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Agrarholz 2010 Dr. W. Zehlius-Eckert Technische Universität München _________________________________________________________________________________ 1 Agroforstwirtschaft in der europäischen Forschung - mit einem Schwerpunkt auf der ökologischen Nachhaltigkeit Dr. Wolfgang Zehlius-Eckert Technische Universität München Einleitung Europäische Union und Deutschland haben mit der europäischen bzw. deutschen Nachhaltigkeits- strategie ehrgeizige Ziele für den kurz- bis langfristigen Ausbau der erneuerbaren Energien formuliert. Ein wichtiger Energieträger ist und soll auch in Zukunft die Biomasse sein, sei es durch direkte Nutzung oder in Form von Altholz nach einer stofflichen Verwertung (Kaskadennutzung). Bezüglich flächenbezogener Energieausbeute und Klimabilanz ist der Agrarholzholzanbau (hier sind vor allem Kurzumtriebsplantagen gemeint) im Vergleich mit anderen Bioenergieformen als besonders günstig einzustufen. Auch bezüglich der übrigen Auswirkungen auf Natur, Landschaft und Umwelt wird der Agrarholzanbau vor allem im Vergleich mit Kulturen wie Mais und Raps, die einer sehr intensiven Nutzung unterliegen, als umweltschonende oder sogar –verbessernde Nutzung eingestuft. Allerdings sind auch mit dem Anbau von Agrarholz Risiken verbunden, vor allem wenn der Anbau sehr großflächig und auf Standorten erfolgt, die ein mehr oder weniger hohes Umweltrisiko bergen (z. B. auf Grünland oder in Gebieten, in denen der Gehölzanteil schon sehr hoch ist). Hier verspricht man sich von Agroforstsystemen, die auf eine enge Durchmischung von landwirt-schaftlichen und Gehölz-Kulturen setzen, eine Risikominderung. Gleichzeitig zeigen verschiedene Untersuchungen, dass bei einer geschickten Kombination von landwirtschaftlichen mit Gehölz-Kulturen unter bestimmten Rahmenbedingungen eine Ertrags- steigerung möglich ist. Die Diskussion um Agroforstsysteme und die Forschung in diesem Bereich hat daher im letzten Jahrzehnt eine Renaissance erlebt. Dieser Beitrag will einen Überblick vor allem über die jüngere Forschung zu Agroforstsystemen geben. Dazu ist es zunächst sinnvoll, zu de- finieren, was als Agroforstsystem anzusprechen ist. Was ist ein Agroforstsystem? In der Literatur findet man eine breite Palette von Definitionen. Hier soll die Definition des Inter- national Centre for Research in Agroforestry (ICRAF) zugrunde gelegt werden: „Agroforstwirtschaft ist eine Sammelbezeichnung für Landnutzungssysteme und –praktiken, die holzige mehrjährige Kulturpflanzen (z. B. Bäume, Sträucher, Palmen, Bambus) bewusst auf der gleichen räumlichen Bewirtschaftungseinheit nutzt wie landwirtschaftliche Kulturen und/oder Tiere. Die Kombination erfolgt entweder in Form einer bestimmten räumlichen Anordnung oder in Form einer zeitlichen Abfolge. In Agroforstsystemen treten ökologische und ökonomische Wechsel-wirkungen zwischen den verschidenen Komponenten auf.“ (Übersetzung W. Z.-E.) (Englisches Original: “Agroforestry is a collective name for land-use systems and technologies where woody perennials (trees, shrubs, palms, bamboos, etc.) are deliberately used on the same land management unit as agricultural crops and/or animals, either in some form of spatial arran-gement or temporal sequence. In agroforestry systems, there are both ecological and economic interactions between the different components.” - Lundgren & Raintree 1982)

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Agrarholz 2010 Dr. W. Zehlius-Eckert Technische Universität München _________________________________________________________________________________

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Agroforstwirtschaft in der europäischen Forschung - mit einem Schwerpunkt auf der ökologischen Nachhaltigkeit Dr. Wolfgang Zehlius-Eckert Technische Universität München Einleitung Europäische Union und Deutschland haben mit der europäischen bzw. deutschen Nachhaltigkeits-strategie ehrgeizige Ziele für den kurz- bis langfristigen Ausbau der erneuerbaren Energien formuliert. Ein wichtiger Energieträger ist und soll auch in Zukunft die Biomasse sein, sei es durch direkte Nutzung oder in Form von Altholz nach einer stofflichen Verwertung (Kaskadennutzung). Bezüglich flächenbezogener Energieausbeute und Klimabilanz ist der Agrarholzholzanbau (hier sind vor allem Kurzumtriebsplantagen gemeint) im Vergleich mit anderen Bioenergieformen als besonders günstig einzustufen. Auch bezüglich der übrigen Auswirkungen auf Natur, Landschaft und Umwelt wird der Agrarholzanbau vor allem im Vergleich mit Kulturen wie Mais und Raps, die einer sehr intensiven Nutzung unterliegen, als umweltschonende oder sogar –verbessernde Nutzung eingestuft. Allerdings sind auch mit dem Anbau von Agrarholz Risiken verbunden, vor allem wenn der Anbau sehr großflächig und auf Standorten erfolgt, die ein mehr oder weniger hohes Umweltrisiko bergen (z. B. auf Grünland oder in Gebieten, in denen der Gehölzanteil schon sehr hoch ist). Hier verspricht man sich von Agroforstsystemen, die auf eine enge Durchmischung von landwirt-schaftlichen und Gehölz-Kulturen setzen, eine Risikominderung. Gleichzeitig zeigen verschiedene Untersuchungen, dass bei einer geschickten Kombination von landwirtschaftlichen mit Gehölz-Kulturen unter bestimmten Rahmenbedingungen eine Ertrags-steigerung möglich ist. Die Diskussion um Agroforstsysteme und die Forschung in diesem Bereich hat daher im letzten Jahrzehnt eine Renaissance erlebt. Dieser Beitrag will einen Überblick vor allem über die jüngere Forschung zu Agroforstsystemen geben. Dazu ist es zunächst sinnvoll, zu de-finieren, was als Agroforstsystem anzusprechen ist. Was ist ein Agroforstsystem? In der Literatur findet man eine breite Palette von Definitionen. Hier soll die Definition des Inter-national Centre for Research in Agroforestry (ICRAF) zugrunde gelegt werden: „Agroforstwirtschaft ist eine Sammelbezeichnung für Landnutzungssysteme und –praktiken, die holzige mehrjährige Kulturpflanzen (z. B. Bäume, Sträucher, Palmen, Bambus) bewusst auf der gleichen räumlichen Bewirtschaftungseinheit nutzt wie landwirtschaftliche Kulturen und/oder Tiere. Die Kombination erfolgt entweder in Form einer bestimmten räumlichen Anordnung oder in Form einer zeitlichen Abfolge. In Agroforstsystemen treten ökologische und ökonomische Wechsel-wirkungen zwischen den verschidenen Komponenten auf.“ (Übersetzung W. Z.-E.) (Englisches Original: “Agroforestry is a collective name for land-use systems and technologies where woody perennials (trees, shrubs, palms, bamboos, etc.) are deliberately used on the same land management unit as agricultural crops and/or animals, either in some form of spatial arran-gement or temporal sequence. In agroforestry systems, there are both ecological and economic interactions between the different components.” - Lundgren & Raintree 1982)

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Eine wichtige Unterscheidung innerhalb der Vielfalt der Agroforstsysteme besteht in der Differenzierung von silvopastoralen und silvoarablen Systemen. Während silvopastorale Systeme die holzigen Pflanzen mit Tierhaltung kombinieren, sind es bei silvoarablen Systemen ackerbauliche Kulturen. Welche Agroforstsysteme gab und gibt es in Europa? Traditionell weit verbreitet waren in Europa die silvopastoralen Systeme wie die Waldweide, die Streunutzung oder die Eichelmast. Das hängt mit der historischen Landschaftsentwicklung und der Entwicklung der Agrarwirtschaft zusammen, die zunächst ohne ein systematisches Düngermanage-ment und ohne Vorratshaltung von Viehfutter betrieben wurde. Der Wald war daher eine wichtige Quelle von Futter und Einstreu und damit auch von Nährstoffen für die landwirtschaftlichen Flächen. Ein altes Agroforstsystem in landwirtschaftlich geprägten Landschaften Mittel- und Nordwesteuropas waren die Heckensysteme, wie sie in Teilen Großbritannien, Deutschlands und Frankreich auftraten. Ein weiteres traditionelles Agroforstsystem, wenngleich noch relativ jung, sind die Streuobstbestände (Herzog 1998, 62-64). Diese traditionellen Agroforstsysteme sind aus Mitttel- und Nordeuropa inzwischen weitgehend verschwunden oder stark zurückgegangen und auch in Südeuropa, in denen sie sich wegen der der Klimabedingungen und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen länger halten konnten, sind sie stark zurückgegangen. Beispielsweise ist in Spanien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der gemischte Anbau von Obstbäumen und landwirtschaftlichen Kulturen um 97 % und der gemischte Anbau von Oliven und landwirtschaftlichen Kulturen um 94 % zurückgegangen (Eichhorn et al. 2006, 46). Die obige Definition von Agroforstsystemen umfasst auch Systeme, in denen Gehölzkultur und landwirtschaftliche Kultur zeitlich aufeinanderfolgen. In diesem Beitrag werden im Folgenden aber nahezu ausschließlich die Agroforstsysteme betrachtet, bei denen landwirtschaftliche und Gehölz-Kultur gleichzeitig kultiviert bzw. genutzt werden. Aufbauend auf der dominanten Nutzungskompo-nente sowie der Form und der räumlichen Anordnung der anderen Komponente können die unten dargestellten grundlegenden Kombinationsmöglichkeiten unterschieden werden (für die englisch-sprachigen Begriffe siehe z. B. Mosquera-Losada et al. in: Rigueiro-Rodriguez et al. 2009, 3-19): Abb. 1: Mögliche räumliche Kombinationen von Gehölzkultur und landwirtschaftlicher Nutzung in Agroforstsystemen Kurzcharaktierisierung Schemaskizze Beispiele Landwirtschaftlich dominierte Systeme

L1: Gehölze einzeln oder in Gruppen in die landwirtschaftliche Nutzung eingestreut

Manche Dehesas und Systeme mit Oliven

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Kurzcharaktierisierung Schemaskizze Beispiele L2: Gehölze einzeln, aber in hoher Dichte auf der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche; landwirtschaftliche Nutzung zwischen und ggf. auch unter den Einzelgehölzen

Streuobstbestand sowie verwandte Systeme mit Eichen und Oliven

L3: Gehölze und landwirtschaftlich genutzte Fläche streifenförmig; keine landwirtschaftliche Nutzung innerhalb des forstlichen genutzten Streifens

Windschutzpflanzungen (Schelterbelts, windbreaks), Heckensysteme, alley cropping, Energieholzstreifen

L 4: Gehölze kleinflächig (keine landwirtschaftliche Nutzung innerhalb der Gehölzfläche) in die landwirtschaftliche Kultur eingestreut

Halboffene Weidelandschaft

Forstwirtschaftlich dominierte Systeme

F1: landwirtschaftlich genutzte Fläche streifenförmig in die forstliche Kultur eingelagert

Beispiel: Wanderfeldbau (shifting cultivation; z. B. Hauberge, Reutbergwirtschaft)

F2: Landwirtschaftliche genutzte Fläche kleinflächig in die forstliche Kultur eingelagert

Waldweide

F3: Landwirtschaftliche Nutzung flächig in die forstliche Kultur integriert

Eichelmast, Streunutzung, forest farming

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Die Zahl dieser grundlegenden Typen scheint zunächst sehr übersichtlich zu sein. Durch eine Reihe von Merkmalen, die variiert werden können, ergibt sich jedoch eine sehr große Zahl von Kombi-nationen. Wichtige Merkmale sind: • Mischungsanteile von Gehölzkultur und landwirtschaftlicher Kultur (z. B. Dichte von Bäumen pro

ha) • Räumliche Merkmale der beiden Komponenten, z. B. Breite der Gehölzstreifen und Abstand der

Streifen bei streifenförmiger Integration in die Hauptnutzung; bei Einbeziehung der zeitlichen Komponente kann darüber hinaus unterschieden werden, ob die Streifen ortsstet sind oder „wandern“.

• Gehölzarten und Art der landwirtschaftliche Nutzung (z. B. Acker- und Feldfutterbau, Gemüse, Beweidung, Wiesennutzung, Streunutzung)

• Fruchtfolgen (landwirtschaftliche Kultur) und Umtriebszeiten (Gehölzkultur) • Anbau der Gehölz- und landwirtschaftlichen Kulturen in Mischung oder Reinkultur? • Art der Verwertung der Gehölzkomponente (Mehrfachverwertung ist möglich): Früchte, Viehfutter

(z. B. Zweige von Esche, Ulme oder Pappel), Einstreu, energetische Verwertung (z. B. Brennholz), stoffliche Verwertung (z. B. Bauholz),

• Art der Nutzung bzw. Pflege der beiden Komponenten im Detail (z. B. Düngung, Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Bodenbearbeitung, Mahdhäufigkeit)

Ausgewählte Forschungsprojekte und Feldversuche Es werden hier aus Gründen der Übersicht nur solche Forschungsprojekte und Feldversuche erwähnt, die sich mit primär nutzungsorientierten, „modernen“ Agroforstsystemen beschäftigen. Beispiele für Publikationen zu silvopastoralen Systemen mit z. T. stärkerer Naturschutz-Orientierung sind Mosquera-Losada et al (2005), Rigueiro-Rodriguez et al. (2009) (silvopastorale Systeme allgemein), Herzog (1998) (Streuobstbestände), Luick, R. in: Rigueiro-Rodriguez et al. (2009, 359-376), Butler et al. in: Rigueiro-Rodriguez et al. (2009, 377-396), Gerken et al. (2008), Oheimb et al. (2006), Meyer et al. (2004) (Waldweide und halboffene Weidelandschaften). Außerdem erfolgt eine Fokussierung auf Projekte, die zumindest auch Untersuchungen in Mittel- und Nord(west)europa durchgeführt haben, da die Ergebnisse von Forschungsprojekten aus Südeuropa auf Mitteleuropa nur eingeschränkt übertragbar sind (siehe unten). Es handelt sich lediglich um eine kurze Übersicht, die einen groben Eindruck vom geographischen Schwerpunkt und den untersuchten Systemen vermitteln soll. (Praxis -)Versuche und Forschungsprojekte zu nutzungsorientierten Agroforstsystemen in Mittel - und Nordeuropa seit etwa 1980 • Untersuchungen der Cranfield University in den Jahren 1992 bis 1998 (Großbritannien):

Silvorarable Systeme mit Pappelhybriden (z. B. Burgess et al. 2005) • Forschungsprojekt SAFE (beteiligte Länder: Frankreich, Spanien, Portugal, Niederlande,

Großbritannien, Schweiz, Italien, Griechenland): Silvoarable Systeme, v. a. mit Kirsche, Walnuss, Steineiche (Quercus ilex), Pinie (Pinus pinea), Pappel-Hybriden (Populus spp.) (Dupraz et al. 2005)

• Silvopastoral National Network Experiment (Großbritannien): Silvopastorale Systeme mit Schafen und Bergahorn (Acer pseudoplatanus); daneben z. T. Lärche (Larix eurolepis) und Waldkiefer (Pinus sylvestris) (für weitere Informationen siehe http://www.agroforestry.ac.uk/systems/pastoral/snne03.html)

• Verschiedene Anbauversuche in den Niederlanden (siehe Osterbaan & Kuiters in: Rigueiro-Rodriguez et al. 2009, 331-341): Pappel mit Grünland, Zuckerrübe und Mais; Pappel und Schwarzer Holunder mit Hyazinthen; verschiedene Versuche mit Walnuss (auch Castanea sativa und Prunus avium), v. a. kombiniert mit Grünland, daneben Einzelversuche mit Schnittblumen oder Haselnuss und Sanddorn; Robinie und Kartoffel; Herzblättrige Erle (Alnus cordata) und Gartenbaukulturen (überwiegend kleinflächige Versuche)

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• Agroforst (Deutschland): silvoarable und silvopastorale Systeme mit Bäumen (v. a. Kirsche, Ahorn, Esche) (für weitere Informationen siehe Hompage des Projektes - http://www.agroforst.uni-freiburg.de/ - und Reeg et al. 2009)

• AgroForstEnergie (laufend) (Deutschland): Energieholzstreifen mit Pappeln (siehe Beitrag von A. Vetter im gleichen Tagungsband)

• ELKE (laufend) (Deutschland): Untersucht werden Leistungen von extensiven Anbausystemen für den biotischen und abiotischen Ressourcenschutz (Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit und Erosionsschutz, Klima- und Gewässerschutz) sowie ökonomische Aspekte (z. B. regionale Wertschöpfung, Erhalt landwirtschaftlicher Nutzfläche als Existenzgrundlage der Betriebe, effizienter Einsatz endlicher Ressourcen, Nutzung von Synergieeffekten im Pflanzenbau). Untersuchte Agroforstsysteme sind bislang Energieholzstreifen (lineare Kurzumtriebsplantagen) und Agroforstsysteme mit Werthölzern (z. B. Kirsche, Elsbeere, Speierling) (siehe Beitrag von F. Wagener im gleichen Tagungsband)

• LWF (laufend) (Deutschland): Untersuchung von Energieholzstreifen und deren Wechselwirkungen mit der landwirtschaftlichen Kultur in zwei Untersuchungsgebieten in Bayern.

• Woody biotop systems project (laufend) (Ungarn) (siehe Takács & Frank in: Rigueiro-Rodriguez et al. 2009, 415-433): Vor allem Windschutzsysteme mit verschiedenen Baumarten

In den osteuropäischen Länder laufen überwiegend noch keine Forschungsvorhaben, aber Initiativen zur Etablierung von Agroforstsystemen. In Slowenien handelt es sich dabei vor allem um Vorschläge zur Anpassung vorhandener silvopastoraler Systeme oder zur Neuetablierung verwandter Systeme (Vidrih et al. in: Rigueiro-Rodriguez et al. 2009, 397-414). In Bulgarien finden sich aktuell vor allem silvopastorale Systeme in Berglagen, Windschutzpflanzungen und alley-cropping-Systeme mit Mais, Melonen, Bohnen und Gemüse in Pappelpflanzungen (Stancheva et al. 2007, 384). Die bisherigen Untersuchungen konzentrieren sich auf den Einfluss von Windschutzpflanzungen auf Boden- und Klimaeigenschaften und die Konsequenzen für die Erträge der landwirtschaftlichen Kulturen. Insgesamt finden sich die Pioniere der modernen Agroforstwirtschaftsforschung vor allem in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien. In jüngerer Zeit wurde die entsprechende Forschung auch in Deutschland intensiviert. Kleinere Projekte laufen auch in anderen Ländern, z. B. in der Schweiz. Relativ intensiv untersucht wurden in den letzten Jahren und Jahrzehnten flächige Kurzumtriebs-plantagen in Großbritannien, Schweden und Deutschland. Da es sich dabei nicht um Agroforsysteme im Sinne der oben genannten Definition handelt, werden diese hier nicht dargestellt. Allerdings sind die Ergebnisse dieser Forschungsprojekte z. T. relevant für Agroforstsysteme mit sog. Energie-holzstreifen (siehe dazu die Beiträge von A. Vetter und F. Wagener). Wichtige Ergebnisse der Forschungsprojekte zu ausgewählten Agroforstsystemen Wichtige Aussagen der oben genannten Forschungsprojekte werden hier allgemein und stichpunkt-artig aufgelistet. Im Vortrag sollen einzelne dieser Punkte beispielhaft konkretisiert werden. Der Schwerpunkt liegt auf den Ökosystemdienstleistungen der Systeme. Auch hier erfolgt eine Beschränk-ung auf primär nutzungsorientierte, „moderne“ Agroforstsysteme. Ökonomische Aspekte • Es erfolgt eine Diversifizierung des Kulturenspektrums und damit eine stärkere Risikostreuung

gegenüber Einkommensschwankungen (Eichhorn et al. 2006, 30) • Eine ganze Reihe von Untersuchungen weisen auf eine erhöhte Gesamtproduktivität in

Agroforstsystemen durch auftretende Synergieeffekte wie Windschutz und Humusanreicherung hin. Um diese Synergieeffekte nutzen zu können, ist eine sorgfältige Planung und Pflege der Systeme erforderlich, die unter anderem die Standortverhältnisse berücksichtigt. Die Kunst besteht

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darin, die zeitliche und räumliche Ressourcennutzung (v. a. Licht, Wasser und Nährstoffe) durch die beiden Kulturen so zu steuern, dass sie sich möglichst wenig Konkurrenz machen. Dabei ist auch das Phänomen der Allelopathie zu beachten, die bei einigen Gehölzkulturen relevant sein können (z. B. Robinie).

• Es findet eine Verschiebung der Gehölzkulturen von Früchte-tragenden Arten zur Holzproduktion aufgrund anbautechnischer Bedingungen und Marktanforderungen statt. Die ökonomische Vorzüglichkeit von Agroforstsystemen mit Bäumen hängt dabei sehr stark vom ökonomischen Wert der Gehölzkomponente ab (z. B. Eichhorn et al. 2006, 46 f.).

• Da in Mittel- und Nordeuropa Licht der Schlüsselfaktor für die landwirtschaftliche Kultur ist, in Südeuropa aber das Wasser, lassen sich die Agroforstsysteme aus Südeuropa nicht einfach auf Mittel- und Nordeuropa übertragen (Eichhorn et al. 2006)

Ökosystemdienstleistungen Bei den möglichen positiven Ökosystemdienstleistungen gibt es einen breiten Überschneidungsbereich mit flächigen Kurzumtriebsplantagen (siehe dazu Beitrag von C. Hildebrandt). Andererseits gibt es auch einige Unterschiede, die darauf zurückzuführen sind, dass die Gehölzkultur nicht flächig ist bzw. die Gehölzdichte geringer ist als bei einer Kurzumtriebsplantage. • Windschutz und dadurch Reduktion der Winderosion (relevant vor allem auf feinsandigen Böden

oder Moorböden und großen, ebenen Flächen) • Bereitstellung von Schatten und Schutz gegen Witterungseinflüsse für das Vieh • Schutz gegen Bodenfröste • Transport von Nährstoffen aus tieferen Schichten in höhere Schichten und damit Erhöhung des

Nährstoffangebotes auch für die landwirtschaftliche Kultur im Nahbereich der Gehölze • Reduktion des Nährstoffaustrages (v. a. Stickstoff) durch die Aufnahme von Nährstoffen durch die

Gehölzkultur, die aus dem Wurzelraum der landwirtschaftlichen Kultur ausgewaschen wurden • Schutz des Bodens gegen Wasser- und Winderosion durch Laubauflage in der unmittelbaren

Umgebung der Gehölze • Reduktion der Wassererosion durch Unterteilung großer Schläge in Hanglage und damit auch

Reduktion des Nährstoffeintrages in Gewässer und Lebensräume mit nährstoffarmen und mäßig nährstoffreichen Verhältnissen

• Verbesserung der Bodenstruktur im Bereich der Gehölzkultur und z. T. auch angrenzend durch Humusanreicherung, lange Bodenruhe und geringe Befahrungshäufigkeit

• Kohlendioxidentlastung der Atmosphäre durch die Substitution fossiler Brennstoffe, durch die Erhöhung des Humusanteils, bei stofflicher Verwertung des Holzes auch für längere Zeit im Holz

• Reduktion der Lachgasemissionen durch eine effizientere Stickstoffverwertung • Agroforstsysteme beherbergen in der Regel eine höhere Biodiversität als Reinkulturen, weil eine

zusätzliche Komponente mit relativ geringer Bearbeitungsintensität hinzugefügt wird; Arten mit hohem Gefährdungsgrad können davon aber in der Regel nicht oder nur in geringem Umfang profitieren und die modernen Agroforstsysteme leisten damit häufig einen geringeren Beitrag zum Schutz gefährdeter Arten als die traditionellen Systeme. Der positive Effekt besteht vor allem darin, dass neue Arten die Landschaften besiedeln können oder dass die Dichte bestimmter Arten und damit deren Überlebensfähigkeit zunimmt.

• Bereicherung des Landschaftsbildes vor allem in ausgeräumten Landschaften; Potenzial zur Verdeckung technischer Strukturen, die als störend empfunden werden; Möglichkeit zur Nutzung positiver Effekte in stadtnahen Regionen (vgl. Rigueiro-Rodriguez et al. 2009, 338f., Schumann 2006)

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Neben diesen möglichen positiven Effekten kann die Etablierung von Agroforstsystemen aber auch negative Effekte auf die natürlichen Ressourcen, die Biodiversität und das Landschaftsbild haben. Dazu kann auf den Beitrag von C. Hildebrandt verwiesen werden, da es dabei breite Überschneid-ungsbereiche mit den Kurzumtriebsplantagen gibt, wenngleich im Detail bei einigen Aspekten wie der Biodiversität und der Belastung der Wasservorräte Unterschiede bestehen. Forschungsbedarf Trotz der in den letzten zwei Jahrzehnten und vor allem im letzten Jahrzehnt intensivierten Forschung zu Agroforststemen in Europa ist noch eine Vielzahl von Fragen offen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die Zahl der möglichen Agroforstsysteme sehr groß ist und damit die möglichen Wechselwirkungen der Komponenten untereinander und der Auswirkungen der Agro-forstsysteme auf Natur und Landschaft ebenfalls sehr vielfältig sein können. Außerdem werden diese Wechselwirkungen durch die natürlichen Standortfaktoren, das Design der Agroforstsyteme und deren Bewirtschaftung modifiziert. Beispiele für noch nicht ausreichend geklärte Forschungsfragen sind: • Unter welchen Bedingungen sind positive Synergieeffekte von Gehölz- und landwirtschaftlicher

Kultur zu erwarten, wann sind negative Wechselwirkungen möglich oder wahrscheinlich und von welchen Faktoren hängt dies ab (z. B. standörtliche Eigenschaften und Klima-/Witterungsbedingungen)?

• Inwieweit lassen sich positive Umwelteffekte als Grundlage für die Honorierung ökologischer Leistungen durch die Landwirtschaft quantifizieren? Dies ist z. B. wichtig um beurteilen zu können, inwieweit sich diese Systeme zur Kompensation von Eingriffen nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung eignen.

• Welchen Beitrag leisten moderne Agroforstsysteme für die Biodiversität und wie wirkt sich dies auf Ökosystemdienstleistungen durch Biodiversität aus (z. B. Befruchtung, biologische Schädlingskontrolle)?

• Wie wirkt sich ggf. der Einsatz gentechnisch veränderter Gehölze oder die ausschließliche Verwendung von Klonen auf die genetische Vielfalt von wild wachsenden Verwandten dieser Gehölze aus, z. B. in oder im Umkreis von Schutzgebieten?

Viele Forschungsergebnisse von Agroforstsystemen in Mitteleuropa, insbesondere zu den Systemen mit längeren Umtriebszeiten der Gehölzkomponente, basieren auf Modellberechnungen. Zur Über-prüfung der Ergebnisse solcher Modellberechnungen sind langfristige Untersuchungen sinnvoll. Einen wichtigen Beitrag zur Erweiterung des Erfahrungsschatzes mit modernen Agroforstsystemen können Landwirte leisten, die einen Teil ihrer Flächen als Agroforstsystem bewirtschaften. Um diese Mög-lichkeit zu fördern, sollten Anreize geschaffen werden, um die Experimentierbereitschaft von Land-wirten zu fördern. Zusätzlich gilt es, bereits bestehende Versuche aufzufinden und den Austausch zwischen den Landwirten aber auch zwischen Landwirten und Forschung zu intensivieren.

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