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14 Lebensmittelchemie 66, 1–16 (2012) Ansätze für effektive Kontrollstrategien im Internethandel W. Böse, S. Löbell-Behrends, G. Marx, D. W. Lachenmeier Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt ( CVUA ) Karlsruhe Aus Sicht der amtlichen Lebensmittelüberwachung muss für den Internethandel eine zum herkömmlichen Handel vergleichbare Kontrolldichte erreicht werden. Dieses Ziel ist momentan noch nicht annähernd erreicht, insbesondere da derzeitige rechtli- che Regelungen ( z. B. bezüglich Probenahme und Lebensmittel- kennzeichnung ) den Internethandel sogar privilegieren. Es be- steht daher eine dringende Notwendigkeit der Etablierung von Normen und des Auaus von Strukturen zur risikoorientier- ten Kontrolle des Internethandels zum Schutz des Verbrauchers. Nach unseren Überlegungen sind Regelungen in folgenden Be- reichen notwendig: 1. Änderungen der Regelungen zur Probenahme mit Schaffung der Möglichkeit einer Online-Probenahme, die bei Verdachts- fällen auch verdeckt durchführbar sein muss (Änderung/Er- gänzung § 43 LFGB). 2. Schaffung eines Zentralregisters für Internetbetriebe (Ände- rung der Gewerbeordnung notwendig) 3. Eindeutige Regelung des Widerrufs- und Rückgaberechts im Fernabsatz für Lebensmittel. In § 312 d Abs. 4 Ziff. 1 BGB wird geregelt, dass im Fernabsatz ein Widerrufsrecht u. a. dann nicht besteht, wenn die Waren „auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten wurde“. Hier- bei sind viele Fallgestaltungen denkbar, bei denen der Verbrau- cherschutz auf der Strecke bleibt, da die Ware bei Bestellung nicht unmittelbar geprüſt und bewertet werden kann. 4. Einführung der Pflicht zur vollumfänglichen Kennzeichnung von Lebensmitteln bereits im Online-Angebot, damit der Kun- de schon zum Bestellzeitpunkt ausreichende Informationen er- hält. Nach derzeitiger Rechtslage und der vorhandenen Recht- sprechung ist die Nennung der Pflichtangaben gemäß LMKV nur auf der Verpackung, nicht aber im Internet vorgeschrieben ist. Dies führt zu einer Benachteiligung des Verbrauchers und zugleich zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung bzw. ei- nem Wettbewerbsvorteil für den Internethändler im Vergleich zu einem herkömmlichen Verkaufsvorgang. 5. Als flankierende Maßnahmen empfehlen wir eine Verbesse- rung der Risikokommunikation zur Information des Verbrau- chers über das abweichende Schutzniveau beim Kauf von Le- bensmittel oder Kosmetika über das Internet und ggf. damit zusammenhängend die Gefahren mit sogenannten Borderline- produkten. Ein Beispiel für eine bessere Verbraucherinforma- tion wäre die Verwendung eines zertifizierten Prüfsiegels für ordnungsgemäß amtlich registrierte Online-Shops. Die hierfür notwendigen gesetzlichen Novellierungen müssen in differenzierter Weise auf die neuen Fallgestaltungen eingehen, wobei in einem ersten Ansatz bundesweite Regelungen, danach EU-weite Normen notwendig sind. bensmittelrecht. Herr Dr. Girnau beleuchtete insbesondere die Entwicklungen in Deutschland und Europa. Frau Kuhr berichte- te anschließend über das Pilotprojekt des BVL und der Bundes- länder „Lebensmittelkontrolle im Internet“. Nach einer Kaffee- pause, die rege zum weiteren Austausch von Gedanken genutzt wurde, informierten Frau Dr. Stähle und Herr Helling über die Rechtsentwicklung bei Lebensmittelkontaktmaterialien. Frau Dr. Rehlender berichtete sehr anschaulich über die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission und ihre Leitsätze. Mit sehr viel Humor klärte sie unter anderem über die Neufassung der Leitsätze für Honig, aber auch über den nicht mehrheitsfähigen „Leitsatz mit allgemeinen Grundsätzen zu Bezeichnungen, An- gaben und Aufmachungen beim Inverkehrbringen von Lebens- mitteln“ auf. Hierbei ließ sie auch ihre Erfahrung aus der Ar- beit für die Stiſtung Warentest auf teilweise provokante Weise einfließen und sorgte nicht zuletzt für genügend Gesprächsstoff beim anschließenden gemeinsamen Abendessen. Der zweite Tag wurde der Kommunikation im Krisenfall ge- widmet. Hierzu berichteten Vertreter aller beteiligter Stellen aus ihrem Alltag und welche Maßnahmen durchgeführt bzw. wel- che Aktionen zur Verbesserung des Informationsflusses unter- nommen werden. So referierte Herr Liebig über die Kommuni- kation im Krisenfall aus Sicht eines amtlichen Untersuchungs- laboratoriums. Frau omas schilderte anhand der Organisati- on einer obersten Landesbehörde das prinzipielle Vorgehen im Ereignisfall. Darüber hinaus berichtete sie über die erfolgreiche Etablierung eines „Arbeitsstabs Lebensmittelsicherheit“ als zen- trale Steuereinheit und die Einführung eines „Krisentagebuchs“ zur übersichtlichen Dokumentation aller ein- und ausgehen- den Meldungen und veranlassten Maßnahmen. Herr Dr. Gir- nau schilderte in seinem Vortrag die Situation der Wirtschaſt und wies auf die problematische Situation im Umgang mit ver- frühten Warnmeldungen und Imageschäden hin. Danach erör- terte Frau Mayr den Umgang mit Krisen aus Sicht des Handels und deren Konzepte zur schnellen Beseitigung von Krisen. Ab- schließend informierte Frau Kling über die Arbeit einer Pres- sestelle im Krisenfall und zeigte allen beteiligten Möglichkeiten und Wege auf, die Krise in Zusammenarbeit mit der Presse im richtigen Licht darzustellen. Nicht zuletzt gab sie Ratschläge, wie das Berufsbild einer Lebensmittelchemikerin bzw. eines Le- bensmittelchemikers mit Hilfe der Presse in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit verankert werden kann. Beim anschließenden Mittagessen nutzten alle Teilnehmer die Chance zur Diskussion weiterer Fragen und Lösungsansätze im Umgang mit der Kom- munikation im Krisenfall. Die AG Junge LebensmittelchemikerInnen bedankt sich bei den Organisatoren des Lebensmittelrechtlichen Seminars, beim BLC und beim BLL für die Einladung. Diese Integration des Nachwuchses der Lebensmittelchemie ist aus unserer Sicht vor- bildlich! Michael Dresel im Namen der AG JLC Persönliches 60. Geburtstag Dr. Anette Gerull, Köln, am 05.04. Dr. Franz Winkler, Denzlingen, am 15.04. Dr. Pia Noble, Leverkusen, am 06.05. Prof. Dr. Reinhard Matissek, Köln, am 13.05. Prof. Dr. Helmut Dietrich, Geisenheim, am 21.05. Dr. Martin Haug, Esslingen, am 30.05. Prof. Dr. Wolfgang Schwack, Stuttgart, am 05.06. Dr. Constanze Hock Warmuth, Neu Wulmstorf, am 13.06. LM Chem. Paul Majerus, Trier, am 17.06. AG Junge Lebensmittelchemiker: Einblicke in… …das 10. Lebensmittelrechtliche Seminar von BLC und BLL am 10./11.11.2011 in Königswinter Auch 2011 hatten zwei Mitglieder der AG Junge Lebensmittel- chemikerInnen die Gelegenheit am Lebensmittelrechtlichen Se- minar des BLC und des BLL in Königswinter teilzunehmen. Nach der Begrüßung durch Herrn Dr. Girnau und Herrn Dr. Lehmann wurden aktuelle emen aus Lebensmittelrecht und -kontrolle im Rahmen von Diskussionsvorträgen vorgestellt. Hierbei ging es unter anderem um die Entwicklungen im Le-

AG JLC … ein Einblick in : das 10 lebensmittelrechtliche Seminar von BLL und BLC

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14 Lebensmittelchemie 66, 1–16 (2012)

Ansätze für effektive Kontrollstrategien im InternethandelW. Böse, S. Löbell-Behrends, G. Marx, D. W. LachenmeierChemisches und Veterinäruntersuchungsamt ( CVUA ) Karlsruhe

Aus Sicht der amtlichen Lebensmittelüberwachung muss für den Internethandel eine zum herkömmlichen Handel vergleichbare Kontrolldichte erreicht werden. Dieses Ziel ist momentan noch nicht annähernd erreicht, insbesondere da derzeitige rechtli-che Regelungen ( z. B. bezüglich Probenahme und Lebensmittel-kennzeichnung ) den Internethandel sogar privilegieren. Es be-steht daher eine dringende Notwendigkeit der Etablierung von Normen und des Aufbaus von Strukturen zur risikoorientier-ten Kontrolle des Internethandels zum Schutz des Verbrauchers. Nach unseren Überlegungen sind Regelungen in folgenden Be-reichen notwendig:1. Änderungen der Regelungen zur Probenahme mit Schaffung

der Möglichkeit einer Online-Probenahme, die bei Verdachts-fällen auch verdeckt durchführbar sein muss ( Änderung / Er-gänzung § 43 LFGB ).

2. Schaffung eines Zentralregisters für Internetbetriebe ( Ände-rung der Gewerbeordnung notwendig )

3. Eindeutige Regelung des Widerrufs- und Rückgaberechts im Fernabsatz für Lebensmittel. In § 312 d Abs. 4 Ziff. 1 BGB wird geregelt, dass im Fernabsatz ein Widerrufsrecht u. a. dann nicht besteht, wenn die Waren „auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten wurde“. Hier-bei sind viele Fallgestaltungen denkbar, bei denen der Verbrau-cherschutz auf der Strecke bleibt, da die Ware bei Bestellung nicht unmittelbar geprüft und bewertet werden kann.

4. Einführung der Pflicht zur vollumfänglichen Kennzeichnung von Lebensmitteln bereits im Online-Angebot, damit der Kun-de schon zum Bestellzeitpunkt ausreichende Informationen er-hält. Nach derzeitiger Rechtslage und der vorhandenen Recht-sprechung ist die Nennung der Pflichtangaben gemäß LMKV nur auf der Verpackung, nicht aber im Internet vorgeschrieben ist. Dies führt zu einer Benachteiligung des Verbrauchers und zugleich zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung bzw. ei-nem Wettbewerbsvorteil für den Internethändler im Vergleich zu einem herkömmlichen Verkaufsvorgang.

5. Als flankierende Maßnahmen empfehlen wir eine Verbesse-rung der Risikokommunikation zur Information des Verbrau-chers über das abweichende Schutzniveau beim Kauf von Le-bensmittel oder Kosmetika über das Internet und ggf. damit zusammenhängend die Gefahren mit sogenannten Borderline-produkten. Ein Beispiel für eine bessere Verbraucherinforma-tion wäre die Verwendung eines zertifizierten Prüfsiegels für ordnungsgemäß amtlich registrierte Online-Shops.

Die hierfür notwendigen gesetzlichen Novellierungen müssen in differenzierter Weise auf die neuen Fallgestaltungen eingehen, wobei in einem ersten Ansatz bundesweite Regelungen, danach EU-weite Normen notwendig sind.

bensmittelrecht. Herr Dr. Girnau beleuchtete insbesondere die Entwicklungen in Deutschland und Europa. Frau Kuhr berichte-te anschließend über das Pilotprojekt des BVL und der Bundes-länder „Lebensmittelkontrolle im Internet“. Nach einer Kaffee-pause, die rege zum weiteren Austausch von Gedanken genutzt wurde, informierten Frau Dr. Stähle und Herr Helling über die Rechtsentwicklung bei Lebensmittelkontaktmaterialien. Frau Dr. Rehlender berichtete sehr anschaulich über die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission und ihre Leitsätze. Mit sehr viel Humor klärte sie unter anderem über die Neufassung der Leitsätze für Honig, aber auch über den nicht mehrheitsfähigen „Leitsatz mit allgemeinen Grundsätzen zu Bezeichnungen, An-gaben und Aufmachungen beim Inverkehrbringen von Lebens-mitteln“ auf. Hierbei ließ sie auch ihre Erfahrung aus der Ar-beit für die Stiftung Warentest auf teilweise provokante Weise einfließen und sorgte nicht zuletzt für genügend Gesprächsstoff beim anschließenden gemeinsamen Abendessen.

Der zweite Tag wurde der Kommunikation im Krisenfall ge-widmet. Hierzu berichteten Vertreter aller beteiligter Stellen aus ihrem Alltag und welche Maßnahmen durchgeführt bzw. wel-che Aktionen zur Verbesserung des Informationsflusses unter-nommen werden. So referierte Herr Liebig über die Kommuni-kation im Krisenfall aus Sicht eines amtlichen Untersuchungs-laboratoriums. Frau Thomas schilderte anhand der Organisati-on einer obersten Landesbehörde das prinzipielle Vorgehen im Ereignisfall. Darüber hinaus berichtete sie über die erfolgreiche Etablierung eines „Arbeitsstabs Lebensmittelsicherheit“ als zen-trale Steuereinheit und die Einführung eines „Krisentagebuchs“ zur übersichtlichen Dokumentation aller ein- und ausgehen-den Meldungen und veranlassten Maßnahmen. Herr Dr. Gir-nau schilderte in seinem Vortrag die Situation der Wirtschaft und wies auf die problematische Situation im Umgang mit ver-frühten Warnmeldungen und Imageschäden hin. Danach erör-terte Frau Mayr den Umgang mit Krisen aus Sicht des Handels und deren Konzepte zur schnellen Beseitigung von Krisen. Ab-schließend informierte Frau Kling über die Arbeit einer Pres-sestelle im Krisenfall und zeigte allen beteiligten Möglichkeiten und Wege auf, die Krise in Zusammenarbeit mit der Presse im richtigen Licht darzustellen. Nicht zuletzt gab sie Ratschläge, wie das Berufsbild einer Lebensmittelchemikerin bzw. eines Le-bensmittelchemikers mit Hilfe der Presse in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit verankert werden kann. Beim anschließenden Mittagessen nutzten alle Teilnehmer die Chance zur Diskussion weiterer Fragen und Lösungsansätze im Umgang mit der Kom-munikation im Krisenfall.

Die AG Junge LebensmittelchemikerInnen bedankt sich bei den Organisatoren des Lebensmittelrechtlichen Seminars, beim BLC und beim BLL für die Einladung. Diese Integration des Nachwuchses der Lebensmittelchemie ist aus unserer Sicht vor-bildlich! Michael Dresel im Namen der AG JLC

Persönliches

60. Geburtstag

Dr. Anette Gerull, Köln, am 05.04.Dr. Franz Winkler, Denzlingen, am 15.04. Dr. Pia Noble, Leverkusen, am 06.05.Prof. Dr. Reinhard Matissek, Köln, am 13.05.Prof. Dr. Helmut Dietrich, Geisenheim, am 21.05.Dr. Martin Haug, Esslingen, am 30.05.Prof. Dr. Wolfgang Schwack, Stuttgart, am 05.06.Dr. Constanze Hock Warmuth, Neu Wulmstorf, am 13.06.LM Chem. Paul Majerus, Trier, am 17.06.

AG Junge Lebensmittelchemiker: Einblicke in……das 10. Lebensmittelrechtliche Seminar von BLC und BLL am 10./11.11.2011 in Königswinter

Auch 2011 hatten zwei Mitglieder der AG Junge Lebensmittel-chemikerInnen die Gelegenheit am Lebensmittelrechtlichen Se-minar des BLC und des BLL in Königswinter teilzunehmen.

Nach der Begrüßung durch Herrn Dr. Girnau und Herrn Dr. Lehmann wurden aktuelle Themen aus Lebensmittelrecht und -kontrolle im Rahmen von Diskussionsvorträgen vorgestellt. Hierbei ging es unter anderem um die Entwicklungen im Le-