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TU Bergakademie Freiberg, Oberseminar Geologie 2003 „Klimazyklen im Atlantik – Milankovitch-Theorie, Foraminiferen-Geochemie, Heinrich-Events“ Bearbeiter: Susanne Zechel, 8. Semester Geologie, Matr.-Nr. 40761 Betreuer: Prof. Dr. rer. nat. habil. Christoph Breitkreuz Ort: Institut für Geologie der TU Bergakademie Freiberg Datum: 13.05.2003

„Klimazyklen im Atlantik – Milankovitch-Theorie ... · 1. Einleitung Die Kenntnis der Einflüsse auf das Klima, sowie der Entwicklung und der Auswirkungen des Klimas in der Vergangenheit

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TU Bergakademie Freiberg, Oberseminar Geologie 2003

„Klimazyklen im Atlantik – Milankovitch-Theorie,

Foraminiferen-Geochemie, Heinrich-Events“

Bearbeiter: Susanne Zechel, 8. Semester Geologie, Matr.-Nr. 40761

Betreuer: Prof. Dr. rer. nat. habil. Christoph Breitkreuz

Ort: Institut für Geologie der TU Bergakademie Freiberg

Datum: 13.05.2003

1. Einleitung Die Kenntnis der Einflüsse auf das Klima, sowie der Entwicklung und der Auswirkungen des Klimas

in der Vergangenheit sind von sehr großer Bedeutung. Nur so kann man Aussagen darüber treffen, wie

sich das Klima in der Zukunft entwickeln wird. Noch viel wichtiger ist jedoch, ob die Tätigkeiten des

Menschen auf der Erde ebenfalls eine Klimaänderung hervorrufen können. Bei diesen Untersuchungen

spielt nicht nur das System Erde eine Rolle, sondern auch dessen Bewegungen innerhalb des

Sonnensystems, sowie die Anziehungskräfte der Sonne, des Mondes und der Planeten. Dieses

Aufgabengebiet ist jedoch sehr komplex und es ist schwierig alle Zusammenhänge aufzuzeigen und zu

untersuchen.

In dieser Arbeit werden die Milankovitch-Theorie und die Foraminiferen-Geochemie näher erläutert,

und es wird eine mögliche Ursache der Heinrich-Ereignisse im Bereich des Nordatlantiks betrachtet.

2. Die Milankovitch-Theorie Nachdem vorher schon viele Theorien über die Ursachen der Eiszeiten im Quartär gefunden worden

waren, stellte Milutin Milankovitch, ein serbischer Mathematiker, 1941 eine Theorie auf, infolge

dieser besondere orbitale Änderungen und ihre Auswirkungen auf bestimmte Bereiche der Erde der

Grund für die glazialen Zyklen gewesen sein könnte. Diese Theorie besteht darin, dass es drei

Mechanismen gibt, die für die Änderungen in der Sonneneinstrahlung verantwortlich sind. Das sind

die Exzentizität, die Erdschiefe oder Obliquität und die Präzession. Jeder dieser drei Mechanismen

weist eine andere Periodizität auf.

Unter dem Mechanismus der Exzentrizität versteht man die Abweichung der Erdumlaufbahn von

einem Kreis. Die Bahn der Erde um die Sonne ist eine Ellipse und kein Kreis. Sie kann sich aber

einem Kreis annähern (Abb. 1). Diese Ellipse ändert ihre Form in einem Zyklus (Abb. 2) von ca.

100000 Jahren. Dabei wird angenommen, dass die lange Achse der Ellipse, auch semi-major axis

genannt, mit der Länge a konstant bleibt, während die Kurze Achse mit der Länge b, auch semi-minor

axis genannt, sich mit der Zeit verändert. Letztere erreicht fast die gleiche Länge wie die semi-major

axis, wenn die Erdbahn annähernd eine Kreisform aufweist. Wird die Erdbahn elliptischer, verkürzt

sie sich. In einem der 2 Brennpunkte der Ellipse befindet sich die Sonne.

Abb. 1: Exzentrizität der Erdbahn um die Sonne (Allen 1997)

Abb. 2: Zyklus der Exzentrizität 1 Ma BP bis heute (Williams et al. 1998)

Die übliche Größe für die Elliptizität der Bahn ist die Exzentizität, e, welche sich über die Formel

a

bae ²2 +=

errechnen lässt. Dieser Wert beträgt heutzutage 0,016, was bedeutet, dass die Erde im Aphel, am

sonnenfernsten Punkt der Bahn, 1,67 % weiter von der Sonne entfernt ist, als wenn die Bahn der Erde

eine Kreisform aufweisen würde. Im Perihel, am sonnennächsten Punkt der Bahn, befindet sich die

Erde also um 1,67 % näher an der Sonne als das bei einer Kreisbahn der Fall wäre.

Ein weiterer Mechanismus trägt den Namen Obliquität oder Erdschiefe. Das bedeutet, dass die

Normale der Erdrotationsachse um einen bestimmten Winkel zur Ebene der Erdumlaufbahn, auch als

Ekliptik bezeichnet, geneigt ist (Abb. 3). Dieser Winkel schwankt ungefähr zwischen 22° und 25°.

Rezent hat dieser Winkel einen Wert von 23,5°. Der Zyklus der Winkeländerung der

Erdrotationsachse erfolgt mit einer Periodizität von 41000 Jahren (Abb. 4).

Abb.3: Obliqutät (Allen 1997)

Abb. 4: Zyklus der Obliquität 1 Ma BP bis heute (Williams et al. 1998)

Die Obliquität kontrolliert die geographische Verteilung der Insolation am stärksten. Ein Polargebiet,

welches im Winter von der Sonne abgewandt ist, erfährt während dieser Zeit eine lange Periode der

Dunkelheit. Im Gegensatz dazu ist die andere Polarregion in dieser Zeit der Sonne zugewandt. Sie

empfängt kontinuierlich Sonnenlicht. Die niedrigen Breiten empfangen dagegen mehr als die Hälfte

jedes Tages im Jahr Sonnenlicht. Die Gesamtstrahlungswerte sind also in den niedrigen Breiten am

höchsten und in den hohen Breiten am niedrigsten. Das erzeugt den bestehenden

Temperaturgradienten zwischen den Tropen und den Polarregionen. Der Grund für den geringeren

Energieempfang in den Polargebieten ist der kleine Einfallswinkel, mit der die Strahlung auf die

Erdoberfläche trifft. In den hohen Breiten verteilt sich die Strahlung auf eine größere Fläche und

verliert somit an Intensität. Mit hoher Erdschiefe wird der Temperaturgradient, also auch der

jahrezeitliche Kontrast größer. Wird der Winkel geringer, so hat auch der Temperaturgradient einen

geringeren Wert. Allerdings wird mit steigender Obliquität der Betrag der gesamten empfangenen

Strahlung auch erhöht, da die hohen Breiten stärker der Sonne zugewandt werden. Das erzeugt

wiederum einen geringeren Kontrast in der jährlich empfangenen Strahlung zwischen den Tropen und

den Polargebieten. Aus diesen Fakten lässt sich schlussfolgern, dass der größte Effekt der sich

ändernden Obliquität in den hohen Breiten zu finden ist.

Ein weiterer Mechanismus wird Präzession der Erde genannt (Abb. 5). Die Präzession ist die

Kreiselbewegung der Erdachse. Eine Umdrehung dauert 19000 bis 23000 Jahre (Abb. 6).

Abb. 5: Präzession der Erde heute, vor 5500 Jahren und vor 11000 Jahren (Allen 1997)

Abb. 6: Zyklus der Präzession (Williams et al. 1998)

Die Erde rotiert in 24 Stunden einmal. An einem Punkt am Äquator beträgt die

Rotationsgeschwindigkeit also 1700 km/h. Diese hohe Geschwindigkeit hat eine Abplattung der Erde

zu Folge. Das bedeutet, dass es im äquatorialen Bereich zu einer Ausbauchung kommt und somit der

Durchmesser am Äquator um circa 20 km größer ist als der Durchmesser von Pol zu Pol. Weiterhin

verursachen die Anziehungskräfte des Mondes, der Sonne und anderen Planeten einen Zug an dieser

Ausbauchung. Diese Kräfte wirken so, dass versucht wird, die gegen die Ekliptik geneigte Erdachse

aufzurichten. Dadurch entsteht die Kreiselbewegung der Erdachse. Die Präzession hat zur Folge, dass

die Halbkugel, welche im Perihel der Sonne zugewandt ist, im Sommer eine höhere

Sonneneinstrahlung erhält, aber auch den kürzeren Sommer hat. Die Dauer des Sommers ist deswegen

geringer, weil die Erdumlaufgeschwindigkeit um die Sonne im Perihel einen höheren Wert aufweist.

Andererseits hat diese Halbkugel auch eine größere jährliche Spannweite der Insolation und extreme

jahreszeitliche Kontraste. Die beiden Hemisphären zeigen also mit sich ändernder Präzession

unterschiedliche klimatische Reaktionen.

Insgesamt gesehen haben die Präzessions-bedingten Schwankungen jedoch kaum einen Einfluss auf

die Strahlungsbilanz der Erde. Weiterhin sind keine Änderungen in der Wärmebilanz der Nord- und

Südhalbkugel festzustellen. Was sich jedoch stark verändert, ist die Verteilung der Strahlung auf der

Erde und die Saisonalität. Ist die Einstrahlung im Sommer geringer, so wird auch das Potential kleiner,

den im Winter gefallenen Schnee zu schmelzen. Daraus folgt eine vermehrte Bildung von Gletschern.

Die Ursache für die Verringerung dieses Potentials ist der besonders hohe Albedowert des Schnees.

Durch die Vergrößerung des mit Schnee bedeckten Gebietes kommt es zu einer höheren Reflexion der

auf die Erdoberfläche treffenden Strahlung (positives feedback). Die Folge dessen ist, dass die

Erdoberfläche dort nicht mehr erwärmt wird. Besonders stark machen sich Verringerungen der

sommerlichen Einstrahlung auf der Nordhalbkugel bemerkbar. Der Grund dafür ist, dass sich auf

dieser Hälfte im Bereich von 45° bis 65° mehr Festland befindet als auf der südlichen Hemisphäre. So

gibt es zahlreiche weitere Rückkopplungsprozesse, die meist miteinander verkettet sind. Diese Feed-

back-Prozesse verlaufen aber eher langsam, und es ist nicht zu erwarten, dass sie mit den

Milankovitch-Zyklen schritthalten.

Milankovitch-Zyklen sind weit durch die Erdgeschichte verfolgbar. Jedoch treten sie im Quartär

wegen der Landeismassen am stärksten hervor. Außerdem ist im Quartär eine gute weltweite

Korrelation möglich. Man hat festgestellt, dass die Eiszeiten im Pleistozän denselben Rhythmus wie

der Erdbahnparameter der Exzentrizität aufweisen. Schaut man sich jedoch die Variationen der

Exzentrizität an, so kommt man zu dem Schluss, dass diese viel zu gering sind (Abb. 7), um eine

dominante Kontrolle auf das Klima auszuüben (Williams et al. 1998).

Abb. 7: Bandfilteranalyse der Insolationsaufzeichnung für 65°N und einer marinen 18O-Aufzeichnung (Imbrie et al. 1992, aus Williams et al. 1998)

Auf der Erde zeigen sich die 100000 Jahre Zyklen jedoch deutlich. Berger und Loutre (1994a, b)

errechneten, dass bei einer am stärksten elliptischen Bahn 0,27% mehr Sonnenenergie empfangen wird

als heutzutage. Für eine annähernde Kreisbahn wäre die jährliche Totalstrahlung um 0,01% geringer

als heute. Um bei den heutigen Bedingungen eine Temperaturänderung von 1°C zu erlangen, braucht

man eine Änderung der absorbierten Solarstrahlung um 1%. (Ramanathan et al. 1992) Dieses hier

aufgeführte Problem wird auch das „100 ka Problem“ genannt. Die beiden anderen Bahnparameter

zeigen stärkere Variationen.

Jedoch können diese Mechanismen nicht die Hauptursache für die Klimaschwankungen im Quartär

sein, denn sonst hätte es auch schon vorher in diesen Abständen Eiszeiten geben müssen. Auf jeden

Fall spielen noch viele andere Faktoren eine Rolle. Aufgrund eben dieser Komplexizität des ganzen

Systems, der Erde, ist es schwierig, eine Lösung für die klimatische Instabilität im Quartär zu finden.

3. Foraminiferen-Geochemie Foraminiferen werden einzellige Mikrolebewesen vom Stamm der Protozoa genannt, welche ein

kalkiges oder agglutiniertes Skelett aufweisen und als Plankton im Meer leben. Sie sind für die

Paläoklimatologie sehr interessant, da sie die stabilen Isotope 18O und 16O, sowie 13C und 12C in einem

bestimmten Verhältnis in ihr Skelett einbauen. Das Sauerstoffisotopenverhältnis 18O/16O wird zum

einen durch die temperaturabhängige Fraktionierung der Isotope vom Meerwasser in die Kalzitskelette

der Mikroorganismen und zum anderen durch die Isotopenzusammensetzung des Meerwassers

kontrolliert. Letztere ist davon abhängig in welchem Maße das leichtere 16O in die Eiskristalle der

Eisschilde bevorzugt aufgenommen wird. Das beeinflusst das 18O/16O-Verhältnis der globalen Ozeane.

Kommt es nämlich zu einer Entziehung des 16O in das Eis, so führt dies zu einer Konzentration des

schwereren 18O im Ozean. Die Entziehung des 16O aus dem Meerwasser geschieht aber nur dann,

wenn die Temperatur in der Atmosphäre sinkt. Denn nur so kann das 16O, welches in den wärmeren

Gebieten bevorzugt mit verdunstet wird, auf den Eisschilden gehalten werden, weil es dort im Schnee

abgelagert wird (Abb. 8).

A B Abb. 8: A) Verdunstung des 16O, Niederschlag über den Regen und Rückführung zum Meer; B) Verdunstung des 16O, Niederschlag mit dem Schnee und Ablagerung auf Eisschild (http://www.carleton.ca/~tpatters/teaching/climatechange/glacial/glacial4.html) So ist das Meerwasser in glazialen Perioden isotopisch schwerer, sowie von höherer Salinität, und in

den Interglazialen isotopisch leichter. Man kann also annäherungsweise das Klima rekonstruieren. Es

besteht aber nicht nur eine Abhängigkeit des Sauerstoffisotopenverhältnisses vom Eisvolumen,

sondern ebenfalls eine von der Temperatur. Bei niedrigeren Temperaturen wird in die Kalkskelette der

Foraminiferen mehr 18O eingebaut, als bei höheren Temperaturbeträgen (Ehlers 1994). Die Ozeane

zeigen weiterhin eine typische Temperaturschichtung. Das Oberflächenwasser bis circa 300m Tiefe

macht die Temperaturschwankungen der Atmosphäre mit einiger Verzögerung mit. Währenddessen

verändert sich die Temperatur des Tiefenwassers, welches sich in mehr als 1000m Tiefe befindet,

kaum. Die in den Schalen der benthonischen Foraminiferen gemessenen

Sauerstoffisotopenverhältnisse weisen eine Verteilung auf, die nicht von den

Temperaturschwankungen abhängig ist. Sie zeigen nur das veränderte Volumen des Eises an (Abb. 9).

Es wurde festgestellt, das sich bei der Bestimmung des Sauerstoffisotopenverhältnisses die

Foraminifere Uvigerina am besten eignet. Jedoch bleiben in den Tiefseesedimenten meist weniger

benthonische Foraminiferen erhalten. Es ist somit erforderlich, planktonische und benthonische

Foraminiferen gleichermaßen zu untersuchen. Um das

Sauerstoffisotopenverhältnis errechnen zu können, wird die Formel

( ) ( )( )

−×=

SMOW

SMOWobe

OOOOOO

O 1618

1618Pr

161818

///

1000δ

benutzt. Die Abkürzung SMOW bedeutet Standard Mean Ocean Water und ist der Standard für das

heutige Ozeanwasser.

Zusätzlich zum Sauerstoffisotopenverhältnis kann man an den Foraminiferen auch das

Kohlenstoffisotopenverhältnis δ13O, sowie das Stickstoffisotopenverhältnis δ15N bestimmen. Das

Kohlenstoffisotopenverhältnis kann man allerdings nicht wie das Sauerstoffisotopenverhältnis dazu

nutzen, um globale Ereignisse zu korrelieren. Dafür wurden Verschiebungen in den

Kohlenstoffisotopen dazu verwendet, um auf substantielle Änderungen in der planktonischen Blüte,

sowie auf Veränderungen in der Primärproduktivität und Variationen der Versorgung der Ozeane mit

Frischwasser kontinentalen Ursprungs zu schließen. Weiterhin kann Methanentstehung das

Kohlenstoffisotopenverhältnis im Ozean und vermehrt im Sediment verändern. Heute ist es auch

möglich über die Analyse des Kohlenstoffisotopenverhältnisses die Veränderungen der

Tiefenwasserbelüftung anhand von benthonischen Foraminiferen festzustellen, besonders wenn diese

von einigen Kernen aus unterschiedlichen Tiefen im Ozean entnommen wurden (William et al. 1998).

Das Stickstoffisotopenverhältnis δ15N ist in Kombination mit dem Kohlenstoffisotopenverhältnis

dazu geeignet, um den Ursprung des organischen Materials im Tiefseebohrkern zu bestimmen. Es

kann damit der Aufstieg von kaltem, dichten und nährstoffreichen Wasser an die Oberfläche

festgestellt werden. Dazu werden Organismen verwendet, die nahe der Oberfläche leben, wie

Foraminiferen und Nanoplankton. 1993 zeigten Franςois et al., dass sich δ15N anwenden lässt, um die

Änderung der Nitratverwertung im Oberflächenwasser, welche durch die Paläoeintragsvariationen im

westlichen Indischen Ozean beeinflusst werden, abzuschätzen (Williams et al.1998).

Abb. 9: Schwankungen des Sauerstoffisotopenverhältnisses gemessen an benthonischen Foraminiferen (Miller & Fairbanks 1985)

4. Heinrich-Events In den frühen 80er Jahren wurden von Hartmut Heinrich, damals Doktorand an der Universität

Göttingen, ungewöhnliche Sedimentschichten im Nordatlantik entdeckt. Es handelt sich um dünne,

periodisch auftretende Sedimentlagen, welche reich an Kalkstein- und Dolomitdetritus sind, aber nur

wenige Foraminiferenschalen aufweisen. Außerdem enthalten diese Ablagerungen auch Trümmer von

vulkanischem Grundgestein. Das durch abschmelzende Eisberge abgelagerte Material (dropstones)

(Abb. 10b) ist in der Literatur unter dem Namen „ice-rafted debris“ (IRD) vorzufinden. Insgesamt

wurden sieben dieser Lagen aufgefunden, welche die Bezeichnung H-0, H-1, H-2, H-3, H-4, H-5 und

H-6 erhielten (Tab. 1, Abb. 10c). Diese sind im Gebiet zwischen Labrador und den britischen Inseln

von 45° bis 60° nördlicher Breite vorzufinden (Abb. 11). Ein wichtiges Merkmal dieser

Schuttschichten ist die Ausdünnung in Richtung Osten. Während sie in Labrador noch eine

Mächtigkeit von einem halben Meter erreichen, beträgt die Mächtigkeit im östlichen Atlantik nur

wenige Zentimeter.

Abb. 10: Abbruch des Laurentide Eisschildes, welcher zu den Heinrich-Ereignis-Sequenzen in den Sedimenten des Nordatlantiks führte a) schematische Eisbergbewegung von Hudson Strait; b) Entstehung des IRD c) Sequenzen aus detritischen Karbonat aus Bohrkernen des Nordatlantiks (Wu 1998)

Tab. 1: Alter der Heinrich-Events in der letzten Eiszeit (Quelle: Bond et al. 1993)

Heinrich-Event Age (14C years BP)

Younger Dryas (?) 11-10 ka

H1 14.5-13.5 ka

H2 22-19 ka

H3 27 ka

H4 35.5 ka

H5 52 ka

H6 69 ka

Abb. 11: Weg der Eisberge während HL 1, 2, 4 (dicke Linie) und 3 (unterbrochene Linie) (Lisitzin 2002) Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das niedrige Sauerstoff-18-/ Sauerstoff-16-Verhältnis, welches in

den Schalen der wenig vorhandenen Foraminiferen gemessen wurde. Dieses ist nämlich ein Hinweis

darauf, dass die Tiere in einem Wasser lebten, welches ein viel geringeren Salzgehalt besaß als in

vorangegangenen Zeiten üblich war. Weiterhin lassen die δ18O-Werte erkennen, dass das Wasser sehr

kalt gewesen ist. Ein zusätzlicher Beweis hierfür ist das Vorhandensein der links gewundenen

Foraminifere Neogloboquadrina pachyderma, da diese nur in kaltem Wasser eine Linkswindung

aufweist.

Aus den hier vorliegenden Eigenschaften der Schichten wurde geschlussfolgert, dass diese nur von

einer Armada aus Eisbergen abgelagert werden konnten. Das abgesetzte Material stammt hierbei aus

den Eisbergen, in denen es vorher gebunden war. Freigesetzt wurde es fortschreitend mit dem

Abschmelzen. Die kalten Meerestemperaturen verlangsamten jedoch diesen Vorgang. Es wurden an

verschiedenen Stellen im Atlantik Bohrkerne entnommen, mit denen in zwei Fällen belegt werden

konnte, dass Eisberge den Atlantik überquert haben. Dies ist ein Beweis dafür, dass das Abschmelzen

langsam vor sich ging. Weiterhin kam man zu der Feststellung, dass sich diese enormen

Eisbergentstehungen immer am Ende eines Kältezyklus (Bond-Zyklus) und somit vor einer

Warmperiode ereignen. Erstaunlich ist das plötzliche Umschlagen des Klimas von einer Kaltzeit zu

einer Warmzeit. Diese Temperaturumschläge tragen den Namen Dansgaard-Oeschger-Ereignisse. Es

wurde anhand von Bohrkerndaten aus dem grönländischen Eisschild herausgefunden, dass solch ein

Umschlag innerhalb von Jahrzehnten geschah. Die Warmzeiten dauerten einige 100 bis 1000 Jahre an.

Der Wechsel von einer Warmzeit in eine Kaltzeit erfolgte dann allmählich. Die allmähliche

Temperaturabsenkung geht in der darauf folgenden Kaltzeit weiter bis schließlich der Gipfel erreicht

ist, der aus einem Heinrich-Ereignis besteht. Nach diesem kommt es wieder zu einer plötzlichen

Erwärmung. Doch was ist die Ursache für diese Schwankungen? Wie ist es vor allem möglich, dass es

zu diesen plötzlichen Erwärmungen kommen kann? Ein Merkmal der Heinrich-Ereignisse ist, dass

diese nicht in regelmäßigen Abständen auftreten, sondern die Zeit zwischen ihnen ist unterschiedlich

lang. Trotzdem treten sie aber zu häufig auf, als dass sie selbst mit dem kürzesten der Milankovitch-

Zyklen, der Präzession, korreliert werden könnten (Williams et al. 1998). Die Schnelligkeit der

Temperaturumschwünge, die zu den Dansgaard-Oeschger-Ereignissen führen, lässt darauf schließen,

dass die Ursache für die enormen Eisabbrüche nicht im Vorrücken und Zurückweichen der Eisdecke

selber liegen kann, da diese zu mächtig ist und so die Reaktionszeit zu lang wäre um dekadische

Klimaänderungen zu erklären (Williams et al. 1998). Eine Ursache könnte nach Williams et al. 1998

sein, dass sich die Rate des Wärmetransports über die ozeanischen Strömungen geändert hat. Das

ozeanische Kreislaufsystem (thermohaliner Kreislauf) stellt die Hauptwärmequelle für große Gebiete

in den höheren Breiten der Nordhalbkugel dar. Gesteuert wird dieses System durch den Einfluss des

Windes auf die Meeresoberfläche und hauptsächlich aber durch die temperaturabhängigen

Änderungen der Dichte des Meerwassers. Die warmen Strömungen stammen aus den tropischen und

subtropischen Breiten und geben ihre Wärme schließlich über Konvektion an die Atmosphäre ab.

Durch eine Störung dieses Systems kommt es zu Veränderungen im Klima in den höheren Breiten.

Dringt der warme Strom nicht mehr so weit nach Norden vor, hat dies dort eine Abkühlung zur Folge.

Um eine plötzliche Erwärmung wie während der Dansgaard-Oeschger-Ereignisse zu erzeugen, ist

jedoch ein abruptes Vordringen eines warmen Stromes nach Norden nötig. Während der Eiszeiten

zogen sich die warmen Ströme in Richtung Süden zurück. Was bewirkte aber, dass diese plötzlich

nach Norden vordrangen? Der Grund dafür liegt in der Entstehung enormer Eisberg-Armadas.

Modelle für deren Entstehung präsentierten MacAyeal (1993 a, b) und Alley und MacAyeal (1994).

Diese sind autochthone Modelle und werden „binge/purge“-Modelle genannt, was soviel bedeutet wie

Ansammlung und Abführung. Der Inhalt der Modelle ist, dass die großen Eisdecken regelmäßig

Zeiten langsamen Wachstums und anschließend schneller Auflösung unterworfen sind. Dabei wird in

der Zeitspanne des Bond-Zyklus von circa 7000 Jahren abgekühlt und es kommt zur Ansammlung von

Eis. Dies wird als „binge“ bezeichnet. ´Währenddessen wird durch geothermale Wärme das

Unterlagernde des Eises erwärmt. Dadurch entsteht Wasser, welches den Geschiebemergel gleitfähig

macht. Dieser Prozess beschleunigt wiederum die Eisbewegung, welche durch die Reibungswärme

noch mehr gefördert wird. Dabei ist der Wert der Wärmeproduktion höher als die Rate, mit der die

Wärme aufwärts durch das Eis transportiert wird. Unter „purge“ versteht man den Vorgang der

schnellen Eisbewegung. Diese Phase nahm ungefähr 750 Jahre in Anspruch. Eine Schätzung ergab,

dass in der Zeit 1015kg Gesteinsmaterial ausgeführt wurde. Insgesamt wurde in einer „purge“-Phase

ein Höhenverlust von 1200 bis 1500 Meter modelliert. Das würde bedeuten, dass ungefähr 1014m³

Wasser in den Atlantischen Ozean freigesetzt wurden. Der mittlere Fluss hat einen Wert bis über 0,16

Sv. Der Meereswasserspiegel kann durch diese Wasservolumen über 3,5 Meter ansteigen. Am Ende

der „purge“-Phase ist die Eisdecke dünner geworden, so dass die Rate der durch das Eis aufsteigenden

Wärme sank und die Reibungswärme überstieg. Das hat zur Folge, dass die Temperatur abfällt und

das Eis wieder am Unterlagernden festfrieren kann. Danach beginnt eine neue „binge“-Phase.

Heinrich-Events entstanden also wahrscheinlich dadurch, dass sich die Eisdecke plötzlich schneller

bewegte. Es wird vermutet, dass das Hudson-Flachland der Ort war, an dem sich diese Ereignisse

abspielten. Der Grund für diese Annahme ist dessen Zusammensetzung aus Sedimenten. Clark (1994)

nimmt an, dass Heinrich-Events nur stattgefunden haben könnten, als sich der Laurentide-Eisschild

auf Sedimenten befand. Demnach könnte die Einstellung der Heinrich-Events vor 14000 Jahren mit

dem Rückzug des verbleibenden Eises auf den Kanadischen Schild (kristallines Gestein) verbunden

sein. Liegt das Eis auf Sedimentgestein, so kann sich eine Schicht von gesättigtem Till herausbilden,

welche das Rutschen des Eises noch vereinfacht. Das Modell muss noch grundlegend geprüft und

durch Messdaten aus der Realität belegt werden.

Im Gegensatz dazu stehen allochthone Modelle. Eines davon beinhaltet, dass durch eine langsame

Klimaerwärmung die Eisschilde beginnen von oben abzuschmelzen. Dadurch steigt der Meeresspiegel

an. Eisschilde, welche auf dem Schelf aufliegen, reagieren sehr sensibel auf einen

Meeresspiegelanstieg. Der Grund dafür ist, dass der Eisschild bei einem Meeresspiegelanstieg an den

Rändern aufschwimmt und dadurch instabil wird. Der Effekt ist ein massives Kalben des Eisschildes.

Es wird noch heftig diskutiert, welches Modell passender für die Entstehung dieser großen Eisberg-

Armadas ist.

5. Zusammenfassung

Die Milankovitch-Zyklen, besonders die Exzentrizität, können als ein Klimaanfachungsmechanismus

bezeichnet werden. Jedoch ist dieser nicht der einzige Grund für die enormen Klimaschwankungen im

Quartär, denn er ist schon früher in der Erdgeschichte feststellbar, wo es diese Schwankungen nicht so

extrem gab. Die Variabilität des 18O/16O-Verhältnis und das Auftreten der Heinrich-Ereignisse sind

Effekte dieser Klimaschwankungen und lassen sich gut mit den Milankovitch-Zyklen korrelieren

(Abb. 12). Diese Daten kann man mit noch anderen Daten, welche durch andere Methoden und aus

anderen Gebieten gewonnen wurden, korrelieren (Abb. 13). Man kommt zu dem Ergebnis, dass die

sich ergebenden Kurven alle einen ähnlichen Verlauf aufweisen und auch weltweit vergleichbar sind.

Abb. 12: Specmap-Kurve (Imbrie et al. 1984) und orbitale Parameter für den Zeitraum 600 ka BP bis 100 ka AP. Berechnet nach Berger (1978) (http://141.35.2.84/chemie/geowiss/angeol/vorlesungen/eis/Eis.htm

Abb. 13: Variabilität während der letzten glazialen Periode (15 – 60 ka BP) (Alverson et al. 2003)

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http://www.carleton.ca/~tpatters/teaching/climatechange/glacial/glacial4.html http://www.mpia-hd.mpg.de/suw/suw/SuW/1996/12-96/S927Abb5.html