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PFLEGE PRAXIS DIABETES 10 Heilberufe 2 | 2011 © Kokhanchikov/shutterstock.com DOI: 10.1007/s00058-011-0294-8 4 Body Mass Index z Der Body Mass Index (BMI) wird bestimmt aus dem Körpergewicht dividiert durch das Quadrat der Körpergröße – BMI = Körpergewicht (in kg) : Körpergröße (in m 2 ) Die Einheit des BMI ist kg/m 2 . z Übergewicht liegt vor, wenn ein BMI von mindestens 25 erreicht wird. Erst ab einem BMI von > 30 wird von einem krankhaften Übergewicht ausgegangen. z Der wünschenswerte BMI ist jedoch abhängig vom Lebensalter. z Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist eine Berechnung nach dem BMI nicht sinnvoll, für diese Altersgruppe gibt es andere Berechnungsarten, um das Normalgewicht zu bestimmen.

Adipositas: Pflege in Hülle und Fülle

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PFLEGE PRAXIS D I A B E T E S10

Heilberufe 2 | 2011

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4 Body Mass Index

z Der Body Mass Index (BMI) wird bestimmt aus dem Körpergewicht dividiert durch das Quadrat

der Körpergröße – BMI = Körpergewicht (in kg) : Körpergröße (in m2)

Die Einheit des BMI ist kg/m2.

z Übergewicht liegt vor, wenn ein BMI von mindestens 25 erreicht wird. Erst ab einem BMI von

> 30 wird von einem krankhaften Übergewicht ausgegangen.

z Der wünschenswerte BMI ist jedoch abhängig vom Lebensalter.

z Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist eine Berechnung nach dem BMI nicht sinnvoll, für

diese Altersgruppe gibt es andere Berechnungsarten, um das Normalgewicht zu bestimmen.

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2 | 2011 Heilberufe

11D E R Ü B E R G E W I C H T I G E PAT I E N T PFLEGE PRAXIS

D Seit Jahren nimmt der Anteil übergewichtiger und adipöser Menschen in Deutschland kontinuierlich zu.

Etwa die Hälfe der Deutschen weist Übergewicht auf, 20 Pro-zent leiden unter Adipositas, der so genannten „Fettsucht“. Die Ursachen einer Adipositas werden oft einer genetischen Prä-

disposition oder pauschal einem Lebensstil zugeschrieben, der gekennzeichnet ist von Über- beziehungsweise Fehlernährung, verbunden mit Bewegungsmangel.

Stark adipöse Menschen entsprechen nicht dem gängigen Schönheitsideal und sehen sich aufgrund ihres Körpergewichts oft sozialen Anfeindungen ausgesetzt. Adipositas ist jedoch weitaus mehr als ein ästhetisches Problem. So gilt starkes Über-gewicht als Risikofaktor für eine Vielzahl von Erkrankungen wie KHK, Schlaganfall oder Diabetes. Zudem beeinflusst es beste-hende Krankheiten wie Herzinsuffizienz oder Gelenkbeschwer-den ungünstig. Die Sterblichkeitsrate von Personen mit einem BMI >35 ist doppelt so hoch wie die von Normalgewichtigen.

Frustrationen und Demütigungen sind an der TagesordnungWährend viele Menschen bei einem leicht erhöhten Körperge-wicht kaum Schwierigkeiten haben, ihren Alltag zu gestalten, erfahren stark adipöse Betroffene wesentlich höhere Einschrän-kungen in ihrer Lebensqualität. So kann schon ein Einkaufs-bummel Frustration auslösen: Zum einen ist die Mobilität – mit

Adipositas: Pflege in Hülle und Fülle

Alle Patienten verdienen Respekt F Nicht selten werden übergewichtige Patienten für ihren Zustand selbst verantwortlich gemacht und erfahren – auch im Krankenhaus – nur geringe Wertschätzung. Doch auch diese Patienten verdienen Ihre Aufmerksamkeit. Schon ein Gespräch kann helfen, Vorurteile abzubauen.

häufigen Verschnaufpausen – stark eingeschränkt, zum anderen muss passende Kleidung in Detektivarbeit gesucht oder ange-fertigt werden. Nicht selten erfolgen negative Äußerungen oder gar Beschimpfungen durch Passanten auf der Straße. Die-se negativen Erlebnisse begründen oft eine soziale Isolation. Die Betroffenen ziehen sich in ihre Wohnungen zurück und verlassen diese kaum mehr, was wiederum die Bewegungsar-mut fördert. Sie suchen Trost beim Essen, welches eine wichtige und oft die einzige Kompensation ihrer Lebensumstände bedeutet.

Kommt ein solch stark adipöser Mensch ins Krankenhaus, wird auch hier die Einschränkung der Lebensqualität im Kran-kenhausalltag deutlich. Das beginnt schon bei der Aufnahme eines stark übergewichtigen Patienten in der Notfallambulanz: Die Liegen der Ambulanz sind für stark Übergewichtige nicht zugelassen, im CT oder beim Röntgen bestehen aufgrund des Körperumfangs keine oder nur eingeschränkte Möglichkeiten der kompletten Diagnostik. Im OP entspricht der OP-Tisch nicht den Anforderungen des Körpergewichts und auch Nacht-stühle, Bettpfannen oder Betten sind nicht auf das Körpervolu-men beziehungsweise -gewicht ausgerichtet. Reicht die Stations-waage nicht aus, müssen die Patienten die Demütigung ertragen, auf einer Wäsche- oder Fleischwaage in der Küche gewogen, oder zum Röntgen in die Tierklinik gefahren zu werden.

Ekelbekundungen und Schuldzuweisung sind tabuDie Demütigungen setzen sich fort, wenn adipöse Patienten für ihren Zustand verantwortlich gemacht werden und durch Pflegekräfte geringere Wertschätzung erfahren. Diese äußert sich indirekt durch den Entzug von Aufmerksamkeit – pflege-rische Verrichtungen werden auf ein Mindestmaß begrenzt –, oder die Abwertung erfolgt direkt, wie auf der Straße, durch negativ besetzte Kommentare (Schuldzuweisungen, Ausdrücke des Ekels) im Beisein des Patienten. Adipositas wird mithin als selbstverschuldeter Zustand angesehen und nicht als Ausdruck einer (seelischen) Erkrankung erfasst.

» Viele Patienten realisieren durchaus, welchen Aufwand ihre Adipositas verursacht und schämen sich dafür.

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Heilberufe 2 | 2011

PFLEGE PRAXIS D E R Ü B E R G E W I C H T I G E PAT I E N T

E Saskia PavelcsikE Studentin für Gesundheits- und Kran-

kenpflege Haselkamp 33, 22359 Hamburg

E Email: [email protected]

Pflegerische Tätigkeiten greifen oft-mals deutlich in die Privat- oder gar Intimsphäre von Patienten ein. Schon viele Normalgewichtige empfinden ihre Nacktheit als erniedrigend. Wie viel demütigender ist ein Entblößen des Kör-pers eines übergewichtigen Menschen, der sich seit geraumer Zeit sozial isoliert hat – womöglich noch von einem nega-tiven Kommentar einer Pflegekraft begleitet?

Viele extrem adipöse Patienten sind zudem nicht in der Lage, eine gründliche Hygiene zu betreiben. Sich zu waschen, abzutrocknen und ihre Hautfalten so zu pflegen, dass sich kein feuchtwarmes Milieu bildet, ist ihnen mitunter gar nicht möglich. Nicht selten entstehen dann Pilzbeläge oder Hautrisse, welche von verschiedenen Erregern besiedelt werden können. Durch große Fettschür-zen kann die Intimpflege nicht richtig durchgeführt werden, was wiederum ein erhöhtes Infektionsrisiko darstellt. Viele Pflegende empfinden Ekelgefühle durch den Anblick oder Geruch eines solchen Körpers.

Das Problem der MobilisationAus Sicht der betroffenen Pflegekräfte ist eine fachgerechte pflegerische Ver-sorgung stark adipöser Patienten mit einem nicht zu unterschätzenden Auf-wand verbunden. Auch geschultes und kompetentes Personal kann überlastet

sein. Um Belastungen des Arbeitsall-tags zu verarbeiten, sind ausgleichende Tätigkeiten aber auch Angebote im Team, beispielsweise in Form von regelmäßiger Supervision, wichtig. Denn: Zur pflege-rischen Sozialkompetenz gehört auch die persönliche Psychohygiene.

Ein großes Problem stellen die körper-lichen Anforderungen der Mobilisation an die Pflegekräfte bei der Pflege eines solchen Patienten dar. Rückenschmerzen sind nicht selten die Folge. Zudem erfor-dert die Mobilisation eines schwerge-wichtigen Patienten drei oder mehr Pfle-gekräfte. Steht eine solche Anzahl von Mitarbeitern nicht zur Verfügung oder geht sie zu Lasten anderer Patienten, weil die herbeigeholten Kollegen ihre Arbeit nicht beenden konnten, werden häufig Abstriche in der Pflege adipöser Pati-enten gemacht: Sie erhalten kaum ein Mindestmaß an Pflege, die anstrengende

– aber doch so wichtige – Mobilisation wird vermieden.

Wenn es so weit gekommen ist, stag-niert die Situation für den Patienten und sein Aufenthalt verlängert sich Woche um Woche. Hinzu kommt, dass viele Pflegekräfte diesen Menschen über kurz oder lang nicht mehr betreuen können oder wollen. Die Frustration auf Seiten der Pflegenden wird dadurch ver-stärkt, dass durch den äußerst herausfor-dernden pflegerischen und starken kör-perlichen Einsatz kaum merkliche posi-

tive Effekte auf den Patienten zu ver-zeichnen sind.

FazitIn Zeiten knappen Personals, Zeitman-gels und aufgrund eines eingeschränkten Hilfsmittelangebotes in vielen pflege-rischen Bereichen erscheint eine opti-male Versorgung schwer adipöser Pati-enten nahezu unmöglich. Ein möglicher Ausweg aus dem Teufelskreis des Ver-meidungsverhaltens besteht darin, das Gespräch mit dem Patienten zu suchen. Viele Patienten realisieren durchaus, wel-chen Aufwand ihre Adipositas verursacht und schämen sich dafür. Offene, ehrliche und vor allem wertschätzende Gespräche können für beide Seiten erleichternd sein und die Compliance der Patienten enorm steigern. Die Verantwortung liegt jedoch nicht nur bei den Pflegenden allein: Zum einen müssen stark adipöse Patienten frühstmöglich psychologische Betreu-ungsangebote erhalten und zum anderen müssen Strukturen für diese Patienten geschaffen werden. z

4 �Tabelle 2 Alter und BMI

Alter Optimaler BMI

19 – 24 19 – 24

25 – 34 20 – 25

35 – 44 21 – 26

45 – 54 22 – 27

55 – 64 23 – 28

Älter als 65 24 – 29

4 �Tabelle 1 Schweregrade der Adipositas

Schweregrad BMI Bezeichnung

Präadipositas 25 – 30 Übergewicht

Adipositas Grad 1 30 – 35 „Fettsucht“

Adipositas Grad 2 35 – 40

Adipositas Grad 3 größer als 40 Adipositas per magna