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Aktuelle Entwicklung und Standards in der psychosozialen Betreuung von betroffenen und Einsatzkräften Barbara Juen Österr. Rotes Kreuz Univ. Innsbruck

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Aktuelle Entwicklung und Standards in der psychosozialen Betreuung von betroffenen und Einsatzkräften

Barbara JuenÖsterr. Rotes KreuzUniv. Innsbruck

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Was sind psychosoziale Interventionen?

Interventionen, die die Normalisierung von sozialen und individuellen psychosozialen Funktionen zum Ziel haben

- Fördern von Sicherheit, Selbst- und kollektiver Wirksamkeit, Verbundenheit, Ruhe und Hoffnung

- Spezielle Unterstützung und Behandlung für Personen, die Probleme haben mit Alltagsbewältigung in Familie, Beziehungen, Arbeit

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COMMUNITY-BASED PSYCHOSOCIAL SUPPORT · MODULE 1

Intervention pyramid

Interventionspyramide psychosoziale/psycho-logische Unterstützung

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Was sagen die Richtlinien bezogen auf die Betroffenen? (TENTS, IACS, Sphere, Impact, European Policy Paper)

Sichere Orte schaffen Praktische und emotionale Unterstützung Information Familienzusammenführungen Schutz Kulturell angemessene Formen des Trauerns Beteiligung der Betroffenen Möglichkeiten sich zu distanzieren Psychoedukation

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Was wird für die Einsatzkräfte empfohlen?

Kollegenhilfesysteme Struktur Führung

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Kollegenhilfesysteme

Peer Systeme existieren in fast allen Einsatzorganisationen seit den 70iger Jahren, meist basierend auf dem Modell von Jeffrey Mitchell – 1998 Veröffentlichung „Critical Incident Stressmanagement“ (CISM) Everly&Mitchell

Peer Systeme bestehen aus ausgebildeten KollegInnen sowie psychosozialen Fachkräften. In Einsatzorganisationen funktionieren diese Systeme besser als reine PSFK Systeme weil Einsatzkräfte besonders in der Akutphase eher KollegInnen vertrauen als externen Fachkräften

Inzwischen gibt es neben dem CISM System zahlreiche andere Modelle des Peer support (TRIM, ZGO Modelle, etc.)

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Ziele der Maßnahmen

Wiederherstellung von Sicherheit und Einsatzfähigkeit Fördern des Gruppenzusammenhalts und der

gegenseitigen Unterstützung Struktur ins Erleben bringen: Verstehen des Ereignisses

(Gesamtbild), Einsatzabschluss… Zur Verfügung Stellen von Möglichkeiten der Erholung

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Maßnahmen Überblick

Schulung/Prävention Formelle Einzelgespräche Einsatzbegleitende Angebote Einsatzabschluss Kurzbesprechung (Defusing) Nachbesprechung (Debriefing) Informelle Gespräche und psychosoziale Unterstützung Zweitgespräche Weitervermittlung Familienbetreuung

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SvE 2009

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Was davon kann in der Katastrophe besonders relevant werden? Einsatzbegleitende Angebote Familienunterstützung Einsatzabschluss Gruppennachbesprechungen

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Fallbeispiele

Kaprun/Galtür/Tsunami

- Bergung von Verstorbenen durch das Bundesheer- Einsatzbegleitende Angebote und Nachbesprechungen

Lessons learned- „Schleuse“- Kein „Gesichtsverlust“ bei Gespräch- Nachbesprechung verpflichtend/freiwillig- Familienunterstützung zu Hause entlastet EK vor Ort

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Empfohlene Typen von Betreuungsstellen Kurzfristig:

- Unverletztenbetreuungsstellen- Betroffeneninformationszentren/Reception Centre- In der Katastrophe (Betreuungsstellen in den Notunterkünften und Feldspitälern sowie

an der Totensammelstelle

Demobilisationszentrum für Einsatzkräfte

Mittel und längerfristig: Nachsorgezentrum/Koordinationsstellen gesondert für Betroffene und EK (meistens Modell des one stop shop)

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Kaprun

155 Tote nach Brand in Standseilbahn

Betreuungszentrum(ÖRK und andere)

Einsatzkräftenachsorge inkl on scene support (durch die Einsatzorganisationen bes Polizei, Bundesheer)

Nachsorgezentrum: Psychologische Unterstützung (Notfallpsychologen)

Tunnelbegehungen und Unterstützung während der Verhandlung(NFP)

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Tsunami

89 tote ÖsterreicherInnen Am Anfang 500 vermisste ÖsterreicherInnen

Interventionen durch 6 Organisationen, lead ÖRK

Flughäfen Flugzeuge Suchteams Ante mortem Data Sammlung Telefonberatung Betreuungszentrum in Phuket Gedenkflug Einsatzkräftenachsorge inkl on scene support

durch die Einsatzorganisationen Polizei, Bundesheer, Rotes Kreuz

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Nachgewiesene Wirkfaktoren psychosozialer Unterstützung

Sicherheit (Safety)

Stressreduktion (Calming)

Selbstbestimmung (Self- and Collective Efficacy)

Verbundenheit (Connectedness)

Hoffnung (Hope)

(Hobfoll et. al. 2007)

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Was brauchen Einsatzkräfte im Katastropheneinsatz? (z.B. Schönherr, Juen 2000)

Vor dem Einsatz (Handlungssicherheit und Vertrauen)

- Psychoedukation- Briefing- Training- Vertrauen in die Organisation und in die Führung

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Was brauchen Einsatzkräfte im Katastropheneinsatz? (z.B. Schönherr, Juen 2000)

Während des Einsatzes (Handlungssicherheit, Verbundenheit und Erholungsmöglichkeiten)

- Qualität der Unterbringung während des Einsatzes - Fortbestehender Kontakt mit Familie zuhause - Qualität des Teamleaders- Gutes Team- Pausengestaltung- Erfahrene und Unerfahrene im Team

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Was brauchen Einsatzkräfte im Katastropheneinsatz? (z.B. Schönherr, Juen 2000)

Nach dem Einsatz (Durcharbeiten, Abschliessen, Neuorientieren)

- Einsatzabschluss- Nachbesprechungen- Screening und Einzelmassnahmen nach Bedarf

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Beispielstudien

Studie 1: Einsatzkräfte nach dem Tsunami Studie 2: Einsatzkräfte nach Erdbeben in

Indonesien

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Studie 1 Thailand 2006(Schönherr, Siller, Juen)

40 Kurzzeitdelegierte (von gesamt 120 internationalen Delegierten-davon 60 Kurzzeitdelegierte)

14 Frauen 26 Männer

Kurzzeiteinsätze: durchschnittliche Dauer: 8,97 Tage (min 3 max 21 Tage)

Früher Einsatz: Dez. 04 - Jan. 05 (28 Pers.) Später Einsatz: Feb. - Apr.05 (12 Pers.)

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Studie 2: Erdbeben Java 2006

(Thormar, Olff, Juen, Gersons)

Zeitpunkte nach Ereignis

6 Monate

N=470

12 Monate

78,7%

18 Monate

62,9%

Amsterdam Medical Centrum - Center for psychological trauma

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Haben die EK Symptome?

Kommt darauf an- Studie 1: Freiwillige aus Österreich nach Thailand

für kurze Zeit- Stressymptome vorhanden aber nicht störungswertig

(sehr niedrig)

- Studie 2: Freiwillige aus der betroffenen Bevölkerung: längere Zeit im Einsatz

- Immer noch 28% PTSD nach 18 Monaten (sehr hoch)

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Was sind die besonderen Stressoren?

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Was sind die Stressoren?

Studie 1: Organisation: weniger Einsatzerfahrung, früher Einsatz, weniger Feedback durch die Organisation

Studie 2: Organisation: weniger Einsatzerfahrung, früher Einsatz, weniger Unterstützung durch die Organisation

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Was sind die Stressoren?

Studie 1: Aufgabe: hoher posttraumatischer Stress: Psychosozial, niedriger posttraumatischer Stress: Teamleitung

Studie 2: Aufgabe: hoher posttraumatischer Stress: Psychosozial, Küche, Assessment niedriger posttraumatischer Stress: Teamleitung

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Was sind die Stressoren?

Studie 1: Umstände: Betroffene (Angehörige), Team, negative Gefühle, Schlafmangel, Klima

Studie 2: Umstände: Betroffene (Angehörige, Opfer) Schlafmangel

Zusätzlich (z.B. Abruzzen) „Aggression“ gegen EK nach der honeymoon phase

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Was hat geholfen?

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Vor dem Einsatz

- Gute Information und Briefing vor dem Einsatz- Selektion und Erfahrung der TeamkollegInnen- Teambuilding/sich kennen, vorher schon gemeinsam im Einsatz - Teamleader/Selektion und Ausbildung- Training

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Während des Einsatzes

- Möglichkeit über Erfahrung im gesicherten Kontext zu reden (Team, Peers, Kontaktperson innerhalb der Organisation)

- Qualität der Unterkunft während des Einsatzes - Fortwährender Kontakt mit der Familie zuhause (?)- Unterstützung der Familie- Teamleader- Regelmässige Pausen und gute Erholungsmöglichkeiten- Schlafqualität- Laufende Information und Briefing

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Nach dem Einsatz

- Möglichkeiten der gemeinsamen Aufarbeitung im sicheren Rahmen- Kollegenhilfe- Möglichkeiten zur Schonung

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Erarbeiten von besonderen Belastungsfaktoren/Kat Einsatz

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Erarbeiten von besonderen Bewältigungsfaktoren/Kat einsatz

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit