihrer organisatorischen Um-

setzung und der erforderlichen technischen

Planungen. Hierzu benötigt Sachsen einen

zentralen Ansprechpartner mit entsprechen-

den Kompetenzen, Kontakten und kommuni-

kativen Fähigkeiten, der die Interessen und

Planungen innerhalb Sachsens bündelt, koor-

diniert und entsprechend gegenüber dem

Bund, anderen Bundesländern und der DB AG

vertritt. Dies könnte eine Koordinierungsstelle

„Sachsen-Takt“ leisten, wie es sie in ähnlicher

Weise auch schon in anderen Bundesländern

gibt. Diese haben dort in den vergangenen

Jahren die Landesinteressen gegenüber dem

Bund und der DB AG deutlich stärker vertre-

ten, als dies für Sachsen der Fall war.

2. Infrastrukturplanung sowie Angebotspla-

nung für ITF-kompatible Kantenzeiten

Die weitere Infrastrukturplanung in Sachsen

muss fahrplanbasiert erfolgen. Die folgende

Grafik zeigt einen Vergleich der aktuellen und

zukünftig nötigen Kantenzeiten zwischen den

wichtigsten sächsischen Knoten. Als „nötige“

Kantenzeiten gelten jene Fahrzeiten, mit de-

nen optimale ITF-Angebote eingerichtet wer-

den können. Zum Verständnis der Grafik ist

wichtig festzuhalten, dass die Einrichtung op-

timaler ITF-Knoten davon abhängt, dass die

Fahrzeiten zwischen den Knoten jeweils kürzer

als ein Vielfaches der halben Taktzeit sind. Für

einen Stundentakt bedeutet dies, dass die

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 105 von 178

Fahrzeiten jeweils kleiner als 30, 60, 90 Minu-

ten usw. sein müssen.

Bei einem Halbstundentakt sind es entspre-

chend 15, 30, 45 Minuten usw. Ist dies – wie

derzeit häufig der Fall – nicht gegeben, sind

die ÖV-Fahrzeiten zu jenen des Autoverkehrs

nicht konkurrenzfähig. Die wesentlichen Fahr-

zeitnachteile entstehen dabei durch lange

Umsteigezeiten in den Knoten.

Die Grafik stellt einen idealen Zielzustand dar,

und es sind noch nicht für jeden Streckenab-

schnitt Maßnahmen auf Zielerreichung und

Kosten hin überprüft worden. Der Weg zu

diesem Zielzustand kann auf den jeweiligen

Kanten ganz unterschiedlich ausfallen, etwa

durch lokal begrenzte Baumaßnahmen, durch

neue spurtstarke oder mit Neigetechnik aus-

gestattete Fahrzeuge – für die laufende Ver-

kehrsverträge zu beachten sind –, durch Ände-

rungen im Haltestellenkonzept oder durch

größere Investitionen in die Strecke zu ihrer

Beschleunigung.

3. Einflussnahme auf sowie kurz- und mittel-

fristige Abstimmung mit dem SPFV (Fahr-

plan 2019 ff. und Fernverkehrsoffensive

der DB AG).

Derzeit wird im Rahmen der vom Bundesver-

kehrsministerium beauftragten Erarbeitung

eines Deutschland-Taktes ein deutschlandwei-

ter Zielfahrplan 2030+ entwickelt. Er bedarf

der abgestimmten Zuarbeit der regionalen

SPNV-Angebote, u.a. jener aus Sachsen. Da

schon zuvor Teile der Fernverkehrsoffensive

der DB AG greifen, ist der sächsische Ziel-ITF

nicht nur mit dem langfristigen Konzept des

Bundesverkehrsministeriums abzustimmen,

sondern auch mit dem mittelfristigen der DB

AG.

Dabei muss es erstens um eine kritische Wür-

digung der vorgeschlagenen zusätzlichen

Fernverkehrslinien in Sachsen gehen, die we-

gen ihres überwiegenden Zweistundentaktes

Rückwirkungen auf das landesweite SPNV-

Netz haben werden. Zweitens sind Vorschläge

zu entwickeln, wie die weiterhin bestehenden

Lücken im Fernverkehr geschlossen werden

können. Es handelt sich um die Relationen:

Abb. 5: Aktuelle und für den Sachsen-Takt nötige Kantenzeiten im Bahnnetz18

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Seite 106 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Abb. 6: Erschließungswirkung des ÖPNV-Grundnetzes19

Leipzig – Chemnitz,

(Erfurt –) Gera – Chemnitz,

Dresden – Görlitz – Breslau (– Krakau),

(Berlin –) Cottbus – Görlitz / Berlin –

Cottbus (– Hoyerswerda) – Breslau (–

Krakau).

Drittens sind mit dem Bund, der DB AG und

den anderen Bundesländern Möglichkeiten

auszuloten, inwieweit die Ausgestaltung des

Knotens Erfurt zur Minute 30 als Grundlage

für den Deutschland-Takt angepasst werden

kann, denn in den bisherigen Planungen wird

Leipzig zum Nachteil des sächsischen SPNV

nicht als Vollknoten im Fernverkehr ausge-

prägt sein, d.h. die Züge der beiden Fernver-

kehrslinien begegnen sich hier nicht zeitgleich.

Schließlich ist das RE-Netz in einem weiteren

Schritt landesweit auf den Knoten Leipzig aus-

zurichten. Wie in der Abbildung 5 der Ziel-

Kantenzeiten dargestellt, sind die potenziellen

Fahrzeiten innerhalb Sachsens durchaus ITF-

kompatibel. Es ist dabei zu prüfen, ob mit den

Zielfahrzeiten ausreichende Übergangszeiten

für Umsteiger in Leipzig realisiert werden

können. Grundsätzlich sollten alle RE-Linien

stündlich und ganztägig (analog zum PlusBus

von 5 bis 23 Uhr) verkehren.

3.6 Maßnahmenwirkung

Von den in der ÖPNV-Strategiekommission

entwickelten Maßnahmen profitiert die Be-

völkerung sachsenweit:

In den drei großen Oberzentren Dresden,

Leipzig und Chemnitz wird der ÖPNV leis-

tungsfähiger, die Kapazität in den Fahr-

zeugen erhöht sich. Auf mittlere Sicht

kommt es zu einer Ausweitung des Net-

zes, z.B. durch zusätzliche Straßenbahnli-

nien im Stadtzentrum. Entsprechend pro-

fitieren rund 1,4 Mio. Menschen, d.h.

33% aller Sachsen von der Verbesse-

rung.20

In vielen der weiteren Städte und Ge-

meinden mit Stadtverkehrsangebot

kommt es erstmalig zu einem qualitativ

hochwertigen ÖPNV-Angebot, das die

Nahraumerreichbarkeit und die Erreich-

barkeit der zentralen Bahn- und Bushal-

testellen für den Regionalverkehr erheb-

lich verbessern wird. Und auch in den –

abgesehen von Leipzig, Dresden und

Chemnitz – 58 Städten und Gemeinden,

die bereits heute über ein Stadtbus- oder

Straßenbahnangebot verfügen, wird

durch Angebotsverdichtung, Erhöhung

der Fahrtenanzahl und Ausdehnung des

Betriebszeitraums insbesondere in den

Abendstunden und am Wochenende das

Angebot spürbar besser. Es profitieren

gut 1,2 Mio. Menschen, d.h. 29% aller

Sachsen von der Verbesserung.

Eine weitere Verbesserung des ÖPNV-

Angebotes findet im Regionalverkehr

statt: Rund 700.000 Menschen, d.h. 18%

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 107 von 178

aller Sachsen werden – obwohl sie au-

ßerhalb des Einzugsbereiches von Stadt-

verkehrsangeboten leben – innerhalb

von 300 m Fußweg eine Haltestelle des

im Ein- oder Zweistundentakt betriebe-

nen Regionalverkehrs (Plus- und TaktBus)

erreichen und auf diese Weise zügig in

die nächsten Zentren oder an die nächs-

ten Bahnhaltestellen gelangen. Von dem

Plus- und TaktBus-Angebot profitieren

außerdem die bereits erwähnten, etwa

2,6 Mio. in den Städten lebenden Men-

schen, da es Fahrten in verschiedene

Himmelsrichtungen vereinfacht – und so

die Optionsvielfalt gegenüber Verbin-

dungen, die nur ins nächste Mittel- oder

Oberzentrum führen, spürbar erhöht.

In anderen Worten: Mit diesem Grund-

netz aus großstädtischem Angebot in

Dresden, Leipzig und Chemnitz, Stadt-

Bussen in über 90 kleineren Städten und

Gemeinden, SPNV, Plus- und TaktBussen

werden rund 80% der sächsischen Bevöl-

kerung erschlossen. Sie haben eine er-

heblich höhere Vielfalt an Zielen, die sie

erreichen können, das Angebot ist fuß-

läufig erreichbar und mindestens zwei-

stündlich – überwiegend sogar stündlich

– an allen Tagen in der Woche verfügbar.

Jene Teile des Freistaates Sachsen, aus

denen das Grundnetz nicht innerhalb von

300 m erreichbar ist und in denen knapp

800.000 Menschen, d.h. rund 20% aller

Sachsen leben, werden unverändert

durch LandBusse und vermehrt durch

flexible Angebote erschlossen, sodass

auch die dort entstehende Nachfrage

nach ÖPNV-Dienstleistungen adäquat

bedient und der Anschluss an das Grund-

netz gewährleistet wird.

Die genannten Maßnahmen werden zu einer

spürbaren Erhöhung des Modal-Split-Anteils

des ÖPNV führen. Damit tragen sie zur Einhal-

tung der Verpflichtungen, die die Bundesre-

publik zur Einhaltung von Klima- und Umwelt-

schutzzielen eingegangen ist, bei.

4. Umsetzung

4.1 Planung und Zeitschiene

Im Folgenden werden die Auswirkungen der

fünf oben behandelten Handlungsfelder für

die Zeitschiene zusammengefasst:

1. Beim Ausbau des ÖPNV in den Oberzen-

tren mit Straßenbahnangebot sind zunächst

die erforderlichen Ersatzinvestitionen sicher-

zustellen. Im nächsten Schritt sind Kapazitäts-

erweiterungen durch größere Fahrzeuge und

einzelne Taktverdichtungen anzugehen. Erst

anschließend sind Infrastrukturmaßnahmen zu

realisieren, die aber wiederum mit einem ent-

sprechenden Planungsvorlauf angeschoben

werden müssen.

2. Im Bereich des landesweiten ÖPNV-

Grundnetzes wurden im Rahmen der Arbeit

der ÖPNV-Strategiekommission in einer Ar-

beitsgruppe gemeinsam mit den Zweckver-

bänden linienscharf umfangreiche Planungen

abgestimmt, die bei einer entsprechenden

Mittelbereitstellung ab 2018 sukzessive umge-

setzt werden können. Die Einführung ist je-

weils nach den Sommerferien der Jahre 2018

– 2023 vorgesehen:

2018: 29% der Mehrleistungen (3,5 Mio.

EUR p.a. inkl. Marketing),

2019: weitere 27% Mehrleistungen (insg.

12,0 Mio. EUR p.a. inkl. Marketing),

2020: weitere 18% der Mehrleistungen

(insg. 19,0 Mio. EUR p.a. inkl. Marketing),

2021: weitere 16% der Mehrleistungen

(insg. 25,4 Mio. EUR p.a. inkl. Marketing),

2022: weitere 6% der Mehrleistungen

(insg. 29,6 Mio. EUR p.a. inkl. Marketing),

2023: weitere 5% der Mehrleistungen

(insg.31,5 Mio. EUR p.a. inkl. Marketing).

Mit der Umsetzung des Plus-/TaktBus-

Konzeptes ist in den jeweiligen Regionen das

ÖPNV-Angebot grundlegend zu überplanen.

Dabei ergeben sich auch Synergieeffekte im

sonstigen Bus-netz, da einige dieser Angebote

künftig von Plus-/TaktBussen bedient werden.

Sachsenweit werden Einsparungsmöglichkei-

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Seite 108 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Tab. 3: Finanzbedarf für konsumtive Maßnahmen im ÖSPV-Netz22

ten von rund 6,7 Mio. EUR p.a. im Zielzustand

ab 09/2023 als realistisch erachtet. Flankiert

werden diese Maßnahmen durch eine Unter-

stützung ergänzender Land- und FlexBus-

Konzepte, für die vorab u.a. eine Klärung der

genehmigungsrechtlichen (flexible Bedien-

formen betreffend) und fördertechnischen

(Bürgerbusse betreffend) Bedingungen auf

Landesebene erforderlich ist.

Die Umsetzung von Mehrleistungen in den

StadtBus-Angeboten in einer Größenordnung

von 27,7 Mio. Fahrplan-Kilometern wird mit

Rücksicht auf die Abstimmung mit den betref-

fenden Kommunen in den nächsten Jahren

weniger intensiv erfolgen. Sie ist in folgenden

Jahresscheiben vorgesehen:

2018: 10% der Mehrleistungen (2 Mio.

EUR p.a. inkl. Marketing),

2019 - 2023: Jeweils weitere 20% der

Mehrleistungen (9 – 41 Mio. EUR p.a.

inkl. Marketing),

2024: Weitere 10% der Mehrleistungen

(51 Mio. EUR p.a. inkl. Marketing).

3. Auf den nachfragestarken Relationen im

SPNV sind Angebotsausweitungen vorgese-

hen, die innerhalb laufender Verkehrsverträge

ohne erhebliche Sprungkosten nur dann mög-

lich sind, wenn keine zusätzlichen Fahrzeuge

für die Angebotsausweitungen erforderlich

sind.

4. Für die langfristige

Entwicklung nachfrage-

schwacher Strecken ist

ein mehrstufiges Verfah-

ren vorgesehen, in dem

die wesentlichen Gründe

für die geringe Nachfrage

ermittelt, passende Lö-

sungsansätze auf ihre

Umsetzung und Wirkun-

gen geprüft, individuell

zugeschnittene Maß-

nahmenpakete zur Nach-

fragesteigerung entwi-

ckelt und diese letztlich

in erster Linie mit den

jeweiligen Zweckverbän-

den abgestimmt werden.

Das Ziel besteht darin, rechtzeitig vor der

nächsten Vergabeentscheidung eine fundierte

Einschätzung für die längerfristige Perspektive

jeder einzelnen dieser Strecken abgeben zu

können.

5. Zur Verwirklichung eines Sachsen-Taktes

ist die Sicherstellung einer koordinierten säch-

sischen Position im Austausch mit der Bun-

desebene und der DB AG vordringlich. Auf

dieser Grundlage wird es möglich, das zu

Grunde liegende Planungsprinzip sukzessive

für Entscheidungen bei der Bestimmung von

Umsteigeknoten im SPFV, SPNV und weiterem

ÖPNV sowie bei der Planung von Neu- und

Ausbaumaßnahmen im SPNV heranzuziehen.

4.2 Finanzbedarf

Der Finanzmittelbedarf für die unter Ziffer 4.1

beschriebenen Maßnahmen zur Angebots-

entwicklung kann nach investiven, betriebli-

chen (konsumtiven) und im weitesten Sinne

organisatorischen Maßnahmen unterschieden

werden. Der investive Finanzmittelbedarf für

die Oberzentren ergibt sich aus dem Thesen-

papier Infrastruktur und Fahrzeuge. Der be-

reits unter Ziffer 4.1 näher beschriebene be-

triebliche Finanzbedarf21 kann wie folgt zu-

sammengefasst werden:

Weitere Maßnahmen, die in konzeptionellen

Weichenstellungen und fachlichen Klärungen

bestehen und daher vergleichsweise geringe

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 109 von 178

Kosten induzieren, sind folgende:

Koordinierung der sächsischen Position

zum Deutschland- und Sachsen-Takt,

verkehrsträgerübergreifende und dabei

stärker am Umweltverbund ausgerichte-

te Verkehrsplanung in allen sechs Ober-

zentren,

Verständigung über eine einheitliche

Auslegung des Personenbeförderungsge-

setzes in Bezug auf die Konzeption und

Genehmigung flexibler ÖPNV-Angebote,

mit dem Ziel flexible Angebote einfacher

realisieren zu können,

Verbesserung der Rahmenbedingungen

für Bürgerbusse zur Stärkung des bürger-

schaftlichen Engagements und zur weite-

ren bürgernahen Erschließung in peri-

pheren und dünn besiedelten Räumen

(insbesondere durch ein geeignetes För-

derinstrumentarium).

1 d.h. dem für Verkehr zuständigen Bundes-

ministerium

2 DB Netz und DB Fernverkehr

3 Görlitz als Bestandteil des Oberzentralen

Städteverbundes Bautzen-Görlitz-

Hoyerswerda

4 Stand 31.12.2014, Quelle: 6. Regionalisierte

Bevölkerungsvorausberechnung (RBV) für

den Freistaat Sachsen

5 Quelle: 6. RBV. Ihr zufolge werden sämtliche

Städte und Gemeinden in den Verdichtungs-

räumen um Leipzig und Dresden sowie ein-

zelne weitere Städte und Gemeinden im Um-

land dieser beiden Oberzentren bis 2030

wachsen. Rund um Chemnitz ist laut 6. RBV

nicht mit einem Wachstum von Städten oder

Gemeinden zu rechnen.

6 Quelle: 6. RBV, ohne Chemnitz, aber mit

Freiberg: Tatsächlich wird für Freiberg eine

positive Bevölkerungsentwicklung prognosti-

ziert und andere Städte dieser Kategorie, z.B.

Görlitz, verzeichnen derzeit einen leichten

Bevölkerungsanstieg.

7 Quelle: 6. RBV

8 Quelle: LVB

9 Quelle: Städtische Verkehrskonzepte

10 12 13 19 22 Quelle: Ergebnis der Arbeitsgruppe

Angebotsentwicklung in der ÖPNV-

Strategiekommission.

11 Ein durchgängiger 2h-Takt kann auch mit

neun bis zehn Fahrtenpaaren gewährleistet

werden. Hier wird davon ausgegangen, dass

zu Spitzenzeiten Verstärkerfahrten notwen-

dig sein werden.

14 Eine Sonderform des SPNV-Angebotes in

Sachsen sind die dampfbetriebenen Schmal-

spurbahnen, die aber weniger als 1% des

Verkehrsangebotes ausmachen und in erster

Linie von touristischer Bedeutung sind.

15 Zusätzliches Angebot in Zugkilometern,

Umsetzung jeweils zum Fahrplanwechsel im

Dezember des Vorjahres.

16 Nachfrageschwache Abschnitte sind in rot

dargestellt. Quelle: Ergebnis der Arbeitsgrup-

pe Angebotsentwicklung in der ÖPNV-

Strategiekommission

17 Quelle: LVP 2025 und SPNV-Monitor; SPNV

einschließlich 90 km Schmalspurbahnen.

18 Quelle: eigene Darstellung

20 Hier und im Folgenden beziehen sich die

Angaben zur betroffenen Bevölkerung auf die

Einwohnerzahl der Gemeinden mit Stand

vom 31. Dezember 2014. Aufgrund beste-

hender Nahverkehrspläne und weiterer Stu-

dien wurde abgeschätzt, welcher Teil der

Bevölkerung in den Gemeinden im Einzugs-

bereich der ÖPNV-Angebote lebt.

21 Aufwendungen für zusätzliche Fahrzeuge

(Busse) wurden auf die zusätzlichen kon-

sumtiven Mittel umgelegt.

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Seite 110 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

II. Thesenpapier der Arbeitsgruppe Tarif und Vertrieb

1. Das Bildungsticket ist erklärtes Ziel der regierenden CDU/SPD-Koalition im Sächsischen Land-

tag. Es soll die Schülerbeförderung zu sachsenweit tariflich einheitlichen Rahmenbedingun-

gen sicherstellen. In der Folge wird es die Mobilitätschancen aller Schüler – ein entsprechen-

des Verkehrsangebot vorausgesetzt – und somit auch den Zugang zu Bildung und sozialer

Teilhabe erhöhen. Die damit einhergehende Bindung junger Menschen an den ÖPNV wird die

Fahrgastnachfrage dauerhaft verbessern. Bei Verkehrsverbünden und -unternehmen führt

das Bildungsticket jedoch zu erheblichen Einnahmeausfällen. Ein finanzieller Ausgleich durch

den Freistaat ist daher notwendig. Eine Modellrechnung der Arbeitsgruppe Tarif und Vertrieb

beziffert die hierbei auszugleichenden Mindereinnahmen auf mindestens ca. 47 Mio. EUR

jährlich. Eine Einführung des Bildungstickets zum Schuljahresbeginn 2019/2020 ist möglich,

wenn die grundsätzliche Entscheidung bis zum Ende des ersten Quartals 2018 getroffen wird.

2. In Anbetracht der steigenden Nutzerzahlen und des großen Potenzials an Fahrgästen im ver-

bundgrenzenüberschreitenden öffentlichen Verkehr sowie dem politischen- und Fahrgast-

wunsch nach einer Harmonisierung der Tarifbestimmungen ist die Einführung eines verbund-

übergreifenden Sachsen-Tarifs in Form eines Dachtarifs zu empfehlen. Der Sachsen-Tarif

muss von einer Trägerorganisation entwickelt werden, deren Einsetzung den ersten Meilen-

stein zu einem Sachsen-Tarif darstellt. Für laufende Aufwendungen der Trägerorganisation

sind ca. 1 Mio. EUR p.a. zu erwarten. Der Sachsen-Tarif soll einerseits ein attraktives Angebot

an die Fahrgäste sein, andererseits aber auch die Einnahmen der Verkehrsunternehmen si-

chern. In Abhängigkeit von der Tarifausgestaltung können deshalb zusätzlich noch auszuglei-

chende Einnahmenausfälle (Durchtarifierungsverluste) entstehen.

3. Die Digitalisierung bietet dem künftigen ÖPNV-Vertrieb in Sachsen große Chancen. Mit inno-

vativen und digitalen landesweiten Vertriebslösungen wird der Fahrkartenkauf radikal ver-

einfacht. Die Verbünde arbeiten bereits daran, dass Smartphones ertüchtigt werden für Echt-

zeitauskünfte und den Fahrkartenerwerb über mehrere Verbünde und Verkehrsmittel hin-

weg. Zentrale Voraussetzungen für digitale landesweite Vertriebslösungen in Smartphones

werden in Eigenleistung durch Verkehrsverbünde und -unternehmen erbracht. Für erweiterte

verbundübergreifende Smartcard-Lösungen ist von zusätzlichen Aufwendungen von insge-

samt 28,3 Mio. EUR bis zum Zieljahr 2025 auszugehen.

4. Der öffentliche Personennahverkehr lässt sich im Freistaat Sachsen nicht alleine aus der Nut-

zerfinanzierung finanzieren. Besonders daseinsvorsorgenahe Verkehre sind dauerhaft auf öf-

fentliche Zuwendungen angewiesen. Zukünftig kommt gegebenenfalls auch eine Nutznießer-

finanzierung in Betracht (siehe Thesenpapier der Arbeitsgruppe Finanzierung). Der Hand-

lungsspielraum von Verkehrsverbünden und -unternehmen darf in Bezug auf ihre unter-

schiedlichen Tarifstrategien und -ergiebigkeiten nicht künstlich eingeengt werden. Nötig ist

daher eine zukunftsfeste öffentliche Finanzierungskulisse, die es Unternehmen und Verbün-

den ermöglicht, zugleich marktgerechte wie am Daseinsvorsorgeauftrag ausgerichtete Tarife

zu erheben. Die vom Freistaat Sachsen über das ÖPNVFinAusG gewährten Ausgleichsmittel

fallen ca. 60 Mio. EUR p.a. hinter der Preis- und Kostenentwicklung im Ausbildungsverkehr

zurück. Daher wird eine höhere Dotierung der Ausgleichsmittel und laufende Evaluation die-

ser Aufwendungen empfohlen.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 111 von 178

1. Bildungsticket

1.1 Ausgangslage und Auftrag

Die Schülerbeförderung liegt im Freistaat

Sachsen in der Zuständigkeit der Landkreise

und Kreisfreien Städte. Aus der kommunalen

Verantwortung erwuchsen unterschiedliche

Ausprägungen, die den spezifischen Anforde-

rungen vor Ort entsprechen und in die jeweili-

gen Schülerbeförderungssatzungen eingeflos-

sen sind. Dazu sind u.a. die Mindestentfer-

nungen und die Eigenanteile für die notwen-

dige Beförderung zu zählen. Landesweit gese-

hen führen die unterschiedlichen Regelungen

dazu, dass keine einheitlichen Bedingungen

für die Schülerbeförderung im Freistaat herr-

schen.

CDU und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag

die Zielsetzung der Einführung eines einheitli-

chen, sachsenweit gültigen und kostengünsti-

gen Bildungstickets formuliert. Dieses soll

Schülerinnen, Schülern und Auszubildenden

über den Schulweg hinaus die Nutzung des

ÖPNV über das gesamte Jahr ermöglichen.1

Die inhaltliche Konkretisierung und monetäre

Bewertung des Vorschlags für das Bildungsti-

cket wurden auf die ÖPNV-Strategiekom-

mission übertragen.

1.2 Ansatz

Auf der Grundlage der Zielsetzung des Koaliti-

onsvertrages hat die Arbeitsgruppe Tarif und

Vertrieb die Eckpunkte eines Bildungstickets

konkretisiert:

Das Bildungsticket ist ein Angebot an alle

sächsischen Schüler und Auszubildenden,

um den ÖPNV (inkl. SPNV) im jeweiligen

Verkehrsverbund neben dem Schulweg

auch in der Freizeit ganzjährig nutzen zu

können.

Es ersetzt die bisherigen Zeitfahrauswei-

se soweit möglich und wird zu sachsen-

weit einheitlichen Bedingungen und Prei-

sen ausgegeben.

Voraussetzung für das Bildungsticket ist

eine Vereinheitlichung der Schülerbeför-

derungssatzungen im Hinblick auf die An-

spruchsvoraussetzungen. Dabei werden

Satzungsbesonderheiten einzelner Auf-

gabenträger (z.B. Stadt Leipzig, Verzicht

auf Mindestentfernungen) angemessen

berücksichtigt. Der Beförderungsan-

spruch („notwendige Beförderung“ gem.

§ 23 Abs. 3 SchulG) bleibt aber weiter z.B.

auf das Vorliegen von Mindestentfernun-

gen beschränkt.

Im Rahmen der Befassung hat die Arbeits-

gruppe Tarif und Vertrieb eine hohe Komplexi-

tät des Bildungstickets festgestellt. Kursorisch

können hierfür z.B. folgende Argumente ange-

führt werden:

Das Bildungsticket als Tarifprodukt ist

nicht mit einer Ausweitung des Verkehrs-

angebotes gleichzusetzen. Umgekehrt

kann aber eine durch das Bildungsticket

induzierte Mehrnachfrage im Schülerver-

kehr zu der Notwendigkeit punktueller

Angebotserhöhungen und damit zusätzli-

chen sprungfixen Kosten bei den Ver-

kehrsunternehmen führen.

Ein sachsenweit einheitlicher Preis kann

bei den heterogenen Angebotsniveaus

der kommunalen Aufgabenträger auf Sei-

ten der Fahrgäste als ungerecht erachtet

werden.

Eine einheitliche Preisfestsetzung für ein

Bildungsticket für alle Schüler ab der 1.

Klasse und Auszubildende würde bewusst

unterschiedliche Einkommenssituationen

bei den Nutzern (Schüler vs. Auszubil-

dende) und Benutzungshäufigkeiten (z.B.

häufigere Nutzung durch ältere Schüler in

der Freizeit) bei der Preisfindung in die-

sen heterogenen Gruppen ausblenden.

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Seite 112 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

1.3 Nutzen und Kosten

Mit dem Bildungsticket würde ein ÖPNV-

Tarifangebot umgesetzt, dessen Einführung

Gegenstand der Koalitionsvereinbarung ist. In

der Folge wären die Modalitäten der Schüler-

beförderung im Freistaat Sachsen in allen

Landkreisen und Kreisfreien Städten einheit-

lich geregelt. Für den ÖPNV sind durch die

angestrebte Verstärkung der frühen Bindung

junger Menschen an öffentliche Verkehrsmit-

tel dauerhafte Fahrgastzuwächse zu erhoffen.

Das Bildungsticket wird jedoch zu Einnahme-

ausfällen bei den Verkehrsverbünden und

Verkehrsunternehmen führen, u.a. weil Fahr-

gelderlöse der heutigen Nutzer entfallen und

die Nutzungsmöglichkeiten des ÖPNV mit

Einführung des Bildungstickets zeitlich und

räumlich ausgeweitet werden. Die Höhe des

Ausgleichsbedarfs verändert sich v.a. durch

die Anzahl der das Bildungsticket nachfragen-

den Schüler und die allgemeine Tarifentwick-

lung, weshalb mit der Zeit von steigenden

jährlichen Ausgleichsbedarfen ausgegangen

wird (Dynamisierung).

Die Arbeitsgruppe Tarif und Vertrieb hat in

Zusammenarbeit mit den Verkehrsverbünden

in einer Modellrechnung die Einnahmeausfälle

eines solchen Angebots abgeschätzt. Hierbei

sind ein monatlicher Eigenanteil der Nutzer

von 10 EUR und stark ansteigende Nutzerzah-

len unter Schülern und Auszubildenden unter-

stellt. Im Ergebnis sind Einnahmeverluste in

einer Höhe von jährlich ca. 47 Mio. EUR ermit-

telt worden, die durch den Freistaat Sachsen

ausgeglichen werden müssen. Dieser Betrag

bildet aber noch nicht die vollständigen finan-

ziellen Effekte eines Bildungstickets ab. Nicht

in der Berechnung mit enthalten sind…

mögliche zusätzliche Ausgleichsansprü-

che gemäß ÖPNVFinAusG,

mögliche zusätzliche kommunale Auf-

wendungen im freigestellten Schülerver-

kehr,

Mehraufwendungen für Vertrieb, Fahr-

ausweisprüfung, technische Umsetzung,

Einnahmeaufteilung, Verwaltung etc.,

Aufwendungen für eine Einführungskam-

pagne und Kommunikationsarbeit,

ggf. auftretende Aufwendungen für zu-

sätzlich erforderliche Angebote und

Fahrzeugkapazitäten.

1.4 Umsetzung

Die Einführung des Bildungstickets bedarf

verschiedener vorbereitender Prozesse in

Politik und Verwaltung; mindestens sind die

folgenden zu nennen:

1. Politischer Grundsatzbeschluss zwischen

Staatsregierung und kommunalen Spit-

zenverbänden über die Einführung des

Bildungstickets und dessen detaillierte

Konzeption.

2. Befassung, Beschluss und Umsetzung von

landesrechtlichen Voraussetzungen im

Sächsischen Landtag (z.B. Haushalts- und

Schulgesetz) und kommunalrechtlichen

Regelungsfragen in den kommunalen

Vertretungen sowie Verbands- und Ge-

sellschafterversammlungen.

3. Anzeige und Veröffentlichung der Ände-

rungen der Schülerbeförderungssatzun-

gen; Tarifgenehmigung.

4. Diverse operative Prozessschritte vor der

Einführung, z.B. Umstellungen in den An-

tragsverfahren und im Vertrieb der Bil-

dungstickets sowie Schaffung der techni-

schen und abrechnungsseitigen Voraus-

setzungen für die Einführung. Der Ver-

waltungsaufwand sollte sich dabei ge-

genüber heute nicht erhöhen.

Eine Umsetzung des Bildungstickets zum

Schuljahresbeginn 2019/2020 macht es not-

wendig, spätestens bis zum Ende des ersten

Quartals 2018 diese Prozesskette zu initialisie-

ren und den Grundsatzbeschluss zu fassen.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 113 von 178

2. Sachsen-Tarif

2.1 Ausgangslage und Auftrag

Im Freistaat Sachsen sind die fünf Verkehrs-

verbünde mit ihren jeweils zahlreichen Ver-

kehrsunternehmen für die Entwicklung ihrer

Verbundtarife zuständig. Fahrten innerhalb

der Verbundgrenzen sind in einer Reisekette

über mehrere Verkehrsunternehmen mit ei-

nem Fahrschein und zu einem Fahrpreis gang

und gäbe. Für bestimmte Relationen zwischen

zwei Verbünden können in Sachsen Über-

gangstarife genutzt werden.

Dazu bietet die DB AG mit dem Länderticket

ein länder- und verbundübergreifendes Tarif-

angebot für den SPNV und ÖSPV an. Dieses

preislich attraktive Länderticket Sachsen bie-

tet heute schon die Möglichkeit, alle öffentli-

chen Nahverkehrsmittel in Sachsen, Sachsen-

Anhalt und Thüringen zu nutzen. Der Erwerb

ist sehr einfach und stellt für den Freizeit- und

Einkaufsverkehr ein attraktives Angebot dar.

Unter dem Schlagwort Sachsen-Tarif sind ne-

ben dem vielfachen Wunsch von Fahrgästen

für eine vereinfachte Ticketbuchung bei ver-

bundübergreifenden Fahrten auch politische

Initiativen gebündelt, die eine Angleichung

(Harmonisierung) der Verbundtarife fordern.

Auch im Koalitionsvertrag von CDU/SPD im

Sächsischen Landtag stehen die Zielsetzungen

einer stärkeren Harmonisierung der Tarifrege-

lungen und eines landesweit gültigen Sachsen-

Tarifs nebeneinander.2

Dies hat besonderen Widerhall in dem Antrag

gefunden, mit dem der Sächsische Landtag in

seiner 9. Sitzung die Einsetzung der ÖPNV-

Strategiekommission beschlossen hat. Dort

sind mit…

der Darstellung von Optimierungsmög-

lichkeiten […] der Tarif- und Beförde-

rungsbestimmungen im sächsischen

ÖPNV/SPNV

und der Ermittlung von Lösungsvorschlä-

gen zur Harmonisierung der Tarif- und

Beförderungsbestimmungen im Freistaat

Sachsen

konkrete Aufforderungen an die Strategie-

kommission zu dieser Thematik formuliert.3

2.2 Ansatz

Der Wunsch vieler Fahrgäste liegt in der An-

gleichung (Harmonisierung) der Verbundtari-

fe, um die Nutzung des öffentlichen Verkehrs

bei tarifgrenzenüberschreitenden Fahrten zu

vereinfachen. Die Arbeitsgruppe teilt diese

Zielsetzung. Mit der sachsenweiten Verein-

heitlichung der Beförderungsbedingungen

haben die Verbünde einen wichtigen Harmo-

nisierungsschritt erreicht. Die lokale/regionale

Verantwortung für Tarife und Vertriebsstrate-

gien auf Ebene der Verkehrsunternehmen und

Verkehrsverbünde ist aber zweifellos als Er-

folgsfaktor für den sächsischen ÖPNV anzuse-

hen. Daher ist aus Sicht der Arbeitsgruppe

keine vollständige Harmonisierung der Ta-

rifregelungen anzustreben. Ohnehin werden

digitale Vertriebslösungen in naher Zukunft

den Kauf von Fahrkarten über Verbundgren-

zen hinweg ermöglichen.

Davon unbenommen hat die Arbeitsgruppe

die Notwendigkeit eines verbundübergreifen-

den Tarifs im sächsischen ÖPNV festgestellt.

Sie hat das grundlegende Design eines solchen

Sachsen-Tarifs anhand der Integrationsstufen

von anderen Landestarifen diskutiert (Ber-

lin/Brandenburg, Niedersachsen, NRW,

Schleswig-Holstein). Einhellig wird das Modell

eines Dachtarifs nach dem Vorbild in Nord-

rhein-Westfalen präferiert, was jedoch eine

Ablösung der Unternehmenstarife im sächsi-

schen SPNV notwendig macht.

Der Sachsen-Tarif als Dachtarif ist damit ein

eigenständiger Tarif für Verbundgrenzen

überschreitende Fahrten in allen öffentlichen

Verkehrsmitteln in Sachsen. Erhalten bleiben

die Verbundtarife für Fahrten innerhalb der

Verbundgrenzen – und damit auch die Vortei-

le einer regionalen Differenzierung.

Zentrale Voraussetzung für einen Sachsen-

Tarif ist die Schaffung einer Trägerorganisati-

on. Diese hat die Aufgabe, die beteiligten Ak-

teure zu integrieren und zu koordinieren so-

wie weitere Festlegungen und Entwicklungen

am Sachsen-Tarif vorzunehmen, z.B.:

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Seite 114 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Konzeption und (Weiter-) Entwicklung

des Tarifs.

Wahl des Fahrausweissortiments und des

Preisbildungsmechanismus.

Umsetzung der gestaffelten Integration

in die ÖPNV-Vertriebskanäle (zunächst

v.a. digitaler Vertrieb) und Entwicklung/

Abstimmung der Vertriebsaktivitäten der

Verbünde.

Aufteilung der Einnahmen.

Die Arbeitsgruppe schlägt vor, die Trägerorga-

nisation, ähnlich wie in NRW, in einem der

sächsischen Verkehrsverbünde einzubetten.

Damit können Synergien realisiert werden,

z.B. durch die gemeinsame Nutzung von Res-

sourcen.

2.3 Nutzen und Kosten

Mit dem Sachsen-Tarif wird eine kunden-

freundliche Lösung für die wachsende Zahl

von tarifgrenzen- und verkehrsmittelüber-

schreitenden Fahrten in Sachsen geschaffen.

Nicht nur für touristische Nutzer wird er ein

attraktives Angebot darstellen, weil über den

Sachsen-Tarif ein erweitertes Sortiment ange-

boten werden soll. Zudem wird damit Einfluss

auf die Gestaltung des Eisenbahntarifs im

Freistaat Sachsen genommen. Die Trägeror-

ganisation stellt sicher, dass das Tarifangebot

und die Tarifentwicklung von den Verbünden

und Unternehmen gestaltet werden.

Für die Ausstattung der Trägerorganisation

v.a. mit Personal und Sachressourcen schätzt

die Arbeitsgruppe einen Aufwand von ca. 1

Mio. EUR pro Jahr.

Erfolgsvoraussetzung für den Sachsen-Tarif

wird auch sein, preislich zu überzeugen. Aus

diesem Grund springt eine reine Addition von

unterschiedlichen Tarifen zu kurz. Da gleich-

zeitig auch das Ziel der Einnahmensicherung

verfolgt wird, können, zumindest übergangs-

weise, Durchtarifierungsverluste entstehen,

die den Verkehrsunternehmen auszugleichen

sind. Der Umfang dieser Ausgleiche verlangt

detaillierte Berechnungsschritte und kann

daher in diesem Planungsstand noch nicht

valide geschätzt werden. Mit Blick auf die

Erfahrungen aus anderen Ländern kann über-

schlägig ein jährlicher Aufwand zwischen 5

und 15 Mio. EUR p.a. veranschlagt werden.

2.4 Umsetzung

Voranzustellen ist die Gründung einer Träger-

organisation. Dies stellt den Startpunkt für

den Sachsen-Tarif dar. Die Trägerorganisation

kann voraussichtlich noch im Jahr 2018 ge-

gründet werden.

Die Trägerorganisation ist im Weiteren zu-

ständig für…

die Erstellung der planerischen Grundla-

gen,

die Entwicklung und Abstimmung des

Tarifmodells und des Einnahmenauftei-

lungsverfahrens mit den beteiligten Akt-

euren,

die Tarifgenehmigung,

die vertriebliche Umsetzung und

die laufende Begleitung/Entwicklung.

Die Arbeitsgruppe schlägt vor, die Umsetzung

der Einführung des Sachsen-Tarifs stufenweise

vorzunehmen:

1. Zeitnahe Einführung einer Tageskarte

Sachsen als Pauschalpreisticket (frühes-

tens 12 Monate nach Einrichtung der Trä-

gerorganisation).

2. Mittelfristige Einführung des Vollsorti-

ments (frühestens 2-3 Jahre nach politi-

schem Beschluss) und Umsetzung des lan-

desweiten Vertriebs des Sachsen-Tarifs

über Smartphone-Lösung.

3. Langfristige Einbindung in alle Vertriebs-

kanäle.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 115 von 178

3. Digitaler Vertrieb

3.1 Ausgangslage und Auftrag

Die Digitalisierung eröffnet auch Verkehrs-

bünden und Verkehrsunternehmen große

Chancen. Digitale Angebote existieren bislang

innerhalb der bestehenden Tariflandschaft,

national und bei Verbünden. Beispielsweise

sind Handytickets für Fahrten innerhalb jedes

Verkehrsverbunds in Sachsen erhältlich, je-

doch nicht für Relationen über die Verbund-

grenzen hinweg. Der digitale Vertrieb bietet

die Möglichkeit, diese Tarifgrenzen kunden-

freundlich zu überwinden.

Die allgegenwärtigen technischen Entwicklun-

gen in der Informationstechnologie macht

diese Situation für Branchenfremde schwer

verständlich. Regionale und überregionale

Tarifangebote sollten verfügbar, Angebote

anderer Anbieter in die Plattformen der Ver-

bünde integrierbar sein. Voraussetzung hier-

für ist eine enge digitale Vernetzung der Ak-

teure. Was einfach klingt ist in der Umsetzung

aufwändig, da im ÖPNV zahlreiche eigenstän-

dige Systeme mit unterschiedlichen techni-

schen Schnittstellen zu vernetzen sind. Sächsi-

sche Kompetenz hat einen nationalen Stan-

dard für die Vernetzung von unterschiedlichen

Tarifen geschaffen und soll weiter genutzt

werden.

Der Wunsch nach leistungsstarken Ticketing-

systemen im ÖPNV ist auch in Sachsen groß.

Dies spiegelt sich im CDU/SPD-

Koalitionsvertrag wider, der als ein Ziel be-

nennt, im Rahmen der Digitalen Offensive

Sachen mobile Zahlungslösungen für Fahr-

scheine im ÖPNV auf den Weg zu bringen.4

3.2 Ansatz

„Einfach fahren, egal wo.“ Zielsetzung künfti-

ger Vertriebslösungen muss sein, dass Fahr-

gäste den ÖPNV möglichst einfach und überall

nutzen können – und dabei nur ein Minimum

an Aufmerksamkeit dem Fahrkartenkauf wid-

men müssen. Dies setzt voraus, dass Preis-

und Reiseauskünfte in Echtzeit bei der Bu-

chung zur Verfügung stehen und Tickets auch

verbundübergreifend von der Start- zur Ziel-

haltstelle gebucht werden können – idealer-

weise auch unter Einschluss von Dritten, z.B.

von Sharing- oder Mietwagenanbietern.

Im Ergebnis wird sich die Sicht von Fahrgästen

auf den ÖPNV wandeln und ihn attraktiver

machen. Während heute noch der Fahr-

scheinkauf (mindestens die Vergewisserung,

dass man seinen Fahrschein dabei hat) integ-

ral mit einer Fahrt verwoben ist, werden

schon bald die Voraussetzungen geschaffen,

dass künftig nur noch die Beförderungsleis-

tung in Anspruch genommen werden kann.

Die Arbeitsgruppe hat die Vor- und Nachteile

von unterschiedlichen Vertriebslösungen dis-

kutiert. Im Ergebnis sieht sie vor allem soge-

nannte account-basierte Systeme als erstre-

benswert an. Fahrgäste müssen dabei die

Fahrtberechtigung nicht selber mitführen,

sondern identifizieren sich nur noch mit ihrem

Kundenkonto (account), das auf verschiede-

nen Nutzermedien (z.B. Smartcard, Smart-

phone, Kreditkarte, …) gespeichert sein kann.

Auch die Abrechnung wird im Hintergrundsys-

tem vorgenommen. Dies hat zur Folge, dass

die Buchung und Abrechnung aufwändiger

Reiseketten nicht im Nutzermedium selber

sondern auf leistungsstarken Servern durchge-

führt wird – dadurch steigt die Rechenge-

schwindigkeit und sinkt die Schnittstellenan-

forderung an die Nutzermedien immens. Da-

mit sind auch die Voraussetzungen für die

Einführung von nutzungsabhängigen Tarifen

(„e-Tarife“) gegeben, die eine Fahrpreisbe-

rechnung erst nach der Fahrt vornehmen.

Die Arbeitsgruppe hat sich auf die Skizzierung

von Strategien für Smartphone und Smartcard

konzentriert. Hierfür können für beide Nut-

zermedien bereits bestehende Vertriebslö-

sungen weiterentwickelt werden, wie z.B. die

in Sachsen vorhandenen Handyticket-

Applikationen.

Für die Smartphones werden die techni-

schen Anpassungen bereits durch die

Verbünde und Unternehmen vorgenom-

men. Vorrangig ist hier die Einrichtung

und Pflege eines zentralen Tarifservers

notwendig, der die verschiedenen Tarif-

module beinhaltet und über einen offe-

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Seite 116 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

nen, standardisierten Zugang verfügt.

Diese ist die Schnittstelle für die Ver-

kaufssysteme z.B. der Verkehrsunter-

nehmen mit den Kundenkontos ihrer

Fahrgäste und rechnet die anfallenden

Tarife in einer Reisekette unter den be-

teiligten Verbünden ab. Darüber hinaus

sind auch die Handyticketapplikationen

der Verbünde (HTD, easy.go) an diesen

Standard anzupassen und die vertragli-

chen Grundlagen für die gegenseitige

Freigabe/Anerkennung der Tarife zu

entwickeln, um darüber eine verbund-

übergreifende Reisekette buchen zu kön-

nen.

Zentrale Voraussetzung für eine sach-

senweite Vertriebslösung im Bereich der

Smartcards ist eine gemeinsame Aktion

zur Ertüchtigung und laufenden Pflege

der Hintergrundsysteme der Verbünde.

Dies ist Voraussetzung dafür, dass ein

Fahrgast in mehreren Verbünden mit

derselben Smartcard den ÖPNV benutzen

kann. Darüber hinaus ist für die Verwen-

dung der Smartcards in den Fahrzeugen –

die je nach Systemlogik (CiCo, CiBo, …)

notwendige – Infrastruktur (z.B. Termi-

nals, Validatoren, …) zu beschaffen und

einzubauen.

Um die Akzeptanz zu sichern sieht die Arbeits-

gruppe die Notwendigkeit, trotz der kommen-

den Verbesserung der Vertriebssysteme im

digitalen Bereich auch alle bisherigen Ver-

triebskanäle mindestens mittelfristig weiter zu

pflegen.

Landesweite Vertriebslösungen können dar-

über hinaus durch eine unterstützende orga-

nisatorische Einbettung gefördert werden, z.B.

durch ein Andocken an einer Trägerorganisa-

tion für den Sachsen-Tarif. Diese könnte die

Verbünde dabei unterstützen, ihre Vertriebs-

aktivitäten (ggf. auch über die Ländergrenzen

hinaus) untereinander zu harmonisieren, z.B.

bei der Evaluation der Vertriebsportfolios, der

Entwicklung von Vertriebskonzepten, der Un-

terstützung von Beschaffungsvorgängen der

Vertriebstechnik (Standardisierung, Bünde-

lung), oder der Begleitung laufender For-

schungs- und Entwicklungsaktivitäten.

3.3 Nutzen und Kosten

Innovative und digitale landesweite Vertriebs-

lösungen werden den Zugang zu öffentlichen

Verkehrsmitteln vereinfachen. In Zukunft

können Fahrgäste beispielsweise eine ver-

bundübergreifende Reisekette auf ihrem

Smartphone anzeigen, auswählen und bu-

chen. Die bisher notwendige Tarifkenntnis

entfällt.

Die Arbeitsgruppe schlägt die modulare Ein-

führung von digitalen Vertriebslösungen für

Smartphone und Smartcard vor. Das Nutzer-

medium Smartphone wird wegen der rasche-

ren und günstigeren Umsetzbarkeit priorisiert:

Die Maßnahmenumsetzung für moderne

digitale Vertriebslösungen mit dem Nut-

zermedium Smartphone wird bereits

durch die sächsischen Verkehrsverbünde

durchgeführt. Bei den hierfür notwendi-

gen Mittel kann von insgesamt ca. 2 Mio.

EUR ausgegangen werden. Die Verbünde

beabsichtigen, diese Aufwendungen sel-

ber zu tragen. Insoweit entstehen also

keine zusätzlichen Aufwendungen.

Im Fall einer Umsetzung der Smartcard-

Funktionalitäten wird ein Investitionsbe-

darf für die Entwicklung und Inbetrieb-

nahme von Schnittstellenprodukten so-

wie die Ausstattung der Fahrzeuge mit

Vertriebsinfrastruktur von sachsenweit

insgesamt ca. 18,5 Mio. EUR veran-

schlagt. Hinzu kommen zusätzliche lau-

fende Aufwendungen für die dauerhafte

Pflege und Fortentwicklung der Hinter-

grundsysteme und die Administration der

Vertriebsinfrastruktur von ca. 0,6 Mio.

EUR p.a. Mit weiteren Einmalaufwänden

z.B. für die Planung und Vergabe von

Leistungen summieren sich konsumtiver

und investiver Mehraufwand im Bereich

Smartcards auf insgesamt ca. 28 Mio.

EUR bis zum Jahr 2025.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 117 von 178

3.4 Umsetzung

Im Jahr 2019 kann mit der Einführung von

einer landesweiten Vertriebslösung für das

Smartphone in Sachsen und Mitteldeutsch-

land gerechnet werden. Diese sieht eine für

die Reisekette durchgehende Preis- und Rei-

seauskunft ebenso vor wie den Kauf eines

Fahrscheins „auf Knopfdruck“. Die hierfür

(branchenintern) nötigen Schritte sind:

Kooperationsvereinbarung und Einrich-

tung einer Projektgruppe zwischen den

beteiligten Verbünden und Unterneh-

men.

Kooperationsvereinbarung für die Ein-

richtung einer sachsenweiten bzw. mit-

teldeutschen Preis- und Fahrplanaus-

kunft.

Abbilden aller beteiligten Tarife als Ta-

rifmodul nach PKM und Betreiben eines

gemeinsamen Tarifservers.

Anpassung der Endanwendungen (z.B.

VVO mobil, HTD, easy.go etc.) mit dem

Tarifserver.

Abschluss von Vereinbarungen zur ge-

genseitigen Anerkennung der Tarife in

Mitteldeutsch-land sowie weitere Ver-

einbarungen (z.B. zur gegenseitigen Ab-

rechnung von Verkaufsvor-gängen).

Darauf aufsetzend sind zur Implementierung

von digitalen landesweiten Vertriebslösungen

für eine Smartcard-basierte Vertriebslösung

weitere Maßnahmenschritte nötig. Die An-

schaffung und Implementation von Schnitt-

stellenprodukten als wichtiger Schritt der Ver-

netzung der Hintergrundsysteme der Verbün-

de kann frühestens ab 2019 vorgenommen

werden. Eine Ausrüstung der Fahrzeuge und

ggf. Haltestellen ist ab 2020 möglich.

4. Nutzerfinanzierung

4.1 Ausgangslage und Auftrag

Fahrgelderlöse besitzen in der ÖPNV-

Finanzierung eine hohe Relevanz. Verkehrsun-

ternehmen und Verkehrsverbünde bestimmen

auf lokaler/regionaler Ebene die Tarife. Diese

werden an Gegebenheiten wie den Umfang

und die Qualität des Verkehrsangebots genau-

so angepasst wie an Verkehrsbedürfnisse und

lokale Preissensitivitäten.

Die Bewertung der Nutzerfinanzierung kann

nicht unabhängig von den verfügbaren öffent-

lichen Zuwendungen für den ÖPNV vorge-

nommen werden. Gerade daseinsvorsorgena-

he Verkehre sind nicht alleine aus Fahrgeld-

einnahmen finanzierbar und dauerhaft auf

verlässliche Finanzmittel vom Freistaat und

von den kommunalen Aufgabenträgern ange-

wiesen. Ist die Mittelverfügbarkeit von Aufga-

benträgern erschöpft, steht streng genommen

nur eine stärkere Nutzerfinanzierung oder die

substanzielle Einführung einer Nutznießerfi-

nanzierung als Alternative bereit.

4.2 Ansatz

Das Marktsegment des Ausbildungsverkehrs

ist in besonderem Maße daseinsvorsorgenah.

Dies manifestiert sich in den ermäßigten

Fahrpreisen, für die Schüler und Auszubilden-

de den ÖPNV in Anspruch nehmen können.

Verkehrsunternehmen sind diese Minderein-

nahmen durch den Freistaat auszugleichen.

Dies wird in Sachsen im ÖPNVFinAusG vorge-

nommen, über das den kommunalen Aufga-

benträgern aktuell (2017) 60,1 Mio. EUR. zu-

gewiesen werden.

Damit sind jedoch nur anteilig die Kosten ab-

gegolten, die im Ausbildungsverkehr, insbe-

sondere durch die Beförderungspflicht im

Schülerverkehr, den Verkehrsunternehmen

entstehen. Verschiedene politische Entschei-

dungen (z.B. freie Schulwahl, Schließung von

Schulstandorten) haben in den vergangenen

Jahren zu wachsenden Aufwendungen ge-

führt, ohne dass die Ausgleichsleistungen sub-

stanziell angepasst worden wären. Ein Gut-

achten beziffert die Höhe der strukturellen

Unterfinanzierung anhand der Berechnungs-

methodik des § 45a PBefG auf 60 Mio. EUR.

Die künftige Dynamisierung der Mittel des

ÖPNVFinAusG von 1,8 % p.a. wird helfen, die

laufenden Kostensteigerungen abzufangen,

z.B. der Personal- und Treibstoffkosten. Sie

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wird jedoch nicht die Unterfinanzierung auf-

fangen können.

Langfristig kann eine solche Deckungslücke

nicht fortbestehen. Um z.B. eine Erhöhung der

Fahrpreise zu verhindern empfiehlt die Ar-

beitsgruppe, dass

1. die öffentliche Finanzierungskulisse im

Hinblick auf die Sicherung und Weitergabe

der Instrumente des Bundes (RegG, Ent-

flechtungsmittel) an die kommunale Ebe-

ne allgemein auszubauen und zu versteti-

gen ist,

2. der geplante Sachsen-Tarif die Tarifergie-

bigkeit der Verbünde nicht untergräbt,

3. der Umfang der Aufwendungen im Ausbil-

dungsverkehr (inkl. freigestelltem Ver-

kehr) laufend zu evaluieren und transpa-

rent darzustellen sind,

4. die festgestellte Unterfinanzierung durch

eine entsprechende Erhöhung der Zuwen-

dungen des Freistaats im ÖPNVFinAusG

auszugleichen sind. Diese Mittel finanzie-

ren die Nutzung des ÖPNV durch Schüle-

rinnen und Schüler zu ermäßigten Fahr-

preisen. Eine entsprechende Erhöhung

würde die kommunalen Schülerbeförde-

rungsträger und Fahrgäste entlasten.

4.3 Nutzen und Kosten

Jede Erhöhung der Ausgleichszahlungen für

den Ausbildungsverkehr durch den Freistaat

Sachsen entlastet die kommunalen Aufgaben-

träger und Fahrgäste in gleicher Höhe.

Verkehrsunternehmen würden damit in die

Lage versetzt, Kostensteigerungen zu kom-

pensieren, die nicht durch den Produktivitäts-

zuwachs ausgeglichen werden können. Damit

könnte auch Spielraum geschaffen werden für

anteilige Eigenmittel für Investitionen und

Innovationen.

4.4 Umsetzung

Eine Erhöhung der Ausgleichszahlungen im

ÖPNVFinAusG bedarf einer Gesetzesänderung

sowie der entsprechenden Deckung im Haus-

halt.

1 d.h. dem für Verkehr zuständigen Bundes-

ministerium.

2 „Sachsens Zukunft gestalten – Koalitions-

vertrag 2014 bis 2019“, S. 47.

3 SLT-Drs. 6/1067

4 „Sachsens Zukunft gestalten – Koalitions-

vertrag 2014 bis 2019“, S. 29.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 119 von 178

III. Thesenpapier der Arbeitsgruppe Infrastruktur und Fahrzeuge

Zielstellung

1. Eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur und der Einsatz komfortabler und umwelt-

freundlicher Fahrzeuge mit ausreichender Platzkapazität sind wesentliche Grundvorausset-

zungen für einen attraktiven und für alle Bürger uneingeschränkt nutzbaren ÖPNV (öffentli-

cher Personennahverkehr) im Freistaat Sachsen.

2. Planung, Bau, Beschaffung und Vorhaltung von Infrastruktur und Fahrzeugen sind sehr kapi-

talintensiv und langfristig angelegt. Die zugehörigen Angebots- und Infrastrukturplanungen

müssen mittel- bzw. langfristig Bestand haben und absehbare künftige Bedarfsänderungen

bereits möglichst frühzeitig berücksichtigen.

3. Bei der Festlegung von Förderkriterien und Fördermitteln ist vor diesem Hintergrund eine

langfristige Finanzierungssicherheit zu gewährleisten.

Ersatzinvestitionen ÖSPV

4. Die bisher erreichte Qualität im ÖPNV kann nur gesichert werden, wenn die Verkehrs- und

Infrastrukturbetreiber anstehende Ersatzinvestitionen zum wirtschaftlich optimalen Zeit-

punkt realisieren können.

5. Es werden Mittel von in Summe 225 Mio. EUR pro Jahr benötigt, um den Status quo im ÖSPV

(öffentlicher Straßenpersonennahverkehr) durch regelmäßige Ersatzinvestitionen (Fahrzeuge

und Infrastruktur) zu erhalten. Für die Finanzierung dieser Ersatzinvestitionen sollten För-

dermittel in Höhe von mindestens 141 Mio. EUR pro Jahr im Landesinvestitionsprogramm

(LIP) bereitgestellt werden. Die Kommunen und Verkehrsunternehmen sollten ihrerseits ei-

nen erforderlichen Eigenanteil zur Erhaltung der Bestandsinfrastruktur und -fahrzeuge er-

bringen.

Barrierefreiheit

6. Die Herstellung der Barrierefreiheit soll dem Mobilitätsbedürfnis möglichst vieler Bürger

Rechnung tragen. Zur Umsetzung der gesetzlich fixierten Zielstellung einer vollständigen Bar-

rierefreiheit im ÖPNV ist eine Intensivierung der Anstrengungen aller relevanten Akteure er-

forderlich. Zur Herstellung der Barrierefreiheit der ÖSPV-Haltestellen sind durch den Freistaat

Sachsen und die Kommunen bis 2030 Mittel in Höhe von ca. 377 Mio. EUR insgesamt bzw. ca.

29 Mio. EUR jährlich erforderlich. Damit könnte bis 2030 ein angemessener Ausbaugrad reali-

siert werden. Die Fördermittelvergabe ist durch den Freistaat Sachsen mit Anreizen zu verse-

hen, die eine Intensivierung der Herstellung der Barrierefreiheit befördern.

7. Dazu nehmen die Aufgabenträger, Kommunen und Verkehrsunternehmen möglichst gemein-

sam auf der Grundlage einer belastbaren Bestandsaufnahme eine sinnvolle Priorisierung für

die Umrüstung der ÖSPV-Haltestellen vor.

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8. Bis zur Erreichung der Barrierefreiheit im ÖPNV sind in den Nahverkehrsplänen geeignete

technische und organisatorische Maßnahmen zu verankern, um die Anmeldefristen für die

Nutzung des ÖPNV-Angebotes durch Fahrgäste mit Behinderungen zügig spürbar zu verrin-

gern.

Investitionen für Angebots- und Kapazitätserweiterungen in den Oberzentren (Dres-den, Leipzig, Chemnitz, Görlitz1, Plauen, Zwickau)

9. Um die hohe Attraktivität und Leistungsfähigkeit des ÖPNV bei den prognostizierten Nachfra-

gesteigerungen in den Ballungszentren (Dresden, Leipzig, Chemnitz) beizubehalten, sind ka-

pazitätssteigernde Investitionen für Fahrzeuge und Infrastruktur erforderlich. Dies betrifft

insbesondere die Städte Dresden und Leipzig.

10. Der zusätzliche Investitionsbedarf zur Bewältigung der prognostizierten Nachfragesteigerun-

gen in den Ballungszentren und zur Attraktivitätssicherung des ÖPNV in den Oberzentren

liegt im Zeitraum 2019 – 2030 bei mindestens 474 Mio. EUR insgesamt bzw. bei ca. 40 Mio.

EUR jährlich (Fortschreibungsszenario). Dies erfordert eine angemessene Förderung durch

den Freistaat Sachsen.

11. Die verkehrs- und umweltpolitischen Zielstellungen der Bundesregierung (Klimaschutzpro-

gramm 2050, Bestrebungen zur weiteren Begrenzung verkehrsbedingter Immissionen) und

der Ballungszentren zielen auf eine signifikante Erhöhung des ÖPNV-Anteils am Modal Split

ab. Für die hierfür erforderlichen Kapazitäts- und Netzerweiterungen sind im Zeitraum 2019 –

2030 zusätzliche Investitionsbedarfe von ca. 484 Mio. EUR erforderlich (Wachstumsszenario).

Im Einklang mit der verkehrlichen Entwicklung und unter Berücksichtigung des erforderlichen

zeitlichen Vorlaufes würde der Investitionsschwerpunkt in den Jahren 2024 – 2030 liegen. In

diesem Zeitraum müssten dafür ca. 65 Mio. EUR pro Jahr bereitgestellt werden.

12. Bisher decken die Förderprogramme des Freistaates Sachsen die genannten Mehrbedarfe

nicht ab. Dieses strukturelle Defizit an Fördermitteln für den aufwachsenden ÖPNV in den

Ballungszentren ist zu schließen.

Digitalisierung und Elektromobilität

13. Zur Sicherung der Attraktivität und Zukunftsfähigkeit des ÖPNV sollten der Freistaat Sachsen,

Aufgabenträger und Unternehmen den Einsatz innovativer Fahrzeuge und digitaler Technolo-

gien im ÖPNV weiter vorantreiben bzw. fördern.

14. Die Verkehrsunternehmen sollten in die Lage versetzt werden, weitere Anwendungserfah-

rungen zu sammeln und anwendungsreife Lösungen zügig auszurollen. Hierfür sind für den

ÖSPV in den Oberzentren im Zeitraum 2019 – 2030 zusätzliche Investitionen in Höhe von ca.

227 Mio. EUR, d.h. bis zu ca. 19 Mio. EUR jährlich erforderlich (Digitalisierung, erste Anwen-

dungen Elektrobus). Hinzu kommen derzeit noch nicht bezifferbare Mehrbedarfe für die flä-

chendeckende Einführung digitaler Technologien im ÖPNV in Mittelzentren und im ländlichen

Raum.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 121 von 178

Regionale Eisenbahninfrastruktur

15. Der Freistaat Sachsen soll gemeinsam mit dem Bund verstärkt auf eine Regionalisierung der

Eisenbahninfrastruktur hinwirken, um das vorhandene Effizienzpotenzial beim Betrieb der

regionalen Eisenbahninfrastruktur zu heben.

16. Voraussetzung für die Regionalisierung ist die gesicherte Bereitstellung von Finanzmitteln für

den Bestandserhalt der regionalen Eisenbahninfrastruktur durch den Bund an den Freistaat

Sachsen oder die regionalen Infrastrukturbetreiber.

Umsetzungsstrategie / Handlungsempfehlungen

17. Zur Abdeckung der anstehenden Investitionsbedarfe sind der Freistaat Sachsen, Kommunen

und Verkehrsunternehmen aufgerufen, eine gemeinsame Finanzierungsstrategie zu entwi-

ckeln und regelmäßig fortzuschreiben. Die Maßnahmen sind dabei so zu bündeln, dass der

Anteil der Bundes- und EU-Förderung maximiert werden kann. Hierbei ist zu berücksichtigen,

dass der bisherige Finanzrahmen der Investitionsförderung im Freistaat Sachsen bereits mit

den anstehenden Investitionen zur Sicherung des Bestandsangebotes im ÖSPV überschritten

wird.

18. Bei der Maßnahmenplanung und Fördermittelvergabe sind folgende Prioritäten zu berück-

sichtigen:

1. Als Grundvoraussetzung für die Erhaltung eines angemessenen Niveaus im sächsischen

ÖSPV sind anstehende Ersatzinvestitionen in jedem Falle abzusichern.

2. Die Mittel zur Herstellung der Barrierefreiheit bis 2030 sind zeitgerecht bereitzustellen

(Schwerpunkt ÖSPV-Haltestellen).

3. Der Ausbau des ÖPNV zum Vorrangsystem in den Ballungsräumen ist im Einklang mit den

Rahmenplanungen der Kommunen zügig voranzutreiben. Hierbei sind zunächst die bereits

geplanten Maßnahmen und die durch das Bevölkerungswachstum erforderlichen Kapazitäts-

erweiterungen abzusichern. Nachfolgend ist der weitere Ausbau der ÖPNV-Bedienung zur Er-

reichung der angestrebten Modal-Split-Ziele systematisch voranzutreiben.

4. Die Förderrichtlinien sind so weiterzuentwickeln, dass verkehrlich sinnvolle Angebotsaus-

weitungen und innovative Bedienkonzepte im ländlichen Raum insbesondere durch eine an-

gemessene Fahrzeugförderung unterstützt werden können.

5. Die Verkehrsunternehmen sind darüber hinaus durch Anschubfinanzierungen in die Lage

zu versetzen, Linienbusse mit elektrischem Antrieb auf ausgewählten Linien zu etablieren

sowie weitere Digitalisierungsvorhaben schnell umzusetzen.

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Seite 122 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

1. Investitionsbedarf

1.1 Ersatzinvestitionen

Das ÖPNV-System im Freistaat Sachsen wurde

in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten grund-

legend modernisiert. Hierzu gehörten neben

der Modernisierung der Straßenbahninfra-

strukturen auch Bushaltestellen und War-

tungseinrichtungen sowie die kontinuierliche

Erneuerung der Fuhrparks (Straßenbahnen

und Omnibusse). Somit wird im bundesweiten

Vergleich ein hoher Standard bzgl. des Zu-

standes von Infrastruktur und Fahrzeugen

erreicht. Ergebnis ist eine hohe Nutzerakzep-

tanz, die sich vor allem auf nachfragestarken

Relationen in steigenden Nutzerzahlen mani-

festiert.

Zur Sicherung der Attraktivität des Verkehrs-

angebotes im öffentlichen straßengebunde-

nen Personennahverkehr müssen Kommunen

und Verkehrsunternehmen in die Lage ver-

setzt werden, die Leistungsfähigkeit und Ver-

fügbarkeit der vorhandenen Infrastrukturen

und Fahrzeugflotten im Rahmen von Ersatzin-

vestitionen dauerhaft zu gewährleisten. Ne-

ben einer angemessenen Wartung und In-

standhaltung durch die Unternehmen beinhal-

tet dies Investitionen in den Ersatz von Infra-

strukturkomponenten und Fahrzeugen nach

dem Ende ihrer optimalen Nutzungsdauer.

Werden diese Ersatzinvestitionen nicht zeitge-

recht getätigt, führt dies zu höheren Kosten

für die Instandhaltung, einer abnehmenden

Verfügbarkeit von Fahrzeugen und Anlagen

sowie langfristig zu Substanzverzehr und einer

spürbaren Minderung der Attraktivität des

ÖPNV. Nur durch zeitgerechte Ersatzinvestiti-

onen kann die laufende Modernisierung des

Systems gewährleistet werden, da üblicher-

weise in Fahrzeuge und Anlagen nach dem

jeweils aktuellen Branchenstandard investiert

wird.

Der Freistaat Sachsen leistet mit dem Landes-

investitionsprogramm (LIP) einen wesentli-

chen Beitrag zur Sicherung der Finanzierung

von Infrastruktur und Fahrzeugen, insbeson-

dere im ÖSPV. Zur Finanzierung des Pro-

gramms werden neben Bundes- und EU-

Mitteln auch Landesmittel verwendet. Die

bisherige Investitionsförderung ist vorder-

gründig auf Neu- und Ausbaumaßnahmen und

weniger auf den Ersatz bestehender Anlagen

und Fahrzeuge ausgerichtet. Ein wesentlicher

Anteil wurde auch für die Kofinanzierung von

Großvorhaben im Schienenpersonennahver-

kehr (SPNV) verwendet (Citytunnel Leipzig,

Chemnitzer Modell, S-Bahn Dresden). Ange-

sichts der hohen Leistungsfähigkeit der Be-

standsinfrastruktur und der kommenden Ent-

wicklungen ist der Erhalt des Bestandes zu-

künftig stärker zu priorisieren.

Der konkrete Reinvestitionsbedarf im ÖSPV ist

von vielen Faktoren abhängig und wird im

Rahmen der laufenden Investitionsplanung

durch die Verkehrsunternehmen ermittelt und

fortgeschrieben. Einen hinreichend genauen

Anhaltspunkt zum jährlichen Investitionsbe-

darf für Ersatzinvestitionen gibt die im Auftrag

des Verbandes Deutscher Verkehrsunterneh-

men (VDV) durchgeführte ETC-Studie2. Basie-

rend auf einer Erhebung des Anlagenbestan-

des durch die Verkehrsunternehmen wurde

ein jährlicher Mittelbedarf für Ersatzinvestiti-

onen im ÖSPV von ca. 225 Mio. EUR (Stand

2013) ermittelt. Dieser verteilt sich wie nach-

folgend dargestellt auf die Gebietskörper-

schaften und Sachanlagen.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 123 von 178

Durchschnittlicher Bedarf Ersatzinvestitionen im ÖSPV

Investitionsgegenstand Gebietskörperschaften Investitionsbedarf

[Mio. EUR pro Jahr]

Fördermittelbedarf3

[Mio. EUR pro Jahr]

Infrastruktur (Straßenbahn-

netz, Betriebshöfe, Haltestel-

len, RBL, Vertrieb)

Ballungszentren 82,5 61,9

Sonstige Oberzentren

(Görlitz, Plauen, Zwickau)

12,0 9,0

Landkreise 20,3 15,2

Fahrzeuge (Bus) Ballungszentren 10,2 5,1

Sonstige Oberzentren

(Görlitz, Plauen, Zwickau)

1,0 0,5

Landkreise 44,8 22,4

Fahrzeuge (Straßenbahn) Ballungszentren 45,8 22,9

Sonstige Oberzentren

(Görlitz, Plauen, Zwickau)

8,0 4,0

Landkreise 0,4 0,2

Gesamtsumme 225,0 141,2

Tab. 1: Bedarf Ersatzinvestitionen ÖSPV

Unterstellt man in Anlehnung an die bisherige

Förderpraxis die Anwendung der aktuellen

Regelförderhöchstsätze4 (Infrastruktur: 75%,

Fahrzeuge: 50%) ergibt sich daraus ein not-

wendiger Fördermittelbedarf von ca. 141 Mio.

EUR jährlich.

Ergänzend zur Nutzerfinanzierung werden

hierfür auch künftig in nahezu allen Bereichen

Fördermittel eine wesentliche Finanzierungs-

säule sein müssen. Die vorhandene Investiti-

onsförderung im Freistaat Sachsen ist daher

so weiterzuentwickeln, dass die Finanzierung

von Ersatzinvestitionen im ÖSPV auch zukünf-

tig sichergestellt werden kann. Dies gilt für die

Erhaltung des heutigen Bestandes aber auch

für absehbare Erweiterungen von Anlagen und

Fuhrparks.

Die Entwicklung und Finanzierung der Infra-

struktur im SPNV ist Aufgabe des Bundes. Die

Kosten für den Fahrzeugeinsatz und die Infra-

strukturnutzung im SPNV werden im Wesent-

lichen über Bestellerentgelte der Zweckver-

bände aus Regionalisierungsmitteln des Bun-

des getragen.

1.2 Barrierefreiheit

Der ÖPNV soll im gesamten Freistaat Sachsen

zur Verfügung stehen. Ein wichtiges Element

zu dessen Erfüllung ist die Teilhabe mobili-

tätseingeschränkter Personen am ÖPNV durch

eine barrierefreie Ausrüstung von Haltestellen

und Fahrzeugen. Schätzungsweise 20% der

Bevölkerung sind dauerhaft oder zeitweise auf

unterschiedliche Weise mobilitätseinge-

schränkt. Barrierefreiheit bezieht sich neben

den Belangen körperbehinderter Menschen

auch auf die Belange sinnesbehinderter Men-

schen und auf die von Menschen mit kogniti-

ven Einschränkungen. Hinzu kommen Perso-

nen, die aus unterschiedlichen Gründen eben-

falls auf einen barrierefreien ÖPNV angewie-

sen sind (z.B. Personen mit Gepäck oder Kin-

derwagen). Barrierefreiheit ist nicht nur eine

gesetzliche Auflage, sie liegt auch im Eigenin-

teresse der Verkehrsunternehmen und Aufga-

benträger. Ihnen ist es ein Anliegen, möglichst

allen Bürgern eine durchgängige, selbständige

Nutzung des ÖPNV zu ermöglichen.

Mit der Neufassung des Personenbeförde-

rungsgesetzes (PBefG) wurde eine Frist für die

Herstellung von Barrierefreiheit für den ÖSPV

verankert. Diese ist mit dem 1. Januar 2022

sehr eng gefasst. Allerdings erkennt der Bun-

desgesetzgeber, dass eine vollständige Um-

setzung bis zu diesem Zeitraum unwahrschein-

lich ist und definiert zwei wesentliche Aus-

nahmen: In den Nahverkehrsplänen oder

durch die Länder selbst können abweichende

Zeitpläne fixiert werden. Ebenso können die

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Seite 124 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Länder Ausnahmen von der Barrierefreiheit

bestimmen, wenn aus bestimmten Gründen

(z.B. baulich) eine Umrüstung nicht durch-

führbar ist. Hervorzuheben ist in diesem Zu-

sammenhang das Regel-Ausnahme-Prinzip,

d.h. Barrierefreiheit ist die Regel, Ausnahmen

hiervon sind konkret zu benennen und zu be-

gründen.

In Sachsen hat sich in den letzten Jahren be-

reits eine kontinuierliche und konstruktive

Dialogkultur zwischen allen Beteiligten (Auf-

gabenträger, Baulastträger, Interessenvertre-

tungen) entwickelt. Darauf aufbauend hat

auch die Arbeitsgruppe Infrastruktur und

Fahrzeuge den Austausch mit den Verbänden

gesucht. Dies betraf insbesondere die Ausei-

nandersetzung mit Ausnahmetatbeständen,

Maßnahmenpriorisierung und Definition des

Zielzustandes. Hervorzuheben sind in diesem

Zusammenhang die Ergebnisse des Projektes

„ÖPNV/SPNV für alle“. Die in diesem Projekt

erarbeiteten technischen und betrieblichen

Anforderungen bilden aus Sicht der Arbeits-

gruppe eine gute Grundlage für die Bestim-

mung des Zielzustandes und die Entwicklung

konkreter Umsetzungsmaßnahmen. Die

schnellstmögliche Herstellung vollständiger

Barrierefreiheit ist das gemeinsame Ziel aller.

Angesichts des engen Zeit- und Finanzrah-

mens sowie aus sachlichen Erwägungen wird

jedoch in Abstimmung mit den Interessenver-

tretern der Behindertenverbände folgende

Strategie empfohlen:

Zeitrahmen: Grundsätzlich gilt es, das Ziel

einer umfassenden Barrierefreiheit bis

2022 anzustreben. Dies ist allerdings aus

planerischer, baulicher und finanzieller

Perspektive nicht darstellbar. Die Ar-

beitsgruppe interpretiert das PBefG je-

doch dahingehend, dass eine Umrüstung

auch bis zum Jahr 2030 im Einklang mit

dessen Vorgaben wäre. Angesichts plane-

rischer und baulicher Aspekte ist diese

Erweiterung des Zeitplans sinnvoll. Hier-

für sind die Umrüstschritte durch die Ak-

teure vorab zu kommunizieren und ihre

Umsetzung dann auch einzuhalten.

Umrüstziel: Eine vollständige Umrüstung

aller Haltestellen im Freistaat Sachsen ist

sowohl aus finanziellen als auch aus

technischen Erwägungen kaum zu leisten

und entspricht in der Absolutheit auch

nicht der Forderung der Betroffenen.

Entscheidend ist ein Ausbaugrad, der ei-

ne möglichst flächendeckend barriere-

freie Erreichbarkeit sichert. Nach Ein-

schätzung der Betroffenen ist dies gege-

ben, wenn die in Tabelle 2 dargestellten

Ausbaugrade erreicht werden. Die darge-

stellten Ausbauziele werden auch vom

Beauftragten der Sächsischen Staatsre-

gierung für die Belange von Menschen

mit Behinderungen mitgetragen.

Kategorie Status quo Zielzu-

stand

ÖSPV-Haltestellen

Städte

Ländlicher Raum

30 – 40%

5%

60 -70%

>50%

Straßenbahn-fahrzeuge

>80%

100% Linienbusse

Stadtverkehr

Regionalverkehr

90%

60%

SPNV-Zugangsstellen 25% 45%

SPNV-Fahrzeuge 50% 80%

Tab. 2: Barrierefreiheit - Ausbaugrad Status quo und

Zielzustand 20305

Zu priorisieren ist dabei zunächst die ÖPNV-

Infrastruktur an zentralen Umsteigeknoten

und wichtigen Fahrtzielen (z.B. Wohngebiete,

Ärztehäuser, Einkaufsmöglichkeiten). Daher

wurde eine differenzierte Umrüststrategie

vorgeschlagen, in Abhängigkeit von der Größe

der jeweiligen Kommune. Ausgehend von der

differenzierten Umrüstung und dem erarbei-

teten Zeitplan (vollständige Erreichung Zielzu-

stand bis 2030) wurde unter Bezug des derzei-

tigen Umrüststandes in der Arbeitsgruppe

eine überschlägige Abschätzung des Mittelbe-

darfs vorgenommen. Ausgehend von der Tat-

sache, dass bereits heute nur noch in barriere-

freie Anlagen und Fahrzeuge investiert wird,

wurde dieser zusätzlich erforderliche Investi-

tionsbedarf um die im Zeitraum ohnehin an-

fallenden Ersatzinvestitionen vermindert.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 125 von 178

In Summe wurde auf Grundlage einer Ab-

schätzung ein Gesamtfinanzierungsbedarf von

jährlich 29 Mio. EUR (davon Landesförde-

rungsbedarf von 22 Mio. EUR pro Jahr) ermit-

telt, um die von der Arbeitsgruppe Infrastruk-

tur und Fahrzeuge empfohlenen Umrüstziele

bis 2030 zu erreichen. Dies umfasst ca. 90

Straßenbahnhaltestellen (inkl. erforderliche

Straßenbahnmaßnahmen) sowie 13.500 Bus-

haltestellen. Hinzu kommen noch im Regelfall

notwendige Mehraufwendungen für ergän-

zende Maßnahmen der Straßenbaulastträger

im Haltestellenumfeld, deren Abschätzung

erst nach Vorliegen konkreter Planungen mög-

lich ist. Eine Abschätzung des Investitionsbe-

darfes für Fahrzeuge wurde nicht vorgenom-

men, da diese im Rahmen der typischen Nut-

zungsdauer (z.B. Linienbusse ca. 8 - 10 Jahre)

in wenigen Jahren vollständig barrierefrei sein

dürften. Voraussetzung ist auch in diesem

Sinne eine stabile Finanzierungssituation, die

zeitgerechte Ersatzinvestitionen durch die

Verkehrsunternehmen ermöglicht.

Eine Besonderheit stellt der Eisenbahnverkehr

dar: Die Schiene ist nicht vom Regelwerk des

PBefG betroffen. Allerdings macht das Eisen-

bahnrecht den Eisenbahnen (Infrastrukturbe-

treiber und Verkehrsunternehmen) Vorgaben

zur Barrierefreiheit. Verantwortlich für die

Umrüstung von Stationen sind demnach

grundsätzlich die Unternehmen. Im Freistaat

Sachsen sind die Stationen der NE-Bahnen

(Nichtbundeseigene Eisenbahnen) alle stufen-

frei erreichbar, bei den Stationen der DB AG

sind dies schätzungsweise 75% (Stand 2015).

Zum stufenfreien Ein- und Ausstieg werden

zusätzliche Schiebetritte zur Spaltüberbrü-

ckung zwischen Bahnsteigkante und Fahr-

zeugboden benötigt. Für Neufahrzeuge wird

diese Technik i.d.R. durch die Aufgabenträger

vorgegeben. Für Altfahrzeuge wäre eine kos-

tenintensive Nachrüstung erforderlich.

Der Freistaat Sachsen und die SPNV-

Aufgabenträger unterstützen den Ausbau von

Verkehrsstationen punktuell mit Mitteln aus

dem LIP sowie dem Regionalisierungsgesetz.

Abschließend gibt die Arbeitsgruppe Infra-

struktur und Fahrzeuge folgende Empfehlun-

gen:

Zur Umsetzung der gesetzlich fixierten

Zielstellung einer vollständigen Barriere-

freiheit im ÖPNV innerhalb des oben ge-

nannten Zeitrahmens ist eine Intensivie-

rung der Anstrengungen aller relevanten

Akteure erforderlich. Dies betrifft insbe-

sondere die Herstellung der Barrierefrei-

heit der ÖSPV-Haltestellen. Ausgehend

von einem zusätzlichen Investitionsbe-

darf von 377 Mio. EUR insgesamt bzw.

29 Mio. EUR jährlich im Zeitraum 2018 –

2030 sind hierfür bis 2030 zusätzliche

Fördermittel in Höhe von ca. 22 Mio. EUR

jährlich bereit zu stellen. Unverzichtbar

ist, im SPNV am sächsischen Bahnsteig-

höhenkonzept festzuhalten. Alle Fahr-

zeugbeschaffungen (aktueller Bestand

und geplante Beschaffungen) sind eben-

falls auf dieses Bahnsteighöhenkonzept

(Bahnsteighöhe 55 cm) ausgerichtet.

Von den Zweckverbänden, Kommunen

und Verkehrsunternehmen ist für den

ÖSPV eine Umrüststrategie bis zum Ziel-

zustand im Jahr 2030 zu entwickeln. Da-

bei ist der konstruktive Dialog mit den

Verbänden fortzusetzen. Gemeinsam ist

eine sinnvolle Priorisierung zur Umset-

zung dieses Schwerpunktes vorzuneh-

men, um sicherzustellen, dass möglichst

kurzfristig viele Nutzer von den umge-

setzten Ausbaumaßnahmen profitieren.

Bei der Vergabe von Fördermitteln soll

die fehlende Barrierefreiheit von Förder-

vorhaben grundsätzlich ein Ausschlusskri-

terium darstellen. Die Fördermittel-

vergabe soll darüber hinaus mit der

Schaffung von zusätzlichen Anreizen ver-

bunden werden, welche die beteiligten

Akteure motivieren ihre Anstrengungen

zur Herstellung der Barrierefreiheit zu in-

tensivieren (z.B. Übernahme von Pla-

nungskosten).

Für ein bedarfsgerechtes Angebot an bar-

rierefreien Taxen im Freistaat Sachsen

wird zudem ein Förderbaustein für die

erforderlichen Mehrkosten der Fahr-

zeugausrüstung empfohlen.

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Seite 126 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Ist die Barrierefreiheit noch nicht voll-

ständig gegeben, besteht an vielen Stel-

len die Möglichkeit, nach Voranmeldung

eine personenunterstützte Einstiegshilfe

oder Taxi-Ersatzbeförderung zu nutzen

oder den Einsatz eines barrierefreien

Fahrzeuges anzufordern. Bis zur Errei-

chung der vollständigen Barrierefreiheit

im ÖPNV sind in den Nahverkehrsplänen

geeignete technische und organisatori-

sche Maßnahmen zu verankern, um die

damit verbundenen Anmeldefristen zügig

spürbar zu verringern.

Den jeweils zuständigen Akteuren (Verkehrs-

unternehmen, Aufgabenträgern) wird ergän-

zend empfohlen:

Ein sachsenweit abgestimmtes einheitli-

ches Blindeninformationssystem einzu-

setzen

Zur Erleichterung der Nutzung des ÖPNV

durch Menschen mit kognitiven Ein-

schränkungen Tarifinformationen, Fahr-

planaushänge, Netzpläne und diverse

Hinweise in Fahrzeugen und im Bereich

der Zugangsstellen in „Leichter Sprache“

zu gestalten

Das Fahr- und Servicepersonal für die be-

sonderen Belange von Menschen mit Be-

hinderungen zu sensibilisieren und den

Umgang mit diesen zu schulen

Weiterhin eng mit den etablierten Ar-

beitsgruppen im Rahmen der Projekte

„ÖPNV/SPNV für alle“ sowie den Behin-

dertenbeauftragten und -beiräten zu-

sammenzuarbeiten.

1.3 Angebots- und Kapazitätserweiterun-gen in den Oberzentren

Sicherung der Attraktivität des ÖPNV bei

wachsender Bevölkerung (Fortschreibungs-

szenario)

Bei Fortsetzung des derzeitigen Bevölke-

rungswachstums ist mit einem Anstieg der

Verkehrsnachfrage in den Ballungszentren um

ca. 14% bis 2030 zu rechnen. Dies betrifft ins-

besondere die Städte Dresden und Leipzig.

Damit werden die Leistungsgrenzen des be-

stehenden ÖPNV-Systems in den Ballungszen-

tren bis 2030 erreicht und punktuell über-

schritten. Um der Gefahr einer sinkenden

Attraktivität des ÖPNV-Angebotes infolge

Kapazitätseinschränkung entgegen zu wirken,

sind zusätzliche Investitionen in Infrastruktur

und Fahrzeuge erforderlich. Diese umfassen in

erster Linie die Beschaffung längerer und brei-

tere Fahrzeuge mit höherer Platzkapazität,

inkl. der dazu notwendigen Infrastrukturan-

passungen (Betriebshöfe, Haltestellen, schritt-

weise Ertüchtigung von Bestandsstrecken für

Straßenbahnen mit größerer Wagenkasten-

breite in Dresden und Leipzig). Das Erfordernis

zur Weiterführung dieser langfristig angeleg-

ten Strategie resultiert auch aus den aktuellen

Bedürfnissen der ÖPNV-Kunden, die einen

steigenden Raumbedarf in den Fahrzeugen zur

Folge haben (z.B. Stellflächen zur Gewährleis-

tung der Barrierefreiheit, möglichst hoher

Sitzplatzanteil, nicht zu eng wirkende Durch-

gangsbereiche).

Darüber hinaus sind die bereits beschlossenen

Netzerweiterungen zügig umzusetzen. Dies

betrifft insbesondere das Stadtbahnprogramm

2020 in der Landeshauptstadt Dresden sowie

die weitere Umsetzung der Maßnahmen des

Chemnitzer Modells.

Der aus den genannten Maßnahmen resultie-

rende Finanzierungs- und Fördermittelbedarf

ist in Tabelle 3 beispielhaft für das Jahr 20256

dargestellt. Zusätzlich wird der summarische

Gesamtmittelbedarf bis 2030 ausgewiesen.

Dabei wird unterstellt, dass alle Maßnahmen

mit den derzeit geltenden Regelförder-

höchstsätzen des LIP durch den Freistaat

Sachsen gefördert werden und die kommuna-

le Ebene einen Kofinanzierungsanteil erbrin-

gen kann. Die Angaben für die Ballungszen-

tren basieren auf einer Abschätzung der Ver-

kehrsunternehmen anhand der aktuellen Pla-

nungsstände. Zusätzlich wird ein Pauschalwert

für die Oberzentren Görlitz, Plauen, Zwickau

ausgewiesen, der analog zu den Ballungszen-

tren punktuelle Maßnahmen zur Attraktivi-

tätssteigerung des ÖSPV ermöglicht.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 127 von 178

Investitionsbedarf Fortschreibungsszenario (Beispieljahr 2025)

Gebietskörperschaften Investitionsgegenstand Investitionsbedarf

[Mio. EUR 2025]

Anteil

Freistaat7

[Mio. EUR 2025]

Anteil

Kommunen, VU

[Mio. EUR, 2025]

Ballungszentren

(Chemnitz, Dresden,

Leipzig)

Infrastrukturerweiterungen 27,0 20,3 6,8

Fuhrparkerweiterungen 21,4 10,7 10,7

Sonstige Oberzentren

(Görlitz, Plauen, Zwickau)

Infrastruktur- und

Fuhrparkerweiterungen

2,0 1,2 0,8

Summe Beispieljahr 2025 50,4 32,2 18,3

Gesamtbedarf 2019-2030 474,0 308,3 165,7

Tab. 3: Zusatzbedarf in Oberzentren zum Erhalt der Attraktivität des ÖPNV im Status quo

Erhöhung des Modal Splits in den Ballungszen-

tren (Wachstumsszenario)

Die Verkehrsentwicklungsplanungen der drei

Großstädte streben darüber hinaus eine deut-

liche Reduzierung des MIV-Anteils an der städ-

tischen Gesamtverkehrsleistung an. Hierzu soll

der Anteil des Umweltverbundes8 auf bis zu

70% gesteigert werden9. Damit würde ein

wesentlicher Beitrag zur Verwirklichung der

umwelt- und klimapolitischen Zielstellungen

auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene

geleistet. Der Anteil des ÖPNV an der städti-

schen Gesamtverkehrsleistung müsste zur

Erreichung dieser ambitionierten Ziele auf

25% – 30% gesteigert werden. Dies entspricht

einem Anstieg der Verkehrsleistung im ÖSPV

um bis zu 66% (vgl. Abbildung 1).

Im Freistaat Sachsen ist eine verstärkte Hin-

wendung der Stadtbevölkerung zu umwelt-

freundlichen Mobilitätsangeboten erkennbar.

Durch den Ausbau des ÖPNV zum Vorrangsys-

tem in den Ballungszentren Dresden, Leipzig

und Chemnitz können diese Potenziale ausge-

schöpft und der Straßenverkehr in den Städ-

ten trotz steigender Einwohnerzahlen redu-

ziert bzw. begrenzt werden.

Eine Stärkung des Umweltverbundes führt zu

verschiedenen positiven Effekten, die insge-

samt zu einer Verbesserung der Lebensquali-

tät in den Städten und Verdichtungsräumen

beitragen:

Reduzierung des Flächenbedarfs für den

MIV in den wachsenden Städten (insb.

weniger Parkplätze in Wohn- und Ge-

werbegebieten)

Vermeidung von Staus in Verkehrsspitzen

Reduzierung verkehrsbedingter lokaler

Emissionen sowie Verringerung des CO2-

Ausstoßes durch Begrenzung bzw. Rück-

gang der Pkw-Fahrleistung.

Verringerung des Erhaltungs- und Aus-

bauinvestitionsbedarfes für Straßeninfra-

struktur durch Begrenzung bzw. Rück-

gang der Pkw-Fahrleistung

Die dafür erforderliche grundlegende Auswei-

tung des ÖSPV-Angebotes umfasst weitere

Taktverdichtungen auf bestehenden Achsen

sowie zusätzliche Erweiterungen des Linien-

netzes zur Verbesserung der Erreichbarkeit

von Wohnquartieren und Gewerbestandor-

ten.

Dazu sind weitere Investitionen in Infrastruk-

turen und Fahrzeuge erforderlich. Dies be-

trifft:

Investitionen in zusätzliche Fahrzeuge für

Angebotsverdichtung und Ausweitung

der räumlichen Erschließung.

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Abb. 1: Entwicklung der ÖSPV-Verkehrsleistung in den Ballungszentren bis 203010

; Prozentantangaben Änderungen ge-

genüber Status quo (2014)

Die Einrichtung zusätzlicher Haltestellen

(z.B. verbesserte Quartierserschließung).

Die Erweiterung der Straßenbahnnetze

(Aufwertung aufkommensstarker

Busachsen, zusätzliche Neubaustrecken

zur Entlastung hochbelasteter Innen-

stadtabschnitte und Verkehrsknoten, z.B.

in Leipzig).

Nach erster Einschätzung der Verkehrsunter-

nehmen sind hierfür im Zeitraum 2019 – 2030

ca. 484 Mio. EUR insgesamt bzw. ca. 48 Mio.

EUR jährlich zusätzlich zu den Maßnahmen

des Fortschreibungsszenarios zu investieren,

wovon in Anlehnung an die bisherige Förder-

praxis und -quoten etwa 347 Mio. EUR insge-

samt bzw. ca. 35 Mio. EUR jährlich aus Landes-

und Bundesmitteln aufzubringen wären (vgl.

Tabelle 4). Mit Rücksichtnahme auf den erfor-

derlichen Planungsvorlauf ist davon auszuge-

hen, dass der Investitionsschwerpunkt etwa in

den Jahren 2024-30 liegen wird. In diesem

Zeitraum wären im Schnitt ca. 65 Mio. Euro

jährlich zu investieren. Hierfür wären ca. 47

Mio. Euro Fördermittel pro Jahr bereitzustel-

len. Hinzu kommen noch ca. 26 Mio. Euro für

erste Vorlaufmaßnahmen (ab 2020). Zu be-

achten ist, dass bei dieser Modellrechnung

ausreichend verfügbare Mittel unterstellt

werden.

Ein großer Anteil der erforderlichen Mittel

wird für den Ausbau des Straßenbahnnetzes

benötigt. Der Investitionsschwerpunkt liegt

dabei in den Jahren nach 2024 bis 2030. Auf-

grund langfristiger Planungshorizonte müssen

auch diese Maßnahmen zeitnah angegangen

werden. Die geplanten Maßnahmen beider

Szenarien bauen daher aufeinander auf.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 129 von 178

Investitionsbedarf Wachstumsszenario (Beispieljahr 2025)

Gebietskörperschaften Investitionsgegenstand

Investitions-

bedarf

[Mio. EUR,

2025]

Anteil

Freistaat11

[Mio. EUR,

2025]

Komm. An-

teil, VU

[Mio. EUR,

2025]

Ballungszentren

(Chemnitz, Dresden,

Leipzig)

Infrastrukturerweiterungen 42,7 32,0 10,7

Fuhrparkerweiterungen 0,012

0,0 0,0

Summe Beispieljahr 2025 42,7 32,0 10,7

Gesamtbedarf 2019-2030 484,0 347,0 137,0

Tab. 4: Zusatzbedarf Oberzentren zur Erhöhung des ÖV-Anteils am Modal Split (Wachstumsszenario)

1.4 Digitalisierung und Elektromobilität

Im Hinblick auf die langfristige Sicherung der

Zukunftsfähigkeit des ÖPNV-Systems sind die

Bestrebungen der Verkehrsunternehmen zum

Einsatz alternativer Antriebskonzepte und zur

weiteren Digitalisierung von Betrieb und In-

standhaltung zu unterstützen. Im Mittelpunkt

stehen dabei die Ablösung des klassischen

Dieselantriebes und die verstärkte Hinwen-

dung zur Elektromobilität ohne flächende-

ckende Fahrleitungsinfrastruktur.

Durch die Umrüstung erster Linien bzw. Teil-

netze auf innovative Fahrzeuge können die

Verkehrsunternehmen wertvolle Erfahrungen

sammeln. Gleichzeitig wird die Kundenwahr-

nehmung des ÖPNV als umweltfreundliche

Alternative und innovatives System gefördert.

Darüber hinaus wird das Engagement der

Hersteller motiviert, schnellstmöglich wirt-

schaftlich tragfähigere Lösungen anzubieten.

Aufgrund der derzeitig noch höheren Beschaf-

fungspreise und zumindest in der Anfangspha-

se höherer Lebenszykluskosten für Fahrzeuge

mit innovativen Antrieben ist eine Kompensa-

tion der Mehraufwendungen der Verkehrsun-

ternehmen durch eine geeignete Investitions-

förderung für Fahrzeuge und zugehörige Infra-

struktur (z.B. Ladeinfrastruktur) zunächst noch

elementare Voraussetzung für eine zügige

Umsetzung innovativer Antriebskonzepte.

Daher ist ein geeigneter Rahmen zur Förde-

rung erster Anwendungen im Regelbetrieb

anzustreben. Entscheidend für den ökonomi-

schen Erfolg solcher Antriebskonzepte wird

die Frage sein, ob sich ausreichend Stückzah-

len erzielen lassen, um die Marktpreise zu

mindern. Einkaufsgemeinschaften der Ver-

kehrsunternehmen im ÖSPV sowie größere

Lose im SPNV können hierbei unterstützend

wirken.

Nach Einschätzung der Verkehrsunternehmen

werden für erste Schritte zur Einführung von

Elektrobussen im Regelbetrieb in den Bal-

lungszentren im Zeitraum 2019 bis 2030 ca.

108 Mio. EUR insgesamt bzw. ca. 9 Mio. EUR

jährlich benötigt (Bereitstellung Ladeinfra-

struktur/Energieversorgung, Kompensation

Fahrzeugmehrkosten).

Darüber hinaus ist die Erschließung der

Potenziale der Digitalisierung durch die

Verkehrsunternehmen und Infrastruk-

turbetreiber unterstützenswert. Neben

dem elektronischen Vertrieb gibt es eine

Reihe weiterer Anwendungsfelder, die

zum Abbau von Zugangshemmnissen und

zur Effizienzsteigerung bei Planung, Con-

trolling und Betrieb beitragen können.

Hierzu zählen beispielsweise:

Verbesserung der Voraussetzungen für

Multi- und Intermodalität

verkehrsfluss- und pünktlichkeitsabhän-

gige ÖPNV-Beschleunigung

Bereitstellung digitaler Unterstützung für

Personen mit Mobilitätseinschränkungen

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(Mobilgeräte, Assistenz im Fahrzeug und

auf dem Bahnsteig usw.)

Unterstützung der Umsetzung flexibler

Bedienformen im ländlichen Raum und

zur Quartiererschließung durch intelli-

gente Planungs-, Dispositions- und Bu-

chungssysteme

weitere Modernisierung der vorhande-

nen Betriebsleitsysteme für den klassi-

schen ÖPNV (flächendeckende intermo-

dale Anschlusssicherung, Echtzeit-

Auskunftsfähigkeit, intelligentes Stör-

fallmanagement, verkehrs- und betriebs-

lageabhängige ÖPNV-Bevorrechtigung an

Knotenpunkten)

Verbesserung von Sicherheit, Betriebs-

qualität und Energieeffizienz im straßen-

und schienengebundenen Verkehr durch

Fahrerassistenzsysteme

intelligente Fahrzeuginstandhaltung (Zu-

standsüberwachung, Sammlung von Be-

triebsdaten, Werkstattmanagementsys-

teme, digitalisierte Ersatzteilfertigung).

Nach Einschätzung der Verkehrsunternehmen

wären für Digitalisierungsvorhaben bis 2030

ca. 96 Mio. EUR bzw. 8 Mio. EUR jährlich für

die drei Ballungszentren Leipzig, Dresden und

Chemnitz erforderlich (u.a. für Automatisie-

rungsprozesse bei Betriebshofmanagement

und Lagerlogistik, Weiterentwicklung Kunden-

servicefunktionen, wie z.B. Implementierung

verkehrsträgerspezifischer und verkehrsträ-

gerübergreifender digitaler Assistenzfunktio-

nen in den Auskunfts- und Fahrgastinformati-

onssystemen). Hinzu kommen derzeit noch

nicht bezifferbare Aufwendungen zur Herstel-

lung adäquater Verhältnisse in den Landkrei-

sen. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist dabei

die Verbesserung der Vernetzung von Ver-

triebs- und Informationsinfrastruktur.

Vor dem Hintergrund des anhaltenden Kos-

tendrucks und der Notwendigkeit der Kon-

zentration auf das Tagesgeschäft können die

Verkehrsunternehmen erforderliche personel-

le und materielle Ressourcen für die Überfüh-

rung von Innovationen in den Regelbetrieb

nur eingeschränkt aus Eigenmitteln bereitstel-

len. Erstrebenswert sind daher Gemein-

schaftsvorhaben mehrerer Unternehmen so-

wie ggf. eine temporäre Unterstützung bei

Vorbereitung und Begleitung von Innovations-

vorhaben.

2. Regionalisierung Eisenbahninfrastruk-tur

Eine leistungsfähige Schieneninfrastruktur

bildet die Grundlage des Eisenbahnverkehrs.

Das sächsische Eisenbahnnetz hat eine Ge-

samtlänge von 2.416 km, wovon ca. 10% in

Verantwortung von NE-Bahnen liegt. Der

überwiegende Teil des sächsischen Eisen-

bahnnetzes wird von der DB Netz AG betrie-

ben.

Zum Betrieb der Eisenbahninfrastruktur gehö-

ren insbesondere alle Maßnahmen zum Bau

und zum Unterhalt des Gleisnetzes sowie der

Sicherungs- und Leittechnik. Die Finanzierung

unterscheidet sich nach Eigentümerschaft. Für

alle Netze gilt, dass die laufenden Einnahmen

der Infrastrukturbetreiber von den Ländern im

Rahmen der SPNV-Bestellungen getragen

werden. Gerade bei der DB Netz AG hatten

sich diese Kosten in der Vergangenheit von

der Entwicklung der Regionalisierungsmittel

entkoppelt. In der Vergangenheit konnte die

Entwicklung durch (erstmalige) Ausschreibung

von Bestellleistungen teilweise aufgefangen

werden. Mit der Preisbremse des am 2.9.2016

in Kraft getretenen Eisenbahnregulierungsge-

setzes (ERegG) wird es zukünftig zwar eine

gleichlaufende Dynamisierung von Infrastruk-

turentgelten und Regionalisierungsmitteln

geben. Allerdings blieb die Ausgangsbasis auf

dem hohen Preisniveau der Vorjahre.

Dabei hat es auch bei der DB Netz AG Bestre-

bungen gegeben, die Organisation und Durch-

führung des Betriebes effizienter zu gestalten.

Strecken, die überwiegend regionalen Ver-

kehrsbedürfnissen dienen wurden in soge-

nannten Regionalnetzen zusammengefasst. In

Sachsen ist dies bei den von der Erzgebirgs-

bahn betriebenen Strecken der Fall. Allerdings

bestehen kaum Anreize, die Kosten für den

Betrieb regionaler Eisenbahninfrastruktur zu

senken und diese Vorteile an die Nutzer wei-

terzugeben. Die Regionalisierung unter dem

Dach der DB Netz AG ist daher zumindest in

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 131 von 178

Sachsen mit Blick auf die Infrastrukturkosten

gescheitert.

Dabei zeigt die Beobachtung des Marktes in

den vergangenen Jahren, dass günstigere

Trassenpreise bei regionaler Infrastruktur

möglich sind. Bundesweit finden sich hierfür

Beispiele von NE-Bahnen. Deren Kostenvortei-

le sind u.a. darauf zurückzuführen, dass ver-

mehrt schlanke Lösungen zum Einsatz kom-

men, die auf die spezifische Situation vor Ort

zugeschnitten sind und Aufwendungen wie

Konzernumlagen oder hohe Kapitalverzinsun-

gen entfallen. Die operative Umsetzung lässt

sich über unterschiedliche Modelle erreichen

(z.B. Pacht von DB-Infrastruktur). Dabei ist

darauf zu achten, dass die DB Netz AG über

den Abgabepreis (Pacht oder Verkaufspreis)

nicht erhebliche Teile der Kostenersparnis

absorbiert. Auch ist im Zuge der Regionalisie-

rung von DB-Infrastruktur darauf hinzuwirken,

dass Bundesmittel für diese Infrastruktur an

die neuen Betreiber ausgereicht werden.

Die regionale bzw. kommunale Verankerung

der Eisenbahninfrastruktur im Freistaat Sach-

sen böte die Chance, die Entwicklung der Ei-

senbahninfrastruktur vor Ort aktiver steuern

zu können. In Frage kommen im sächsischen

Nebennetz der DB Netz AG jene Strecken, die

vorrangig oder allein vom SPNV befahren

werden und keine überregionale Bedeutung

haben. Gemessen am derzeitigen Angebots-

umfang ergibt sich somit ein grob geschätztes

Potenzial von ca. 8,5 Mio. EUR jährlich, die

durch eine Regionalisierung der Infrastruktur

erzielt werden könnten. Diese Mittel könnten

dann für Angebotsverbesserungen oder inves-

tive Maßnahmen (z.B. Modernisierung Fahr-

zeugflotte, Stationsausbau) genutzt werden.

Die Arbeitsgruppe Infrastruktur und Fahrzeu-

ge spricht sich daher dafür aus, die Vorausset-

zungen für alternative Betreibermodelle im

Regionalnetz zu schaffen. Gegenüber Bund

und DB AG ist durch den Freistaat Sachsen

dazu auf die erforderlichen Änderungen der

rechtlichen Rahmenbedingungen und die Um-

setzung hinzuwirken. Zugleich müssen inte-

ressierte Infrastrukturbetreiber (NE-Bahnen)

und Kommunen diesen Umwandlungsprozess

vorantreiben. Eine Sicherstellung der erforder-

lichen Finanzmittel ist zu gewährleisten, z.B.

Investitionszuschüsse sowie langfristige Be-

stellgarantien für den SPNV.

3 Umsetzungsstrategie und Handlungs-empfehlungen

3.1 Bereitstellung der Investitionsmittel für den ÖSPV

Hauptfinanzierungsquelle für Infrastrukturin-

vestitionen ist neben den Eigenmitteln der

Verkehrsunternehmen und Kommunen das

ÖPNV-Landesinvestitionsprogramm (LIP).

Stellt man die anfallenden Infrastrukturinves-

titionen den bei Fortschreibung der aktuellen

Planung verfügbaren Mitteln gegenüber,

ergibt sich anhand der Vorschauwerte für das

repräsentative Beispieljahr 2025 eine Unter-

deckung von ca. 136 Mio. EUR pro Jahr (siehe

Tabelle 5). Dabei wird bereits unterstellt, dass

die Finanzierungsquellen des LIP weiter in der

derzeitigen Höhe, inkl. GVFG-Bundespro-

gramm, EU-Mittel und RegG-Mittel zur Verfü-

gung stehen. Dies stellt aus Sicht der Arbeits-

gruppe Infrastruktur und Fahrzeuge die Un-

tergrenze für die Investitionsförderung dar.

Mehr noch: Dieses strukturelle Defizit ist mit

dem Ziel zu schließen, eine Umsetzung der

erforderlichen Investitionsmaßnahmen im

Rahmen einer konsistenten Investitionspla-

nung zu ermöglichen. Dazu sind folgende

Schritte erforderlich:

1. Die Entwicklungsziele und die zugehöri-

gen Investitionsmaßnahmen und Investi-

tionsvolumina sind in enger Abstimmung

zwischen Kommunen und Verkehrsun-

ternehmen zu konkretisieren und auf der

Zeitschiene einzuordnen. Dies sollte u.a.

im Rahmen der Fortschreibung der

kommunalen Verkehrsentwicklungspläne

bzw. der Nahverkehrspläne erfolgen, die

um zweckentsprechende Ausführungen

zur Investitionsplanung ergänzt werden

sollten.

2. Darauf aufbauend sind die Mittel bereit-

zustellen, um das aufgezeigte strukturelle

Defizit an Fördermitteln (Landesinvestiti-

onsprogramm) von ca. 136 Mio. EUR pro

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Jahr (siehe Tabelle 5) zu schließen. Dazu

gehören eine entsprechende Ausgestal-

tung des Landesinvestitionsprogramms

durch den Freistaat Sachsen, aber auch

die Aufbringung der Eigenmittel auf

kommunaler und unternehmerischer

Ebene.

3. Die Anstrengungen zum Erhalt bestehen-

der Fördermittel und zur Akquise neuer

Fördermittel für den ÖPNV sind seitens

des Freistaates Sachsen zu intensivieren,

um die gesteckten Ziele zu erreichen und

eine möglichst langfristige Planungssi-

cherheit zu schaffen. Für bestehende

Förderquellen ist eine möglichst langfris-

tige Zweckbindung anzustreben. Hierbei

ist auch eine mindestens gleichwertige

Ersatzlösung zur Sicherung der bisher

nach dem EntflechtG für den ÖPNV ver-

fügbaren Bundesfinanzierung zu finden.13

4. Maßnahmen sollten nach Möglichkeit

über Gebietskörperschaftsgrenzen hin-

weg so gebündelt werden, dass der An-

teil an Bundes- und EU-Förderung maxi-

miert werden kann. Dies betrifft in erster

Linie die Inanspruchnahme von Mitteln

des GVFG-Bundesprogramms sowie von

Mitteln für den Einsatz innovativer Lö-

sungen.

Der Mittelbedarf für eine abgestimmte Ver-

kehrs- und Förderplanung ist in Tabelle 5 zu-

sammengefasst und für das repräsentative

Beispieljahr 2025 exemplarisch modelliert,

wobei eine ausreichende Mittelverfügbarkeit

unterstellt wird. Dabei ist sicherzustellen,

dass…

1. anstehende Ersatzinvestitionen in je-

dem Falle abgesichert werden können.

Dies ist Grundvoraussetzung für die Er-

haltung eines angemessenen Niveaus

im sächsischen ÖPNV.

2. die Mittel zur Herstellung der Barriere-

freiheit bis 2030 bereitgestellt werden

können. Dies betrifft insbesondere die

Ertüchtigung der ÖSPV-Haltestellen.

3. der Ausbau des ÖPNV zum Vorrangsys-

tem in den Ballungsräumen im Ein-

klang mit den Rahmenplanungen der

Kommunen zügig vorangetrieben wer-

den kann. Hierbei sind die bereits ge-

planten Infrastrukturmaßnahmen und

Fahrzeugbeschaffungsvorhaben abzu-

sichern. Darüber hinaus ist der weitere

Ausbau der ÖPNV-Bedienung schritt-

weise voranzutreiben.

4. die Verkehrsunternehmen darüber

durch Anschubfinanzierungen in die

Lage versetzt werden, Linienbusse mit

elektrischem Antrieb schrittweise auf

ausgewählten Linien zu etablieren so-

wie weitere Digitalisierungsvorhaben

zur Steigerung von Attraktivität und

Wirtschaftlichkeit im ÖPNV zügig um-

zusetzen.

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Investitionsgegenstand

Bedarf Beispieljahr 202514

[Mio. EUR]

Gesamtbedarf 2018–2030

[Mio. EUR]

Anteil

Freistaat

Komm. An-

teil, VU

Gesamt Anteil

Freistaat

Komm.

Anteil, VU

Gesamt

Ersatzinvestitionen ÖSPV 141 84 225 1.835 1.090 2.925

Barrierefreiheit 22 7 29 283 94 377

Angebots- und Kapazitätserweiterungen Oberzentren (Fortschreibungsszenario)

32 18 50 308 166 474

Angebots- und Kapazitätser-weiterungen Ballungszentren (Wachstumsszenario)

32 11 43 347 138 484

Digitalisierung / Beginn Einführung Elektromobilität

13 9 22 136 91 227

Investitionsbedarf Gesamt 240 129 369 2.909 1.579 4.488

Fortschreibung

Landesinvestitionsprogramm13

104 1.352

Unterdeckung 136 1.557

Tab. 5: Gegenüberstellung Gesamtinvestitionsbedarf ÖSPV und Fortschreibung LIP

3.2 Flankierende Maßnahmen SPNV

Darüber hinaus sollte sich der Freistaat Sach-

sen dafür einsetzen, dass eine ausreichende

Finanzierung für Bestandserhalt und Moderni-

sierung der SPNV-Infrastruktur durch den

Bund sichergestellt wird. Dies betrifft auch:

Ausbau im Rahmen des zu entwickelnden

SPNV-Zielkonzeptes für den Deutschland-

bzw. Sachsentakt, inkl. Elektrifizierung

der landesbedeutsamen Hauptachsen

Chemnitz - Leipzig und Görlitz – Dresden.

Weitere Verbesserung der Verkehrsstati-

onen auf Basis des bestehenden Bahn-

steighöhenkonzepts (55 cm), u.a. zügige

Herstellung der barrierefreien Zugäng-

lichkeit und Nutzbarkeit.

Entwicklung und Umsetzung von Maß-

nahmen zur Kostensenkung auf den Re-

gionalstrecken bis hin zur Schaffung ge-

eigneter Rahmenbedingungen für eine

Regionalisierung der Eisenbahninfra-

struktur.

1 Görlitz als Bestandteil des oberzentra-

len Städteverbundes Bautzen – Görlitz –

Hoyerswerda

2 Studie: „Ermittlung des Investitionsbe-

darfs für Fahrzeuge und Anlagen des

straßengebundenen ÖPNV im Freistaat

Sachsen“, 2013

3 Finanzierung aus Mitteln des Bundes,

des Freistaates Sachsen oder der EU er-

forderlich

4 Regelförderhöchstsätze gemäß RL-

ÖPNV (Fassung gültig ab 01.03.2012)

5 Datengrundlage: Einschätzung Status

quo/Forderung als Ergebnis des Projektes

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„ÖPNV/SPNV für alle“

6 Die Werte für das Jahr 2025 stellen ei-

nen repräsentativen Querschnitt dar,

welcher den mittleren jährlichen Investi-

tionsbedarf widerspiegelt. Die konkreten

jährlichen Investitionsbedarfe können in

Abhängigkeit der zu realisierenden Maß-

nahmen vom Mittelwert abweichen, dies

ist im Rahmen der laufenden Budgetpla-

nung auszugleichen.

7 Finanzierung aus Mitteln des Bundes,

des Freistaates Sachsen oder der EU er-

forderlich

8 Umweltverbund = Fußgängerverkehr +

Radverkehr + ÖPNV

9 Beispiel: Stadtentwicklungsplan Verkehr

und öffentlicher Raum der Stadt Leipzig,

Stand 29.05.2015: 70% ÖPNV , Rad-,

Fußgängerverkehr, 30% motorisierter

Individualverkehr bis 2025

10 Nachfrageabschätzung ETC – Annahme

Modal Split ÖSPV 2030: Dresden 30%,

Leipzig 25%, Chemnitz: 20%

11 Finanzierung aus Mitteln des Bundes,

des Freistaates Sachsen oder der EU er-

forderlich

12 Für das Jahr 2025 sind derzeit keine

Investitionen in Fuhrparkerweiterungen

vorgesehen.

13 Wegfall der Bundesfinanzierung nach

EntflechtG zum 31.12.2019 für den

kommunalen Straßenbau und den ÖPNV

in Höhe von 87 Mio. EUR pro Jahr, wovon

derzeit ca. 15 Mio. EUR im Rahmen des

LIP für ÖPNV-Investitionen bereitgestellt

werden. Eine Kompensation durch höhe-

re Umsatzsteuerbeteiligungen der Länder

ohne Zweckbindung ist vorgesehen. Da-

mit ist die Mittelverfügbarkeit für den

ÖPNV nicht gesichert.

14 Summe der Gesamtmittel aus allen

derzeitigen Finanzierungsquellen, inklusi-

ve Fortschreibung GFVG- und EFRE-

Anteile

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IV. Thesenpapier der Arbeitsgruppe Organisation

1. Die kommunal verfasste Organisationsstruktur des ÖPNV in Sachsen hat sich bewährt und

bildet im Ergebnis des Stresstests eine gute Basis, auch die Herausforderungen der Zukunft zu

meistern. Das Leistungsbild des ÖPNV ist in der Gesamtschau und im nationalen Vergleich

positiv.

2. Hiervon unbenommen sind einige Verbesserungspotenziale erkennbar, die durch eine orga-

nische Weiterentwicklung des heutigen Systems ausgeschöpft werden können. Ein Großteil

der in der öffentlichen Diskussion genannten Kritikpunkte ist nicht primär von der Organisati-

on abhängig.

3. Die bundesweite Analyse der Regiekosten (Managementaufwand) und der Leistungsfähigkeit

zeigt, dass der Einfluss der Organisationsform (z.B. Anzahl der Organisationseinheiten) über-

schätzt wird. Viel wichtiger sind funktionierende Prozesse, die handelnden Personen, die

handwerklichen Fertigkeiten und eine geeignete Kommunikation zwischen den verantwortli-

chen Einheiten, insbesondere zwischen den Zweckverbänden/Verkehrsverbünden sowie zwi-

schen diesen und dem Land.

4. Die Arbeitsgruppe Organisation schlägt vor, eine sachsenweite Koordinierungsstelle (KS) als

ergänzenden Baustein einzurichten, um den sächsischen ÖPNV weiterzuentwickeln. Die KS

soll die Zukunftsthemen vorantreiben und die Abstimmung und Koordination zwischen den

Einheiten zukunftsfest ausgestalten.

5. Auch eine darüber hinausgehende Reduzierung der Zahl der Zweckverbände auf drei Einhei-

ten ist grundsätzlich vorstellbar. Allerdings gibt die Arbeitsgruppe Organisation zu Bedenken,

dass dieser Schritt einen erheblichen zeitlichen Vorlauf bedingt und die Umsetzung der

sachorientierten Maßnahmen zu erschweren droht. Zudem gilt die vorangestellte Erkenntnis

aus 2. und 3., dass die Wirkungen auf der Kosten- und Leistungsseite kaum merklich sein

werden bzw. die Schwachstellen im heutigen System anderweitig abgestellt werden können.

6. Für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle ist ein Zeitbedarf von rund neun bis zwölf Mo-

naten zu veranschlagen, da wesentliche organisatorische, rechtliche, Eigentums- und finanzi-

elle Fragen – insbesondere auf und mit der kommunalen Ebene – geklärt werden müssen.

Damit in der Zwischenzeit bei der Umsetzung der Maßnahmen auf der Sachebene keine Zeit

verloren geht, wird empfohlen, die vorhandenen Strukturen der Strategiekommission hierfür

interimsweise zu nutzen und weiterzuentwickeln.

1. Politische Bedeutung des Themenfel-des

Die Bedeutung des Themas Organisation für

die Kommissionsarbeit ist bereits in dem Ein-

setzungsbeschluss der Strategiekommission

verankert (SLT-Drs. 6/1067), in dem analog zur

Koalitionsvereinbarung der in Sachsen regie-

renden Großen Koalition die „Darstellung von

Optimierungsmöglichkeiten der Organisati-

ons- [und Ausschreibungs]strukturen“ einge-

fordert wird. Konkret lautete der Auftrag an

die Arbeitsgruppe Organisation, alternative

Modelle/Lösungen zu entwickeln, deren Vor-

und Nachteile zu bewerten und notwendige

Schritte zur Umsetzung darzustellen. Dabei

sollte der Zielfunktion gefolgt werden, eine

kundenorientierte, einfache und kostenorien-

tierte Lösung der Organisation zu entwickeln.

Grundsätzlich dürfte eine aus der Kommission

angestoßene Organisationsänderung den

ÖPNV im Freistaat langfristig prägen. Dabei

muss – als Oberziel – eine vorgeschlagene

Lösung zu den Rahmenbedingungen in Sach-

sen passen. Eine Eins-zu-eins-Übertragung von

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Organisationsmodellen anderer Bundesländer

ist aufgrund der unterschiedlichen Ausprä-

gungen und Ausgestaltungen weder im beste-

henden Rechtsrahmen möglich noch unmit-

telbar sinnvoll, zumal es empirisch kein ein-

deutig überlegenes Erfolgsmodell in Deutsch-

land gibt.

Eine Leitidee für die Untersuchung von Orga-

nisationsvarianten bildete das Subsidiaritäts-

prinzip: Danach soll die Verantwortung der

„staatlichen“ Aufgaben im ÖPNV – weiterhin –

weitgehend auf die untersten Ebenen vor Ort,

also den lokalen Aufgabenträgern, übertragen

werden. Sind die Aufgaben zu komplex oder

umfänglich oder haben sie aus sich heraus

einen überregionalen Charakter, ist die Über-

tragung auf eine höhere Ebene vorgesehen.

Die höchste Ebene ist das Land, d.h. die Lan-

desregierung oder eine vom Land getragene

Organisationseinheit. Dabei wird es im ÖPNV

immer Aufgaben geben, die vor Ort zu erledi-

gen sind (z.B. Bestellung von Nahverkehrsleis-

tungen im lokalen Zuständigkeitsbereich) oder

zentral von einer Landesstelle (z.B. Verteilung

der dem Freistaat gewährten Regionalisie-

rungsmittel). Aufgrund der Komplexität des

ÖPNV gibt es eine große Spannbreite von Auf-

gaben „in der Mitte“, die zum Nutzen der

Fahrgäste in vielen verschiedenen Organisati-

onsformen ausgeübt werden können, wie die

Beispiele anderer Bundesländer zeigen. Dem-

gemäß wurde geprüft, ob eine andere Organi-

sationsstruktur in Sachsen eine nachhaltige

Mobilität zum Wohle der Bürger besser stär-

ken kann als die gegenwärtige.

2. Analyse des Status quo

Zum Verständnis der Analyseergebnisse und

der später vorgeschlagenen Organisationsmo-

delle soll die ÖPNV-Organisation in Sachsen im

Status quo komprimiert beschrieben werden.

Aufbauorganisation:

Lokale Aufgabenträger für den ÖSPV sind –

gesetzlich bestimmt – 16 Landkreise und Städ-

te. Im SPNV ist die Aufgabenträgerschaft über-

tragen an fünf regional agierende kommunale

Zweckverbände. Der Freistaat selbst ist nicht

Aufgabenträger.

Auf der Regieebene übernehmen fünf Ver-

kehrsverbünde Koordinierungsaufgaben im

ÖSPV und SPNV und gestalten die Schnittstelle

zwischen ÖSPV und SPNV in ihrem Gebiet.

Vier von ihnen sind von den zugehörigen

Zweckverbänden als einzigem Gesellschafter

getragen (Aufgabenträger-Verbund), über-

nehmen gleichzeitig und in sich effizient eine

Art Geschäftsstellenfunktion für den Verband.

Der MDV erstreckt sich als länderübergreifen-

der Sonderfall über Sachsen, Sachsen-Anhalt

und Thüringen im Großraum Leipzig/Halle und

ist als Mischverbund (Aufgabenträger und

Verkehrsunternehmen als Gesellschafter) zu

klassifizieren. Der ZVNL deckt demgegenüber

als zuständiger Aufgabenträger für den Raum

Westsachsen die Belange der sächsischen

Mitglieder des MDV im SPNV voll umfänglich

ab.

Prozessorganisation:

Auf der Prozessebene kann herausgestellt

werden, dass sich Zweckverbände bzw. Ver-

kehrsverbünde regelmäßig treffen, um über-

greifende Themen abzustimmen (Beispiel:

gemeinsames Vorgehen bei Ausschreibungen

im SPNV, Umgang mit Anschlusstarifen im

ÖPNV). Ein regelmäßiger institutionalisierter

Austausch zwischen den Zweckverbän-

den/Verkehrsverbünden mit dem Freistaat

findet nicht statt. Übergreifende ÖSPV-

Themen, an denen mehrere Aufgabenträger

beteiligt sind (etwa Planung einer Kreisgren-

zen überschreitenden Linie oder Aufstellung

eines Nahverkehrsplans), werden in der Regel

im jeweiligen Verkehrsverbund behandelt. Der

Freistaat übernimmt keine herausgehobene

Koordinierungsfunktion, er greift vergleichs-

weise selten ein und steuert den ÖPNV im

Wesentlichen über die Finanzierungsverord-

nung und Förderprogramme. Die Zweckver-

bände/Verkehrsverbünde sind in diesem

Rahmen relativ frei in ihren Entscheidungen.

Bewertung

Die derzeitige Organisationsstruktur mit der

Bildung der fünf Zweckverbände und Ver-

kehrsverbünde hat sich als geeignet erwiesen,

um zahlreiche Aufgaben- und Problemfelder

lösungsorientiert zu bearbeiten und Fort-

schritte im und für den sächsischen ÖV zu

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erzielen. Der Erfolg lässt sich z.B. an günstigen

Bestellerentgelten im SPNV ablesen, die sich

im bundesweiten Vergleich gut sehen lassen

können. Auch die Reduzierung von ehemals

70 auf nun fünf (Verbund-)Tarife war eine

positive Entwicklung. Die Verantwortlichen

des sächsischen ÖPNV haben in der Vergan-

genheit wiederholt bewiesen, ihre Aufgaben-

wahrnehmung auf sich verändernde politi-

sche, gesetzliche und gesellschaftliche Rah-

menbedingungen anpassen zu können. Im

Übrigen liegen die Regiekosten der Zweckver-

bände und Verkehrsverbünde im nationalen

Vergleich insgesamt im oberen Drittel, ohne

aber unverhältnismäßig oder entscheidend zu

sein.

Mit Blick auf vermutete wie absehbare zu-

künftige Anforderungen und Entwicklungen in

der ÖPNV-Landschaft („Zukunftsthemen“)

wurde erörtert, ob die heutige Aufstellung

hierfür weiterhin geeignet ist und mit ihr ab-

sehbare Aufgaben erfüllt werden können.

Beispielsweise wurde hinterfragt, ob/wie sich

die Wahrnehmung verbundübergreifender

bzw. landesweiter Aufgaben entwickeln wird.

Dafür wurden folgende Zukunftsthemen be-

nannt und analysiert:

Für Zukunftsthema A „Differenzierte Erfor-

dernisse bei Angebotsgestaltung“ (z.B. Stadt

vs. ländlicher Raum) wurde die heutige Orga-

nisation im Ergebnis als uneingeschränkt ge-

eignet identifiziert.

Bei den Zukunftsthemen B „Digitalisierung

und Datennutzung“ sowie C „Neue Mobili-

tätsformen“ wurde herausgearbeitet, dass die

Fahrgäste künftig unter Nutzung neuer Tech-

nologien stärker in Wege-/Reiseketten denken

werden und dies von den Zuständigen inso-

weit bedacht werden muss, als die Fahrgäste

Verbundgrenzen als solche gar nicht wahr-

nehmen sollten. Eine übergeordnete Struktur

zur Steuerung und Überwachung von Auswir-

kungen in diesen neuen Themen mit einem

noch unüberschaubaren Entwicklungspfad

erscheint sinnvoll. Eine koordinierende,

grundsätzliche Standards setzende und (finan-

ziell) fördernde Rolle des Freistaates Sachsen

wird für die Umsetzung als notwendig erach-

tet.

Im Zukunftsthema D „Sachsen-Tarif“ nimmt

die Arbeitsgruppe Organisation die Ergebnisse

der Arbeitsgruppe Tarif und Vertrieb auf. Mit

einem landesweiten Sachsen-Tarif sollen Defi-

zite an den Tarif-/Verbundgrenzen behoben

werden. Vorgeschlagen wird, als Trägerorga-

nisation des Sachsen-Tarifs eine Koordinie-

rungsstelle zu gründen. Vorbild kann das

Kompetenzcenter Marketing NRW sein, das

den NRW-Tarif umgesetzt hat. Solch eine Ein-

heit übt zentrale Aufgaben der Tarifentwick-

lung und -gestaltung aus und koordiniert lan-

desweit die Aktivitäten (siehe dazu weiter

hinten).

Bei Zukunftsthema E „Harmonisierte Pro-

duktangebote & Qualitätsanforderungen“

wurden in Teilen eine kundenunfreundliche

Ausgestaltung in den Bedienoberflächen, un-

einheitliche Produkte, Vertriebsformen und

Komfortkriterien festgestellt. Sachsenweite

Angebotsmerkmale und -standards sind aus

Sicht des Fahrgastes grundsätzlich sinnvoll,

um die Wiedererkennbarkeit des Produktes

ÖPNV zu erhöhen; Ausgestaltung und Ma-

nagement im Detail sollten aber vor Ort wahr-

genommen werden (z.B. lokale Telefonnum-

mer für Rufbusse). Diskutiert wurde, dass eine

Vision, eine Vorgabe oder ein Anreiz vom Land

kommen sollten, wie landesweite Standards

aussehen. Eine bessere Abstimmung von Lan-

deszielen und lokalen Anforderungen sei von-

nöten.

Zu den Zukunftsthemen F („Hebung Effizienz-

potenziale im SPNV“) und G („bessere Fahr-

zeugverfügbarkeit im SPNV“) wurde festge-

stellt, dass diese weitgehend organisationsun-

abhängig sind.

Insgesamt wurden die Themenfelder B bis E

dergestalt bewertet, dass die Organisation des

ÖPNV im Freistaat Sachsen hierfür zwar

grundsätzlich geeignet erscheint, aber doch

gewisser Entwicklungsbedarf besteht. Der

Bewertung zugrunde lagen die Prinzipien,

einerseits vom Kunden aus zu denken, ande-

rerseits aus der Sicht des Landes einen best-

möglichen ÖPNV zu gewährleisten. Schwierig-

keiten ergaben sich in der Bewertung der

Themenfelder daraus, dass – je nach Blickwin-

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Seite 138 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

kel – öfter verschiedene Interpretationen des

gleichen Sachverhalts möglich waren.1

Die Eignung der bestehenden Organisations-

strukturen, die künftigen Aufgaben zu erfül-

len, bezieht sich vor allem auf den jeweiligen

Zuständigkeitsbereich. Bei gemeinsamen und

übergreifenden Vorgehensweisen stoßen die-

se dezentralen Einzellösungen zum Teil an ihre

Grenzen. Die konsequente Kommunalisierung

des ÖPNV in Sachsen ist per Saldo positiv, die

bei landesbedeutsamen Themen einer punk-

tuellen Ergänzung bedarf.

Aus der Analyse folgt die Notwendigkeit einer

stärkeren Koordination unter den Zweckver-

bänden/Verkehrsverbünden bzw. zwischen

den dezentralen Zweckverbänden/Verkehrs-

verbünden und dem Land, vor allem bei Auf-

gabenträger-übergreifenden Fragestellungen.

Denn die Zweckverbände werden nicht aus

sich heraus allein eine abgestimmte Lan-

desstrategie entwickeln können. Sind einer-

seits Ziele und Vorgaben vom Land nötig, die

dann auch in Controlling-Routinen ihre Wider-

spiegelung finden müssen, ist andererseits zu

überlegen, wie ein „Gegenstromprinzip“ zwi-

schen Zweckverbänden/Verkehrsverbünden

und dem Land aussehen kann, damit die Ver-

bände/Verbünde ihr Know-how an das Land

transportieren können. Operativ sind Prozesse

und Instrumente zu gestalten wie z.B. Förder-

programme mit Zielvorgaben, Budgetierungen

o.ä. Ggf. könnten Zielvereinbarungen zwi-

schen dem Land und den Verkehrsverbünden

helfen.

Handlungsbedarf

Aus den Bewertungen ergeben sich folgende

Handlungsfelder:

Verbesserung der Abstimmung zwischen

Landes- und kommunaler Ebene (bzw.

zwischen Land und Zweckverbän-

den/Verkehrsverbünden)

Dabei frühzeitigere Einbeziehung der po-

litischen Ebenen

Institutionalisierung der Kommunikation

und Abstimmung unter den Zweckver-

bänden/Verkehrsverbünden

Kein Handlungsbedarf ergibt sich hingegen

aus Sicht der Arbeitsgruppe Organisation hin-

sichtlich der Aufgabenträgerschaft, die für den

kommunalen ÖSPV in Sachsen bei den bishe-

rigen 16 lokalen Aufgabenträgern verortet

bleiben soll. In der Analyse wurde die ÖSPV-

Aufgabenträgerschaft als nicht zu kleinteilig,

sondern als insgesamt geeignet und zukunfts-

fähig bewertet. Es herrschte Grundkonsens,

dass auch bei Themen mit landesweiter Rele-

vanz oder „neuen“ innovativen Themen in der

Regel eine Umsetzung vor Ort lokal geschehen

soll. Somit wird die künftige Ausgestaltung des

ÖPNV weiter anhand der Interessen der Bür-

ger vor Ort gesichert.

3. Handlungsempfehlungen zur Organisa-tion

3.1 Vorgehen

Auf Basis des entwickelten Handlungsbedarfs

und mit vergleichendem Blick auf die Organi-

sationsformen in anderen Bundesländern

entwickelte die Arbeitsgruppe Organisation

eine Vielzahl an theoretisch denkbaren Orga-

nisationsmodellen für Sachsen. In einem ers-

ten Schritt wurden die Varianten auf sechs

verdichtet: Modelle, die nicht zur Ausgangsla-

ge in Sachsen passen oder eine totale Abkehr

von der kommunalen Verfasstheit bedeutet

hätten, wurden ebenso ausgesondert wie

Modelle, die sich nur in Nuancen von den

sechs gewählten Modellen unterschieden und

bei der späteren Bewertung allenfalls in De-

tails zu anderen Einschätzungen geführt hät-

ten.

Da die lokalen Aufgabenträger für den ÖSPV

nach der Analyse „gesetzt“ sind und sich an-

dererseits das Prinzip der Verkehrsverbünde

in Deutschland und auch in Sachsen für über-

greifende Planungen und Koordinierungen

grundsätzlich bewährt hat, empfiehlt die Ar-

beitsgruppe Organisation, diese Elemente in

Zukunft beizubehalten. Dies bedeutet nicht,

dass die Anzahl der Verkehrsverbünde künftig

weiterhin fünf betragen muss. Eine weiterge-

hende Zersplitterung in mehr als fünf Verbün-

de – bei 16 lokalen Aufgabenträgern – wird als

unrealistisch gesehen.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 139 von 178

Die Diskussion von Modellvarianten kon-

zentrierte sich damit auf die Einrichtung einer

landesweiten Institution für die Verbesserung

der Abstimmung und Kommunikation sowie

auf die Ausgestaltung bis hin zur Zusammen-

legung der SPNV-Aufgabenträgerschaft unter

Berücksichtigung der Einflussmöglichkeiten

des Landes. Das Zusammenspiel Land – SPNV-

Zweckverbände – Verkehrsverbünde sollte die

Frage nach dem „optimalen“ Maß an Zentrali-

tät oder Dezentralität beantworten. Da in der

Tendenz Zweckverbände eher für großräumi-

ge Verkehre (SPNV) zuständig sind und Ver-

kehrsverbünde auch die lokalen Themen des

ÖSPV vor Ort im Blick haben, wurden Varian-

ten, die weniger Verkehrsverbünde als Zweck-

verbände aufweisen, als ungeeignet verwor-

fen.

Die sechs in sich deutlich unterschiedlichen

Modellvarianten (siehe 3.2) wurden in einem

zweiten Schritt jeweils mit Vor- und Nachtei-

len bewertet. Im Ergebnis verblieben zwei

Modelle (siehe 3.3), die sich als grundsätzlich

geeignet herauskristallisierten. Auf die vier

ausgeschiedenen Modelle wird nur kurz ein-

gegangen (3.4).

3.2 Varianten für Organisationsmodell

Ausgehend von den vier Grundvarianten A bis

D aus dem separaten Basisgutachten von

ETC/KCW zur Organisation (Stand Juni 2016)

definierte die Arbeitsgruppe in ihrer Voraus-

wahl die folgenden sechs Modelle für die wei-

tere Bewertung. Für die Grundvariante C „Zu-

sammenlegung“ wurden dabei drei unter-

schiedliche Varianten herausgearbeitet.

Die Modelle B und C1 werden als zielführend

eingeschätzt und sollen weiter verfolgt wer-

den. Die anderen vier Modellvarianten A, C2,

C3 und D wurden begründet ausgeschieden.

Grund-variante

Unter-variante

Bezeichnung

A - Fortführung Status quo

B - Optimierung Status quo (Schnittstellen und Prozesse

zwischen bestehenden Organi-sationen)

C - Zusammenlegen von Strukturen

C1 Bündelung bei Zweckverbänden als SPNV-Aufgabenträger

C2 Landesweite Organisation im SPNV als Gesellschaft der kom-munalen Aufgabenträger mit Minderheitsbeteiligung des

Landes

C3 Landesweite Organisation im SPNV als Landesgesellschaft

(zunächst allgemein mit dezent-raler Struktur wie bisher auf

Verbundebene)

D - Schaffung einer sachsenweiten, modalübergreifenden ÖPNV-

Organisation

Tab. 1: Varianten für Organisationsmodell

3.3 Favorisierte Modellvarianten

Grundvariante B: Optimierung Status quo

In Modell B wurde zunächst definiert, worin

die Optimierung gegenüber dem Status quo

besteht. Überlegt wurde, zur Behebung des

Handlungsbedarfs auf der Prozessebene einen

neuen Steuerungskreis (Arbeitstitel „strategi-

sches Abstimmungsgremium“) zur regelmäßi-

gen Abstimmung zwischen den dezentralen

Zweckverbänden/Verkehrsverbünden und

dem Land zu etablieren und/oder eine oder

mehrere landesweit agierende Koordinie-

rungsstellen für Fachthemen einzurichten.

Aus der Arbeitsgruppe Tarif und Vertrieb kam

der Vorschlag, ein Kompetenzcenter (KC) zur

Organisation des neuen Sachsen-Tarifs zu

gründen. Die Arbeitsgruppe Angebotsentwick-

lung regte die Einrichtung einer sachsenweit

aktiven Kompetenzstelle zur Entwicklung ei-

nes Grundnetzes aus SPNV und landesbedeut-

samen Buslinien (einschließlich der Verwirkli-

chung eines Sachsentaktes) einerseits sowie

zur Förderung flexibler und alternativer Ange-

bote andererseits an.

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Seite 140 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Die Arbeitsgruppe Organisation vertiefte die

Überlegungen zu der Koordinierungsstelle

(KS). Eine KS stellt allgemein eine Form der

organisatorischen Bündelung von Fachwissen,

Verantwortlichkeit, Zuständigkeit und Befug-

nissen in inhaltlicher Form dar. Es besteht aus

einer Expertengruppe, die in einem bestimm-

ten Aufgabenbereich bzw. an spezifischen

Themen gemeinsam arbeitet, Wissen entwi-

ckelt und anwendet bzw. weiterliefert.2 In

diesem Kontext soll eine KS in Sachsen für

landesweit bedeutsame Themen eingesetzt

werden und landesweite Lösungen anbieten.

Dies kann entweder aus einer informierenden,

beratenden Service-Funktion erwachsen, etwa

bei der Erarbeitung von Rahmenplänen oder

Leitfäden (bspw. für den Einsatz von Bürger-

bussen), oder mit konkreten, dauerhaft zu

erfüllenden Aufgaben hinterlegt sein (bspw.

bei der laufenden Betreuung eines Sachsen-

Tarifs).

Eine KS liegt aus organisatorischer Sicht quer

zum Drei-Ebenen-Modell und den heutigen

Organisationsstrukturen und stellt damit ein

vernetzendes Bindeglied dar. Sie soll einer-

seits landesweit agieren, unabhängig von

Kreis- und Verbundgrenzen, andererseits die

Regie-/Verbundebene mit den Aufgabenträ-

gern und dem Freistaat auf der politischen

Ebene verknüpfen. Relevant sind letztlich die

Besetzung und organisatorische Aufhängung

der KS einschließlich der Eigentümerschaft

sowie die Finanzierung. Grundsätzlich kann

eine KS an einen Verkehrsverbund „ange-

dockt“ werden (mit Leihe von Ressourcen)

oder eigenständig neu eingerichtet werden.

Die Arbeitsgruppe sprach sich für

eine eigenständige Koordinierungsstelle

aus, die

als Multi-Themen-Center an zentraler

Stelle angelegt wird.

Einerseits liegt der Vorteil darin, dass der Auf-

gabenumfang nach Bedarf dynamisch gestal-

tet werden kann, also Themen leicht dazu-

kommen, entfallen oder mit anderer Intensi-

tät behandelt werden können. Andererseits ist

eine zentrale KS schlagkräftiger, kann eher für

den moderierenden Ausgleich zwischen ver-

schiedenen Interessen sorgen und die teilwei-

se fehlende Kommunikation und Koordination

zwischen den Zweckverbänden/Verkehrs-

verbünden und dem Land nachhaltiger be-

werkstelligen. Das Land soll an der KS zum

Zwecke der Selbstbindung beteiligt sein. Flan-

kierend wird die Installation eines Beirats un-

ter Beteiligung z.B. der verkehrspolitischen

Sprecher angeregt, um die teilweise ge-

wünschte frühzeitigere Einbeziehung der poli-

tischen Ebenen zu gewährleisten. Zudem sind

bei Themen, die unternehmerische Belange

unmittelbar berühren, zum Beispiel Tarif und

Vertrieb, die Verkehrsunternehmen entspre-

chend ihrer Verantwortlichkeiten einzubezie-

hen.

Eine wesentliche Funktion der KS besteht da-

rin, eine Info- und Austauschplattform zu allen

ÖV-relevanten Themen zu etablieren. Als wei-

tere Aufgaben einer KS bieten sich an (nicht

abschließend, grundsätzlich dynamisch zu

handhaben):

Einführung und Begleitung landesweiter

Tarif (Tariffestlegung, Einnahmenauftei-

lung usw.)

Umsetzung landesbedeutsames Buskon-

zept, ggf. landesweite Angebotsstandards

Umsetzung Sachsen-Takt (SPNV + ÖSPV),

Vertretung beim Bund zum Deutschland-

Takt

Landesweite Harmonisierung des (digita-

len, modernen) Vertriebs

Koordination der Digitalisierung/Daten-

nutzung im ÖV

Erarbeitung Investitionsstrategie für das

Land (z.B. 10-Jahres-Horizont)

Begleitung der Einführung neuer Mobili-

tätsformen

Ggf. Begleitung von landeseinheitlichen

Tarifmaßnahmen im Ausbildungsverkehr

Vergabeoptimierung im SPNV

Mobilitätsfolgenkostenanalyse

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 141 von 178

Mit einer solchen KS sollen einige der in der

vorhergehenden Analyse festgestellten

Schwächen behoben und der festgestellte

Weiterentwicklungsbedarf umgesetzt werden.

Sie soll landesweit bedeutsame Themen be-

handeln und koordinieren, etwa landesweite

Standards setzen oder Lösungen entwickeln,

die in der kommunal orientierten Organisation

mit mehreren Zweckverbänden und Verkehrs-

verbünden (allein) nicht optimal erreichbar

sind. Die KS kann als eine Art „Katalysator“

dienen, um Inhalte von den Verbänden zum

Land und umgekehrt auf direktem Wege zu

transportieren und gemeinsame Positionen zu

erlangen. Bei Bedarf soll das Land in Fragen

des SPNV auch eine Moderatoren-Rolle ein-

nehmen, wenn keine einvernehmliche Ent-

scheidung unter den Zweckverbänden in einer

Sache erzielbar sein sollte.

In der Modellvariante B bildet die KS – neben

einer nicht darstellbaren Optimierung von

Prozessen der Abstimmung und Information –

die wesentliche organisatorische Änderung

zum Status quo.3

Für das Modell B spricht:

Erhalt der kommunalen Zuständigkeit:

Ausrichtung des Leistungsangebotes an

Interessen der lokalen Fahrgäste so am

besten möglich

Durch direkte Kontakte in die und aus der

Region hin zu den Entscheidern Sichern

von effizienten, zeitnahen und sachge-

rechten Entscheidungen

(Begrenzter) Mehraufwand für die KS ge-

rechtfertigt, da Hauptkritikpunkte aus

der Analyse nachhaltig behoben werden,

das Land eingebunden wird und so der

ÖPNV mit einem optimierten Angebot

mehr Nachfrage und Erlöse erzielen kann

Vergleichsweise geringer Umstellungs-

aufwand zur Einführung der neuen Orga-

nisationsstruktur: zeitnah zu bewerkstel-

ligen.

Abb. 1: Organisationsstruktur im ÖPNV in Sachsen Variante B

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Seite 142 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Variante C1: Bündelung bei Zweckverbänden

als SPNV-Aufgabenträger

Die Änderung gegenüber dem Status quo be-

steht bei der Variante C1 zunächst in der Zu-

sammenführung von fünf zu drei Zweckver-

bänden und einer Straffung der Aufgabenträ-

gerschaft im SPNV. Dies folgt den großräumi-

gen verkehrlichen Verflechtungen in Sachsen,

die im Grunde auf die drei Ballungsräume

ausgerichtet sind (Chemnitz/Zwickau, Dres-

den, Leipzig). Das Modell kann hinsichtlich der

Verbundebene ggf. als Startmodell angesehen

werden: Denkbar ist, in einem späteren Schritt

die Bündelung zu drei Einheiten auch bei den

Verkehrsverbund-GmbHs auf der Regieebene

nachzuziehen (Untervariante).

Grundidee dieser Variante war, unter Beibe-

haltung der kommunalen Verfasstheit, durch

die Bündelung von Organisationseinheiten die

Abstimmungs- und Koordinationsprozesse zu

straffen und zu vereinfachen. Das Land hätte

bei landesweiten Themen nur noch drei statt

fünf Ansprechpartner. Der Eingriff in die Or-

ganisationsstrukturen wäre im Gegensatz zu

den weiteren Modellvarianten (C2, C3) ver-

gleichsweise gering. Allerdings wuchs die

Überzeugung, dass allein durch diese Maß-

nahme die identifizierten Handlungsbedarfe

nicht gelöst werden können.

Dementsprechend ist die zusätzliche Aufnah-

me einer KS wie im Modell B insbesondere zur

geeigneten Umsetzung der sachsenweiten

Themen erforderlich. Durch die zentrale Rolle

der KS ähnelt die Variante C1 letztlich dem

Modell B. Sie könnte ggf. als mögliche Weiter-

entwicklung verstanden werden, wenn in ei-

ner ersten Phase Modell B zur Umsetzung

kommen sollte.

Für das Modell C1 können folgende Vorteile

benannt werden:

Kommunale Aufgabenträger weiterhin

mit direktem Einfluss auf Entscheidungen

im SPNV, Ausrichtung an Interessen der

(lokalen) Fahrgäste noch gut möglich

Durch weniger und größere Einheiten auf

Aufgabenträger-Seite im SPNV Optimie-

rungen bei Prozessen/Schnittstellen mög-

lich, Verständigung unter Zweckverbän-

den schneller/standardisierter zu realisie-

ren, einfachere Abstimmung der Ziele

des Freistaates mit geringerer Anzahl von

SPNV-Aufgabenträgern

Hebung Potenziale im SPNV landesweit

zu erwarten (Vergabeoptimierung)

Insgesamt geringerer Aufwand zur Pla-

nung und Systemsteuerung durch Zu-

sammenlegung auf Aufgabenträger-Seite

und an den Schnittstellen zu Drit-

ten/Verkehrsunternehmen

Organisationsstruktur im ÖPNV in Sachsen – Variante C1: Bündelung von SPNV-Aufgabenträgern

Aufgabenträger SPNV (ZV = Zweckverband)

Land

Aufgaben-träger

Freistaat Sachsen

ZV „Südwestsachsen“ ZV „Ostsachsen“

VVO* VON*VVV*MDV VMS*

Regie

ZVNL

* Gesellschafter der Verkehrsverbund-GmbHs zu überdenken (abhängig von Anzahl der Verbund-GmbHs)

Landesweite Koordinierungsstelle

Abb. 2 Organisationsstruktur im ÖPNV in Sachsen Variante C1

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 143 von 178

Dem vergleichsweise geringen Änderungsbe-

darf bei der Umorganisation steht als potenzi-

eller Nachteil des Modells C1 die Unsicherheit

gegenüber, ob die kommunale Ebene zu die-

sem Schritt bereit ist, da größere Einheiten

gefühlt weniger Einfluss bedeuten können.

Darüber hinaus bedingt dieser Schritt einen

erheblichen zeitlichen Vorlauf und droht die

Umsetzung der sachorientierten Maßnahmen

zu erschweren. Zudem dürften die Wirkungen

auf der Kosten- und Leistungsseite kaum

merklich sein bzw. könnten die Schwachstel-

len im heutigen System anderweitig abgestellt

werden.

3.4 Verworfene Modellvarianten

Die folgenden vier Varianten hat die Arbeits-

gruppe mit Vor- und Nachteilen bewertet, im

Ergebnis als nicht geeignet eingeschätzt und

für die weitere Betrachtung verworfen.

Grundvariante A: Fortführung Status quo

Dieses Modell entspricht dem Ist-Zustand

unter Beibehaltung der Zweckverbands- und

Verbundstruktur, ohne die ergänzende Ein-

richtung einer KS.

Ein Teil der Vor- und Nachteile liegen in Mo-

dell A identisch wie im Modell B „Optimierung

Status quo“, das auch alle bestehenden Orga-

nisationseinheiten beibehält. Da das Modell B

darüber hinausgehende Optimierungsansätze

anbietet und die Einführung einer KS nachhal-

tige Verbesserungen erwarten lässt, ist es im

direkten Vergleich dem Modell A vorzuziehen.

Ein erhöhter Transaktionsaufwand zum Ein-

richten des Modells B ist vergleichsweise ge-

ring und in Anbetracht der positiven Aussich-

ten zu vernachlässigen. Grundvariante A wird

nicht empfohlen.

Variante C2: Landesweite Organisation im

SPNV als Gesellschaft der kommunalen Aufga-

benträger mit Minderheitsbeteiligung des

Landes

Die Modellvariante C2 führt den Gedanken

der Bündelung auf Seiten der SPNV-

Aufgabenträger fort: In dieser Variante wird

der SPNV aus einer Hand durch eine Gesell-

schaft der kommunalen Aufgabenträger orga-

nisiert (ähnlich einem „großen Zweckver-

band“). Der Freistaat Sachsen ist mit einem

Minderheitsanteil an dieser Gesellschaft be-

teiligt (z.B. 25,1%). Grundidee ist, dass das

Vorgehen bei der Bestellung von SPNV-

Verkehren verschlankt wird und in der ge-

meinsamen neuen Organisation ein besserer

Abgleich zwischen kommunalen SPNV- und

Landesinteressen geschehen kann. Es kann

offen bleiben, ob eine KS für Fachthemen in

dieser Konstellation nötig ist oder die für die

KS vorgesehenen Themen in der neuen Einheit

mit behandelt werden können.

Abb. 3: Organisationsstruktur im ÖPNV in Sachsen Variante C2

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Seite 144 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Als Vorteile dieser Organisationsvariante wur-

den u.a. benannt:

Bündelung Ressourcen und Kompetenzen

mit direkter Beteiligung aller Akteure;

Umsetzung landesweite ÖPNV-Strategie

eher möglich, da Landesziele und lokale

Interessen zusammen gedacht werden

können

Einfluss der kommunalen Aufgabenträger

auf SPNV weiter gegeben, dadurch gute

Chancen auf gemeinsames Verständnis

von Land und Kommunen im SPNV, ver-

bunden mit der Hoffnung, dass der ÖSPV

besser in den SPNV eingebunden wird

Erwartung, dass Steuerungsaufwand ins-

gesamt mittelfristig sinkt

Als Voraussetzung in diesem Modell wird ge-

sehen, dass die Verbünde eine starke Rolle

und Ausstattung an Ressourcen erhalten, um

die Vernetzung der Verkehrsträger und über-

greifende Themen (Tarif, Vertrieb, Kundenan-

sprache, Systemzugang) gut organisieren zu

können. Weiterhin werden diese Nachteile

gesehen:

Innerhalb der Aufgabenträger-Seite bei

großer Zahl der Partner hoher Abstim-

mungs- und Steuerungsbedarf, da Inte-

ressen Einzelner weit auseinander liegen

und Einvernehmen kaum herstellbar ist,

verbunden mit der Gefahr, dass Prozesse

verzögert oder gar blockiert werden

Durch strikte Trennung von SPNV-

Aufgabenträgerschaft und Verkehrsver-

bund und damit „asymmetrische“ Struk-

turform Verlorengehen von (personellen)

Synergien im Gesamtsystem

Sehr hoher Aufwand für Umorganisation,

u.a. Änderung ÖPNV-Gesetz, Klärung der

Finanzierungsströme für Verbünde erfor-

derlich, alle kommunalen Aufgabenträger

müssten neue Organisation und ihre Be-

teiligung daran in ihren Entscheidungs-

gremien beschließen

Vor- und Nachteile dieser Modellvariante

wurden kontrovers diskutiert. Während die

eine Seite meint, dass sie zu stark einer „Lan-

desgesellschaft light“ ähnelt, im Handling

komplex und politisch sensibel ist, wird auf

der anderen Seite das Potenzial gesehen, da-

mit einen guten Interessensausgleich zwi-

schen Land und Kommunen sicherzustellen.

Hierfür wäre es erforderlich, mit „Diplomatie

und Sensibilität“ den Umstellungsprozess zu

organisieren und für eine klare Abgrenzung

der Rollen und Aufgaben zwischen SPNV-

Aufgabenträgern und Verbünden zu sorgen.

Der Erfolg des Modells ist aus Sicht der Ar-

beitsgruppe insgesamt schwer einschätzbar,

zu erwarten ist auch ein „Leerlauf“ durch das

Aufgeben vorhandener Strukturen und ein

längerer Findungsprozess. Auf Grund der Un-

sicherheiten wird diese Variante nicht für die

weitere Umsetzung empfohlen.

Variante C3: Landesweite Organisation im

SPNV als Gesellschaft des Landes

Das Organisationsmodell C3 überführt die

SPNV-Aufgabenträgerschaft in eine neue Ge-

sellschaft, die direkt und ausschließlich vom

Land getragen wird (analog z.B. der Bayeri-

schen Eisenbahngesellschaft BEG). Hierüber

würde der gesamte SPNV in Sachsen gema-

nagt werden. Da in diesem Modell keine

Zweckverbände mehr vorhanden sind, benöti-

gen die beizubehaltenden Verkehrsverbund-

einheiten „neue“ Gesellschafter, die jeweili-

gen 16 kommunalen Aufgabenträger. Die Ko-

ordination zwischen SPNV und ÖSPV müsste

dann zwischen den Verbünden bzw. den loka-

len Aufgabenträgern und der Landesgesell-

schaft stattfinden. Offen kann zunächst blei-

ben, ob eine KS für Fachthemen auf der Ebene

der Verbünde eingerichtet werden sollte oder

dies quasi in die Landesgesellschaft über-

nommen wird.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 145 von 178

Das Modell C3 würde zu einem Systembruch

führen und die kommunale Ausrichtung im

SPNV beenden. Zwar wurden einige Vorteile

identifiziert, z.B. die Aufgaben- und Budget-

verantwortung im SPNV „in einer Hand“, die

eine Hebung von Potenzialen im SPNV und

eine einheitliche zentrale Steuerung der Ei-

senbahnverkehrsunternehmen landesweit

erwarten lässt. Dem gegenüber stehen aber

u.a. folgende Nachteile:

Steuerung des SPNV sehr mit dem Fokus

des Landes, dadurch Ausrichtung SPNV

an Bedürfnissen und Interessen der Fahr-

gäste vor Ort relativ schwer

Erhebliches Konfliktpotenzial in der Ver-

ständigung zwischen Land und Kommu-

nen, v.a. an der Schnittstelle SPNV–ÖSPV,

so dass mit hohem Abstimmungsbedarf,

großen Reibungsverlusten und langsa-

men Entscheidungsprozessen zu rechnen

ist

Durch strikte Trennung von Aufgabenträ-

ger SPNV (Zweckverband) und Verkehrs-

verbund Verlust von (auch personellen)

Synergien im Gesamtsystem

Sehr hoher Aufwand für Umorganisation;

großer Widerstand gegen Modell auf

kommunaler Ebene zu erwarten

Da in der Abwägung aus Sicht der Arbeits-

gruppe die Nachteile deutlich die Vorteile

überwiegen und unsicher ist, ob die Harmoni-

sierungen im gesamten ÖPNV durch eine

SPNV-Landesgesellschaft effektiv vorangetrie-

ben werden können, wird diese Modellvarian-

te abgelehnt.

Variante D: Schaffung einer sachsenweiten,

modalübergreifenden ÖPNV-Organisation

Grundvariante D überträgt den Zentralisie-

rungsgedanken von Modell C3 auch auf die

Ebene der Verkehrsverbundorganisationen.

Sämtliche Funktionen der Verbundeinheiten

würden zusätzlich in die Landesgesellschaft

integriert, die dann nicht nur für SPNV, son-

dern auch für landesweite Themen des ÖPNV

insgesamt und für die Schnittstelle zwischen

SPNV und ÖSPV zuständig wäre. Landesweite

KS wären nicht nötig, weil die entsprechenden

Aufgaben gleich in der Landesgesellschaft mit

erledigt würden. Neben der „großen“, ent-

sprechend auszustattenden Landesgesell-

schaft würden einzig noch die 16 lokalen Auf-

gabenträger als Organisationseinheit sichtbar

werden, die sich dann an der Schnittstelle

ÖSPV/SPNV direkt mit der Landesgesellschaft

abstimmen müssten.

Da schon die Organisationsvariante C3 u.a.

wegen der mangelnden Einbeziehung der

lokalen Ebene begründet ausgeschlossen

wurde und weil dies eine vollständige Abkehr

vom bisher kommunal getragenen Modell im

ÖPNV wäre, wird die Variante D aus gleichen

Gründen verworfen.

Abb. 4: Organisationsstruktur im ÖPNV in Sachsen Variante C3

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Seite 146 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

4. Umsetzungsplanung

Da in den beiden Modellen B und C1 die Ein-

richtung einer landesweit agierenden Koordi-

nierungsstelle vorgesehen ist, beschränken

sich die Aussagen zur Umsetzungsplanung auf

deren Etablierung.

Voraussetzung ist, dass sich die kommunale

Ebene und das Land auf ein konkretes Modell

verständigen, bei dem die zahlreichen Detail-

fragen zur Verfasstheit der KS, ihrem Aufga-

benspektrum und der Finanzierung einver-

nehmlich geklärt werden. Mit Blick auf die

politische Überzeugungsarbeit bis hin zum

Erwirken der Gremienbeschlüsse sowie der

Rekrutierung von Personal erscheint ein Zeit-

bedarf von rund neun bis zwölf Monaten nach

der Beschlussfassung der Strategiekommission

realistisch.

Ab dem 1. Quartal 2018 wird dazu eine paral-

lele „Interimsphase“ vorgeschlagen, in der die

KS bereits „virtuell“ im Sinne eines Vorlaufbe-

triebs – zur Fortsetzung der erfolgreichen

Kommissionsarbeit operiert. Denn besonders

positiv wurde in der Arbeitsgruppe Organisa-

tion der enge und regelmäßige Austausch der

Mitglieder zu strategischen Themen bewertet,

der aufrechterhalten werden soll. Die Ge-

schäftsstelle der Kommission sollte dabei die

Keimzelle für die KS bilden, insbesondere zur

Einführung von Maßnahmen wie den Sachsen-

Tarif, die einer dauerhaften Koordinierung

und Kompetenzbündelung unstrittig bedürfen.

1 Beispiel: Zwischen dem ZVON und VVO gibt

es (sogar auf der gleichen Linie) abweichende

Regelungen zum Fahrkartenkauf im SPNV-

Fahrzeug; im ZVON können Fahrgäste Fahr-

karten vom Zugbegleiter erwerben, im VVO

müssen sie vorab gelöst werden. Negativ

kann diesem Status entgegengehalten wer-

den, dass unterschiedliche Standards dem

Kunden die Nutzung des ÖPNV erschweren.

Positiv kann herausgestellt werden, dass in

den jeweiligen Verbünden individuell auf die

Kundenwünsche und Nachfrage eingegangen

wird: Während im ZVON bei vergleichsweise

wenig Zusteigern der Service des Im-Zug-

Verkaufs mit Beratung im Vordergrund steht,

müssen im VVO mit dem Zulauf auf die Groß-

stadt Dresden deutlich größere Fahrgast-

mengen abgewickelt werden, die gerade

diesen Service nicht zulassen. Ähnliches

ergibt sich bei zum Teil abweichenden Tarif-

und Beförderungsbestimmungen (z.B. Fahr-

radmitnahme), wo auch auf die jeweilige

Verbundstruktur Rücksicht genommen wird.

Welche Regelung per Saldo die bessere ist,

lässt sich nicht objektivieren.

2 Zu den etablierten Kompetenz-Centern in

NRW führt das dortige Verkehrsministerium

aus: „Für die zukunftsorientierte Weiterent-

wicklung des ÖPNV in NRW bietet der ge-

wählte Ansatz folgende Vorteile: kompetente

Bearbeitung von Themenfeldern, wie sie ein

regionaler Raum allein nicht bewerkstelligen

könnte; Kosteneffizienz durch Vermeidung

unproduktiver Parallelarbeiten am gleichen

Thema; Weiterentwicklung des ÖPNV nach

landesweit vereinbarten Maßstäben; Förde-

rung des Austauschs der Nahverkehrsbranche

durch landesweite Zusammenarbeit in Einzel-

fragen („Lernen von den Besten“).“

3 Die Modell-Grafiken zeigen nur die wesent-

lichen Änderungen zum Status quo und ver-

zichten z.B. auf die Darstellung der beizube-

haltenden lokalen Aufgabenträger.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 147 von 178

V. Thesenpapier der Arbeitsgruppe Finanzierung

1. Der kommunal verfasste sächsische ÖPNV ist bislang in der Gesamtschau leistungsfähig und

wird zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten erbracht. Dies zeigt der ausführliche Abgleich mit

den strukturell ähnlichen Bundesländern Thüringen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sach-

sen-Anhalt. Grundlage hierfür sind ein solides Finanzierungssystem sowie ein produktives Zu-

sammenspiel verantwortungsvoll agierender Akteure

2. Die Finanzierung des ÖPNV steht vor erheblichen Herausforderungen im kommenden Jahr-

zehnt. Zu den beiden großen Aufgabenblöcken zählen (1) die Aufrechterhaltung des Bestands-

systems sowie (2) die Beschaffung zusätzlicher Mittel für neue Erfordernisse.

Die Analyse der Zukunftsfestigkeit der etablierten Finanzierungsquellen zeigt, dass bereits die

Finanzierung des Status quo im ÖPNV kein Selbstläufer sein wird:

Überwiegend positiv zu werten ist das mühevoll erkämpfte Ergebnis der Revision des Regiona-

lisierungsgesetzes, das

- den Ländern bis 2031 Planungssicherheit bei der wichtigsten Finanzierungsquelle des SPNV

verschafft. Diese reicht der Freistaat über die ÖPNVFinVO bis 2027 weiter.

- Gleichwohl zieht der „Kieler Schlüssel“ für Sachsen eine deutliche Absenkung der Mittel im

Vergleich zur alten Planungslinie nach sich, deren Folgen noch beherrschbar erscheinen.

Diese Rechnung geht jedoch nur auf, wenn aus dem temporären Mittelüberschuss bis 2022

eine erhebliche finanzielle Reserve angelegt wird, um die Lücken in den Jahren 2023 bis

2031 zu schließen.

Die für 2020 geplante Revision der ÖPNVFinVO bietet grundsätzlich die Chance, auf veränder-

te Rahmenbedingungen und gesammelte Erfahrungen zu reagieren. Allerdings muss sicherge-

stellt werden, dass jede erwogene Änderung unter den strikten Prüfvorbehalt langfristiger

Bindungen (z.B. bei Verkehrsverträgen und Investitionen) gestellt wird. Andernfalls würden Ri-

siken in den ÖPNV-Markt getragen, die lähmend wirken können.

Kritisch ist aus heutiger Sicht die Verfügbarkeit der ergänzenden Finanztöpfe einzuschätzen,

insbesondere der Entflechtungsmittel sowie der EFRE-Mittel, während die Zukunft des GVFG-

Bundesprogramms zumindest dem Grunde nach politisch gesichert erscheint. Die Arbeits-

gruppe Finanzierung sieht die Notwendigkeit, dass

- die Mittel des GVFG-Bundesprogramms vor dem Hintergrund ihrer bundesweit mehrfachen

Überzeichnung, der seit 1996 unveränderten Höhe, der wachsenden Bedeutung des Klima-

schutzes sowie der Reduzierung der Feinstaubbelastung („Dieselgipfel“) von bislang 332,5

Mio. EUR auf 1.000 Mio. EUR erhöht und künftig mit 1,5% p.a. dynamisiert werden,

- die Entflechtungsmittel ab 2020 mindestens auf dem heutigen Niveau (rund 15 Mio. EUR)

mit Hilfe der künftig höheren Umsatzsteueranteile des Freistaates verstetigt werden und

dem ÖPNV in der Praxis zweckgebunden zur Verfügung stehen,

die dem ÖPNV zugutekommenden EFRE-Mittel durch Landesmittel ersetzt werden, falls das

Programm nicht fortgeschrieben wird.

Stellt man die angenommene vorhandene Mittelkulisse den fortgeschriebenen Bestandsaus-

gaben gegenüber, kristallisiert sich bereits ein hoher Anspannungsgrad heraus:

So sind Höhe und Abbaurate der Ansparreserve ab 2023 daran ausgerichtet, die überwiegend

konsumtiv für den SPNV eingesetzten Zuschüsse an die ÖPNV-Zweckverbände, rund zwei Drit-

tel der ab 2021 mit 1,8% p.a. dynamisierten ÖPNVFinAusG-Mittel sowie einen jährlichen Fest-

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Seite 148 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

betrag für Investitionen in Höhe von 40,7 Mio. EUR zu decken.

Alle weiteren Einnahmen- und Bestandsausgabenwerte für Investitionen aus dem LIP bleiben

ebenfalls undynamisiert. Dies hätte zur Folge, dass bei zu erwartenden Kostensteigerungen die

Kaufkraft je EUR Investitionszuschuss (weiterhin) abnähme und real weniger investiert werden

könnte bzw. ein Substanzverzehr entstünde.

Die unterstellte Dynamisierung der Betriebsbeihilfen für die Schmalspurbahnen (1,0% p.a.)

und des Landesanteils am ÖPNVFinAusG (1,8% p.a. ab 2021) führt demnach automatisch zu

einem Aufwuchs der Mittel aus dem Landeshaushalt.

Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass die heutigen Bestandsausgaben in der Summe trotz ge-

planter strikter Vorsorgepolitik nicht vollständig ausfinanziert sind, weil auch im Investitions-

bereich mit einer natürlichen Inflation zu rechnen ist.

3. Auf der Landesebene hat sich die bestehende Finanzarchitektur des sächsischen ÖPNV mit den

drei Säulen ÖPNVFinVO, Landesinvestitionsprogramm (LIP) und ÖPNVFinAusG im Grundsatz

bewährt und sollte beibehalten werden. Hiervon unbenommen sind sinnvolle Arrondierungen,

z.B. die Verschiebung von Mitteln und Ausgabezwecken zwischen den „Töpfen“ (bei sich än-

dernden Prioritäten) und das Setzen von Effizienzanreizen in den Subsystemen (siehe These 6).

4. Vor dem Hintergrund künftiger Anforderungen und Erwartungen an den ÖPNV identifizieren

die Arbeitsgruppen der Strategiekommission ein Set an Maßnahmen, das im Zielzustand

2025/2030 bei vollständiger Umsetzung in der Summe einen fiskalischen Mehrbedarf von rund

500 Mio. EUR pro Jahr über alle Akteure (Freistaat, Kommunen und Verkehrsunternehmen,

ggf. Nutzer) verursacht. Zur Einordnung: Gemessen am zu erwartenden Marktvolumen im

ÖPNV Sachsens in Höhe von etwa 1.500 Mio. EUR pro Jahr wäre dies eine Steigerung um rund

ein Drittel – die ins Verhältnis zum Gegenwert einer erheblichen Angebotsausweitung sowie

deutlichen Qualitätsverbesserungen im ÖPNV zu setzen ist.

Allerdings ist evident, dass keine der heutigen Akteursgruppen (Bund, Land, Kommunen, Nut-

zer) einen solchen Finanzierungsmehrbedarf allein schultern kann (und möchte), sondern es

einer konzertierten Lastenverteilung unter Federführung des Landes bedarf. Das erfolgreiche

Einwerben solcher Mittelvolumina im „politischen Nahkampf“ setzt voraus, den politischen

und gesellschaftlichen Stellenwert des ÖPNV sukzessive deutlich zu erhöhen.

5. Neben heute bereits ungedeckten Bedarfen sind für die Zukunft aus der Finanzierungsper-

spektive vier große Herausforderungen mit absehbarem Handlungsdruck erkennbar:

Steigender Investitionsbedarf: Über das künftig zunehmende Mittelvolumen für Ersatzin-

vestitionen zur Aufrechterhaltung der Bestandssysteme hinaus muss der sächsische ÖPNV

drei neue Aufgaben schultern:

- In den Ballungsräumen Dresden, Leipzig und Chemnitz soll er mindestens die zusätzli-

che Nachfrage erschließen, die mit dem prognostizierten Bevölkerungswachstum ein-

hergeht. Verhaltensänderungen junger Erwachsener sowie vor allem potenzielle Pkw-

Fahrverbote in den Städten können einen zusätzlichen Nachfrageschub erzeugen. Im

Falle einer offensiven ÖPNV-Wachstumspolitik, auch zur Vorbeugung von gerichtlich

angeordneten Fahrverboten für den MIV, die auf eine Zunahme des Modal Split zielt,

wären die Anforderungen noch höher.

- Im ländlichen Raum sollen moderne Mobilitätskonzepte erprobt und im Erfolgsfall ein-

geführt werden, die auch bei demographisch angespannter Entwicklung ein angemes-

senes Maß an öffentlicher Mobilität gewährleisten.

- Im Personenbeförderungsgesetz ist das Ziel verankert, die vollständige Barrierefreiheit

bis zum 1. Januar 2022 umzusetzen. Auch wenn dies planerisch und finanziell nicht

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 149 von 178

punktgenau möglich sein wird, bleiben die Aufgabenträger verpflichtet, den Sollzustand

so schnell wie möglich herzustellen.

In den Ballungsräumen ist ein hoher Investitionsbedarf sicher, in der Fläche sind Investiti-

onen in neue Konzepte und Technologien zumindest temporär wahrscheinlich. Hierauf

muss das Landesinvestitionsprogramm neu ausgerichtet werden. Ohne zusätzliche Mittel

aus dem Landeshaushalt wird es künftig nicht mehr möglich sein, alle förderfähigen Anträ-

ge zu bewilligen. Vielmehr ist es zwingend, eine konsistente Investitionsstrategie 2030 in

Abstimmung mit der kommunalen Ebene zu entwickeln und die Fördersysteme anzupas-

sen.

Landesweites Buskonzept: Die Finanzierung eines landesweit standardisierten und modu-

lar hierarchisierten Buskonzeptes stellt die gegenwärtige Finanzarchitektur insofern auf

die Probe, als es an keine der bisherigen drei Säulen im Landeshaushalt ideal andockt. Die

Arbeitsgruppe Finanzierung hält am ehesten die ÖPNVFinVO für politisch-instrumentell

geeignet, hierüber einen vom Freistaat Sachsen beigestellten Finanzierungsbetrag auszu-

reichen und ihn mit einer Kofinanzierung der kommunalen Ebene – in noch zu bestim-

mender Anteilshöhe – zu kombinieren.

Einige Fragen können erst in der Umsetzungsphase geklärt werden. Hierzu zählen z.B. der

Modus der Mittelvergabe (z.B. Zuweisung von kriterienbasierten Pauschalbudgets an die

fünf Zweckverbände [„Budgetmodell“] oder die maßnahmenbezogene Schlüsselung über

verkehrliche Parameter wie Fahrplankilometer [„Zuschussmodell“]), der Einbau von An-

reizelementen sowie die Zuordnung der Aufgabenträgerschaft.

Ausbildungsverkehr: Das gegenwärtige Konstrukt des ÖPNVFinAusG zum Ausgleich von

Mindereinnahmen der Verkehrsunternehmen aus ermäßigten Zeitfahrausweisen hat drei

positive Eigenschaften: Der vormalige Sollkosten-basierte Einzelfallansatz, der lange Fahr-

ten belohnte, wurde in ein Pauschalierungsmodell umgewandelt. Die Schlüsselung der

Mittel in Abhängigkeit von den Schülerzahlen und der Fläche ist darauf angelegt, die hori-

zontale Verteilung dynamisch zu halten. Und die vorgesehene Dynamisierung der Ge-

samtmittel um derzeit 1,8% p.a. trägt isoliert besehen der erwartbaren Teuerung Rech-

nung.

Eine Schwachstelle im heutigen Finanzierungsregime ist jedoch darin zu sehen, dass es

keine systematische Prüfung gibt, wie sich die Gesamtkosten des Systems Ausbildungsver-

kehr in Sachsen entwickeln und inwieweit diese für die kommunale Ebene unter erschwer-

ten Randbedingungen noch finanzierbar sind (Schülerzahl, freie Schulwahl, Inklusion, stei-

gende Reiseweite u. ä.). Die Arbeitsgruppe Finanzierung empfiehlt, hier nachzubessern

und

- im ersten Schritt einen regelmäßigen Prüfmechanismus zur Bewertung der Finanzlage

im System Ausbildungsverkehr einzuführen.

In einem zweiten Schritt sollte – insbesondere bei Erkennen einer dauerhaften Kosten-

unterdeckung – darüber nachgedacht werden, wie der Ausbildungsverkehr als Gesamt-

system künftig zukunftssicher finanziert werden kann. Dies bedeutet auch, neue Finan-

zierungswege jenseits der heutigen Instrumente und ihrer Mechanik in Erwägung zu

ziehen. Dies sollte mit dem Anreiz verknüpft werden, den Schülerverkehr so weit wie

möglich in den Jedermannverkehr (Linienverkehr) zu integrieren.

Digitaler Wandel: Die Digitalisierung hat den ÖPNV wie nahezu alle Gesellschaftsbereiche

voll erfasst und wird diesen Markt in den kommenden 20 Jahren erheblich verändern.

Welche neuen Geschäftsmodelle sich wann und wo in welcher Geschwindigkeit durchset-

zen („öffentliche Mobilität wird individualisiert“ – „individuelle Mobilität wird öffentlich“),

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Seite 150 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

ist anno 2017 kaum beurteilbar. Aus der Sicht der öffentlichen Hand liegt die Herausforde-

rung darin, die Fördersysteme so zu flexibilisieren, dass auch neue Formen der Mobilität

getestet werden können. Hierfür sollten auch Mittel aus anderen Ressorts zusätzlich aktiv

eingeworben werden.

6. Jenseits der etablierten Finanzierungssäulen erachtet es die Arbeitsgruppe Finanzierung für

notwendig, auch im Tagesgeschäft nach Effizienzreserven Ausschau zu halten und diese durch

sinnvolle finanzarchitektonische Weichenstellungen auszuschöpfen. Spielräume könnten sich

z.B. eröffnen durch Anreizsetzungen im Hinblick auf die Entwicklungsziele für SPNV-Strecken

und für das neue Buskonzept, durch die Einführung einer Bagatellgrenze im LIP (Verschiebung

der Mittel und Investitionsverantwortung für kleinere Projekte in Richtung der Zweckverbän-

de), die stärkere Erfolgskontrolle der Förderprogramme oder durch Pauschalierungen von Mit-

teln.

7. Bundesweit hat der Anteil der Nutzerfinanzierung (Fahrgeldeinnahmen) in den letzten 10 Jah-

ren deutlich zugenommen. Dies gilt auch für Sachsen. Allerdings zeigt der Ländervergleich,

dass der Anteil der Nutzerfinanzierung im SPNV im Gegensatz zu den städtisch geprägten

ÖSPV-Werten unterdurchschnittlich ausfällt. Ursächlich ist nicht die Tarifhöhe, sondern die

Nachfragemenge. Ziel muss es sein, diese auf allen Streckenkategorien zu steigern und hierfür

Entwicklungsziele zu definieren.

8. Das Instrument der Nutznießerfinanzierung bietet einen Ansatz, zusätzliche Mittel für den

ÖPNV von solchen Akteuren zu erschließen, die von dem Optionsnutzen des ÖPNV(-

Angebotes) in hohem Maße fühlbar profitieren. Weil die Stellhebel wie ein ÖPNV-Beitrag aus-

nahmslos auf der kommunalen Ebene verortet und zudem politisch sensibel sind, ist dort zu

entscheiden, ob und in welcher Form sie zum Einsatz gelangen sollen. Die Unterstützung des

Landes konzentriert sich darauf, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen.

9. Die Analyse der Kostensteigerungen im Ausbildungsverkehr zeigt auf, dass viele Akteure in

dem komplexen Gebilde auf unterschiedlichen (Politik-)Ebenen Entscheidungen treffen, ohne

die ökonomischen Folgen („Preisschilder“) für die Leistungserbringer im ÖPNV – den Ver-

kehrsunternehmen – am Ende der Handlungskette zu kennen, geschweige denn zu verantwor-

ten. Beispielhaft zu nennen sind die freie Schulwahl, die Festlegung von Schulstandorten, die

Wahl der Schulanfangszeiten oder die erforderlichen zusätzlichen Maßnahmen als Folge der

Inklusion.

Bisher unberücksichtigt und damit unklar ist auch der weitere Umgang mit den künftig voraus-

sichtlich stark steigenden Kosten des Sonderverkehrs zur Beförderung der Schüler und Auszu-

bildenden, die aus geistigen und körperlichen Gründen den angebotenen

ÖPNV/Schülerverkehr nicht nutzen können (Inklusion). Künftige Betrachtungen des Ausbil-

dungsverkehrs und seiner Finanzierung müssen diesem Umstand stärker Rechnung tragen und

möglichst in ein konsistentes Gesamtfinanzierungssystem münden.

Die Lösung der Gesamtproblematik ist komplex und bedarf eines sehr langen Atems. Als einen

ersten Reformansatz schlägt die Arbeitsgruppe Finanzierung vor, die „Mobilitätsfolgekosten“

von Maßnahmen wie der Schulzeitenfestlegung oder Schulneubauten verbindlich einschätzen

zu müssen. Darüber hinaus sollte geprüft werden, inwieweit ein ganzheitliches Bildungs- und

sozialpolitisches Konzept „Moderne Familie“ durch Anreize des Freistaats gefördert werden

könnte, z.B. indem kostenminimierende Mobilitätskonzepte der Schulen mit zusätzlichen Mit-

teln für die Ausstattung z.B. der Hortgestaltung, Freizeitmöglichkeiten in den Schulen u. ä. ver-

knüpft werden.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 151 von 178

Zur Begründung der Thesen

These 1: Sachsens ÖPNV besteht im Län-dervergleich

Der ÖPNV in Sachsen wurde seit den 1990er

Jahren konsequent kommunalisiert. Während

für den ÖSPV die kommunalen Aufgabenträ-

ger unmittelbar die Verantwortung tragen,

fungieren im SPNV die kommunalen Zweck-

verbände als Aufgabenträger.

Mit Blick auf die Angebots-, Nachfrage- und

Finanzdaten in beiden Teilsystemen des ÖPNV

ist zu konstatieren, dass Sachsen die Gegen-

überstellung mit anderen, strukturell ähnli-

chen Bundesländern in puncto Leistungsfähig-

keit und Wirtschaftlichkeit nicht zu scheuen

braucht. Dies geht aus einem von der Arbeits-

gruppe Finanzierung initiierten Länderver-

gleich Sachsens mit Niedersachsen, Rheinland-

Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen hervor.

Im Einzelnen sind Unterschiede erkennbar, die

sich im Wesentlichen über die Schwerpunkt-

setzung in den Ländern erklären, nicht jedoch

als Ergebnis der Finanzarchitektur.

Die relativ niedrigen SPNV-Bestellerentgelte

der sächsischen Zweckverbände (durch-

schnittlicher Zuschuss 2014: 9,32 EUR pro

Zugkilometer) liegen im bundesweiten Maß-

stab im oberen Drittel, obwohl die tendenziell

unterdurchschnittlichen Fahrgastzahlen noch

Steigerungspotenziale zur Verbesserung der

Finanzierungsanteils durch Fahrgeldeinnah-

men aufweisen, vgl. auch These 7). Im Um-

kehrschluss lässt sich ableiten, dass die Bestel-

ler ihre Angebotsplanung mit Augenmaß vor-

nehmen und sich ihre frühzeitig etablierte

Wettbewerbsstrategie bewährt hat. Im ÖSPV

führen die hohe Nachfrage, insbesondere in

den Ballungszentren, und vergleichsweise

günstige Produktionsstrukturen zu einem

bundesweit niedrigen spezifischen Zuschuss-

bedarf.

Angesichts dieses positiven Befundes lässt sich

folgern, dass das Finanzierungssystem des

sächsischen ÖPNV solide aufgestellt ist und

das Zusammenspiel der Akteure zwischen den

Gebietskörperschaften, aber auch horizontal

auf der Zweckverbandsebene sowie den Ver-

kehrsunternehmen bis dato alles in allem pro-

duktiv funktioniert hat – wie auch das The-

senpapier der Arbeitsgruppe Organisation

einleitend herausstreicht. Dessen ungeachtet

sind Verbesserungen möglich und Anpassun-

gen aufgrund sich ändernder Rahmenbedin-

gungen erforderlich.

Thesen 2 und 3: Finanzierung des Be-standssystems bei bewährter Finanzar-chitektur

Aus dem nachstehenden Finanztableau für

2014 geht hervor, wie sich das damalige

Marktvolumen des sächsischen ÖPNV von

rund 1,2 Mrd. EUR auf der Mittelherkunfts-

sowie auf der -verwendungsebene zusam-

mensetzt. Gut 30% der Mittel steuert der Nut-

zer bei, während knapp 70% aus öffentlichen

Haushalten stammen.

Das Land steht bei der Finanzierung des ÖPNV

vor erheblichen Herausforderungen im kom-

menden Jahrzehnt. Zu den beiden großen

Tab. 1: Finanzierungsquellen und Ausgabenzwecke im sächsischen ÖPNV 2014

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Seite 152 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Aufgabenblöcken zählen (1) die Aufrechterhal-

tung des Bestandssystems sowie (2) die Be-

schaffung zusätzlicher Mittel für neue Erfor-

dernisse.

Die Analyse der Zukunftsfestigkeit der etab-

lierten Finanzierungsquellen auf der Mittel-

herkunftsebene zeigt, dass bereits die Finan-

zierung des Status quo im ÖPNV kein Selbst-

läufer sein wird, auch wenn sich die Finanzie-

rungsarchitektur des Landeshaushaltes mit

den drei Regelmechanismen ÖPNVFinVO,

ÖPNVFinAusG und LIP im Grundsatz bewährt

hat (s. Abbildung 1).

Überwiegend positiv zu werten ist das

mühevoll erkämpfte Ergebnis der Revisi-

on des Regionalisierungsgesetzes, das

den Ländern bis 2031 Planungssicherheit

bei der wichtigsten Finanzierungsquelle

verschafft. Diese reicht der Freistaat

über die ÖPNVFinVO bis 2027 weiter. Die

für 2020 geplante Revision der ÖPNVFin-

VO bietet grundsätzlich die Chance, auf

veränderte Rahmenbedingungen und ge-

sammelte Erfahrungen zu reagieren. Al-

lerdings muss sichergestellt werden, dass

jede erwogene Änderung unter den strik-

ten Prüfvorbehalt langfristiger Bindungen

(z.B. bei Verkehrsverträgen und Investiti-

onen) gestellt wird. Andernfalls würden

Risiken in den ÖPNV-Markt getragen, die

lähmend wirken können.

Kritisch ist aus heutiger Sicht die Verfüg-

barkeit der ergänzenden Töpfe einzu-

schätzen, insbesondere der Entflech-

tungsmittel sowie der EFRE-Mittel, wäh-

rend die Zukunft des GVFG-

Bundesprogramms zumindest dem

Grunde nach politisch gesichert er-

scheint. Die Arbeitsgruppe Finanzierung

sieht die Notwendigkeit, dass

die Mittel des GVFG-Bundesprogramms

vor dem Hintergrund ihrer bundesweit

mehrfachen Überzeichnung, der seit

1996 unveränderten Höhe, der wachsen-

den Bedeutung des Klimaschutzes sowie

der Reduzierung der Feinstaubbelastung

Abb. 1: Finanzierungssäulen des Freistaats Sachsen im ÖPNV

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 153 von 178

(„Dieselgipfel“) von bislang 332,56 Mio.

EUR auf 1.000 Mio. EUR erhöht und künf-

tig mit 1,5% p.a. dynamisiert werden,

- die Entflechtungsmittel ab 2020 min-

destens auf dem heutigen Niveau mit

Hilfe der künftig höheren Umsatzsteu-

eranteile des Freistaates verstetigt

werden und somit dem ÖPNV die rund

14 Mio. EUR auch nach der Aufhebung

der investiven Zweckbindung exklusiv

zur Verfügung stehen,

- die dem ÖPNV zugutekommenden EF-

RE-Mittel durch Landesmittel ersetzt

werden, falls das Programm nach 2020

nicht fortgeschrieben wird. Die Förde-

rung zielt v.a. auf strukturschwache

Regionen und setzt verschiedene För-

derziele, z.B. die CO2-Reduktion des

ÖPNV. Eine Prognose über die Verfüg-

barkeit von Mitteln für den Freistaat

Sachsen aus diesem Fonds ist aus vie-

len Gründen schwierig, z.B. aufgrund

des 2019 anstehenden „Brexit“ oder

aufgrund des Verlustes der Förderfä-

higkeit.

Eine besondere fiskalische Herausforderung

im ÖPNV erwächst für alle Ostländer aus dem

Ergebnis der Revision der Regionalisierungs-

mittel 2015. So hat der sog. „Kieler Schlüssel“

zur Folge, dass die Sachsen zugewiesenen

RegG-Mittel 2016 um 75 Mio. EUR sprunghaft

zunahmen, anschließend aber bis 2021 abso-

lut so abgeschmolzen werden, dass der Frei-

staat 2030 den nahezu identischen nominellen

Betrag wie 2016 erhält. Den Kaufkraftentwer-

tungseffekt aus 14 Jahren Inflation müsste er

damit über Effizienzgewinne wettmachen

oder aber zusätzliche Finanzierungsquellen

erschließen.

Die vorstehende Modellrechnung zeigt tabel-

larisch auf, wie sich der Saldo aus den prog-

nostizierten verfügbaren Mitteln und den

fortgeschriebenen Bestandsausgaben für die

gegenwärtigen Verwendungszwecke unter

bestimmten Annahmen entwickelt. Zu erken-

nen ist:

Bis zum Jahr 2022 plant der Freistaat in

seiner Mittelfristplanung eine RegG-

Reserve in Höhe von 285 Mio. EUR anzu-

sparen, um konsequent Vorsorge für die

Folgejahre bis 2031 zu treffen, in denen

die Bestandsausgaben die Einnahmen

übersteigen (s. Abbildung 2). Am Ende

des Zeitraums wird die aufgebaute Re-

serve vollständig abgeschmolzen sein. Ob

ein solcher Planungshorizont über 15

Jahre politisch praktikabel und durch-

haltbar ist, wird sich zeigen.

Tab. 2: Modellrechnung zur Finanzierung der Bestandsausgaben bis 2031

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Seite 154 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

Zu beachten sind die Prämissen der Mo-

dellrechnung:

- Die Reichweite der Ansparreserve aus

den RegG-Mitteln und damit der Ab-

baurate im Zeitraum 2023 bis 2031 ist

daran ausgerichtet, a) die überwie-

gend konsumtiven, mit 1,8% p.a. fort-

geschriebenen Zuschüsse an die

ÖPNV-Zweckverbände, b) rund zwei

Drittel der ab 2021 mit 1,8% p.a. dy-

namisierten ÖPNVFinAusG-Mittel so-

wie c) einen jährlichen Festbetrag für

Investitionen in Höhe von 40,7 Mio.

EUR zu decken.

- Alle weiteren Einnahmen- und Be-

standsausgabenwerte für Investitionen

aus dem LIP bleiben ebenfalls undy-

namisiert. Dies hätte zur Folge, dass

bei zu erwartenden Kostensteigerun-

gen die Kaufkraft je EUR Investitions-

zuschuss (weiterhin) abnähme und re-

al weniger investiert werden könnte

bzw. ein Substanzverzehr entstünde.

- Die unterstellte Dynamisierung der Be-

triebsbeihilfen für die Schmalspurbah-

nen (1,0% p.a.) und des Landesanteils

am ÖPNVFinAusG (1,8% p.a. ab 2021)

führt demnach automatisch zu einem

Aufwuchs der Mittel aus dem Landes-

haushalt.

Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass die heu-

tigen Bestandsausgaben in der Summe trotz

geplanter strikter Vorsorgepolitik nicht voll-

ständig ausfinanziert sind, weil auch im Inves-

titionsbereich mit einer natürlichen Inflation

zu rechnen ist.

Thesen 4: Künftige Mehrbedarfe

Vor dem Hintergrund künftiger Anforderun-

gen und Erwartungen an den ÖPNV identifizie-

ren die Arbeitsgruppen der Strategiekommis-

sion ein Set an landesbedeutsamen Maßnah-

men, das im Zielzustand 2025/2030 bei voll-

ständiger Umsetzung in der Summe einen

fiskalischen Mehrbedarf von rund 500 Mio.

EUR verursacht, wie die folgende Tabelle vor

Augen führt:

Abb. 2: Aufbau- und Abbauraten der Finanzierungsreserve RegG

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 155 von 178

Tab. 3: Finanzierungsbedarf landesbedeutsamer Maß-nahmen im ÖPNV

Zur Einordnung: Das heutige Marktvolumen

im ÖPNV Sachsens beträgt rund 1.300 Mio.

EUR pro Jahr, das sich bis 2025 unter Berück-

sichtigung differenzierter Dynamisierungsra-

ten für die Bestandsausgaben und die Fahr-

gelderlöse sowie der unterstellten Fahrgast-

zuwächse auf etwa 1.500 Mio. EUR erhöhen

dürfte. Hieran gemessen beträgt der o. g. Zu-

satzbedarf etwa ein Drittel – was ins Verhält-

nis zum Gegenwert einer erheblichen Ange-

botsausweitung sowie deutlichen Qualitäts-

verbesserungen im ÖPNV zu setzen ist.

Angesichts des in These 3 aufgezeigten Kraft-

aktes zur Finanzierung der Bestandsausgaben

unter vollständigem Verbrauch der Ansparre-

serve ist evident, dass der Mehrbedarf für die

neuen, teilweise kostenintensiven Vorhaben

aus den bisherigen Einnahmen nicht zu stem-

men ist, sondern zusätzliche Mittel erfordert.

Keine der heutigen Akteursgruppen „Bund,

Land, Kommunen, Nutzer“ kann (und möchte)

einen solchen Mehrbedarf allein schultern,

sondern es bedarf für landesweit bedeutsame

Aufgaben einer konzertierten Lastenverteilung

unter Federführung des Landes. Das erfolgrei-

che Einwerben solcher Mittelvolumina im

„politischen Nahkampf“ setzt voraus, den

politischen und gesellschaftlichen Stellenwert

des ÖPNV sukzessive deutlich zu erhöhen.

These 5a: Investitionen

Die Robustheit des Finanzierungssystems

ÖPNV bemisst sich maßgeblich an der Fähig-

keit, zukünftige Bedarfe absichern zu können.

Die Kombination aus Daueraufgaben im Be-

stand (auskömmliche Refinanzierung der Er-

satzinvestitionen) und neuen Akzentsetzun-

gen hat zur Folge, dass die Investitionspolitik

des Landes im ÖPNV drei zusätzliche Heraus-

forderungen bis 2025/2030 zu bewältigen hat:

Reaktion auf wachsende Nachfrage: In

den Ballungszentren Dresden, Leipzig

und Chemnitz geht die prognostizierte

Bevölkerungsentwicklung mit einer be-

reits heute erkennbaren Nachfragestei-

gerung einher, die für das Jahr 2025 ne-

ben dem Ersatzinvest zusätzliche Investi-

tionsbedarfe von ca. 48 Mio. EUR nach

sich zieht. Erforderlich sind neue und zu-

sätzliche Fahrzeuge, um Taktverdichtun-

gen und Kapazitätserhöhungen umsetzen

zu können. Auch einzelne Infrastruk-

turanpassungen sind notwendig.

Werden ambitioniertere Konzepte ver-

folgt, die den Marktanteil des ÖPNV sig-

nifikant auszuweiten suchen („Wachs-

tumsszenario“), werden weitere ca. 43

Mio. EUR benötigt. Ohne Streckenaus-

bauten und Flottenerweiterungen im

größeren Umfang, die in etwa ab 2025

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Seite 156 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

greifen müssen, lassen sich derartige Zie-

le nicht erreichen. Andernfalls würde der

ÖPNV die Chance verspielen, in Spitzen-

zeiten oder bestimmten Aufkommens-

schwerpunkten zusätzliche Fahrgäste zu

gewinnen. Für größere Projekte sind wei-

terhin die Möglichkeiten des GVFG-

Bundesprogramms zu nutzen. Dadurch

lassen sich (geplante) Landesmittel sub-

stituieren oder der Investitionstopf in

Summe anheben.

In etwas abgeschwächter Form stehen

auch in den anderen Oberzentren des

Freistaates (speziell den Straßenbahn-

städten Görlitz, Plauen und Zwickau) Er-

weiterungsinvestitionen an, um den zu-

künftigen ÖPNV zu gestalten (ca. 7 Mio.

in 2025). Vor dem Hintergrund aktueller

Diskussionen um mögliche Fahrverbote

für Pkw (zur Verbesserung der Luftquali-

tät) in den Städten ist ein leistungsfähiger

ÖPNV Grundvoraussetzung, um den Um-

stieg zu fördern.

Im ländlichen Raum ist die Aufgabenstel-

lung eine andere: Dort muss keine ver-

lässlich zunehmende Nachfrage „ledig-

lich“ abgeholt werden, sondern hier bie-

tet eine dosierte angebotsorientierte Po-

litik möglicherweise die Chance, den Fol-

gen der demographischen Entwicklung

entgegenzuwirken bzw. neue Nut-

zer(gruppen) zu erschließen. Soll der

ÖPNV auch im ländlichen Raum zukünftig

eine Nutzungsoption anstelle des MIV für

die Bürger sein, muss das Angebot (z.B.

„On-Demand“-Verkehre) sehr wahr-

scheinlich anders als derzeit organisiert,

ggf. auch flexibilisiert werden. Hier lässt

der Treiber „Digitalisierung“ hoffen, dass

im Vertrieb, bei der Angebotsplanung

und der (betrieblichen) Arbeitsteilung

zwischen ÖPNV und MIV Spielräume ent-

stehen, um Verkehre effizienter zu pro-

duzieren und für die (aus demographi-

schen Gründen ggf. abnehmende Zahl

der) Nutzer einfacher zugänglich zu ma-

chen. Dies setzt voraus, in Modell- und

Pilotvorhaben mit einer Anschubförde-

rung zu investieren, da sie für die Ver-

kehrsunternehmen zumindest zu Beginn

nicht (eigen)wirtschaftlich fahrbar sein

werden.

Mit der Vorgabe des bundesdeutschen

Gesetzgebers im PBefG, die vollständige

Barrierefreiheit im ÖPNV bis zum 1. Ja-

nuar 2022 umzusetzen, ist Ländern,

Kommunen und Verkehrsunternehmen

eine weitere investive Mammutaufgabe

auferlegt worden. Abgesehen von den

gesetzlichen Restriktionen ist ein barrie-

refreier ÖPNV essentiell für einen attrak-

tiven ÖPNV, weil schätzungsweise 20%

der Bevölkerung dauerhaft oder zeitwei-

se mobilitätseingeschränkt sind. Sollen

diese Nutzer nicht ausgeschlossen wer-

den, muss ihnen einen einfacher Zugang

und eine sichere Nutzung des Nahver-

kehrs ermöglicht werden. Auf der Basis

der gesetzlich zulässigen Ausnahmetat-

bestände und unter Berücksichtigung

pragmatischer Anforderungen der Be-

troffenenverbände sowie der Vorlaufzei-

ten bei Planung und Bau hat die Arbeits-

gruppe Infrastruktur und Fahrzeuge ei-

nen Umrüstgrad der Haltestellen bis

2030 definiert und mit Kosten hinterlegt.

Diese beläuft sich auf rund 29 Mio. EUR

p.a., ohne Umrüstungen im Rahmen des

laufenden Re-Invests von Haltestellen

und Fahrzeugen.

Aus der Vielzahl der Bedarfsanmeldungen und

der Größenordnung der resultierenden Mit-

telhöhe leitet sich das Erfordernis für den

Freistaat ab, eine abgestimmte Investitions-

strategie bis 2030 zu entwickeln. Die in der

Vergangenheit gelebte Praxis, im Zweifel je-

den förderfähigen Antrag dank einer guten

Ausstattung des Landesinvestitionsprogramms

bewilligen zu können, wird in der Zukunft mit

hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr tragfähig

sein. Stattdessen sind materielle wie zeitliche

Priorisierungen unausweichlich, auch wenn

die Ausweitung des Etats das vorgeschaltete

Ziel sein muss.

Innerhalb des LIP ist künftig der Spagat zu

leisten, einerseits für wichtige Themenblöcke

wie Ersatzinvest, Wachstumsinvestitionen

oder den ländlichen Raum eine hinreichende

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 157 von 178

Planungssicherheit über mindestens eine De-

kade zu schaffen, ohne aber sich flexible

Handlungsoptionen in Gänze zu verschließen.

So ist derzeit nicht abschätzbar, welche Ent-

wicklungen in den Bereichen innovative Bus-

antriebe (mit/ohne spezielle Ladeinfrastruk-

tur) oder autonomes Fahren auf der Straße in

den nächsten 10 bis 15 Jahren zusätzliche

öffentliche Investitionen erfordern.

Instrumentell ist im kommenden Jahr – auf-

setzend auf den Vorarbeiten der Arbeitsgrup-

pe Finanzierung – zu prüfen, ob die Fördersys-

teme zu den künftigen Anforderungen noch

passfähig sind bzw. wie sie modifiziert werden

können. Auch organisatorisch können Anpas-

sungen sinnvoll sein, z.B. bei der Arbeitstei-

lung der Mittelbewilligung und -kontrolle zwi-

schen Land (LASuV) und den Zweckverbänden

in Abhängigkeit von der Investitionshöhe und

der Art des Vorhabens.

These 5b: Landesweites Buskonzept

Die Arbeitsgruppe Angebotsentwicklung hat

ein landesweites ÖPNV-Grundnetz erarbeitet,

das die Erreichbarkeit eines erheblichen Teils

der sächsischen Bevölkerung deutlich verbes-

sern soll. Zentraler Stellhebel ist die Schaffung

einer Dachmarke für landesbedeutsame Bus-

verkehre. Im Ergebnis resultiert allein für das

PlusBus-Netz eine Angebotsausweitung im

ÖSPV bis 2025 in Höhe von 17,27 Mio. zusätz-

lichen Fahrplan-km, die einen konsumtiven

Mehrbedarf von 30,2 Mio. EUR verursacht

(Bestellerentgelt inkl. konsumtiv umgerechne-

ter Investitionen).

Für eine mögliche Umsetzung des landeswei-

ten Bus-Konzeptes, das aus mehreren Bau-

steinen besteht, stellt sich v.a. die Frage, wo

die Verantwortlichkeiten (Aufgabenträger-

schaft) verortet werden und wie die Finanzie-

rung instrumentell gestrickt wird. Dabei soll

die (operative) Aufgabenverantwortung auf

der kommunalen Ebene bleiben, die zu ent-

scheiden hat, ob sie von den Gebietskörper-

schaften selbst oder aber ihren Zweckverbän-

den wahrgenommen werden soll.

Bei der Ausgestaltung der Finanzierung des

PlusBus-Konzeptes – das aufgrund seiner Lan-

desbedeutsamkeit im Vordergrund steht –

wird von einer Mischfinanzierung ausgegan-

gen. Ein solches Konstrukt trägt der Tatsache

Rechnung, dass der Nutzen für die Fahrgäste

und die Nutznießer zu einem bestimmten Teil

auf der kommunalen Ebene anfällt, das Land

aber ein gesteigertes Interesse daran hat,

einen einheitlichen Standard zu etablieren

und eine landesweite Verbesserung der Er-

reichbarkeit herzustellen. Die genaue Vertei-

lung der Finanzierungsanteile muss zwischen

den Beteiligten verhandelt werden.

Da keine der bisherigen drei Säulen des Lan-

des zur Finanzierung des ÖPNV ideal zur Fi-

nanzierung des (Plus)Bus-Konzeptes passt, ist

aus finanzarchitektonischer Sicht entweder

ein Kompromiss einzugehen oder aber eine

weitere, vierte Säule zu gründen. Die Arbeits-

gruppe Finanzierung tendiert zu der Auffas-

sung, dass sich die ÖPNVFinVO am ehesten als

Regelungsinstrument eignet. Zwar ist diese

überwiegend konsumtiv zugunsten des SPNV

angelegt, sieht als Adressaten die Zweckver-

bände vor und ist – zumindest bisher – als

Budgetmodell konzipiert. Diese Eigenschaften

sind aber kein K.O.-Kriterium, weil der SPNV

im RegG nur „insbesondere“ als Verwen-

dungszweck genannt wird, die operative wie

finanzielle Einschaltung der Zweckverbände

ohnehin naheliegend ist und ein Teil der Mit-

tel auch nach anderen Kriterien ausgereicht

werden könnte. Der große Vorteil der

ÖPNVFinVO ist in ihrer (relativen) Langfristig-

keit zu sehen, dessen Planungssicherheit auf

alle Beteiligten der Mischfinanzierung abfärbt.

Sofern die Landkreise Aufgabenträger für die

PlusBus-Verkehre sind bzw. bleiben, muss die

Weiterreichung anteiliger Mittel von den

Zweckverbänden geregelt werden. Dies wird

der nachfolgenden Finanzierungsausgestal-

tung unterstellt.

Hinsichtlich der instrumentellen Feinkonzepti-

on sind zwei Modelle mit unterschiedlichen

Varianten der Anreizsetzung möglich:

„Zuschussmodell“: Der Freistaat fördert

anteilig die (zusätzlichen) Aufwendungen,

die im Zusammenhang mit der Etablie-

rung des landesweiten PlusBus-Netzes

entstehen. Der Zuschuss an den zustän-

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Seite 158 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

digen kommunalen Aufgabenträger kann

entweder ein Festbetrag oder eine pro-

zentuale Beteiligung an den Betriebs-

mehrkosten sein. Im Folgenden gehen

wir von der erstgenannten Variante aus,

da diese gerade in der Phase des Aufbaus

eine anreizkonformer Lösung darstellt

und einen geringeren bürokratischen

Mehraufwand erzeugt. Ausgehend von

einem vorab definierten Zuschuss des

Freistaats je Fahrplan-km trägt die Kom-

mune den entstehenden Saldo aus Ge-

samtkosten abzüglich Zuschuss und Fahr-

gelderlösen.

Auf dem Zuschussmodell aufbauend

können Anreize, Prämissen bzw. die Ver-

teilung von Zuwendungen gestaltet wer-

den. Hierbei sind verschiedene Unterva-

rianten denkbar:

- Abgrenzung Bestandsverkehre: Für

Sachsen ist zu empfehlen, dass das

PlusBus-Zielnetz sowie das Delta zu

den Bestandsverkehren vorab klar de-

finiert werden. Somit wird verhindert,

dass kommunale Eigenmittel substitu-

iert werden. Um das Abgrenzungs-

problem zwischen Bestandsverkehren

in finanzieller Verantwortung der

Kommunen und Neuverkehren unter

finanzieller Beteiligung des Freistaats

zu umgehen, scheint es ratsam, grund-

sätzlich mit Durchschnittskosten zu ar-

beiten, unabhängig davon ob z.B. ein

zusätzlicher Bus einkalkuliert werden

muss oder nicht. Details sind in einer

Förderrichtlinie festzulegen.

- Sprinterprämie: Denkbar ist zudem,

dass eine schnelle/spürbare Angebots-

verbesserung in Richtung des PlusBus-

Zielnetzes eine politische Zielsetzung

ist. In diesem Fall könnten den kom-

munalen Aufgabenträgern im Zu-

schussmodell Anreize gesetzt werden,

rasch die Umsetzung voranzutreiben

(etwa über zeitlich gestaffelte Förders-

ätze).

„Budgetmodell“: Alternativ können Bud-

gets pauschal den PlusBus-

Aufgabenträgern zugewiesen werden. Al-

lerdings wäre aus Landessicht sicherzu-

stellen, dass die Mittel zweckgebunden

zur Einführung von neuen PlusBus-Linien

eingesetzt werden und die Kofinanzie-

rung durch die Kommunen ergänzend ge-

leistet wird. Um Anreize zu setzen, wäre

die Einführung eines geschlossenen (ho-

rizontalen) Schlüssels oder einer ander-

weitigen Erfolgskontrolle zu erwägen.

Diese hat allerdings nur Sinn, wenn eine

mehrjährige Anlaufphase vorgeschaltet

wird. Das Budget ließe sich als Aufsto-

ckung der ÖPNVFinVO vergleichsweise

einfach an die Zweckverbände ausrei-

chen. Der zweckgebundene Mitteleinsatz

könnte über standardisierte Verfahren

(analog Berichtspflichten nach VO 1370)

nachgewiesen werden.

Da beide Modelle Vor- und Nachteile haben

und ihre Merkmale zudem kombiniert werden

können, sieht die Arbeitsgruppe Finanzierung

weiteren Prüfbedarf, auch im Hinblick auf die

möglichst schnelle Umsetzbarkeit auf der Zeit-

schiene. Für die Einschwungphase verspricht

das Zuschussmodell auf Festbetragsbasis –

ggf. mit einer Sprinterprämie – die höchste

Wirksamkeit, weil der administrative Vorlauf

am geringsten auszufallen scheint. Allerdings

ist hierbei entscheidend, den Festbetrag des

Landes so zu bemessen, dass er den Anwen-

dungsfall im Durchschnitt repräsentativ abbil-

det und für die kommunale Ebene hinreichend

attraktiv ist. Der Vorteil der Belohnung jeder

Maßnahme geht möglicherweise mit dem

Nachteil einher, die ersten Schritte der Einfüh-

rung ungleich über das Land verteilt zu sehen

(was allerdings bei grundsätzlich unterschied-

licher Bereitschaft der Akteure sich auch im

Budgetmodell so entwickeln könnte)

Nach einer Testphase und bei höherem Um-

setzungsgrad des Zielnetzes könnte man wo-

möglich zu einem Budgetmodell mit Anreiz-

elementen umschwenken.

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 159 von 178

These 5c: Finanzierung des Ausbildungs-verkehrs

Seit 1977 regelt § 45a Personenbeförderungs-

gesetz (PBefG) den Ausgleich an Unternehmen

für Mindereinnahmen aus der Beförderung

von Personen mit Zeitfahrausweisen des Aus-

bildungsverkehrs. Dieser Ausgleich wird im

Allgemeinen als Preis-Kosten-Ausgleich ver-

standen und ist in der Fachwelt umstritten,

weil nach pauschaliertem Verfahren zu be-

stimmende (Soll-)Kosten zugrunde gelegt

werden und eventuelle Effizienzgewinne bei

der Organisation der Schülerverkehre unbe-

rücksichtigt bleiben. Daher hat Sachsen wie

andere Bundesländer von der Möglichkeit des

§64a PBefG Gebrauch gemacht, eine abwei-

chende landesgesetzliche Regelung zu treffen.

Im ÖPNVFinAusG regelt der Landesgesetzge-

ber nunmehr insbesondere den Gesamtum-

fang der Ausgleichsmittel und deren Vertei-

lung zur Unterstützung der Aufgabenträger.

Diese legen gemäß § 1 Abs. 2 „in eigener Zu-

ständigkeit die Voraussetzungen für die Aus-

zahlung der Mittel an die Verkehrsunterneh-

men nach Maßgabe der Zweckbindung nach

Abs. 1“ fest. Hierdurch kann es zu abweichen-

den Mittelverteilungsverfahren kommen, die

sich in unterschiedlicher Form an den bisheri-

gen Vorgaben zum Ausgleichsverfahren nach

§45a PBefG orientieren.

Seit der Novellierung des ÖPNVFinAusG 2012

werden die Mittel an die Landkreise, Kreis-

freien Städte und Großen Kreisstädte als Auf-

gabenträger (entsprechend § 2 Abs. 5

ÖPNVFinAusG i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 3 ÖPNVG)

in zwei Töpfe aufgeteilt, deren Volumen in

etwa gleich groß ist:

Grundbetrag (Topf 1): Fixierte Anteile

zwischen Kreisen und Kreisfreien Städten

als Aufgabenträger; historischer Zuwei-

sungsschlüssel

Weitere Mittel (Topf 2):

- Stufe 1: Dynamischer Verteilungs-

schlüssel für Landkreise und Kreisfreie

Städte entsprechend „Anteil Fläche“

(Gewichtung: 30%) und „Anteil Schü-

ler“ (70%).

- Stufe 2: Verteilung der in Stufe 1 für

die Landkreise ermittelten Summen

entsprechend „Anteil an Schülern“

(Gewichtung: 50%) und „Abweichung

Fläche/Schüler“ (50%).

Die Mittel an die Großen Kreisstädte werden

entsprechend § 2 Abs. 5 ÖPNVFinAusG i. V. m.

§ 3 Abs. 1 S. 3 ÖPNVG nach prozentualen Be-

trägen verteilt. Das Gesamtvolumen für 2017

und 2018 wird im Vergleich zum Vorjahr je-

weils um 1,8% angehoben. Anpassungen ab

2019 sind gesetzlich noch nicht verankert,

werden aber in der mittelfristigen Finanzpla-

nung des Landes zur Absicherung der Dynami-

sierung ebenfalls mit 1,8% p.a. unterstellt.

Die Ablösung des Sollkosten-Ansatzes, der

Einbau eines dynamischen Schlüssels sowie

die Absicht einer regelmäßigen Dynamisierung

der Mittel sind positiv zu werten. Allerdings

wirft der Schlüssel methodisch die Frage auf,

ob er hinreichend ausgereift ist. So sind weder

die Fläche noch die Anzahl der Schüler (und

Hochschüler) für die ÖPNV-relevanten Verwal-

tungseinheiten der Kreise/Städte beeinfluss-

bar. Dies gilt in beide Richtungen, da ein Ein-

frieren eines Schlüssels bei erheblichen Ände-

rungen der Schülerzahlen und Reiseweiten

sowohl bei Weg- als auch starkem Zuzug kri-

tisch werden kann. Die Verteilung in Schritt 1

begünstigt die Städte mit vielen (Hoch-, Be-

triebs- und allgemeinbildenden) Schülern. Im

Zuge der zunehmenden Bevölkerungswande-

rung in die Ballungsräume sind vor allem die

Zuweisungen an die Landkreise tendenziell

rückläufig, so dass der Anteil der an die Land-

kreise ausgekehrten Grundbeträge zukünftig

sinken wird – bei tendenziell steigenden Kos-

ten.

Noch schwerer wiegt allerdings das Grund-

problem, bisher kein (geeignetes) Messverfah-

ren vorzuhalten, das die Systemkosten des

Ausbildungsverkehrs landesweit erfasst und

zu bestimmen sucht. Es ist umstritten, ob das

derzeitige Mittelniveau zum Ausgleich für

vergünstigte Schülerverkehrstarife ausrei-

chend ist. Unbestritten ist hingegen die stetige

Kostensteigerung im Schülerverkehr, insbe-

sondere bei heterogener Entwicklung in den

Ballungsräumen und in der Fläche, die letztlich

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Seite 160 von 178 Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage

auch auf die Differenz zwischen Regel- und

Ermäßigungstarif durchschlägt.

Die Arbeitsgruppe Finanzierung empfiehlt,

hier nachzubessern und im ersten Schritt ei-

nen regelmäßigen Prüfmechanismus (Revisi-

on) zur Bewertung der Finanzlage im System

Ausbildungsverkehr einzuführen. In einem

zweiten Schritt sollte – insbesondere bei Er-

kennen einer dauerhaften Kostenunterde-

ckung – darüber nachgedacht werden, wie der

Ausbildungsverkehr als Gesamtsystem künftig

zukunftssicher finanziert werden kann. Dies

bedeutet auch, neue Finanzierungswege jen-

seits der heutigen Instrumente und ihrer Me-

chanik in Erwägung zu ziehen. Neuregelungen

sollten mit dem Anreiz verknüpft werden, den

Schülerverkehr so weit wie möglich in den

Jedermannverkehr (Linienverkehr) zu integrie-

ren.

These 5d: Digitaler Wandel

Die Digitalisierung hat den ÖPNV wie nahezu

alle Gesellschaftsbereiche voll erfasst und

wird diesen Markt in den kommenden 20 Jah-

ren weiter erheblich verändern. Welche neu-

en Geschäftsmodelle sich wann und wo in

welcher Geschwindigkeit durchsetzen („öf-

fentliche Mobilität wird individualisiert“ –

„individuelle Mobilität wird öffentlich“), ist

anno 2017 kaum beurteilbar.

Aus diesem Grund wurde in der Strategie-

kommission entschieden, die Auswirkungen

und Entwicklungstendenzen der Digitalisie-

rung in einer separaten Studie ausführlich

untersuchen zu lassen. Die Wirkungsanalyse

nimmt die Handlungsfelder Betrieb, Infra-

struktur, Fahrzeug und Kunde und deren

Wechselwirkungen unter die Lupe. Unter den

Entwicklungstendenzen wird ein Ausblick ge-

wagt, welcher Trend eher einer Mode ent-

springt und welche anderen Neuerungen Be-

stand zu haben scheinen. Zudem wird geprüft,

worauf sich die wichtigsten Marktteilnehmer

einstellen sollten.

Aus der Sicht der öffentlichen Hand liegt die

fiskalische Herausforderung darin, die Förder-

systeme so zu flexibilisieren, dass auch neue

Formen der Mobilität erprobt werden können,

die quer zu den bisherigen Zuständigkeiten

und Denkmustern liegen. Hierfür sollten auch

Mittel aus anderen Ressorts und Programmen

zusätzlich aktiv eingeworben werden. Zudem

muss entschieden werden, wann der richtige

Zeitpunkt des Umsteuerns in der Förderpolitik

gekommen sein könnte und wie eine Mindest-

flexibilität trotz langfristiger Bindungen ge-

wahrt wird.

These 6: Hebung von Effizienzreserven

Effizientes Handeln wird in der Regel mit dem

Gedanken verknüpft, gemäß dem Verursa-

cher- und Äquivalenzprinzip die Ausgaben-,

Aufgaben- und Einnahmenverantwortung

möglichst deckungsgleich auf der gleichen

Akteursebene zu bündeln. Dies sollte subsidiär

dort geschehen, wo die beste Quersumme aus

Kompetenz und Motivation zu vermuten ist.

Im ÖPNV wird diese Erfolgsformel systema-

tisch verletzt, indem viele Beteiligte am Be-

und Erstellungsprozess mitwirken und die

Finanzierung auf viele Schultern verteilt ist

(„Spaghetti-Finanzierung“). Aufgrund dieser

historisch gewachsenen Verästelungen sind

grundlegende Verbesserungen nur möglich,

wenn die Bund-Länder-Finanzbeziehungen im

ÖPNV systematisch neu geordnet werden.

Darunter sind auf Landesebene nur graduelle

Fortschritte zu erzielen.

Hiervon unbenommen sieht die Arbeitsgruppe

Finanzierung es als Daueraufgabe an, im Ta-

gesgeschäft nach Effizienzreserven im Kleinen

Ausschau zu halten und diese durch sinnvolle

finanzarchitektonische Weichenstellungen

auszuschöpfen. Spielräume könnten sich z.B.

eröffnen durch

Anreizsetzungen im Hinblick auf die Ent-

wicklungsziele für SPNV-Strecken und für

das neue Buskonzept,

die Einführung einer Bagatellgrenze im

LIP (Verschiebung der Mittel und Investi-

tionsverantwortung für kleinere Projekte

in Richtung der Zweckverbände),

die stärkere Erfolgskontrolle der Förder-

programme,

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 161 von 178

Pauschalierungen der Finanzierungs-

ströme, um den Adressaten größere

Spielräume zu eröffnen

These 7: Nutzerfinanzierung

Die Fahrgelderlöse sind eine zentrale Säule

der ÖPNV-Finanzierung. Sie ergeben sich aus

dem Produkt der nachgefragten Menge an

Fahrten bzw. Personenkilometern mit den

hierfür entrichteten Tarifen.

Abb. 3: Anteil der Nutzerfinanzierung 2014 im Länder-vergleich

Wie der Ländervergleich zeigt, liegt in Sachsen

der durch die Fahrgäste getragene Anteil an

den Gesamtkosten des ÖPNV bei 30,9% (gel-

ber Balken). Den Rest steuern Finanzmittel aus

öffentlichen Haushalten bei. Im Vergleich mit

den vier Referenzländern liegt dieser Wert im

Mittelfeld.

Der Nutzerfinanzierungsanteil differiert im

Freistaat Sachsen jedoch zwischen den Ver-

kehrssegmenten. Während der ÖSPV dank der

Ballungsräume im Vergleich einen hohen An-

teil ausweist (43,3%, hellgrüne Markierung),

liegt der von den Fahrgästen getragene Kos-

tenanteil im SPNV mit 26,4% (dunkelgrüne

Markierung) deutlich unter den meisten Ver-

gleichsländern und dem bundesweiten Durch-

schnitt von gut 40%.

Abb. 4: Auslastung im SPNV 2014 im Ländervergleich

Die wesentliche Ursache hierfür liegt in der

unterdurchschnittlichen Auslastung der Züge –

nicht in der Höhe der Ticketpreise. Sachsen

fällt mit durchschnittlich 41,6 Fahrgästen in

dieser Kategorie hinter den Vergleichsländern

zurück. Dabei weisen nicht nur die Strecken in

Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte

eine zu geringe Nachfrage auf; auch Regional-

expressangebote zwischen den drei Ballungs-

räumen offenbaren noch Entwicklungspoten-

zial.

Zielsetzung muss daher sein, die Auslastung

auf allen SPNV-Strecken zu erhöhen. Hierfür

können verschiedene Maßnahmen ergriffen

werden, wie die Konzepte der Arbeitsgruppen

Angebotsentwicklung bzw. Tarif und Vertrieb

zeigen. Als Entscheidungsgrundlage wird emp-

fohlen, sachsenweit die Auslastung im SPNV

zu evaluieren und künftig Entwicklungsziele

für die Fahrgastnachfrage von Linien, z.B. in

Verkehrsanteilen (Modal Split), zu formulie-

ren.

These 8: Nutznießerfinanzierung

Vor dem Hintergrund des in These 4 festge-

stellten Bedarfs an zusätzlichen Mitteln bei

hohem Anspannungsgrad der konventionellen

Finanzierungsquellen erscheint es sinnvoll,

ergebnisoffen zu prüfen, inwieweit ergänzen-

de Finanzierungsinstrumente etabliert werden

können. Eine Möglichkeit kann die Einbindung

von Akteuren sein, die (noch) keine direkten

Nutzer des ÖPNV sind, von seinem Options-

nutzen wie z.B. der Erschließungswirkung aber

hinreichend belegbar profitieren. Dies kann

zum Beispiel für nah am ÖPNV lebende Ein-

wohner oder Grundstückseigentümer gelten.

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Ebenso können Unternehmen oder Touristen

Nutznießer eines ÖPNV-Angebotes sein.

Im Regelfall impliziert diese Form der Mittel-

aufbringung beitragsgestützte Finanzierungen.

Das Beitragsrecht stellt bestimmte Anforde-

rungen an die Erhebung von Beiträgen. Hierzu

gehören die genaue Definition der Beitrags-

zahler, die Bestimmung eines Sondervorteils

für die Beitragsleistung sowie der Kostenbe-

zug der Beitragskalkulation. Beiträge dürfen

nicht zur allgemeinen Finanzierung des ÖPNV

herangezogen werden, sondern müssen im-

mer auf einer Gegenleistung für den Beitrags-

zahler beruhen.

Bisher sind – mit Ausnahme der ÖPNV-Taxe –

im Kommunalen Abgabengesetz (KAG) die

gesetzlichen Möglichkeiten für Beitragsmodel-

le im ÖPNV noch nicht vorhanden. Der Frei-

staat sollte dies anpassen und grundsätzlich

einen Spielraum bei der Instrumentenauswahl

schaffen. Die Entscheidung über die Einfüh-

rung entsprechender Instrumente und deren

Ausgestaltung ist von den kommunalen Akt-

euren zu treffen. Diese sollten hierfür in den

offenen Dialog mit den Bürgern treten und Für

und Wider der Instrumente abwägen. Dabei

kann die Diskussion über Ziele und Umfang

des ÖPNV-Angebotes mit der Beitragsdiskus-

sion in einen fühlbaren Zusammenhang ge-

bracht werden. Gelingt es den Kommunen, die

Vorteile des ÖPNV-Systems unter Einbezie-

hung einer Nutznießerfinanzierung herauszu-

stellen, lässt sich ein Mindestmaß an Akzep-

tanz erzielen.

Die Einführung einer Nutznießerfinanzierung

sollte in keinem Fall die bestehende öffentli-

che Finanzierung hinsichtlich ihrer Quellen

und des Mittelniveaus ersetzen, sondern sie

auf eine breitere Basis stellen, z.B. für Ange-

botsverbesserungen.

These 9: Reformansätze im Ausbildungs-verkehr

In These 5c wurde darauf hingewiesen, dass

die Kosten für das System Ausbildungsverkehr

seit geraumer Zeit beständig zunehmen, ohne

dass sie derzeit regelmäßig und valide einge-

schätzt werden können. Die Ursachen dieser

Entwicklung sind komplex. Systemimmanente

Kostensteigerungen ergeben sich aus der re-

gulären Entwicklung der Produktionskosten im

ÖPNV, z.B. beim Energiebezug oder den Per-

sonalkosten. Wird aber bei der Umlaufpla-

nung nicht optimiert, fällt die Ursachenfor-

schung innerhalb des ÖV-System schon deut-

lich schwerer. Theoretisch liegt die effiziente

Leistungserstellung zwar im Eigeninteresse

der beteiligten Akteure, doch finden sich im-

mer wieder Gegenbeispiele (z.B. „historische“

Umlaufplanung).

Überlagert werden diese Faktoren durch eine

Vielzahl ÖPNV-ferner Entscheidungsebenen,

die bildungspolitische Aufgaben (z.B. Schul-

netzplanung, freie Schulwahl) oder sozialpoli-

tische Aspekte (Ganztagsbetreuung) in den

Mittelpunkt stellen. Jede dieser Entscheidun-

gen hinterlässt Anforderungen an den ÖPNV,

insbesondere die Umlaufplanung in räumli-

cher und zeitlicher Hinsicht (z.B. entfallene

Bündelungswirkung oder ineffizienter Fahr-

zeugeinsatz durch unabgestimmte Schulan-

fangszeiten).

Verschärfend wirken die Konsequenzen aus

der bildungspolitischen Entscheidung zur In-

klusion auf die Beförderungskosten. Nunmehr

müssen Schüler, die aus unterschiedlichen

Gründen nicht im regulären Schülerverkehr

oder ÖPNV befördert werden können, zu-

nehmend individuell befördert werden. Da die

Inklusion jedoch eine freiwillige Entscheidung

der Eltern bleibt, werden die zusätzlichen

Beförderungen zu den Standorten der regulä-

ren Schulen nicht durch eine proportionale

Abnahme von Schülerverkehren zu Förder-

schulen kompensiert. Die ökonomischen Fol-

gen dieser Entscheidungen belasten allein den

ÖPNV und die ihn tragenden Akteure.

Eine besondere Komplexität ergibt sich

dadurch, dass die verschiedenen Politikziele

für eine dauerhafte Lösung gleichgewichtig

betrachtet werden müssen. Dies verkompli-

ziert die Entscheidungsfindung. Nicht förder-

lich ist dabei, dass mit der Novellierung des

Schulgesetzes eine langjährige politische De-

batte erst kürzlich im Sächsischen Landtag zu

Ende gebracht wurde und eine ggf. notwendi-

ge Revision des Gesetzes nun frühestens mit-

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Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission Sachsen – Anlage Seite 163 von 178

telfristig realistisch erscheint. Allerdings muss

eine Strategiekommission den Anspruch ha-

ben, auch „dickere Bretter zu bohren“.

Daher wird nur eine Verbesserung in Schritten

möglich sein mit dem Ziel, einerseits langfris-

tig Sensibilitäten für die Auswirkungen auf den

ÖPNV zu entwickeln, andererseits Anreize zur

Optimierung der notwendigen Verkehre zu

setzen:

Notwendige Voraussetzung für Reformen

ist die Verfügbarkeit ausreichender In-

formationen. Dies bedeutet vor allem,

die Kostenentwicklung im Ausbildungs-

verkehr dauerhaft und transparent nach-

zuweisen. Aber auch andere Kennzahlen

sollten erfasst werden, wie die Überle-

gungen zum Bildungsticket gezeigt ha-

ben. Es ist essentiell, das Bewusstsein zu

schärfen, über welche Umwege die Ent-

scheidungen der Bildungspolitik Einfluss

auf die Kostenfunktion im ÖPNV haben.

Denkbar wäre es, den Aufbau der Daten-

kompetenz der in der Diskussion befind-

lichen Koordinierungsstelle zu übertra-

gen.

Zugleich wird empfohlen, die Erhebung

von Mobilitätsfolgekosten im Vorfeld po-

litischer Entscheidungen verpflichtend

vorzuschreiben. Ähnlich wie andere Prüf-

schritte sollten diese für Gesetzesvorha-

ben und Verwaltungsentscheidungen

verbindlich eingeführt werden. Dies wür-

de die Sensibilität in Entscheidungsgre-

mien für dieses Thema deutlich schärfen

und den „ökonomischen Fußabdruck“

von Entscheidungen (Preisschild) auch

außerhalb des ÖPNV sichtbar machen.

Die verkehrlichen Auswirkungen der Öff-

nung der Schulen im Rahmen der Inklusi-

on dürfen nicht den kommunalen Aufga-

benträgern überlassen bleiben. Hierzu

sind Lösungswege aufzuzeigen, wie die

Aufwendungen dieser bildungspolitisch

induzierten Zusatzverkehre verteilt wer-

den. Zugleich ist zu prüfen, ob der An-

spruch auf individuelle Beförderung re-

formiert werden sollte.

Darüber hinaus sollten Instrumente von

Politikbereiche übergreifenden Konzep-

ten geprüft werden. Darunter sind Maß-

nahmen zu verstehen, die übergreifende,

z.B. gleichermaßen bildungs- und ver-

kehrspolitische Zielsetzungen zum Ge-

genstand haben. Beispielsweise könnte

evaluiert werden, ob ein ganzheitliches

Bildungs- und sozialpolitisches Konzept

„Moderne Familie“ durch die Verqui-

ckung von Fördermitteln für die Ganzta-

gesbetreuung oder Sport- und Freizeit-

möglichkeiten in den Schulen mit den An-

forderungen an kostenminimierende

Mobilitätskonzepte möglich ist.

Die bereits in These 5c skizzierten Anrei-

ze zur effizienten Leistungserbringung

bleiben von den vorgeschlagenen Maß-

nahmen unberührt und müssen ungeach-

tet externer Lösungsansätze angegangen

werden.

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VI. Glossar

Begriff Definition

§ 45a-Mittel § 45a PBefG räumt den Verkehrsunternehmen, die im Linienverkehr Personen mit Zeitfahr-ausweisen des Ausbildungsverkehrs befördern, einen Rechtsanspruch auf einen Teilausgleich ein. Die „45a-Mittel“ stellen seit jeher eine wichtige Finanzierungssäule des ÖPNV dar.

Seit 2007 ermöglicht eine Öffnungsklausel (§ 64a PBefG, Ersetzung bundesrechtlicher Vor-schriften durch Landesrecht) den Ländern, die bundesgesetzliche Regelung durch eine eigene Länderregelung zu ersetzen. Im Freistaat Sachsen wurde mit dem ÖPNVFinAusG eine solche landesrechtliche Regelung eingeführt.

Achsen (Ent-wicklungs-, Haupt-)

Instrumente der Raumordnung, die durch eine Bündelung von Verkehrs- und Versorgungs-strängen (Bandinfrastruktur) und durch eine unterschiedlich dichte Folge von Siedlungskon-zentrationen gekennzeichnet sind.

Je nach Aufgabe und Ausprägung werden Verbindungsachsen und Entwicklungsachsen unter-schieden.

Überregional bedeutsame Verbindungs- und Entwicklungsachsen sind landesweit bedeuten-de Achsen, die die räumlichen Verflechtungen der sächsischen Verdichtungsräume und Ober-zentren mit den Oberzentren und Verdichtungsräumen benachbarter Länder und Staaten sowie die Einbindung in europäische Netze wiedergeben. Das Netz der überregionalen Ver-bindungs- und Entwicklungsachsen wird durch ein Netz regionaler Verbindungs- oder Ent-wicklungsachsen ergänzt.

Alternative Betreibermo-delle

Bezeichnung für eine von der Deutschen Bahn unabhängigen Bereitstellung von Eisen-bahninfrastruktur, z.B. durch landeseigene oder kommunale Träger.

Aufgaben-träger

Behörde zur rechtlichen Erfüllung der Aufgabenträgerschaft, d.h. Planung, Organisation und Ausgestaltung des ÖPNV (verantwortliche Behörde für die Gewährleistung einer ausreichen-den Verkehrsbedienung).

In Sachsen ist der ÖSPV freiwillige Aufgabe der Landkreise und Kreisfreien Städte und der Gemeinden, denen gemäß §3 Abs. 1 Satz 1 ÖPNVG-Sachsen die Aufgabe übertragen wurde. Die Aufgabenträgerschaft für den SPNV ist Juni 2002 den Zweckverbänden übertragen wor-den. Nach dem ÖPNVG-Sachsen besteht ein Kooperationsgebot für die Aufgabenträger des ÖPNV.

Die grundsätzliche Aufgabenträgerschaft im ÖPNV regelt das Regionalisierungsgesetz, weite-re Regelungen trifft das ÖPNVG-Sachsen. Danach ist "der Aufgabenträger oder das SMWA die zuständige Behörde für die Vereinbarung und Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verkehrs-leistungen im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69.“

Ausgleichs-mittel, -zahlungen

Leistungen aus öffentlichen Mitteln, die für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflich-tungen (auf Grundlage eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags oder im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vorschrift)auf vertraglicher Grundlage von zuständigen Behörden (Aufga-benträger, Bundesland) an Verkehrsunternehmen gezahlt werden, z.B. Ausgleichsleistungen in Form von Verkehrsverträgen oder für die ermäßigte bzw. kostenlose Schüler- und Schwer-behindertenbeförderung.

Ballungsraum, -zentren

Der Begriff Ballungsraum oder auch Ballungszentrum kennzeichnet eine aus mehreren, wech-selseitig verflochtenen Gemeinden bestehende Konzentration von Siedlungen, die durch eine hohe Siedlungsdichte und einen hohen Siedlungsflächenanteil gekennzeichnet ist.

In Sachsen wird der Begriff für die Ballungsräume Oberes Elbtal, den Großraum Chemnitz-Zwickau und die Region Leipzig/Halle verwendet und im Landesentwicklungsplan 2013 als Verdichtungsraum bezeichnet.

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Begriff Definition

Barrierefrei-heit

Uneingeschränkte Benutzbarkeit von Anlagen, Einrichtungen und Verkehrssystemen für Men-schen mit körperlichen Einschränkungen.

Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz, BGG) definiert in § 4 Barrierefreiheit wie folgt: „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anla-gen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbei-tung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein übli-chen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.“ Spezifische Regelungen des PBefG, der BOStrab und des AEG konkretisieren Vorgaben des BGG zur Barrierefreiheit.

Seit der Novellierung des PBefG zum 1.1.2013 sollen die Aufgabenträger in ihren Nahver-kehrs- bzw. Infrastrukturplanungen das Ziel berücksichtigen, bis zum 1.1.2022 eine vollstän-dige Barrierefreiheit im ÖPNV zu erreichen (§ 8 Abs. 3 PBefG).

Bedienfor-men, alterna-tiv, flexibel

Öffentliche Beförderungsangebote in Ergänzung oder zur Substitution klassischer ÖPNV-Linienverkehre. Unterschieden werden u.a.

- Flexible Bedienformen (On-Demand-Verkehre) z.T. ohne feststehende Linienführung, Fahrplan oder Haltestellen z.B. als Anrufbus, Anrufsammeltaxi etc. mit vorheriger An-meldung des Fahrtenwunsches

- Multifunktionale Systeme, z.B. gemeinsamer Güter- und Personenlinienverkehr, Mehr-fachnutzung von Personal, Fahrzeugen und Einrichtungen

- Private Mitnahme als organisatorisch und rechtlich abgesichertes Element des ÖPNV oder als kooperierende Ergänzung (z.B. Bürgerbus, System Uber, Clever-Shuttle Berlin)

- Bürgerbusse (ehrenamtliche Beförderung)

- Subjektfinanzierung (u.a. Taxigutscheine, Kfz-Verfügbarkeit)

Beihilfe EU-rechtlicher Begriff, der alle durch die öffentliche Hand ohne marktmäßige Gegenleistung gewährten Vorteile an Unternehmen oder Wirtschaftszweige umfasst.

Besteller Zuständige Behörden (in Deutschland meist der Aufgabenträger), die durch den Abschluss von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen an Ver-kehrsunternehmen vergeben.

Besteller-entgelte

Laufende Ausgleichszahlungen von Aufgabenträgern an Verkehrsunternehmen zum Ausgleich von Kosten oder einer Kostenunterdeckung in gemeinwirtschaftlichen Verkehrsverträgen oder Betrauungen.

Betriebsleit-system

System bzw. Einrichtung zur Sammlung und Aufbereitung von Verkehrs- und Betriebsdaten zur Steuerung des ÖPNV, zur Fahrgastinformation und zum Qualitätsmanagement.

Dachtarif Bei einem Dachtarif handelt es sich um einen von mehreren Verkehrsunternehmen oder Verkehrsverbünden gemeinsam angebotenen Zusatztarif. Mit dem Dachtarif ist es dem Fahr-gast möglich, Fahrten über die Einzel-Tarifgebiete hinaus im gesamten Geltungsbereich des Dachtarifs mit nur einem Ticket durchzuführen. Die bestehenden Tarife der beteiligten Un-ternehmen und Verbünde bleiben vom Dachtarif unberührt, das heißt für Fahrten innerhalb des jeweiligen Verbundes kann vom Fahrgast ebenso der jeweilige Haustarif genutzt werden.

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Begriff Definition

Daseinsvor-sorge

Verwaltungsrechtlicher Begriff, der die staatliche Aufgabe zur Bereitstellung der für ein menschliches Dasein als notwendig erachteten Güter und Leistungen umfasst. Für die Ver-kehrs(-infrastruktur-)planung ergibt sich daraus abgeleitet die Aufgabe, die flächenhafte Ver-sorgung mit lebensnotwendig eingestuften Gütern und Dienstleistungen zu sozial tragbaren Preisen und die Teilhabe der Menschen am Leben in einer Gesellschaft zu verträglichen Er-reichbarkeitsbedingungen zu gewährleisten.

Die Daseinsvorsorge ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und im gesellschaftlichen Wandel stetigen Veränderungen unterworfen. Art und Umfang der Daseinsvorsorge bedarf der politi-schen Interpretation. Für die Gewährleistung der Daseinsvorsorge steht der Staat bei zahlrei-chen Grundaufgaben in der Pflicht, ohne allerdings selbst Träger dieser Leistungen sein zu müssen. Für die öffentliche Hand kommt es lediglich darauf an, dass die betreffenden Leis-tungen auch tatsächlich erbracht werden.

Im Regionalisierungsgesetz wurde der ÖPNV als Aufgabe der Daseinsvorsorge gesetzlich ver-ankert. Das Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Freistaat Sachsen (ÖPNVG) geht auf den Begriff in § 2 Abs. 1 ein.

Deutschland-Takt

Initiative zur Einführung eines integralen Taktfahrplanes für den Schienenpersonenfern- und Nahverkehr in Deutschland.

Durchtarifie-rungsverlust

Im Verkehrsverbund kann ein Fahrgast für die Strecke von Start zum Ziel eine Fahrkarte kau-fen und dabei alle Verkehrsmittel innerhalb des Verkehrsverbundes in Anspruch nehmen. Ohne den Verbund müsste für jedes Verkehrsmittel ein eigenes Ticket erworben werden. Im Verbund ist es i.d.R. jedoch so, dass die Preise pro Kilometer für kurze Strecken wesentlich höher sind als für lange Strecken. Diese degressive Tarifgestaltung führt dazu, dass durch die Durchtarifierung über alle Verkehrsmittel hinweg, ein Verlust relativ zur steigenden Strecken-länge auftritt.

Eigenwirt-schaftliche Verkehrs-leistungen

Für den ÖSPV ist eigenwirtschaftlicher Verkehr öffentlicher Verkehr, welcher sich aus den Beförderungserlösen, Ausgleichsleistungen auf der Grundlage allgemeiner Vorschriften und sonstigen Unternehmenserträgen finanziert, die keine Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen sind.

Entflech-tungsgesetz, -mittel

Im Zuge der Föderalismusreform wurden die Regelungen des GVFG hinsichtlich der Länder-programme bis zum 31.12.2006 befristet und ab dem 1.1.2007 im Gesetz zur Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen (Entflechtungsgesetz, kurz EntflechtG) in ver-änderter Weise weitergeführt. Die Höhe der jährlichen Förderung (1,335 Mrd. EUR) für Inves-titionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse entspricht dabei den weggefallenen GVFG-Mitteln der Länderprogramme.

Nach dem Entflechtungsgesetz bekommen die Länder jährlich feste Beträge aus dem Bun-deshaushalt. Der sächsische Anteil beträgt ca. 87,7 Mio. EUR.

Bis 2013 sah das Entflechtungsgesetz eine Zweckbindung der Mittel für die ehemaligen Ge-meinschaftsaufgaben und Finanzhilfen vor, seitdem sind die Entflechtungsmittel für investive Ausgaben zu verwenden.

Mit der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wird das Entflechtungsgesetz im Jahr 2019 auslaufen. Die Länder erhalten u.a. hierfür einen höheren Anteil an den Umsatz-steuern.

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Begriff Definition

Erreichbarkeit Lagegunst und Ausstattung einer Raumeinheit, d.h. Anzahl von Gelegenheiten für „Aktivitä-ten“ (Daseinsgrundfunktionen wie Arbeiten, Einkaufen etc.), die von der Raumeinheit als Quelle mit Verkehrsmitteln zu Fuß, Fahrrad, ÖPNV und MIV innerhalb bestimmter Vorgaben (Reisezeit, Fahrtenhäufigkeit, Kosten ...) erreicht werden. Lagegunst und Erreichbarkeit wer-den damit nicht nur durch die Verkehrsverbindungen, sondern auch durch die Ausdünnung bzw. Erhöhung von Gelegenheiten in den Einzugsbereichen der Verkehrsmittel (im Rahmen der Nahmobilität in ihrer ökologischen Rangfolge) verändert.

Überwiegend ausgedrückt wird die Erreichbarkeit eines Zieles als Maß für dessen Lagegunst, definiert als Leichtigkeit, ein Ziel zu erreichen.

Ersatzinvesti-tionen

Bauliche oder technische Maßnahmen zur Sicherung der Leistungsfähigkeit eines Gegen-stands des Anlagevermögens durch Austausch von Komponenten oder des kompletten Ge-genstands.

Erschließung Gesamtheit der im öffentlichen und privaten Bereich zu treffenden Maßnahmen, die es er-möglichen, dass Grundstücke bestimmungsgemäß genutzt und an das öffentliche Verkehrs-, Ver- und Entsorgungsnetz angeschlossen werden können. Die gesicherte Erschließung ist die Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung. Das Erschließungsrecht, speziell das Baugesetzbuch (BauGB), fasst alle Rechtsvorschriften zusammengefasst, die sich mit der Erschließung von Grundstücken befassen. Zur Erschließung gehören danach im Wesentlichen die Anschlüsse an die Versorgungsleitungen und Abwasser, sowie der Zugang zur öffentlichen Straße (und noch nicht der ÖPNV).

Fahrerassis-tenzsysteme

Fahrerassistenzsysteme unterstützen den Fahrzeugführer bei den zum Führen des Fahrzeuges erforderlichen Tätigkeiten bis hin zur Übernahme dieser Tätigkeiten. Hauptziele des Einsatzes von FAS sind Erhöhung der Fahrsicherheit, Steigerung des Fahrkomforts und Verbesserung der Energieeffizienz.

Fahrzeit Zeitbedarf für die Durchführung einer Fahrt (< Reisezeit mit Vor- und Nachlauf). Die Fahrtzeit umfasst im öffentlichen Personenverkehr auch die Haltezeiten des Fahrzeuges an Zwischen-haltestellen. Sie ist durch den Fahrplan vorgegeben.

FlexBus Produkt des ÖSPV, vgl Tab. 5.

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Begriff Definition

Fördermittel im ÖPNV

Die ÖPNV-Investitionsförderung in Sachsen wird mit Hilfe von Förderrichtlinien geregelt. In den Förderrichtlinien sind der Förderzweck, die förderfähigen Investitionsprojekte, der Kreis der Förderberechtigten sowie weitere Bestimmungen und Voraussetzungen definiert. Die ÖPNV-Investitionsförderung speist sich aus Regionalisierungsmitteln und Entflechtungsmit-teln des Bundes, EFRE-Mitteln der EU sowie Eigenmitteln des Freistaates Sachsen. Teilweise müssen ggf. bereits veraltete Vorgaben der Mittelgeber Bund und EU in die sächsischen För-derrichtlinien übernommen werden.

Die Entwicklung des Investitionsprojekts liegt in der Verantwortung der Förderberechtigten. Sie können einen Antrag auf Fördermittelbewilligung bei den zuständigen Bewilligungsbehör-den – dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV) bzw. der Sächsischen Aufbaubank (SAB) – einreichen. Die zuständigen Stellen prüfen die Konformität des Förderprojekts mit den Förderrichtlinien und entscheiden über die Förderbewilligung. Die Förderberechtigten müssen anteilig Eigenmittel investieren. Nach Durchführung des Förderprojekts wird der Verwendungsnachweis geprüft, um die formal korrekte Mittelverwendung festzustellen.

Die Fördermittel werden im Wesentlichen auf der Grundlage von drei Förderrichtlinien aus-gereicht:

1. Richtlinie des SMWA über die Gewährung von Fördermitteln im öffentlichen Personen-nahverkehr (RL-ÖPNV)

2. Richtlinie des SMWA zur Förderung der Verkehrsinfrastruktur aus Mitteln des Europäi-schen Fonds für regionale Entwicklung (RL Verkehrsinfrastruktur)

3. VwV Investkraft, Budget Sachsen „Brücken in die Zukunft“

Ein Sonderfall ist die Richtlinie des SMWA über die Gewährung von Fördermitteln für Schmal-spurbahnen (RL-SSB).

Fortschrei-bungsszenario

Szenario zur Entwicklung des sächsischen ÖPNV, bei dem das bestehende Verkehrsangebot, abgesehen von der Umsetzung bereits fest eingeplanter Maßnahmen, weitgehend unverän-dert beibehalten wird.

freigestellter Verkehr, frei-gestellter Schülerver-kehr

Individuelle Beförderung eines Schülers (z.B. durch Taxiunternehmen) im Rahmen der not-wendigen Schülerbeförderung. Die individuelle Beförderung kann z.B. aufgrund einer Mobili-tätseinschränkung des Schülers oder eines im Linienverkehr nicht zumutbaren Schulwegs nötig sein.

Der freigestellte Verkehr wird nicht dem ÖPNV i.e.S. zugerechnet.

Gemeinwirt-schaftliche Verkehrsleis-tungen

Gemeinwirtschaftlich ist ein Angebot von Beförderungsleistungen, das für eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung im ÖPNV erforderlich ist und das nicht eigenwirtschaftlich er-bracht werden kann. Die Unternehmen sind also bei der Erbringung der Leistungen auf öf-fentliche Zuwendungen angewiesen. In der Regel lassen öffentliche Interessen (Sozialtarife, Taktverkehr, Erfordernis bestimmter Qualitätsstandards etc.) oder eine zu geringe Auslastung Verkehre zuschussbedürftig werden.

Grund-zentrum

Vgl. „Zentrale-Orte-System“

Haltestellen, -einzugs-bereich

Gemeindeklasse Bus/Straßenbahn SPNV

Oberzentrum 300 – 500 400 – 800

Mittelzentrum 300 – 500 400 – 800

Unterzentrum 400 – 600 600 – 1.000

Grundzentrum 500 – 700 800 – 1.200

Individual-verkehr (z.B. MIV)

Personenverkehr mit nicht allgemein zugänglichen Verkehrsmitteln (incl. zu Fuß gehen). Im Individualverkehr können Uhrzeit und Strecke vom Reisenden selbst gestaltet werden. Darun-ter fallen Fuß-, Fahrrad- und der motorisierte Individualverkehr (MIV) mit Pkw und Motorrad.

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Begriff Definition

Infrastruktur Infrastrukturen sind materielle Einrichtungen, Institutionen und personelle Ressourcen in einer Region, die die Grundlage für die Ausübung der menschlichen Grunddaseinsfunktionen (Wohnen, Arbeiten, Erholung, Verkehr, Kommunizieren usw.) bilden. Sie ermöglichen die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des betreffenden Raumes. Konkret handelt es sich z.B. um Ver- und Entsorgungseinrichtungen, Verkehrs- und Kommunikationsnetze, Einrich-tungen des Gesundheits- und Bildungswesens usw. Es sind im Wesentlichen Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Inklusion Gesellschaftlicher Prozess zur Befähigung der selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderungen in allen Lebensbereichen.

Integraler Taktfahrplan (ITF)

Fahrplanmodell, in dem Taktfahrpläne unterschiedlicher Bahn- und Buslinien integriert be-trachtet und so aufeinander abgestimmt werden, dass an Umsteigepunkten für die Mehrzahl der Fahrgäste möglichst kurze Übergangszeiten entstehen.

Intermodal Benutzung verschiedener Verkehrsmodi für die Etappen eines Weges bzw. einer Reise, z.B. öffentlicher Verkehr verbunden mit Fahrrad, Auto oder Taxi von der Quelle bis zum Ziel.

Kanten Wegstrecke zwischen zwei Knoten eines Verkehrsnetzes (z.B. Eisenbahnstrecke, Straßenab-schnitt).

Kieler Schlüssel

Umgangssprachlicher Begriff des Verteilungsschlüssels der Regionalisierungsmittel gemäß Beschluss der Verkehrsministerkonferenz vom 1./2. Oktober 2014 in Kiel.

Prämissen des Kieler Schlüssels waren a) eine bundesweite Gesamtmittelausstattung von 8,5 Mrd. EUR, b) eine jährliche Dynamisierung der Mittel um 2%, c) der Ausgleich der Kostenent-wicklung der Trassen- und Stationspreise durch den Bund und d) die jährliche Mindeststeige-rung der zum damaligen Zeitpunkt den Ländern zur Verfügung stehenden Mittel um 1,25%.

Der Großteil der Regionalisierungsmittel (8,0 von 8,2 Mrd. EUR in 2016) wird heute nach dem Kieler Schlüssel an die Länder verteilt.

Klimaschutz Klimaschutz ist der Sammelbegriff für Maßnahmen, die einer durch den Menschen verursach-ten globalen Erwärmung entgegenwirken und mögliche Folgen der globalen Erwärmung ab-mildern (Mitigation) oder sogar verhindern sollen.

Der Klimaschutz als Querschnittsaufgabe auf allen Planungsebenen bezieht sich auf zahlrei-che Handlungsfelder, z.B. die Förderung des ÖPNV, und ist auf das Zusammenwirken ver-schiedener Akteure mit unterschiedlichen Handlungs- und Einflussmöglichkeiten angewiesen.

Unbestritten ist, dass in Agglomerationen aufgrund der räumlichen Konzentration, der kom-plexen Strukturen und der hohen Nutzungsdichte ein Großteil klimarelevanter Emissionen von Treibhausgasen erzeugt wird. Im Unterschied zum ländlichen Raum bestehen dort die größten Einspar- und Effizienzpotenziale, pro Kopf sind die Werte in der Fläche allerdings deutlich ungünstiger.

Mit dem Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung und kommunalen Energie- und Klima-schutzkonzepten wird aufgezeigt, wo diese Potenziale liegen und welche Maßnahmen not-wendig sind, um sie umwelt- und sozialverträglich zu erschließen. Klimaschutzkonzepte ha-ben eine große Affinität zur Förderung des ÖPNV. Sie versuchen Ortsveränderungen zu ver-meiden bzw. MIV-Wege auf ÖPNV, Gehen und Radfahren zu verlagern.

LandBus Produkt des ÖSPV, vgl. Tab. 5

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Begriff Definition

Länderticket Mit Ausnahme der Bundesländer Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schles-wig-Holstein handelt es sich beim Länderticket um ein Tarifangebot der Deutschen Bahn (DB), mit dem eine verbundübergreifende Nutzung im ÖPNV innerhalb eines oder mehrerer Länder möglich ist. In Hessen ist es ein gemeinsames Angebot der drei hessischen Verkehrsverbünde, in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Teil des Landestarifs. Die Ländertickets sind länderuneinheitlich ausgestaltet und befähigen i.d.R. zur vergünstigten Mitnahme von weiteren Personen.

Landes-gesellschaft

Vom Verkehrsministerium eines Landes ausgegliederte oder gesellschaftsrechtlich beherrsch-te Organisationsform, die Aufgabenträgerfunktionen des Landes und/oder administrative bzw. koordinierende Aufgaben im ÖPNV wahrnehmen.

In Deutschland sind heute als Landesgesellschaft im weiteren Sinne zu verstehen:

- BEG Bayern

- NVBW Baden-Württemberg

- VBB Brandenburg

- VMV Mecklenburg-Vorpommern

- LNVG Niedersachsen

- NASA Sachsen-Anhalt

- NAH.SH Schleswig-Holstein

- NVS Thüringen

Landes-verkehrsplan

Im „Landesverkehrsplan Sachsen 2025“ stellt die sächsische Staatsregierung ihre künftigen verkehrspolitischen Grundsätze und Ziele sowie die dazu notwendigen Strategien und Maß-nahmen dar. Der Landesverkehrsplan ist ein Fachplan sowohl für die einzelnen Verkehrsträ-ger als auch für die Entwicklung des Gesamtverkehrssystems. Er stellt den Bedarf neuer Ver-kehrsinfrastrukturvorhaben dar, die im Landesentwicklungsplan raumordnerisch gesichert werden.

Der Landesverkehrsplan bindet die Staatsregierung und ihre nachgeordneten Behörden in-tern. Er entfaltet im Gegensatz zum Landesentwicklungsplan keine unmittelbaren Rechtswir-kungen nach außen. Die maßnahmenkonkrete Ausfüllung dieses Plans erfolgt im Zuge der vertiefenden Fachplanung durch die zuständigen Aufgabenträger. Der Landesverkehrsplan ist kein Haushalts- oder Investitionsplan. Die Bereitstellung der Finanzmittel wird durch die je-weiligen Haushaltspläne vorgenommen. Die zeitliche Einordnung von Baumaßnahmen erfolgt dabei im Rahmen der Bauprogramme unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel.

Für den Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs werden mit dem Landesverkehrsplan den zuständigen Aufgabenträgern die Ziele und Maßnahmen für die weitere Entwicklung des ÖPNV als Teil des Gesamtsystems aufgezeigt. Die damit kompatible konkrete Angebotspla-nung obliegt den Aufgabenträgern (NVP).

Ländlicher Raum

Raumkategorie, die die Teile Sachsens umfasst, die im Vergleich zu den Verdichtungsräumen eine dünnere Besiedlung und eine geringere bauliche Verdichtung aufweisen. Wenngleich die Land- und Forstwirtschaft bei der Beschäftigung auch im ländlichen Raum nicht mehr domi-niert, so ist sie für die Flächennutzung in dieser Raumkategorie unvermindert prägend.

Linienverkehr (Straße)

Nach § 42 PBefG ist Linienverkehr „[…] eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsbedienung, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können.“

Sonderformen des Linienverkehrs sind Berufsverkehre, Schülerfahrten, Marktfahrten und die regelmäßige Beförderung von Theaterbesuchern (§ 43 PBefG). Diese Beförderungen werden unter Ausschluss anderer Fahrgäste durchgeführt.

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Begriff Definition

Menschen mit Behinderun-gen

Nach der Definition des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG) sind dies „Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchti-gungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrie-ren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“

Metropolre-gion Mittel-deutschland

Die Metropolregion Mitteldeutschland umspannt als zentralen Kern den Ballungsraum Leipzig-Halle-Jena. Zu ihren Mitgliedsstädten zählen Leipzig, Chemnitz und Zwickau im Frei-staat Sachsen, Halle und Dessau-Roßlau im Land Sachsen-Anhalt sowie Jena und Gera im Freistaat Thüringen.

Minderein-nahmen

Durch gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen sind Höchsttarife im Ausbildungsverkehr für Verkehrsunternehmen vorgeschrieben. Diese liegen i.d.R. deutlich unterhalb des Normaltarifs und führen zu Mindereinnahmen ggü. dem Verkauf des Normaltarifs.

Durch die Einführung neuer Tarifprodukte, Tarife oder Rabattierungsmöglichkeiten (z. B. BahnCard) kann es ebenfalls zu Mindereinnahmen ggü. historischen Werten der Fahrgeldein-nahmen kommen.

Mittelzent-rum

Vgl. „Zentrale-Orte-System“

Mobilität Möglichkeitsraum für Aktivitäten an unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Ver-kehrsmitteln. Mobilität beschreibt das Potenzial bzw. „Bedürfnisse“, demgegenüber sind Verkehre die real durchgeführten Ortsveränderungen.

Mobilität und Verkehr sind nicht Selbstzweck, sie haben dienende Funktion zur Ermöglichung der Teilhabe von Menschen und damit deren Aktivitäten an unterschiedlichen Orten als Pri-märzweck. Aufgabe einer nachhaltigen lokalen oder regionalen Verkehrsplanung ist es, die tägliche Mobilität mit möglichst wenig Verkehr unter Beachtung der Grundsätze Vermei-den/Verlagern/verträgliche Abwickeln zu sichern.

Mobilitäts-eingeschränk-te Personen

Personen, die bei der Benutzung eines Transportmittels aufgrund einer körperlichen, geisti-gen, psychischen oder sonstigen Behinderung oder aus Altersgründen eingeschränkt sind und besondere Aufmerksamkeit, sowie eine sachgerechte Anpassung der Verkehrsleistung erfor-dern.

Mobilitäts-management

Unter Mobilitätsmanagement ist ein jüngerer Ansatz der Verkehrspolitik und -planung zu verstehen, der auf die Beeinflussung der Nachfrage im Personen- und Güterverkehr im Inte-resse einer effizienten, umwelt- und sozialverträglichen Mobilität durch Maßnahmen im Be-reich der Information, Kommunikation, Organisation und Koordination, die des Marketings bedürfen, zielt. Typische Beispiele sind etwa die gezielte Information von Neubürgern etwa über die bestehenden ÖPNV-Verbindungen inklusive eines Gutscheins für eine Monatskarte („Mobilitätspacket“ o.Ä.) oder Mitfahrbörsen von Unternehmen/Organisationen.

Modal Split

(Verkehrsmit-telnutzung)

Gemessene oder angestrebte Aufteilung der Gesamtverkehrsnachfrage auf die verschiedenen Verkehrsträger bzw. -mittel.

Multimodal Durchführung von Wegen mit unterschiedlichen Verkehrsmodi pro Zeiteinheit; Auswertun-gen des Deutschen Mobilitätspanels für das Jahr 2008 ergaben, dass in einer Woche mehr als 40% der Bevölkerung „monomodal“ ausschließlich mit dem Auto unterwegs war. (Nobis, C. (2013): Multimodale Vielfalt – Quantitative Analyse multimodalen Verkehrshandelns. Diss., Humboldt-Universität Berlin)

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Begriff Definition

Nachhaltig-keit

Prinzip aus der Ökologie, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nach-wachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann. Dies impliziert den langfristigen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und dauerhafte Sicherung der Um-weltverträglichkeit.

Der Begriff hat darüber hinaus auch Eingang in andere Politikfelder genommen, z.B. in die Finanzpolitik.

Die Nachhaltigkeit stellt heute ein vorrangiges politisches Leitziel dar und dient häufig als Fördervoraussetzung für Verkehrskonzepte und -maßnahmen.

Nahverkehrs-plan

Analyse der Situation und Planung der Maßnahmen zur Entwicklung des ÖPNV in einem be-stimmten Gebiet unter Beachtung formeller und informeller raumordnerischer und gesamt-verkehrsplanerischer Vorgaben.

Der Nahverkehrsplan wurde mit der Novellierung des PBefG 1996 neu eingeführt. Er stellt eine Rahmenplanung für den öffentlichen Nahverkehr dar.

Entsprechend den ÖPNV-Gesetzen der Länder stellen die zuständigen Aufgabenträger zur Sicherstellung und Verbesserung des ÖPNV Nahverkehrspläne auf, die die Ziele der Raum-ordnung, Landesplanung sowie der Stadt- und Verkehrsentwicklungsplanung aufgreifen und die Belange des Umweltschutzes, des Städtebaus sowie der jeweiligen ÖPNV-Bedarfs- und Ausbaupläne berücksichtigen.

Oberzentrum Vgl. „Zentrale-Orte-System“

Öffentlicher Personennah-verkehr (ÖPNV)

Das sächsische ÖPNVG kennt folgende Begriffsbestimmung:

„Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr zu befriedigen. Ein solcher Verkehr liegt vor, wenn bei der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrs-mittels die Beförderungsstrecke 50 Kilometer oder die Beförderungszeit eine Stunde nicht übersteigt.“

Funktional gliedert sich der ÖPNV auf in den Eisenbahnverkehr (Schienenpersonennahver-kehr - SPNV) und den öffentlichen straßengebundenen Personennahverkehr (ÖSPV) mit Bus-sen aber auch Straßenbahnen und U-Bahnen. Diese Abgrenzung ist historisch entstanden und wird durch moderne Entwicklungen, wie z.B. dem Chemnitzer Modell vermehrt überwunden.

SPNV und ÖPSV werden ergänzt durch Verkehre mit Taxen oder Mietwagen, sowie Linienver-kehre mit Fähren, Bergbahnen und anderen Sonderverkehrsmitteln.

Öffentlicher Straßenper-sonenverkehr (ÖSPV)

Öffentliche Straßenpersonennahverkehr oder auch straßengebundener ÖPNV; der ÖSPV umfasst den Nahverkehr, der auf der Grundlage des PBefG erbracht wird (Busse, Oberlei-tungsbusse, Straßen- und Stadtbahnen sowie U-Bahnen, Verkehre mit Taxen oder Mietwa-gen, die einen Linienverkehr ersetzen, ergänzen oder verdichten sowie Linienverkehre mit Fähren, Bergbahnen und anderen Sonderverkehrsmitteln).

Öffentlicher Verkehr (ÖV)

Verkehr mit allgemein zugänglichen Verkehrsmitteln (bezogen auf öffentliche Fahrzeuge somit incl. Taxen, Car-Sharing, Mitnahmesysteme etc.)

ÖPNVFinAusG Gesetz zur Finanzierung des Ausbildungsverkehrs im Öffentlichen Personennahverkehr. Das ÖPNVFinAusG regelt den Ausgleich der bei der Beförderung von Personen mit ermäßigten Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs bei den Verkehrsunternehmen entstehenden Mindereinahmen. Der Freistaat Sachsen gleicht diese auf Basis einer landesgesetzlichen Re-gelung nach § 64a PBefG mit Zuwendungen an die Landkreise, Kreisfreien Städten und die von § 3 Abs. 1, Satz 3 ÖPNVG-Sachsen erfassten Kreisstädte aus. Die Verteilung der Zuwen-dungen wird nach einem Schlüssel vorgenommen, der die Fläche und die Schülerzahlen der Bezugsgebiete berücksichtigt.

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Begriff Definition

ÖPNVFinVO Verordnung des SMWA zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Mittelauftei-lung und Mittelverwendung der Regionalisierungsmittel im Freistaat Sachsen).

ÖPNV-Gesetze

Im Gefolge der Regionalisierung mussten die Länder die auf sie übergegangene Zuständigkeit für die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung gesetzlich regeln. Die Ausge-staltung der öffentlichen Verantwortung für den ÖPNV ist Regelungsgehalt der ÖPNV-Gesetze der Länder. Die Gesetze regeln u.a. die Zuständigkeiten für Gewährleistung eines den öffent-lichen Interessen entsprechendes Angebots (Aufgabenträger), die räumliche und funktionale Organisation der Aufgabenwahrnehmung, Vorgaben und Anforderungen zur Verkehrspla-nung und die Finanzmittelausstattung.

Personenbe-förderungs-gesetz (PBefG)

Spezielles Gewerbegesetz für den Personenverkehr auf Straßen. Es beinhaltet allgemeine Bestimmungen, das Genehmigungsverfahren sowie Rechte und Pflichten wie z. B. die Be-triebspflicht und Beförderungspflicht für die Omnibus-, Straßenbahn- und weitere Verkehrs-unternehmen.

PlusBus Produkt des ÖSPV, vgl. Tab. 5

Raumkatego-rie, -typ

Räume, die eine weitgehend einheitliche Struktur aufweisen und deshalb hinsichtlich ihrer angestrebten Entwicklung einheitlich zu behandeln sind.

Im LEP 2013 sind folgende Raumkategorien unterschieden: Verdichtungsräume, ländlicher Raum, verdichteter Bereich im ländlichen Raum.

Daneben wurden im LEP auch Räume mit besonderem Handlungsbedarf festgelegt, die nach der im Entwurf enthaltenen Begriffsdefinition u. U. auch als Raumkategorie bezeichnet wer-den könnten. Dies entspricht aber nicht der Systematik des LEP.

Regionalisie-rung

Unter der Regionalisierung wird die mit der Bahnstrukturreform Ende 1993 eingeleitete Neu-ordnung zwischen einerseits der unternehmerischen Verantwortung für den (eigenwirtschaft-lichen) Personenfernverkehr und andererseits der öffentlichen Verantwortung für den (ge-meinwirtschaftlichen) Personennahverkehr verstanden. Der Schienenpersonennahverkehr ging in die organisatorische Verantwortung der Länder über, die dafür mit finanziellen Mit-teln, den sogenannten Regionalisierungsmitteln, ausgestattet wurden.

Regionalisier-ungsgesetz (RegG)

Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Regionalisierungsgesetz). Das RegG ist die einzelgesetzliche Umsetzung des Art 106a GG. Das Gesetz überträgt die Si-cherstellungs- und Finanzierungsverantwortung für den SPNV auf die Länder und regelt Höhe und Verteilung der Regionalisierungsmittel, die den Ländern für diese Aufgabe vom Bund zur Verfügung gestellt werden.

Regionalisie-rungsmittel

Zuwendungen des Bundes an die Länder zur Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr nach dem Re-gionalisierungsgesetz (RegG). Das RegG ist die einzelgesetzliche Umsetzung des Art 106a GG.

Reisezeit Zeitbedarf für die Durchführung einer Reise vom Abfahrtsort bis zum Zielort über alle genutz-ten Verkehrsmittel und Umstiege summiert (auch komplexe Reisezeit).

Rendezvous-haltestelle

Haltestelle, an der die Fahrten mehrerer Linien zur Anschlussgewährung gleichzeitig halten.

Sachsen-Takt Initiative zur Einführung eines integralen Taktfahrplans für SPNV und ÖSPV im Freistaat Sach-sen.

Schienenper-sonenfern-verkehr

Nach der Definition des Allgemeinen Eisenbahngesetzes ist Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) der Verkehrsdienst im Schienenverkehr mit mittleren Reiseweiten von über 50km und mittleren Reisezeiten von über 1 Stunde.

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Begriff Definition

Schienenper-sonennah-verkehr (SPNV)

Öffentlicher Personennahverkehr mit Eisenbahnen im Sinne des Allgemeinen Eisenbahnge-setzes (AEG) (z.B. S-Bahnen und Regionalbahnen, aber nicht U-Bahnen, Straßenbahnen).

Schülerbeför-derungsträger

Träger der notwendigen Schülerbeförderung gemäß § 23 Abs. 3 SchulG, in Sachsen sind dies die Landkreise und Kreisfreien Städte.

Schülerver-kehr

Mit Schülerverkehr ist die Beförderung von Schülern und Auszubildenden zu ihren Ausbil-dungsstätten gemeint. Wer Schüler bzw. Auszubildender im Sinne des Personenbeförde-rungsrechts ist, regelt die Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Straßenpersonenverkehr (PBefAusglV). Schüler sind eine wichtige und unter Umständen lukrative Fahrgastgruppe des ÖPNV. Verkehrsunternehmen haben Anspruch auf Ausgleichs-zahlungen, wenn sie vergünstigte Zeitfahrausweise (Schülermonatskarten etc.) anbieten (§ 45 a PBefG; § 6a AEG).

Smartcard Eine Smartcard ist eine spezielle Kunststoffkarte mit eingebautem integriertem Schaltkreis (Chip), der eine Hardware-Logik, Speicher oder auch einen Mikroprozessor enthält. Im ÖPNV kommt die Smartcard als Bezahlberechtigung oder elektronisches Ticket zum Einsatz.

Sollkosten Sollkosten sind Planungsgrößen, die bei der Monetarisierung von Leistungsmengen eingesetzt werden. Im Gegensatz zu Istkosten als reale Werte werden Sollkostensätze angewendet, um eine Bewertung unabhängig von den individuellen Produktionskostenfunktionen von Unter-nehmen vorzunehmen.

SPNV-Erfolgs-monitor, -Monitor

Datenbank zur jährlichen Erfolgskontrolle für den SPNV auf dem Gebiet des Freistaates Sach-sen (enthält u.a. Statistiken zu Verkehrsnachfrage, Zuschussbedarf, Erlösen).

Sprung(fixe) Kosten

Dienstleistungen oder Produkte mit einer nicht-linearen Kostenfunktion. Sprungfixe Kosten entstehen beispielsweise dann, wenn eine Angebotsausweitung die Anschaffung neuer Fahr-zeuge oder die Herstellung neuer baulicher Anlagen voraussetzt.

StadtBus Produkt des ÖSPV, vgl. Tab. 5

Straßenbau-lastträger

Rechtlich zur Erfüllung der Straßenbaulast (gesetzliche Verpflichtung zum Neubau, zur Ände-rung sowie zur Erhaltung und zum Betrieb öffentlicher Straßen) verpflichtete Gebietskörper-schaft bzw. staatliche Stelle.

Subsidiarität Subsidiarität bedeutet, dass öffentliche Aufgaben möglichst bürgernah, idealerweise auf kommunaler Ebene geregelt werden sollen. Erst wenn eine Koordinierungsaufgabe dort nicht gelöst werden kann, wird die Regelungskompetenz nach „oben“ (Kreise, Länder, Bund, EU) abgegeben.

TaktBus Produkt des ÖSPV, vgl. Tab. 5.

Taktfahrplan Fahrplan, bei dem die Fahrten einer Linie jeweils mit demselben Zeitabstand oder einem Mehrfachen dessen verkehren.

Übergangs-tarif

Spezieller Tarif für den Übergang von einem Verbundraum zu einem angrenzenden Verbund-raum.

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VII. Abkürzungsverzeichnis

Abkürzung Erläuterung

Abb. Abbildung

AngE Angebotsentwicklung (Arbeitsgruppe der ÖPNV-Strategiekommission)

AEG Allgemeines Eisenbahngesetz

AFZS Automatische Fahrgastzählsysteme

AG Arbeitsgruppe

AT Aufgabenträger

BEG Bayerische Eisenbahngesellschaft

BMVI Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur

BT Bundestag

BRat Bundesrat

BVWP Bundesverkehrswegeplan

C2C Car-to-Car

C2I Car-to-Infrastructure

DB Deutsche Bahn

DFI Dynamische Fahrgastinformationssysteme

Drs. Drucksache

DVB Dresdner Verkehrsbetriebe

EFRE Europäischer Fonds für regionale Entwicklung

EntflechtG Entflechtungsgesetz

ERegG Eisenbahnregulierungsgesetz

EVG Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft

EVU Eisenbahnverkehrsunternehmen

Ew Einwohner

Fplkm Fahrplankilometer

Fin Finanzierung (Arbeitsgruppe der ÖPNV-Strategiekommission)

FGSV Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen

Fzg Fahrzeug/Fahrzeuge

GG Grundgesetz

GVFG Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz

h Stunde, Stunden

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Abkürzung Erläuterung

i.d.R. in der Regel

i.e.S. im engeren Sinne

i.H.v. in Höhe von

IHK Industrie- und Handelskammer

IVS Intelligente Verkehrssysteme

ITF Integraler Taktfahrplan

IuF Infrastruktur und Fahrzeuge (Arbeitsgruppe der ÖPNV-Strategiekommission)

KAG Sächsisches Kommunalabgabengesetz

km Kilometer

LASuV Sächsisches Landesamt für Straßenbau und Verkehr des Freistaates Sachsen

LEP Landesentwicklungsplan

LK Landkreis

LIP ÖPNV-Landesinvestitionsprogramm

LNVG Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen

LuFV Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung

LST Leit- und Sicherungstechnik

LSV Landesverband des sächsischen Verkehrsgewerbes

LVB Leipziger Verkehrsbetriebe

LVP Landesverkehrsplan

MdL Mitglied des Landtags

MDSB Mitteldeutsche S-Bahn

MDV Mitteldeutscher Verkehrsverbund

min Minuten

Mio. Millionen

MIV Motorisierter Individualverkehr

NAH.SH Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein

NASA Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt

NE-Bahn Nicht-bundeseigene Eisenbahnen

NI Land Niedersachsen (Länderkürzel)

NRW Nordrhein-Westfalen

NVBW Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg

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Abkürzung Erläuterung

NVP Nahverkehrsplan / Nahverkehrspläne

NVS Nahverkehrsservicegesellschaft Thüringen

NWkm Nutzwagenkilometer

ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr

ÖPNVG Gesetz über den öffentlichen Personennahverkehr im Freistaat Sachsen

ÖPNVFinVO Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zur Finan-zierung des öffentlichen Personennahverkehr

ÖPNVFinAusG Gesetz zur Finanzierung des Ausbildungsverkehrs im Öffentlichen Personennahverkehr

Orga Organisation (Arbeitsgruppe der ÖPNV-Strategiekommission)

ÖSPV Öffentlicher Straßenpersonennahverkehr

ÖV Öffentlicher Verkehr

p.a. per annum (pro Jahr)

PBefG Personenbeförderungsgesetz

Pkm Personenkilometer

RB Regionalbahn

RE Regionalexpress

RegG Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs

RIN Richtlinien für integrierte Netzgestaltung

RL-ÖPNV Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr über die Gewährung von Fördermitteln im öffentlichen Personennahverkehr

RMV Rhein-Main-Verkehrsverbund GmbH

RP Rheinland-Pfalz (Länderkürzel)

SchulG Sächsisches Schulgesetz

SMF Sächsisches Staatsministerium der Finanzen

SMI Sächsisches Staatsministerium des Inneren

SMK Sächsisches Staatsministerium für Kultus

SMWA Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

SN Freistaat Sachsen (Länderkürzel)

SPNV Schienenpersonennahverkehr

ST Sachsen-Anhalt (Länderkürzel)

StW Staatssekretär für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Tab. Tabelle

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Abkürzung Erläuterung

TH Thüringen (Länderkürzel)

TuV Tarif und Vertrieb (Arbeitsgruppe der ÖPNV-Strategiekommission)

VBB Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg

VDV Verband Deutscher Verkehrsunternehmen

VEP Verkehrsentwicklungsplan

VMK Verkehrsministerkonferenz

VMS Verkehrsverbund Mittelsachsen

VO Verordnung

VU Verkehrsunternehmen

VVO Verkehrsverbund Oberelbe

VVV Verkehrsverbund Vogtland

Zkm Zugkilometer

ZV Zweckverband

ZVMS Zweckverband Verkehrsverbund Mittelsachsen

ZVNL Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig

ZVOE Zweckverband Verkehrsverbund Oberelbe

ZVON Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien

ZVV Zweckverband ÖPNV Vogtland