68
INFORMATION 2007 Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen 2007 - bfr.bund.de · 4.1 Spektrum der Mitteilungen bei Vergiftungen Zeitraum 01.01.2007–31.12.2007 54 4.2 Meldeformular für Vergiftungsfälle

  • Upload
    voxuyen

  • View
    214

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

INF

OR

MA

TIO

N

2007

Ärztliche Mitteilungenbei Vergiftungen

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite u1

Impressum

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen 2007Herausgeber: BfR-PressestelleRedaktion: Dokumentations- und Bewertungsstelle für Vergiftungen des BfRAuflage: 6.000Satz und Druck: Werbedruck Schreckhase, www.schreckhase.deDer Druck erfolgte auf chlorfrei gebleichtem Papier

ISBN 3-938163-40-2ISSN 1435-4047

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite u2

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen 2007

Vierzehnter Bericht der „Dokumentations- und Bewertungsstelle für Vergiftungen” im Bundesinstitutfür Risikobewertung für das Jahr 2007

A. Hahn, K. Begemann, R. Burger, J. Hillebrand, H. Meyer, K. Preußner, M. Gessner

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 1

2

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 2

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 51.1 Die Grundlage unserer Arbeit 51.2 Die Bearbeitung der Meldungen 51.3 Produktdatenbank (Giftinformationsdatenbank) 71.3.1 Zahlenentwicklung 71.3.2 Zusammenarbeit zwischen dem BfR, Firmen und Giftinformationszentren 71.3.3 Neues Wasch- und Reinigungsmittelgesetz 81.4 Europäische Normung (CEN) zur eindeutigen Produktidentifikation auf Etiketten

(PI-Element) 9

2 Ergebnisse der ärztlichen Mitteilungen 112.1 Auswertung der Meldungen 112.2 Vergiftungsmeldungen im Jahr 2007 122.2.1 Herkunft 122.2.2 Spektrum der Meldungen 122.2.3 Vergiftungshergang 132.2.4 Altersstruktur und Geschlecht 132.2.5 Schweregrad der Gesundheitsstörung 132.2.6 Ausgang der Gesundheitsstörung 162.3 Produktinformationssystem PRINS 162.3.1 Sofortmitteilungen 172.3.2 Summarische Mitteilungen 18

3 Ausgewählte toxikologische Fragestellungen 223.1 Containerbegasung mit Methylbromid 223.2 Kasuistiken – ausgewählt nach Weg der Aufnahme 263.2.1 Aufnahme über die Haut 263.2.1.1 Allergisches Kontaktekzem 273.2.1.2 Nicht allergische Kontaktekzeme 283.2.1.3 Nicht einzustufendes Kontaktekzem 303.2.1.4 Sonderformen 303.2.2 Orale Aufnahme 333.2.2.1 Wasserintoxikation 333.2.2.2 Reinigungsmittelverwechslung 353.2.2.3 Rauchharzentferner 363.2.3 Inhalative Aufnahme 413.2.3.1 Zeltimprägnierspray 413.2.3.2 Glyphosat 433.2.3.3 Brom 46

3

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 3

3.2.3.4 Cannabis und Blei 483.2.3.5 Rostlöser-Spray 51

4 Anhang 544.1 Spektrum der Mitteilungen bei Vergiftungen Zeitraum 01.01.2007–31.12.2007 544.2 Meldeformular für Vergiftungsfälle 594.3 Meldeformular für Störfälle 604.4 Verzeichnis der Giftinformationszentren 614.5 Pressemitteilungen des BfR 2007 zu toxikologischen Sachverhalten 634.6 Verzeichnis der im Heft verwendeten Abkürzungen 64

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

4

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 4

1 Einleitung

Unter dem Begriff der Vergiftung sind im Sinnedes Gesetzes alle Fälle zu verstehen, bei denenes zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen ge-kommen ist, auch wenn es sich dabei um Ver-dachtsfälle handelt. Auch die Informations- undBehandlungszentren (Giftinformationszentren,GIZ) wurden per Gesetz verpflichtet, dem BfRüber „Erkenntnisse (von allgemeiner Bedeu-tung) ihrer Tätigkeit“ zu berichten.

1.2 Die Bearbeitung der MeldungenDie Meldungen zu Gesundheitsbeeinträchtigun-gen im Zusammenhang mit Chemikalien wer-den einer Bewertung unterzogen, die u. a. eineAbschätzung des Kausalzusammenhangs vonaufgenommener Noxe und aufgetretener Symp-tomatik zur Folge hat. Dieser kann als „möglich“,„wahrscheinlich“, „sicher”, „keiner” oder als„nicht beurteilbar“ eingeschätzt werden. Nachwelchen Regeln diese Einzelfallbewertung er-folgt, wurde in den vergangenen Berichten aus-führlich beschrieben.

Differenzierte Analysen und Bewertungen inden Falldaten ergeben die Grundlagen für dieEinschätzung toxischer Risiken beim Menschen,wobei die Humandaten kontinuierlich als Fallda-tensätze und kasuistische Falldarstellungen do-kumentiert werden. Identifizierte Risiken werdenüber das Produktinformationssystem PRINS(siehe Kapitel 2.3) als Sofortmitteilungen an Mi-nisterien, Hersteller und Industrieverbände oderals jährliche summarische Berichte an die Her-steller weitergegeben. Dabei werden die verant-wortlichen Hersteller bzw. Vertreiber dazu auf-gefordert uns mitzuteilen, welche Maßnahmensie zur Erhöhung der Produktsicherheit ergrei-fen wollen.

Das BfR berichtet jährlich über diese Erkennt-nisse in den „Ärztlichen Mitteilungen bei Vergif-tungen“. Diese Veröffentlichungen können in derPressestelle des Bundesinstitutes für Risikobe-

5

1.1 Die Grundlage unserer ArbeitFür die Bundesrepublik Deutschland hat derGesetzgeber mit dem Chemikaliengesetz(ChemG) eine Grundlage geschaffen, um „denMenschen und die Umwelt vor schädlichen Ein-wirkungen gefährlicher Stoffe und Zubereitun-gen zu schützen, insbesondere sie erkennbarzu machen, sie abzuwenden und ihrem Entste-hen vorzubeugen“ (nach § 1).

Für eine realistische Einschätzung der Gefähr-dung der menschlichen Gesundheit ist dieKenntnis humantoxikologischer Daten, wie sieaus der Auswertung von Vergiftungen beim Men-schen gewonnen werden können, zunehmendvon Bedeutung. Daher hat der Gesetzgeber zum1. August 1990 bei der ersten Novellierung desChemG (§ 16e) eine Meldepflicht für Vergiftun-gen durch die behandelnden Ärzte eingeführt.

Jeder Arzt, der zur Behandlung oder Beurtei-lung der Folgen von Erkrankungen durch chemi-sche Stoffe oder Produkte hinzugezogen wird,ist verpflichtet, der Dokumentations- und Bewer-tungsstelle für Vergiftungen im Bundesinstitut fürRisikobewertung (BfR) wesentliche Informatio-nen zum Vergiftungsgeschehen mitzuteilen.

Gemeldet werden nach dem ChemikaliengesetzErkrankungen oder Verdachtsfälle von Vergiftun-gen durch folgende Stoffe:� Chemische Stoffe und Produkte, die im Haus-

halt verwendet werden, z. B. Wasch- undPutzmittel, Hobby- und Heimwerkerartikel,

� Kosmetika,� Schädlingsbekämpfungsmittel,� Pflanzenschutzmittel,� Holzschutzmittel,� beruflich verwendete Chemikalien und

Produkte,� gesundheitsschädigende chemische Stoffe

in der Umwelt bzw. bei Störfällen und� Pflanzen/Tiere.

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 5

wertung, Thielallee 88-92, 14195 Berlin, schrift-lich angefordert werden und stehen auch alselektronische Dokumente im Internet unterwww.bfr.bund.de zur Verfügung.

Eine graphische Zusammenfassung dieser Auf-gaben und Abläufe zeigt die Abb. 1.

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

6

Risikokommunikation

Meldungen Ärzte

ChemG § 16e Abs. 2

Produkt- Datenbank

Fall- Datenbank

Hinweise Giftinformationszentren

ChemG § 16e Abs. 3

MeldungenIndustrie

§ 16e Abs. 1 ChemGGefährliche

Produkte/ Biozide

Kosmetikverordnung § 5dKosmetika (über BVL*)

Freiwillige Meldungen

Humandaten

Bewertung des Einzelfalles Analyse

Risikoidentifizierung

Statistische Analysen Kasuistiken

Pressemitteilungen

Summarische Berichte

jährlichan Hersteller

Sofortmitteilungen

an Hersteller/Vertreiber, Ministerien,

Industrieverbände

Kriterium schwerwiegende

Gesundheitsstörungen

Kriteriumnicht schwerwiegende Gesundheitsstörungen

mit Ziel wissenschaftliche

Informationen

mit Ziel Risikomanagement

Maßnahmen zur Risikominderung

WRMG § 10Wasch- u. Reinigungsmittel

(siehe Kapitel 2.3) (siehe Kapitel 2.3)

Abb. 1: Arbeitsaufgaben der Dokumentations- und Bewertungsstelle für Vergiftungen

*BVL: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 6

1.3 Produktdatenbank (Giftinformations-datenbank)

1.3.1 ZahlenentwicklungIn der Giftinformationsdatenbank, die das BfRden Giftinformationszentren (GIZ) in Deutsch-land zur Unterstützung der Beratung und Be-handlung von Vergiftungen zur Verfügung stellt,waren Ende Dezember 2007 insgesamt zu264.149 Produkten Informationen gespeichert.Das bedeutet für das Jahr 2007 eine Zunahmevon 35.731 Produktmeldungen an das Fachge-biet Vergiftungs- und Produktdokumentation imBfR. Der Aufbau dieser Datenbank und die ver-schiedenen Varianten von Produktdatensätzensind schon in früheren Berichten ausführlich beschrieben worden.

1.3.2 Zusammenarbeit zwischen dem BfR,Firmen und GiftinformationszentrenDie Übermittlung von Produktdaten an das BfRvon Herstellern, Vertreibern und Einführern er-folgt bei den gefährlichen Zubereitungen, denBiozidprodukten und den freiwilligen Meldun-

gen noch zum größten Teil in Papierform. Kos-metikprodukte, die bis Juni 2005 vom BfR weit-gehend elektronisch direkt in die Giftinformati-onsdatenbank aufgenommen wurden, werdendurch die Teilung des ehemaligen Bundesinsti-tutes für gesundheitlichen Verbraucherschutzund Veterinärmedizin (BgVV) in BfR und BVL imBundesamt für Verbraucherschutz und Lebens-mittelsicherheit (BVL) bearbeitet. Die Daten wur-den monatlich vom BVL an das BfR gesandtund auf bewährte Weise zusammen mit den an-deren Produktdaten an die Giftinformationszen-tren übermittelt. Ab 2008 werden die Kosmetik-datensätze vom BVL in eigener Regie an dieGiftinformationszentren verteilt.

Zusammen mit den nach §16e Abs. 1 Chemika-liengesetz gefährlichen Zubereitungen und Biozidprodukten sowie Wasch- und Reini-gungsmitteln sind 26.773 mitteilungspflichtigeProduktdatensätze an die GIZ weitergeleitetworden. Davon entfallen 7.918 auf gefährlicheZubereitungen, 10.449 auf Biozidprodukte und8.406 auf Wasch- und Reinigungsmittel.

7

Abb. 2: Entwicklung der gesetzlichen Meldungen nach § 16 e Abs. 1 ChemG getrennt nach gefährlichen Zubereitungenund Biozidprodukten (2002 Inkrafttreten Biozidverordnung) sowie der Wasch- und Reinigungsmittel nach dem Wasch-und Reinigungsmittelgesetz (Meldung seit 05.05.2007)

0

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

1998 2000 2002 2004 2006

Jahr

Pro

du

kte

Gefährliche Zubereitungen7.918 Meldungen

Biozide10.449Meldungen

Wasch- und Reinigungsmittel8.406Meldungen

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 7

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

8

Abb. 3: Entwicklung der Meldungen zu Produkten seit 1996 und Weitergabe der Informationen an die deutschen Giftinfor-mationszentren

0

50.000

100.000

150.000

200.000

250.000

300.000

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Jahr

Gesamt Kosmetika Produkte, freiwillige Gefährliche Zubereitungen, Biozide, Wasch- und Reinigungsmittel

Pro

du

kte

1.3.3 Neues Wasch- und Reinigungsmittel-gesetz Das neue Wasch- und Reinigungsmittelgesetz(WRMG) ist am 5. Mai 2007 in Kraft getreten.Es ist den Vorgaben der seit 8. Oktober 2005geltenden EG-Verordnung 648/2004 über Deter-genzien angepasst und löst das alte WRMGvom 5. März 1987 ab. Dadurch sind dem BfRneue Aufgaben übertragen worden. In § 10, inVerbindung mit Anhang VII, Abschnitt C der De-tergenzienverordnung, ist dabei geregelt, dassdie Hersteller von Detergenzien dem BfR einDatenblatt mit dem Namen des Detergenz, desHerstellers sowie der Inhaltsstoffe mit ihren ent-sprechenden Gewichtsanteilen zur Verfügungstellen müssen. Die Übermittlung hat in elektro-nischer, in vom BfR vorgegebener Form zu erfol-gen. Dafür wurde von der Fachgruppe ein ent-sprechendes Format auf der Basis von XML de-

finiert. Unter anderem ist ein ZIP-Datei-Archivfür eine Produktmeldung nach dem WRMG hin-terlegt. Dieses beinhaltet auch eine Excel-Datei,mit der die Daten erfasst und teilweise auf Plau-sibilität geprüft werden können. Abschließendwird die WRMG-Meldung in Form einer XML-Da-tei erzeugt und dem BfR übermittelt. Auf der In-ternetseite des BfR befinden sich entsprechen-de Hinweise.

Das BfR bereitet diese, wie auch die nach § 16eAbs. 1 ChemG und freiwillig gemeldeten Datenfür die Weitergabe an die GIZ zur Notfallbera-tung auf. Weiterhin muss das BfR dem Umwelt-bundesamt den Namen des Herstellers und denHandelsnamen des Wasch- und Reinigungsmit-tels mitteilen, was ebenfalls auf elektronischemWege erfolgt.

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 8

1.4 Europäische Normung (CEN) zur ein-deutigen Produktidentifikation auf Etiketten(PI-Element)Gut sechs Jahre nachdem das BfR-Vorgänger-institut BgVV mit einem Initialworkshop (GIZ, In-dustrie, Verbraucherverbände) den Vorschlageiner Institutskommission zur Produktidentifizie-rung aufgegriffen hat, ist aus einem sinnvollenGedanken eine Europäische Norm (CEN NormEN 15178:2007) geworden. Für Notfallauskünfteund unerwünschte Produktwirkungen können In-haltsstoffe zukünftig einfacher und eindeutigerüber ein Produktidentifikationsfeld in unmittelba-rer Nähe des Barcodes aufgefunden werden.

Zur maßgerechten Beratung von Vergiftungenund gesundheitlichen Bewertung von „uner-wünschten Produktwirkungen“ muss die genaueRezeptur der beteiligten Noxe bekannt sein. Bisheute ist die Rezeptur traditionell mit dem Ver-kaufs- oder Handelsnamen verknüpft und wirdauch so in entsprechenden Datenbanken abge-legt. Der richtige Verkaufsname lässt sich aberauf Verpackungen selten eindeutig finden. Sohaben Laien wie Fachleute oft genug Schwierig-

keiten, den richtigen Verkaufsnamen zu identifi-zieren, der im Notfall entscheidend für die Bera-tung sein kann. Die gezielte Suche auf den Ver-packungen wird durch Firmenlogos, CorporateIdentity-Maßnahmen, Zertifikate, Gebrauchsan-leitungen, Zusatzinformationen, Warnhinweiseund Werbetexte, auch für Tochterprodukte, er-schwert. Viele Verbraucher werden zusätzlichdurch die Mehrsprachigkeit von Verpackungenund Etiketten irritiert, weil die Produkte für inter-nationale Märkte kostengünstig mit einer einzi-gen Verpackung verkauft werden.

Die Ursprungsidee, den Verkaufsnamen mit far-bigem Kontrast zu hinterlegen oder gar zu un-terstreichen, ließ sich aus Produktdesign-Grün-den nicht realisieren. Versuche, den Barcode(EAN-Nummer) zur eindeutigen Produktidenti-fikation zu verwenden, zeigten ebenso wenig Erfolge, da der Barcode nicht eindeutig mit derRezeptur verknüpft wird. Er dient zur Preisge-staltung und zur Warenlogistik.

Zunächst in einem DIN-Normungsvorhaben aufnationaler Ebene, dann auch in einem europäi-schen CEN-Normungsvorhaben, hat ein Gremi-um, bestehend aus Vertretern der Industrie, Be-hörden, Politik und Giftinformationszentren eineeindeutige und leicht zu findende Produktidenti-fikationsmöglichkeit auf Verpackungen und Eti-ketten geschaffen, die ab Oktober 2007 in Kraftgetreten ist.

Mit der neuen CEN-Norm wird in unmittelbarerNähe des Barcodes ein Produktidentifikations-bereich auf Verpackungen reserviert und soPlatz für ein eindeutiges Produktidentifikations-element (PI-Element) geschaffen. Das PI-Ele-ment besteht aus einem voranstehenden ge-normten Zeichen, dem sogenannten „i-Punkt“und einer eindeutigen Buchstaben- bzw. Ziffern-kette, die eindeutig auf die Rezeptur verweist.Unter diesem PI-Element sollten, wann immermöglich, Adresse und Kommunikationsdatender entsprechenden Firma stehen.

9

Abb. 4: Wie ist der richtige Produktname? Identifizierungs-probleme bei einem modernen Geschirrreiniger

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 9

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

10

Abb. 5: BfR-Vorschlag zur einheitlichen Identifizierung

Die Norm gilt für alle Verbraucherprodukte,ausgeschlossen sind lediglich Arzneimittel fürMensch und Tier. Im Sinne der Norm soll derHersteller eigenverantwortlich in diesem Feld eine eindeutige, auf die Rezeptur bezogeneKennzeichnung des Produktes mit einem Identi-fikationselement (I-Element) vornehmen. Er hatdabei die vollständige Freiheit, kann entspre-chende Codierungen verwenden oder verwen-det den Handelsnamen mit eindeutigen Ergän-zungen.

Sinnvoll und nötig wäre aber eine einheitlicheEmpfehlung und Vorgabe zur Gestaltung des I-Elementes für alle Produktkategorien. Nach in-tensiven Überlegungen für ein einfaches undeindeutiges Verfahren schlägt das BfR vor, dasPrinzip der bewährten, etablierten „UBA-Num-mer“ beizubehalten, die durch die Umsetzungder europäischen Detergenzienrichtlinie leideraufgegeben wurde. Die bisherige UBA-Nummerbesteht aus acht Ziffern, wobei die ersten vierZiffern die Firma als Firmencode codieren unddie hinteren vier Ziffern als Rezepturcode vomHersteller, Einführer oder Vertreiber eigenverant-wortlich festgelegt werden.

Vorschlag des BfR Auf der Basis der CEN-Standardisierung schlägtdas BfR für die zukünftige bessere Identifizierungein einheitliches Identifizierungselement vor: be-ginnend mit dem i-Symbol, gefolgt von einemfünfstelligen BfR-Firmencode, einem fünfstelligenHersteller-Rezepturcode und einer codierten Gefahrenkennzeichnung. Wünschenswert wäre,wenn die bisher sehr gut angenommene Kenn-zeichnung von Wasch- und Reinigungsmitteln mitder „UBA-Nummer“ mithilfe der BfR-Empfehlun-gen und Initiativen nicht nur bei Wasch- und Rei-nigungsmitteln weitergeführt wird, sondern zurVerbesserung der Produktsicherheit auch bei an-deren Verbraucherprodukten.

Das BfR setzt sich deshalb für die Umsetzungder Europäischen Norm ein, die nicht nur diepunktgenaue Identifizierung der Rezeptur beiNotfallanfragen ermöglicht, sondern auch zu-sätzlich eine exakte Identifizierung von uner-wünschten gesundheitlichen Produktwirkungen.Auch für Hersteller, Einführer und Vertreiber lie-gen die Vorteile der neuen CEN-Norm auf derHand: Das rezepturgenaue Identifizierungsele-ment kann im Vergleich zum bloßen Handelsna-men helfen, Fehler im Bestellwesen zu minimie-ren und trägt so auch zur Kostenersparnis bei.

Gefahrensymbol

C Xn Xi T T+Firmen-Code

Produkt/RezepturBfR-Firmencode

Gefahrensymbolnach GHS (codiert)

Firmen-Code Produkt/Rezeptur

BfR-Firmencode

C9999912345 X9999912345

Gefahrensymbol

C Xn Xi T T+Firmen-Code

Produkt/RezepturBfR-Firmencode

Gefahrensymbolnach GHS (codiert)

Firmen-Code Produkt/Rezeptur

BfR-Firmencode

C9999912345 X9999912345

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 10

2.1 Auswertung der Meldungen

werden. Seit 2001 ist bei der Anzahl dieser Mel-dungen ein kontinuierlicher Rückgang zu ver-zeichnen, der nach Auskunft des Berufsgenos-senschaftlichen Instituts für Arbeitsschutz (BIA)auf einen tatsächlichen Rückgang der Unfälleund nicht auf ein verändertes Meldeverhaltenzurückzuführen ist. Die Ursachen hierfür sindprophylaktische Aufklärungs- und Informations-kampagnen über das Unfallgeschehen bzw. zurUnfallverhütung, ein verbesserter Arbeits- undUnfallschutz aufgrund effektiverer Sicherheits-maßnahmen sowie Veränderungen von Arbeits-abläufen (z. T. auch Automatisierungen).

11

2 Ergebnisse der ärztlichen Mitteilungen

Im BfR sind vom 1. August 1990, dem Beginnder Meldepflicht, bis zum 31. Dezember 2007insgesamt 52.798 Meldungen zu Gesundheits-störungen, Vergiftungen oder Verdachtsfällenvon Vergiftungen eingegangen. Im Jahr 2007,dem Berichtsjahr, haben wir 4.093 Meldungenerhalten (Abb. 6).

Der Anstieg der Meldungen im Jahr 2000 ergibtsich aus einer Vereinbarung mit den Berufsge-nossenschaften, wonach dem BfR alle akutenGesundheitsbeeinträchtigungen nach Kontaktmit Chemikalien bzw. chemischen Produkten di-rekt von den Berufsgenossenschaften mitgeteilt

Abb. 6: Gemeldete Fälle (BG-Meldungen 100 % = 3.895 Meldungen; Nicht BG-Meldungen 100 % = 198 Meldungen)

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

8.000

9.000

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Nicht BG-Meldungen BG-Meldungen

Anzahl

Jahr

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 11

Auch der Anteil der Meldungen aus Klinik undPraxis ist stark rückläufig. Auswertungen in denGiftinformationszentren zeigen jedoch, dass derAnteil von Gesundheitsstörungen nach Aufnah-me oder Kontakt mit chemischen Produkten,Haushaltschemikalien, Pflanzenschutz- undSchädlingsbekämpfungsmitteln und allen ande-ren Produktgruppen, die unter die Meldepflichtfallen, nach wie vor hoch ist und in keinem Ver-hältnis zur Anzahl der im BfR vorliegenden Mel-dungen steht.

2.2 Vergiftungsmeldungen im Jahr 2007

2.2.1 HerkunftIm Jahr 2007 sind 3.895 Fälle, das entspricht95,2 % aller gemeldeten Fälle, von den Berufs-genossenschaften gemeldet worden. Die ver-bleibenden 198 Meldungen (4,8 %) kamen imWesentlichen aus Klinik, Praxis und Giftinforma-tionszentren.

2.2.2 Spektrum der MeldungenEinen allgemeinen Überblick über das Spek-trum der mitgeteilten Produktgruppen gibt Abb.7. Bei den von den Berufsgenossenschaften ge-meldeten Fällen liegen nach wie vor die Vergif-tungen mit chemischen Produkten und mitGrundsubstanzen an der Spitze. Alle anderenProduktgruppen spielen eine untergeordneteRolle mit einem Anteil von 4,3 % und weniger.

Erwartungsgemäß unterscheidet sich das Spek-trum der zu Vergiftungen führenden Stoffe undProdukte bei den BG-Meldungen und den Mel-dungen aus Klinik und Praxis. Auch bei Letzte-ren liegen im Berichtsjahr die Meldungen zuchemischen Produkten an erster Stelle. Wieauch bei den berufsgenossenschaftlichen Mel-dungen folgt mit deutlichem Abstand die Grup-pe der Grundsubstanzen. Danach kommen dieGesundheitsbeeinträchtigungen durch Speisenund Getränke, Pestizide sowie durch Arzneimit-tel, die uns auch erreichen, obwohl sie nichtmeldepflichtig sind.

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

12

*Andere: Pflanzen,Pilze, Tiere,Tierarzneimittel,Agrochemikalien,Drogen, Waffen,Störfälle, Sonstige

Abb. 7: Spektrum der Mitteilungen (BG-Meldungen 100 % = 3.895 Meldungen;Nicht BG-Meldungen 100 % = 198 Meldungen)

0

10

20

30

40

50

60

70%

Chem

. Pro

dukte

Grund

subst

anze

n

Pestiz

ide

Arznei

mitt

el

Kosmet

ik/H

ygie

nearti

kel

Ander

e*

Speise

n u. G

eträ

nke

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 12

13

Tab. 1: Spektrum der Mitteilungen – tabellarische Übersicht (Mehrfachnennungen von Noxen pro Fall möglich)

BG-Meldungen(100 % = 3.895 Meldungen)

Nicht BG-Meldungen(100 % = 198 Meldungen)

Chemische Produkte 60,6 % (2.359 Fälle) 42,4 % (84 Fälle)

Grundsubstanzen 28,5 % (1.110 Fälle) 21,2 % (42 Fälle)

Arzneimittel 4,3 % (166 Fälle) 8,1 % (16 Fälle)

Pestizide 2,4 % (92 Fälle) 7,6 % (15 Fälle)

Kosmetika/Hygieneprodukte 1,6 % (64 Fälle) 4,0 % (8 Fälle)

Speisen und Getränke 0,7 % (27 Fälle) 11,1 % (22 Fälle)

Agrochemikalien 0,3 % (10 Fälle) 0 % (0 Fälle)

Störfälle 0,2 % (6 Fälle) 0 % (0 Fälle)

Tierarzneimittel 0,1 % (3 Fälle) 0 % (0 Fälle)

Waffen 0,1 % (2 Fälle) 0 % (0 Fälle)

Pfl anzen 0,1 % (3 Fälle) 3,0 % (6 Fälle)

Tiere 0 % (1 Fall) 0,5 % (1 Fall)

Drogen 0 % (0 Fälle) 1,0 % (2 Fälle)

Pilze 0 % (1 Fall) 6,1 % (12 Fälle)Sonstiges 2,8 % (111 Fälle) 0,5 % (1 Fall)

Eine ausführliche Zusammenstellung der Noxenist in tabellarischer Übersicht im Anhang zu fin-den. Hier sind die Fälle des Jahres 2007 nachAnwendungsgruppen (Zuordnung der Noxennach ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch)zusammengefasst.

2.2.3 VergiftungshergangVon den Berufsgenossenschaften sind fast aus-schließlich Giftaufnahmen infolge von Arbeits-unfällen (ca. 97 % der Fälle) gemeldet worden.Bei den verbleibenden 3 % der Fälle handelt es sich um Unfälle bei üblicher Anwendung einesProduktes, eine Verwechslung der Chemikalienoder der Unfallhergang war nicht bekannt.

Bei den Meldungen aus Klinik und Praxis domi-nieren mit 49,5 % die akzidentellen Vergiftun-gen, gefolgt von Exposition durch übliche An-wendung mit 28,3 %. Verwechslungen waren in8,6 % die Ursache, suizidale Handlungen sindin 1,5 % der Fälle gemeldet worden. Bei 1 %der Fälle handelt es sich um einen Abusus. DerRest ist nicht bekannt.

2.2.4 Altersstruktur und GeschlechtIm Jahr 2007 betrug der Anteil der Vergiftungenvon Erwachsenen bei allen Meldungen 98,4 %.Bei den drei gemeldeten Unfällen mit Kindernhandelt es sich um Unfälle in der Schule bzw. imKindergarten.

Bei den Meldungen aus Klinik und Praxis über-wiegt ebenfalls der Anteil der Erwachsenen, derder Kinder beträgt hier jedoch 33 % (Tab. 3).

2.2.5 Schweregrad der GesundheitsstörungAuch im Jahr 2007 lag sowohl bei den Meldun-gen der Berufsgenossenschaften als auch beiden Meldungen aus Klinik und Praxis in derüberwiegenden Zahl der Fälle nur eine leichteGesundheitsstörung vor. Mittelschwere undschwere Gesundheitsstörungen wurden häufi-ger von niedergelassenen oder klinisch tätigenÄrzten gemeldet (Tab. 5).

Die im Hinblick auf den Schweregrad der ge-sundheitlichen Auswirkungen häufigsten Pro-duktgruppen sind in Tab. 6 für die von den Be-

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 13

rufsgenossenschaften gemeldeten Fälle und inTab. 7 für die aus Klinik und Praxis gemeldetenFälle aufgeführt. Natürlicherweise sind die No-xen aus dem beruflichen Umfeld andere als diein den Meldungen aus dem privaten Bereich,da beispielsweise die Verfügbarkeit bestimmterProduktgruppen eine andere ist.

Bei den Baustoffen handelt es sich fast aus-schließlich um Expositionen gegenüber Kalk,Mörtel, Beton u. ä. Produkten, die in Kontakt mitFeuchtigkeit Calciumhydroxid bilden und somitzu Reizungen oder Verätzungen führen können.

Unter der Gruppe „Akkumulatoren” sind Mel-dungen zusammengefasst, bei denen es z. B.durch Explosion zum Austritt von Schwefelsäureaus Autobatterien gekommen ist.

Gesundheitsstörungen bzw. Vergiftungen durchArzneimittel sind nach ChemG nicht melde-pflichtig. Trotzdem erreichen uns von den Be-rufsgenossenschaften Fälle, bei denen es meistauf akzidentellem Wege zu Kontakt, häufigdurch Spritzer von Hautdesinfektionsmitteln insAuge, gekommen ist.

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

14

Tab. 5: Schweregrad der Gesundheitsstörung – tabellarische Übersicht

BG-Meldungen(100 % = 3.895 Meldungen)

Nicht BG-Meldungen(100 % = 198 Meldungen)

Keiner 3,6 % (139 Fälle) 13,6 % (27 Fälle)

Leicht 85,6 % (3.334 Fälle) 56,6 % (112 Fälle)

6,6 % (259 Fälle) 13,6 % (27 Fälle)

Schwer 0,2 % (6 Fälle) 10,1 % (20 Fälle)Nicht zu beurteilen 4,0 % (157 Fälle) 6,1 % (12 Fälle)

BG-Meldungen(100 % = 3.895 Meldungen)

Nicht BG-Meldungen(100 % = 198 Meldungen)

Männlich 59,2 % (2.304 Fälle) 51,0 % (101 Fälle)

Weiblich 27,7 % (1.079 Fälle) 41,4 % (82 Fälle)Unbekannt 13,1 % (512 Fälle) 7,6 % (15 Fälle)

Tab. 4: Geschlecht – tabellarische Übersicht

Tab. 2: Expositionsdauer – tabellarische Übersicht

BG-Meldungen(100 % = 3.895 Meldungen)

Nicht BG-Meldungen(100 % = 198 Meldungen)

Akut 99,9 % (3.892 Fälle) 83,8 % (167 Fälle)

Chronisch 0,1 % (2 Fälle) 7,6 % (15 Fälle)Unbekannt 0 % (1 Fall) 8,1 % (16 Fälle)

BG-Meldungen(100 % = 3.895 Meldungen)

Nicht BG-Meldungen(100 % = 198 Meldungen)

Kinder 0,1 % (3 Fälle) 32,8 % (65 Fälle)Erwachsene 99,9 % (3.892 Fälle) 67,2 % (133 Fälle)

Tab. 3: Altersgruppen – tabellarische Übersicht

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 14

15

GesundheitsstörungProduktgruppe Leicht (3.334 Fälle) Mittelschwer (259 Fälle) Schwer (6 Fälle)

Grundsubstanzen 907 101 3

Reinigungsmittel insgesamt 636 63 1

Abfl ussreiniger 11 2 1Allzweckreiniger 39 2

Backofen- und Grillreiniger

23

Entkalker 13Industriereiniger 56 11Melkmaschinenreiniger 57 8Metallreiniger 20 1Sanitärreiniger 24 2

Desinfektionsmittel 332 13

Arzneimittel 149

Abgase 137 7 1

Anstrichstoffe 128 7

Akkumulatoren 76 4

Baustoffe 99 19Pestizide 81 7

Tab. 6: Häufige Produktgruppen nach Schweregrad der Gesundheitsstörung (BG-Meldungen)

GesundheitsstörungProduktgruppe Leicht (112 Fälle) Mittelschwer (27 Fälle) Schwer (20 Fälle)

Reinigungsmittel insgesamt 15 4 4

Entkalker 1Glasreiniger 1

Backofen- und Grillreiniger

2

Sanitärreiniger 4 1 1Schuh- u. Lederreiniger 1 2 1

Grundsubstanzen 28 5 4

Abgase 1

Primer 1

Bürochemie 10 1

Leuchtstoffmittel 6

Lampenöl 3 1

Pestizide insgesamt 10 3 1

Insektizide 3 2Holzschutzmittel 6

Speisen u. Getränke insgesamt

9 2 5

Alkoholika 1

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 15

2.2.6 Ausgang der GesundheitsstörungBei den Meldungen durch die Berufsgenossen-schaften ist der Ausgang in ca. 41 % der Fällenicht bekannt. Ursache dafür ist, dass uns alsMeldung ganz überwiegend der Bericht desDurchgangsarztes zur Verfügung gestellt wird.Dieser wird in der Regel nach der Erstvorstel-lung des Patienten ausgefüllt. Informationenzum Krankheitsverlauf enthält dieser Berichtdeshalb nicht. In ausgesuchten Fällen wurdezur Klärung des Krankheitsverlaufs nachgefragt.In den Fällen, in denen Informationen vorlagen,kam es meist zur vollständigen Genesung.Bei den Meldungen aus Klinik und Praxis kames in 147 Fällen (74,2 %) zur vollständigen Hei-lung der Patienten. In 32 Fällen (16,2 %) war derFallausgang nicht bekannt, in elf Fällen (5,5 %)waren Spätschäden nicht auszuschließen bzw.kam es zu Defektheilungen. Bei den restlichen 8 Fällen (4,1%) ist der Fallausgang letal.

Im Jahr 2007 sind dem BfR (von den Berufsge-nossenschaften und aus Klinik und Praxis) ins-gesamt neun Todesfälle mitgeteilt worden. Hiereine Übersicht über einige der Todesfälle:� In einem Fall hat ein 31-jähriger Patient aus

unklarer Ursache 400 ml Essigessenz 25%iggetrunken. Im Verlauf entwickelten sich eineHämolyse sowie eine massive Nierenschädi-gung. Letztendlich verstarb der Patient anKreislaufversagen.

� Vier Fälle sind dem BfR aus rechtsmedizini-schen Instituten gemeldet worden, wobei dieUrsachen des Geschehens unklar gebliebensind. In einem Fall wurden verschiedeneNahrungsergänzungsmittel in der unmittelba-ren Umgebung des Toten gefunden, bei denanderen drei Patienten wurden bei der Ob-

duktion Kohlenmonoxid bzw. Blausäure nach-gewiesen.

� Zum Todesfall durch Rostlöser-Spray findensich nähere Informationen in der Kasuistik(Kapitel 3.2.3.5).

� Ein Patient hat Metformin, ein Antidiabetikum,zusammen mit Alkohol in unbekannter Mengeund Ramipril als Dauermedikation eingenom-men. Nach Entwicklung einer schweren Ge-sundheitsstörung ist er letztendlich am Multi-organversagen verstorben.

� Ein besonders tragischer Fall ist der Tod ei-nes Kindes nach Ingestion einer tödlichenMenge Kochsalz.

� Im letzten Todesfall des Jahres 2007 kam eszu einem tragisch verlaufenden Arbeitsunfall.Der Patient atmete Chlorgas ein, woraufhinsich ein Lungenödem entwickelte. Trotz Inten-sivtherapie verstarb der Patient an Multior-ganversagen.

2.3 Produktinformationssystem PRINSDie gesetzlich vorgeschriebenen ärztlichen Mit-teilungen bei Vergiftungen nach dem Chemika-liengesetz (§ 16e Abs. 2) werden zum Schutzder Verbraucher vor gesundheitlicher Gefähr-dung durch Chemikalien und chemische Pro-dukte regelmäßig ausgewertet. Seit 1994 wer-den die meldenden Ärzte, die zuständigen Ministerien und die Fachöffentlichkeit durch Jahresberichte über Analysen und Ergebnisseder ärztlichen Mitteilungen unterrichtet. Dabeiumfasst der Begriff „Vergiftung“ im Rahmen die-ser Mitteilungen alle Gesundheitsbeeinträchti-gungen, die im Zusammenhang mit Chemikalienauftreten, also beispielsweise auch Allergien.In speziellen Fällen werden seit 1998 die Her-steller und Vertreiber von chemischen Produk-

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

16

GesundheitsstörungProduktgruppe Leicht (112 Fälle) Mittelschwer (27 Fälle) Schwer (20 Fälle)

Pilze 5 2 3

Arzneimittel 3 2 3Textilhilfsmittel 2

Tab. 7: Häufige Produktgruppen nach Schweregrad der Gesundheitsstörung (Nicht BG-Meldungen)

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 16

17

ten wie zum Beispiel Haushaltschemikalien,Hobbyprodukten, Kosmetika, Pflanzenschutz-und Schädlingsbekämpfungsmitteln und ge-werblich eingesetzten Erzeugnissen über ge-sundheitliche Beeinträchtigungen im Zusam-menhang mit ihren Erzeugnissen, die dem BfRdurch Fallmeldungen bekannt werden, infor-miert. Zu diesem Zweck wurde ein formales Verfahren (PRINS) eingerichtet. Bei gemeldetenGesundheitsstörungen werden in diesen Fällenje nach Dringlichkeit der eventuell einzuleiten-den Maßnahmen sogenannte Sofortmitteilungenveranlasst. Dieses Vorgehen ermöglicht der Industrie, ihrer Verpflichtung im Sinne der Pro-duktsicherheit unmittelbar nachzukommen. Alleanderen Mitteilungen werden jährlich den o. g.Empfängern summarisch mitgeteilt.

2.3.1 SofortmitteilungenWenn beim BfR Hinweise über schwerwiegen-de gesundheitliche Gefährdungen eingehenund von einer Zubereitung möglicherweise einRisiko ausgeht, werden neben dem Hersteller/Vertreiber dieses chemischen Produktes auchder entsprechende Bundesfachverband sowiedas Bundesamt für Verbraucherschutz umge-hend informiert. Weiterhin erfolgt eine sofortigeMeldung an die drei fachlich zuständigen Mi-

nisterien: an das Bundesministerium für Ernäh-rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz(BMELV), an das Bundesministerium für Um-welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)sowie an das Bundesministerium für Gesund-heit (BMG). Suizide und Fehlanwendungen sindvon der Sofortmitteilung ausgeschlossen.

Zwischen dem 1. Januar 1998 und dem 31. De-zember 2007 sind 26 Sofortmitteilungen bear-beitet und weitergegeben worden. Tab. 8 gibteine Übersicht der vergangenen fünf Jahre.

Im Berichtsjahr 2007 erfolgte eine Sofortmittei-lung. Es handelte sich um einen Vergiftungsun-fall bei einer 46-jährigen Patientin, die nach derBenutzung und Inhalation eines Zelt-Imprägnier-sprays ein toxisches Lungenödem entwickelte.Aufgrund umgehend eingeleiteter effektiverTherapiemaßnahmen gelang ein rascher Rück-gang der Symptomatik und die Patientin konntenach zwei Tagen die Klinik verlassen. Die Ka-suistik ist ausführlich im Kapitel 3.2.3.1 be-schrieben.

Zur Erläuterung der Einzelfälle bis 2006 verwei-sen wir auf die zurückliegenden Jahresberichte.

Jahr Produkt Toxikologisch re-levante Substanz

Betroffener Folgen Vorschlag BfR (V) und Ergebnisse (E)

2002 Sanitärreiniger Tensid Älterer Verätzung V: Aufklärung

2002 Feinwaschmittel Tensid Älterer Tod V: Aufklärung

2003 Reinigungsmittel Tensid Älterer Atem-insuffi zienz

V: Aufklärung

2003 Nahrungsergän-zungsmittel

Proteine Erwachsener Allergie, schwer

V: Aufklärung

2003 Begasungsmittel Sulfuryldifl uorid Erwachsener Tod V: Aufklärung

2003 Abfl ussreiniger Kalilauge Kind Verätzung, schwer

V: Aufklärung

2003 Desinfektions-mittel

Peressigsäure Erwachsener Atem-insuffi zienz

V: Aufklärung

2004 Gartenfackel Paraffi ne, farblos Kleinkind Ateminsuffi -zienz, Tod

V: AufklärungE: aufgenommen

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 17

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

18

2.3.2 Summarische MitteilungenInformationen zu Meldungen von nicht schwer-wiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigun-gen durch chemische Produkte aus dem beruf-lichen und privaten Bereich werden den zustän-digen Herstellern/Vertreibern jeweils im neuenJahr in summarischer Form übermittelt. Seit2003 werden unabhängig von der Schwere derVergiftung die Suizide/Suizidversuche in diesummarischen Mitteilungen aufgenommen. InEinzelfällen erhalten die Hersteller auch bei Fall-meldungen mit schwerwiegenden Gesundheits-störungen nachträglich eine summarische Mit-teilung, falls die Datenlage für eine Sofortmittei-lung nicht ausreichend war.

Die summarischen Mitteilungen enthalten fol-gende Informationen in tabellarischer Form ausden Daten der entsprechenden Fallmeldungensoweit diese Angaben vorhanden sind:� Produktname� Posteingangsdatum der Vergiftungsmeldung

an das BfR� Fallnummer

� anonymisierte Patientenangaben wie Geschlecht und Altersgruppe

� Ätiologie der Vergiftung (z. B. akzidentelloder übliche Anwendung, Abusus oder Verwechslung)

� Expositionsort (beruflich oder privat)� Expositionsdauer (akut oder chronisch)� Schweregrad der gesundheitlichen Beein-

trächtigung nach Einschätzung des BfR

Es führen nur die an das BfR gemeldeten Fällezu einer Mitteilung an die Hersteller, bei denennach Auswertung durch das BfR ein kausalerZusammenhang zwischen der aufgetretenenGesundheitsstörung und dem genannten Pro-dukt mindestens als möglich angesehen wird.Wir informieren ebenso bei Fallmeldungen, indenen der Schweregrad und/oder der Kausal-zusammenhang nicht zu beurteilen ist. Der Her-steller soll auch in diesen Fällen auf eventuelleRisiken, die von seinem Produkt ausgehenkönnten, aufmerksam gemacht werden.

Durch unsere summarischen Mitteilungen erhal-ten die Hersteller und Vertreiber Kenntnis über

Tab. 8: Sofortmitteilungen seit 01.01.2002 bis 31.12.2007

Jahr Produkt Toxikologisch re-levante Substanz

Betroffener Folgen Vorschlag BfR (V) und Ergebnisse (E)

2004 Lampenölleuchte Paraffi ne, farblos KleinkindAteminsuffi -zienz, Tod

V: AufklärungE: aufgenommen

2005 Waschmittel Tensid Älterer Tod Keine

2005 gewerblicher Geschirrspülma-schinenreiniger

Kaliumhydroxid Ältere Verätzung, schwer

Keine

2005 Backmohn Morphin Säugling Atem-insuffi zienz

V: Richtwerte/Höchst-menge, Kontrolle, Maßnahmen zur Senkung des Opiat-gehaltsE: erfolgt

2006 Waschmittel Tensid Ältere Tod Keine

2007 Zelt-Imprägnier-spray

nicht zu entscheiden

Erwachsene Lungenödem V: Untersuchung

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 18

19

Obergruppe Mittelgruppe UntergruppeAgrochemikalien 7

Chemische Produkte 269 Anstrichstoffe 4 Primer 3

Bauhilfsstoffe 5

Bürochemie 5

Desinfektionsmittel 73

Klebstoffe 5

Metallurgiehilfsmittel 3

Schmiermittel 3

Reinigungsmittel 127 Allzweckreiniger 5

Backofen- und Grillreiniger

4

Entkalker 3

Industriereiniger 30

Melkmaschinen-reiniger

20

Sanitärreiniger 17

Schuh- und Lederreiniger

4

Wasserauf-bereitungsmittel

7

Grundsubstanzen 4

Kosmetika/Hygieneprodukte

14 Mund-Zahnpfl egemittel

4

Hautpfl egemittel 8 Creme/Salben/Lotionen

3

Pestizide 31 Herbizide 12

Insektizide 14 Pyrethroide 4

Phosphorsäureester 7Fungizide 4

Tab. 9: Häufige Produktgruppen bei den summarischen Mitteilungen 2007

mögliche Gefahren beim Umgang mit ihren Pro-dukten. In Einzelfällen reicht ihnen diese Kurzin-formation nicht aus, und sie treten zusätzlichschriftlich oder telefonisch mit dem BfR in Kon-takt, um genauere Angaben zum Vergiftungsge-schehen des Einzelfalles zu erlangen.

Nach Auswertung der insgesamt beim BfR ein-gegangenen 4.093 Vergiftungsmeldungen desJahres 2007 führten nach oben erläuterten Kri-terien 325 dieser Meldungen zu einer summari-schen Mitteilung an den betreffenden Hersteller.

Es handelte sich insgesamt um 301 unter-schiedliche Produkte von 140 verschiedenenHerstellern.

Die folgende Tabelle (Tab. 9) zeigt eine Über-sicht der Anwendungsgruppen (jeweils ab dreiNennungen), denen die in den summarischenMitteilungen häufig genannten Produkte zuzu-ordnen sind. Wie in den vergangenen Jahrenbezogen sich die meisten Mitteilungen auf che-mische Produkte (insgesamt 269). Herausra-gend ist die hohe Zahl der Desinfektionsmittel

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 19

(73) und Reinigungsmittel (127). Hinzuweisen istauf die im Vergleich zum Vorjahr noch angestie-gene Zahl der Melkmaschinenreiniger (von 11auf 20).

Bei den insgesamt 325 Fällen, die zu einer sum-marischen Mitteilung an die Hersteller führten,handelte es sich um Gesundheitsstörungen fol-gender Schweregrade:

Die folgende Tabelle (Tab. 11) zeigt die Anzahlder Produkte in den jeweiligen Produktgruppen,die im Zusammenhang mit mittelschweren Ge-sundheitsstörungen benannt wurden (32 Pro-dukte). Daraus ist zu ersehen, dass es sich inca. 10 % der insgesamt 301 Produkte, die inden summarischen Mitteilungen an die Herstel-ler benannt wurden, um einen Zusammenhangmit ernsteren Gesundheitsstörungen handelte.

Bei 22 Fällen der insgesamt 325Vergiftungsmeldungen, die einesummarische Mitteilung an dieHersteller notwendig machten, warder Schweregrad der Gesund-heitsstörung trotz weiterer Recher-che nicht zu beurteilen.

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

20

Obergruppe Mittelgruppe UntergruppeChemische Produkte 22 Anzündprodukte 1

Bauhilfsstoffe 1

Desinfektionsmittel 3

Schmiermittel 1

Reinigungsmittel 13 Geschirrmaschinen-reiniger

1

Industriereiniger 3

Melkmaschinen-reiniger

1

Russentferner 1

Sanitärreiniger 2

Schuh- u. Lederreiniger

2

Sonstige 3

Sonstige 3

Grundsubstanzen 1

Kosmetika/Hygieneprodukte

4 Hautpfl egemittel 2 Creme/Salben/Lotionen

2

Haarpfl egemittel 1 Haarfärbemittel 1

Mund- und Zahnpfl egemittel

1

Pestizide 5 Insektizide 2 Phosphorsäureester 1

Herbizide 2Fungizide 1

Schweregrad der Gesundheitsstörung Anzahl der FälleLeicht 266

Mittelschwer 32

Schwer 5Nicht zu beurteilen 22

Tab. 10: Schweregrad der summarischen Mitteilungen 2007

Tab. 11: Mittelschwere Gesundheitsstörung bei Produktgruppen der summarischen Mitteilungen 2007

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 20

ren des Produktes informiert, wie zum Beispielbei der Fallserie mit „Nano-Versiegelungs-sprays“ im Jahr 2006.

Das BfR analysiert Daten zu Fallmeldungen auchkumulativ. Zeichnen sich Trends ab, werden dieHersteller der jeweiligen Produkte informiert. DasBfR fordert die Hersteller im Gegenzug auf, demInstitut vergleichbare Daten und Trends im Sinneder Produktsicherheit mitzuteilen.

21

In fünf Fällen schickten wir auch bei schwerenGesundheitsstörungen summarische Mitteilun-gen an die betroffenen Hersteller: Überein-kunftsgemäß wurde der Fall eines Suizidversu-ches mit einem Desinfektionsmittel mitgeteilt,ein weiterer Fall betraf eine Verwechslung miteinem Reinigungsmittel. In drei Fällen wurdenuns Unfälle erst im Folgejahr gemeldet, der Her-steller war jedoch bereits im Rahmen der Sofort-mitteilungen über mögliche Gesundheitsgefah-

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 21

3 Ausgewählte toxikologische Fragestellungen

Unwohlsein sowie Hautausschlag bzw. Juck-reiz genannt.

� Zu dem als Alternative zu Methylbromid emp-fohlenen Stoff Sulfuryldifluorid liegen demBfR acht Meldungen vor. Diese erfolgtennach Begasungen, aber nicht im Zusammen-hang mit Containern.

Das Gemeinsame Giftinformationszentrum(GGIZ) in Erfurt machte uns im September 2007auf Vergiftungen mit Methylbromid aufmerksamund meldete in dem Zusammenhang zwei der indiesem Kapitel vorgestellten Fälle (Kasuistiken).

Das BfR hat dieses Problem aufgegriffen undEnde Dezember 2007 eine Zentrenumfrage beiden Giftinformationszentren (GIZ) in Deutsch-land (neun Zentren), der Schweiz, Österreichund Frankreich veranlasst. Es wurde gefragt, obseit dem Jahr 2000 Anfragen zu begasten Con-tainern aufgetreten sind und ob bei der Anzahlsolcher Anfragen ein zunehmender Trend zuverzeichnen ist. Als mögliche Wirkstoffe wurdenChlorpikrin, 1,2-Dichlorethan, Methylbromid undSulfuryldifluorid erwähnt. Weiterhin baten wir umAngaben zur Symptomatik und zum Schwere-grad der Vergiftung. Sechs von zwölf Giftinfor-mationszentren beantworteten dieses Schrei-ben:� Das GIZ in Bonn hatte keine Anfragen dazu.� Im Berliner Giftnotruf wurden 2003 zwei Fäl-

le, 2006 ein Expositionsfall und 2007 zweiFälle registriert.

� Vom GGIZ-Erfurt waren zuvor schon Hinwei-se zu zwei Vergiftungsfällen an das BfR ge-geben worden (siehe oben), zu diesen kamnach der Umfrage noch ein weiterer hinzu.

� Aus dem GIZ in Freiburg kamen Informatio-nen zu acht Vergiftungsfällen, zwei in 2002,einem in 2005, drei in 2006 und zwei in 2007.Die Fälle stammten aus fünf Vergiftungser-eignissen mit insgesamt 32 betroffenen Per-sonen.

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

22

3.1 Containerbegasung mit MethylbromidGesundheitliche Risiken im Zusammenhang mitder Begasung von Containern wurden in denvergangenen Jahren zunehmend diskutiert.Öffentliche Aufmerksamkeit für dieses Prob-lem in Deutschland zeigte sich u. a. in einem SPIEGEL-Artikel. In diesem Artikel wurden zurBegasung von Containern drei Stoffe beson-ders erwähnt: Chlorpikrin (oder auch Grün-kreuz), 1,2-Dichlorethan und Methylbromid.

Eine Auswertung unserer Daten ergab, dassdem BfR im Rahmen der ärztlichen Meldungenzu Vergiftungen nach §16e ChemG seit Beginnder Meldepflicht am 1. August 1990 bis 31. De-zember 2007 insgesamt 22 Fälle zu o. g. Sub-stanzen gemeldet wurden:

Chlorpikrin 0 Fälle1,2-Dichlorethan 8 FälleMethylbromid 14 Fälle

� Chlorpikrin (Trichlornitromethan oder Nitro-chloroform) ist ein Lungenkampfstoff, der wiePhosgen auch unter der Bezeichnung Grün-kreuz bekannt geworden ist und in Grün-kreuzgranaten enthalten war. Dazu liegen unskeine Fallmeldungen vor.

� Die Meldungen zu 1,2-Dichlorethan (Ethylen-dichlorid) beziehen sich auf Unfälle im Be-reich der chemischen Industrie oder derLandwirtschaft und den unmittelbaren Kon-takt der Patienten mit geringen Mengen die-ses Stoffes.

� Zu Methylbromid oder auch Brommethansind uns bis Ende 2007 die meisten Fälle ge-meldet worden. In allen ist der Schweregradder Gesundheitsstörung als leicht einzustu-fen. Es wurde vor allem über Reizungen derSchleimhäute des oberen Atemtraktes undder Augen berichtet: trockener Mund, Hals-kratzen, Husten, Augentränen. Gehäuft wur-den auch Kopfschmerzen, Schwindel und

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 22

gung mit einem „unbekannten Gas“ gemel-det, ohne Benennung eines konkreten Gift-namens. Diese Meldungen lassen sich beiNacherhebungen durch BfR oder Vergif-tungszentren keiner konkreten Exposition zuordnen.

� Die behandelnden Ärzte sind über diese Pro-blematik nicht ausreichend informiert. Bei derAnamneseerhebung wird sie möglicherweisenicht berücksichtigt. Beschwerden werdennicht mit einer Exposition durch Begasungs-mittel in Zusammenhang gebracht und einemanderen Krankheitsbild zugeordnet.

� Die Meldemoral der behandelnden Ärzte inPraxis und Klinik ist schlecht. Gründe dafürkönnten die fehlende Honorierung einer Mel-dung, Überlastung mit akuten Problemenoder Unkenntnis des §16e ChemG sein.

� Die Arbeitnehmer sind nicht für diese Proble-matik sensibilisiert. Über eine Begasung undihre Risiken sind sie eventuell nicht informiertund bringen ihre gesundheitlichen Beschwer-den damit nicht in Zusammenhang. Ein Arztwird nicht konsultiert, es kann keine Meldungerfolgen.

Das BfR wird sich mit dem Thema weiterhin be-schäftigen und sich um intensive Aufklärung derBevölkerung bemühen.

Hinweise:Methylbromid bzw. Brommethan ist ein farb-und geruchloses Gas. Eine Überschreitung des

23

� In dem Schweizer Giftinformationszentrumwaren insgesamt acht Anfragen zu dieserProblematik zu verzeichnen, sechs davon al-lerdings schon 1999 mit Methylbromid undPhosphin, ein Fall 2003 und eine Anfrage2006 (keine Vergiftung).

� Vom Giftinformationszentrum Nord in Göttin-gen wurden 79 Expositionsfälle und 36 pro-phylaktische Anfragen gemeldet (Anteil derContainerbegasungen hier unklar): Zu Phos-phin 40 Expositionsfälle sowie zehn prophy-laktische Anfragen, zu Cyanwasserstoff 20Expositionsfälle sowie 17 prophylaktische Anfragen, zu Methylbromid 13 Expositionsfäl-le sowie zwei prophylaktische Anfragen, zu1,2-Dichlorethan sechs Expositionsfälle sowiekeine prophylaktische Anfrage, zu Sulfuryldi-fluorid kein Expositionsfall sowie sieben pro-phylaktische Anfragen und zu Chlorpikrin keine Expositionsfälle oder Anfragen.

� Vom Giftnotruf München wurde mündlichüber 32 weitere Fälle berichtet, die sich imSeptember 2007 während einer Messe beimAuspacken von Maschinenteilen aus Indienereigneten (ein weiterer Fall dieses Unfallswird als Beispiel in diesem Kapitel vorge-stellt). Alle Patienten hatten nur leichte Symp-tome, wurden aber zur Beobachtung in einerKlinik aufgenommen. Am nächsten Tag konn-ten alle Patienten beschwerdefrei entlassenwerden. Eine Messung der Bromidadduktebei den Patienten zeigte im Prinzip Normal-werte. In den asservierten Holzproben ge-lang kein Nachweis von Methylbromid. Zubedenken ist dabei aber, dass zwischen Auf-treten der Beschwerden und Probeentnah-men ein längerer Zeitraum lag, der ein Aus-gasen des Wirkstoffes ermöglichte.

Generell ist bei der Häufigkeitserhebung vonVergiftungen durch begaste Container aus fol-genden Gründen von einer hohen Untererfas-sung auszugehen:� Da viele Container nicht gekennzeichnet

sind, ist eine Noxenzuordnung nicht möglich.Es wird z. B. eine Gesundheitsbeeinträchti-

Abb. 8: Containeröffnung zum Belüften

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 23

Arbeitsplatzgrenzwertes ist durch den Geruchnicht feststellbar. Oft wird deshalb ein Odorie-rungsmittel beigesetzt, um eine gewisse Signal-bzw. Warnwirkung zu erzielen. Aufgrund seinerGiftigkeit wird es zur Schädlingsbekämpfung,besonders zur Begasung von Containern, zurBekämpfung tierischer Holzschädlinge z. B. imBauwesen sowie zur Entwesung von Boden ein-gesetzt. Methylbromid wirkt zerstörend auf dieOzonschicht. Seine Anwendung wurde deshalbim Montreal-Protokoll begrenzt. Es darf seit dem1. September 2006 in Deutschland nicht mehrals Begasungsmittel eingesetzt werden.Um die Einfuhr von Schädlingen zu verhindern,hat allerdings die International Plant ProtectionConvention (IPPC), eine untergeordnete Orga-nisation der Food and Agriculture Organisation(FAO) der UN, für den internationalen Versandvon Verpackungen aus Vollholz die ISPM 15 (International Standards for Phytosanitary Measures) “Guidelines for Regulating Wood Packaging Material in International Trade” erlas-sen. Diese schreiben die Behandlung von Ver-packungsholz mit Methylbromid oder Hitze vor.Obwohl Holz im Überseeexport von Deutsch-land inzwischen ausschließlich hitzebehandeltwird, ist bei Importen aus dem außereuropäi-schen Ausland, insbesondere aus dem asiati-schen Raum, weiterhin mit Methylbromid be-gasten Containern zu rechnen. Diese müssennach den gültigen Vorschriften der InternationalMaritime Organisation (IMO) zwar als begastgekennzeichnet werden, in der Praxis fehlt diese Kennzeichnung aber häufig. Personen,die Import-Container öffnen, entladen oder da-rin enthaltene Waren auspacken, können daherunwissentlich gegenüber Methylbromid expo-niert werden.

KasuistikenBerufliche inhalative chronische Methyl-bromidexposition im Zusammenhang mitContainerbegasungEine Patientin war aufgrund ihrer beruflichenTätigkeit häufig begasten Containern aus

dem Ausland ausgesetzt. Es muss deshalbvon einem längerfristigen Kontaktzeitraumausgegangen werden. Als Begasungsmittelwurde Methylbromid angegeben. Über Ar-beitsschutzmaßnahmen informierte man diePatientin nicht. Seit dem letzten Kontakt an einem Freitag klagte sie über ausgeprägteHeiserkeit und ein Brennen aller Schleimhäu-te, den Genitalbereich inbegriffen. Weil dieBeschwerden nicht nachließen, suchte sie am Montag die Notfallambulanz eines Kran-kenhauses auf.

Symptome/Verlauf:In der Klinik bestand weiterhin Heiserkeit unddie Patientin gab brennende Schmerzen aufder Haut an. Von dem Krankenhaus wurdeein Giftnotrufzentrum um Rat gefragt, welcheseine dermatologische, neurologische undophthalmologische Diagnostik empfahl. Umentsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen zutreffen, sollte Kontakt mit dem Betriebsarztaufgenommen werden. Über den weiterenVerlauf ist dem BfR nicht berichtet worden.

Bewertung des Falles:Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwi-schen Exposition und Auftreten von Symptomenist bei Fehlen anderer Ursachen eine leichteMethylbromidintoxikation als wahrscheinlich an-zunehmen.

Berufliche inhalative Methylbromidexposi-tion im Zusammenhang mit Containerbe-gasungEin 35-jähriger Arbeiter hatte den ganzen Tagin einer geschlossenen Messehalle Containerausgepackt. In den Containern befanden sichMaschinenteile in Holzkisten aus Indien. ZumSchutz vor Schädlingsbefall wurden sie lautAussage der Speditionsfirma mit Methylbro-mid begast. Wegen Termindrucks konnte dieempfohlene Wartezeit zur Entlüftung nicht ein-

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

24

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 24

gehalten werden. Mehrere Arbeiter nahmenwährend dieser Auspackarbeiten einen un-angenehmen Geruch wahr und klagten überleichte Beschwerden, wie Kopfschmerzen,Kratzen im Hals und generalisiertes Haut-jucken.

Der Patient klagte im Anschluss daran überSchwindelgefühl und Zuckungen im Ober-schenkelbereich. Ein infektbedingter Hustenbestand bereits vor Exposition. Drei Tagespäter suchte der Patient in seinem Heimatorteine Klinik auf, weil er seine Beschwerden inZusammenhang mit der Containerbegasungbrachte. In der Presse und im Internet hatteer sich über mögliche Symptome bei Vergif-tungen mit Methylbromid informiert.

Symptome/Verlauf:Das aufgesuchte Krankenhaus nahm Kontaktmit einem Giftinformationszentrum auf. Eswurde eine eingehende körperliche Untersu-chung und ein EKG empfohlen. Die Therapieerfolgte ambulant. Über den weiteren Verlaufist uns nichts bekannt.

Bewertung des Falles:Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwi-schen Exposition und Auftreten von Symptomenist bei Fehlen anderer Ursachen eine leichteMethylbromidintoxikation als möglich anzu-nehmen. Zusätzlich und schon vor Exposition bestand ein Infekt der oberen Luftwege mit Husten.

Berufliche inhalative Methylbromidexposi-tion im Zusammenhang mit Containerbe-gasungEin 44-jähriger Arbeiter hatte im März 2007 einen begasten Container mit Holzproduktenentladen und war über drei Stunden dem Gasausgesetzt. Der Container wurde mit Methyl-bromid begast und war vor dem Entladen

nicht ausreichend entlüftet worden. Der Pa-tient klagte im Anschluss über Hustenreiz undSchwindelgefühl und begab sich in ärztlicheBehandlung.

Symptome/Verlauf:Bei der Aufnahmeuntersuchung konnte einunauffälliger Auskultationsbefund der Lungeerhoben werden, die Kreislaufparameter la-gen ebenso im Normbereich. Radiologischstellte sich ein altersentsprechender Lungen-befund dar. Das aufgesuchte Krankenhausnahm Kontakt mit einem Giftinformationszen-trum auf. Es wurde eine stationäre Überwa-chung empfohlen. Zur Prophylaxe eines toxi-schen Lungenödems erhielt der Patient ein lo-kales Corticoidspray. Außerdem wurde eineInfusionstherapie zum Flüssigkeitsausgleichdurchgeführt.

Bewertung des Falles:Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwi-schen Exposition und Auftreten von typischenSymptomen ist bei Fehlen anderer Ursachen eine leichte Methylbromidintoxikation als wahr-scheinlich anzunehmen.

Hinweise für alle drei vorgestellten Fälle:Methylbromid ist hochgiftig und kann inhalativoder dermal (Kontaktgift) resorbiert werden.Es wirkt reizend auf die Haut, Augen und Atem-wege. Lokal treten an den Augen Rötungen,Schmerzen, verschwommener Blick mit vorüber-gehender Sehstörung und Bindehautentzün-dungen auf.

Dermal bewirkt der Stoff Hautrötungen,Schmerzen, Verätzungen, ein brennendes Gefühl sowie Schorf- und Blasenbildungen.

Eine inhalative Aufnahme verursacht Übelkeit,Erbrechen, abdominelle Schmerzen, Cephal-gien, Schwindel, Müdigkeit, Verwirrung, Halluzi-nationen, Sprachstörungen, Mattigkeit, Koordi-

25

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 25

nationsstörungen, Muskelspasmen und Dys-pnoe, im schlimmsten Fall mit Lungenödem. Ho-he Konzentrationen können zu Bewusstseinsstö-rungen und Bewusstlosigkeit mit letalem Aus-gang führen. Die Symptome setzen meist erstnach einer Latenzzeit ein. Wiederholte oder län-ger andauernde Einwirkung kann Lunge, Leber,Herz und das Zentralnervensystem schädigen.

Nach Kontakt sollte der Patient mit umluftunab-hängigem Atemschutz aus der kontaminiertenUmgebung geborgen werden. Eine Dekontami-nation durch Wechsel der Kleidung und Du-schen bzw. Abspülen der betroffen Areale mitWasser hat zu erfolgen. Zur Prophylaxe des toxischen Lungenödems sollte bei Patienten mitpulmonalen Symptomen eine frühestmöglicheGlukokortikoidgabe erfolgen, entweder inhalativals FCKW-freies Spray (z. B. Budenosid) mit Inhalierhilfe oder hochdosiert intravenös bei Verdacht auf massive Exposition (vorzugsweiseMethylprednisolon). In schweren Fällen kann ei-ne Sauerstoffgabe und Beatmung erforderlichwerden. Die weitere Therapie ist symptom-orientiert. Eine klinische Überwachung muss in jedem Fall angeschlossen werden.

Beim Umgang mit diesem Stoff sind als Vor-sichtsmaßnahmen das Tragen einer Schutzbrilleund kälteisolierender Schutzhandschuhe anzu-raten. Die Technische Regel für Gefahrstoffe(TRGS) 512 „Begasungen“ schreibt einen ge-eigneten Atemschutz, das heißt die Verwendungeiner Vollschutzmaske mit ausreichendem Filter,vor.

3.2 Kasuistiken – ausgewählt nach Weg derAufnahme

3.2.1 Aufnahme über die Haut

Hinweise zu den nachfolgend vorgestelltenHauterkrankungen:Im Folgenden werden einige Kasuistiken zuKontaktekzemen vorgestellt. Zum besserenVerständnis vorab einige Hinweise:

Als Kontaktdermatitis bzw. Kontaktekzem be-zeichnet man akute oder chronische, oberfläch-liche entzündliche Hauterkrankungen.

Sie werden nicht allergisches Kontaktekzemgenannt, wenn sie Folge akut oder kumulativ to-xischer physikalischer oder chemischer Einwir-kungen sind. Ein nicht allergisches Kontaktek-zem ist z. B. die akut-toxische Kontaktdermatitisnach Exposition mit UV-Strahlen (Dermatitis so-laris), Säuren oder Laugen. Beispiel für ein ku-mulativ-toxisches Kontaktekzem ist die Windel-dermatitis im Kindesalter. Ansonsten wird dieserEkzemtyp nur bei Erwachsenen durch kumulativtoxische Reize ausgelöst. Am Ort der Einwir-kung kommt es zur Rötung und Schwellung derHaut.

Ein allergisches Kontaktekzem tritt dagegenaufgrund erworbener zellvermittelter Allergie ge-gen definierte Kontaktstoffe auf. Das allergischeKontaktekzem ist also eine besondere Ausprä-gungsform einer Allergie und gehört zu der ver-zögerten Überempfindlichkeitsreaktion. Es istder klassische Vertreter der Typ IV-Reaktionnach Coombs und Gell und tritt überwiegend imjugendlichen und Erwachsenenalter auf.

Man kann davon ausgehen, dass die Häufigkeitvon Sensibilisierungen kontinuierlich ansteigt.Nickel und Duftstoffe sind häufige sensibilisie-rende Substanzen. Als Auslöser sind meist in-komplette Antigene, sogenannte Haptene, be-vorzugt fettlösliche Substanzen mit niedrigerMolekülmasse, verantwortlich zu machen. Dieselagern sich in der Epidermis an Proteine an undwerden somit zum Vollantigen. Dieses aktiviertLangerhanszellen, welche Zytokine produzie-ren. Eine Umwandlung in Lymphozyten und de-ren Vermehrung folgt. Als Gedächtniszellen wer-den sie in kleinste Blutgefäße der Haut eingela-gert. Die Sensibilisierung dauert etwa acht bis21 Tage und verläuft meist asymptomatisch.Erst nach einem Zweitkontakt wandeln sich dieantigenspezifischen Gedächtniszellen in soge-nannte Effektorzellen um und erzeugen wieder-

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

26

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 26

um verschiedene Botenstoffe. Es kommt zumEinwandern weiterer Entzündungszellen mit Stö-rung der epidermalen Barrierefunktion undüberschießender kutaner Entzündungsreaktion.Nach Kontakt mit Substanzen, gegen die einezellvermittelte Allergie besteht, kommt es anden Kontaktstellen zu Erythemen, Ödemen und Papulovesikeln, z. T. zu nässenden Erosio-nen, Krustenbildungen und sekundär zu Kratz-effekten.

Die Diagnose ergibt sich aus der Anamnese,den ekzematösen Hautveränderungen und dertypischen Lokalisation. Besteht ein konkreterVerdacht, welcher Stoff die Kontaktallergie aus-gelöst haben könnte, wird ein industriell gefer-tigter standardisierter Pflastertest (Epikutantest)veranlasst. Dabei wird das Allergen mit einemPflaster für 48 Stunden auf die Haut aufge-bracht und die Reaktion nach 48 und 72 Stun-den abgelesen. Hat sich ein Infiltrat gebildet,gilt der Test als positiv.

Bei der Behandlung ist die Ausschaltung derNoxe bzw. des Allergens, die Allergenkarenz,die wichtigste Maßnahme. Eine Hyposensibili-sierung, wie sie bei Inhalationsallergien durch-geführt wird, hat sich hierbei noch nicht etab-liert. Das Ekzem muss somit symptomorientiertbehandelt werden. Mittel der Wahl für die initialelokale Therapie sind Kortikosteroide. Nach Ab-klingen der Entzündungserscheinungen schließtsich eine pflegend-stabilisierende Hautbehand-lung an. Nässende Areale werden mit feuchtenUmschlägen und wasserhaltigen Salben, chro-nisch trockene Veränderungen mit Fettcremestherapiert.

Die Sensibilisierungen halten auch bei konse-quenter Allergenkarenz oft mehr als zehn Jahrean. Erneute Exposition führt wieder zu Sympto-men. Prognostisch ist somit eine definitive Hei-lung eher unwahrscheinlich.

3.2.1.1 Allergisches Kontaktekzem

Allergisches Kontaktekzem nach Benut-zung eines Anti-Falten-ProduktsEin 51-jähriger Arzt benutzte über einen Zeit-raum von etwa einem Jahr ein kosmetischesProdukt, um seine Mimikfalten in der Augen-region zu behandeln. Zu diesem Zweck truger zweimal täglich (bis auf gelegentliche ta-

27

Abb. 9: Rechtes Auge vorAnwendung des Anti-Fal-ten-Produktes

Abb. 10: Linkes Auge vorAnwendung des Anti-Fal-ten-Produktes

Abb. 11: AllergischesKontaktekzem nach Be-nutzung eines Anti-Falten-Produkts – rechtes Auge

Abb. 12: AllergischesKontaktekzem nach Be-nutzung eines Anti-Falten-Produkts – linkes Auge

geweise Unterbrechungen) dieses Präparatauf beide Ober- und Unterlider auf und ver-rieb es leicht, wie in der Gebrauchsanwei-sung angegeben. Elf Monate nach Erstan-wendung bemerkte er Juckreiz sowie Bren-nen und eine Rötung der behandelten Haut.Diese Symptomatik nahm weiterhin zu undstatt zu reduzieren, verstärkte sich die Falten-bildung. Zusätzlich entwickelte sich eine Des-quamation (Abstoßung der obersten, verhorn-ten Schichten der Haut unter Bildung vonHautschuppen). Die Behandlung beendete erdeshalb drei Tage später. In der Anamnesedes Betroffenen sind keine sonstigen Erkran-kungen bekannt. Medikamente, Dermatika,Salben oder andere Kosmetika etc. wurdenebenfalls nicht eingenommen oder benutzt.

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 27

Symptome/Verlauf:Der Arzt behandelte sich selber mit 0,5%igenhydrocortisonhaltigen Zubereitungen lokalund systemisch mit Prednisolon-Tabletten ineiner Dosierung von 15 mg täglich über einenZeitraum von drei Tagen. Die Symptomatikbesserte sich unter dieser Therapie deutlich,so dass die Behandlung beendet werdenkonnte. Im Anschluss daran war der Patientweitgehend beschwerdefrei und es kam imweiteren Verlauf zur Symptomfreiheit.

Hinweise:Es ist im vorliegenden Fall davon auszugehen,dass es sich um ein allergisches Kontaktekzemgehandelt hat. Nach einer Sensibilisierungszeitkam es bei wiederholtem Kontakt zu den typi-schen Symptomen. Allergenkarenz und eineentsprechende Behandlung mit Steroiden führ-ten zur Symptomfreiheit.

Bewertung des Falles:Aufgrund der Angaben zum zeitlichen Zusam-menhang zwischen Allergenkontakt und Auftre-ten von Symptomen ist im vorliegenden Fall beiFehlen anderer Ursachen ein ursächlicher Zu-sammenhang wahrscheinlich.

3.2.1.2 Nicht allergische Kontaktekzeme

Starke Entzündungsreaktion mit Narben-bildung nach Anwendung eines Tattoo-bzw. Tätowierungs-Entferners Ein 28-jähriger Patient ließ bei sich eine Täto-wierungsentfernung vornehmen. Diese solltedurch Injektion eines uns unbekannten Stof-fes in die Haut erfolgen. In den Medien (Pres-se und Fernsehen) wurde dieses Verfahrenals neuestes und harmloses Vorgehen zurTattoo-Entfernung angepriesen. Die Wirk-substanz wurde nicht klargelegt. Angeblichwird diese Behandlung nur von einem Tattoo-entferner in Deutschland vorgenommen, der

die Substanz zu diesem Zweck aus Englandimportiert.

Symptome/Verlauf:Im Rahmen des Entfernungsversuchs tratenbei dem Patienten starke Entzündungsreak-tionen der Haut mit hügeligen Narbenbildun-gen auf. Darunter waren noch dunkle Anteiledes bisherigen Tattoos sichtbar. Der Patientstellte sich zur weiteren Entfernungsbehand-lung in einem Laserzentrum vor. Auf der Hautüber dem ehemaligen Tattoo imponiertenzahlreiche Narben, die wahrscheinlich nichtwieder entfernt werden können. Über denweiteren Verlauf ist uns nichts bekannt.

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

28

Abb. 13, Abb. 14, Abb. 15: Starke Entzündungsreaktionmit Narbenbildung nach Anwendung eines Tattoo-Ent-ferners

Abb. 13

Abb. 14

Abb. 15

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 28

Bewertung des Falles:Aufgrund der Angaben zum zeitlichen Zusam-menhang zwischen der Applikation der Sub-stanz und dem Auftreten von Symptomen ist imvorliegenden Fall bei Fehlen anderer Ursachenein ursächlicher Zusammenhang mit der Täto-wierungsentfernung wahrscheinlich.

Starke Entzündungsreaktion mit Narben-bildung nach Anwendung eines Perma-nent-Make-up-EntfernersEine 55-jährige Patientin, selbst Kosmetikerin,hatte bei sich vor acht Jahren im Bereich derAugenbrauen ein Permanent-Make-up durch-führen lassen. Weil sie damit unzufrieden war,ließ sie es sich von einer Permanent-Make-up-Designerin entfernen. Der von ihr zu diesemZweck erworbene Tattoo- und Permanent-Make-up-Entferner wurde vorschriftsmäßigangewandt und subkutan appliziert. Er ent-hielt laut Herstellerangaben bestimmteFruchtsäuren, die zu einer Entfernung desPermanent-Make-ups führen sollten. Uns sinddie Inhaltsstoffe dieses Removers nicht be-kannt.

Nach der Behandlung kam es zu einer massi-ven eitrigen Entzündung im Bereich der Au-genbrauen. Die Patientin klagte über Schwel-lungen, Juckreiz, Brennen, heftige Kopf-schmerzen und stark entzündete Augen. Sieversuchte, ihre Beschwerden mit lokalen Eis-packungen zu lindern, wie es ihr der Verkäu-fer des Produktes empfahl, und suchte einenniedergelassenen Hautarzt auf.

Symptome/Verlauf:Bei der Vorstellung in der Hautarztpraxis be-standen bei der Patientin stark entzündlicheund nässende Hautveränderungen im Be-reich der Augenbrauen. Es wurde die Diag-nose einer toxischen Kontaktdermatitis aufden Remover gestellt. Die Behandlung erfolg-te lokal mit einer antibiotika- und cortisonhalti-gen Creme. Zwei Wochen danach waren an

dieser Stelle noch massive Verhornungen undKrustenbildungen vorhanden, die sich teilwei-se superinfiziert hatten. Zusätzlich fiel eineleichte Schwellung im Augenlidbereich auf.Auch zwei Monate nach dem Entfernungsver-such war die Patientin noch nicht schmerzfrei.Im Bereich der Augenbrauen stellten sichzwei fleischfarbene, juckende Narben dar.Unklar bleibt, ob sich dieser Zustand behe-ben lässt. Diese Entstellung belastete die Pa-tientin psychisch sehr und stellt für sie einenerheblichen Leidensdruck dar.

Bewertung des Falles:Aufgrund der Angaben zum zeitlichen Zusam-menhang zwischen der Applikation der Sub-stanz und dem Auftreten von Symptomen ist imvorliegenden Fall bei Fehlen anderer Ursachenein ursächlicher Zusammenhang wahrschein-lich.

Hinweise für beide Fälle (Tätowierungs- undPermanent-Make-up-Entferner):Bei den Inhaltsstoffen des Tätowierungs- undPermanent-Make-up-Entferners, sogenanntenTattooentfernern, handelt es sich möglicherwei-se aufgrund des Verwendungszwecks um ag-gressive Substanzen, die eine Hautschädigung(nicht allergisches Kontaktekzem) bewirken.Diese beiden Fälle könnten hier eingeordnetwerden.

Wird ein Präparat injiziert, besteht bei einer Be-handlung unter nicht sterilen Kautelen ebensodie Möglichkeit der Verschleppung von patho-genen Keimen. Die Gefahr einer Infektion wirddadurch begünstigt.

Ob in den vorliegenden Fällen ein aggressiverInhaltsstoff des Tattooentferners zu einer akut-toxischen Kontaktdermatitis geführt hat oder ei-ne Infektion aufgrund nicht steriler Arbeitsbedin-gungen für die Hautschädigung verantwortlichzu machen ist, bleibt unklar.

29

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 29

3.2.1.3 Nicht einzustufendes Kontaktekzem

Kontaktekzem nach Anwendung von Her-bizidenEin 41-jähriger Patient hatte im Rahmen sei-ner beruflichen Tätigkeit tagsüber zwei Spritz-mittel ausgebracht. Eines enthielt als WirkstoffAmidosulfuron, einen Sulfonylharnstoff, dasandere Herbizid beinhaltete Ioxynil sowie Na-triumhydroxid, das in einer ätzenden Konzen-tration vorlag. Hände und Arme waren dabeiunbedeckt. Am Nachmittag traten an beidenHänden und Armen Bläschen auf, die an eineSonnenallergie erinnerten. Über Nacht ver-schlechterte sich der Zustand des Patienten,er klagte über starke Schmerzen. An den ex-ponierten Körperpartien (beide Arme undHände) entwickelten sich zusätzlich Blutbla-sen. Es wurde ein Arzt aufgesucht. Ob zuvorschon einmal Kontakt mit diesen beiden Sub-stanzen stattgefunden hatte, ist uns nicht be-kannt. Über die bisherige Eigenanamnese so-wie über die Familienanamnese können hierebenso keine Aussagen gemacht werden.

Symptome/Verlauf:Der hinzugezogene Hautarzt behandelte denPatienten mit Cortison. Mehr ist über den wei-

teren Verlauf nicht berichtet worden, insbe-sondere liegen keine Angaben vor, ob einEpikutantest erfolgte.

Hinweise:Ob im hier vorliegenden Fall ein Kontaktekzemals Folge akut toxischer chemischer Einwirkung(Inhaltsstoff Natriumhydroxid) oder eine Kon-taktallergie Typ IV nach Coombs und Gell (Be-handlung mit Cortison) vorliegt, lässt sich mitden uns gemeldeten Angaben nicht klären.

Bewertung des Falles:Aufgrund der Angaben zum zeitlichen Zusam-menhang zwischen Kontakt mit den Produktenund dem Auftreten von Symptomen ist im vorlie-genden Fall bei Fehlen anderer Ursachen einursächlicher Zusammenhang wahrscheinlich.

3.2.1.4 Sonderformen

Wiesengräserdermatitis durch Bärenklau-KontaktEin 25-jähriger Schlosser kam im Rahmen sei-ner beruflichen Tätigkeit im Entsorgungsver-band bei Mäharbeiten mit Bärenklau in Be-rührung. Um welche Heracleumart es sichhandelte, um den Wiesen- oder um den Rie-senbärenklau, ist uns nicht bekannt. Er entwi-ckelte Hautsymptome und stellte sich des-halb bei einem Arzt vor.

Symptome/Verlauf:Vom Durchgangsarzt wurde die DiagnoseKontaktdermatitis durch Bärenklau gestellt.Nach ambulanter ärztlicher Behandlung kames zur Abheilung. Genauere Informationen zudiesem Fall liegen uns nicht vor.

Hinweise:Sowohl der Riesenbärenklau (botanischer NameHeracleum mantegazzianum) als auch der Wie-senbärenklau (botanischer Name Heracleum

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

30

Abb. 16. Kontaktekzem nach Anwendung vonHerbiziden

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 30

spondylium) gehören zu den Heracleumartenund werden im Volksmund als Herkulesstaudebezeichnet.

In Mitteleuropa ist der Wiesenbärenklau oft aufWiesen und an Wald- bzw. Wegrändern zu fin-den. Typische Merkmale sind die flachen Dol-den, meist aus fünf weißen, grünlichen oder rötlichen Blüten zusammengesetzt. Die Früchtesind abgeflacht, 6–10 mm lang, meist elliptischmit breitem Flügelrand. Sie ist eine ausdauern-de, krautige, 0,5–1,5 m hohe Pflanze mit meistborstig-behaarten Stengeln und bauchig aufge-blasenen Blattscheiden.

Der Riesenbärenklau ist in Europa oft verwildertan Wald- und Wegrändern, auf feuchten, nähr-stoffreichen Böden sowie auf Fettwiesen anzu-treffen. Diese Pflanze kann eine Höhe von mehrals 3,5 m erreichen und besitzt ca. 10 cm dicke,rot gesprenkelte Stengel. Die Blätter sind 3-zäh-lig zerschnitten, Einzelblätter 5-schnittig und zu-gespitzt. Es imponieren die weißen Blüten in biszu 50 cm breiten Dolden.

Giftig sind alle Pflanzenteile der Heracleumar-ten. Verantwortlich dafür sind die Furocumarine.Dieser Inhaltsstoff befindet sich beim Wiesen-bärenklau hauptsächlich in den unreifen Früch-

31

ten, beim Riesenbärenklau besonders im Saft.Furocumarine bewirken eine phototoxische Re-aktion bei gleichzeitiger oder nachfolgenderSonnenlichteinwirkung und führen so zur „Wie-sengräserdermatitis“. Zuerst tritt ein juckendesund brennendes Erythem mit Ödem auf. Etwa10–48 Stunden später entsteht eine scharf be-grenzte Dermatitis der betroffenen Hautpartienmit Juckreiz, Rötung sowie Blasenbildung. Die-se Hautveränderungen heilen nur langsam ab(innerhalb von ein bis zwei Wochen). Sie könnenauch bis zu einem Jahr sichtbar bleiben undnarbenähnliche Hyperpigmentierungen hinter-lassen. Bei Abwesenheit von Licht ist die akuteGiftigkeit der Furocumarine gering. Deshalbsollten Exponierte unbedingt Sonnenlicht mei-den. Sind Symptome vorhanden, werden diesesymptomorientiert behandelt, z. B. durch Lokal-therapie mit abschwellenden und antiphlogisti-schen Mitteln. Nach dem Eintrocknen der Bla-sen bestehen meist keine Beschwerden mehr.Ist eine orale Aufnahme erfolgt, wird Flüssigkeitzur Verdünnung verabreicht.

Im vorliegenden Fall kann davon ausgegangenwerden, dass es sich bei der diagnostiziertenKontaktdermatitis um die „Wiesengräserderma-titis“ handelte.

Bewertung des Falles:Aufgrund der Angaben zum zeitlichen Zusam-menhang zwischen Pflanzenkontakt und Auftre-ten von Symptomen im Sinne einer Kontaktder-matitis ist im vorliegenden Fall bei Fehlen ande-rer Ursachen ein ursächlicher Zusammenhangwahrscheinlich.

Allergisches Exanthem nach Kontakt mitInsektenEin 34-jähriger Forstwirt hatte im Rahmen sei-ner beruflichen Tätigkeit Kontakt mit Insekten,darunter wurde auch der Eichenprozessions-spinner angegeben. Er entwickelte Haut-symptome und stellte sich deshalb bei einemArzt vor.

Abb. 17: Riesenbärenklau (Heracleum mantegazzianum),giftig

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 31

Symptome/Verlauf:Bei der Arztvorstellung wurde die Diagnoseeines allergischen Exanthems nach Kontaktmit Insekten, wahrscheinlich durch den Ei-chenprozessionsspinner, gestellt. Die Thera-pie erfolgte mit einer nicht näher definiertenInfusion. Im Anschluss daran kam es zum Ab-klingen der Symptomatik. Mehr ist uns überden Verlauf nicht bekannt.

Hinweise:Der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoeaprocessionea) hat seinen Namen von der Eigen-art, als Raupe nachts in „Prozession“ von sei-nem Nest aus zum Fressen in die Kronen der Eichen zu wandern. Er ist in Mitteleuropa behei-matet und schätzt ein warm-trockenes Klima.Seit Mitte der 90er Jahre ist ein verstärktes Auf-treten zu beobachten. Ein weiterer Anstieg derPopulationsdichte des zu Massenvermehrungneigenden Schmetterlings ist nach dem extremwarmen und trockenen Sommer im Jahr 2003erfolgt. Kindergärten und Schulen mussten wegen der Raupenplage zeitweise schließen.

Der Verbreitung entgegenzuwirken ist beson-ders schwierig, einige Techniken der mechani-schen Beseitigung haben sich als problema-tisch erwiesen. So kann zum Beispiel die Entfer-nung der Gespinste mittels Wasserstrahl zu ver-stärkter Verwirbelung der Raupenhaare führen.Bewährt hat sich die Besprühung der Nester mit einem Bindemittel. Danach werden die Nester eingesammelt und im geschlossenenPlastiksack in einer Müllverbrennungsanlageentsorgt. Für diese Arbeit sind vollständig ab-geschlossene Schutzanzüge und Atemschutzerforderlich.

Eine besondere gesundheitliche Gefährdung fürden Menschen geht von den Haaren der älterenRaupen aus. Diese Brennhaare sind mit Wider-haken versehen und können sich somit in dieHaut einbohren. Sie brechen leicht und setzendann das in ihnen enthaltene Nesselgift Thau-metopoein frei, das allergische Hautreaktionenhervorrufen kann. Unmittelbar nach dem Haut-kontakt entsteht ein unangenehmer Juckreiz,dem ein Ausschlag folgt. Neben einer entzünd-lichen Hautreaktion ist auch das Auftreten vonQuaddeln oder persistierenden Knötchen mög-lich, die makroskopisch an Insektenstiche erin-nern. Bei Kontamination der Augen kommt es zuAugenreizungen, inhalativ zur Reizung der obe-ren Atemwege, die bei entsprechender Disposi-tion zu Dyspnoe führen kann. Auch sind Allge-meinsymptome, wie Schwindel, Benommenheitund Fieber möglich, aber sehr selten.

Nach Kontakt mit Raupenhaaren ohne Schutz-bekleidung wird intensives Duschen und Wa-schen der Kleidung empfohlen. Die weitere Therapie ist symptomorientiert.

Die Raupenhaare reichern sich besonders imUnterholz sowie im Bodenbewuchs an, sie haf-ten an Kleidern und Schuhen. Sie besitzen einelange Wirkdauer und bleiben etwa ein Jahr langgefährlich. So können sie immer wieder neueReaktionen auslösen.

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

32

Abb. 18 und Abb. 19: Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea)

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 32

Im vorliegenden Fall muss davon ausgegangenwerden, dass der Forstwirt ohne Schutzbeklei-dung seine Arbeit verrichtet hat. Nach Kontaktmit den Brennhaaren ist es durch die Frei-setzung des Thaumetopoeins zum Auftreten der oben beschriebenen Symptomatik ge-kommen.

Bewertung des Falles:Aufgrund der Angaben zum zeitlichen Zusam-menhang zwischen Raupenkontakt und Auftre-ten von Symptomen ist im vorliegenden Fall beiFehlen anderer Ursachen ein ursächlicher Zu-sammenhang wahrscheinlich.

3.2.2 Orale Aufnahme

3.2.2.1 Wasserintoxikation

Schwere hypotone Hyperhydratation nachTrinken von ca. 4 Litern Leitungswasser,nachdem zuvor Entkalker versehentlichgetrunken wurdeEine 57-jährige Patientin hatte versehentlichim Rahmen einer Verwechslung einenSchluck eines amidosulfonsäurehaltigen Ent-kalkers getrunken. Aus eigenem Antrieb tranksie im Anschluss daran etwa 4 Liter Leitungs-wasser. Diese große Menge wurde vom Ehe-mann bestätigt. Sie war der Annahme, damitSchäden, die durch den Entkalker verursachtwerden könnten, zu verhindern. Kurz danachtraten Übelkeit und zweimaliges Erbrechenauf. Wegen der Weihnachtsfeiertage suchtesie Rat beim ärztlichen Notdienst. Die dienst-habende Ärztin wies sie zum Ausschluss ei-ner Verätzung durch den Entkalker in einKrankenhaus ein. Im Notarztwagen trübte diePatientin zunehmend ein und entwickelte rezi-divierend generalisierte Krampfanfälle.

In der Anamnese ist ein regelmäßiger Genussvon Alkohol bekannt. Die Patientin gab an,täglich ein bis zwei Glas Wein zu sich zu neh-men.

33

Symptome/Verlauf:Nach der Aufnahme auf die Intensivstationkam es erneut zu einem Krampfanfall mit an-haltendem Sättigungsabfall, sodass eine Intu-bation und Beatmung erforderlich wurden. Kli-nisch und radiologisch zeigte sich ein Lungen-ödem. Bereits nach kurzer Zeit konnte die Pa-tientin bei gutem Gasaustausch und Atmungextubiert werden. Laborchemisch fielen einemassive metabolische Azidose, eine leichteLeukozytose von 11,6 103 /l, eine CRP-Erhö-hung von 48 mg/l sowie eine geringgradigeErhöhung der Leberenzymwerte auf. Problemebereitete eine schwere Störung des Wasser-und Elektrolythaushaltes, die als Ursache fürdie zentrale Symptomatik mit Krampfanfällenverantwortlich zu machen war. Es wurden Natriumkonzentrationen von 112,6 mmol/l,ein Abfall der Osmolalität auf 265 mosmol/kgH2O, eine erniedrigte Erythrozytenzahl von 3,4 1012 /l und ein verminderter Hämatokritwertvon 33 % gemessen. Diese Werte wiesen aufeine schwere Wasserintoxikation hin. Da diesesich noch in einer frühen Phase befand, ent-schloss man sich zur Hämofiltration. WenigeStunden nach dem Ereignis konnte davon aus-gegangen werden, dass noch keine endgülti-ge Umverteilung im Organismus erfolgte. Zielwar eine Wiederherstellung der physiologi-schen Volumenhomöostase. Nach erfolgrei-cher Hämofiltration konnte die Patientin bereitseinen Tag später wach, reflexaktiv und mit ei-nem ausgeglichenen Säure-Basen-Haushaltauf die Normalstation verlegt werden. Zu die-sem Zeitpunkt atmete sie wieder spontan. Einweiterer Krampfanfall trat nicht mehr auf. Kreis-laufmäßig war sie während des gesamten sta-tionären Aufenthaltes stabil.

Über den weiteren Verlauf ist uns nicht mehrberichtet worden. Wir gehen davon aus, dassdie Patientin nach weiterer Beobachtung und Kontrolle geheilt aus der Klinik entlassenwurde.

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 33

Hyponatriämie. Es resultiert ein Ungleichge-wicht von Salzen und Flüssigkeit im Körper.

Symptome sind Schwindel, Übelkeit und Erbre-chen. In Extremfällen verursacht das Trinkengroßer Mengen Wasser ohne die nötige Mineral-und Kochsalzzufuhr eine Wasservergiftung mitNatriummangel. Die niedrigen Natriumwertekönnen zu Desorientiertheit und zu ernsten Organschäden, wie Hirnfunktionsstörungen (Hirnödem) führen und somit tödlich sein. Essollte darum nicht eine große Wassermenge auf einmal zu sich genommen werden. Wurdedoch ausschließlich viel Wasser getrunken und keinerlei weitere Nahrung aufgenommen,ist eine Elektrolytkontrolle indiziert. Bei Imba-lancen muss eine intensivmedizinische Über-wachung mit sorgfältiger Bilanzierung des Wasser- und Elektrolythaushaltes sowie ein vorsichtiger und langsamer Elektrolytausgleicherfolgen.

Im vorliegenden Fall bestanden bei der PatientinSymptome. Deshalb war zum Ausschluss einermöglichen Verätzung eine ärztliche Vorstellungindiziert. Wie empfohlen, wurde von ihr selbstals Erstmaßnahme rasch eine schnell erreichba-re Flüssigkeit getrunken, jedoch nichts anderesdazu aufgenommen. Die Trinkmenge von etwa 4 Litern war vermutlich zu hoch und wurdewahrscheinlich nicht ausreichend wieder aus-geschieden. Ohne gleichzeitige Zufuhr von Mineralien bei fehlender Ausscheidung desüberschüssigen Wassers resultierte eine Was-serintoxikation. Eine Entgleisung des Wasser-und Elektrolythaushaltes war die Folge. Für dieerhöhte Wasserretention könnte man eine ge-steigerte Ausschüttung des antidiuretischenHormons (ADH) bei Übelkeit verantwortlich machen. Um den Körper vor einem Flüssigkeits-verlust bei Übelkeit oder Erbrechen zu schüt-zen, wird durch ADH die Flüssigkeitsausschei-dung vermindert.

Die leichte Erhöhung der Leberenzyme könnteauf den regelmäßigen Alkoholkonsum zurück-

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

34

Hinweise:Entkalker beinhalten Säuren. Abhängig von derKonzentration können sie Verätzungen verursa-chen. Symptome einer Verätzung sind Übelkeit,Erbrechen, Hypersalivation, Schmerzen (imMund, retrosternal), die insbesondere bei Kin-dern zur Nahrungsverweigerung führen, sowieÄtzspuren im Mund- und Rachenbereich. Siekönnen bei Flüssigkeiten fehlen, da dieseschnell die Mundhöhle passieren, bevor sicht-bare Defekte entstehen.

Patienten mit Symptomen müssen zum Aus-schluss einer Verätzung immer einem Arzt vor-gestellt werden.

Als Sofortmaßnahme ist in jedem Fall das Trin-ken einer schnell bereitzustellenden Flüssigkeit,wie z. B. Leitungswasser, zu empfehlen. Ziel istdabei das „Freispülen“ der Speiseröhre. Tee,Leitungswasser und Mineralwasser haben nichtdie Zusammensetzung, die der Körper benötigt.Wird zuviel davon getrunken und sonst nichtsaufgenommen, entsteht ein Salzmangel, eine

Abb. 20: Entkalker

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 34

geführt werden. Hinweise einer Alkoholentzugs-symptomatik fanden sich nicht. Als Ursache dermetabolischen Azidose ist am ehesten die ent-gleiste Stoffwechsellage zu sehen. Wenigerwahrscheinlich dagegen ist die resorptive Wir-kung des Entkalkers. Mengen im Bereich von etwa 100 ml sind dafür nicht ausreichend. Grö-ßere Mengen werden nur in suizidaler Absichtgetrunken. Anamnestisch kommt ein Suizid inunserem Fall nicht in Betracht.

Bewertung des Falles:In dem vorliegenden Fall ist aufgrund des zeit-lichen Zusammenhangs zwischen dem Trinkengroßer Wassermengen und dem Auftreten vontypischen Symptomen ein ursächlicher Zusam-menhang möglich, aber extrem selten in dieserAusprägung in der Praxis anzutreffen.

3.2.2.2 Reinigungsmittelverwechslung

Älterer Patient verwechselte Reinigungs-mittel mit OrangensaftEin 69-jähriger Patient trank versehentlich ei-nen Schluck eines Reinigungsmittels. Er hieltdas Produkt wegen seiner Farbe und der lebensmittelähnlichen Verpackung für Oran-gensaft. Auf dem Etikett waren außerdemOrangen abgebildet und der Produktnameenthielt das Wort „Orange“.

Wegen Brennen im Mund- und Rachenraumbegab sich der Patient in eine Arztpraxis.Husten trat nicht auf.

Symptome/Verlauf:Der behandelnde Arzt holte beim GiftnotrufRat ein, um das Risiko einzuschätzen und eine entsprechende Behandlung einzuleiten.Dem Patienten wurde wegen des Tensidan-teils im Reiniger ein Mittel zur Verhinderungder Schaumbildung verabreicht. Des Weite-ren empfahl man ihm, Flüssigkeit zu trinken.Die körperliche Untersuchung war unauffälligund er konnte nach Hause entlassen werden.

Hinweise:Eine Anfrage beim Giftnotruf Berlin hat erge-ben, dass bisher nur ein Vergiftungsfall mit die-sem Produkt auftrat.

In dem betreffenden Reiniger ist neben Tensi-den ein relativ hoher Anteil synthetischer ätheri-scher Öle enthalten.

Die ätherischen Öle werden in der Medizin alsErkältungsmittel, im Haushalt zur Raumluftver-besserung oder -veränderung, bei der Aroma-therapie, in Fleckentfernern oder anderen Putz-mitteln, in Kosmetika sowie in der Industrie z. B.als Fettlöser verwendet.

Soweit bekannt, werden sie rasch und gut ausdem Gastrointestinaltrakt, über die Lunge sowievon Haut und Schleimhaut resorbiert. Exakte aktuelle toxikologische Datenfehlen, früher wurden Letaldo-sen von 50–500 mg/kg Körper-gewicht angegeben. Zu be-rücksichtigen ist dabeidie unterschiedliche Toxi-zität der ätherischen Öle.Besondere Vorsicht istgeboten bei der Anwen-dung von Kampfer, Euka-lyptus-, Thymian- undPfefferminzöl (Menthol).Diese ätherischen Ölegelten als besonders pro-blematisch. Extrem giftigist Kampfer, schon kleineoral aufgenommene Men-gen können Krämpfe aus-lösen. Die synthetischenÖle sind als eher harmloseinzustufen. LeichteSymptome sind ansons-ten dosisunabhängignach Ingestion wenigerTropfen möglich. SchwereSymptome sind nur nachIngestion größerer Men-

35

Abb. 21: Reinigungs-mittel – Verwechslungmit Getränk möglich

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 35

gen zu erwarten, aber wegen der schleimhaut-reizenden Wirkung ist die Aufnahme großerMengen eher unwahrscheinlich. Allerdings gibtes auch zahlreiche ätherische Öle, deren Ge-schmack Fruchtsäften ähnelt. Alle Symptometreten innerhalb der ersten zwei Stunden nachIngestion auf. Als Folge der Schleimhautirritationkommt es zu gastrointestinalen Beschwerden,resorptiv sind ZNS-Symptome, die an eine Alko-holintoxikation erinnern, wie Ataxie, Sedierung,Unruhe, Tremor und Distanzlosigkeit, möglich.Selten muss mit schweren Symptomen, wie Be-wusstlosigkeit und Krampfanfällen gerechnetwerden.

Die Therapie ist symptomorientiert. Bei Mengen,die nicht über einen Schluck hinausgehen,reichen Flüssigkeitsgabe und häusliche Über-wachung über zwei Stunden aus.

Tenside (anionische und nichtionische) sindeher unbedenklich. Neben der schleimhaut-reizenden Wirkung steht die Schaumbildung im Vordergrund. Erbrechen, Bauchschmerzen,Blähungen und Durchfall sind möglich. NachErbrechen oder bei erheblicher Schaumbildungim Mund ist in seltenen Fällen das Risiko einerAspiration, erkennbar an anhaltendem Husten-reiz und Atemstörungen, gegeben. Währendfür gesunde Kinder und Erwachsene von dentensidhaltigen Inhaltsstoffen keine allzu großeGefahr ausgeht, können für ältere MenschenDuschgel, Schaumbad, Shampoo, Allzweck-Reiniger, flüssige Waschmittel u. a. lebens-gefährlich sein. Sie aspirieren den Schaum,eine schwere pulmonale Symptomatik ist dieFolge. Seit dem Jahr 1990 sind dem BfR imRahmen der „Ärztlichen Mitteilungen“ insge-samt 23 Fälle bekannt geworden, bei denen eszur Aufnahme größerer Mengen von Haushalts-reinigern und Desinfektionsmitteln mit schwer-wiegenden Symptomen gekommen ist. Bei 17 Patienten endete die Erkrankung tödlich. Inallen Fällen handelte es sich um verwirrte älterePersonen. Mit einer Dunkelziffer muss gerech-net werden.

Auch für Kleinkinder sind solch attraktiv gefärb-te Flüssigkeiten ein begehrtes „Spielzeug“, dasbesonders während der oralen Phase mit demMund erkundet werden will. Hierbei kommt es inder Regel nur zu leichten gastrointestinalenSymptomen. Abhilfe schafft die Gabe eines Ent-schäumers, der allerdings erst beschafft bzw.verordnet werden muss.

Wenn man diese Verwechslungsmöglichkeit,z. B. durch eine andere Verpackungsart undFarbe, ausschließt, könnten den Patienten unan-genehme Beschwerden sowie ein aufwendigerArztbesuch, verbunden mit unnötigen Behand-lungskosten, erspart werden. Als positives Bei-spiel sei das Verbot der gefärbten Lampenöleerwähnt. Bei älteren Menschen wäre die Gefahreiner Verwechslung nicht mehr gegeben unddie schweren Vergiftungen mit Todesfolge ließensich verhindern.

Bewertung des Falles:Aufgrund der Angaben zum zeitlichen Zusam-menhang zwischen Ingestion und dem Auftre-ten von Symptomen ist im vorliegenden Fall beiFehlen anderer Ursachen ein ursächlicher Zu-sammenhang wahrscheinlich.

3.2.2.3 Rauchharzentferner

Schwere Verätzung nach Ingestion einesnatriumhydroxidhaltigen Rauchharzentfer-ners bei einem KleinkindEin 4-jähriges Kleinkind trank akzidentell einbis zwei Schlucke eines natriumhydroxidhal-tigen Rauchharzentferners. Dieser war in einerLimonadenflasche abgefüllt und konnte so miteinem Getränk verwechselt werden. Die Mut-ter verabreichte dem Kind sofort Wasser zumTrinken. Das Kind übergab sich im Anschlussmehrfach, es wurde der Rettungsdienst alar-miert. Bei Eintreffen des Notarztes erbrachdas Kind nicht mehr. Es wurden Mundspülun-gen mit isotoner Kochsalzlösung vorgenom-men und das Kind in die Klinik transportiert.

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

36

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 36

trinken durfte, dies wurde ab dem siebten Tagdurch flüssige Kost ergänzt. Am neunten Tagkonnte der ZVK entfernt werden, über einenperipheren Zugang wurde jedoch noch eineteilparenterale Ernährung durchgeführt. Die-se wurde am Folgetag beendet, ebenso dieSteroidgaben und die antibiotische Therapie.Es gelang ein vorsichtiger Nahrungsaufbau.Der von außen zugängliche Lokalbefund warzu diesem Zeitpunkt zufriedenstellend.

Bei einer Kontrollgastroskopie knapp zweiWochen nach dem Ereignis fiel eine mit ei-nem 6mm-Gerät passierbare Stenose auf.Aus diesem Grund erfolgten erneute Gastro-skopien, bei denen eine Bougierung vorge-nommen wurde. Bei der ersten Bougierungkam es zu einer Schleimhautverletzung, so-dass zunächst wieder eine Nahrungskarenzeingehalten werden musste. Der darauffol-gende Kostaufbau gestaltete sich unproble-

37

Symptome/Verlauf:Während der Aufnahme in der Kinderklinik er-brach das Kind erneut. Bei der Untersuchungwar es in einem reduzierten Allgemeinzustand.Als Symptome einer Verätzung fielen Schwel-lungen der Unterlippe und der Mundschleim-haut auf. Außer einer stressbedingten Tachy-cardie von 130/Min. war der übrige Organsta-tus unauffällig. Die routinemäßig erhobenenLaborparameter lagen bis auf eine Leukozyto-se von 19 200/µl im Normbereich. Radiolo-gisch stellte sich einen Tag nach Aufnahme einInfiltrat im rechten Lungenoberlappen dar, wel-ches sich im weiteren Verlauf zurückbildete.

Am nächsten Morgen wurde in Intubations-narkose eine Gastroskopie durchgeführt. Da-bei ließen sich ausgeprägte Veränderungendes Hypopharynx, der Epiglottis und des La-rynx mit ödematöser Schwellung nachweisen.Der Ösophagus zeigte zweitgradige, meistzirkuläre Verätzungen mit Fibrinbelägen unddie Kardia des Magens Hämatinauflagerun-gen. Das Kind wurde aufgrund dieses ausge-prägten Befundes parenteral ernährt, zu die-sem Zweck erfolgte die Anlage eines zentra-len Venenkatheters (ZVK). Entprechend demVerätzungsschema wurde es mit Steroidensystemisch behandelt und antibiotisch mitCefotaxim abgeschirmt, außerdem erhielt esOmeprazol. Die erste Nacht wurde es inten-sivmedizinisch überwacht und mit Midazolamund Piritramid analgosediert.

Diese Therapie wurde nach Verlegung aufdie Normalstation fortgeführt, die Schmerz-prophylaxe erfolgte von nun an aber mit Para-cetamol, bzw. bei Bedarf mit Metamizol. Inden Folgetagen klagte die Patientin nochüber ausgeprägte Schluckbeschwerden. DerLokalbefund besserte sich langsam und dieSteroiddosis wurde ausgeschlichen. Ab demsechsten Tag hatte sich die Situation so weitstabilisiert, dass das Mädchen schluckweise

Abb. 22: Beispiel einer langstreckigen Oesophagusste-nose im Röntgenbild

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 37

matisch. Nachfolgend wurde das Kind rezidi-vierend gastroskopiert und bougiert, zwi-schenzeitlich auch mit entsprechender Nah-rung nach Hause entlassen. Eine langstrecki-ge Ösophagusstenose machte eine Stentein-lage erforderlich.

Etwa sechs Monate nach dem Verätzungsun-fall musste das Kind wegen Schwierigkeitenbei der Aufnahme von selbst flüssiger Nah-rung und zunehmender Schluckbeschwerdenunter dem Verdacht der Stentdislokation sta-tionär aufgenommen werden. Dieser bestätig-te sich in der Gastroskopie, zusätzlich trat ei-ne erneute Stenosierung cranial des Stent auf.Zunächst wurde bougiert und versucht, denStent in die richtige Position zu bringen. Diesgelang jedoch nicht, der Stent war unver-schieblich. Bei einem erneuten Versuch einigeTage später entschloss man sich zur Entfer-nung des Stents. Wegen der dadurch starkenReizung des Ösophagus erfolgte zunächstkeine erneute Stenteinlage. Fünf Tage späterkomplizierte sich dann der Verlauf durch eineÖsophagusperforation, die beim Platzierungs-versuch eines neuen Stents auftrat.

Zur weiteren Behandlung wurde das Kind indie kinderchirurgische Abteilung verlegt. DasKind war bei Aufnahme sehr unruhig, aber

kreislaufstabil und klagte über starke Ober-bauchschmerzen. Es wurde auf die Intensiv-station aufgenommen. Dort führte man eineTracheo- und Ösophagoskopie durch, bei dereine Magensonde über einen Führungsdrahtsowie eine Schlürfsonde zur Speicheldraina-ge eingelegt wurden. Zur Prophylaxe einerMediastinitis bei Pneumomediastinum erhieltes eine Dreifachantibiose. Klinische Infektzei-chen lagen zu keinem Zeitpunkt vor. Eine ini-tiale Erhöhung des CRP war im Verlauf deut-lich rückläufig. Bei Nahrungskarenz erfolgteeine parenterale Ernährung. Unter dieserTherapie stabilisierte sich der Allgemeinzu-stand. Nach einer langzeitparenteralen Er-nährung über einen ZVK, der Fortführung derEntlastung über die Magensonde und konti-nuierliches Absaugen des Speichels bessertesich der klinische Zustand. Das anfänglicheHautemphysem am linken Rippenbogen warnicht mehr vorhanden. Die antibiotische The-rapie konnte bei weiterhin unauffälligen Ent-zündungsparametern beendet werden. Nach-dem sich radiologisch in der Magen-Darm-Passage keine Leckage im Bereich des Öso-phagus mehr zeigte, wurde die Schlürfsondeentfernt und mit einem langsamen Kostauf-bau begonnen. Im Verlauf traten keine Hyper-salivation oder Erbrechen auf, sodass einesukzessive Umstellung auf hochkalorischeSondenkost sowie eine stufenweise Redukti-on der parenteralen Ernährung möglich wa-ren. Letztendlich konnte das Kind vollständigüber Sondenkost ernährt werden, die oraleFlüssigkeitsaufnahme gestaltete sich eben-falls problemlos und die Patientin konnte zu-nächst nach Hause entlassen werden.

Weitere Kontrollösophagoskopien mit Bougie-rungen sind vorgesehen, über deren Verlaufnoch keine Aussage getroffen werden kann.Wie sich der weitere Nahrungsaufbau mitUmstellung auf letztendlich feste Kost gestal-ten wird, bleibt abzuwarten.

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

38

Abb. 23: Beispiel einer Schleimhautverätzung mit Läsio-nen im Mundbereich

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 38

Hinweise:Verätzungen entstehen durch Einwirkungen vonSäuren, Laugen, oder anderen korrosiv bzw.kolliquativ wirkenden Chemikalien. Besondersgefährdet sind die Schleimhäute des oberenMagen-Darm-Traktes, insbesondere der Öso-phagus nach oraler Ingestion einer ätzendenSubstanz. Nach dem klinischen Verlauf kannman im Wesentlichen zwei Arten von Verätzun-gen unterscheiden:� Säuren führen durch Eiweißfällung sofort zu

einer Koagulationsnekrose, die eine weitereTiefenwirkung verhindert und damit das da-runter liegende Gewebe schützt. Schwefel-säure kann durch Wasserentzug aus dem Gewebe und starke Hitzeentwicklung alleSchichten der Haut, Schleimhaut und des Au-ges schädigen. Eine ähnliche Tiefenwirkungentfalten Fluss- und Salpetersäure. Das Aus-maß der Schädigung ist deshalb erst nach ei-ner gewissen Latenzzeit zu beurteilen.

� Die Einwirkung von Laugen führt zur Kolliqua-tionsnekrose. Durch Zellauflösung werdendie äußeren Hautschichten rasch durchdrun-gen. Eine bedeutende Laugenverätzung istdie Kalkverätzung. Bei ungelöschtem oderauch Brandkalk, Calciumoxid, kommt es aufSchleimhäuten oder Augen (Tränenflüssig-keit) zur Bildung von Calciumhydroxid. Dabeientsteht Hitze, die Haut, Schleimhaut und Augen zusätzlich schädigen kann.

Bei geringen Konzentrationen ätzender Substan-zen kann man oft keine allzu deutlichen klini-schen Unterschiede erkennen. Sowohl bei sau-ren wie auch bei alkalischen Substanzen siehtman nur verschiedene Grade von Reizungen aufHaut und/oder Schleimhaut, weil das darunterliegende Gewebe kaum beeinträchtigt ist.

Man unterscheidet drei Schweregrade der Öso-phagusverätzung:� Erstgradige Verätzungen führen zu ober-

flächlichen Läsionen der Mukosa mit Rötungund Ödembildung ohne Epithelverletzung.Sie heilen meist folgenlos aus.

39

� Zweitgradige Verätzungen gehen mit kleinenErosionen, Ulcerationen und Fibrinausschwit-zungen einher. Sie reichen bis in die Submu-kosa mit Substanzverlusten. Über reaktiveGranulationen verheilen sie mit Narbenbil-dung.

� Tiefe Ulcerationen, die bis in die Muskularisreichen, mit bakteriellem Übergreifen aufdas periösophagiale Gewebe und Perforationmit nachfolgender Mediastinitis, treten beidrittgradigen Verätzungen auf. Infolgedessenkommt es zu stenosierenden Narbenbildun-gen, welche die Nahrungsaufnahme behin-dern.

Die meisten Ätzgifte wirken sehr schnell, darumist sofortiges Handeln wichtig. Langsamer wirkentrockene Substanzen in Granulatform, die ihreWirkung erst nach Auflösung entfalten. Bei oralerAufnahme zunächst ausspucken! Speziell beiKindern und bei festen ätzenden Substanzen wiez. B. ätzenden Spülmaschinenreinigern als Gra-nulat sollte so rasch wie möglich der Mund miteinem feuchten Tuch ausgeputzt werden. Umden Verdünnungseffekt auszunutzen, sofort Was-ser oder eine andere schnell erreichbare (alko-hol- und kohlensäurefreie) Flüssigkeit, wie Teeoder Saft trinken lassen. Sitzen einige Körnchenetwa in einer Ösophagusenge, dann mag auchnach einigen Minuten das reichliche Trinken wirk-sam sein, der Ösophagus wird „freigespült“.Milchgaben bei Vergiftungen haben keinen prak-tischen Nutzen, sie sind sogar kontraindiziert. DaGifte entweder fett- oder wasserlöslich sind, wirddie Milch zum idealen Transporteur und Noxenwerden besonders gut resorbiert. Bei Kindernwirkt sie außerdem oft emetisch, die ätzendeSubstanz passiert zweimal den Ösophagus undkann so doppelt Schäden setzen. Induktion vonErbrechen hat darum unbedingt zu unterbleiben!Auch bei der sogenannten „Neutralisation“kommt ihr nur eine untergeordnete Bedeutungzu, weil die Pufferkapazität minimal ist. Lediglichbei der akzidentellen Einnahme von Fluoriden,Tetracyclinen oder Eisen sollte ausnahmsweiseMilch getrunken werden, da schlechter resorbier-

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 39

bare Giftformen entstehen. Abzuraten ist eben-falls von einer Magenspülung. Allerdings kann essinnvoll sein, über eine Ernährungssonde dieverschluckte ätzende Substanz abzuziehen,wenn von ihr zusätzlich eine bedrohliche resorp-tive Vergiftungsgefahr ausgeht (z. B. Flusssäure,Ameisensäure).

Es werden alle Patienten mit sicherer Ingestioneiner ätzenden Substanz behandelt. Ist die In-gestion fraglich, muss mindestens eins der folgenden Symptome im Verlauf der ersten 24 Stunden vorliegen:� Ätzspuren im Mund- oder Rachenraum� Hypersalivation� Würgen� Erbrechen� retrosternaler oder epigastrischer Schmerz

und infolgedessen Nahrungsverweigerung(bei Kindern als indirektes Symptom derSchmerzen).

Zu beachten ist, dass nach Verschlucken einerätzenden Flüssigkeit aufgrund der raschen Pas-sage und damit kurzen Einwirkdauer Ätzspurenim Mund fehlen können, obwohl erhebliche Öso-phagusverätzungen vorliegen. Zunächst be-schwerdefreie Patienten mit fraglicher Ingestionwerden nicht behandelt, aber einem Arzt zurKontrolle vorgestellt und beobachtet.

Noch am Unfallort kann eine Schmerzbekämp-fung, Kreislaufunterstützung und Intubation oderTracheotomie erforderlich sein. Zur Glottisödem-prophylaxe werden systemisch 3 mg/kg Körper-gewicht Prednisolon gegeben. Eine Ösophago-skopie sollte erst zum nächstmöglichen Routine-termin, in der Regel der nächste Morgen, von ei-nem erfahrenen Team durchgeführt werden, dadann das Ausmaß der Schäden besser erkenn-bar wird. Die Inspektion erfolgt bis zur erstensichtbaren Ätzspur. Nur nach Einnahme starkerSäuren, Lötwasser oder Kaliumpermanganat-Kristallen muss auch der Magen mit inspiziertwerden, um Läsionen der Magenwand auszu-schließen bzw. liegengebliebene Kristalle zu ent-

fernen, damit sie nicht tiefer eindringen. Bei ei-nem negativen Ergebnis ist die Entlassung nachHause ohne weitere Maßnahmen möglich. Verät-zungen ersten Grades bedürfen ebenfalls keinerBehandlung und keiner Nachkontrolle. Wenn essich um zweitgradige Verätzungen handelt, wirddie Gabe von Prednisolon in einer Dosierungvon 1 mg/kg Körpergewicht bis zur endosko-pisch verifizierten Abheilung empfohlen. Im Tier-versuch setzt es die Fibroblastenaussprossungherab, beim Menschen kann somit eventuell dieAusbildung von Ösophagusstrikturen verhindertwerden. Allerdings ist diese Annahme in Nach-untersuchungen von Patienten nach Verätzun-gen nicht bestätigt worden. Bei drittgradigenVerätzungen wird die Steroidtherapie nicht weitergeführt. Hier muss eventuell chirurgischinterveniert werden. Schwere Verätzungen mithohem Strikturrisiko, oder falls es nach Abhei-lung zu einer Ösophagusstenose gekommen ist,werden (früh) bougiert oder operativ mit einerDauersonde bzw. PEG versorgt.

Die weitere Therapie ist symptomorientiert. Da-zu zählen die Antibiotikagabe bei Mediastinitisund sekundär infizierten Magenulcera, die Ver-abreichung von Protonenpumpenhemmern zurVerminderung der Magensäureproduktion sowiedie diätetischen Maßnahmen zur Gewährleis-tung der Nahrungsaufnahme (flüssige oderbreiige Kost bzw. parenterale Ernährung, jenach Befund). Mögliche resorptive Wirkungen,wie Azidose, Hämolyse und Nierenversagen,sind nach Ingestion großer Mengen Säure zubeachten. Abschließend ist eine Kontrollendo-skopie erforderlich, der Zeitpunkt richtet sichnach Ausmaß und Schwere des Erstbefundes.Röntgenkontrastuntersuchungen sind frühes-tens nach drei bis vier Wochen sinnvoll, wennmanifeste Stenosen in der Speiseröhre oder amMagenausgang bewiesen oder ausgeschlossenwerden sollen.

Bewertung des Falles:Aufgrund der vorliegenden Angaben zum zeitli-chen Zusammenhang zwischen Exposition und

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

40

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 40

werden müsste auch die Ventilation bzw. Wind-richtung. Nur so ist zu erklären, dass der Ehe-mann symptomfrei blieb, er war wahrscheinlichweniger exponiert. Eine rasch begonnene, ef-fektive Therapie erzielte nach kurzer Zeit Symp-tomfreiheit.

Es erfolgte eine Sofortmitteilung.

Bewertung des Falles:Aufgrund der vorliegenden Angaben zum zeitli-chen Zusammenhang zwischen Exposition undAuftreten der Symptome ist bei Fehlen andererUrsachen für die Symptome ein ursächlicherZusammenhang wahrscheinlich.

Fall einer schweren inhalativen Intoxikati-on mit Lungenödem nach Exposition mitZeltimprägnierspray (identisches Produktwie im vorherigen Fall)Eine 35-jährige Patientin hatte im Freien zweiIgluzelte mit einem Zeltimprägnierspray be-handelt. Es wurde das gleiche Produkt wie imvorher beschriebenen Fall benutzt. Eines derZelte besprühte sie dabei intensiv von innenbei geöffneter Zelttür entlang der Nähte. Sieberichtete eine Stunde nach Exposition übertrockenen Reizhusten bei minimaler Anstren-gung.

Sieben Stunden nach der Anwendung wurdeein Giftnotrufzentrum zu Rate gezogen. Deranrufende Arzt stellte zu diesem Zeitpunkt eine minimale pulmonale Spastik, eine Ta-chypnoe sowie diffuse Rasselgeräuschebeidseits fest. Die Patientin erhielt Corticoideund Betamimetika inhalativ und wurde in eineKlinik eingewiesen.

Anamnestisch ist seit drei Jahren ein nichttherapiebedürftiges Asthma bronchiale be-kannt. Zu erwähnen wäre auch noch, dassdie Patientin Raucherin ist und täglich eineSchachtel Zigaretten konsumiert.

41

Auftreten der Symptome ist bei Fehlen andererUrsachen für die Symptome ein ursächlicherZusammenhang wahrscheinlich.

3.2.3 Inhalative Aufnahme

3.2.3.1 Zeltimprägnierspray

Schwere inhalative Intoxikation mit Lun-genödem nach Exposition mit Zeltimprä-gniersprayZusammen mit ihrem Ehemann hatte die Pa-tientin im Freien eine Markise mit einem Im-prägnierspray behandelt. Sie selbst befandsich ein bis zwei Meter vom Sprühvorgangentfernt, den ihr Ehemann verrichtete. Kurzdanach traten bei der Patientin Luftnot, Schüt-telfrost, Kältegefühl und Schlappheit auf. Siestellte sich deshalb in der Notfallambulanz eines Krankenhauses vor.

Symptome/Verlauf:Bei der Aufnahmeuntersuchung und im EKGfielen eine Tachycardie mit Herzfrequenzenum 100/Min. sowie bei Auskultation der Lun-ge feuchte Rasselgeräusche auf. Radiolo-gisch ließ sich ein Lungenödem nachweisen.Blutgase am Entlassungstag und Lungen-funktion (Zeitpunkt der Untersuchung nichtbekannt) waren unauffällig. Die Patientin wur-de mit Corticoiden inhalativ sowie systemisch(zunächst intravenös, später oral) behandelt.Außerdem erhielt sie Diuretika. Unter dieserTherapie kam es rasch zum Rückgang derBeschwerdesymptomatik. Die zu Beginnnachweisbare Lungenstauung war im Verlaufnicht mehr nachweisbar. Nach zweitägigemstationären Aufenthalt konnte die Patientin indie ambulante Weiterbehandlung entlassenwerden. Ihr wurde eine Vorstellung beim Lun-genfacharzt zur Verlaufskontrolle empfohlen.

Hinweise:Im vorliegenden Fall ist möglicherweise eineübermäßige Anwendung erfolgt. Berücksichtigt

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 41

Symptome/Verlauf:Die stationäre Aufnahme erfolgte in reduzier-tem Allgemeinzustand im Status asthmaticus.Es bestand eine Ortho- und Tachypnoe sowieeine Tachycardie um 100/Min. Über der ge-samten Lunge ließen sich mittelblasige, ohr-nahe Rasselgeräusche und ein diskretes Giemen und Brummen auskultieren. Radiolo-gisch stellte sich ein Lungenödem dar. Labor-chemisch fiel eine Leukozytose von maximal27200/µl, eine Erhöhung der BSG und desCRP bis auf 58,85 mg/dl auf. Die übrigen routinemäßig erhobenen Laborparameter wieElektrolyte, Retentionswerte der Nieren, Le-berwerte und Gerinnung lagen im Normbe-reich. Die Patientin erhielt Salbutamolinhala-tionen, einmalig 40 mg Furosemid und 2 gCorticosteroide i. v. Unter dieser Therapiekam es rasch zum vollständigen Rückgangder pulmonalen Beschwerden, einer schlag-artigen Besserung des Lungenödems undzur Normalisierung der Herzfrequenz. EineRöntgenverlaufskontrolle war unauffällig, so-dass die Patientin nach dreitägigem stationä-ren Aufenthalt in gebessertem Allgemeinzu-stand in die hausärztliche Betreuung entlas-sen werden konnte. Ihr wurde für weitere zwei Wochen körperliche Schonung und dieFortsetzung der Therapie mit Corticosteroi-den, einem Protonenpumpenhemmer zur Ulcusprophylaxe und einem Antibiotikumempfohlen.

Hinweise:Imprägniermittel werden im Haushalt zur Wie-derherstellung der wasser- und schmutzabwei-senden Wirkung von Textilien und Lederartikelnsowie im Sanitärbereich zur Oberflächenversie-gelung benötigt. Sie liegen als Flüssigkeit vorund sind zur besseren Verteilung in Flaschenmit Pumpmechanismus oder aus Bequemlich-keitsgründen in Spraydosen abgefüllt. Impräg-niersprays enthalten Treibgase, Lösemittel undden Wirkstoff in einer druckfesten Dose. Als

Treibgase finden Propan, Butan sowie Luft Ver-wendung. Typische Lösemittel sind Benzin oderkurzkettige Alkohole und selten Xylol. Silikone(Polisiloxane), Fluorkarbon- und Melaminharze,Bienenwachs bzw. Wollfett können als Wirkstoffeingesetzt werden. Die Imprägnierflüssigkeitbesitzt nur eine geringe Toxizität. Auch in Formeines Pumpsprays gelten Imprägnier- oder Ver-sieglungsmittel als unbedenklich. Probleme da-gegen bereiten sie in Spraydosen. Auf die pul-monale Toxizität wurde man in Deutschland be-reits 1981 aufmerksam. Mehrere Lederimpräg-niersprays wurden wegen der Gesundheitsge-fährdung vom Markt genommen. Auch durchzahlreiche Rezepturveränderungen der Herstel-ler nahmen die Vergiftungsfälle mit relevantenSymptomen ab. 2002 folgte ein erneuter An-stieg der Meldungen bezüglich Imprägnier-sprays für Leder und Textilien in Holland und in der Schweiz mit Beeinträchtigung der Atemwegsfunktion. Eine letzte Fallserie trat im Frühjahr 2006 auf. Innerhalb kurzer Zeit wurden von den Giftinformationszentren derBundesländer zahlreiche Vergiftungsfälle mitgravierenden Gesundheitsstörungen gemeldet.Die Betroffenen klagten über Husten, Atemnotund in mehreren Fällen trat ein Lungenödemauf. Die Ursachen der Symptomatik sind nochnicht geklärt.

Bei der Verwendung von Sprays in kleinen, un-belüfteten Räumen kann es durch die Lösemittelzu konjunktivalen Reizungen, Dyspnoe, seltenauch zu narkoseähnlichen Symptomen kom-men. Systematische Tierversuche an Vögelnwiesen den Fluorkarbonharzen und/oder den re-aktiven Polisiloxanen im Zusammenhang mitden Lösungsmitteln eine Schlüsselrolle zu. An-wendungsfehler, wie zu langes Sprühen, nichtausreichend geschüttelt usw. müssen zudemberücksichtigt werden. Vor allem sind aber diephysikalischen Eigenschaften, wie die Tröpf-chengröße des Sprays, dafür entscheidend, obund welche toxischen Effekte im Atemwegsbe-reich auftreten können. Die Betroffenen habenoffenbar Bestandteile der zerstäubten Sprays

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

42

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 42

eingeatmet, die als feines Aerosol in der Raum-luft verblieben waren. Aufgrund der geringenTröpfchengröße sind sie möglicherweise bis inden Alveolarbereich vorgedrungen und habendort zu Flüssigkeitsansammlungen mit Behinde-rung des Sauerstoff- bzw. Feuchtigkeitsaustau-sches geführt. Diese geringe Tröpfchengrößewird nur beim Ausbringen mittels eines Treibga-ses bei einer entsprechend kleinen Düse imSprühkopf erreicht. Werden dieselben Flüssig-keiten jedoch mit einem Pumpmechanismusausgebracht, sind die Tröpfchen nicht unter 100Mikrometer groß und erreichen nicht das Alveo-largewebe. So ist es zu erklären, dass bei Pro-dukten, die über Pumpflaschen auf die Oberflä-chen aufgebracht werden, keine Zwischenfälleauftraten. Toxische Effekte treten also erst auf,wenn das Produkt selbst, also das gesamteStoffgemisch der Rezeptur, als feiner Sprühne-bel mit entsprechend kleiner Tröpfchengrößeeingeatmet wird.

Patienten mit Symptomen wird Frischluft alsErstmaßnahme zugeführt, frühzeitig sollte die in-halative Therapie mit Lokalsteroiden begonnenwerden und eine Klinikvorstellung zum Aus-schluss von Lungeninfiltrationen erfolgen. Dieweitere Therapie ist symptomorientiert.

Im vorliegenden Fall ist möglicherweise ein An-wendungsfehler aufgetreten. Das Produkt wur-de nicht gänzlich im Freien benutzt, sondernwahrscheinlich bei unzureichender Ventilationim Zeltinneren. Deshalb wurde von einer Sofort-mitteilung abgesehen. Die pulmonale Vorerkran-kung und der Nikotinabusus müssen sicherlichauch als Risikofaktoren berücksichtigt werden.Eine rasch begonnene, effektive Therapie erziel-te nach kurzer Zeit Symptomfreiheit.

Bewertung des Falles:Aufgrund der vorliegenden Angaben zum zeitli-chen Zusammenhang zwischen Exposition undAuftreten der Symptome ist bei Fehlen andererUrsachen für die Symptome ein ursächlicherZusammenhang wahrscheinlich.

3.2.3.2 Glyphosat

Schwere Atemnot nach dem Versprüheneines Pflanzenschutzmittels – Lungen-schädigung histologisch nachgewiesenIm Mai 2007 hatte ein 59-jähriger Landwirtvormittags über ca. drei Stunden ein Pflan-zenschutzmittel in einem 1/2 ha messendenWaldstück ausgebracht. Es herrschte sehrwarme Witterung mit Temperaturen von ca.25 °C. Insgesamt wurden drei Liter des gly-phosathaltigen Herbizids in der vorgeschrie-benen Verdünnung mittels einer Rückensprit-ze ausgebracht. Der Landwirt trug dabei keinen Atemschutz. Später kam es zu erstenBeschwerden. Aufgrund sich steigernderAtemnot wurde eine intensivmedizinischeÜberwachung notwendig. Der Patient konntenach zwölf Tagen stationären Aufenthaltes ingut gebessertem Zustand in die hausärztlicheBehandlung entlassen werden.

Symptome/Verlauf:Erste Symptome traten ungefähr sieben Stun-den nach Versprühen des Pflanzenschutzmit-tels auf. Anfangs klagte der Patient über mus-kelkaterähnliche Brustschmerzen, dann kames zu einer rasch zunehmenden Atemnot, zu-nächst nur unter Belastung, später auch inRuhe ohne Auswurf oder Husten. Zeitgleichentwickelte sich Fieber bis ca. 38 °C. Auf-grund dieser Symptomatik wurde der Patientam Abend des Folgetages stationär aufge-nommen und zunächst intensiv-medizinischüberwacht.

Bei der Aufnahme bestand noch eine geringeRuhedyspnoe mit auskultatorisch nachweis-baren geringen grobblasigen feuchten Ras-selgeräuschen beidseits, Fieber von 38 °Cbei leicht reduziertem Allgemeinzustand undunauffälligem Ernährungszustand. Radiolo-gisch wurde am Aufnahmetag eine flächigeVerschattung im Bereich des rechten latera-len Unterfeldes nachgewiesen. Links parakar-

43

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 43

dial zeigte sich eine peribronchiale Verdi-ckung, entsprechend einer peribronchialenInfiltration. Diese Infiltration war bereits amFolgetag nicht mehr nachweisbar. Laborche-misch zeigte sich ein geringer Anstieg derEntzündungsparameter. Die Blutgasanalysewar bei der stationären Aufnahme weitge-hend normal: PCO2: 23,5 mmHg; PO2: 83,3mmHg; Sauerstoffsättigung: 97,1 %. DasEKG war unauffällig. Erwähnenswert ist indiesem Zusammenhang die anamnestischeAngabe einer Herzklappenoperation (Mitral-klappenersatz) im Januar 2006. Eine kardialeUrsache der aufgetretenen Symptomatikkonnte jedoch ausgeschlossen werden.

Klinisch war der Patient in den Folgetagen relativ beschwerdefrei. Wegen der weiterhinbestehenden flächigen Verschattung wurdeeine Spezialuntersuchung der Lunge (Spiral-CT) angefertigt. Hier zeigte sich zusätzlich eine flächige, milchglasartige Infiltration im lin-ken Oberlappen. Zur weiteren Abklärung die-ser pathologischen Befunde wurde der Patientnach fünf Tagen auf die pulmonologische Ab-teilung eines anderen Krankenhauses verlegt.

Hier wurde eine Lungenbiopsie mittels Bron-choskopie durchgeführt. Laut pathologisch-histologischem Gutachten zeigten sich Verän-derungen im Sinne einer akuten Alveolitis undbegleitenden zellulären Bronchiolitis mit intra-alveolärer Schaumzellreaktion – Entzündungder Lungenbläschen und der kleinsten Bron-chien. Im Gutachten wird betont, dass dashisto-morphologische Bild gut vereinbar seimit einer reizgas-induzierten Schädigung derLunge und es sich nicht um das Bild eineskonventionellen bakteriellen Infektes handelte.

Der Patient wurde sieben Tage lang antibio-tisch abschirmend behandelt, zeitgleich er-hielt er initial hochdosiert intravenös Steroidein abfallender Dosierung bis 50 mg zum Ent-

lassungszeitpunkt bei insgesamt guter Ver-träglichkeit. Im Verlaufs-CT waren die vorherbeschriebenen milchglasartigen Veränderun-gen der Lunge deutlich rückgängig. In derLungenfunktionsprüfung zeigten sich weitge-hend normale Werte.

Ein halbes Jahr nach dem Ereignis klagte derPatient immer noch über mäßige Atembe-schwerden unter Belastung. Er befand sichweiterhin in lungenfachärztlicher Behandlungmit vierteljährlichen Kontrolluntersuchungen.Nach Schilderung des Patienten hatte sichder Lungen-Röntgenbefund weiter gebessert,es waren aber immer noch Veränderungennachweisbar.

Hinweise:Hauptbestandteil des verwendeten Pflanzen-schutzmittels ist ein Glyphosatsalz in wässrigerLösung, Netzmittel ist ein Talgalkylaminsalz (Tallowamin). Die biologische Wirkung des Gly-phosats besteht darin, dass es ein bestimmtesEnzym blockiert, welches bei Pflanzen zur Syn-these aromatischer Aminosäuren (Phenylalanin,Tryptophan, Tyrosin) benötigt wird. Dieses En-zym fehlt allen Tieren; daher können sie zwarkeine „de-novo“-Synthese dieser Aminosäurendurchführen, reagieren jedoch auch nicht emp-findlich auf dieses Herbizid.

Beim Menschen wurden bisher lediglich nachoraler Aufnahme glyphosathaltiger Pflanzen-schutzmittel Vergiftungserscheinungen be-schrieben. Dabei reichen bereits sehr geringeMengen aus, um lebensbedrohliche Gesund-heitsstörungen zu verursachen. Das klinischeBild zeigt Schleimhautläsionen des Magen-Darmtraktes, diffuse Lungenschädigungen bishin zum nichtkardialen Lungenödem, Herz-Kreislauf-Versagen und prärenales Nierenversa-gen. Schwerwiegende Vergiftungserscheinun-gen nach Inhalation glyphosathaltiger Pflanzen-schutzmittel waren bisher nicht bekannt.

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

44

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 44

Dem BfR wurden im Zeitraum 1990 bis 2007insgesamt 60 Fälle mit Gesundheitsstörungennach der Exposition gegenüber glyphosathalti-gen Pflanzenschutzmitteln gemeldet. Dabeihandelte es sich bisher auch nach Inhalation(20 Fälle) lediglich um leichte Atemstörungen.Bei der Exposition über die Haut (25 Fälle) wur-den die Gesundheitsstörungen in vier Fällen alsmittelschwer eingestuft. Es zeigten sich hierzum Beispiel Blasenbildungen im Sinne einer allergischen Hautreaktion. Bei der Angabe desAufnahmeweges waren Mehrfachnennungenmöglich. In 22 Fällen wurden Augenreizungenbeschrieben. In acht Fällen handelte es sich umeinen oralen Aufnahmemodus, wobei nur in ei-nem Fall lebensbedrohliche Vergiftungserschei-nungen wie oben beschrieben auftraten: ein 33-jähriger psychisch kranker Mann hatte in sui-zidaler Absicht 200 ml eines glyphosathaltigenPflanzenschutzmittels getrunken.

Für die im geschilderten Fall aufgetretenen an-haltenden extremen Atembeschwerden mit his-tologisch gesicherter toxischer Entzündungsre-aktion der Lunge ist der Expositionsmechanis-mus von Bedeutung. Der Patient hatte denSprühnebel bei hoher Außentemperatur und we-nig Luftbewegung über mehrere Stunden einge-atmet (Rückenspritze, geschlossenes Wald-stück). Gemäß dem zu dieser Zeit gültigen Si-cherheitsdatenblatt war das Produkt als umwelt-gefährlich und reizend eingestuft. Es bestehezum Beispiel bei Kontakt die Gefahr ernster Au-genschäden. Vor Schäden der Atemwege wur-de bis dahin nicht ausdrücklich gewarnt. AlsErste-Hilfe-Maßnahme wurde beim versehentli-chen Einatmen „an die frische Luft gehen“ alseinzige Sofortmaßnahme angegeben. Im Si-cherheitsdatenblatt wurde Haut- und Augen-schutz empfohlen, jedoch die Notwendigkeitvon Atemschutz verneint.

Da nach den bisherigen Erkenntnissen von demWirkstoff Glyphosat nur eine geringe Toxizitätausgeht, muss für die beobachtete toxische Wir-kung die Gesamtrezeptur, insbesondere die

Kombination des hier enthaltenen oberflächen-aktiven Netzmittels Tallowamin („Surfactant“) mit dem Wirkstoff Glyphosat, als Ursache ange-nommen werden. Netzmittel erleichtern allge-mein die Aufnahme von Wirkstoffen in daspflanzliche Gewebe. Dasselbe Phänomen könn-te auch eine eventuell toxische Wirkung beimMenschen nach erheblicher Inhalation diesesPflanzenschutzmittels erklären.

Nach der Auswertung der uns gemeldeten Fäl-le, insbesondere des aktuellen Falles, mussdeutlicher vor ernsten Lungenschäden durchden Kontakt mit dem Sprühnebel dieser Pflan-zenschutzmittel gewarnt werden. Von verant-wortlicher Stelle wurde bereits auf die mögli-cherweise toxizitätsverstärkende Wirkung vonTallowaminen in Kombination mit Glyphosat hin-gewiesen. Das BfR hält es deshalb für erforder-lich, dass alle glyphosat- und tallowaminhalti-gen Pflanzenschutzmittel aus Gründen des vor-beugenden Gesundheitsschutzes zusätzlich mitentsprechenden Sicherheitshinweisen gekenn-zeichnet werden, die sich auf eine möglicheGesundheitsschädigung der Atmungsorganebeziehen. Die zuständige Behörde wurde durchdas BfR bereits unterrichtet und gebeten, einezusätzliche entsprechende Kennzeichnung allerbetroffenen Pflanzenschutzmittel vorzunehmen.

45

Abb. 24: Rückenspritze mit Schutzmaske zur Ausbringungvon Pflanzenschutzmitteln

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 45

Bewertung des Falles:Aufgrund der Angaben zum zeitlichen Zusam-menhang zwischen Inhalation des Pflanzen-schutzmittels und Auftreten von Symptomenschwerer Atemnot mit histologisch gesicherterLungenschädigung ist im vorliegenden Fall beiFehlen anderer Ursachen ein ursächlicher Zu-sammenhang anzunehmen.

3.2.3.3 Brom

Berufliche inhalative BromintoxikationIn einer Apotheke lief eine zunächst unbe-kannte Chemikalie aus, die rasch verdampfte.Dabei entwickelten sich braune, stechend rie-chende Dämpfe. Drei Angestellte der Apothe-

ke atmeten kurz-zeitig dieseDämpfe ein. Beiallen traten imAnschluss Atem-wegsreizungenauf. Es wurde dieFeuerwehr alar-miert und diePatientinnen ineiner toxikologi-schen Ambulanzvorgestellt. Auf-grund der an-amnestischenAngaben, vor al-

lem aber wegen der charakteristischen brau-nen Farbe und des stechenden Gerucheskonnte ausgelaufenes Brom als verursachen-de Substanz festgestellt werden.

Fall 1:Symptome/Verlauf:Die erste Patientin klagte über Schwindel,Hustenreiz sowie leichtes Brennen in der Na-se und im Rachen. Bei der körperlichen Un-tersuchung konnten keine auffälligen Befundeerhoben werden. Über der Lunge ließen sichkeine spastischen Rasselgeräusche auskul-

tieren, die Sauerstoffsättigung lag mit 97 %ebenfalls im Normbereich. Im Serum wurdeein leicht erhöhter Bromidspiegel von 57 mg/lnachgewiesen (therapeutisch bis 50 mg/l).Laborchemisch bestand eine geringgradigeLeukozytose von 10.360 /µl. Außerdem fiel eine Erhöhung der cholestatischen Leberen-zyme als Nebenbefund auf. Bereits drei Jahrezuvor stellte sich die Patientin schon einmal indiesem Haus vor. Die g-GT lag damals nurgeringfügig über dem Normalwert. Eine wei-tere Abklärung wurde empfohlen.

Wegen der nur wenig erhöhten Serumwertekonnte eine massive Bromkontamination aus-geschlossen werden.

Gegen ärztlichen Rat verließ die Patientin dieAmbulanz. Da es sich bei Brom um ein Reiz-gas mit mittlerer Latenz handelt, wurde fürden nächsten Tag eine Wiedervorstellung ver-einbart und eine Lungenfunktionsprüfung vor-genommen. Der dabei gemessene Wert desPeak-flow lag bei 490 l/min, was der Normentspricht.

Bewertung des Falles:Die Erhöhung der cholestatischen Leberwerteder Patientin passt nicht zum Vergiftungsbild,kann somit nicht auf die Bromexposition zurück-geführt werden und bedarf weiterer Abklärung.Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwi-schen Exposition und Auftreten von Symptomen(außer der pathologischen Leberwerte) sowiedes leicht erhöhten Bromspiegels im Serum isteine leichte Bromintoxikation als gesichert anzu-sehen.

Fall 2:Symptome/Verlauf:Die zweite Patientin klagte nach Inhalationder Dämpfe über Halsschmerzen und Hus-tenreiz. Bei der körperlichen Untersuchung

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

46

Abb. 25: Brom

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:53 Uhr Seite 46

bei Aufnahme fanden sich keine Auffälligkei-ten. Insbesondere ließen sich über der Lungekeine spastischen Rasselgeräusche auskul-tieren. Die Sauerstoffsättigung lag mit 97 %ebenfalls im Normbereich. Im Serum konntekein erhöhter Bromidspiegel nachgewiesenwerden. Er betrug 4,7 mg/l, was einem phy-siologischen Wert entspricht (therapeutischbis 50 mg/l) und eine massive Bromexpositi-on ausschließt. Die klinisch-chemische Analy-tik war bis auf ein leicht erhöhtes TSH unauf-fällig. Dieser Befund ist unabhängig von derExposition und hängt mit einem Jodmangelzusammen. Wahrscheinlich sollte die Patien-tin mit Jod substituiert werden.

Da es sich bei Brom um ein Reizgas mit mitt-lerer Latenz handelt, wurde für den nächstenTag eine Wiedervorstellung vereinbart und ei-ne Lungenfunktionsprüfung vorgenommen.Der dabei gemessene Wert des Peak-flow lagbei 420 l/min, was noch der Norm entspricht.

Bewertung des Falles:Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwi-schen Exposition und Auftreten von Symptomensowie des Bromnachweises im Serum ist eineleichte Bromintoxikation als gesichert anzu-sehen.

Fall 3:Symptome/Verlauf:Bei der dritten Patientin traten ebenfalls Hus-tenreiz und Halsschmerzen auf. Die körperli-che Untersuchung bei Aufnahme war bis aufgerötete Konjunktiven unauffällig. Insbesonde-re ließen sich über der Lunge keine spasti-schen Rasselgeräusche auskultieren. DieSauerstoffsättigung lag mit 95 % im Normbe-reich. Im Serum konnte kein erhöhter Bromid-spiegel nachgewiesen werden. Er betrug25 mg/l, was einem physiologischen Wert ent-spricht (therapeutisch bis 50 mg/l) und eine

47

massive Bromexposition ausschließt. Auffälligwar bei der klinisch-chemischen Analytik eineleichte Retention der harnpflichtigen Substan-zen (Kreatinin: 1,4 mg/l, normal bis 1,3 mg/l;Harnstoff-N: 20 mg/l, normal bis 18 mg/l), diewahrscheinlich nichts mit dem Ereignis zu tunhatten. Eine Kontrolle nach ausreichenderFlüssigkeitszufuhr wurde empfohlen. Dabeisollte auch die CK mitbestimmt werden, diemöglicherweise durch körperliche Aktivität auf322 U/l (Norm bis 174 U/l) erhöht war.

Da es sich bei Brom um ein Reizgas mit mitt-lerer Latenz handelt, wurde für den nächstenTag eine Wiedervorstellung vereinbart und ei-ne Lungenfunktionsprüfung vorgenommen.Der dabei gemessene Wert des Peak-flow lagmit 600 l/min im Normbereich.

Bewertung des Falles:Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwi-schen Exposition und Auftreten von Symptomensowie des Bromnachweises im Serum ist eineleichte Bromintoxikation als gesichert anzusehen.

Hinweise für alle drei Fälle:Brom ist ein Halogen und wurde 1826 erstmalsaus Meeresalgen isoliert. Ab 1860 erfolgte dietechnische Herstellung. Seinen Namen verdanktes seinem stechenden Geruch, denn „Bromos“kommt aus dem Griechischen und heißt über-setzt Bocksgestank der Tiere. Es besitzt einehohe Reaktionsfähigkeit. Brom ist eine dunkel-rotbraune, schwere Flüssigkeit und bildet an derLuft lebhaft rotbraune, beißende und unange-nehm riechende Dämpfe, die fünfmal so schwerwie Luft sind und sich deshalb am Boden sam-meln. Verwendung findet es u. a. als Desinfekti-ons- und Arzneimittel (Narkose-, Beruhigungs-und Schlafmittel, Antiepileptika). Die Aufbewah-rung muss in Behältern aus Glas, Blei, Monel(eine Kupfer-Nickel-Legierung) oder Nickel er-folgen, weil Beschichtungsmittel, Gummi undKunststoffe angegriffen werden.

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 47

Der Stoff kann oral oder inhalativ aufgenommenwerden. Nach einer oralen oder inhalativen Auf-nahme treten Husten, Dyspnoe, Kopfschmerzen,Schwindel, Verätzungen, abdominelle Krämpfe,Kreislaufstörungen und Kollaps auf. Inhalativ ister ein Reizgas mittlerer Wasserlöslichkeit, ein to-xisches Lungenödem mit Latenz kann die Folgesein. Lokal verursacht er auf der Haut wegenseiner ätzenden Wirkung schwer heilende Wun-den sowie am Auge Rötung und Schmerzen.

Exponierte müssen sich rasch aus der gashalti-gen Atmosphäre entfernen. Ruhigstellung, ggf.Sedierung und Schutz vor Wärmeverlust sinddie weiteren Maßnahmen. Eine Arztvorstellungmit stationärer Überwachung wegen der Latenz-zeit ist bei Patienten mit Symptomen wie Hustenzu empfehlen. Zur Prophylaxe des Lungen-ödems sollte die frühestmögliche Glukokorti-koidgabe erfolgen, entweder inhalativ alsFCKW-freies Spray (z. B. Budenosid) mit Inha-lierhilfe oder hochdosiert intravenös bei Ver-dacht auf massive Exposition (vorzugsweiseMethylprednisolon). Die weitere Therapie istsymptomorientiert.

Brom ist die dem BfR am häufigsten gemeldeteNoxe (> 20 %) bei Schulunfällen. Insgesamt gin-gen dem BfR bis zu diesem Zeitpunkt damit 106Meldungen zu. Die Vergiftungsunfälle traten ty-pischerweise in Fallserien auf, es waren immerviele Personen (ganze Schulklassen) betroffen.Ursache bei den Schulunfällen war immer eineheruntergefallene Glasflasche, die durch denSturz zerbrach. Wie bereits oben erwähnt, ist eine Aufbewahrung in Glas notwendig, weil un-zerbrechliche Kunststoffbehälter angegriffenwerden. Möglicherweise ist dies auch in denbeschriebenen Fällen die Unfallursache. Zu dis-kutieren wäre aber auch, ob die Sicherheitsbe-stimmungen eingehalten wurden. Es ist unsnicht bekannt, ob die Patientinnen unter einemAbzug gearbeitet hatten.

Beim überwiegenden Anteil der dem BfR ge-meldeten Betroffenen (67 %) traten leichte

Symptome auf, wie auch in den beschriebenenFällen. Im Vordergrund standen dabei typi-scherweise Atembeschwerden (ca. 70 %),gefolgt von Übelkeit und Kopfschmerzen (fast50 %). Der überwiegende Anteil der Patientenwurde stationär überwacht, alle aber – bis aufeinen Patienten, bei dem keine Symptome be-standen – einem Arzt vorgestellt. Aufgrund ra-scher effektiver therapeutischer Maßnahmenkonnten schwere Vergiftungen mit Lungenödemoder zurückbleibenden Schäden verhindertwerden.

Evakuierungsmaßnahmen sowie die ärztlicheVersorgung im Anschluss sind sehr personal-aufwendig und verursachen hohe Kosten. Even-tuell könnte eine bruchsichere Aufbewahrungder Chemikalie (z. B. in Monel) weitere Unfälleverhindern.

3.2.3.4 Cannabis und Blei

Chronische Bleivergiftung nach Rauchen/Abusus von kontaminiertem CannabisEin 23-jähriger Mathematikstudent rauchtetäglich zwischen ein bis zwei Gramm Canna-bis. Die Droge hatte er sich stets aus dersel-ben Quelle, einer Großstadt in Sachsen, be-sorgt. Ihm war aufgefallen, dass auf demCannabis schwarze Anhaftungen sichtbarwaren. Zuvor erhielt er Cannabis mit zucker-artigen Anhaftungen. Im Oktober 2007 tratenerstmals Symptome einer Bleivergiftung auf,die sich in Form von heftigen kolikartigenBauchschmerzen äußerten. Nachdem in ei-nem Zeitungsartikel über Fälle einer Bleiver-giftung infolge kontaminierten Cannabis inSachsen berichtet wurde, brachte der Stu-dent seine Beschwerden damit in Zusam-menhang. Auf sein Betreiben hin wurde dannim November nach zuvor nicht zielführenderDiagnostik Blei im Blut bestimmt. Es resultier-te eine stark erhöhte Bleikonzentration von1.850 µg/l (durchschnittliche Blutbleikonzen-tration bei Kindern 50–70 µg/l). Zusätzlich

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

48

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 48

bestand eine Anämie. Kopfschmerzen, ansich selbst oder von anderen bemerkte We-sensveränderungen sowie eine Einschrän-kung der geistigen Leistungsfähigkeit ver-neinte er auf Befragen. Körperliche oder psychische Vorerkrankungen waren nicht be-kannt. Zur Therapie erfolgte die Einweisungin eine spezielle Klinik mit einer toxikologi-schen Abteilung.

Symptome/Verlauf:Bei der Aufnahmeuntersuchung des sehrschlanken, nur 57 kg schweren, 175 cm gro-ßen Patienten (BMI 18,6!) fiel eine Hautblässeauf. Ein Bleisaum ließ sich nicht nachweisen.Beim Finger-Nase-Versuch zeigten sich Unsi-cherheiten, grobe Kraft war erhalten, er hatteseitengleiche Muskeleigenreflexe und keinenTremor. Zu den noch weiterhin bestehendenheftigen Bauchkoliken konnten weitere Symp-tome einer Bleivergiftung, wie eine arterielleHypertonie und eine kurzzeitige orthostati-sche Dysregulation, wahrscheinlich durch Volumenmangel bedingt, festgestellt werden.Die Herzfrequenz war auf 101/min. erhöht.Laborchemisch imponierte eine Leukozytosevon 21.100/µl (Kontrolle 15.200/µl) bei unauf-fälligem CRP und eine Anämie mit Hb 7,9 g/dl(Kontrolle 8,3 g/dl) mit erniedrigten Färbeindi-zes. Als weiterhin erwähnenswert und patho-logisch erhöht galten die Á-GT mit 69 U/l, an-steigend auf 93 U/l (normal bis 28 U/l), dieGOT mit 99 U/l (normal bis 35 U/l) und dieGPT mit 319 U/l, bei Kontrolle 282. Die Blut-bleispiegel waren weiterhin erhöht auf maxi-mal 1.562 µg/l bei Aufnahme. Außerdem fan-den sich als Ausdruck einer gravierendenBleivergiftung erhöhte Urin-Werte für die �-Aminolävulinsäure mit 160 mg/24 h (normalbis 49 mg/24 h), das Porphobilinogen mit22,27 mg/24 h (normal bis 7,5 mg/24 h) und sehr stark erhöhte Urinwerte über das20-fache für die Gesamtporphyrine mit 3767µg/24 h (normal bis 145 µg/24 h). An Zusatz-

diagnostik wurde ein Oberbauchsonogrammveranlasst, bei dem bis auf eine schon vorbe-stehende Nierenbeckenerweiterung keine pa-thologischen Befunde erhoben werden konn-ten. Das EKG war unauffällig. Die Ergebnissedes am Entlassungstag durchgeführtenEMG´s und der Nervenleitgeschwindigkeit la-gen zum Zeitpunkt der Epikrisenschreibungnoch nicht vor. Wegen der eindeutigen Bleiin-toxikation war eine Antidottherapie mit einemChelatbildner erforderlich. Diese gestaltetesich sehr schwierig, weil das für diese Indika-tion in Deutschland zugelassene MedikamentDMPS nicht zur Verfügung stand. Über eineinternationale Apotheke wurde deshalb ein inden USA bei Bleivergiftungen bewährter Che-latbidner, DMSA, beschafft und eine Behand-lung des Patienten damit eingeleitet (sieheunten). Der erste Behandlungszyklus dauert19 Tage. Weil eine ambulante Fortsetzung derbegonnenen Therapie möglich war, entließman den Patienten nach sechstägigem statio-nären Aufenthalt aus der Klinik.

Es wurde empfohlen, nach dem ersten Be-handlungsintervall von 19 Tagen die Blutblei-konzentration zu bestimmen, eine 14-tägigeBehandlungspause einzulegen, erneut dieBlutbleikonzentration zu messen und bei Wer-ten oberhalb von 400–600 µg/l eine erneuteBehandlungsphase mit dem Chelatbildnerdurchzuführen.

Hinweise:Ende Juli 2007 trat in Sachsen und Thüringeneine Häufung von Bleivergiftungen, zunächstunklarer Genese, auf. Betroffen waren aus-schließlich jüngere Erwachsene, von denen beider Mehrzahl ein Drogenkonsum bekannt war.Man vermutete deshalb einen Zusammenhangmit bleikontaminierten Drogen, der sich imNachhinein bestätigte. Aus Sachsen sind ca. 20ähnlich gelagerte Fälle wie der oben beschrie-bene bekannt. Neben den zuständigen Ministe-

49

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 49

rien wurde auch das BfR vom Giftinformations-zentrum Erfurt über dieses Problem informiert.Als Quellen für eine chronische Bleibelastunggalten bisher bleihaltige Kosmetika oder Natur-heilmittel, insbesondere asiatischer Herkunft.Chronische Vergiftungen durch Exposition mitabgeblätterter bleihaltiger Farbe spielen im Ge-gensatz zu den USA in Deutschland keine Rolle.

Die Absorption nach Inhalation von Blei(-Stäu-ben) oder seiner Verbindungen beträgt immer-hin 30–85 %. Anschließend erfolgt die Vertei-lung in einem 3-Kompartiment-System. 95 %des Bleis liegen im Blut in den Erythrozyten ge-bunden vor, der Rest ist an Plasmaproteine ge-bunden. Nach der Verteilung erfolgt zunächstdie Anreicherung in den parenchymatösen Organen wie Leber, Niere und Gehirn, danachwerden etwa 95 % des Bleis im Gitterwerk desKnochenhydroxyapatits fest gebunden. Blei istim Knochen untoxisch, wird aber im Rahmendes Knochenstoffwechsels in die anderen Kom-partimente freigesetzt. Deshalb gibt die Blut-bleikonzentration wenig Auskunft über eine vo-rausgegangene Bleibelastung.

Die durchschnittliche Blutbleikonzentration be-trägt z. B. bei deutschen Kindern im Alter vonsechs bis sieben Jahren 55–70 µg/l. Blei hat keine physiologische Bedeutung. Es ist bisherkein unschädlicher unterer Grenzwert definiertworden. Ab ca. 100 µg/l sind Wachstums- undHörstörungen mit Verminderung des Intelligenz-quotienten, Erhöhung des Erythrozytenprotopor-phyrins sowie eine Hemmung der �-Aminolävu-linsäure-Dehydratase beschrieben worden.Spiegel über 200 µg/l setzen die Nervenleitge-schwindigkeit herab, der Vitamin-D-Stoffwechselwird gestört und die Hämoglobinsynthese ge-hemmt. Bei Spiegeln zwischen 500–1.000 µg/lsind Enzephalo- und Nephropathien bekannt,noch höhere Konzentrationen können zum Todführen.

Der eigentliche Wirkmechanismus ist noch nichtvollständig geklärt, lediglich die Wirkung auf

das hämatopoetische System ist gut bekannt.Bei niedrigen Blut-Blei-Konzentrationen wird die �-Aminolävulinsäure-Dehydrataseaktivitätgehemmt. Als empfindlichster Parameter ist sie schon frühzeitig bei Blut-Blei-Spiegeln ab100 µg/l erniedrigt. Nach etwa zwei bis drei Wo-chen resultiert ein Anstieg der �-Aminolävulin-säure im Blut sowie eine vermehrte Ausschei-dung im Urin. Sie soll u. a. für die Neurotoxizitätverantwortlich sein. Des Weiteren wird eineHemmung zellulärer Funktionen, die Zink undCalcium benötigen, diskutiert, weil Blei mit Cal-cium interferiert. Die Ferrochelatase, ein für denEinbau des Eisens in das Porphyrin verantwortli-ches Enzym, wird ebenfalls gehemmt, was zueiner Erhöhung des Erythrozytenporphyrinsführt. Eine erhöhte Ausscheidung des Kopro-porphyrins III im Urin und eine Anämie mit ba-sophiler Tüpfelung sind die Folge.

Neben Knochenmark und Nervensystem sindbei einer Bleivergiftung auch die Niere und dieglatte Muskulatur betroffen. Symptome einerakuten bzw. subakuten Intoxikation sind Bauch-schmerzen, Übelkeit sowie eine transiente proxi-male tubuläre Dysfunktion der Nieren ähnlich einem Fanconi-Syndrom. Bei einer chronischenBelastung findet man Anorexie, Lethargie, Irrita-bilität, Ataxie, Muskelschwäche, kolikartigeBauchschmerzen, Intelligenzminderung, Nieren-schäden, Hypertonie, Sehstörungen und radio-logisch Bleilinien in den Röhrenknochen.

Zur Diagnostik sollten die Konzentrationen vonBlei und der �-Aminolävulinsäure im Blut und im Urin sowie die des Erythrozyten-Protopor-phyrins bestimmt werden.

Asymptomatische Patienten mit Blut-Blei-Kon-zentrationen < 250 µg/l werden nicht behandelt.Bei höheren Konzentrationen bzw. klinischenSymptomen (wie auch im beschriebenen Fall)sollte eine Antidottherapie mit einem Chelatbild-ner erfolgen. In Deutschland ist für diese Indika-tion das Medikament DMPS (Dimercaptopro-pansulfonat) zugelassen. Es wird aber zurzeit

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

50

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 50

nicht hergestellt und ausgeliefert. In den USA,wo man aufgrund der höheren Belastung derBevölkerung langzeitige Erfahrungen mit Blei-In-toxikationen hat, wird der noch effektivere Che-latbildner DMSA (2,3-Dimercaptobernsteinsäu-re) empfohlen. Die älteren Chelatbildner EDTAund BAL sind nach neueren Erkenntnissen we-gen ihrer Eigentoxizität und der möglicherweiseverstärkten Bleiresorption obsolet.

Die Therapie erfolgt in mehreren Phasen. Zu-nächst wird mit dem Chelatbildner das im Blut-kompartiment befindliche Blei entfernt. Da beichronischer Bleibelastung das Blei im Knochenakkumuliert und von dort nur langsam ins Blutzurückverteilt wird, sollte sich an den ersten Behandlungszyklus eine mindestens 14-tägigebehandlungsfreie Phase anschließen. Währenddieser Zeit ist eine Mobilisierung des Bleies ausdem Knochen zurück in das Blut möglich, eskann dann an den Chelatbildner gebunden undausgeschieden werden.

Im vorliegenden Fall kann davon ausgegangenwerden, dass bei dem Patienten aufgrund dermassiv erhöhten Blut- und Urinwerte eine gra-vierende chronische Bleiintoxikation vorlag. An-gesichts der charakteristischen Symptomatikmit deutlicher Anämie, Anorexie und Ataxie be-stand die Intoxikation sicher schon länger alsOktober 2007, noch bevor der Patient die Symp-tomatik selbst bemerkte. Diese Intoxikation hatteer sich durch das Rauchen von blei-kontami-niertem Cannabis zugezogen.

Bewertung des Falles:Aufgrund des toxischen Blut-Blei-Spiegels,der erhöhten Urinwerte für Porphyrine und die �-Aminolävulinsäure sowie der charakteristi-schen Symptomatik mit kolikartigen Bauch-schmerzen, Hypertonie, Ataxie, Anorexie undAnämie ist ein ursächlicher Zusammenhang bei Fehlen anderer Ursachen als gesichert an-zusehen.

3.2.3.5 Rostlöser-Spray

Todesfall – Zusammenhang mit der Ver-wendung eines Rostlöser-/Korrosions-schutz-Sprays nicht auszuschließenZum Korrosionsschutz hatte ein 69-jährigerMann mit einem Schmier-Kriechöl den Unter-boden seines PKW behandelt. Er benutztedafür ein handelsübliches Rostlöser-Spray,das als Hauptbestandteil Benzinkohlenwas-serstoffe enthielt und Kohlendioxid als Treib-mittel. In nicht deklarationspflichtigen Mengenwar Molybdändisuldid enthalten. Das Ein-sprühen erfolgte unter dem Auto liegend überungefähr 15 Minuten an einem windstillen Tagim Vorhof eines Carports. Spezielle Schutz-kleidung, insbesondere Atemschutz, wurdenicht getragen. Unmittelbar nach dieser Ar-beit kam es zu akuter Atemnot, Übelkeit undKreislaufschock. Trotz früh einsetzender Re-animationsmaßnamen ist der Patient ca. vierStunden nach Einsetzen der ersten Sympto-me auf der Intensivstation des Krankenhau-ses verstorben, ohne vorher noch einmal dasBewusstsein erlangt zu haben.

Da ein Zusammenhang des schwerenSchockgeschehens mit der Inhalation desSchmieröls nicht ausgeschlossen werdenkonnte, wurde die Kriminalpolizei informiert.Diese hat eine Obduktion veranlasst. Die Fra-ge der Todesursache ist trotz umfangreichergutachterlicher Untersuchungen bis heutenicht eindeutig geklärt.

Symptome/Verlauf:Aus der Vorgeschichte des Verstorbenen sindkeine ernsten Erkrankungen bekannt. DerMann klagte nach dem Versprühen desKriechöls plötzlich über Übelkeit und starkeLuftnot. Von der Ehefrau wird geschildert,dass er sich mehrmals an den Hals gefassthabe und gerufen habe: „Ich bekomme keineLuft mehr“. Er habe ein paar Mal dicken gel-ben Schleim abgehustet. Husten und Würgen

51

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 51

hätten sich gesteigert. Die Ehefrau schätztediese Situation als lebensbedrohlich ein undalarmierte sofort die Feuerwehr. Der Ret-tungsdienst traf bereits nach wenigen Minu-ten ein, fand jedoch einen bereits pulslosen,zyanotischen Patienten vor. Mit sofort einge-leiteten Reanimationsmaßnahmen konnten beidem weiterhin bewusstlosen Patienten nachca. 40 Minuten vor Ort zunächst stabile Kreis-laufverhältnisse erreicht werden, und er wur-de auf die Intensivstation eines Krankenhau-ses gebracht.

Bei der stationären Aufnahme zeigte derbeatmete, tief komatöse Patient die typischenZeichen eines Kreislaufschocks (Blutdrucknicht messbar, Herzaktionen unregelmäßig,Herzfrequenz 70/min), die Lunge war auskul-tatorisch beidseits belüftet mit basal wenigfeinblasigen Rasselgeräuschen, die Körper-temperatur war auf 31,8 °C abgefallen. Trotzintensivmedizinischer Therapie mit Höchst-dosen von Katecholaminen, Flüssigkeitszu-fuhr, Pufferung der metabolischen Acidoseund maschineller Beatmung mit hohem Sau-erstoffanteil konnte keine Kreislaufstabilisie-rung mehr erreicht werden. Der Patient ver-starb etwa vier Stunden nach Beginn der Reanimationsmaßnahmen.

Bei der Obduktion wurde eine stark ausge-prägte allgemeine Arteriosklerose, insbeson-dere der Herzkranzgefäße festgestellt mit Hin-weisen auf zurückliegende rezidivierendeHerzinfarkte. Es fand sich jedoch keine fri-sche Infarktnarbe. Die Lunge zeigte makro-skopisch keinen wesentlich krankhaften, fürden Todeseintritt bedeutenden Befund. LautSektionsgutachten hätten die schwerwiegen-den krankhaften Veränderungen des Herz-kreislaufsystems jederzeit zum Tode führenkönnen, jedoch nicht zwingend zum damali-gen Zeitpunkt. Eine eindeutige Todesursachewurde im Sektionsbericht nicht benannt.

Hinweise:Der geschilderte Unfallhergang, der klinischeVerlauf und die Auswertung des Sektionsproto-kolls sprechen am ehesten für einen rezidivie-renden Herzinfarkt als Todesursache. Der be-schriebene Sektionsbefund der Lunge schließtjedoch ein pulmonales Krankheitsgeschehen,verursacht durch Aspiration des verwendetenSchmieröles, nicht aus. Zu einer genaueren Klä-rung mit Nachweis von Rückständen des ver-wendeten Produktes im Lungengewebe hätteneventuell weitere aufwendige Analysen führenkönnen. Auf diese Möglichkeit wurde verzichtet,da nach Auffassung der Sachverständigen keine Änderung in der Einschätzung zur Todes-ursache zu erwarten gewesen war.

Dieser tragische Todesfall lenkt erneut die Auf-merksamkeit auf Gesundheitsschäden, diemöglicherweise auf den Gebrauch von chemi-schen Produkten in Aerosolform zurückzuführensind. Laut Sicherheitsdatenblatt ist dieses Pro-dukt nicht als gesundheitsgefährdend einzustu-fen. Bei der Anwendung seien allgemeine per-sönliche Schutzmaßnahmen ausreichend. Beiguter Raumbelüftung sei Atemschutz nicht er-forderlich. Dieser Hinweis erscheint nicht ein-dringlich genug.

Die toxische Wirkung von aliphatischen Kohlen-wasserstoffen auf die Lunge ist bekannt. Nachversehentlichem Verschlucken selbst kleinerMengen kann es durch Aspiration zu einer sehrschweren, eventuell tödlich verlaufenden Lun-gensymptomatik kommen. Meist handelt es sich um Husten und vorübergehende Atembe-schwerden. Es kann aber auch eine chemischeLungenentzündung mit langer Krankheitsdauerentstehen. In sehr seltenen Fällen wurde einesich sehr rasch entwickelnde lebensbedrohlicheSymptomatik beobachtet mit heftigem Hustenund frühzeitiger Zyanose, wobei hierbei wieder-um nur in seltenen Fällen ein Glottis- oder Lun-genödem, eine Pleuritis oder ein Pneumothoraxals Ursache festgestellt werden konnte.

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

52

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 52

Nach den uns vorliegenden Erkenntnissen ausvergleichbaren Unfallmeldungen mehren sichdie Hinweise, dass eventuell Zusatzstoffe oderLösemittel eines Aerosols für eine möglicherwei-se toxische Wirkung auf die Lunge verantwort-lich zu machen sind. Es ist auch zu vermuten,dass durch die sehr feine Verteilung des Sprüh-nebels eine kritische Tröpfchengröße erreichtwird, wodurch Inhaltsstoffe des chemischenProduktes weit in die tieferen Bereiche der Lun-ge vordringen könnten bis hin zu den kleinstenLungenbläschen und hier eine toxische Wirkungentfalten. Das BfR sieht auf diesem Gebiet drin-

53

genden Forschungsbedarf und hat z. B. in Be-zug auf Oberflächenversiegelungssprays ver-schiedene Forschungsprojekte initiiert.

Bewertung des Falles:Aufgrund der Angaben zum zeitlichen Zusam-menhang zwischen Anwendung des chemi-schen Produktes und dem Auftreten der ge-schilderten Symptomatik ist im vorliegenden Fallein ursächlicher Zusammenhang zwischen Ein-atmen des Rostlöser-Kriechöl-Aerosols und To-desgeschehen möglich.

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 53

4.1 Spektrum der Mitteilungen bei Vergiftungen Zeitraum 01.01.2007–31.12.2007

4 Anhang

Tab. 12: 4.086 Meldungen, versus Schweregrad der Gesundheitsstörung, differenziert nach Kindern und Erwachsenen;die Fälle der Erwachsenen wurden zusätzlich nach privater oder beruflicher Exposition aufgeschlüsselt (ausgenommen Sicherheitsgrad „kein Zusammenhang“ oder „Ausschluss“)

Spektrum Mitteilungen gesamtGesundheitsbeeinträchtigung

mittelschwer/schwer

ObergruppeMittelgruppe

Untergruppe

Ge-samt

Kin-der

Er-wach-sene

priv. beruf-lich

Ge-samt

Kin-der

Er-wach-sene

priv. beruf-lich

I. Arzneimittel 180 11 169 2 167 5 2 3 2 1

II. Tierarzneimittel 3 3 3

III. Chemische Produkte 2.440 30 2.410 24 2.386 166 7 159 12 147

Abfall 27 27 27 1 1 1

Abgase 179 179 2 177 10 10 2 8

Abwasser 16 16 16

Anstrichstoffe 146 146 4 142 9 9 2 7

Abbeizmittel 9 9 9

Alkydharzfarben

Dispersionsfarben 7 7 7

Künstlermalfarben

Lacke 23 32 32 1 1 1

Parkettversiegelungs-mittel

1 1 1 1 1 1

Pigmente 1 1 1

Primer 15 15 3 12 3 3 2 1

Verdünnungsmittel 51 3 51 51 3 3 3

Anzündprodukte 3 3 2 2

Bauhilfsstoffe 22 22 2 20 3 3 1 2

Baustoffe 123 123 123 19 19 19

Brennstoffe, fest; Hilfsstoffe

3 3 3

Brennstoffe, fl üssig; Hilfsstoffe

29 5 24 24 1 1

Benzin 12 12 12

Brennspiritus 4 1 3 3

Lampenöl 4 4 1 1

Brennstoffe, gasförmig 2 2 2

Bürochemie 19 19 1 18 1 1 1

Dekorationshilfsmittel 2 2 2

Dentalmaterialien 5 5 5Desinfektionsmittel 369 369 2 367 14 14 1 13

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

54

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 54

55

Spektrum Mitteilungen gesamtGesundheitsbeeinträchtigung

mittelschwer/schwer

ObergruppeMittelgruppe

Untergruppe

Ge-samt

Kin-der

Er-wach-sene

priv. beruf-lich

Ge-samt

Kin-der

Er-wach-sene

priv. beruf-lich

Desodorantien, technisch 6 1 5 5Diagnostika/Reagenzien 2 2 2

Druckereihilfsmittel 3 3 3

Enteisungsmittel 1 1 1

Feuerlöschmittel 15 15 15 1 1 1

Flammschutzmittel

Galvanische Elemente 87 87 87 4 4 4

Batterien

Knopfzellen

Akkumulatoren 87 87 87 4 4 4

Galvanotechnische Mittel 1 1 1

Galvanotechnische Hilfsmittel

2 2 2

Gase, technische 2 2 2

Gefrierschutzmittel 2 2 2

Glasbearbeitungshilfs-mittel

Gummifertigungsstoffe 3 3 3

Halbleiterfertigungsstoffe

Haushaltshilfsmittel, chem.-techn.

Hydraulikfl üssigkeit 26 26 26

Kältemittel 3 3 3

Keramische Hilfsmittel 1 1 1

Keramische Werkstoffe 2 2 2

Klebstoffe 87 87 2 85 5 5 1 4

Kühlmittel 13 13 13

Kunststofffertigungsstoffe 14 14 14 1 1 1

Kunststoffverarbeitungs-mittel

3 3 3

Lederhilfsmittel

Leuchtstoffe 6 6 1 5

Lösemittel, technisch 60 60 1 59,3 3 3

Löt- u. Schweißmittel (ohne Schweißrauche)

3 3 3

Messmittel, chemisch-technisch

HeizkostenverteilerHg-Thermometer

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 55

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

56

Spektrum Mitteilungen gesamtGesundheitsbeeinträchtigung

mittelschwer/schwer

ObergruppeMittelgruppe

Untergruppe

Ge-samt

Kin-der

Er-wach-sene

priv. beruf-lich

Ge-samt

Kin-der

Er-wach-sene

priv. beruf-lich

Thermometerfl üssigkeitMetallurgiehilfsmittel 13 13 13 3 3 3

Molkereihilfsmittel

Papierherstellungs-hilfsmittel

Photo/Photochemikalien 9 9 9

Radioisotope, Radionukleide

Reinigungsmittel 778 19 759 10 749 72 4 68 5 63

Abfl ussreiniger 15 15 15 3 3 3

Allzweckreiniger 47 2 45 45 2 2 2

Backofen- und Grillreiniger

27 3 24 24

Elektronikreiniger

Entkalker 19 19 3 16 1 1 1

Fassaden- und Steinreiniger

4 4 4

Fleckentferner 2 2 2 1 1 1

Fußbodenreiniger 4 1 3 3

Geschirrreiniger, manuell

9 9 9

Geschirrreiniger, maschinell

10 1 9 9 1 1 1

Geschirrmaschinen-reiniger

6 6 6 2 2 2

Glasreiniger 6 6 1 5 1 1 1

Industriereiniger 76 76 1 75 11 11 11

Klarspüler f. Geschirrreiniger

9 1 8 8

Kunststoffreiniger

Lackreiniger

Melkmaschinenreiniger 70 2 68 68 8 1 7 7

Metallreiniger 23 23 23 1 1 1

Möbelreiniger 1 1

Rußentferner 1 1 1 1 1 1

Sanitärreiniger 38 5 33 3 30 4 4 2 2

Schuh- und Lederreiniger

4 1 3 3 3 1 2 2

Teppich/Polsterreiniger

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 56

57

Spektrum Mitteilungen gesamtGesundheitsbeeinträchtigung

mittelschwer/schwer

ObergruppeMittelgruppe

Untergruppe

Ge-samt

Kin-der

Er-wach-sene

priv. beruf-lich

Ge-samt

Kin-der

Er-wach-sene

priv. beruf-lich

WaschmittelWaschhilfsmittel 10 10 10

Scherzartikel

Schmiermittel 24 24 1 23 2 2 1 1

Schweißrauche 24 24 24

Staubbindemittel

Spielwaren

Textilhilfsmittel 5 5 2 3 3 3 2 1

Treibmittel/Sprays 2 2 2

Wasseraufbereitungsmittel 11 1 10 10 2 2 2

Zoologische Bedarfsartikel 2 1 1 1

Unbekannt 108 108 108 5 5 5

IV. Kosmetika/Hygieneprodukte

71 71 7 64 6 6 3 3

Haarpfl egemittel 25 25 1 24 1 1 1

Dauerwellmittel 4 4 4

Haarentfernungsmittel

Haarfärbemittel 20 20 1 19 1 1 1

Haarfestiger

Haarwasser

Shampoos

Hautpfl egemittel 30 30 3 27 3 3 1 2

Badezusätze 2 2 2

Bräunungsmittel 1 1 1

Creme/Salbe/Lotion 5 5 2 3 2 2 1 1

Desodorantien

Gesichtswasser

Make-up

Öle

Parfüm/Rasierwasser 3 3 3

Puder 1 1 1

Seifen 16 16 16 1 1 1

Sonnenschutzmittel

Mund/Zahnpfl egemittel 10 10 1 9 1 1 1

Nagelpfl egemittel 2 2 2

V. Pestizide 107 5 102 8 34 11 11 3 8

Akarizide 1 1 1

Fungizide 9 9 9 2 2 2Herbizide 22 22 22 2 2 2

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 57

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

58

Spektrum Mitteilungen gesamtGesundheitsbeeinträchtigung

mittelschwer/schwer

ObergruppeMittelgruppe

Untergruppe

Ge-samt

Kin-der

Er-wach-sene

priv. beruf-lich

Ge-samt

Kin-der

Er-wach-sene

priv. beruf-lich

Holzschutzmittel 9 5 4 13Insektizide 25 25 6 19 3 3 3

Carbamate

Chlorierte Kohlen-wasserstoffe

Phosphorsäureester 9 9 2 7 2 2 2

Pyrethroide 6 6 1 5

Molluskizide 1 1 1

Repellentien

Rodentizide 1 1 1

Antikoagulantien

Phosphorwasserstoff-Derivate

Saatgutbeizmittel 1 1 1

VI. Agrochemikalien (aufler Pestizide)

10 10 10 1 1 1

Düngemittel 4 4 4 1 1 1

Pfl anzenpfl egemittel

Wachstumsregulatoren

VII. Drogen 2 2 2 1 1 1

VIII. Pfl anzen 8 5 3 3

IX. Pilze 13 6 7 6 1 5 1 4 4

X. Tiere 2 1 1 1

XI. Speisen und Getränke 49 2 47 20 27 7 1 6 6

Alkoholika 7 7 2 5 2 2 2

Lebensmittelzusatzstoffe 1 1 1

Tabak und -produkte 2 1 1 1

Nahrungsergänzungs-mittel

11 11 11 2 2 2

XII. Waffen 2 2 2

Pyrotechnische Erzeugnisse

Tränengas

XIII. Sonstiges 112 112 1 111 8 8 8

Textilien 10 10 10

Bekleidung 10 10 10

Raumtextilien

XIV. Grundsubstanzen 1.152 2 1.150 9 1.141 113 113 5 108XV. Industriestörfälle 6 6 6 1 1 1

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 58

59

Bundesinstitut für RisikobewertungDokumentations- und Bewertungsstellefür VergiftungenPostfach 33 00 13

14191 BerlinStempel, Telefon-Nummer und Unterschrift der/des Ärztin/Arztes

Mitteilung bei Vergiftungennach § 16e Abs. 2 des Chemikaliengesetzes(Telefon: 01888-412-3460, Fax: 01888-412-3929. E-Mail: [email protected]

1. Angaben zur/zum Patientin/en:

Jahre Monate (bei Kindern unter 3 Jahren) männlich Schwangerschaft ja

Alter: weiblich (freiwillig auszufüllen) nein

2. Vergiftung Verdacht

Unbedingt Handelsname der Zubereitung/des Biozid-Produktes oder Stoffname, aufgenommene Menge und Hersteller (Vertreiber); ggf. vermutete Ursache

a.

b.

c.

3. Exposition akut chronisch

oral inhalativ Haut Auge sonstiges, welche

Art der Vergiftung: akzidentell (Unfall) gewerblich Verwechslung

suizidale Handlung Abusus Umwelt Sonstiges

Ort: Arbeitsplatz im Haus Schule

Kindergarten im Freien Sonstiges

Labor-Nachweis: ja nein

Behandlung: keine ambulant stationär

Verlauf: nicht bekannt vollständige Heilung Defektheilung Tod

Spätschäden (nicht auszuschließen)

4. Symptome, Verlauf – stichwortartig – (ggf. anonymisierte Befunde, Epikrise beilegen)(freiwillig auszufüllen)

4.2 Meldeformular für Vergiftungsfälle

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 59

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

60

Pers. Nummer

weiblich männliich Erwachsene(r) Kind

Bereich I

Unmittelbar Betroffene(r)

(Bitte Eintrag in die Landkarte)

Direkt am Unfallort Arbeiter(in)

Nahe Unfallort Feuerwehr

m Polizei/Rettungsdienst

Privatperson

Sonstige(r)

Erstexposition Uhrzeit Datum

Dauer ständig nicht ständigStunden/Tage

Schutzmaßnahmen ja nein

Symptome ja nein

(Wenn ja, bitte Dokumentation auf dem Meldebogen)

Bereich II

Nicht unmittelbar Betroffene(r)

(Bitte Eintrag in die Landkarte)

Entfernung vom Unfallort Anwohner

m Beschäftigte(r)/Arbeitnehmer(in)

km Sonstige(r)

Erstexposition Uhrzeit Datum

Dauer ständig nicht ständigStunden/Tage

Symptome ja nein

(Wenn ja, bitte Dokumentation auf dem Meldebogen)

Biomonitoring Stoff:

Blutentnahme Datum Zeitpunkt Konzentration

Urinprobe Datum Zeitpunkt Konzentration

Spontanurin 24h Sammelurin Kreatinin

4.3 Meldeformular für Störfälle

BfR-Fragebogen zur Expositionsermittlung bei Stör- und Transportunfällen

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 60

61

4.4 Verzeichnis der Giftinformationszentren

Berlin BBGes – Giftnotruf Berlin Oranienburger 13437 Tel.: 0 30-192 40

Institut für Toxikologie Str. 285 Berlin Fax: 0 30-30 68 6721

Klinische Toxikologie und [email protected]

Giftnotruf Berlin www.giftnotruf.de

Bonn Informationszentrale gegen Adenauerallee 53113 Tel.: 02 28-192 40

Vergiftungen 119 Bonn Fax: 02 28-2 873314

Zentrum für Kinderheilkunde [email protected]

Universitätsklinikum Bonn www.meb.uni-bonn.de/

giftzentrale

Erfurt Gemeinsames Giftinformations- Nordhäuser 99089 Tel.: 03 61-73 0730

zentrum der Länder Str. 74 Erfurt Fax: 03 61-7307317

Mecklenburg-Vorpommern, [email protected]

Sachsen, Sachsen-Anhalt und www.ggiz-erfurt.de

Thüringen

Freiburg Zentrum für Kinderheilkunde Mathildenstr. 1 79106 Tel.: 0761-192 40

und Jugendmedizin Freiburg Fax: 0761-270 4457

Vergiftungs-Informations-Zentrale [email protected]

www.giftberatung.de

Göttingen Giftinformationszentrum-Nord der Robert Koch-Str. 37075 Tel.: 05 51-38 3180

Länder Bremen, Hamburg, Nieder- 40 Göttingen Fax: 05 51-3 8318 81

sachsen und Schleswig-Holstein [email protected]

(GIZ-Nord) Universität Göttingen – www.giz-nord.de

Bereich Humanmedizin

Homburg Informations- und Behandlungs- Kirrberger Str. 66421 Tel.: 0 68 41-192 40

zentrum für Vergiftungen des Gebäude 9 Homburg/ 0 68 41-162 8314

Saarlandes Saar Fax: 0 68 41-162 84 38

Klinik für Kinder- und [email protected]

Jugendmedizin www.uniklinikum-saarland.de/de/

einrichtungen/andere/giftzentrale

Mainz Klinische Toxikologie und Langenbeckstr. 1 55131 Tel.: 0 6131-192 40

Beratungsstelle bei Vergiftungen der Mainz 0 6131-23 24 66

Länder Rheinland-Pfalz und Hessen Fax: 0 6131-23 2469

Universitätsklinikum 0 6131-23 24 68

[email protected]

www.giftinfo.uni-mainz.de

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 61

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

62

München Giftnotruf München Ismaninger Str. 81675 Tel.: 0 89-192 40

Toxikologische Abteilung der II. 22 München Fax: 0 89-4140 24 67

Medizinischen Klinik und Poliklinik, [email protected]

rechts der Isar der Technischen www.toxinfo.org

Universität München

Nürnberg Giftnotrufzentrale Nürnberg Prof.-Ernst- 90419 Tel.: 0911-3 98 26 65

Medizinische Klinik 2, Nathan-Str. 1 Nürnberg Fax: 0911-3 98 2192

Klinikum Nürnberg Giftnotruf: 0911-3 98 24 51

Lehrstuhl Innere oder 0911-3 98 26 65

Medizin-Gerontologie, muehlberg@

Universität Erlangen-Nürnberg klinikum-nuernberg.de

www.giftinformation.de

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 62

63

4.5 Pressemitteilungen des BfR 2007 zu toxi-kologischen Sachverhalten

Kindersichere Öllampen sind möglich!Neu konstruierter Brenner könnte Kinder effektivvor Vergiftungen schützen02/2007, 18.04.2007

Weniger Versuchstiere bei gleicher Sicherheitfür den Verbraucher!BfR setzt sich für ein verkürztes Testverfahrenzur Prüfung reproduktionstoxischer Wirkungenvon Chemikalien ein04/2007, 09.05.2007

Wasch- und Reinigungsmittelrezepturen müs-sen an das Bundesinstitut für Risikobewertunggemeldet werdenZur erleichterten Bearbeitung stehen elektroni-sche Meldehilfen zur Verfügung!06/2007, 05.06.2007

Bittere Aprikosenkerne können zu VergiftungenführenBundesinstitut für Risikobewertung hält Warn-hinweise auf Verpackungen für erforderlich07/2007, 07.06.2007

Chrom (VI) in Lederbekleidung und Schuhenproblematisch für Allergiker!BfR empfiehlt, Gehalte in Lederwaren streng zu begrenzen10/2007, 02.07.2007

BfR warnt erneut vor Henna-TattoosDie Inhaltsstoffe können für allergische Reak-tionen den Weg bereiten14/2007, 18.07.2007

Ultrafeinstäube aus Laserdruckern und Fotokopierern enthalten offenbar keine Toner-partikelAbschlussbericht zur Pilotstudie wird gegen Ende des Jahres erwartet18/2007, 16.10.2007

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 25.11.2008 11:34 Uhr Seite 63

Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen

64

4.6 Verzeichnis der im Heft verwendeten Abkürzungen

Abkürzung Bedeutung der Abkürzungµg/h Menge pro Zeiteinheit in Mikrogramm pro Stundenµg/l Menge pro Volumen in Mikrogramm pro LiterADH Antidiuretisches HormonBAL British Anti-Lewisite, DimercaprolBfR Bundesinstitut für Risikobewertung BG BerufsgenossenschaftBgVV Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und VeterinärmedizinBMI Body-Mass-IndexBSG BlutkörperchensenkungsgeschwindigkeitBVL Bundesamt für Verbraucherschutz und LebensmittelsicherheitCEN Comité Européen de Normalisation

bzw. auf deutsch „Europäisches Komitee für Normung“ChemG Chemikaliengesetz CK CreatinkinaseCRP Capsel-reaktives ProteinDIN Deutsches Institut für NormungEAN European Article NumberEDTA EthylendiamintetraacetatEMG ElektromyographieFAO Food and Agriculture OrganisationFCKW Fluorchlorkohlenwasserstoffe GGIZ Gemeinsames GiftinformationszentrumGHS Global Harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung

von ChemikalienGIZ GiftinformationszentrumGOT Glutamat-Oxalacetat-TransaminaseGPT Glutamat-Pyruvat-Transaminaseha HektarHb HämoglobinIMO International Maritime OrganisationISPM International Standards for Phytosanitary MeasuresIPPC International Plant Protection Conventioni.v. intravenösmmHg Millimeter Quecksilbersäulemmol/l Millimol pro LiterPEG perkutane endoskopische GastrostomiePET PolyethylenterephthalatPI-Element ProduktidentifikationselementPRINS ProduktinformationssystemTRGS Technische Regeln für GefahrstoffeTSH Thyreoidea-stimulierendes HormonU/l Units pro LiterUBA Umweltbundesamt

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 64

65

UN United NationsWRMG Wasch- und ReinigungsmittelgesetzXML-Datei Extensible Markup Language,

engl. für „erweiterbare Auszeichnungssprache“ZIP-Datei Format zur komprimierten Archivierung von DateienZNS ZentralnervensystemZVK zentraler Venenkatheter�-GT �-Glutamyltransferase

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite 65

Tel. 0 30 - 84 12 -0Fax 0 30 - 84 12 [email protected]

Bundesinstitut für RisikobewertungThielallee 88-9214195 Berlinwww.bfr.bund.de

aerztl_mitteilungen_07_dt.qxd 24.11.2008 14:54 Uhr Seite u4