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Acheiropoietos Der Begriff Acheiropoietos (= 'nicht von Händen gemacht') ist erstmalig faßbar in 2. Kor. 5,1, womit der Auferstehungsleib der Verklärten gemeint ist. Als terminus technicus für Bilder bezeichnet Acheiropoietos Darstellungen, denen eine übernatürliche Entstehung und damit große Authentizität zugeschrieben wird (Johannes Damaskenos). Diese seit dem 6. Jahrhundert faßbare christliche Idee basiert im weitesten Sinne auf der antiken Vorstellung der diipetes, der vom Himmel herabgeworfenen Götterbilder. Eine hervorragende Rolle spielen die Christus-Acheiropoietos. Das Bild von Kamulia oder Kamuliana (Kappdokien), von dem zwei Entstehungsversionen existieren, gelangte im Jahr 574 nach Konstantinopel wo es als Reichspalladion diente. Später verlieren sich seine Spuren. Eine ungleich größere Bedeutung nimmt das sogenannte Mandylion oder Abgarbild ein, um dessen Entstehung in Edessa sich ebenfalls unterschiedliche Legendenversionen ausbildeten. Im Jahr 944 gelangte das Mandylion, 968 die davon entstandene Kopie (Keramidion) und 1034 der in den Legenden um das Jahr 300 erwähnte Brief Christi an Abgar nach Konstantinopel. 1185 ging der Brief bei einer Plünderung des Kaiserpalastes verloren. 1204 gelangte das Mandylion in die Hände der Kreuzfahrer. Zuerst Paris (Ste. Chapelle), später Rom und Genua behaupteten, im Besitz des Mandylion zu sein. Neben weiteren Christi-Acheiropoietos gibt es auch eine Reihe von Marien-Acheiropoietos, die aber zumeist nur auf einer lokalen Legendentradition basieren und kaum die Bedeutung der Christus-Acheiropoietos erlangten. Von Heiligen-Acheiropoietos wissen wir ebenfalls (Protomärtyrer Stephanos, hl. Georg). Die Darstellungen des Mandylion finden wir sowohl auf Ikonen wie in der Wandmalerei. Exemplare des Abgar-Bildes sind im Katharinenkloster auf dem Sinai (Triptychonflügel mit Legende), 10. Jahrhundert, in Rom (S. Silvestro), nicht datiert, und in Genua (S. Bartolomeo degli Armeni), 1348 (mit ausführlicher Legende), überliefert. Allen gemeinsam ist das Format sowie die frontale Darstellung des Antlitzes Christi mit Kreuznimbus. In der Wandmalerei wird es erstmalig faßbar im Esonarthex der Sophienkirche in Ohrid (1037/56), später wird es zumeist im Naos unterhalb der Kuppel mit seinem Pendant, dem Keramidion, gezeigt (Djurdjevi Stupovi, Ende 12. Jahrhundert, Studenica, 1208/09). Die vor allem seit dem 13. Jahrhundert auftretenden Darstellungen stehen sicher im Kontext mit dem Verlust des Bildes in Byzanz. Barbara Schellewald Lit.: E. VON DOBSCHÜTZ, Christusbilder. Untersuchungen zur christl. Legende, Leipzig 1899; A. GRABAR, La Sainte Face de Laon: Le mandylion dans l'art orthodoxe, Prag 1931; K. WESSEL, A.,

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Acheiropoietos

Der Begriff Acheiropoietos (= 'nicht von Händen gemacht') ist erstmalig faßbar in 2. Kor.

5,1, womit der Auferstehungsleib der Verklärten gemeint ist. Als terminus technicus für Bilder

bezeichnet Acheiropoietos Darstellungen, denen eine übernatürliche Entstehung und damit große

Authentizität zugeschrieben wird (Johannes Damaskenos). Diese seit dem 6. Jahrhundert faßbare

christliche Idee basiert im weitesten Sinne auf der antiken Vorstellung der diipetes, der vom

Himmel herabgeworfenen Götterbilder.

Eine hervorragende Rolle spielen die Christus-Acheiropoietos. Das Bild von Kamulia oder

Kamuliana (Kappdokien), von dem zwei Entstehungsversionen existieren, gelangte im Jahr 574

nach Konstantinopel wo es als Reichspalladion diente. Später verlieren sich seine Spuren. Eine

ungleich größere Bedeutung nimmt das sogenannte Mandylion oder Abgarbild ein, um dessen

Entstehung in Edessa sich ebenfalls unterschiedliche Legendenversionen ausbildeten. Im Jahr

944 gelangte das Mandylion, 968 die davon entstandene Kopie (Keramidion) und 1034 der in

den Legenden um das Jahr 300 erwähnte Brief Christi an Abgar nach Konstantinopel. 1185 ging

der Brief bei einer Plünderung des Kaiserpalastes verloren. 1204 gelangte das Mandylion in die

Hände der Kreuzfahrer. Zuerst Paris (Ste. Chapelle), später Rom und Genua behaupteten, im

Besitz des Mandylion zu sein. Neben weiteren Christi-Acheiropoietos gibt es auch eine Reihe

von Marien-Acheiropoietos, die aber zumeist nur auf einer lokalen Legendentradition basieren

und kaum die Bedeutung der Christus-Acheiropoietos erlangten. Von Heiligen-Acheiropoietos

wissen wir ebenfalls (Protomärtyrer Stephanos, hl. Georg). Die Darstellungen des Mandylion

finden wir sowohl auf Ikonen wie in der Wandmalerei. Exemplare des Abgar-Bildes sind im

Katharinenkloster auf dem Sinai (Triptychonflügel mit Legende), 10. Jahrhundert, in Rom (S.

Silvestro), nicht datiert, und in Genua (S. Bartolomeo degli Armeni), 1348 (mit ausführlicher

Legende), überliefert. Allen gemeinsam ist das Format sowie die frontale Darstellung des

Antlitzes Christi mit Kreuznimbus. In der Wandmalerei wird es erstmalig faßbar im Esonarthex

der Sophienkirche in Ohrid (1037/56), später wird es zumeist im Naos unterhalb der Kuppel mit

seinem Pendant, dem Keramidion, gezeigt (Djurdjevi Stupovi, Ende 12. Jahrhundert, Studenica,

1208/09). Die vor allem seit dem 13. Jahrhundert auftretenden Darstellungen stehen sicher im

Kontext mit dem Verlust des Bildes in Byzanz.

Barbara Schellewald

Lit.: E. VON DOBSCHÜTZ, Christusbilder. Untersuchungen zur christl. Legende, Leipzig 1899; A. GRABAR, La Sainte Face de Laon: Le mandylion dans l'art orthodoxe, Prag 1931; K. WESSEL, A.,

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in: RByzK I, 22 - 28; A. CAMERON, The History of the Image of Edessa: The Telling of a Story, in: Okeanos. Essays presented to I. Ševčenko, Cambridge/Mass. 1983, 80 – 94.

URL: http://www.uni-leipzig.de/gwzo/wissensdatenbank/artikel.php?ArtikelID=10.0000