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530 F. S i e r p , Essen 44) Stuber u. K1 j a t s c h k i n a , Arch. Pharmaz. u. Ber. Dtsch. 45) S 0 d e r b e r g , Farm. Revy 17, 102 (1918). 46) T h o m s , Ber. Dtsch. Chem. Ges. 33, 27 (1923). 47) T h o m s e n , Archiv f. Farm. og Kemi 21, 329 (1914). 48) U gar t e , Journ. Pharmac. Chim. 7, 23, 129 (1921). 40) W a 1 e s , Journ. of Ind. & Eng. Chem. 18, 391 (1926). 60) S t i c k , Pharmaz. Ztg. 75, 1233 (1930). Pharmaz. Ges. 268, 209 (1930). 29. F. Sierp, Essen: Aktive Kohle und ihre Anwendung in der Industrie. (Experimental 5 Vortrag in der Deutschen Phann. Gesellschaft, Ortsgruppe Essen, am 26. Juni 1931 im Chemiesaal des He1mholtz:Gymnasiums in Essen.) Eingegangen am 4. August 1931. Im Jahre 1785 erhielt der russischc Apotheker Tobias Lowitz von der Petersburger Akademie der Wissenschaften eine grol3e goldene Denkmunze fur eine Abhandlung: ,,Anzeigen eines neuen Mittels, auf Seereisen Wasser vor dem Verderben zu bewahren und faules Wasser wieder trinkbar zu machen". In dieser Abhandlung beschreibt Lowitz die Filtration des Wassers zwecks Reinigung und Beseitigung von Geruchss und Geschmacksstoffen durch Pflanzens kohle. Auf Grund dieser Veroffentlichung hat dann 1814 der Graf de Saussure, der den Alpinisten als der erste Ersteiger des Montblanc bekannt ist, die Holzkohle weiterhin auf ihre Fahigkeiten untersucht und hierbei festgestellt, daR sie Gase und Dampfe zu kondensieren vermag. Die Arbeiten des Grafen de Saussure fuhrten dann im Jahre 1830 zu der Einfuhrung der Holzkohle in die Zuckerindustrie, zum Entfarben und Klaren der Zuckersafte. Versuche' zeigten nun, da8 man den Wirkungsgrad einer Holzs oder Knochenkohle ganz erheblich steigern konnte, wenn man diese Kohle nach dem Gliihen mit Saure behandelte. Durch diese Saures behandlung wurden die bei dem GluhprozeB' auf der Oberflache abs geschiedenen Stoffe, wie Karbonate und Silikate, heruntergelost und hierdurch die Oberflache der Poren in der Holzkohle freigelegt. Man nannte diese Kohle im Gegensatz zu der gewohnlichen Holz, und Knochenkohle ,,aktive Kohle", da ihr Wirkungsgrad etwa funfzigmal so grol3 ist. Man kann jedes Holz, aber auch Braunkohle, Torf, ja sogar die Ablauge von Sulfitzellulosefabriken zur Herstellung von aktiven Kohlen benutzen. Holzer mit gronen Gefaaen ergeben aktive Kohlen mit grokn Poren, wahrend Holzer mit engen GefaBen die sehr wirksamen aktiven Kohlen liefern. Bei der Herstellung der aktiven Kohle kommt es darauf an, die Oberflache des zu aktivierenden Mates rials mit moglichst vielen, mikroskopisch feinen Poren und Kapillaren zu versehen, um eine moglichst groBe innere Oberflache zu schaffen. Nach M e c k 1 e n b u r g wird Torf oder Holz mit einer konzentriers ten Zinkchloridlauge impragniert oder gemaischt. Hierbei richtet sich

Aktive Kohle und ihre Anwendung in der Industrie

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530 F. S i e r p , Essen

44) S t u b e r u. K 1 j a t s c h k i n a , Arch. Pharmaz. u. Ber. Dtsch.

45) S 0 d e r b e r g , Farm. Revy 17, 102 (1918). 46) T h o m s , Ber. Dtsch. Chem. Ges. 33, 27 (1923). 47) T h o m s e n , Archiv f. Farm. og Kemi 21, 329 (1914). 48) U g a r t e , Journ. Pharmac. Chim. 7, 23, 129 (1921). 40) W a 1 e s , Journ. of Ind. & Eng. Chem. 18, 391 (1926). 6 0 ) S t i c k , Pharmaz. Ztg. 75, 1233 (1930).

Pharmaz. Ges. 268, 209 (1930).

29. F. Sierp, Essen:

Aktive Kohle und ihre Anwendung in der Industrie.

(Experimental 5 Vortrag in der Deutschen Phann. Gesellschaft, Ortsgruppe Essen, am 26. Juni 1931 im Chemiesaal des He1mholtz:Gymnasiums in Essen.)

Eingegangen am 4. August 1931.

Im Jahre 1785 erhielt der russischc Apotheker Tobias Lowitz von der Petersburger Akademie der Wissenschaften eine grol3e goldene Denkmunze fur eine Abhandlung: ,,Anzeigen eines neuen Mittels, auf Seereisen Wasser vor dem Verderben zu bewahren und faules Wasser wieder trinkbar zu machen". In dieser Abhandlung beschreibt Lowitz die Filtration des Wassers zwecks Reinigung und Beseitigung von Geruchss und Geschmacksstoffen durch Pflanzens kohle. Auf Grund dieser Veroffentlichung hat dann 1814 der Graf de Saussure, der den Alpinisten als der erste Ersteiger des Montblanc bekannt ist, die Holzkohle weiterhin auf ihre Fahigkeiten untersucht und hierbei festgestellt, daR sie Gase und Dampfe zu kondensieren vermag. Die Arbeiten des Grafen de Saussure fuhrten dann im Jahre 1830 zu der Einfuhrung der Holzkohle in die Zuckerindustrie, zum Entfarben und Klaren der Zuckersafte.

Versuche' zeigten nun, da8 man den Wirkungsgrad einer Holzs oder Knochenkohle ganz erheblich steigern konnte, wenn man diese Kohle nach dem Gliihen mit Saure behandelte. Durch diese Saures behandlung wurden die bei dem GluhprozeB' auf der Oberflache abs geschiedenen Stoffe, wie Karbonate und Silikate, heruntergelost und hierdurch die Oberflache der Poren in der Holzkohle freigelegt. Man nannte diese Kohle im Gegensatz zu der gewohnlichen Holz, und Knochenkohle ,,aktive Kohle", da ihr Wirkungsgrad etwa funfzigmal so grol3 ist. Man kann jedes Holz, aber auch Braunkohle, Torf, ja sogar die Ablauge von Sulfitzellulosefabriken zur Herstellung von aktiven Kohlen benutzen. Holzer mit gronen Gefaaen ergeben aktive Kohlen mit g r o k n Poren, wahrend Holzer mit engen GefaBen die sehr wirksamen aktiven Kohlen liefern. Bei der Herstellung der aktiven Kohle kommt es darauf an, die Oberflache des zu aktivierenden Mates rials mit moglichst vielen, mikroskopisch feinen Poren und Kapillaren zu versehen, um eine moglichst groBe innere Oberflache zu schaffen. Nach M e c k 1 e n b u r g wird Torf oder Holz mit einer konzentriers ten Zinkchloridlauge impragniert oder gemaischt. Hierbei richtet sich

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die Mischzahl, d. h. das Verhaltnis von Zinkchlorid zu der Trockens substanz des Rohmaterials nach dem Zweck, dem die zu erzeus gende aktive Kohle dienen soll. Die Mischung wird unmittelbar vor oder nach der Formung in einer Strangpresse bei allmahlich gesteis gerter Temperatur getrocknet und dann bei einer Temperatur, die sich ebenfalls nach dem Verwendungszweck der aktiven Kohle richtet, kalziniert. Das Kalzinat wird mit Wasser ausgelaugt. Die Flussigkeit, die die ganze Zinkchloridlauge enthalt, wird eingedampft und wandert in den Betrieb zur Herstellung von neuen Kohlen zuruck.

Im Gegensatz zu den Chlorzinkkohlen wird bei den Wasserr dampfkohlen das Rohmaterial, z. B. Holz oder Torf, zunachst bei niedrigen Temperaturen verkohlt. Diese Primarkohle, die als eine Adsorptionsverbindung von amorpher Kohle und Kohlenwasserstoff aufgefaBt werden mu& ist nicht'aktiv. Entfernt man nun den von den amorphen Kohlen festgehaltenen Kohlenwasserstoff durch Oxys dation und atzt gleichzeitig die zuruckbleibende amorphe Kohle an, so wird sie aktiv. Die Akitivierungsbedingungen mussen nun so gewahlt werden, daB von den beiden Bestandteilen des Primarkohlens komplexes die Kohlenwasserstoffe rasch, die amorphen Kohlen jedoch langsam oxydiert werden. Man kann nun Luft wie auch Wasserdampf als Oxydationsmittel anwenden. Bei Anwendung von Luft als Oxydationsmittel geschieht die Oxydation bei 350 bis 450° C. Bei Anwendung von Wasserdampf geschieht diese Oxydation erst bei Temperaturen, die bei 800 bis 1000° C liegen. Es entsteht auf diese Weise ein Material mit unendlich vielen, mikroskopisch feinen Poren und Kapillaren.

Die GroBe der Kapillaren in den Poren hat auf das Ab, und Adsorptionsvermogen einen entscheidenden EinfluB.

Von der GroOe der inneren Oberflache der aktiven Kohle erhalt man einen Begriff, wenn man sich vorstellt, daB die Kapillarenobers flache eines Wurfels von 1 cm Kantenlange mehrere 100 qm umfafit. Hieraus geht ohne weiteres hervor, da8 Korper mit derartig groBer Oberflache eine ganz andere Reinigungswirkung auBern mussen als die einfachen Holzs und Knochenkohlen, bei denen die Gesamtober: flache nur einen Bruchteil obiger GroBe ausmacht. Da nun Gase vie1 leichter diffundieren als Flussigkeiten, kann man fur Gase grobs kornige Kohlen verwenden; wohingegen man bei Fliissigkeiten mehr feinkornige Kohlen heranziehen wird.

Je nach dem Verwendungszweck unterscheidet man nun zwischen verschiedenen Kohlen, die man stets nach den Anfangsbuchstaben des Verwendungszweckes bezeichnet.

1. Eiitfarbungskohle mit ,,EXohle"; 2. Ads oder Absorptionskohle mit ,,AsKohla"; 3. Gaskohle mit ,,GXohle"; 4. Medizinische Kohle mit ,,MsKohle".

Die Wirkung derartiger Kohlen kann nun, wie bereits ausgefuhrt, in erster Linie eine Abr oder Adsorptionswirkung sein, nebenbei konnen aber auch katalytische Wirkungen und vor allen Dingen auch,

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zum Teil als Folge der katalytischen Wirkungen, chemische Wirg kungen auftreten.

Die Ads und Absorptionserscheinungen der aktiven Kohle' konnen nun sowohl feste wie fliissige Stoffe als auch gasige Stoffe betreffen. Von der Adsorption fester Stoffe macht man in allen den Fallen Ger brauch, wo man grobdisperse, also kolloid verteilte Stoffe, die sich durch den gewohnlichen FiltrationsprozeD nicht aus einer Fliissigkeit entfernen lassen, beseitigen will. Die in der aktiven Kohle zur Verr fiigung stehende groBe Oberflache halt nun diese grobdispersen Stoffe an seiner Oberflache durch reine Adsorptionserscheinungen fest. In hauslichem Abwasser, das durch einen AbsitzprozeB von seinen leicht absetzbaren Schwebestoffen befreit ist, werden die kolloid vers teilten Stoffe durch aktive Kohle entfernt.

Eine weitaus ausgedehntere Anwendung findet die aktive Kohle zum Entfarben von Fliissigkeiten. Die in der Fliissigkeit enthaltenen Farbstoffe konnen nun kristalliner als auch vor allen Dingen kolloider Natur sein. Im Gegensatz zu den eben aufgefuhrten grobdispersen Stoffen, wie sie im Abwasser vorliegen, sind diese Stoffe noch vie1 feiner im Wasser verteilt, so da8 man sie zu den hochdispersen Stoffen zahlen muD. Die aktive Kohle hat nun nicht nur ein Adsorpr tionsvermogen gegen die in der Natur vorhandenen natiirlichen Farbs stoffe, wie z. B. Rotwein, sondern auch gegen die kiinstlichen Farbs stoffe, sobald sie kolloider Natur sind. Eine Methylenblaulosung wird z. B. durch eine geringe Menge aktiver Kohlen vollstandig entr farbt. Als Beispiel eines natiirlichen Farbstoffes nenne ich den Rots weinfarbstoff, der ebenfalls durch aktive Kohle beseitigt wird. In vielen Fallen macht man nun von der entfarbenden und enttriibenden Eigenschaft der aktiven Kohle zu gleicher Zeit in der Praxis Gec brauch. Wahrend man friiher zum Klaren von Wein fast ausschliek lich Hausenblase, EiweiB oder Gelatine benutzte, nimmt man heuts zutage Asbestfilter, in die ein bestimmter Prozentsatz aktive K.ohle angeschwemmt worden ist. Je nach dem Feinheitsgrad dieser Asbestr filter kann man sogar bis zur Bakterienfreiheit gelangen. Die augens blicklich im Handel befindlichen Traubensafte werden auf diese Weise geklart.

Ein 'Hauptanwendungsgebiet der aktiven Kohle ist bei der Ges winnung und Reinigung von Wen, und zwar sowohl tierischer und pflanzlicher wie auch mineralischer Ole. Die geringen von der Fabris kation in den Olen verbleibenden Reste von Triibungen lassen sich durch Behandeln mit aktiver Kohle sehr gut beseitigen.

Die ausgedehnteste Anwendung hat jedoch die aktive Kohle in der Zuckerindustrie gefunden. Nachdem man festgestellt hatte, da8 die aktive Kohle einen etwa 5Q oder noch mehrfachen Wirkungsgrad als Holzkohle hatte, war die Anwendung wieder wirtschaftlich. Der von den EiweiBstoffen durch Behandeln mit Kalk befreite Zuckersaft wird durch asKohle restlos geklart. Die zu diesem ProzeB angewandte Kohle ist an Menge so wenig, daD es keinen Zweck hat, sie zu regenerieren. Man verbrennt sie nach dem Gebrauch.

In ahnlicher Form wie in der Zuckerindustrie und Olindustrie verwendet man jetzt auch die aktive Kohle zum Entfarben und Reis

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nigen anderer Stoffe, wie z. B. Glycerin, und vor allen Dingen auch neuerdings in der Alkaloidindustrie zum Entfarben der Extrakte, aus denen man dann nachher die Alkaloide ausscheiden kann. Auch zum Reinigen von allen moglichen Kristallen hat man die aktive Kohle in der Industrie eingefuhrt.

Bei den bisherigen Beispielen handelte es sich darum, feste Stoffe aus Losungen zu entfernen. Man hat aber auch das gezeigte Ads und Absorptionsvermogen der aktiven Kohle dam benutzt, um Gase aus Gasen bzw. Flussigkeiten zu entfernen. Wie Ihnen allen bekannt ist, enthalt unser Leuchtgas von dem Kokereiprozei3 eine groBe Menge Benzol. Mit der weiteren Entwicklung des Autowesens ist der Wert dieses Benzols immer mehr und mehr gestiegen, daB man auf die Gewinnung des Benzols aus dem Leuchtgas immer mehr Wert legte. Auch hier gibt die aktive Kohle ein sehr gutes Mittel ab, um den letzten Rest des im Leuchtgas enthaltenen Benzols zu entfernen. Man leitet das Gas einfach durch ein groBes Filter, das mit aktiver Kohle gefullt ist. Hierbei schlagt sich das Benzol auf der Oberflache der Kohle nieder. Die Kohle sattigt sich nun mit dem Benzol, und wenn sie erschopft ist, wird das Benzol selbst mit heiBem Dampf von der aktiven Kohle heruntergetrieben und in Kolonnen kondensiert. Da aber die AsKohle gegen bestimmte Gase, wie Schwefelwasserstoff, Vergiftungserscheinungen zeigt, hat sie sich nicht sehr stark eins gefuhrt. Eine vie1 intensivere Anwendung in dieser Hinsicht hat die aktive Kohle bei der Gewinnung von Benzin aus den Erdgasen, wie sie in Rumanien in groBer Menge anfallen, gewonnen. Das gesamte, in Rumanien jetzt anfallende Gas wird fast ausschlieBlich uber aktive Kohle geleitet, wobei sich die benzinartigen Stoffe auf der Oberflache niederschlagen und von hier leicht durch Wasserdampf abgetrieben werden konnen. GroBe Mengen von Benzin werden auf diesem Wege aus dem rumanischen Leuchtgas gewonnen, und zwar in einer Reinheit, die das andere Benzin weit iibertrifft. Bei der Aufnahme des Benzols auf der asKohle spielt sich ein Vorgang ab, der rnit einer bestimmten Warmetonung verbunden ist. Die Kohle beladet sich schichtweise. Man kann an der Warmetonung genau verfolgen, welche Schicht sich gerade beladt.

A d s o r p t i o n e i n e s f l u s s i g e n K o r p e r s a u s e i n e r F 1 u s s i g k e i t : Ein Beispiel hierfur ist das Phenol. Phenol steht hart auf der Grenze zwischen kolloidem und kristallinem Zustand, In bezug auf aktive Kohle zeigt es aber alle Eigenschaften eines kolloiden Korpers. Phenol macht uns besonders in der Trinkwassers versorgung und Abwasserreinigung groi3e Schwierigkeiten. Hier in unserem Gebiete befinden sich sehr viele groBe Kokereien und G a s werke, Teerdestillationen, Nebenproduktengewinnungsanlagen USW., die mit ihren Abwassern groBe Mengen Phenol abstoaen. Gelangen diese Phenolmengen in einen Flu& so leidet in erster Linie die Fischerei sehr stark darunter. Die Fische, die in einem derartigen phenolhaltigen Vorfluter leben mussen, reichern das Phenol in ihrem Korper an, so daB sie beim Kochen einen eigentumlichen widerlichcn Phenolgeschmack zeigen. Sie fallen damit fur die Ernahrung aus. Noch ubler sind aber die Verhaltnisse, wenn ein FluR, in den derartige

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phenolhaltige Abwasser gelangen, als Trinkwasserversorger dienen muB, wie dies ja in unseren Gegenden mit der Ruhr der Fall ist. Die Ruhr enthalt aus verschiedenen Kokereien und Holzdestillations: anlagen phenolhaltige Abwasser. Zu normalen Zeiten reicht die Selbstreinigungskraft des Flusses aus, um dieses Phenol im Vorfluter zu zerstoren. Bei Frost jedoch, wenn die Temperatur im Flu8 sehr stark heruntergeht, gehen auch die biologischen Vorgange so stark zuruck, dat3 dann die Selbstreinigungskraft nicht mehr ausreicht, urn das Phenol abzubauen. Dasselbe ist der Fall bei Hochwassern, wo die Geschwindigkeit im Flu8 so gro8 wird, da8 fur die Selbstreinigung nicht mehr genugend Zeit zur Verfugung steht. Ein Trinkwasser, das nun derartige phenolhaltige Stoffe enthalt, zeigt bei der Chlorung, die man bei Oberflachenwassern mit Rucksicht auf Infektionsgefahr stets anwenden mu& einen sehr ublen Geschmack, der darauf zuruck: zufiihren ist, da8 das Chlor mit dem Phenol Chlorphenol bildet, das sich dann durch einen intensiven jodoformartigen Geschmack und Geruch zu erkennen gibt. Wahrend eine reine Phenollosung, die etwa 1 mgll Phenol enthalt, und eine reine Chlorlosung, die etwa 1 mg/l Chlor enthalt, kaum Geschmacksbelastigungen zeigen, zeigt ein Wasser, das je 1 mg Chorphenol im Liter enthalt, einen widerwartigen Geschmack. Man hat lange nach Mitteln und Wegen gesucht, um diesen Geschmack zu entfernen. Man hat empfohlen, durch Zugabe von Kaliumpermanganat das Chlorphenol zu zerstoren, um auf diese Weise die Geschmacksbelastigungen zu beseitigen. Wir haben beim Ruhrverband sehr lange Versuche gemacht und haben in der aktiven Kohle ein vorzugliches Mittel gefunden, der Geschmacksbelastigungen, die Ihnen allen hier bekannt sein durften, Herr zu werden. Bei dem Durchleiten des Wassers durch aktive Kohle gibt das Wasser das gesamte Chlorphenol an die aktive Kohle ab, so da8 das durchs gegangene Wasser vollkommen geschmackfrei ist. Im groBen ist der Versuch auf dem Hammer Wasserwerk in Wickede an der Ruhr durchge€uhrt, auf dem die ganze Wassermenge von taglich 25 OOO cbm gereinigt wird. Im kleinen hat man Hausfilter geschaffen (Sybri: Gesellschaft, Essen).

Im Trinkwasser sind nun meist nur sehr kleine Mengen Chlor: phenol zu entfernen. Wir haben diese Versuche nun weiter getrieben und auch ein Verfahren ausgearbeitet, das Phenol direkt aus den Abwlissern mit hohen Gehalten an Phenol zu entfernen. Bei diesem Verfahren werden die phenolhaltigen Abwasser der ICokereien direkt durch aktive Kohle filtriert. Sie geben auf dem Wege durch die aktive Kohle ihr Phenol an die Kohle ab. Nachdem die aktive Kohle voll gesattigt ist, wird das Phenol durch Benzol heruntergelost und aus der BenzobPhenollosung das Benzol durch eine Destillation wiedergewonnen, das dann im Kreislauf verwandt wird, wahrend das Rohphenol eine sehr ausgedehnte Verwendung in der Industrie findet. In erster Linie wird es zur Herstellung der Kunstharze, z. B. Bakelit, verwandt.

Auch in der Spiritusbereitung wird die aktive Kohle dam benutzt, um Fuselole aus dem Spiritus zu entfernen.

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Wahrend bei den bisherigen Beispielen fast nur von der Ab, und Adsorptionswirkung der Kohle Gebrauch gemacht wurde, au8ert die aktive Kohle auch sehr wichtige katalytische Eigenschaften. Diese beruhen in erster Linie darauf, da8 sie Gasreaktionen, die meistens Zeitreaktionen sind, beschleunigen. Als erstes Beispiel nenne ich das Chlor. Chlor in wasseriger Losung durch aktive Kohle geleitet, ver: schwindet aus der Losung. Dies ist nach den Untersuchungen von A d 1 e r darauf zuruckzufuhren, da8 sich das Chlor unter Bildung von Salzsaure und Sauerstoff in seine Ionen spaltet. Von dieser Fahigkeit der Spaltung des Chlormolekuls machen wir auch in der Trinkwassers versorgung Gebrauch. Es gibt viele Wasser, die man nach dem vor: her beschriebenen Verfahren der direkten Adsorption an aktive Kohle nicht behandeln kann, und zwar kommen hier in erster Linie Wiisser, die Humusstoffe oder solche Stoffe enthalten, die als Schutzi kolloid wirken, in Frage. Schutzkolloide haben die Eigenschaft, andere Kolloide in Losung zu halten, indem sie verhindern, da8 der Uber: gang des Sols in das Gel eintritt. Solche Falle liegen auBer bei den Humusstoffen auch vor allen Dingen bei sehr vielen organischen Eisens und Manganverbindungen vor. Man hilft sich nun in der Weise, daB man durch Zugabe eines reichlichen Uberschusses von Chlor diese Verbindungen oxydiert und in niederimolekulare Verbin: dungen uberfuhrt, die dann der Adsorption unterliegen. Den Uber: schu8 des Chlors entfernt man nun ebenfalls durch aktive Kohle, wobei der eben geschilderte chemische ProzeB vor sich geht. Dieses Verfahren ist ebenfalls an verschiedenen Stellen in Gebrauch, und zwar in Stuttgart, Aussig und Ludwigshafen mit gutem Erfolg, wo mooriges Trinkwasser verwandt wird.

Auch die Zersetzung und Entfernung von Schwefelwasserstoff aus Luft, und Gasgemischen ist als ein katalytischer Vorgang an: zusehen. Von dieser Tatsache macht man nun einen sehr wichtigen praktischen Gebrauch bei der Anwendung der aktiven Kohle bei den Gasmasken. Die im Kriege in grof3en Mengen gebrauchten Gas: masken waren zum Teil mit aktiver Kohle gefullt, die die Giftstoffe auf ihrer Oberflache adsorbierte und auf diese Weise unschadlich machte. Neuerdings finden die Gasmasken auch ausgedehnte An: wendung gegen die schadlichen Industriegase.

Als sehr interessante katalytische Wirkung mochte ich die Wira kung des Wasserstoffsuperoxyds durch Abspaltung von Sauerstoff angeben. Die normale Zerfallzeit einer B%igen Wasserstoffsuperoxyd: losung betragt 17240 Stunden. Bei dem Behandeln mit aktiver Kohle wird jedoch diese Zerfallzeit auf 10 Stunden reduziert.

Die in der Industrie, vor allen Dingen im GroDbetrieb benutzten Kohlen mussen nun bestimmte Prufungen aushalten. In erster Linie mu8 die Kohle einen sehr hohen Ab: und Adsorptionswert haben. Diesen Absorptionswert pruft man durch das Verhalten der Kohle gegen eine bestimmte Methylenblau: oder Phenollosung. Um Aub schlu8 uber die als Alterungserscheinungen bezeichneten Vorgange zu bekommen, hat P i c k , Aussig, die Bestimmung der Halbwertsd lange vorgeschlagen. Weiter spielt die Festigkeit und der Widerstand der Kohle eine grof3e Rolle.

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Zum SchluB meiner Ausfuhrungen mochte ich noch einiges uber die Anwendung der aktiven ICohle in der Therapie besprechen. Schon die alten Arzneibucher enthalten eine carbo ligni pulveratus, eine gepulverte Holzkohle. Das Arzneibuch nennt hier eine kaufliche Holzkohle, die in genugend geschlossenen GefaBen solange erhitzt werden soll, bis keine Dampfe mehr entweichen und nach dem Err kalten gleich fein gepulvert werden. Aufier dieser Kohle ist in neueren Arzneibiichern ein carbo medicinalis oder medizinische Kohle aufgenommen worden, fur die das Arzneibuch eine sehr ausgedehnte Prufungsbestimmung angibt.

Die Wertbestimmung der Kohle wird durch das Entfarbungsverr mogen gegen Methylenblau und durch Adsorption gegen Queckr silberchlorid gepruft. Ahnlich wie bei der schon fruher bekannten Holzr und Knochenkohle macht man auch bei der medizinischen Kohle weiter einen Unterschied zwischen der vegetabilischen und der tierischen Kohle. Wahrend die erste aus verschiedenen Holzern bzw. organischen Verbindungen, wie z. B. Sulfitlauge, hergestellt sein kann, stellt man die zweite, die tierische Kohle, gewohnlich aus Blut oder tierischen Abfallen her und nennt sie dann Blutkohle. Diese Kohlen zeichnen sich durch ein sehr gutes Adsorptionsvermogen aus. Das Adsorptionsvermogen dieser Kohle ist deshalb so grol3, weil sie imstande ist, positiv und negativ geladene Bakterien und Kolloide zu adsorbieren. Bei der Anwendung der aktiven Kohle in der Therapie wird gerade dieses Adsorptionsvermogen gegenuber giftigen Verr bindungen, Toxinen und Bakterien, ausgenutzt. Sie findet in der Hauptr sache Anwendung bei Magenr und Darmaffektionen, Typhus, Cholera usw., aufierlich bei infizierten und stark sezernierenden Wunden. Auch in der Veterinarmedizin ist die aktive Kohle heute vielfach im Gebrauch. Es ist klar, daO ein zu innerem Gebrauche Verwendung findendes Adsorbens sich durch eine ganz besondere Reinheit ausr zeichnen muD.

Die allgemeine Untersuchung wird in ahnlicher Weise durchs gefiihrt wie bei der anderen Kohle. Wichtiger ist die Bestimmung der Adsorptionswirkung gegenuber Giftstoffen und Bakterien. Zur IFestr stellung des Entgiftungsvermogens kann man die Untersuchung sor wohl in vitro wie in vivo durchfuhren. Zur Untersuchung in vitro be5 nutzt man das Adsorptionsvermogen gegenuber Morphiumhydrat, Strychninnitrat, wobei man den in Losung verbleibenden Restgehalt mit dem Interferometer mifit. Zur Priifung in vivo werden definierte Giftlosungen angewandt. H o r s t wendet Tetanustoxin und als Verr suchstiere Mause an, indem er 50 ccm einer 1 : 10 000verdunnten Toxins losung mit 0.2 g Kohle 30 Minuten lang schuttelt; dann zentrifugiert er die Kohle scharf ab, verdiinnt mit Kochsalzlosung und injiziert 0.1 ccm. An der Giftwirkung stellt er dann die Reinigungswirkung der Kohle fest. Andere Forscher dagegen benutzen Diphtherietoxin und als Versuchstiere Meerschweinchen. Diese Untersuchungen in vivo sind sehr wichtig, denn nach neueren Untersuchungen hat es sich herausgestellt, da8 das Entgiftungsvermogen einer Kohle, ger messen in vitro an Strychninnitrat, wohl der Jodr und Methylenblaur aufnahme parallel geht, nicht aber der Wirkung in vivo.

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Die weitgehende Verbreitung in der Humans und Veterinars medizin verdankt die aktive Kohle ihrem Vermogen, an ihrer Obers flache Bakterien zu fixieren, so da8 das Vordringen und die Auss breitung der Keime im Gewebe verhindert wird. Schon im Weltkriege hat die aktive Kohle sehr vie1 dam geholfen, da8 die lokal aufs getretenen Seuchenherde wie Cholera und Typhus keine Verbreitung erfahren haben. Die Anwendug der aktiven Kohle bei der Trinks wasserreinigung ist daher auch auf die Bakterienadsorption zurucks zufuhren. Durch die Bindung der Bakterien an die aktive Kohle tritt keine Abtotung der Bakterien auf, sondern sie werden lediglich durch Adhasion festgehalten und mit dem Adsorbens durch die naturliche Darmbewegung aus dem Korper ausgeschieden. Wahrend nun Bolus, der ahnlich wie die aktive Kohle fur diese Zwecke verwandt wird, nur positiv geladene Bakterien als elektronegatives Adsorbens ads sorbiert, adsorbiert die aktive Kohle sowohl positiv als auch negativ geladene Bakterien. Zur quantitativen Messung der Bakteriens adsorption wird im allgemeinen eine bekannte Aufschwemmung mit bekanntem Keimgehalt mit einer bestimmten Gewichtsmenge der zu prufenden aktiven Kohle eine bestimmte Zeitlang geschuttelt und in der durch Sedimentation, Filtrieren oder Zentrifugieren von dem Adsorbens getrennten Losung die nicht adsorbierten Keime bestimmt.

Biicherschau. Handbuch der Pharmakognosie. 2. erweiterte Auflage, in Gemeinschaft

rnit zahlreichen Fachgenossen herausgegeben von A. T s c h i r c h. Mit zahl; reichen Abbildungen im Text und auf Tafeln sowie mehreren Karten. Leipzig 1931. Verlag von Bernhard Tauchnitz. Lieferung 7, Seite 697-808. Preis 8,- Mark.

Die Lieferung enthalt Abhandlungen iiber Pharmakophysiologie, darunter auch Aufsatze iiber Biologie der Glykoside, iiber Fermentierung, Erneuerung der Rinde, Asche, Beziehungen zwischen Tier und Pflanze und Symbiose zwischen hoheren Pflanzen. Des weiteren enthalt ,die Lieferung Ausfiihrungen iiber Pharmacytologie und Genetik und iiber Pharmakopathologie, darunter iiber Bakterien, Algen, parasitische Pilze mit ihren zerstorenden Wirkungen, Epiphyten auf lebenden Arzneipflanzen. Dann folgt die Zoopathologie der Arzneipflanzen und Dro en mit deren vielen Schadlin en und ihrer Bekampi fung. Am SchluR der fieferung beginnt das groBe gapitel der Pharmakos zoologie aus der Feder yon Ludwig W i n k 1 e r. Die nachste Lieferung wird dem SchluR dieser Abteilung gewidmet sein, sowie der Pharmakochemie, der Pharmakophysik, der Mikrophotographie und dem Anfang der Pharmakos geographie.

Beim Studium jeder Lieferung erfreut man sich an der tief riindigen und

rungen sind nicht erhaltlich; der Bezug der ersten Lieferung verpflichtet zur Abnahme des ganzen Werke?

Technologie der technischen Ole und Fette. Von Dr. Julius S w o b o d a. Mit 122 Abbildungen im Text und mit 4 Tafeln. Stuttgart 1931. Verlag von Ferdinand Enke. 460 Seiten. Preis geh. 30,--, geb. 3250 Mark.

Entsprechend der aufierordentlichen Vielseitigkeit der modernen techs nischen Betriebe und Verkehrsmittel geht es nicht mehr an, die Art der darin

zugleich grofiziigigen Bearbeitung des umfangreichen Werkes. 8 inzelne Liefe;