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Spezialseminar Wohnungseigentum 24.04.2018 – Seminarbeilage www.liegenschaftsverwaltung.at Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 1 Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum FH-Doz. Univ.-Lektor Mag. Christoph Kothbauer Quellennachweis: Christoph Kothbauer, Wöchentlicher Newsletter (www.onlinehausverwaltung.at > Akademie) Christoph Kothbauer, Wohn- und Immobilienrecht A. Judikatur zum WEG § 2 Abs 2 und 3 WEG (und § 9 Abs 2 und 6 WEG sowie § 10 Abs 3 WEG) Zur (fehlenden) Wohnungseigentumstauglichkeit eines Keller- bzw Lagerraumes OGH 18.1.2018, 5 Ob 205/17h Der OGH (5 Ob 205/17h) hat sich im Rahmen einer grundbuchsrechtlichen Causa mit der Wohnungseigentumsfähigkeit von Keller- bzw Lagerräumen auseinandergesetzt. Im Hinblick auf die (in der Entscheidung überblicksartig dargestellte) Rechtsprechung sei es keine unvertretbare Fehlbeurteilung, einem 8,74m² großen Raum die Eignung als Wohnungseigentumsobjekt abzusprechen. Der Antrag auf „Verselbständigung“ eines solchen Raumes (im Wege der Schaffung eines eigenen Miteigentumsanteils hierfür) ist damit folgerichtig gescheitert. Aber selbst im gegenteiligen Fall hätte es für die Verbücherung eines „neuen“ Miteigentumsanteils jedenfalls einer gerichtlichen oder einer einvernehmlichen Nutzwert(neu)festsetzung und zudem der Zustimmung aller Miteigentümer und Buchberechtigten gemäß § 10 Abs 3 Satz 3 WEG bedurft, weil eine vereinfachte Anteilsberichtigung wegen Überschreitung der diesbezüglich vorgesehenen Bagatellgrenze von zehn Prozent (bezogen auf den jeweiligen Anteil) gemäß § 10 Abs 3 Satz 2 WEG nicht in Frage gekommen wäre. Sachverhalt: Ob der Liegenschaft EZ ***** KG ***** ist nur teilweise Wohnungseigentum begründet. Patrizia Z***** (in der Folge kurz: Verkäuferin) ist nach dem Grundbuchstand zu 73/1542- Anteilen (B-LNr 14) Miteigentümerin der Liegenschaft, mit diesen ist das Wohnungseigentum an der Wohnung 7 verbunden. Im Eigentumsblatt ist Zubehör nicht angeführt. Aus dem vom Erstgericht amtswegig beigeschafften Auszug aus dem Nutzwertgutachten ergibt sich als der Wohnung top Nr 7 zugeordnetes Zubehör ein WC von 1,48 m², zwei Abstellräume von 18,95 m², zwei Kellerabteile von 16,25 m² und zwei Kellerräume mit Vorraum von 34,42 m² und ein Gesamtnutzwert der Wohnung von 73. Der Antragsteller begehrte die Einverleibung seines Eigentumsrechts ob 2/1542-Anteilen der 73/1542-Anteile der Verkäuferin. Er legte den Kaufvertrag vom 21. 12. 2016, den Nachweis im Sinn des § 32 Abs 2 lit c Z 2 des Tiroler GVG, eine Kopie seines Reisepasses und eine Bescheinigung der Baubehörde nach § 6 Abs 1 WEG vor.

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Spezialseminar Wohnungseigentum 24.04.2018 – Seminarbeilage www.liegenschaftsverwaltung.at

Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 1

Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum

FH-Doz. Univ.-Lektor Mag. Christoph Kothbauer

Quellennachweis: Christoph Kothbauer,

Wöchentlicher Newsletter (www.onlinehausverwaltung.at > Akademie)

Christoph Kothbauer, Wohn- und Immobilienrecht

A. Judikatur zum WEG § 2 Abs 2 und 3 WEG (und § 9 Abs 2 und 6 WEG sowie § 10 Abs 3 WEG)

Zur (fehlenden) Wohnungseigentumstauglichkeit eines Keller- bzw Lagerraumes OGH 18.1.2018, 5 Ob 205/17h

Der OGH (5 Ob 205/17h) hat sich im Rahmen einer grundbuchsrechtlichen Causa mit der Wohnungseigentumsfähigkeit von Keller- bzw Lagerräumen auseinandergesetzt. Im Hinblick auf die (in der Entscheidung überblicksartig dargestellte) Rechtsprechung sei es keine unvertretbare Fehlbeurteilung, einem 8,74m² großen Raum die Eignung als Wohnungseigentumsobjekt abzusprechen. Der Antrag auf „Verselbständigung“ eines solchen Raumes (im Wege der Schaffung eines eigenen Miteigentumsanteils hierfür) ist damit folgerichtig gescheitert. Aber selbst im gegenteiligen Fall hätte es für die Verbücherung eines „neuen“ Miteigentumsanteils jedenfalls einer gerichtlichen oder einer einvernehmlichen Nutzwert(neu)festsetzung und zudem der Zustimmung aller Miteigentümer und Buchberechtigten gemäß § 10 Abs 3 Satz 3 WEG bedurft, weil eine vereinfachte Anteilsberichtigung wegen Überschreitung der diesbezüglich vorgesehenen Bagatellgrenze von zehn Prozent (bezogen auf den jeweiligen Anteil) gemäß § 10 Abs 3 Satz 2 WEG nicht in Frage gekommen wäre. Sachverhalt: Ob der Liegenschaft EZ ***** KG ***** ist nur teilweise Wohnungseigentum begründet. Patrizia Z***** (in der Folge kurz: Verkäuferin) ist nach dem Grundbuchstand zu 73/1542-Anteilen (B-LNr 14) Miteigentümerin der Liegenschaft, mit diesen ist das Wohnungseigentum an der Wohnung 7 verbunden. Im Eigentumsblatt ist Zubehör nicht angeführt. Aus dem vom Erstgericht amtswegig beigeschafften Auszug aus dem Nutzwertgutachten ergibt sich als der Wohnung top Nr 7 zugeordnetes Zubehör ein WC von 1,48 m², zwei Abstellräume von 18,95 m², zwei Kellerabteile von 16,25 m² und zwei Kellerräume mit Vorraum von 34,42 m² und ein Gesamtnutzwert der Wohnung von 73. Der Antragsteller begehrte die Einverleibung seines Eigentumsrechts ob 2/1542-Anteilen der 73/1542-Anteile der Verkäuferin. Er legte den Kaufvertrag vom 21. 12. 2016, den Nachweis im Sinn des § 32 Abs 2 lit c Z 2 des Tiroler GVG, eine Kopie seines Reisepasses und eine Bescheinigung der Baubehörde nach § 6 Abs 1 WEG vor.

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Spezialseminar Wohnungseigentum 24.04.2018 – Seminarbeilage www.liegenschaftsverwaltung.at

Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 2

Das Erstgericht wies das Gesuch ab.

Es handle sich um eine unzulässige teilweise Löschung des Wohnungseigentums. Die Übertragung des Zubehörobjekts auf eine andere Hauptsache bedürfe einer neuen Nutzwertfestsetzung unter Einbeziehung sämtlicher Objekte und der Einverleibung des geänderten Wohnungseigentums an der gesamten Liegenschaft. Die Verselbständigung des Lagerraums bedürfe der Zustimmung aller Miteigentümer und könne nicht in Form der Anteilsberechtigung nach § 10 Abs 3 WEG durchgeführt werden. Ungeachtet der Bescheinigung der Baubehörde komme einem Lagerraum von nur 8,74 m² keine für die Verselbständigung erforderliche besondere wirtschaftliche Bedeutung zu.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge.

Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Weder aus dem Grundbuchgesuch noch den Urkunden lasse sich ableiten, warum dem gegenständlichen Kellerraum eine selbständige wirtschaftliche Bedeutung zukommen solle. Ausführungen im Rekurs hierzu seien unzulässige Neuerungen. Es bedürfe einer Nutzwertfestsetzung, aus der die auf den Lagerraum entfallenden Anteile des gesamten Wohnungseigentumsobjekts entnehmbar seien, eine Berichtigung im Sinn des § 10 Abs 3 WEG ohne Zustimmung der anderen Miteigentümer komme hier nicht in Betracht. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es mit der Begründung zu, die Rechtsprechung habe sich bisher nur mit kleinflächigeren Objekten befasst, die oftmals dazu dienen sollten, entgegen der früheren Rechtslage KFZ-Abstellplätze selbständig verwerten zu können.

Dagegen richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Bewilligung des Grundbuchgesuchs. Rechtliche Beurteilung des OGH: a) Die Teilung eines Mindestanteils ist grundsätzlich unzulässig Zum Sachverhalt: Bereits das Erstgericht wies zutreffend darauf hin, dass der Antragsteller nach dem Wortlaut seines Antrags lediglich die Einverleibung des Eigentumsrechts ob eines Teils des Mindestanteils der Verkäuferin B-LNr 14 beantragte, somit die Abtrennung eines schlichten Miteigentumsanteils, was § 12 Abs 1 WEG 2002 widerspricht.1 b) Eine Anteilsberichtigung nach § 10 Abs 3 WEG setzt eine gerichtliche oder eine

einvernehmliche Nutzwert(neu)festsetzung voraus Nicht korrekturbedürftig ist die auf den unmissverständlichen Gesetzeswortlaut des § 10 Abs 3 WEG gestützte Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Änderung der Miteigentumsanteile nach dieser Gesetzesstelle jedenfalls einer gerichtlichen

1 Nach § 12 Abs 1 WEG Ist der Mindestanteil (also der Miteigentumsanteil eines Wohnungseigentümers) mit

dem Wohnungseigentum untrennbar verbunden und darf – außer im Fall der Teilung im Verhältnis 50:50 zum Zwecke der Begründung einer Eigentümerpartnerschaft – nicht geteilt werden.

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 3

Nutzwertfestsetzung im Sinn des § 9 Abs 2 und 3 WEG (bzw eine durch die Schlichtungsstelle erfolgte2) oder eine einvernehmliche Nutzwertfestsetzung im Sinn des § 9 Abs 6 WEG erfordert. Zum Sachverhalt: Eine grundbuchsfähige Urkunde über die Neufestsetzung der Nutzwerte der Liegenschaft durch Gericht oder Schlichtungsstelle legte der Antragsteller nicht vor. Dass die einvernehmliche Neufestsetzung der Nutzwerte im Sinn des § 9 Abs 6 WEG erfordert, dass sämtliche Wohnungseigentümer den Ergebnissen eines Nutzwertgutachtens öffentlich beglaubigt schriftlich zustimmen, ergibt sich schon aus dem insoweit völlig klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut. c) Bezüglich der Bagatellgrenze des § 10 Abs 3 WEG kommt es auf das Ausmaß der

Veränderung im Verhältnis zum betreffenden Anteil an und nicht auf das Ausmaß der Veränderung im Verhältnis zur Gesamtliegenschaft

Bei der Beurteilung, ob die Bagatellgrenze des § 10 Abs 3 erster Satz WEG für die vereinfachte Anteilsberichtigung ohne Zustimmung der Miteigentümer überschritten wird, kommt es auf das Ausmaß der Anteilsveränderung im Verhältnis zum betreffenden Anteil und nicht auf das Ausmaß der Veränderung im Verhältnis zur Gesamtliegenschaft an.3 Es ist auch ohne Bedeutung, dass sämtliche von der Veränderung betroffenen Anteile im Eigentum desselben Eigentümers verbleiben.4 Zum Sachverhalt: Abgesehen davon, dass eine Berichtigung im Sinn dieser Gesetzesstelle gar nicht beantragt wurde und hierfür die urkundlichen Voraussetzungen fehlen, käme dieses Verfahren nach dem Inhalt des Kaufvertrags schon deshalb nicht in Betracht, weil es nach der dort vorgesehenen rechtlichen Konstruktion zur Verselbständigung eines bisherigen angeblich als Zubehör gewidmeten Kellerraums käme, 2/1542-Anteile der Liegenschaft sollen offenbar als Mindestanteil für ein selbständiges Wohnungseigentumsobjekt neu begründet werden. Die vereinfachte Berichtigung nach § 10 Abs 3 erster Fall WEG kommt nach der vertretbaren Auffassung der Vorinstanzen, die sich auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut stützen kann, hier nicht in Betracht. d) Konkreter Fall: Eine bloße Verschiebung eines Zubehörobjekts liegt nicht vor – im

Übrigen ergibt sich der Nutzwert des betreffenden Objekts aus der früheren Nutzwertermittlung gerade nicht

§ 9 Abs 5 WEG ermöglicht, von einer Nutzwertfestsetzung abzusehen, wenn sich die Nutzwerte im Sinn des § 9 Abs 2 Z 5 zweiter Fall WEG nur durch die Übertragung von Zubehörobjekten im Sinn des § 2 Abs 3 WEG ändern und sich der Nutzwert des Zubehörobjekts zweifelsfrei aus der früheren Nutzwertermittlung ergibt. Zum Sachverhalt: Abgesehen davon, dass es dem Antragsteller jedenfalls nach dem Inhalt des Kaufvertrags nicht um eine Übertragung des Zubehörobjekts, sondern um eine

2 5 Ob 40/17v. 3 Vgl hierzu bereits unseren Newsetter vom 26. März 2014 zu 5 Ob 76/13g. 4 RIS-Justiz RS0124537 [T1, T4], RS0126322 [T1].

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 4

Verselbständigung dieses Lagerraums als selbständiges Wohnungseigentumsobjekt geht, ist im konkreten Fall der Nutzwert dieses Objekts nach der vertretbaren Rechtsauffassung der Vorinstanzen keineswegs zweifelsfrei aus der früheren Nutzwertermittlung erkennbar. In welchem Umfang die – mehreren – im Nutzwertgutachten angeführten Zubehörobjekte zur Wohnung der Verkäuferin zu dessen Gesamtnutzwert beitrugen, lässt sich aus den Urkunden keineswegs eindeutig ableiten, die diesbezüglichen Ausführungen im Revisionsrekurs entbehren einer entsprechenden Grundlage im Grundbuchstand oder den vorgelegten Urkunden. Dass die Vorinstanzen eine Neufestsetzung der Nutzwerte durch Gericht oder Schlichtungsstelle oder eine entsprechende grundbuchsfähige Urkunde über die einvernehmliche Neufestsetzung der Nutzwerte verlangten, ist daher unter dem Gesichtspunkt des § 62 Abs 1 AußStrG nicht korrekturbedürftig. e) Die Wohnungseigentumstauglichkeit von Objekten ist einzelfallbezogen zu

beurteilen – es ist im konkreten Fall jedenfalls keine unvertretbare Fehlbeurteilung, wenn einem 8,74m² großen Keller- bzw Lagerraum die Eignung als Wohnungseigentumsobjekt abgesprochen wird

Dass das Grundbuchsgericht die Wohnungseigentumstauglichkeit des Objekts selbständig zu prüfen hat, entspricht ständiger Rechtsprechung.5 Ebenfalls wurde bereits klargestellt, dass die baubehördliche Bescheinigung über den Bestand an selbständigen Wohnungen oder selbständigen Räumlichkeiten die Gerichte nicht in der rechtlichen Beurteilung bindet, ob das als baulich selbständig bescheinigte Objekt tauglicher Gegenstand des Wohnungseigentums sein kann.6 Der erkennende Senat nahm auch bereits mehrfach zur Wohnungseigentumstauglichkeit relativ kleiner Lagerräume Stellung. Grundsätzlich erfordert die Wohnungseigentumstauglichkeit eines Objekts bauliche Abgeschlossenheit nach allen Seiten, sie ist im Übrigen nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen.7 Die Beurteilung ist daher eine Frage des konkreten Einzelfalls.8 Auf ein besonderes persönliches Interesse (nur) des Antragstellers ist als bloß subjektives Merkmal dabei nicht abzustellen. Zum Sachverhalt: Wenn die Vorinstanzen auf Basis der vorgelegten Urkunden die selbständige wirtschaftliche Bedeutung des abzutrennenden Keller- bzw Lagerraums im Ausmaß von 8,74 m² verneinten, ist dies jedenfalls keine unvertretbare Fehlbeurteilung, die der Korrektur im Einzelfall bedürfte. Lagerräume im Ausmaß von 1,30 bis 6,53 m² – bei denen nach den Planunterlagen im Übrigen nicht gesichert war, dass sie baulich nach allen Seiten abgeschlossen waren – wurden ebenso bereits als nicht wohnungseigentumstauglich beurteilt9 wie ein ca 12 m²

5 5 Ob 141/16w mit weiteren Nachweisen. 6 Vgl RIS-Justiz RS0082976 zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 12 Abs 2 Z 2 WEG 1975. 7 RIS-Justiz RS0111284. 8 RIS-Justiz RS0111284 [T6], RS0082876 [T5]. 9 RIS-Justiz RS0105677.

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 5

großes Kellerabteil10, baulich abgeschlossene Kellerabteile von 3,53 bis 7,43 m² 11 oder Magazinräumlichkeiten im Ausmaß von 1,3 bis 6,53 m² 12, ein 3 m² großer Abstellraum13 oder als Lager bezeichnete Objekte mit Größen von 4 m², 4,46 m² und 3,24 m² 14. Bejaht wurde die Wohnungseigentumstauglichkeit hingegen bei Lagern in der Größe von 37,30 m² und 76,10 m² 15 oder bei dem vom Erstgericht bereits zitierten Bankomatraum im Ausmaß von 3,06 m², der dazu dienen sollte, mittels eines elektronischen Geräts Bankgeschäfte zu tätigen und somit als Geschäftsraum zu werten war16. Zum Sachverhalt: Die Beurteilung der Vorinstanzen hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Dass einem – typischerweise als Nebenraum und Zubehörobjekt (vgl § 2 Abs 3 WEG) zu wertenden – Lagerraum von nur 8,74 m² nach der Verkehrsauffassung nach seiner Art und Größe keine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt, auch wenn der Antragsteller bereit war, dafür wegen seiner höchstpersönlichen Interessen 9.000 EUR zu bezahlen, bedarf daher nicht der Korrektur durch das Höchstgericht. f) Ergebnis des vorliegenden Falls Zum Sachverhalt: Entgegen dem – den OGH nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG in Verbindung mit § 126 Abs 2 GBG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs unzulässig. Der Antragsteller zeigt darin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG in Verbindung mit § 126 Abs 2 GBG auf. Damit war der ordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen. *** § 16 Abs 2 WEG (und § 523 ABGB)

Zur Auslegung von Zustimmungserklärungen zu eigennützigen Änderungen der Wohnungseigentumsobjekte OGH 4.4.2017, 5 Ob 30/17y

Der OGH (5 Ob 30/17y) hatte sich in einem aktuellen Fall mit der Zustimmungserklärung eines Wohnungseigentümers bezüglich einer vom anderen Miteigentümer der Liegenschaft beabsichtigten baulichen Veränderung unter Inanspruchnahme allgemeiner Teile des Hauses (Fassade) zu befassen. Dabei kam das Höchstgericht zum Schluss, dass derartige Zustimmungserklärungen grundsätzlich rein vertragsrechtlich auszulegen sind. Nur im Wege einer – im Anlassfall aber gar nicht gebotenen – ergänzenden Vertragsauslegung kämen auch jene Grundsätze zur Anwendung, die gemäß § 16 Abs 2 WEG für eine rechtsgestaltende Entscheidung des Außerstreitgerichts im Genehmigungsverfahren relevant sind. 10 5 Ob 287/98m. 11 5 Ob 326/99y. 12 5 Ob 47/00y. 13 5 Ob 129/07d. 14 5 Ob 175/07g. 15 5 Ob 2220/96y. 16 5 Ob 196/01m.

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Rechtlicher Hintergrund: Nach § 16 Abs 2 WEG ist der Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt; dabei gilt Folgendes: Die Änderung darf weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben (Z 1). Werden für eine Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, so muss die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen (Z 2). Erweist sich eine Änderung als genehmigungsbedürftig (= genehmigungspflichtig), weil das Vorliegen einer der genannten Voraussetzung für das Änderungsrecht zweifelhaft ist, so bedarf es der Zustimmung aller Wohnungseigentümer (= Sachverfügung nach § 828 Abs 1 ABGB), die aber keinen Formvorschriften unterliegt und daher auch stillschweigend erteilt werden kann. Eine fehlende Zustimmung kann auf Antrag bei Vorliegen aller negativen Voraussetzungen (§ 16 Abs 2 Z 1 WEG) – sowie bei Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft auch der positiven (§ 16 Abs 2 Z 2 WEG) Voraussetzungen – durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden (§ 52 Abs 1 Z 2 WEG), der somit über die Genehmigungsfähigkeit einer genehmigungsbedürftigen Maßnahme zu entscheiden hat. Gegen einen Wohnungseigentümer, der eigenmächtig, also ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, Änderungen einschließlich Widmungsänderungen im Sinne des § 16 Abs 2 WEG vornimmt, kann jeder einzelne Wohnungseigentümer im streitigen Rechtsweg nach allgemeinen Grundsätzen petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB auf Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung künftiger Änderungen vorgehen.17 Der Streitrichter hat in einem solchen Fall die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung und die eigenmächtige Rechtsanmaßung als Vorfrage über die Berechtigung des Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehrens zu prüfen; die Genehmigungsfähigkeit selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens.18 Sachverhalt:

Die Parteien sind jeweils Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit der Adresse W*****. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr das Begehren des Klägers, der Beklagte möge es unterlassen, die Außenwand des Hauses durch Streben zur Abstützung des errichteten Balkons in Anspruch zu nehmen, sowie die Streben zur Abstützung des Balkons an der Außenwand entfernen. Die Vorinstanzen wiesen dieses Begehren mangels Eigenmacht des Beklagten ab. Das Berufungsgericht sprach letztlich aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands (nur)

17 RIS-Justiz RS0083156. 18 RIS-Justiz RS0083156 [T1, T20].

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 7

dieses Teils des ursprünglich drei Unterlassungs- und Entfernungsbegehren umfassenden Klagebegehrens 30.000 EUR übersteige. Rechtliche Beurteilung des OGH: Die – zulässige – außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Sie ist somit zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO). a) Die Zustimmungserklärungen der übrigen Wohnungseigentümer sind rein

vertragsrechtlich auszulegen

Die Verpflichtung anderer Miteigentümer aus einer Vereinbarung, der Änderung einzelner Objekte oder allgemeiner Teile der Liegenschaft zuzustimmen, ergibt sich aus dem jeweiligen Vertrag und nicht etwa nach den Grundsätzen des Miteigentums oder des Wohnungseigentums.19 b) Vertragsauslegungen sind einzelfallbezogen und stellen daher regelmäßig keine

erhebliche Rechtsfrage dar Die Auslegung des Umfangs einer Zustimmungserklärung eines Wohnungseigentümers zu beabsichtigten baulichen Maßnahmen unter Einbeziehung allgemeiner Teile der Liegenschaft hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und berührt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage.20

Auch ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde. Dies gilt auch für die ergänzende Vertragsauslegung.21

c) Lediglich bei ergänzenden Vertragsauslegungen spielen die in § 16 Abs 2 WEG für

eine rechtsgestaltende Entscheidung des Außerstreitgerichts verankerten Prämissen eine Rolle

Nur dann, wenn einer derartigen Vereinbarung die Grenzen baulicher Veränderungen nicht ausdrücklich zu entnehmen sind und sie sich nicht aus der dem Erklärungsgegner erkennbaren Absicht des Erklärenden ergeben, können die für die rechtsgestaltende Entscheidung solcher Streitigkeiten unter Mit- und Wohnungseigentümern bestehenden Regeln22 als Mittel ergänzender Auslegung herangezogen werden, um den Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.23

19 4 Ob 109/11z. 20 RIS-Justiz RS0083047 [T1]. 21 RIS-Justiz RS0042936 [T41]; RS0044358 [T41]. 22 Siehe konkrete die eingangs dargestellten Genehmigungsvoraussetzungen des § 16 Abs 2 WEG. 23 RIS-Justiz RS0083047.

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 8

d) Konkreter Sachverhalt: Die vorliegende Zustimmungserklärung ist nicht auf eine bestimmte Art der Balkonerrichtung beschränkt – einer ergänzenden Vertragsauslegung, für die die Prämissen des § 16 Abs 2 WEG Bedeutung haben, bedarf es nicht

Zum Sachverhalt: Dass der Kläger seine Zustimmung zur Errichtung eines Balkons durch den Beklagten erteilt hat, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Umstritten ist der Umfang dieser Zustimmungserklärung insbesondere im Hinblick auf die Abstützung des Balkons an der Außenmauer. Abzustellen ist dabei primär auf die zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen.24 Die Vorinstanzen gingen als Grundlage für die Auslegung der Zustimmungserklärung des Klägers übereinstimmend davon aus, dieser habe sich ursprünglich keine besondere technische Ausführung des Balkons ausbedungen, habe die sich objektiv aus den Plänen ergebenden Ausführungen akzeptiert und hätte – wäre ihm die Art der Errichtung des Balkons wesentlich gewesen – vertragliche Vorkehrungen getroffen und später entsprechende Nachforschungen angestellt (was er nicht tat). Aus diesen Umständen und dem späteren Verhalten des Klägers, der zwei Jahre lang die Art der Errichtung des Balkons mittels Konsolen an der Außenmauer nicht beanstandete, zogen die Vorinstanzen ihren Schluss auf den Inhalt der Zustimmungserklärung dahingehend, dass diese jedenfalls keinen bestimmten technischen Einschränkungen unterliegen sollte. Eine grobe Fehlbeurteilung ist darin nicht zu erkennen. Einer ergänzenden Vertragsauslegung – die nur dann Platz zu greifen hat, wenn eine „Vertragslücke“ vorliegt25 – bedarf es hier schon mangels eines von den Parteien nicht bedachten Problemfalls nicht. Nach den Feststellungen teilte der Beklagte dem Kläger vor Unterfertigung des Einreichplans ohnedies mit, dass der Balkon auf Konsolen befestigt werde (ohne allerdings deren nähere Ausführung zu nennen). Im Grundriss des Einreichplans findet sich der Vermerk „Stahlkonsolen“ im Bereich des Balkons. Dass der Kläger vom Begriff der „Konsole“ eine vom allgemeinen Bedeutungsinhalt „ein aus der Wand herausragender Vorsprung“26 abweichende Vorstellung gehabt hätte, wurde ebenso wenig behauptet oder festgestellt, wie dass sich seine Zustimmung nur auf eine ganz bestimmte Errichtungsart der Konsolen bezogen hätte und die tatsächliche Ausführung davon abgewichen wäre. Die Auffassung des Berufungsgerichts, weitere Feststellungen als Grundlage der Vertragsauslegung seien nicht erforderlich, ist somit keineswegs unvertretbar und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. e) Ergebnis/Zusammenfassung des vorliegenden Falls Die Grundsätze des § 16 Abs 2 WEG könnten zwar im Rahmen einer gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung als Mittel herangezogen werden.27 Zum Sachverhalt: Da es hier aber mangels Vertragslücke gar nicht einer ergänzenden Vertragsauslegung bedarf, zumal sich die Zustimmungserklärung des Klägers nach der Vertrauenstheorie jedenfalls auf die Errichtung eines Balkons mittels Konsolen – ohne nähere Festlegung auf eine bestimmte Art der Ausführung – bezog, bedarf es auch der vermissten

24 1 Ob 144/02m; 4 Ob 109/11z. 25 RIS-Justiz RS0017829. 26 Vgl www.wikipedia.org. 27 RIS-Justiz RS0083047.

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 9

Feststellungen zu den Kriterien des § 16 Abs 2 WEG für die rechtliche Beurteilung nach der vertretbaren Auffassung des Berufungsgerichts nicht. *** § 16 Abs 2 WEG (und § 523 ABGB)

Zur Vermietung eines für Zwecke einer Wohngemeinschaft gewidmeten Wohnungseigentumsobjekts an Asylwerber OGH 20.7.2017, 5 Ob 68/17m

Der OGH (5 Ob 68/17m) hat in einer aktuellen Entscheidung in Erinnerung gerufen, dass für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts grundsätzlich auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen ist, oder aber auf die Änderung der ursprünglichen Widmung durch Entscheidung des Außerstreitgerichts. Genehmigt das Außerstreitgericht den Umbau eines Objekts in eine Wohnung mit insgesamt 10 Zimmern, zwei Bädern und WCs und einer Gemeinschaftsküche, so umfasst diese offensichtliche Widmung für Zwecke einer Wohngemeinschaft auch die Vermietung an Asylwerber. Ob nämlich eine zu Zwecken einer Wohngemeinschaft gewidmete Wohnung von Studenten, Personen mit besonderen Bedürfnissen oder eben Asylwerbern benutzt wird, macht nämlich widmungsrechtlich keinen Unterschied. Rechtlicher Hintergrund: Nach § 16 Abs 2 WEG ist der Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt; dabei gilt Folgendes: Die Änderung darf weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben (Z 1). Werden für eine Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, so muss die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen (Z 2). Erweist sich eine Änderung als genehmigungsbedürftig (= genehmigungspflichtig), weil das Vorliegen einer der genannten Voraussetzung für das Änderungsrecht zweifelhaft ist, so bedarf es der Zustimmung aller Wohnungseigentümer (= Sachverfügung nach § 828 Abs 1 ABGB), die aber keinen Formvorschriften unterliegt und daher auch stillschweigend erteilt werden kann. Eine fehlende Zustimmung kann auf Antrag bei Vorliegen aller negativen Voraussetzungen (§ 16 Abs 2 Z 1 WEG) – sowie bei Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft auch der positiven (§ 16 Abs 2 Z 2 WEG) Voraussetzungen – durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden (§ 52 Abs 1 Z 2 WEG), der somit über die Genehmigungsfähigkeit einer genehmigungsbedürftigen Maßnahme zu entscheiden hat. Gegen einen Wohnungseigentümer, der eigenmächtig, also ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, Änderungen einschließlich Widmungsänderungen im

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Sinne des § 16 Abs 2 WEG vornimmt, kann jeder einzelne Wohnungseigentümer im streitigen Rechtsweg nach allgemeinen Grundsätzen petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB auf Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung künftiger Änderungen vorgehen.28 Der Streitrichter hat in einem solchen Fall die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung und die eigenmächtige Rechtsanmaßung als Vorfrage über die Berechtigung des Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehrens zu prüfen; die Genehmigungsfähigkeit selbst ist nicht Gegenstand des Verfahrens.29 Sachverhalt: Die Streitteile sind zu unterschiedlichen Anteilen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *****. Auf der Liegenschaft ist ein Wohn-, Büro- und Geschäftshaus mit mehreren Objekten errichtet, die teils als Wohnung, teils als Büro bzw Geschäftslokal gewidmet sind. Das Objekt Top B3/2 des Beklagten wurde über seinen Antrag mit Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innsbruck von Büroräumlichkeit in Wohnung umgewidmet, überdies wurde die Zustimmung sämtlicher Antragsgegner zum Abbruch der bestehenden Zwischenwände, Einbau neuer Zwischenwände in Trockenbauweise und Errichtung von 10 Zimmern sowie eines Vorraums, Erneuerung der Innentüren, Errichtung zweier Bäder mit abgetrennten WCs, Gangabschluss zum Treppenhaus mit Brandschutztüre und Schließung des Nebeneingangs gemäß näher bezeichneten Planunterlagen ersetzt. Diese Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen. Die Kläger begehrten den Beklagten schuldig zu erkennen, die Vermietung seiner Wohnungseigentumseinheit als Asylheim bzw Nutzung durch Asylwerber zu unterlassen (Hauptbegehren). Hilfsweise sei der Beklagte schuldig, die Vermietung seiner Wohnungseigentumseinheit an mehr als 11 bis 13 Personen, insbesondere durch Nutzung von Asylanten oder sonstiger kurzzeitiger Vermietung zu unterlassen (erstes Eventualbegehren), bzw durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass es in den Nachtstunden zwischen 22:00 und 7:00 Uhr zu keinerlei Lärmbeeinträchtigungen, insbesondere nicht aus dem Innenhof kommt, sowie dass es zu keinen massiven Geruchsbelästigungen, insbesondere durch Kochen in der Einheit Top B3/2 kommt (zweites Eventualbegehren) sowie Kostenersatz.

Im Rahmen des Umwidmungsverfahrens habe der Beklagte behauptet, eine Vermietung zu Wohnzwecken an Studenten zu beabsichtigen, tatsächlich habe er an das Land Tirol vermietet, das in den Einheiten Asylwerber beherberge, was ebenso wie eine touristische Nutzung unzulässig sei. Überdies komme es zu massiven Geruchsbelästigungen durch Kochen und Lärmbelästigung insbesondere in den Nachtstunden.

Der Beklagte wendete ein, die Wohnung im Sinn der rechtskräftig bestätigten Widmung zu Wohnzwecken zu nutzen.

28 RIS-Justiz RS0083156. 29 RIS-Justiz RS0083156 [T1, T20].

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Es sei die Intention der untergebrachten Asylwerber, möglichst lange ein gesichertes Zuhause zu haben. Nebenleistungen vergleichbar einem Tourismusbetrieb erbringe der Beklagte nicht. Eine Vermietung an eine Vielzahl von Menschen sei nicht erfolgt, der Beklagte habe nur einen Mietvertrag mit dem Land Tirol abgeschlossen. Ein Anspruch der Kläger auf Vermietung der Wohnung an eine bestimmte Anzahl von Personen ergebe sich aus dem Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innsbruck nicht. Beeinträchtigungen durch Lärm oder Geruch wurden bestritten.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das erste Eventualbegehren ab, gab dem zweiten Eventualbegehren hingegen statt.

Es verneinte eine widmungswidrige Verwendung der Wohnung durch den Beklagten. Das erste Eventualbegehren ziele darauf ab, die Nutzung gerade durch Asylwerber zu unterlassen, wofür es keine Rechtsgrundlage gebe. Aufgrund ortsunüblicher Beeinträchtigungen durch extensives und nächtliches Kochen sowie Lärm in der Nacht gab es dem zweiten Eventualbegehren hingegen statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Parteien nicht Folge und bestätigte das Urteil in dem das Hauptbegehren und das erste Eventualbegehren abweisenden Teil als Teilurteil. Der Berufung der beklagten Partei gab es teilweise Folge und hob die Entscheidung über das zweite Eventualbegehren in Bezug auf Lärmbeeinträchtigungen auf. Insoweit wurde die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über das zweite Eventualbegehren betreffend Geruchsbelästigungen änderte das Berufungsgericht mit Teilurteil teilweise dahingehend ab, dass der Klage nur der erst- und zweitklagenden Partei stattgegeben und die Unterlassungsverpflichtung auf die Zeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr beschränkt wurde, das Mehrbegehren der erst- und zweitklagenden Partei sowie das gesamte Klagebegehren der dritt-, viert-, und fünftklagenden Partei in Bezug auf Geruchsbelästigungen wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht ging davon aus, einem Wohnungseigentümer könne nicht untersagt werden, seine Einheit einer bestimmen Personengruppe zu vermieten oder zu überlassen, es sei denn, dies wäre im Wohnungseigentumsvertrag vereinbart worden oder die Vermietung/Überlassung würde sich als sittenwidrig darstellen. Schon deshalb sei das Hauptbegehren der Kläger in diesem Punkt unberechtigt. Das erste Eventualbegehren wies das Berufungsgericht mit der Begründung ab, der Beklagte habe entgegen dem Begehren die Wohnung weder an mehr als 11 bis 13 Personen noch kurzzeitig vermietet. Betreffend Lärmbeeinträchtigungen hielt das Berufungsgericht das Klagebegehren für nicht ausreichend bestimmt, was zu erörtern sei. Hinsichtlich der Geruchsbelästigungen sei von Ortsunüblichkeit des Kochens einer Vielzahl von Personen zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr morgens jedenfalls in Stadtvierteln, die nicht überwiegend von Moslems bewohnt würden, auszugehen, dadurch seien die Wohnungseigentumsobjekte der Erstklägerin und des Zweitklägers wesentlich beeinträchtigt.

Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht hinsichtlich Haupt-, erstem Eventualbegehren und dem zweiten Teil des zweiten Eventualbegehrens (Geruch) mit jeweils 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig, weil die primär zu lösende Rechtsfrage, ob einem Wohnungseigentümer untersagt werden könne, sein Wohnungseigentumsobjekt zur Nutzung durch Asylwerber zu vermieten, vom OGH noch nicht geklärt worden sei.

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Rechtliche Beurteilung des OGH: a) Konkreter Fall: Zum Umfang des Revisionsverfahrens Zum Sachverhalt: Vorauszuschicken ist, dass sich die Revision der Kläger nach Rechtsmittelerklärung und Rechtsmittelantrag ausschließlich gegen die Abweisung des Hauptbegehrens wendet. Es ist daher davon auszugehen, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts über das erste und zweite Eventualbegehren in Teilrechtskraft erwachsen ist. In weiterer Folge ist somit nur das abgewiesene Hauptbegehren noch zu behandeln. b) Konkreter Fall: Konkrete Gefährdungen der übrigen Bewohner wurden weder

behauptet noch festgestellt Zum Sachverhalt: Die Argumentation in der Revision läuft darauf hinaus, nach den Feststellungen sei der Einsatz von Security notwendig und als notorisch anzusehen, dass es durch Asylwerber im Innsbrucker Raum „zu entsprechenden unverhältnismäßigen, auch polizeilich dokumentierten Verhaltensweisen diverser Asylwerber“ gekommen sei. Das Grundrecht des Beklagten auf Achtung seiner Wohnung und Vermietungsfreiheit nach Art 8 EMRK kollidiere mit dem Grundrecht der Kläger auf ungestörte Nutzung ihrer Wohnung und ihrem Anspruch, ein Leben ohne Angst in den eigenen vier Wänden zu führen. Der in der Revision – erstmals – monierten Interessenabwägung infolge konfligierender Grundrechte bedarf es schon mangels ausreichenden Prozessvorbringens nicht. Dass es zu „unverhältnismäßigen Verhaltensweisen“ von Asylwerbern im Innsbrucker Raum gekommen wäre, ist nicht allgemein bekannt im Sinn des § 269 ZPO und somit eine im Revisionsverfahren unbeachtliche Neuerung (§ 504 Abs 2 ZPO), eine konkrete Gefährdung der übrigen Bewohner oder deren Wohnungen bzw Geschäftsräume durch die Unterbringung von Asylwerbern wurde weder behauptet noch festgestellt. Der – hier nach den Feststellungen offensichtlich prophylaktische – Einsatz von Betreuern und Security ist nicht mit einem tatsächlich bestehenden Sicherheitsdefizit gleichzusetzen, sondern kann auch als deutlicher Hinweis darauf gewertet werden, dass der Beklagte (bzw dessen Mieter) durch entsprechende Maßnahmen den Schutz der Wohnung bzw der Geschäftsräume der Kläger im Sinn des Art 8 EMRK jedenfalls zu gewährleisten bereit ist. Der Schutz vor der – nach den Feststellungen vorliegenden – Beeinträchtigung durch Lärm und Geruch wird durch die – hier ohnedies geltend gemachten – nachbarrechtlichen Unterlassungsansprüche nach § 364 ABGB, dessen Ziel die Regelung kollidierender Rechte ist30 ausreichend gewährleistet. c) Zum Recht eines Wohnungseigentümers zur widmungsgemäßen Vermietung Zum Sachverhalt: Dass einem Wohnungseigentümer grundsätzlich das Recht zuzugestehen ist, sein Objekt zu vermieten, ohne dass er der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedürfte31, hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt.

30 Vgl RIS-Justiz RS0010501; 2 Ob 1/16k = Newsletter vom 31 5 Ob 106/06h.

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Zum Sachverhalt: Die Revisionswerber selbst gestehen zu, es müsse grundsätzlich jedermann überlassen bleiben, ob er Asylwerbern in einer Wohnung Unterkunft biete. Auch die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, mangels einer – hier nicht festgestellten – gegenteiligen Vereinbarung im Wohnungseigentumsvertrag treffe einen Wohnungseigentümer gegenüber den anderen Wohnungseigentümer schon in Ermangelung einer entsprechenden Rechtsgrundlage keine Verpflichtung, seine Wohnung nicht an eine durch personenbezogene Merkmale beschriebene Personengruppe zu vermieten oder sonst zu überlassen, ziehen sie gar nicht in Zweifel.

Zu 5 Ob 53/15b32 entschied der OGH über die Nutzung einer Wohnung im Rahmen einer Tätigkeit als Tagesmutter, eine Widmungsänderung wurde verneint, zumal „Wohnen“ nach allgemeinem Sprachverständnis bedeute, dass jemand seine Wohnung an einem bestimmten Ort habe.

d) Konkreter Fall: Nachdem das Außerstreitgericht die Nutzung der gegenständlichen

Wohnung für Zwecke einer Wohngemeinschaft genehmigt hat, ist die Vermietung an Asylwerber als widmungskonform zu bezeichnen und bedarf nicht der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer

Zum Sachverhalt: Wenn das Berufungsgericht hier eine genehmigungspflichtige Änderung verneinte, bewegt es sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt insoweit nicht vor: Abzustellen ist für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts grundsätzlich auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag), hier allerdings auf die Änderung der ursprünglichen Widmung durch Entscheidung des Außerstreitgerichts. Das zuvor als Büro gewidmete Objekt wurde zur Wohnung umgewidmet, wobei mit dem Spruchpunkt 2 des eingangs zitierten Sachbeschlusses des Bezirksgerichts Innsbruck unmissverständlich eine Spezifizierung der Wohnungswidmung dahingehend erfolgte, dass auch die Errichtung von insgesamt 10 Zimmern, und zwei Bädern mit abgetrennten WCs bewilligt wurde. Daraus ergibt sich, dass die Nutzung als Wohnung für Zwecke einer Wohngemeinschaft Gegenstand dieses wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens war.33 Selbst wenn man im Sinn der Revisionsausführungen den Begriff „Asylheim“ nicht – wie das Berufungsgericht – unter Hinweis auf § 1 Abs 2 Z 1 MRG auslegen wollte, wäre für die Kläger daher nichts gewonnen. Der Umbau in eine Wohnung mit insgesamt 10 Zimmern, zwei Bädern und WCs (und einer Gemeinschaftsküche) war Gegenstand des Umwidmungsverfahrens. Ob diese offensichtlich Zwecken einer Wohngemeinschaft gewidmete Wohnung nun von Studenten, Personen mit besonderen Bedürfnissen oder eben Asylwerbern benutzt wird, macht widmungsrechtlich keinen Unterschied. Aus privatrechtlicher Sicht entspricht vielmehr die Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts des Beklagten der durch die rechtskräftige Entscheidung im außerstreitigen Verfahren festgelegten Widmung. Eine nur kurzfristige Überlassung oder Nutzung zu touristischen

32 = Newsletter vom 7. Oktober 2015. 33 Vgl auch 5 Ob 105/16a = Newsletter vom 28. Dezember 2016, wonach die Beschreibung des

Wohnungseigentumsobjekts, die Bezeichnung der Räume und der daraus resultierende Verwendungszweck in einem Nutzwertgutachten als Grundlage für die Auslegung einer Widmungserklärung der Wohnungseigentümer herangezogen werden kann.

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Zwecken liegt nach den Feststellungen nicht vor.34 Da sich die Vermietung des Beklagten an das Land Tirol zu Zwecken des Bewohnens durch Asylwerber somit im Rahmen der Widmungsentscheidung hielt, haben die Vorinstanzen eine – Voraussetzung für eine Klagsführung nach § 523 ABGB bildende – Eigenmacht des Beklagten zutreffend verneint.35

Zum Sachverhalt: Die in der Revision erstmals genannten Hinweise auf öffentlich-rechtliche Vorgaben nach dem TROG bzw der TBO widersprechen dem Neuerungsverbot. Dass sie für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts aus privatrechtlicher Sicht nicht maßgeblich sind, entspricht überdies der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats.36

e) Entscheidung des vorliegenden Falls Zum Sachverhalt: Die lediglich gegen die Abweisung des Hauptbegehrens gerichtete Revision der Kläger ist entgegen dem – den OGH nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig. Die Revision war daher im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Anmerkungen: Zum Umstand, dass die Art der Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts nicht der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedarf, solange sie nur im Rahmen der privatrechtlichen Widmung des Wohnungseigentumsobjektes liegt, vgl insbesondere 5 Ob 105/16a37: Bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Nutzungsänderung eines Wohnungseigentumsobjektes mit einer unspezifischen Geschäftsraumwidmung spiele die Frage der Verkehrsüblichkeit eine nur untergeordnete Rolle. Damit werde bisherige Rechtsprechung, die das Änderungsrecht des Wohnungseigentümers bei unspezifischer Geschäftsraumwidmung jedenfalls von einem (auf die Verkehrsüblichkeit abstellenden) „Vorher-Nachher-Vergleich“ abhängig gemacht hat, zumindest relativiert. Mit anderen Worten: So lange sich eine Änderung im Rahmen der Widmung des Wohnungseigentumsobjekts bewegt, stehe nicht die Verkehrsüblichkeit, sondern das Recht des Wohnungseigentümers, sein Objekt widmungsgemäß nutzen zu dürfen, im Vordergrund. (Im konkreten Fall hatte der OGH die Unterbringung von Flüchtlingen als im Rahmen einer unspezifischen bzw aber einer jedenfalls den Beherbergungsbetrieb einschließenden Widmung des Wohnungseigentumsobjektes liegend erachtet, sodass von keiner genehmigungspflichtigen Änderung auszugehen war.) *** § 16 Abs 2 WEG (und § 523 ABGB sowie § 828 ABGB)

Mehrheitsbeschlüsse der Eigentümergemeinschaft im Bereich der (Sach-)Verfügungen bleiben wirkungslos OGH 29.8.2017, 5 Ob 44/17g

34 Siehe zur touristischen Vermietung als genehmigungsbedürftige Widmungsänderung eines zu

Wohnzwecken gewidmeten Wohnungseigentumsobjekts 5 Ob 59/14h = Newsletter vom 30. Juli 2014. 35 Vgl RIS-Justiz RS0083156. 36 RIS-Justiz RS0120725. 37 = Newsletter vom 28. Dezember 2016.

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Der OGH (5 Ob 44/17g) hat in Erinnerung gerufen, dass im Wohnungseigentumsrecht der Eigentümergemeinschaft keine Rechtsfähigkeit und Zuständigkeit für (Sach-)Verfügungen zukommt. So kann etwa auch nicht die von einem Miteigentümer eigenmächtig vorgenommene Änderung allgemeiner Teile der Liegenschaft (bzw auch seines Wohnungseigentumsobjekts) durch einen Mehrheitsbeschluss genehmigt werden. Ein dennoch gefasster Beschluss entfaltet keine Relevanz und steht einer auf Beseitigung gerichteten Eigentumsfreiheitsklage eines einzelnen Miteigentümers nicht im Wege. Rechtlicher Hintergrund: Sämtliche Wohnungseigentümer können gemäß § 17 Abs 1 WEG schriftlich eine Vereinbarung über die (ausschließliche) Benützung der verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft (also solchen Teilen der Liegenschaft, die einer exklusiven Benützung durch einzelne Miteigentümer überhaupt zugänglich sind) treffen. Jeder Wohnungseigentümer kann gemäß § 17 Abs 2 WEG eine gerichtliche Regelung über die (ausschließliche) Benützung der verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft oder die gerichtliche Abänderung einer bestehenden Regelung aus wichtigen Gründen beantragen. Sachverhalt: Die Kläger und die Beklagte sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft, auf der zwei Häuser mit jeweils mehreren Wohnungen errichtet sind. Entlang der östlichen Hausmauer des einen Hauses verläuft im Abstand von 1,5 m von der Hausmauer entfernt eine Böschung. Diese Böschung zählt zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft. Am unteren Böschungsfuß errichtete der ehemalige Ehegatte der Beklagten (mit deren Zustimmung und Kostenbeteiligung) von 1993 bis 2007 sukzessive eine Steinschlichtung aus Granit-Steinen. Ein direkter Zugang zum Garten oder zu den umliegenden Allgemeinflächen besteht von den Wohnungen der Beklagten aus nicht. Die Kläger bemerkten das sukzessive Entstehen der Steinschlichtung, gaben dazu aber nie ausdrücklich ihre Zustimmung, sondern beschwerten sich darüber bei der Hausverwaltung, insbesondere weil sie Angst vor einer Haftung im Fall von Verletzungen durch die Steinschlichtung etwa bei Stürzen hatten. Die Hausverwaltung initiierte daraufhin im Jahr 2009 einen Umlaufbeschluss und gab das Ergebnis mit dem Schreiben vom 1. Juli 2009 an die Wohnungseigentümer wie folgt bekannt: „Wir nehmen Bezug auf die Abstimmung bezüglich der Granitsteinentfernung und dürfen Ihnen folgendes Abstimmungsergebnis übermitteln. Mit der Rückstellung in den Urzustand waren EINVERSTANDEN: 17,674 % NICHT EINVERSTANDEN: 73,860 % KEINE STELLUNGNAHME: 8,466 %.

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Die Mehrheit hat sich daher dafür entschieden, dass keine Rückstellung in den Urzustand (Entfernung aller Granitsteine) von der Familie L***** vorgenommen wird bzw der jetzige Zustand belassen wird.“ Das Schreiben der Hausverwaltung vom 1. Juli 2009 wurde am 6. Juli 2009 in der Wohnungseigentumsanlage der Streitteile angeschlagen. Eine Beschlussanfechtung erfolgte nicht. Der Zustand der Steinschlichtung hat sich seither nicht verändert. Die Kläger begehrten (unter anderem) die Entfernung der Steinschlichtung und die Unterlassung künftiger derartiger Eingriffe in allgemeine Teile der Liegenschaft.

Die Beklagte habe die Steinschlichtung eigenmächtig und ohne die erforderliche Zustimmung der Miteigentümer errichtet. Die Abstimmung über das Belassen der Steinschlichtung sei mangels Erreichens einer Einstimmigkeit nicht relevant.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren.

Sie wandte unter anderem ein, die Errichtung der Steinschlichtung zur Verhinderung von Abschwemmungen erforderlich gewesen. Diese Maßnahme habe daher der Allgemeinheit gedient. Im Jahr 2009 hätten die Miteigentümer mehrheitlich und unangefochten beschlossen, dass die Steinschlichtung belassen werden könne. Auch die Kläger hätten die Steinschlichtung durch Duldung über lange Zeit nachträglich genehmigt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren hinsichtlich der Steinschlichtung mit Teilurteil ab.

Die Beklagte könne sich auf eine – nachträgliche – Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft aus dem Jahr 2009 berufen, die diese Steinschlichtung genehmigt habe. Ein solcher Mehrheitsbeschluss über ein Verfügungsrecht einschließlich Änderungen im Sinne der §§ 16 f WEG stelle kein rechtliches Nichts dar, sondern sei lediglich anfechtbar.38 Auch formelle Mängel seien durch Anfechtung des Beschlusses geltend zu machen. Die Kläger hätten jedenfalls seit der Behauptung des Bestehens dieses Mehrheitsbeschlusses diesen Beschluss anfechten können, es aber nicht getan. Es liege somit ein wirksamer und damit auch für das vorliegende Verfahren bindender Beschluss der Eigentümergemeinschaft vor, wonach die Steinschlichtung an der derzeitigen Position verbleiben könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge und verpflichtete die Beklagte, die Steinschlichtung zu entfernen und künftige derartige Eingriffe zu unterlassen.

Die über Jahre erfolgte und erweiterte Ausgestaltung der Steinböschung, welche sich optisch als Steinböschungsgarten um die Wohnungen der Beklagten darstelle, und die Nutzung der übrigen Miteigentümer durch Begehen ausschließe, sei eine eigennützige Veränderung und somit eine Verfügung. Die Maßnahme hätte daher jedenfalls die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer erfordert. Diese Zustimmung könne nicht durch eine Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft ersetzt werden. Zwar sei richtig, dass ein dennoch gefasster Beschluss kein „rechtliches Nichts“ sei, sondern unbefristet im außerstreitigen Verfahren bekämpft werden könne, dies jedoch zur Klarstellung der Rechtslage. Zu keinem Zeitpunkt und unabhängig von seinem Gegenstand entfalte ein nichtiger Beschluss aber Rechtswirksamkeit.

38 Wobei diesbezüglich die Anfechtung zeitlich unbefristet erfolgen kann; RIS-Justiz RS0083156 [T17].

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Er sei daher weder Grundlage für die Durchsetzung der „beschlossenen“ Maßnahme gegen einzelne Wohnungseigentümer, noch stehe er der Erhebung von Besitzstörungs- oder Unterlassungsklagen von Wohnungseigentümern entgegen. Eine konkludente Zustimmung durch Duldung habe die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung angesichts der Feststellungen, wonach sich die Kläger gegen die sukzessiven Erweiterungen bei der Hausverwaltung beschwert und auch Einwände in der Hausversammlung 2009 erhoben hätten, zu Recht nicht mehr thematisiert.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil der Sachverhalt Anlass zur Klarstellung der Auswirkung eines unbefristet bekämpfbaren nichtigen Beschlusses im streitigen Verfahren aufgrund einer Eigentumsfreiheitsklage durch das Höchstgericht biete, zumal ein solcher Beschluss nach Lehre und Rechtsprechung kein rechtliches Nichts darstelle. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen oder ihr keine Folge zu geben. Rechtliche Beurteilung des OGH: Zum Sachverhalt: Die Revision ist zur Klarstellung der fehlenden Kompetenz der Eigentümergemeinschaft im Zusammenhang mit der Abwehr von Nutzungs- oder Eingriffshandlungen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft zulässig; sie ist aber nicht berechtigt. a) Zu den der Einstimmigkeit bedürfenden Maßnahmen der (Sach-)Verfügung Gemäß § 828 ABGB darf kein Miteigentümer gegen den Willen der übrigen an der gemeinschaftlichen Sache Veränderungen vornehmen, wodurch über den Anteil der anderen verfügt würde.39 Substanzielle tatsächliche und rechtliche Veränderungen ohne Einstimmigkeit sind demnach unzulässig. b) Zur Abwehr eigenmächtiger Eingriffe im Wege der Eigentumsfreiheitsklage Jeder Miteigentümer, auch wenn er nur die Minderheit der Anteile repräsentiert, ist berechtigt, eigenmächtige Eingriffe in das gemeinsame Eigentum mit der Eigentumsfreiheitsklage gegen den Störer, die auch auf Beseitigung und Wiederherstellung des vorigen Zustands gerichtet werden kann, abzuwehren.40 Einem Minderheitseigentümer (Wohnungseigentümer) steht die Negatorienklage nach § 523 ABGB zur Abwehr eigenmächtiger Eingriffe in das gemeinsame Eigentum nicht nur gegen einen Dritten, sondern auch gegen andere Miteigentümer (Wohnungseigentümer) zu.41 39 RIS-Justiz RS0013205 [T10]. 40 RIS-Justiz RS0012112 [T1]. 41 RIS-Justiz RS0012137.

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c) Zum Änderungsrecht des Wohnungseigentümers und seiner Grenze zur (Sach-

)Verfügung Auch im Bereich des Wohnungseigentums verpflichtet schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit- und Wohnungseigentümer den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller anderen Mit- und Wohnungseigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht, nimmt er also Änderungen im Sinn des § 16 Abs 2 WEG ohne vorherige Zustimmung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters vor, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden.42 Der Änderungsbegriff des § 16 Abs 2 WEG ist weit auszulegen und umfasst auch Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, soweit diese einer vorteilhafteren Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts dienlich sind; dies gilt selbst dann, wenn davon ausschließlich allgemeine Teile der Liegenschaft betroffen sind.43 Die rein eigennützige Verbauung oder sonstige Veränderung allgemeiner Teile der Liegenschaft durch einen der Miteigentümer stellt insbesondere keine Maßnahme der Verwaltung der gemeinsamen Liegenschaft dar.44 d) Konkreter Sachverhalt: Die Ausgestaltung einer Steinböschung hätte als (Sach-

)Verfügung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG der Genehmigung aller übrigen Miteigentümer (oder einer rechtsgestaltenden Entscheidung des Außerstreitgerichts) bedurft

Zum Sachverhalt: Die von der Beklagten am Fuß der zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft zählenden Böschung errichtete Steinschlichtung stellt ihrer festgestellten Ausgestaltung nach eine bleibende tatsächliche Substanzveränderung im Sinne des § 828 ABGB dar. Mangels Einstimmigkeit ist diese Maßnahme unzulässig und greift in das Eigentumsrecht der Miteigentümer ein. Will ein Wohnungseigentümer eine derartige der vorteilhafteren Nutzung seines Wohnungseigentumsobjekts dienliche Änderung vornehmen, so verpflichtet diesen schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer, deren Zustimmung oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen.45 Nur bei bagatellhaften Umgestaltungen des gemeinsamen Guts geht die Rechtsprechung grundsätzlich vom Fehlen einer Genehmigungspflicht aus.46

42 RIS-Justiz RS0083156 [T10], RS0005944. 43 5 Ob 216/15y = Newsletter vom 13. Juli 2016; RIS-Justiz RS0083108 [T1]. 44 5 Ob 216/15y = Newsletter vom 13. Juli 2016 mit weiteren Nachweisen; RIS-Justiz RS0109188 [T13]) 45 RIS-Justiz RS0083156 [T16]. 46 RIS-Justiz RS0109247.

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Zum Sachverhalt: Die hier zu beurteilende Steinschlichtung ist aber keine in diesem Sinne rein oberflächliche Gartengestaltung; sie beruht auch nicht auf einem Sondernutzungsrecht, mit dem bei einem entsprechenden Zuweisungszweck regelmäßig ein weitergehendes Recht zur Gestaltung auch durch physische Veränderungen verbunden sein könnte.47

e) Im Bereich der (Sach-)Verfügungen besteht keine Rechtsfähigkeit und Zuständigkeit der Eigentümergemeinschaft, weshalb hierin gefasste Mehrheitsbeschlüsse wirkungslos bleiben

Zum Sachverhalt: Die Maßnahme der Beklagten als einer der Mit- und Wohnungseigentümer kann auch nicht als Maßnahme der Verwaltung der Eigentümergemeinschaft zugerechnet werden. Die zur Vermeidung verpönter Eigenmacht nach den §§ 828 ABGB und/oder 16 Abs 2 WEG erforderliche Zustimmung der einzelnen Wohnungseigentümer kann nicht durch eine Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft ersetzt werden.48 Die Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft ist – abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen des § 18 Abs 2 WEG – auf Angelegenheiten der Verwaltung beschränkt. Mehrheitsbeschlüsse können und dürfen nur Maßnahmen der Verwaltung zum Gegenstand haben.49 Die Abwehr von Nutzungs- oder Eingriffshandlungen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft beruht auf dem Anteilsrecht, also der dinglichen Rechtsposition der Mit- und Wohnungseigentümer, diese ist daher – als dem Eigentumsrecht entspringend – nicht der Verwaltung der Liegenschaft zuzuordnen.50 Eine Zustimmung iSd §§ 828 ABGB und/oder 16 Abs 2 WEG fällt daher nicht in die Kompetenz der Eigentümergemeinschaft, sondern als Verfügung über die gemeinschaftliche Sache in die unmittelbare Kompetenz der Teilhaber (5 Ob 250/05h). Ein allfälliger, ihre Kompetenz überschreitender Beschluss der Eigentümergemeinschaft ist – unabhängig von den Fragen seiner Anfechtbarkeit und Rechtswirksamkeit – jedenfalls eine Willensäußerung (bloß) der Eigentümergemeinschaft. Deren Rechtsgestaltungswille ist im Zusammenhang mit Eingriffen in die Anteilsrechte der Miteigentümer und deren Abwehr mangels Kompetenz aber ohne Belang. Diese Irrelevanz eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft im Zusammenhang mit eigenmächtigen Nutzungs- oder Eingriffshandlungen betreffend allgemeine Teile der Liegenschaft und deren Abwehr ändert freilich nichts daran, dass ein solcher Beschluss zufolge Kompetenzüberschreitung unbefristet bekämpft51 und zur Klarstellung der Rechtslage beseitigt52 werden kann. 47 Vgl 5 Ob 25/13g = Newsletter vom 4. Dezember 2013. 48 5 Ob 207/01d, 5 Ob 213/04s, 5 Ob 250/05h = RIS-Justiz RS0083156 [T11, T12], RS0083412 [T1, T2]. 49 5 Ob 216/15y; RIS-Justiz RS0130070 [T1]. 50 5 Ob 144/16m mit weiteren Nachweisen; RIS-Justiz RS0117352). Das bedeutet, dass bei eigenmächtigen

(nicht auf der Zustimmung sämtlicher Miteigentümer beruhenden) Eingriffen jeder einzelne Miteigentümer zur Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen legitimiert ist, wobei diese individuellen Ansprüche gemäß § 18 Abs 2 WEG auch an die Eigentümergemeinschaft abgetreten werden können.

51 RIS-Justiz RS0083156 [T17], RS0108763 [T2, T3], RS0109840 [T3, T4]. 52 5 Ob 216/15y = Newsletter vom 13. Juli 2016.

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Zum Sachverhalt: Für den hier zu beurteilenden Fall bedeutet dies, dass das im Jahr 2009 durchgeführte Umlaufbeschlussverfahren und sein Ergebnis für die Frage der Eigenmacht der Beklagten und damit für die Berechtigung des Klagebegehrens ohne Relevanz ist. Der (behauptete) nicht einstimmige Beschluss der Eigentümergemeinschaft kann die (ursprüngliche) Eigenmacht der Beklagten bei der Errichtung der Steinschlichtung in keinem Fall beseitigen.53 Die Fragen der Möglichkeit und Notwendigkeit der Anfechtung des kundgemachten Beschlusses und der Konsequenzen ihres Unterbleibens stellen sich demnach nicht. Zur Klarstellung ist freilich hinzuzufügen, dass Gegenstand des Umlaufbeschlussverfahrens – nach dem für diese Beurteilung maßgeblichen schriftlich zur Kenntnis gebrachten Text des Beschlusses54 – nicht die Gestaltung der Böschung durch die Eigentümergemeinschaft selbst war, die ja (zumindest in einem gewissen Rahmen) sehr wohl als Verwaltungsmaßname zu qualifizieren wäre. Anmerkungen: Die Entscheidung geht völlig folgerichtig davon aus, dass Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft im Bereich der Sachverfügungen keinerlei Relevanz zukommt. Dass sie „zur Klarstellung“ zeitlich unbefristet angefochten werden können, bedeutet gerade nicht, dass ihnen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung vorläufige Wirksamkeit zukäme. Wie der OGH in seiner zuletzt wiedergegebenen Aussage andeutet, hätte aber bezüglich der hier verfahrensgegenständlichen Steinschlichtung sehr wohl im Wege eines Mehrheitsbeschlusses eine andere wirksame Entscheidung der Eigentümergemeinschaft getroffen werden können: Die Eigentümergemeinschaft vermag zwar nicht, individuelle Änderungen im Sinne des § 16 Abs 2 WEG zu genehmigen (weil dafür eben die Zustimmung aller Miteigentümer oder eine Entscheidung des Außerstreitgerichts vonnöten ist), sie könnte aber eine zunächst eigenmächtige und unzulässige Änderung nachträglich als Maßnahme der Verwaltung erklären und damit legitimieren. Die Steinschlichtung als individuelle Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG hätte also durch Mehrheitsbeschluss zu einer gemeinschaftlichen – und damit auch von der Eigentümergemeinschaft zu finanzierenden – außerordentlichen Verwaltungsmaßnahme im Sinne des § 29 Abs 1 WEG ungeformt werden können.55 Dass zunächst eigenmächtige Aktivitäten nachträglich durch Mehrheitsbeschluss als Verwaltungsmaßnahme legitimiert werden können, zeigte zuletzt etwa die Entscheidung 5 Ob 21/16y56 auf. *** § 16 Abs 2 WEG (und § 523 ABGB)

Zum Anspruch auf Wiederherstellung des vorigen Zustands im Wohnungseigentum, der im Wege einer Eigentumsfreiheitsklage geltend gemacht wird

53 Vgl 5 Ob 23/16t. 54 RIS-Justiz RS0130029. 55 Ein solcher Beschluss unterläge dann freilich nicht nur dem „formellen“ Anfechtungsrecht nach § 24 Abs 6

WEG, sondern auch dem „inhaltlichen“ („materiellen“) Anfechtungsrecht des § 29 Abs 1 bis 4 WEG. 56 = Newsletter vom 10. August 2016.

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OGH 26.9.2017, 5 Ob 65/17w

Der OGH (5 Ob 65/17w) hat zur Eigentumsfreiheitsklage eines Wohnungseigentümers zur Beseitigung einer von einem Miteigentümer veranlassten eigenmächtigen Veränderung festgestellt, dass das Ergebnis der Beseitigung der Änderung die Wiederherstellung des vorigen Zustands zu sein hat. Durch das bloße Entfernen einer baulichen Maßnahme ist die Änderung nur dann beseitigt, wenn keine weiteren Maßnahmen zur Wiederherstellung des früheren Zustands notwendig sind. Ansonsten aber greift ein reines Entfernungsbegehren zu kurz. Rechtlicher Hintergrund: Die Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB dient dem Schutz des Eigentümers vor der Anmaßung oder unberechtigten Erweiterung einer Servitut wie auch zur Abwehr jeder sonstigen Störung des Eigentums durch unberechtigte Eingriffe.57 Das Klagebegehren kann je nach den Verhältnissen des Falls auf die Feststellung des Nichtbestehens der Servitut, die Wiederherstellung des früheren Zustands, die Unterlassung künftiger Störungen, aber auch auf Schadenersatz gerichtet sein.58 Die Eigentumsfreiheitsklage kann von jedem Miteigentümer (Wohnungseigentümer) nicht nur gegen Dritte, sondern auch gegen andere Miteigentümer (Wohnungseigentümer) erhoben werden.59 Die von der Rechtsprechung vorgenommene Einschränkung, wonach ein Miteigentümer Eigentumsfreiheitsansprüche nach § 523 ABGB nur dann allein geltend machen kann, wenn er sich damit nicht in Widerspruch zu anderen Miteigentümern setzt60 gilt für das Rechtsverhältnis zwischen Wohnungseigentümern nicht.61 Sachverhalt: Die Klägerin und die Beklagte sind Mit- und Wohnungseigentümerinnen einer Liegenschaft in K*****. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten ließ im Jahr 2011 in ihrer Eigentumswohnung eine Niedertemperatur-Fußbodenheizung installieren.

Vor dieser Maßnahme war dort eine Hochtemperatur-Fußbodenheizung verlegt. Mittlerweile entspricht der Einbau einer derartigen Hochtemperatur-Fußbodenheizung nicht mehr den geltenden Ö-Normen. Zur Installation der neuen Fußbodenheizung wurden die Heizkörper und die ursprünglichen Stahlrohre der Hochtemperatur-Fußbodenheizung entfernt. Auf dem Bestand der Stahlbetondecke wurde ua ein Heizestrich verlegt, auf welchem ein Bodenbelag aufgebracht wurde. Die neue Fußbodenheizung nimmt die Wärmeenergie direkt aus der Zentralheizungsanlage des gesamten Objekts. Für die Warmwasserversorgung ausschließlich ihrer (vom Warmwassersystem der Wohnungseigentumsanlage abgekoppelten) Wohnung ließ

57 RIS-Justiz RS0012040. 58 RIS-Justiz RS0112687, RS0106908 [T7]. 59 RIS-Justiz RS0012137, RS0012112, RS0012114, RS0013417, RS0013428. 60 RIS-Justiz RS0012137[T10], RS0012114 [T17], RS0013417 [T23], RS0013428 [T2]. 61 RIS-Justiz RS0012112 [T10], RS0012137 [T17].

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die Rechtsvorgängerin der Beklagten im allgemeinen Heizraum einen zusätzlichen Boiler aufstellen.

Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage vom 12. April 2013 zunächst sowohl die Entfernung der in der Wohnung der Beklagten installierten Niedertemperatur-Fußbodenheizung samt den dazugehörigen Leitungen und Geräten im Boden, in den Wänden und den sonstigen allgemeinen Teilen des Hauses als auch die Wiederherstellung des früheren Zustands.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe die Fußbodenheizung in der Wohnung eigenmächtig installiert und dabei in das allgemeine Leitungssystem des Hauses eingegriffen. Die dabei durchgeführten Änderungen seien geeignet, die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer zu beeinträchtigen und hätten jedenfalls deren Zustimmung bedurft.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren.

Sie wandte ein, dass der Ersatz der in der Wohnung bereits installierten Fußbodenheizung durch eine dem Stand der Technik entsprechende Niedertemperatur-Fußbodenheizung keine zustimmungspflichtige Änderung darstelle. Diese Erneuerung sei nicht geeignet, die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer zu beeinträchtigen.

Am 23. Mai 2013 – also nach Klagseinbringung – stellte die Beklagte in einem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG beim Bezirksgericht Kitzbühel den (unter anderem gegen die Klägerin gerichteten) Antrag auf Feststellung, dass die eingebaute neue Fußbodenheizung keiner Genehmigung der anderen Wohnungseigentümer bedürfe, in eventu, dass diese den Einbau der neuen Fußbodenheizung zu dulden hätten. Dieser Antrag wurde in zweiter Instanz abgewiesen. Den außerordentlichen Revisionsrekurs der (hier) Beklagten wies der OGH mit Beschluss vom 19. Juni 2015 zurück.62 Im vorliegenden – während des Außerstreitverfahrens ruhenden und nach dessen rechtskräftiger Beendigung fortgesetzten – Verfahren modifizierte die Klägerin in der Folge ihr Klagebegehren und ließ (nicht das Begehren auf Entfernung, aber) das Begehren auf Wiederherstellung des früheren Zustands fallen.

Gleichzeitig dehnte sie den Antrag um die Entfernung (auch) des im allgemeinen Heizraum installierten Warmwasserboilers samt Zu- und Ableitungen aus.

Die Beklagte wandte ein, dass ein Entfernungsanspruch, der keine Wiederherstellung des früheren Zustands beinhalte, nicht berechtigt sei.

Das ursprünglich erhobene Wiederherstellungsbegehren scheitere schon deshalb, weil die frühere Hochtemperatur-Fußbodenheizung mittlerweile nicht mehr dem Stand der Technik entspreche. Wenn aber die Wiederherstellung untunlich und unmöglich sei, habe der Eigentümer den Eingriff in sein Eigentum hinzunehmen.

Das Erstgericht gab dem (geänderten) Klagebegehren statt.

62 5 Ob 113/15a = Newsletter vom 18. November 2015.

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Der Einbau einer neuen Fußbodenheizung stelle eine genehmigungspflichtige Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG dar und hätte daher der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer oder der Genehmigung durch den Außerstreitrichter bedurft. Die Beklagte könne im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung dieser in unerlaubter Eigenmacht vorgenommenen Änderung verhalten werden. Das Klagebegehren auf Entfernung der Niedrigtemperatur-Fußbodenheizung und des Warmwasserboilers sei daher berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge.

Die Klägerin sei im Sinne der von ihr erhobenen Eigentumsfreiheitsklage berechtigt, die Beseitigung der eigenmächtig vorgenommenen Änderung zu verlangen. Auf welche Art und Weise die Beklagte nach Entfernung der in Eigenmacht installierten Fußbodenheizung und des Boilers die Warmwasserversorgung und Heizung ihrer Wohnung bewerkstelligen könne, müsse nicht geprüft werden. Die in ihrem Eigentumsrecht gestörte Klägerin müsse bei Geltendmachung ihrer Eigentumsfreiheitsklage nicht die konsensfähige Ausgestaltung einer allenfalls neuen Heizanlage darstellen, sie könne sich vielmehr auf das Entfernungsbegehren beschränken. Auf Antrag der Beklagten änderte das Berufungsgericht seinen Zulassungsausspruch gemäß § 508 Abs 3 ZPO dahin ab, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Beklagte habe in ihrem Antrag zutreffend dargelegt, dass keine höchstgerichtliche Entscheidung zur Frage vorliege, ob ein rein auf Entfernung und nicht auch auf Wiederherstellung des vertrags-/konsensmäßigen Zustands gerichtetes Begehren zulässig sei.

Mit ihrer Revision beantragt die Beklagte, die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern und die Klage in Bezug auf die Entfernung der Niedrigtemperatur-Fußbodenheizung (samt Leitungen und Geräten) abzuweisen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Verpflichtung zur Entfernung des Warmwasserboilers samt Zu- und Ableitungen ist ausdrücklich nicht Gegenstand der Anfechtung. Diesbezüglich ist das stattgebende, vom Berufungsgericht bestätigte Ersturteil daher in Rechtskraft erwachsen.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben. Rechtliche Beurteilung des OGH: Zum Sachverhalt: Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt. a) Zur Genehmigungspflicht eigennütziger Veränderungen nach § 16 Abs 2 WEG und zur

Abwehr eigenmächtiger Eingriffe im Wege der Eigentumsfreiheitsklage Jede Änderung an einem Wohnungseigentumsobjekt, die eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen könnte (wofür also schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung genügt), bedarf der Zustimmung aller

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übrigen Wohnungseigentümer oder der Genehmigung durch den Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG.63 Holt der änderungswillige Wohnungseigentümer die Zustimmung der anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters nicht ein oder setzt er sich über den Widerspruch eines anderen Miteigentümers hinweg, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg mit der Eigentumsfreiheitsklage (§ 523 ABGB) zur Beseitigung der Änderung verhalten werden.64 b) Das Ergebnis der Beseitigung der Änderung hat die Wiederherstellung des vorigen

Zustands zu sein Im Gesetz sind diese einzelnen Ansprüche des § 523 ABGB nicht besonders geregelt. Die Wiederherstellung des früheren Zustands besteht regelmäßig in der Beseitigung der verursachten Beeinträchtigung.65 Gerade auch im Zusammenhang mit eigenmächtigen baulichen Änderungen im Sinne des § 16 Abs 2 WEG ist der Anspruch auf Wiederherstellung des vorigen Zustands insofern ein Beseitigungsanspruch, als die Wiederherstellung des vorigen Zustands in der Beseitigung der Änderung durch Rückgängigmachen der eigenmächtigen Baumaßnahmen liegt.66 Durch das bloße Entfernen einer baulichen Maßnahme ist die Änderung nur dann beseitigt (und die Störungsquelle im Sinne des § 523 ABGB nur dann ausgeschaltet), wenn keine weiteren Maßnahmen zur Wiederherstellung des früheren Zustands notwendig sind, sich die Rückgängigmachung eigenmächtiger baulicher Veränderungen also in deren Entfernung erschöpft. Dort wo das – wie im vorliegenden Fall des Ersatzes eines Heizsystems durch ein anderes – nicht der Fall ist, weil der die Herstellung des früheren Zustands darüber hinaus weitere Maßnahmen, insbesondere Rück- und Wiedereinbaumaßnahmen erfordert, ist der aus § 523 ABGB abzuleitende „Beseitigungsanspruch“ daher nicht mit einem reinen Entfernungsanspruch gleichzusetzen. Zum Sachverhalt: Das von der Klägerin zuletzt erhobene Begehren umfasst ausdrücklich nur die Entfernung der neuen Niedertemperatur-Fußbodenheizung samt Leitungen und Geräten und nicht auch den Wiedereinbau des alten Heizsystems; dies offensichtlich im Hinblick auf den Einwand der Beklagten, dieser Wiedereinbau sei technisch nicht mehr möglich.67 In der vorliegenden besonderen Fallkonstellation ist dieses Begehren auf bloße Entfernung nicht als ein vom Beseitigungsanspruch nach § 523 ABGB umfasstes Minus, sondern angesichts der damit verbundenen (anderen) Rechtsfolgen als ein Aliud zu qualifizieren.

63 RIS-Justiz RS0101801 [T5], RS0083132 [T7]. 64 RIS-Justiz RS0083156 [T10, T18], RS0005944. 65 Vgl RIS-Justiz RS0013428, RS0106908 [T7], RS0012137 [T2, T4, T5, T11, T12], RS0012112 [T3, T4, T5]; zur

Reichweite dieses eigentumsrechtlichen Beseitigungsanspruchs 1 Ob 62/16y. 66 Vgl RIS-Justiz RS0005944, RS0083156. 67 Vgl etwa 5 Ob 229/09a.

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Ergebnis der Beseitigung der Änderung hat die Wiederherstellung des vorigen Zustands zu sein. Wird nicht der vorige Zustand wiederhergestellt, sondern im Titel Maßnahmen aufgetragen, die diesem ursprünglichen konsensgemäßen Zustand ebenso wenig entsprechen, würde nicht nur ein anderer Zustand geschaffen, sondern auch in die Rechte der am Titelverfahren nicht beteiligten anderen Wohnungseigentümer eingegriffen. Nur die Wiederherstellung des vor einem eigenmächtigen Umbau bestandenen Zustands und die dafür notwendigen Maßnahmen stellen ihrerseits keine genehmigungspflichtigen „Änderungen“ im Sinn des § 16 Abs 2 WEG dar.68 Zum Sachverhalt: Im hier zu beurteilenden Fall entspricht nur die Entfernung der neuen Fußbodenheizung samt den dazugehörigen Leitungen und Geräten im Boden, den Wänden und sonstigen allgemeinen Teilen weder faktisch noch rechtlich der Herstellung des vorherigen Zustands. Mit einem darauf gerichteten Titel würde vielmehr eine andere Situation geschaffen werden, die ebenso wenig dem Konsens der Wohnungseigentümer entspricht. Die von der Klägerin geforderte bloße Entfernung der neuen Fußbodenheizung stellt aber auch kein „gelinderes Mittel“ gegenüber der Wiederherstellung des früheren Zustands dar, das die Beklagte nicht oder nicht mehr als ein Begehren auf Wiederherstellung des früheren Bauzustands beschweren würde.69 Das reine Entfernungsbegehren der Klägerin findet daher in dem aus § 523 ABGB abgeleiteten Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustands durch Beseitigung der Änderung nicht Deckung und besteht daher schon aus diesem Grund nicht zu Recht.

Zum Sachverhalt: Das von der Klägerin gebrachte und auch vom Berufungsgericht erwogene Argument, es könne nicht Sache der in ihrem Eigentumsrecht gestörten Klägerin sein, bei Geltendmachung ihrer Eigentumsfreiheitsklage die (konsensfähige) Ausgestaltung der wiederherzustellenden Heizanlage darzustellen, spricht nicht gegen dieses Ergebnis. Bei Klagen, die nicht auf Geldleistung gerichtet sind, wird dem Erfordernis des § 226 ZPO nämlich bereits dann Genüge getan, wenn unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs daraus entnommen werden kann, was begehrt ist. Die technische Durchführung der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands oder der bei Unmöglichkeit oder Untunlichkeit der Wiederherstellung zu schaffenden wirtschaftlich gleichen (gleichartigen und gleichwertigen) Ersatzlage70 muss dabei nicht näher umschrieben sein, weil davon ausgegangen werden darf, dass sie den bestehenden rechtlichen und technischen Vorschriften zu entsprechen hat.71

c) Entscheidung des vorliegenden Falls Zum Sachverhalt: Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben, und die Entscheidungen der Vorinstanzen waren dahin abzuändern, dass das auf die Niedertemperatur-Fußbodenheizung bezogene Klagebegehren abgewiesen wird. ***

68 5 Ob 9/16h; vgl auch 3 Ob 148/10a. 69 Vgl 5 Ob 198/16b [Ausfolgung eines Schlüssels] = Newsletter vom 15. Februar 2017. 70 5 Ob 143/04x RIS-Justiz RS0015036. 71 5 Ob 229/09a mit weiteren Nachweisen.

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 26

§ 16 Abs 2 Z 1 WEG Zur Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen bei eigennützigen Änderungen im Wohnungseigentum OGH 23.5.2017, 5 Ob 228/16i

Der OGH (5 Ob 228/16i) hat in Erinnerung gerufen, dass die Voraussetzungen für die Genehmigungsfähigkeit einer von einem Wohnungseigentümer beabsichtigten (baulichen oder widmungstechnischen) Änderung an seinem Wohnungseigentumsobjekt (sei es mit oder ohne Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft) im Wege einer Einzelfallbeurteilung zu prüfen sind und dem entscheidenden Gericht daher ein entsprechender Ermessensspielraum zur Verfügung steht. Rechtlicher Hintergrund: Nach § 16 Abs 2 WEG ist der Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt; dabei gilt Folgendes: Die Änderung darf weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben (Z 1). Werden für eine Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, so muss die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen (Z 2). Erweist sich eine Änderung als genehmigungsbedürftig (= genehmigungspflichtig), weil das Vorliegen einer der genannten Voraussetzung für das Änderungsrecht zweifelhaft ist, so bedarf es der Zustimmung aller Wohnungseigentümer (= Sachverfügung nach § 828 Abs 1 ABGB), die aber keinen Formvorschriften unterliegt und daher auch stillschweigend erteilt werden kann. Eine fehlende Zustimmung kann auf Antrag bei Vorliegen aller negativen Voraussetzungen (§ 16 Abs 2 Z 1 WEG) – sowie bei Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft auch der positiven (§ 16 Abs 2 Z 2 WEG) Voraussetzungen – durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden (§ 52 Abs 1 Z 2 WEG), der somit über die Genehmigungsfähigkeit einer genehmigungsbedürftigen Maßnahme zu entscheiden hat. Wird eine Änderung vorgenommen, für die weder die (wenngleich bloß stillschweigend erteilte) Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer noch ein (diese Zustimmung ersetzender) Beschluss des Außerstreitrichters vorliegt, so liegt eine eigenmächtige Änderung vor, gegen die sich die übrigen Wohnungseigentümer mit Unterlassungs- oder Beseitigungsklage nach § 523 ABGB im streitigen Rechtsweg zur Wehr setzen können. Der Streitrichter hat in einem solchen Fall nur die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung sowie die eigenmächtige Rechtsanmaßung als Vorfragen über die Berechtigung des Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehrens zu prüfen, nicht jedoch die Genehmigungsfähigkeit. Sachverhalt:

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 27

Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die Wohnungseigentumsobjekte der Antragsteller befinden sich im Dachgeschoss des Hauses. Gegenstand des Verfahrens ist deren auf § 16 Abs 2 WEG gestützter (und daher entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin richtigerweise im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG gestellter) Antrag auf Verpflichtung zur Duldung der Errichtung einer Liftanlage an der Fassade des Hauses. Die im Revisionsrekursverfahren strittigen Fragen betreffen die in § 16 Abs 2 Z 1 WEG normierte Negativvoraussetzung, dass die geplante Änderung keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer zur Folge haben darf. Rechtliche Beurteilung des OGH:

a) Nur wesentliche Beeinträchtigungen stehen der in § 16 Abs 2 Z 1 WEG normierten Negativvoraussetzung, dass die geplante Änderung keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer zur Folge haben darf, entgegen

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH steht nicht jede Beeinträchtigung von Interessen von Miteigentümern einer Änderung entgegen, sondern nur eine wesentliche, die die Interessen der Miteigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass das Recht des Wohnungseigentümers auf Durchführung von Änderungen zurückzustehen hat.72 Eine von einem Wohnungseigentümer betriebene Änderung seines Objekts kann daher nur abgewehrt werden, wenn sie mit wesentlichen Interessen der anderen Wohnungseigentümer kollidiert.73 b) Die Beurteilung, ob eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung vorliegt, ist

einzelfallbezogen und nicht revisibel Es kommt dabei auf die Umstände des Einzelfalls an, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind.74 Bei einer derart vorzunehmenden Qualifikation besteht ein Ermessensspielraum. Solange dieser Ermessensspielraum nicht verlassen wird, liegt keine Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG vor (die revisibel wäre, also vom OGH überprüft werden könnte).75 Nur in Fällen einer groben, die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hat der OGH korrigierend einzugreifen. c) Zu den Einwänden im konkreten Fall Zum Sachverhalt: Eine derartige Fehlbeurteilung liegt hier aber nicht vor. Wenn das Rekursgericht die Interessen der Antragsgegnerin durch die Auswirkungen des geplanten Liftanbaus auf die bestehende Parkplatzordnung nicht als wesentlich beeinträchtigt im Sinne des § 16 Abs 2 Z 1 WEG sieht, beruht dies letztlich auf der Berücksichtigung der nicht

72 RIS-Justiz RS0083236. 73 RIS-Justiz RS0101801 [T1], RS0083309 [T8]. 74 RIS-Justiz RS0083309; vgl RS0109643. 75 RIS-Justiz RS0083309 [T9; T16]; RS0109643 [T10, T11].

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unvertretbar angenommenen schuldrechtlichen Beziehungen der Wohnungseigentümer untereinander.76 Auch der vom Rekursgericht daraus gezogene Schluss stellt – angesichts des bei einer solchen Entscheidung bestehenden Ermessensspielraums – keine aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung dar.77 Die Antragsgegnerin sieht eine massive Verletzung ihrer schutzwürdigen Interessen auch darin, dass der Liftanbau die nach dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) geforderte Schaffung eines barrierefreien Zugangs zu dem in ihren Wohnungseigentumsobjekten geführten Beherbergungsbetrieb unmöglich mache. Dabei geht sie allerdings nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Durch den Liftanbau werden die Möglichkeiten der Schaffung eines barrierefreien Zugangs zwar beschränkt, sie werden der Antragsgegnerin aber nicht zur Gänze genommen. Mit den Ausführungen des Rekursgerichts zu der tatsächlich möglichen, rechtlich zulässigen und die schutzwürdigen Interessen der Antragsgegnerin im Sinn des § 16 Abs 2 Z 1 WEG nicht beeinträchtigenden Gestaltungsvariante setzt sich diese in ihrem Revisionsrekurs nicht auseinander. Der OGH ist auch im Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz. Fragen der Beweiswürdigung sind daher nicht revisibel (dh einer Überprüfung durch den OGH, der reine Rechtsinstanz ist, nicht zugänglich).78

Zum Sachverhalt: Die Frage, ob im Zusammenhang mit der von der Antragsgegnerin behaupteten Verkehrswertminderung außer den bereits vorliegenden noch weitere Beweise aufzunehmen gewesen wären, gehört zur Beweiswürdigung und ist daher irrevisibel.79

d) Ergebnis der vorliegenden Falls Die Revisionsrekurswerberin zeigt damit insgesamt keine Rechtsfrage auf, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Mangels Vorliegens dieser Voraussetzung des § 52 Abs 2 WEG in Verbindung mit § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs somit unzulässig und zurückzuweisen. Anmerkungen: Die vorliegende Entscheidung betont die bekannte Erkenntnis, dass Fragen der Genehmigungsfähigkeit einer von einem Wohnungseigentümer beabsichtigten Änderung seines Wohnungseigentumsobjekts (mit oder ohne Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft) einer Beurteilung des Einzelfalls unterliegt, deren Ergebnis aufgrund des dem Gericht explizit eingeräumten Ermessensspielraums nicht verlässlich vorhergesehen werden kann. Daran ändert auch die im vorliegenden Fall angesprochene Präzisierung, dass nicht jegliche, sondern nur wesentliche Beeinträchtigungen der schutzwürdigen Interessen der

76 Gemeint sind offenbar jene schuldrechtlichen Beziehungen, die sich aus der Parkplatzordnung ergeben und

den beteiligten Miteigentümer durchsetzbare Ansprüche (auf Verwendung der ihnen zugewiesenen Stellplätze) einräumen.

77 Vgl 5 Ob 71/09s. 78 RIS-Justiz RS0007236 [T3, T4], RS0043414 [T11]. 79 RIS-Justiz RS0043414 [T9, T10].

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übrigen Wohnungseigentümer der Genehmigungsfähigkeit einer Änderung entgegenstehen können, nichts. Schließlich liegt ja Beurteilung, wo genau die Grenze zwischen (noch) unwesentlichen und (schon) wesentlichen Beeinträchtigungen verläuft, wiederum im Auge des Betrachters. Für Wohnungseigentümer, die sich im Außerstreitverfahren gegen eine Genehmigung aussprechen, stellt sich jedenfalls im Beweisverfahren die Herausforderung, der beabsichtigten Änderung mit möglichst überzeugenden Argumenten entgegenzutreten. Im vorliegenden Fall (Errichtung einer Liftanlage an der Fassade des Hauses) ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass es – zumal mit der beabsichtigten Änderung ja (auch) allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden – neben der Erfüllung der Negativvoraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 WEG auch der Erfüllung einer der beiden positiven Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG (die Änderung entspricht der Übung des Verkehrs oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers) bedarf, auf welche der OGH hier aber mangels Verfahrensgegenständlichkeit nicht eingehen musste. *** § 16 Abs 2 Z 2 WEG

Zu Trenndecken und Trennwänden der Wohnungseigentumsobjekte als allgemeine Teile der Liegenschaft OGH 4.5.2017, 5 Ob 75/17s

Der OGH (5 Ob 75/17s) hat festgestellt, dass eine Trenndecke (bzw auch Trennwand) nicht nur dann als allgemeiner Teil der Liegenschaft zu qualifizieren ist, wenn sie ein Wohnungseigentumsobjekt gegenüber (anderen) allgemeinen Teilen der Liegenschaft oder anderen Wohnungseigentumsobjekten abgrenzt, sondern auch dann, wenn sie ein Wohnungseigentumsobjekt von seinem eigenen Zubehör trennt. Demzufolge bedarf ein baulicher Eingriff in diese Außenbegrenzung im Sinne des § 16 Abs 2 Z 2 WEG der Zustimmung aller übrigen Miteigentümer. Rechtlicher Hintergrund: Nach § 16 Abs 2 WEG ist der Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt; dabei gilt Folgendes: Die Änderung darf weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben (Z 1). Werden für eine Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, so muss die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen (Z 2). Erweist sich eine Änderung als genehmigungsbedürftig (= genehmigungspflichtig), weil das Vorliegen einer der genannten Voraussetzung für das Änderungsrecht zweifelhaft ist, so bedarf es der Zustimmung aller Wohnungseigentümer (= Sachverfügung nach § 828 Abs 1 ABGB), die aber keinen Formvorschriften unterliegt und daher auch stillschweigend erteilt

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werden kann. Eine fehlende Zustimmung kann auf Antrag bei Vorliegen aller negativen Voraussetzungen (§ 16 Abs 2 Z 1 WEG) – sowie bei Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft auch der positiven (§ 16 Abs 2 Z 2 WEG) Voraussetzungen – durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden (§ 52 Abs 1 Z 2 WEG), der somit über die Genehmigungsfähigkeit einer genehmigungsbedürftigen Maßnahme zu entscheiden hat. Wird eine Änderung vorgenommen, für die weder die (wenngleich bloß stillschweigend erteilte) Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer noch ein (diese Zustimmung ersetzender) Beschluss des Außerstreitrichters vorliegt, so liegt eine eigenmächtige Änderung vor, gegen die sich die übrigen Wohnungseigentümer mit Unterlassungs- oder Beseitigungsklage nach § 523 ABGB im streitigen Rechtsweg zur Wehr setzen können. Der Streitrichter hat in einem solchen Fall nur die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung sowie die eigenmächtige Rechtsanmaßung als Vorfragen über die Berechtigung des Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehrens zu prüfen, nicht jedoch die Genehmigungsfähigkeit. Sachverhalt: Die Streitteile sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****, auf der ein Mehrparteienhaus errichtet ist. Mit den Miteigentumsanteilen der Beklagten ist Wohnungseigentum am Objekt W 1 verbunden, das im Hochparterre des Hauses liegt. Im Souterrain des Hauses befinden sich direkt unter der Wohnung im Hochparterre die dem Objekt der Beklagten zugehörigen Kellerräume. Ursprünglich gab es außen am Haus einen Anbau, der es ermöglichte, von der Wohnung im Hochparterre über eine Stiege in den Garten und über einen weiteren Stiegenabgang in den Keller zu gelangen. Die Beklagte ließ diesen Anbau entfernen und einen Durchbruch in der Decke zwischen dem Hochparterre und dem Souterrain herstellen, um einen Stiegenabgang direkt vom Objekt W 1 zu den Kellerräumlichkeiten zu errichten. Die Zustimmung sämtlicher Mit- und Wohnungseigentümer zu dieser Baumaßnahme liegt nicht vor. Gestützt auf das Eigentumsrecht begehrten die Kläger die Unterlassung der von der Beklagten in Auftrag gegebenen Baumaßnahme, die Entfernung des Durchbruchs und die Wiederherstellung eines der geltenden Baubewilligung entsprechenden Zustands. Das Berufungsgericht bestätigte das der Klage stattgebende Urteil des Erstgerichts und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil „eine einheitliche und ausdrückliche höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, ob eine Geschossdecke, die ausschließlich innerhalb eines Wohnungseigentumsobjekts, welches sich über zwei Geschosse erstreckt, liegt, als allgemeiner Teil der Liegenschaft zu bewerten ist, fehlt“. Rechtliche Beurteilung des OGH: a) Zur Genehmigungsbedürftigkeit einer unter § 16 Abs 2 WEG zu subsumierenden

Änderung

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Schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit- und Wohnungseigentümer verpflichtet den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht oder setzt er sich über den Widerspruch eines anderen Miteigentümers hinweg, handelt er in unerlaubter Eigenmacht, insofern rechtswidrig und kann im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung, gegebenenfalls auch zur Unterlassung künftiger Änderungen, verhalten werden.80 Die Genehmigungsfähigkeit einer Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG ist vom Streitrichter nicht als Vorfrage zu prüfen, sondern ausschließlich die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderungen, ob sie also überhaupt § 16 Abs 2 WEG zu unterstellen sind.81 b) Zur „Außenhaut“ und zu Außenbegrenzungen als allgemeine Teile der Liegenschaft Zu den allgemeinen Teilen des Hauses gehört im Lichte des § 16 Abs 2 Z 2 WEG jedenfalls die sogenannte „Außenhaut“82, aber auch die zwischen zwei Geschoßen eingezogene Decke83, jedenfalls wenn sie eine Außenbegrenzung des Bestandobjekts bildet oder ihr sonst eine für das Gebäude tragende Funktion zukommt.84 Zum Sachverhalt: Nach den Feststellungen liegen im Souterrain des Hauses die der Wohnung W 1 zugeordneten Kellerräumlichkeiten. Auch die Beklagte geht in ihrer Revision davon aus, dass die in ihrem Auftrag durchbrochene Geschossdecke den Keller von der darüber gelegenen Wohnung trennt. c) Auch eine Trenndecke/Trennwand zwischen einem – baulich abgeschlossenen –

Wohnungseigentumsobjekt und einem mit ihm rechtlich verbundenen Zubehörobjekt ist als Außenbegrenzung des Wohnungseigentumsobjekts und damit als allgemeiner Teil der Liegenschaft zu qualifizieren

Eine Wohnung im Sinne des § 2 Abs 2 WEG ist ein baulich abgeschlossener, nach der Verkehrsauffassung selbständiger Teil eines Gebäudes, der nach seiner Art und Größe geeignet ist, der Befriedigung eines individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen. Mit dieser Begriffsumschreibung hat das WEG 2002 das schon bis dahin nach der Verkehrsauffassung und höchstgerichtlicher Rechtsprechung gegebene Verständnis normiert.85 Demgegenüber ist Zubehör-Wohnungseigentum nach § 2 Abs 3 Satz 1 WEG das mit dem Wohnungseigentum verbundene Recht, andere, mit dem Wohnungseigentumsobjekt baulich nicht verbundene Teile der Liegenschaft, wie Keller- und Dachbodenräume,

80 RIS-Justiz RS0083156; vgl auch RS0012137; RS0012112. 81 RIS-Justiz RS0083156 [T1; T3; T5; T6; T14; T20]; siehe bereits oben zum rechtlichen Hintergrund. 82 RIS-Justiz RS0069976; RS0083334. 83 RIS-Justiz RS0082890. 84 Vgl 5 Ob 206/16d. 85 5 Ob 162/10z mit weiteren Nachweisen.

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Hausgärten oder Lagerplätze ausschließlich zu nutzen. Dabei handelt es sich um eine rechtliche Verbindung, die – neben der in § 2 Abs 3 Satz 2 umschriebenen Zubehörtauglichkeit – eine entsprechende Widmung voraussetzt.86 Zum Sachverhalt: Ist – wie hier – nicht strittig, dass es sich bei den im Souterrain befindlichen Räumen, die unterhalb der Wohnung im Hochparterre liegen, um Kellerräume, die ohne Inanspruchnahme von in ausschließlicher Nutzung anderer Miteigentümer stehender Teil aus erreicht werden konnten, und damit um Zubehör-Wohnungseigentum gemäß § 2 Abs 3 WEG handelt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Trenndecke das eigentliche Wohnungseigentumsobjekt, dem diese Räumlichkeiten rechtlich zugeordnet sind, abgrenzt und damit eine Außenbegrenzung der Wohnung bildet.87 Als Außenbegrenzung ist die Trenndecke nach ganz einheitlicher Auffassung aber schon begrifflich nicht Bestandteil des Wohnungseigentumsobjekts, sondern allgemeiner Teil des Hauses.88 Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Frage, die das Vorliegen eines sich über zwei Stockwerke erstreckenden Wohnungseigentumsobjekts (Maisonette) zugrunde liegen hat, stellt sich hier daher gar nicht. d) Ergebnis des vorliegenden Falls Zum Sachverhalt: Da die Beklagte auch sonst keine Rechtsfragen von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO anspricht, ist ihre Revision entgegen dem den OGH nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass es noch einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO). Anmerkungen: Die verfahrensgegenständliche Trenndecke wurde somit als allgemeiner Teil der Liegenschaft qualifiziert. Ein Eingriff in diese Trenndecke kann daher nicht als bloß “innenseitige“ bauliche Änderung bezeichnet werden, die grundsätzlich – sofern Beeinträchtigungen schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer und natürlich auch Gefahren für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen (vgl § 16 Abs 2 Z 1 WEG) ausgeschlossen werden können – nicht der Zustimmung der übrigen Miteigentümer bedarf. Vielmehr handelt es sich um eine Änderung unter Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft, die jedenfalls 86 5 Ob 218/13i; RIS-Justiz RS0118149. Entscheidend für die Widmung eines Wohnungseigentums-

Zubehörobjekts (§ 2 Abs 3 WEG) ist somit die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer, die in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag erfolgt. Vgl RIS-Justiz RS0120725. Siehe aus der jüngeren Zeit etwa 5 Ob 105/16a = Newsletter vom 28. Dezember 2016, 5 Ob 117/16s = Newsletter vom 7. September 2016, 5 Ob 224/15z = Newsletter vom 29. Juni 2016, 5 Ob 53/15b = Newsletter vom 7. Oktober 2015 und 5 Ob 100/14p = Newsletter vom 19. November 2014.

87 Daran würde sich nach Ansicht des OGH auch nichts ändern, wollte man – wegen der ursprünglich über den Stiegenabgang vom Hochparterre über den Garten gegebenen Erreichbarkeit – diese Räumlichkeiten nach dem im Zeitpunkt der Wohnungseigentumsbegründung geltenden § 1 Abs 2 WEG 1975 als mit der Wohnung W 1 (direkt) verbundenes Zubehör qualifizieren. Auch bei dieser Annahme blieben die Räumlichkeiten im Souterrain Zubehör-Wohnungseigentum und die Trenndecke zum Kellergeschoß (Souterrain) Außenbegrenzung des Wohnungseigentumsobjekts (§ 2 Abs 2 WEG).

88 Vgl 5 Ob 206/16d; RIS-Justiz RS0082890.

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genehmigungsbedürftig ist, und deren Genehmigungsfähigkeit (die mangels Zustimmung aller übrigen Miteigentümer im Außerstreitverfahren zu beurteilen ist) nicht nur nach den Prämissen des § 16 Abs 2 Z 1 WEG, sondern auch nach jenen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG geprüft werden muss. Im Hinblick darauf, dass im vorliegenden Fall die gegenständliche Trennecke gerade nicht innerhalb eines Wohnungseigentumsobjekts verläuft, sondern das Wohnungseigentumsobjekt von seinem – per definitionem baulich mit ihm nicht verbundenen (vgl § 2 Abs 3 WEG) – Zubehör abgrenzt, ist diese Entscheidung völlig folgerichtig. Vgl zu Durchbrüchen durch die „Außenhaut“ bzw Außenbegrenzung eines Wohnungseigentumsobjekts als Änderungen im Sinne des § 16 Abs 2 Z 2 WEG insbesondere auch die Entscheidungen 5 Ob 102/16k = Newsletter vom 24. August 2016, 5 Ob 160/14m = Newsletter vom 24. Juni 2015, 5 Ob 154/13b = Newsletter vom 8. Jänner 2014, 5 Ob 183/12s = Newsletter vom 20. März 2013 und 5 Ob 236/11h = Newsletter vom 15. August 2012. *** § 16 Abs 2 Z 2 WEG

Zur (fehlenden) Genehmigungsfähigkeit des nachträglichen Einbaus einer Fußbodenheizung in ein Wohnungseigentumsobjekt OGH 20.11.2017, 5 Ob 13/17y

Der OGH (5 Ob 13/17y) hat in einer Einzelfallentscheidung die Verneinung der Genehmigungsfähigkeit eines nachträglichen Einbaus einer Fußbodenheizung in ein Wohnungseigentumsobjekt als vertretbar erachtet. Die fehlende Verkehrsüblichkeit wurde in diesem Verfahren vor allem unter Hinweis darauf begründet, dass es sich um ein Gebäude aus den 1970er-Jahren mit zentralem Heizsystem handle, in welchem die Umrüstung der Heizung in einem Wohnungseigentumsobjekt (samt notwendiger Umstellung der Methode der Wärmemengenmessung in diesem Objekt) weitreichende Konsequenzen für die Verteilung der Verbrauchskosten zeitige. Ein wichtiges Interesse könne wiederum nicht alleine auf Zweckmäßigkeitserwägungen (wie etwa eine bloße positive Beeinflussung des subjektiven Wärmeempfinden) gestützt werden. Rechtlicher Hintergrund: Nach § 16 Abs 2 WEG ist der Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt; dabei gilt Folgendes: Die Änderung darf weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben (Z 1). Werden für eine Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, so muss die Änderung überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen (Z 2).

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Erweist sich eine Änderung als genehmigungsbedürftig (= genehmigungspflichtig), weil das Vorliegen einer der genannten Voraussetzung für das Änderungsrecht zweifelhaft ist, so bedarf es der Zustimmung aller Wohnungseigentümer (= Sachverfügung nach § 828 Abs 1 ABGB), die aber keinen Formvorschriften unterliegt und daher auch stillschweigend erteilt werden kann. Eine fehlende Zustimmung kann auf Antrag bei Vorliegen aller negativen Voraussetzungen (§ 16 Abs 2 Z 1 WEG) – sowie bei Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft auch der positiven (§ 16 Abs 2 Z 2 WEG) Voraussetzungen – durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden (§ 52 Abs 1 Z 2 WEG), der somit über die Genehmigungsfähigkeit einer genehmigungsbedürftigen Maßnahme zu entscheiden hat. Sachverhalt: Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr die vom Antragsteller begehrte Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegner zu der von ihm bereits durchgeführten Installation einer Niedertemperatur-Fußbodenheizung in der Küche seiner Wohnung W 20 im Haus ***** samt Subwärmezähler in den Wohnungen W 20 und W 16 sowie die Installation eines Gesamtwärmezählers in der Heizanlage der Liegenschaft. Das Erstgericht gab dem Antrag statt. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der 115. und 116. Antragsgegner Folge und wies den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung insoweit ab. Nach Berichtigung sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands diesbezüglich 10.000 EUR übersteige. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es nicht zu. Rechtliche Beurteilung des OGH: a) Die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer von einem Wohnungseigentümer

beabsichtigten Änderung seines Wohnungseigentumsobjekts ist eine Entscheidung des Einzelfalls

Bei der Zulässigkeit von Änderungen am Wohnungseigentumsobjekt im Sinne des § 16 Abs 2 WEG ist auf den Einzelfall abzustellen, wobei alle in Betracht kommenden Umstände bei der Interessenbeeinträchtigung zu berücksichtigen sind.89 Bei einer solchen Entscheidung besteht ein dem Außerstreitrichter vom Gesetzgeber eingeräumter Ermessensspielraum.90 Solange dieser Ermessensspielraum nicht überschritten wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor.91 Nur in Fällen einer groben, die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hätte der OGH korrigierend einzugreifen. Zum Sachverhalt: Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. b) Der nachträgliche Einbau einer Fußbodenheizung in ein Wohnungseigentumsobjekt

in einem Gebäude aus den 1970er-Jahren mit zentralem Heizsystem, der (aufgrund

89 RIS-Justiz RS0083309. 90 RIS-Justiz RS0083309 [T13]. 91 RIS-Justiz RS0083309 [T9].

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der damit zwingend verbundenen Umstellung der Methode der Wärmemengenmessung) Konsequenzen für die Verteilung der Verbrauchskosten zeitigt, ist nicht verkehrsüblich

Zum Sachverhalt: Bereits das Rekursgericht konzedierte, in einem Neubau möge die Installation von Fußbodenheizungen und die Verbrauchsmessung mit Wärmemengenzählern der Übung des Verkehrs entsprechen, verneinte die Verkehrsüblichkeit im konkreten Fall aber im Hinblick darauf, dass es sich um einen Altbau aus den 70er-Jahren mit einem einheitlich zentralen Heizungssystem handle, in dem der Verbrauch über Verdunstungsmesser abgerechnet werde und wo die Genehmigung der Umrüstung in einer einzigen Wohnung weitreichende Konsequenzen für die Verteilung der Verbrauchskosten habe. Diese Beurteilung ist vertretbar. Auch der Antragsteller bezweifelt nicht, dass die Installation der Fußbodenheizung zur Inanspruchnahme allgemeiner Teile (durch die gebotene Anbringung eines Heizestrichs und Verlegung der dazu erforderlichen Leitungen) führt. Diese Änderung des Heizsystems in seinem Objekt erfordert nach den Feststellungen überdies die Errichtung eines Hauptzählers (Wurzelzählers) im Kesselhaus, der die Gesamtwärme für die Raumheizung zählen muss. Die Installation der Fußbodenheizung im Objekt des Antragstellers hat nach den Feststellungen die Folge, dass eine Wärmemengenmessung im Weg der zuvor vorhandenen Verdunstungszähler (HKV V) technisch nicht mehr möglich ist, vielmehr ist nun eine Wärmemengenmessung nach dem Durchflusssystem mittels Wärmemengenzähler für flüssige Wärmeträger (WZ) erforderlich. Diese Art der Verbrauchsmessung widerspricht nach den Feststellungen allerdings dem Punkt XI des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrags, wonach 30 % der Kosten des Betriebs der Zentralheizung der zentralen Wärmeaufbereitungsanlage im Verhältnis der Nutzflächen der Wohnungen aufzuteilen sind, während die restlichen 70 % aufgrund der Ableseergebnisse auf den Wärmemengenzählern, die an den Heizkörper montiert sind bzw der Ableseergebnisse der Warmwasserzähler festgestellt und nach Quantitäten berechnet und den einzelnen Wohnungseigentümern bekanntgegeben werden. Es ist zwar technisch möglich, den Wärmeverbrauch für die Raumheizung in den Wohnungen des Antragstellers mittels Wärmemengenzählern zu erfassen, es bedarf allerdings dafür eines Zuschlags für Leitungsverluste (dessen Höhe davon abhängt, ob die verlegten Leitungen saniert wurden oder nicht). Dass in irgendeinem anderen Objekt der Wohnungseigentumsanlage bereits Fußbodenheizungen oder Durchflusswärmemengenzähler montiert worden wären, hat der Antragsteller weder behauptet noch wurde dies festgestellt. Wenn das Rekursgericht unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände des Einzelfalls der Entscheidung 5 Ob 113/15a92 folgend, die einen durchaus vergleichbaren Sachverhalt betraf, die Änderung als verkehrsunüblich beurteilte, hat es den ihm zustehenden Ermessensspielraum nicht überschritten. c) Zweckmäßigkeitserwägungen alleine (wie etwa eine bloße positive Beeinflussung

des subjektiven Wärmeempfinden) sind nicht mit einem wichtigen Interesse gleichzusetzen

Zum Sachverhalt: Vergleichbares gilt für die Frage eines wichtigen Interesses des Antragstellers. 92 = Newsletter vom 18. November 2015.

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Darunter ist nicht jeder bloße – auch verständliche oder sogar von erachtenswerten Motiven getragene – Wunsch zu verstehen93, bloße Zweckmäßigkeitserwägungen sind nicht mit einem wichtigen Interesse gleichzusetzen.94 Das wichtige Interesse ist danach zu beurteilen, ob die beabsichtigte Änderung dazu dient, dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen.95 Zum Sachverhalt: Dass es dem Antragsteller nicht möglich gewesen wäre, die Wohnküche seines Objekts mit der bisherigen Heizung in einer dem üblichen Standard entsprechenden Weise zu nutzen, behauptet er gar nicht. Auch die bereits zitierte Entscheidung 5 Ob 113/15a96 ging im Fall der nachträglichen Umrüstung einer Fußbodenheizung von einem Hoch- auf ein Niedrigtemperatursystem davon aus, dass eine bloße positive Beeinflussung des subjektiven Wärmeempfindens der Bewohner nicht zwingend ein wichtiges Interesse begründe. Diese Grundsätze hat das Rekursgericht auf den hier zu beurteilenden Fall in vertretbarer Weise angewendet. d) Sowohl Verkehrsüblichkeit als auch wichtiges Interesse sind nicht nach einem

abstrakten Stand der Technik, sondern nach der Beschaffenheit des betreffenden Hauses und seines Umfelds zu beurteilen

Zum Sachverhalt: Der Umstand, dass sich die Ö-Norm M 5930 mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Wohnungsnutzer, der keine Verdunstungszähler (HKV V) mehr hat, stattdessen Wärmemengenzähler zum Einsatz bringen kann und in welchem Umfang er sich dabei einen Zuschlag für Leitungsverluste anrechnen lassen muss, ändert an der Beurteilung des Rekursgerichts nichts. Die Ö-Norm M 5930 hat die Heizkostenabrechnung nach dem HeizKG zum Inhalt, sie mag insoweit den Stand der Technik darstellen.97 Allerdings sind sowohl die Verkehrsüblichkeit als auch das wichtige Interesse nicht nach dem im Ö-Normen ersichtlichen Stand der Technik, sondern nach der Beschaffenheit des betreffenden Hauses und seines Umfelds sowie der Ermöglichung einer dem üblichen Standard entsprechenden Nutzung des Objekts zu beurteilen.98 e) Entscheidung des vorliegenden Falls Zum Sachverhalt: Dass es sich bei der Installation der Fußbodenheizung anstelle der Radiatoren um eine im Sinne des § 16 Abs 2 Z 2 WEG privilegierte Maßnahme gehandelt hätte, bei der – unwiderlegbar – zu vermuten wäre, dass sie der Übung des Verkehrs entspreche bzw einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers diene, behauptete der Antragsteller im Verfahren erster Instanz gar nicht.

93 RIS-Justiz RS0083341. 94 RIS-Justiz RS0110977. 95 5 Ob 157/15x = Newsletter vom 10. Februar 2016. 96 = Newsletter vom 18. November 2015. 97 RIS-Justiz RS0062077 [T8]. 98 5 Ob 157/15x = Newsletter vom 10. Februar 2016.

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Im Übrigen wurde in der Judikatur zur Parallelbestimmung des § 9 Abs 2 Z 1 MRG bereits ausgesprochen99, dass der Anschluss eines Kaminofens – zusätzlich zur bestehenden Heizung – nur zur Schaffung eines behaglicheren Raumklimas keine privilegierte Maßnahme im Sinne des § 9 Abs 1 Z 2 MRG darstelle bzw die Errichtung einer eigenen Beheizungsanlage unter Abkoppelung von der funktionierenden Zentralheizung im Haus nicht § 9 Abs 2 Z 1 MRG zu unterstellen sei. Auch in den Entscheidungen 5 Ob 113/15a100 und 5 Ob 33/16p101 wurde im Zusammenhang mit der Umgestaltung von Heizungsanlagen jeweils die Verkehrsüblichkeit bzw das wichtige Interesse des Antragstellers geprüft und somit eine Privilegierung dieser bloßen Umgestaltungsmaßnahmen verneint. Zum Sachverhalt: Auch insoweit liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine wesentliche Rechtsfrage auf. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen. Anmerkung: Die Entscheidung fügt sich in die ständige Rechtsprechung des OGH. Das Höchstgericht beurteilt in jüngerer Zeit das wichtige Interesse des Wohnungseigentümers an der beabsichtigten Änderung im Sinne des § 16 Abs 2 Z 2 WEG mitunter nicht mehr allzu streng, wenn er davon ausgeht, dass umso geringere Anforderungen an die Wichtigkeit des Interesse zu stellen sind, je geringer die Inanspruchnahme allgemeiner Teile ist.102 An der der eigentlichen Grundvoraussetzung für das wichtige Interesse, dass nämlich der Status Quo eine dem heute üblichen Standard entsprechend Nutzung nicht zulässt, ist indes festzuhalten. Zwischen dem an der ortüblichen Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts orientierten wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers im Sinne des § 16 Abs 2 Z 2 WEG und bloßen an Komfort- und Wertsteigerungswünschen des Wohnungseigentümers ausgerichteten Zweckmäßigkeitsüberlegungen ist also zu differenzieren, wenngleich die Unterscheidung naturgemäß nur einzelfallbezogen vorgenommen werden kann. Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass sowohl die Verkehrsüblichkeit als auch das wichtige Interesse nicht abstrakt (etwa in Ansehung eines Stands der Technik, wie er sich insbesondere aus Ö-Normen ergibt) zu beurteilen sind, sondern nach der Beschaffenheit des betreffenden Hauses und seines (näheren) Umfelds. *** § 17 Abs 2 WEG (und § 52 Abs 1 Z 3 WEG)

Eine gerichtliche Benützungsregelung hat die Schaffung von Sondernutzungsrechten zu beinhalten OGH 27.6.2017, 5 Ob 7/17s

99 5 Ob 232/16b. 100 = Newsletter vom 18. November 2015. 101 = Newsletter vom 17. August 2016. 102 Vgl etwa 5 Ob 183/12s = Newsletter vom 20. März 2013, 5 Ob 154/13b = Newsletter vom 8. Jänner 2014, 5

Ob 150/14s = Newsletter vom 18. März 2015 und 5 Ob 39/15v = Newsletter vom 9. September 2015.

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Der OGH (5 Ob 7/17s) hat in einer aktuellen Entscheidung festgestellt, dass die Schaffung von Sondernutzungsrechten an bestimmten Teilen der gemeinsamen Sache notwendiger Inhalt einer gerichtlichen Benützungsregelung gemäß § 17 Abs 2 WEG ist. Ein Begehren, das nicht auf die rechtsgestaltende Zuweisung ausschließlicher Benützungsrechte, sondern auf Widmungsfragen abzielt, ist von § 17 Abs 2 WEG nicht erfasst und daher abzuweisen. Rechtlicher Hintergrund: Jeder Wohnungseigentümer kann gemäß § 17 Abs 2 WEG eine gerichtliche Regelung über die Benützung der verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft oder die gerichtliche Abänderung einer bestehenden Regelung aus wichtigen Gründen beantragen. Sachverhalt: Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die Antragstellerinnen beantragten (unter Berufung auf die §§ 17 Abs 2, 52 Abs 1 Z 3 WEG und § 835 ABGB) eine gerichtliche Benützungsregelung hinsichtlich der verfügbaren gemeinschaftlichen Räumlichkeiten und Flächen im Keller des Hauses dergestalt, dass im Sinne der ursprünglichen Widmung laut Wohnungseigentumsvertrag der als „Trockenraum“ bezeichnete Raum als gemeinschaftlicher Trockenraum genutzt werde, der als „Waschküche“ bezeichnete Raum als gemeinschaftliche Waschküche, der mit „Fahrräder/Kinderwägen“ bezeichnete Raum als Fahrradabstellraum und die nicht abgeschlossene, als „Hackplatz“ bezeichnete Fläche im Keller als Raum zur Aufbewahrung der gemeinschaftlichen Haus- und Gartengeräte.

Die Antragsgegner wandten ein, die Mehrheit der Parteien im Haus sei mit der seit den 1970er-Jahren geübten Gebrauchsordnung einverstanden. Es liege demnach bereits eine Benützungsregelung vor und ein wichtiger Grund zu deren Änderung sei nicht gegeben. Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Wohnungseigentümer hätten – noch im zeitlichen Anwendungsbereich des WEG 1975 und daher rechtswirksam – durch jahrelange widerspruchslose Nutzung eine schlüssige Benützungsregelung getroffen. Die Antragstellerinnen seien in diese auch ausreichend bestimmte Benützungsregelung eingetreten. Einen wichtigen Grund, der die Änderung dieser Benützungsregelung rechtfertige, hätten die Antragstellerinnen nicht aufgezeigt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerinnen nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass aufgrund der jahrelangen widerspruchslosen Nutzung durch die Miteigentümer eine Benützungsregelung bestehe und die Antragstellerinnen in diese schlüssig eingetreten seien. Hinsichtlich der Bestimmtheit seien an eine als Abstellraum genutzte Allgemeinfläche keine besonderen Anforderungen zu stellen. Den Feststellungen des Erstgerichts sei einwandfrei zu entnehmen, welche Funktion den einzelnen gemeinschaftlichen Flächen im Keller des Hauses zukämen. Solle eine nähere Ausgestaltung des Gebrauchs allgemeiner Teile einer Liegenschaft erfolgen, könne dies nur im Rahmen einer Hausordnung gemäß § 28 Abs 1 Z 7 WEG erfolgen. Die von den Antragstellerinnen behauptete allfällig ausufernde Nutzung der Flächen sei nicht im Anlassverfahren über die Benützungsregelung (Raumaufteilung) zu beurteilen. Ein wichtiger Grund für eine Abänderung der bestehenden

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 39

Benützungsregelung liege nicht vor. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Auf Antrag der Antragstellerinnen änderte das Rekursgericht diesen Zulassungsausspruch gemäß § 63 Abs 3 AußStrG dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs zugelassen werde.

In ihrem Revisionsrekurs rügen die Antragstellerinnen die Unrichtigkeit der rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichts. Sie beantragen, den angefochtenen Sachbeschluss dahin abzuändern, dass ihrem Antrag Folge gegeben werde. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Die Antragsgegner beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung des OGH: Zum Sachverhalt: Der Revisionsrekurs ist – entgegen dem den OGH nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 71 Abs 1 AußStrG) – nicht zulässig und wird mangels Notwendigkeit der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 52 Abs 2 WEG und § 37 Abs 3 Z 16 MRG) zurückgewiesen. Allgemeine Teile der Liegenschaft stehen im ideellen Miteigentum aller Wohnungseigentümer. Nach allgemeinen Grundsätzen steht der Gebrauch einer im Miteigentum stehenden Sache jedem Teilhaber grundsätzlich soweit zu, als dadurch der konkrete Gebrauch der anderen nicht gestört wird. Zum Wesen einer Benützungsregelung gehört es daher, diese allgemeinen Gebrauchsbefugnisse eines Mit- und Wohnungseigentümers (und nur dieser) in Sondernutzungsrechte an bestimmten Teilen der gemeinsamen Sache umzugestalten.103 Zum Sachverhalt: Das Begehren der Antragstellerinnen ist zwar auf Erlassung einer Benützungsregelung „gemäß § 17 Abs 2 WEG“ gerichtet. Was sie mit ihrem Antrag inhaltlich durchsetzen wollen, ist aber nicht die Zuweisung von Sondernutzungsrechten, sondern – je nach Sichtweise – die Klarstellung, Änderung oder Rückkehr zur ursprünglichen spezifischen Widmung bestimmter allgemeiner Teile. Die Antragstellerinnen fordern also weder für sich noch andere Miteigentümer Sonderrechte durch Zuweisung ausschließlicher Benützungsrechte an den fraglichen Räumen und Flächen ein. Ein solches Begehren, das auf eine gleichartige Nutzung von allgemeinen Teilen durch alle Mit- und Wohnungseigentümer gerichtet ist, widerspricht der Rechtsnatur einer Benützungsregelung nach § 17 Abs 2 WEG. Ein Begehren, das nicht auf die rechtsgestaltende Zuweisung ausschließlicher Benützungsrechte abzielt und daher den materiellen Erfordernissen einer Benützungsregelung nicht Rechnung trägt, ist von § 17 Abs 2 WEG nicht erfasst und abzuweisen.104 ***

103 5 Ob 205/03p, 5 Ob 182/14x =RIS-Justiz RS0118535 [T1], RS0105691 [T6], RS0013633 [T1], RS0013206

[T17]. 104 5 Ob 182/14x =

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 40

§ 18 Abs 1 WEG (und § 37 Abs 5 WEG) Zur Existenz der Eigentümergemeinschaft trotz nichtiger Wohnungseigentumsbegründung, solange im Grundbuch Wohnungseigentum ausgewiesen ist OGH 29.8.2017, 5 Ob 137/17h

Der OGH (5 Ob 137/17h) hat festgestellt, dass die Eigentümergemeinschaft als Verwaltungseinheit mit eigener Rechtspersönlichkeit selbst dann noch Bestand haben muss, wenn die der Wohnungseigentumsbegründung zugrundeliegende Nutzwertberechnung, etwa weil nicht zum Wohnungseigentum taugliche Objekte miteinbezogen worden seien, unrichtig und die darauf fußende Wohnungseigentumsbegründung nichtig sollte. Damit ist die Eigentümergemeinschaft – vergleichbar dem Vorgründungsstadium – auch zur Einhebung der Beiträge zu den Aufwendungen für die Liegenschaft und der Rücklage berechtigt. Sachverhalt: Die klagende Eigentümergemeinschaft begehrte von der beklagten Mit- und Wohnungseigentümerin 5.397,62 EUR bzw 7.931,97 EUR sA an rückständigen Wohnbeiträgen und Betriebskostenakonti. Die beklagte Wohnungseigentümerin wendete – soweit im Revisionsverfahren noch von Relevanz – ein, mangels wirksamer Begründung von Wohnungseigentum liege schlichtes Miteigentum vor, weswegen es sowohl an der Aktivlegitimation der Klägerin als auch der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts fehle. Das Nutzwertgutachten sei unrichtig und entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen, sodass der Grundbuchstand zwischen den Streitparteien keine Gültigkeit entfalte. Das Erstgericht verneinte die von der Beklagten behauptete Nichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung.

Es bejahte dementsprechend die Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft, erkannte die Klageforderungen als jeweils zu Recht: eine von der Beklagten eingewendete Gegenforderungen als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung der begehrten Beträge.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Aufwendungen für die Liegenschaft seien alle liegenschafts- und verwaltungsbezogenen Auslagen, die der Eigentümergemeinschaft erwachsen, und umfassten alle Kosten, die mit der Bewirtschaftung, Erhaltung und Verbesserung der Liegenschaft im Zusammenhang stünden, einschließlich der Beiträge zur Rücklage. Diese Kosten seien nach § 32 Abs 1 WEG grundsätzlich nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen. Maßgeblich für den Verteilungsschlüssel sei grundsätzlich der Grundbuchstand bei Ende der Abrechnungsperiode. Eine allfällige Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Gegebenheiten und dem Grundbuchstand sowie das der Wohnungseigentumsbegründung zugrundeliegende Nutzwertgutachten seien hier nicht zu prüfen. Schon wegen des abgeschlossenen Wohnungseigentumsvertrags komme

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das WEG zur Anwendung, sodass die Klägerin für das gegenständliche Verfahren aktiv legitimiert sei.

Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht über Antrag der Beklagten gemäß § 508 ZPO für zulässig, weil es „vor dem Hintergrund der Entscheidung 5 Ob 4/06h“ nicht ausgeschlossen erscheine, dass die behauptete Nichtigkeit des zugrundeliegenden Wohnungseigentumsvertrags als Vorfrage (für die Anwendbarkeit des WEG) zu prüfen sei. Rechtliche Beurteilung des OGH: a) Zum Verfahrensgegenstand Zum Sachverhalt: Die Beklagte releviert in ihrer Revision nur noch Fragen, die sich aus der von ihr bestrittenen Aktivlegitimation der klagenden Eigentümergemeinschaft ableiten. Die Begründung von Wohnungseigentum sei unwirksam, weil die Parifizierung – aus im Einzelnen dargelegten Gründen – unrichtig erfolgt sei, sodass auch das WEG keine Anwendung finde. b) Zur Unmöglichkeit liegenschaftsübergreifenden Wohnungseigentums Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen (§ 2 Abs 1 WEG). Als dingliches Recht stellt das Wohnungseigentum auf das Miteigentum an einer einzelnen Liegenschaft ab. Unter Liegenschaft ist stets ein gesamter, einheitlicher Grundbuchskörper (vgl § 3 GBG) zu verstehen.105 Das Wohnungseigentumsobjekt muss sich daher zur Gänze auf derselben Liegenschaft befinden. Ein „grenzüberschreitendes Wohnungseigentum“ ist nicht möglich.106 Zuletzt hat der erkennende Senat im Fall einer liegenschaftsübergreifenden Tiefgarage ausgesprochen, dass an einem solchen Objekt Wohnungseigentum nicht wirksam begründet werden könne. Entgegen dem Grundbuchstand sei in einem solchen Fall nicht Wohnungseigentum, sondern schlichtes Miteigentum gegeben.107 Zum Sachverhalt: Einen solchen Fall der (rechtlich) unmöglichen Wohnungseigentumsbegründung an einer liegenschaftsübergreifenden Anlage spricht die Beklagte entgegen ihren Ausführungen in der Revision nicht an, wenn sie meint, die Begründung von Wohnungseigentum sei deswegen unwirksam, weil ein Teil der Zufahrt zu einem ihrer Wohnungseigentumsobjekte über die Nachbarliegenschaft verlaufe, wobei nach ihren Behauptungen insoweit eine Ersitzung vorliegen soll. c) Zur Unwirksamkeit der Wohnungseigentumsbegründung an allgemeinen Teilen der

Liegenschaft Der OGH hat wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung von Wohnungseigentum an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, also Teilen, die der allgemeinen Benützung dienen

105 RIS-Justiz RS0082865. 106 5 Ob 52/14d; RIS-Justiz RS0060192. 107 5 Ob 60/16h = Newsletter vom 2. November 2016; 5 Ob 61/16f.

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und deren Zweckbestimmung einer ausschließlichen Nutzung entgegensteht, unwirksam ist.

Mehrfach wurde etwa die Begründung von Wohnungseigentum an einer Wohnung, die zur Unterbringung des für die Liegenschaft bestellten Hausbesorgers bestimmt ist, als rechtlich unmöglich und eine entgegenstehende Vereinbarung als rechtsunwirksam qualifiziert; aufgrund solcher Vereinbarungen durchgeführte Grundbuchseintragungen seien nichtig.108

Bis zu einer „Rückabwicklung“ seien die „Wohnungseigentümer“ mangels eines dem Gesetz entsprechenden Mindestanteils entgegen dem Grundbuchstand rechtlich nicht Wohnungseigentümer, sondern nur schlichte Miteigentümer.109 Die Bereinigung habe durch eine der wahren Rechtslage entsprechende Neufestsetzung der Nutzwerte zu erfolgen.110 Mehrfach sprechen Entscheidungen des OGH in diesem Zusammenhang von „absoluter, unheilbarer“ Nichtigkeit.111

In der vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung zitierten Entscheidung 5 Ob 4/06h hat der OGH unter Bezugnahme auf § 1 Abs 1 WEG 1975 referiert, dass sowohl der Wohnungseigentumsvertrag als auch dessen Einverleibung im Grundbuch als nichtig (= vernichtbar) angesehen worden seien, wenn an einem Objekt, dem die Wohnungseigentumstauglichkeit fehle, in gesetzwidriger Weise Wohnungseigentum einverleibt worden war. Solange eine rechtskonforme Gestaltung keine geänderte Summe der Nutzwerte/Mindestanteile verlange, solle die Begründung von Wohnungseigentum an der Liegenschaft jedoch nicht insgesamt und abschließend nichtig sein.

Unter Berufung auf Vorjudikatur wurde auch ausgeführt, dass bis zur neuen rechtskonformen vertraglichen Gestaltung am betroffenen Raum nicht Wohnungseigentum, sondern schlichtes Miteigentum bestehe. Nach ebenfalls bereits bestehender Judikatur soll aber dann, wenn eine Korrektur einer fehlerhaften Nutzwertfestsetzung deshalb (momentan) aussichtslos sei, weil kein Wohnungseigentümer bereit sei, den unselbständigen Raum in sein Zubehörwohnungseigentum zu übernehmen, jedenfalls schlichtes Miteigentum sämtlicher Teilhaber mit einer schuldrechtlichen Benützungsregelung an den einzelnen ihnen zugewiesenen Objekten bestehen.112

d) Zur Existenz der Eigentümergemeinschaft (und ihrer Kompetenz zur

Beitragseinhebung) trotz nichtiger Wohnungseigentumsbegründung, solange im Grundbuch Wohnungseigentum ausgewiesen ist

Zum Sachverhalt: Sowohl mit dem Vorbringen, ein Teil der Zufahrt zu ihrem Wohnungseigentumsobjekt würde über die Nachbarliegenschaft verlaufen, als auch mit ihrem Hinweis darauf, in ihrem Wohnungseigentum stehende Räumlichkeiten im Keller des Hauses seien nicht als Wohnungseigentumsobjekte geeignet, spricht die Beklagte Umstände an, die – unterstellt man ihre Richtigkeit – letztlich durch eine der Rechtslage entsprechende Nutzwertfestsetzung – allenfalls in Verbindung mit baulichen Maßnahmen – bereinigt

108 RIS-Justiz RS0082983; RS0082927. 109 RIS-Justiz RS0114510. 110 5 Ob 1/91; 5 Ob 18/14d mit weiteren Nachweisen. 111 ZB 5 Ob 153/86; 5 Ob 226/07g. 112 5 Ob 279/00s; 7 Ob 4/16p.

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werden könnten. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausgehen wollte, dass damit nach den tatsächlichen Gegebenheiten entgegen dem Grundbuchstand rechtlich nicht Wohnungseigentum, sondern nur schlichtes Miteigentum bestehen soll, weil keiner der Teilhaber über einen den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden Mindestanteil verfügt, bliebe davon jedoch die Existenz der Eigentümergemeinschaft und ihre Legitimation zur Geltendmachung der hier gegenständlichen Ansprüche unberührt, weswegen das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht von einer Auseinandersetzung mit diesen Argumenten und ihrer Überprüfung in tatsächlicher Hinsicht Abstand genommen hat. § 37 Abs 5 WEG regelt die Anwendung von Bestimmungen des WEG, insbesondere im Zusammenhang mit der Verwaltung, zugunsten der Wohnungseigentumsbewerber im Gründungsstadium. Danach gelten für die Verwaltung der Liegenschaft und die Rechte der Miteigentümer die §§ 16 bis 34, 36 und 52 WEG, sobald die Zusage von Wohnungseigentum angemerkt ist und zumindest ein Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben hat (§ 37 Abs 5 Satz 3 WEG). Dadurch ist klargestellt, dass die Eigentümergemeinschaft schon dann entsteht, wenn zwar noch kein Wohnungseigentum im Grundbuch einverleibt ist, aber eine grundbücherliche Anmerkung der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum nach § 40 Abs 2 WEG und die Einverleibung von Miteigentum zugunsten eines Wohnungseigentumsbewerbers zusammenfallen.113 Sobald die Eigentümergemeinschaft rechtlich existent ist, kommt ihr auch die Berechtigung zu, die Beiträge zur Rücklage (§ 31 WEG) und zu den Aufwendungen (§ 32 Abs 1 WEG) einzuheben.114 Nach § 32 Abs 1 WEG sind die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen. Für das Vorgründungsstadium hat der OGH bereits erkannt, dass die Wohnungseigentumstauglichkeit der in Aussicht genommenen Objekte kein gesetzliches Kriterium für die Aufteilung der Aufwendungen im Sinne des §§ 37 Abs 5 Satz 1, 32 Abs 1 WEG darstellt.115 Das WEG regelt damit zwar, ab wann die Eigentümergemeinschaft rechtlich existent wird, enthält aber keine Regelungen über ihre Beendigung. Sie entsteht kraft Gesetzes mit den erwähnten grundbücherlichen Eintragungen, was deutlich macht, dass ihr Bestehen eng mit dem Grundbuchstand verknüpft ist. Zum Sachverhalt: Verfolgt man die Argumente der Beklagten weiter und nimmt zu ihren Gunsten die Unwirksamkeit der Wohnungseigentumsbegründung an, bliebe nach der oben wiedergegebenen Judikatur jedenfalls schlichtes Miteigentum sämtlicher Teilhaber mit einer schuldrechtlichen Benützungsregelung an den einzelnen ihnen zugewiesenen Objekten bestehen. Zudem bliebe nach dem Grundbuchstand ob der Liegenschaft nicht nur das Mit-,

113 RIS-Justiz RS0118026. 114 Vgl 5 Ob 32/03x. 115 5 Ob 70/05p.

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sondern bis zu seiner tatsächlichen Vernichtung auch Wohnungseigentum zu im Einzelnen konkret bezeichneten Miteigentumsanteilen (Mindestanteilen) einverleibt. Zwar unterscheidet sich eine solche Situation von den rechtlichen Voraussetzungen für das Vorgründungsstadium. Auch ist ein „Wiederaufleben“ dieser Phase gesetzlich nicht vorgesehen. Solange aber nach dem Grundbuchstand Wohnungseigentum ausgewiesen ist, besteht nach Ansicht des erkennenden Senats kein Anlass, die Existenz der Eigentümergemeinschaft und deren Kompetenzen in Bezug auf die Verwaltung der Liegenschaft anders zu beurteilen als in einem Vorgründungsstadium, in dem an einer Liegenschaft zu Gunsten der Teilhaber bereits Miteigentum einverleibt ist, mag der Wohnungseigentumsvertrag allenfalls rechtsunwirksam und die Einverleibung im Grundbuch nichtig (vernichtbar) sein. Eine solche Betrachtungsweise ist schon deshalb erforderlich, weil der Eigentümergemeinschaft als Verwaltungsorganisation mit eigener Rechtspersönlichkeit auch nach außen in Erscheinung tretende Befugnisse zukommen (dazu § 18 Abs 1 WEG). Sie kann Rechte und Verbindlichkeiten erwerben und Rechtsverhältnisse mit Dritten eingehen. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit ist es daher geboten, dass sie Bestand haben muss, solange der Grundbuchstand Wohnungseigentum ausweist. Zum Sachverhalt: Damit kommt ihr auch bei Zutreffen der Argumente der Beklagten jedenfalls die Legitimation zu, die hier in Rede stehenden Forderungen geltend zu machen. e) Entscheidung des vorliegenden Falls Zum Sachverhalt: Der – zur Klarstellung der Rechtslage zulässigen – Revision der Beklagten, die keinen Anlass zur Erörterung weiterer Fragen gibt, ist nicht berechtigt, und ist ihr damit insgesamt ein Erfolg zu versagen. Anmerkungen: Dass gewisse Bestimmungen des WEG selbst bei Nichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung gelten sollen, sofern das Wohnungseigentum im Grundbuch ausgewiesen ist, ist im Interesse der Rechts- und Verkehrssicherheit zu begrüßen. Eine derartige Ausdehnung wohnungseigentumsrechtlicher Bestimmungen könnte etwa auch die Sanierung nichtiger Wohnungseigentumsbegründungen begünstigen, wenn man nämlich bei nichtigem, aber im Grundbuch ausgewiesenen Wohnungseigentum auch das Instrumentarium einer Neufestsetzung der Nutzwerte gemäß § 9 Abs 2 Z 1 WEG (bei Verstoß des Nutzwertgutachtens gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung) zuließe. Dann müsste nämlich nicht mühsam gleichsam „von Null weg“ auf rechtsgeschäftlicher Grundlage Wohnungseigentum neuerlich begründet werden, sondern könnte das fehlerhafte Nutzwertgutachten (genau dieses hat ja zur Nichtigkeit der Wohnungseigentumsbegründung geführt) auf relativ einfache Weise im Außerstreitverfahren berichtigt werden. Damit würde eine valide Grundlage für die Änderung der Miteigentumsanteile im Sinne des § 10 WEG und damit für eine Sanierung des Begründungsfehlers geschaffen werden können.

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*** § 19 WEG (und § 38 UGB)

Zum Übergang des Verwaltungsverhältnisses gemäß § 38 UGB bei Veräußerung des Verwaltungsunternehmens OGH 26.9.2017, 5 Ob 133/17w

Der OGH (5 Ob 133/17w) hat festgestellt, dass § 38 Abs 1 UGB (grundsätzlicher Übergang der unternehmensbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse auf einen Unternehmenserwerber) auch für das Rechtsverhältnis zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem Verwalter nach § 19 WEG gilt. Bei Veräußerung des Verwaltungsunternehmens steht der Eigentümergemeinschaft als Vertragspartnerin des Verwalters die Widerspruchsmöglichkeit nach § 38 Abs 2 UGB offen. Mangels Vorliegens eines wirksamen Widerspruchs ist aufgrund des ex lege-Übergangs nach § 38 Abs 1 UGB der Erwerber des Hausverwaltungsunternehmens berechtigt, ein Beschlussfassungsverfahren im Umlaufweg oder eine Eigentümerversammlung zu initiieren. Rechtlicher Hintergrund: Nach § 19 WEG kann die Eigentümergemeinschaft eine natürliche oder juristische Person zum Verwalter bestellen. Gemäß § 38 Abs 1 UGB übernimmt, wer ein unter Lebenden erworbenes Unternehmen fortführt, mangels anderer Vereinbarung zum Zeitpunkt des Unternehmensübergangs die unternehmensbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse mit den bis dahin entstandenen Rechten und Verbindlichkeiten. Der Dritte kann gemäß § 38 Abs 2 UGB der Übernahme seines Vertragsverhältnisses binnen drei Monaten nach Mitteilung davon sowohl gegenüber dem Veräußerer als auch gegenüber dem Erwerber widersprechen; in der Mitteilung ist er auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen. Im Fall eines wirksamen Widerspruchs besteht das Vertragsverhältnis mit dem Veräußerer fort. Sachverhalt: Die Antragstellerin ist zu 704/452-Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ *****, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung 8/A verbunden ist. Die Antragsgegner sind – abgesehen von der 29.-Antragsgegnerin, deren Stellung als Hausverwalterin umstritten und Gegenstand dieses Verfahrens ist – die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft. Auf Briefpapier und im Namen der 29.-Antragsgegnerin wurde mit Schreiben vom 29. Mai 2015 eine Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft über Sanierungsarbeiten an den Balkonen und im Innenbereich der Stiegenhäuser der Wohnungseigentumsanlage eingeleitet. Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 gab die 29.-Antragsgegnerin bekannt, dass sich die Mehrheit der Miteigentümer für die Sanierungsarbeiten ausgesprochen habe.

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 46

Die Antragstellerin begehrte die Aufhebung bzw Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Beschlüsse im Wesentlichen mit der Behauptung, Hausverwalter sei R***** O***** persönlich, für die Einberufung einer Eigentümerversammlung durch gemeinschaftsfremde Dritte wie die O***** GmbH gebe es keinen Raum. Ein Verwalterwechsel durch Vertragsübergang habe nicht stattgefunden. Die 26.-Antragsgegnerin und der 27.-Antragsgegner wendeten ein, der bisher bestellte Verwalter R***** O***** habe mit Schreiben vom 13. Jänner 2015 sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer davon in Kenntnis gesetzt, dass er sein Einzelunternehmen in die O***** GmbH eingebracht habe und sie über die Widerspruchsmöglichkeit binnen drei Monaten informiert. Nur eine Minderheit von drei Mit- und Wohnungseigentümern habe der Einbringung widersprochen. Nach dem UGB sei eine ausdrückliche Zustimmung nicht erforderlich, das Einzelunternehmen gelte vielmehr in die GmbH als eingebracht, wenn die Eigentümergemeinschaft (die Mehrheit nach Anteilen) nicht binnen drei Monaten ab Mitteilung der Einbringung widerspreche, was nicht der Fall gewesen sei. Das Erstgericht wies den Antrag ab.

Rechtlich ging es davon aus, dass es durch die Einbringung des nicht protokollierten Einzelunternehmens in die GmbH gemäß § 38 Abs 1 UGB ex lege zum Rechtsübergang des Verwaltungsvertrags des bisherigen Verwalters auf die 29.-Antragsgegnerin gekommen sei. Einen Widerspruch (der Mehrheit) der Eigentümergemeinschaft zur Übernahme des Vertragsverhältnisses im Sinn des § 38 UGB konnte es nicht feststellen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Dass die Bestimmungen des WEG über die Bestellung des Hausverwalters als Sonderbestimmungen § 38 UGB vorgingen und die Rechtsfolgen nach dieser Gesetzesstelle nicht eintreten sollten, ergebe sich aus dem Gesetz nicht. Mangels höchstgerichtlicher Judikatur zum Verhältnis der §§ 19, 21 WEG zu § 38 UGB sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

. Im Revisionsrekurs der Antragstellerin strebt diese primär eine Aufhebung des bisherigen Verfahrens wegen eines Rechtskraftverstoßes als nichtig an, hilfsweise begehrt sie die Abänderung im Sinn einer Stattgebung ihres Anfechtungsbegehrens bzw die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Erstgericht. Die 26.-, 27.- und 29.-Antragsgegner beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung des OGH: a) Zur grundsätzlichen Anwendung des § 38 UGB auf das Unternehmen des Verwalters

im Wohnungseigentum

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 47

An der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 38 UGB auf das zum Verwalter nach § 19 WEG begründete Rechtsverhältnis ist nicht zu zweifeln.

§ 38 UGB erfasst auch die Einbringung eines Einzelunternehmens einer natürlichen Person in eine Kapitalgesellschaft. Aufgrund des weiten Unternehmensbegriffs des § 1 UGB und des Verzichts auf das Kriterium der Firmenfortführung fällt auch die Übertragung von nicht im Firmenbuch eingetragenen Unternehmen unabhängig von ihrer Größe unter § 38 UGB. Im Fall des Unternehmensübergangs kommt es zum ex lege Rechtsübergang der unternehmensbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse des Veräußerers ohne weiteren Verfügungsakt, der unmittelbar zum Parteiwechsel führt. Nur im Fall eines wirksamen Widerspuchs würde das Vertragsverhältnis mit dem Veräußerer fortbestehen (§ 38 Abs 2 letzter Satz UGB).

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut werden sämtliche unternehmensbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse von der Übertragung erfasst. Höchstpersönliche Rechtsverhältnisse des Veräußerers sind also vom Rechtsübergang ausgenommen. In der Entscheidung 5 Ob 47/15w sprach der erkennende Senat bereits aus, dass die von berufsmäßigen Hausverwaltern zu erbringende Leistung im Regelfall nicht als eine höchstpersönliche zu werten sei, daran ist festzuhalten. Höchstpersönlichkeit ist nämlich dann nicht anzunehmen, wenn es für die Auftragsausführung nicht primär auf die persönliche Tätigkeit, sondern den Einsatz der Ressourcen des Unternehmens des Auftragnehmers ankommt116, dies ist beim professionellen Hausverwalter im Regelfall anzunehmen. Dass die Parteien des Verwaltungsvertrags hier von vornherein Höchstpersönlichkeit des Rechtsverhältnisses vereinbart hätten, hat die Antragstellerin nicht behauptet und ist im Verfahren nicht hervorgekommen.117

b) Der in § 38 Abs 1 UGB verwendete Begriff des „Rechtsverhältnisses“ geht über jenen

des „Vertragsverhältnisses“ hinaus In der Lehre herrscht Einigkeit darüber, dass der Wortlaut „Rechtsverhältnisse“ weit gefasst ist und nicht nur Vertragsverhältnisse, sondern auch andere (schuldrechtliche) Rechtsverhältnisse erfasst, die keine Vertragsverhältnisse sind. Neben den Vertragsverhältnissen sind unter den Begriff des Rechtsverhältnisses (als des juristischen Bandes, das Personen untereinander oder Personen und Objekte miteinander verbindet) jedenfalls auch gesetzliche Schuldverhältnisse (etwa Schadenersatz aus Delikt, Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag) und vorvertragliche Schuldverhältnisse zu subsumieren.

Lediglich rein dingliche Rechtspositionen – wie etwa Eigentum an beweglichen Sachen oder Immaterialgüterrechte – sind nach der herrschenden Lehre von § 38 UGB nicht erfasst.

c) Zur Bestellung des Verwalters im Wohnungseigentum

116 RIS-Justiz RS0019921. 117 Diese Aussage fußt darauf, dass eine Rechtsbeziehung auch durch Vereinbarung mit dem Vertragspartner

des Veräußerers (hier also der Eigentümergemeinschaft) als höchstpersönliches Rechtsverhältnis ausgestaltet sein kann.

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Die Bestellung des Verwalters wird in § 19 WEG geregelt. Die grundsätzliche Entscheidung, ob ein Verwalter zu bestellen ist und die Auswahl der Person des Verwalters ist eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung und bedarf daher eines internen darauf gerichteten Willensbildungsakts der Eigentümergemeinschaft. Das Ergebnis dieses internen Willensbildungsakts, nämlich die Bestellung, ist dem Verwalter gegenüber zu erklären. Dabei handelt es sich um eine (annahmebedürftige) rechtsgeschäftliche Erklärung der Eigentümergemeinschaft durch das nach der Vertretungsordnung des § 18 Abs 2 WEG zuständige Organ, in der Regel somit die Mehrheit. Soweit die Erklärung nicht bereits die Annahme eines entsprechenden Anbots ist, stellt sie ein Anbot zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags dar, sodass der Bestellungsakt tatsächlich in den internen Willensbildungsakt und den nach außen hin an den Verwalter gerichteten Erklärungsakt zerfällt. d) Zwischen der organisatonsrechtlichen Bestellung des Verwalters (zum Organ der

Eigentümergemeinschaft) und dessen schuldrechtlicher Beziehung zur Eigentümergemeinschaft (auf der Grundlage des Verwaltungsvertrags) ist zu unterscheiden

Die organisationsrechtliche Bestellung des Verwalters ist somit zwar von der schuldrechtlichen Beziehung zur Eigentümergemeinschaft grundsätzlich zu trennen. Die Beziehungen zwischen Verwalter und Eigentümergemeinschaft richten sich allerdings – wo das Wohnungseigentumsrecht keine speziellen Regelungen trifft – grundsätzlich nach allgemeinem Zivilrecht, wobei der Verwaltungsvertrag als Bevollmächtigungsvertrag im Sinn der §§ 1002 ff ABGB anzusehen ist. Er besteht ausschließlich zwischen der Eigentümergemeinschaft als Machtgeber und dem Verwalter als Machthaber.118 e) Nicht nur die schuldrechtliche Wirkung des Verwaltungsvertrags, sondern auch die

organisationsrechtliche Bestellung des Verwalters gehen gemäß § 38 Abs 1 UGB auf den Erwerber des Verwaltungsunternehmens über – die sich aus dem allfälligen Auseinanderfallen der Organstellung als bestellter Verwalter einerseits und der Position als Vertragspartner der Eigentümergemeinschaft andererseits ergebenden Rechtsunsicherheiten werden dadurch vermieden

Zum Sachverhalt: Dass der Verwaltungsvertrag selbst mangels abweichender Regelung im WEG von § 38 Abs 1 UGB erfasst wird (so nicht Höchstpersönlichkeit des Vertragsverhältnisses vereinbart wurde), zieht die Revisionsrekurswerberin letztlich nicht in Zweifel. Sie meint lediglich, auf die Rechtsstellung als Organ der Eigentümergemeinschaft finde diese Bestimmung keine Anwendung. Dabei übersieht sie, dass auch die Mitteilung der nach interner Willensbildung erfolgten Bestellung eines Verwalters durch die Eigentümergemeinschaft an den Verwalter eine rechtsgeschäftliche Erklärung darstellt und bereits ein „Rechtsverhältnis“ im weiten Verständnis des § 38 Abs 1 UGB begründet, nämlich

118 RIS-Justiz RS0110934.

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das als organschaftlicher Vertreter der Eigentümergemeinschaft, das Grundlage für den Abschluss des Verwaltungsvertrags ist. Dass § 19 WEG aber einem Rechtsübergang nach § 38 UGB (nur) in Bezug auf das organschaftliche Rechtsverhältnis zum Hausverwalter entgegenstehen würde, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. § 19 WEG in diesem Sinn auszulegen, verbietet sich im Übrigen schon deshalb, weil dies zu einem vom Gesetzgeber des WEG zweifellos nicht gewollten Auseinanderfallen der Rechtsposition des organschaftlich bestellten Verwalters einerseits und des Vertragspartners der Eigentümergemeinschaft im Rahmen des Verwaltungsvertrags andererseits führen müsste. Während der bisherige Verwalter seine Organstellung behalten würde, wäre der Erwerber des Unternehmens ex lege in den Verwaltungsvertrag eingetreten und damit Vertragspartner der Eigentümergemeinschaft.

Ein Zusammenführen dieser beiden Rechtspositionen bedürfte erst recht wieder einer internen Willensbildung der Eigentümergemeinschaft; sollte eine Mehrheit für eine Bestellung des Unternehmenserwerbers zum neuen Verwalter (= organschaftlichen Vertreter) oder aber eine Auflösung des auf diesen übergegangenen Verwaltungsvertrags nicht zu erzielen sein, käme es zur Perpetuierung eines derart „gespaltenen Verwalterverhältnisses“.

§ 19 WEG stellt unmissverständlich auf die Bestellung nur eines einzigen Verwalters ab und die herrschende Lehre vertrat schon vor dem WEG 2002 die Auffassung, mehrere Personen könnten nicht gleichzeitig zu Verwaltern bestellt werden, dies schon aus Gründen der Rechtssicherheit im geschäftlichen Verkehr. Zum Sachverhalt: Vergleichbares gilt auch hier: Das (dauerhafte) Auseinanderfallen der Organstellung als bestellter Verwalter einerseits und der Position als Vertragspartner des Verwaltungsvertrags andererseits wäre jedenfalls geeignet, die Rechtssicherheit nicht nur im geschäftlichen Verkehr, sondern auch in Bezug auf die Verwalterpflichten nach § 20 WEG zu beeinträchtigen und widerspricht daher dem Postulat des § 19 WEG, grundsätzlich nur einen Verwalter zu bestellen. Die Beeinträchtigung eines schutzwürdigen Interesses der Eigentümergemeinschaft durch den Rechtsübergang wurde im Verfahren erster Instanz nicht behauptet und widerspricht somit dem im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren geltenden Neuerungsverbot.119 Im Übrigen ermöglicht § 23 WEG ohnedies die Kündigung des Verwaltungsvertrags durch die Eigentümergemeinschaft im Rahmen der ordentlichen Verwaltung120, dies auch durch Umlaufbeschluss.121 Im Fall der Pflichtverletzung ist die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 21 Abs 3 WEG möglich; bei grober Pflichtverletzung steht auch dem einzelnen Wohnungseigentümer der Antrag auf gerichtliche Auflösung des Verwaltungsvertrags nach § 21 Abs 3 zweiter und dritter Halbsatz WEG zu. Der Eigentümergemeinschaft als Vertragspartnerin des Verwaltungsvertrags steht außerdem das Widerspruchsrecht nach § 38 Abs 2 UGB zu. f) Entscheidung des vorliegenden Falls

119 RIS-Justiz RS0070485. 120 RIS-Justiz RS0125809. 121 RIS-Justiz RS0106051 [T3].

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Zum Sachverhalt: Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt. Der hier festgestellte Einbringungsvertrag erfüllt die Kriterien nach § 38 UGB, die Fortführung des Unternehmens ist nicht strittig. Ein wirksamer Widerspruch der Eigentümergemeinschaft als Vertragspartnerin des Verwalters steht hingegen nicht fest. Die Behauptung, den angefochtenen Umlaufbeschluss habe ein dazu nicht legitimierter Dritter initiiert, konnte die Antragstellerin somit nicht beweisen. Damit war dem Revisionsrekurs der Antragstellerin insgesamt der Erfolg zu versagen. Anmerkungen: Der OGH erklärt mit ausführlicher Begründung, dass im Falle der Veräußerung des Unternehmens des Verwalters im Wohnungseigentum alle Komponenten des Bevollmächtugngsvertrags (somit sowohl die Vollmacht im Sinne der organschaftlichen Bestellung des Verwalters als auch der Auftrag im Sinne der schuldrechtlichen Beziehung des Verwalters zur Eigentümergmeinschaft) gemäß § 38 Abs 1 UGB grundsätzlich auf den Untenrehmenserwerber übergehen. Diese Lösung, die eine „Spaltung“ des Verwaltungsverhältnisses und damit einhergehende schwerwiegende Rechtsprobleme unterbindet, ist nicht nur – wie die Ausführungen des OGH belegen – rechtsdogmatisch valide, sondern vermag auch wesentlich zur Rechtssicherheit beizutragen. Dass der Eigentümergemeinschaft ohnehin Mittel und Wege zur Verfügung stehen, entweder durch einen Widerspruch gemäß § 38 Abs 2 UGB einen Übergang des Verwaltungsverhältnisses auf den Unternehmenserwerber gar nicht erst zustande kommen zu lassen bzw das übergegangene Verwaltungsverhältnis nach den wohnungseigentumsrechtlichen Bestimmungen aufzulösen, hat die Entscheidung ebenso klar wie praxisgerecht aufgezeigt. *** § 21 Abs 3 WEG (und § 28 Abs 1 Z 1 WEG)

Zur gerichtlichen Abberufung des Verwalters im Wohnungseigentum wegen grober Pflichtverletzung OGH 23.5.2017, 5 Ob 91/17v

Der OGH (5 Ob 91/17v) hat in Erinnerung gerufen, dass eine gerichtliche Abberufung des Verwalters im Wohnungseigentum nur wegen einer gravierenden Verletzung seiner Treue- und Interessenwahrungspflichten zulässig ist. Erhaltungsarbeiten, zu denen gesetzlich gebotene Nachrüstungen von Aufzügen zweifellos zu zählen sind, bedürfen als Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung nicht unbedingt eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft. Aus einem mit Vertrauensleuten der Miteigentümer akkordierten (wenngleich nicht wirksam vereinbarten) Sonderhonorar lässt sich keine grobe Pflichtverletzung des Verwalters ableiten. Rechtliche Beurteilung des OGH:

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a) Nur eine gravierende Pflichtverletzung legitimiert zu einer gerichtlichen Abberufung des Verwalters

Das Individualrecht auf Auflösung des Verwaltungsvertrags kann nur dann erfolgreich ausgeübt werden, wenn nach dem Verhalten des Verwalters begründete Bedenken gegen seine Treue- und Interessenwahrungspflicht bestehen. Es muss sich dabei um Gründe handeln, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung so gewichtig sind, dass die Wahrnehmung der Interessen der Wohnungseigentümer nicht mehr gesichert ist.122 Es bedarf einer gravierenden, die Vertrauensbasis zerstörenden Pflichtverletzung.123 Unter diesen Voraussetzungen können auch mehrere einzelne Pflichtverletzungen des Verwalters, die für sich allein betrachtet noch keine grobe Vernachlässigung seiner Pflichten darstellen, bei einer Gesamtschau die Abberufung rechtfertigen.124 b) Ob eine gravierende Pflichtverletzung vorliegt, unterliegt einer Einzelfallbeurteilung Ob ausreichende Gründe vorliegen, den Verwaltungsvertrag auf Antrag eines Mit- und Wohnungseigentümers aufzulösen, lässt sich immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen.125 Die Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten des Verwalters als grobe Vernachlässigung zu einer Pflicht zu werten ist, eröffnet dabei einen gewissen Beurteilungsspielraum. Solange die Vorinstanzen ihre Entscheidung innerhalb dieses Spielraums treffen, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor.126 c) Zum konkreten Fall Zum Sachverhalt: Die Vorinstanzen, die den Antrag auf gerichtliche Abberufung des Verwalters abgewiesen hatten, sind mit ihrer Beurteilung innerhalb des ihnen eingeräumten Spielraums verblieben. ca) Die Beauftragung einer Liftsanierung bedarf als Maßnahme der ordentlichen

Verwaltung keiner Beschlussfassung Zum Sachverhalt: Die Wohnanlage, an der 1964 Wohnungseigentum begründet wurde, besteht aus fünf Stiegen, alle mit Aufzug. Die Miteigentümer beauftragten informell mehrere Kontaktpersonen, mit der Hausverwalterin Kontakt zu halten und sich um die Angelegenheiten der Liegenschaft zu kümmern. Diese Kontaktpersonen haben engen Kontakt zur Hausverwalterin, alle paar Wochen gibt es Treffen und Besprechungen. Aufgrund des Alters der Anlage gibt es immer wieder Sanierungsbedarf, auf den die Kontaktpersonen hinweisen und die notwendigen Maßnahmen der Hausverwaltung erörtern. Diese Kontaktpersonen waren auch in die Liftsanierung in den Jahren 2007 bis 2011 (Projektzeitraum) eingebunden. Die Hausverwalterin beauftragte – ohne Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft – nur Maßnahmen, die in einem TÜV-Bericht beanstandet

122 RIS-Justiz RS0083249. 123 RIS-Justiz RS0083249 [T4]. 124 RIS-Justiz RS0111894. 125 RIS-Justiz RS0111893. 126 RIS-Justiz RS0042763.

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worden waren. Aufgrund einer Änderung des Wiener Aufzugsgesetzes mussten im Lift Innentüren angebracht werden. Nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG gehört die Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft im Sinne des § 3 MRG, einschließlich baulicher Veränderungen, die über den Erhaltungszweck nicht hinausgehen, zur ordentlichen Verwaltung. Zu Inhalt und Bedeutung des aufgrund des Verweises auf § 3 MRG am ortsüblichen Standard zu orientierenden Erhaltungsbegriffs (sogenannter dynamischer oder elastischer Erhaltungsbegriff) liegt umfangreiche Judikatur des OGH vor.127 Danach gilt, dass zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung gehören, auch wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt, es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als „Verbesserungen“ anzusehen sind. Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit ist eine Reparaturbedürftigkeit, Schadensgeneigtheit oder Funktionseinschränkung.128 Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung kann der Verwalter auch ohne Beschluss der Eigentümergemeinschaft nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen selbständig setzen.129 Zum Sachverhalt: Mit seiner Argumentation zur Einordnung der Liftsanierung als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung geht der antragstellende Wohnungseigentümer nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Die Vorgangsweise der Verwalterin, die Liftsanierung ohne vorangegangene Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft durchzuführen, lässt keine Pflichtverletzung erkennen. cb) Aus einem mit Vertrauensleuten der Miteigentümer akkordierten (wenngleich nicht

wirksam vereinbarten) Sonderhonorar lässt sich keine grobe Pflichtverletzung des Verwalters ableiten

Zum Sachverhalt: Im Zuge der Liftsanierung verrechnete die Verwalterin zusätzlich zum Verwaltungshonorar einmalig ein Baubetreuungshonorar als Abgeltung für den gesamten Projektzeitraum, beginnend mit dem TÜV-Bericht im Jahr 2007 bis zur Fertigstellung im Jahr 2011. Die Auszahlung dieses Honorars wurde in einer Eigentümerversammlung weder besprochen noch beschlossen, jedoch vorher mit den Kontaktpersonen erörtert. Diese waren mit der Verrechnung und Höhe des Honorars (5 % der Auftragssumme) aufgrund des langen Zeitraums des Projekts und der zahlreichen notwendigen Termine mit dem TÜV und des Ansuchens um Fördermittel bei der Gemeinde einverstanden. Die Vorinstanzen folgten dem Argument des die Abberufung begehrenden Wohnungseigentümers nicht, dass diese weder auf Vertrag noch auf Gesetz (ERVO 1994) zu gründende Verrechnung eines Sonderhonorars eine gravierende Pflichtverletzung darstelle. Das ist angesichts des Aufwands der Hausverwalterin und der Zustimmung der Kontaktpersonen (keine Eigentümervertreter im Sinne des § 22 Abs 1 Satz 1 WEG) als vertretbar anzusehen, konnte

127 RIS-Justiz RS0114109; RS0083171 ua. 128 RIS-Justiz RS0114109 [T5]; 5 Ob 5/17x mit weiteren Nachweisen. 129 RIS-Justiz RS0083550 [T7].

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die Verwalterin doch damit rechnen, dass ihre Ansprechpartner die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer wahrnehmen würden.

Zum Sachverhalt: Die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 5 Ob 1052/91 stützt den Standpunkt des Antragstellers nicht. Dort hat der OGH die Beanspruchung eines Sonderhonorars gerade nicht für sich alleine, sondern nur in Verbindung mit anderen wiederholten Pflichtverletzungen des Hausverwalters als ausreichend für dessen Abberufung erachtet. Zusätzliche Pflichtverletzungen sind der Hausverwalterin hier allerdings nicht vorzuwerfen.

Anmerkungen: Den hier vom OGH vertretenen Ansichten ist uneingeschränkt zu folgen, zumal sie nahezu ausschließlich auf „Klassiker“ des wohnungseigentumsrechtlichen Verständnisses fußen und daher gleichsam zum Standardrepertoire der wohnungseigentumsrechtlichen Judikatur gehören: Dass nur erhebliche Pflichtverletzungen gemäß § 21 Abs 3 WEG eine gerichtliche Abberufung des Verwalters im Wohnungseigentum rechtfertigen können, ist ebenso selbstverständlich wie der Umstand, dass Maßnahmen, die im Sinne des § 28 Abs 1 Z 1 WEG als Erhaltung der ordentlichen Verwaltung zuzurechnen sind, keines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft bedürfen. Dass die verfahrensgegenständliche Sanierung (Nachrüstung) der Aufzüge, die ja sogar auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruht, den Rahmen der ordentlichen Verwaltung nicht sprengt, ist ebenso über jeden Zweifel erhaben. Genauso klar ist, dass sich aus einem lediglich mit Vertrauensleuten der Miteigentümer akkordierten Sonderhonorar für den mit der Liftsanierung verbundenen Aufwand keine grobe Pflichtverletzung des Verwalters ableiten lässt. Maßgeblich ist ja nicht, ob eine Honorarvereinbarung wirksam zustande gekommen ist, sondern ob dem Verwalter bei der (mangels Vertretungsbefugnis der Vertrauensleute unwirksamen) Honorarvereinbarung eine grobe Verletzung seiner Treue- und Interessenwahrungspflichten vorgeworfen werden kann. Dies ist entschieden in Abrede zu stellen, wenn das Honorar vor dem Hintergrund erhöhten Aufwands objektiv betrachtet nachvollziehbar ist und vor allem nicht eigenmächtig vorgeschrieben, sondern mit Vertrauensleuten der Miteigentümer abgestimmt wurde. *** § 24 Abs 1 WEG (und § 26 Abs 1 WEG)

Keine höhere Bindungswirkung von Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft in Verwaltungsangelegenheiten, wenn diese einstimmig zustande kommen OGH 27.6.2017, 5 Ob 19/17f

Der OGH (5 Ob 19/17f) hat erklärt, dass von einstimmig gefassten Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft in (grundsätzlich ja nur eines Mehrheitsbeschlusses bedürfenden) Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung keine höhere Bindungswirkung ausgeht, dh derartige Beschlüsse (selbst wenn sie im Wege einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer zustande kommen und sogar in einem Verfahren gerichtlich protokolliert werden) durch nachfolgende Mehrheitsbeschlüsse aufgehoben

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oder abgeändert werden können. Einem Beschluss über eine Sanierungsmaßnahme kann auch keine erhöhte Bestandkraft zuerkannt werden, indem man ihn als Gemeinschaftsordnung im Sinne des § 26 Abs 1 WEG erklärt, zumal Gemeinschaftsordnungen nur langfristig bindende Regelungen (über Funktionen innerhalb der Eigentümergemeinschaft oder über das Willensbildungsverfahren) beinhalten können, nicht aber Maßnahmen, die eindeutig der Liegenschaftsverwaltung zuzuordnen sind. Sachverhalt: Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die beiden Antragsgegner zusammen haben dabei die Mehrheit der Miteigentumsanteile. Gegenstand ihres Rechtsstreits ist die Umsetzung von notwendigen Sanierungsmaßnahmen, speziell die Sanierung des außenseitigen Stiegenaufgangs. In einem Vorverfahren nach den §§ 24 Abs 6, 29, 52 Abs 1 Z 4 und 5 WEG bekämpfte der Antragsteller einen Umlaufbeschluss über die Glasdachsanierung und Neugestaltung des Eingangsbereichs der Liegenschaft. In diesem Verfahren schlossen die Parteien am 6. März 2014 eine Vereinbarung, die im Tagsatzungsprotokoll wie folgt festgehalten wurde: „Die Parteien kommen nunmehr überein, folgende Sanierungsmaßnahmen vorzunehmen: 1. Die Sanierung im Eingangsbereich wird im Umfang laut dem Kostenvoranschlag der Fa. [...] vom 8. Mai 2013 erfolgen. 2. Der außen gelegene Stiegenaufgang wird durch Aufbringung eines rutsch-winterfesten Bodenbelages (Fliesen oder Stein) saniert werden. 3. Im Bereich des Zugangsbereichs beim Eingangstor wird eine Außenbeleuchtung angebracht werden. 4. Beim Eingangstor wird die entsprechende Hausnummer angebracht werden. 6. Die Hecken der jeweiligen Wohnungseigentümer werden einmal jährlich auf das ortsübliche Maß zurückgeschnitten. 7. Der Antragsteller wird im Laufe des Sommers 2014 den Zugangs- bzw. Stiegenhausbereich auf seine eigene Kosten ordnungsgemäß verputzen. 8. Die Parteien kommen überein, dass die Hausverwaltung [...] mit der Ausschreibung der Sanierungsarbeiten beauftragt wird. Die Hausverwaltung wird jeweils drei Angebote einholen, wobei sich die Parteien hinsichtlich der Angebote einigen werden. Sollte eine Einigung aufgrund dieser Angebote nicht gefunden werden, so kommt der Billigstbieter zum Zug.“ Die Parteien vereinbarten daraufhin einfaches Ruhen des Verfahrens. Eine Fortsetzung dieses Vorverfahrens erfolgte nicht. In der Eigentümerversammlung vom 12. Februar 2015 mit dem Tagesordnungspunkt „Information und Besprechung der anstehenden Sanierungen“ wurden die von der Hausverwaltung eingeholten Kostenvoranschläge besprochen. Der Antragsteller nahm daran trotz Ladung nicht teil. Die anwesenden Antragsgegner sprachen sich für eine – gegenüber einer Ausführung in Fliesen teurere – „Granitvariante“ aus. Darüber sollte jedoch noch ein förmlicher Beschluss gefasst werden. Daher wurde mit dem Protokoll über

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die Eigentümerversammlung sämtlichen Wohnungseigentümern jeweils ein entsprechendes Umlaufbeschlussformular übermittelt. Beide Antragsgegner erklärten sich mit der darin vorgeschlagenen Treppensanierung in Granit einverstanden, nicht jedoch der Antragsteller. Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrte der Antragsteller die Aufhebung dieses Mehrheitsbeschlusses, hilfsweise die Feststellung dessen Rechtsunwirksamkeit. Das Erstgericht wies das Hauptbegehren auf Aufhebung des Umlaufbeschlusses zurück. Dem Eventualbegehren gab es statt und stellte fest, dass der Umlaufbeschluss rechtsunwirksam sei.

Die im Vorverfahren getroffene Vereinbarung über die Sanierung der Treppe habe lediglich die Frage offen gelassen, ob die Ausführung in „Fliesen oder Stein“ erfolgen solle. Dazu hätte es zwar noch einen Einigungsversuch unter den Miteigentümern geben sollen. Mangels Einigung auf eine Ausführungsvariante hätte die Hausverwaltung aber jeweils drei Angebote für jede der zwei Varianten einzuholen gehabt und mangels Einigung auf eines dieser konkreten Anbote hätte dann automatisch das Billigste zur Ausführung gelangen müssen. Von dieser einstimmigen Vereinbarung/diesem einstimmigen Beschluss könne nicht durch einen bloßen Mehrheitsbeschluss, sondern nur in Form eines einstimmigen Willensakts abgegangen werden. Der angefochtene Mehrheitsbeschluss sei deshalb formal rechtsunwirksam und ex tunc zu beseitigen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller Folge. Es änderte den angefochtenen Sachbeschluss dahin ab, dass das Eventualbegehren auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Umlaufbeschlusses vom 10. März 2015 abgewiesen werde.

Die notwendige Sanierung der Außenstiege falle in den Bereich der ordentlichen Verwaltung. Über Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung entscheide die Eigentümergemeinschaft nach § 24 WEG durch Mehrheitsbeschluss. Nach ständiger Rechtsprechung könne ein Mehrheitsbeschluss (soferne er noch nicht vollzogen worden sei) durch einen jüngeren Mehrheitsbeschluss abgeändert oder aufgehoben werden. Das WEG 2002 sehe andere Entscheidungsformen als die des Beschlusses in diesen Angelegenheiten nicht vor, insbesondere keine „Vereinbarungen“, die eine höhere Bestandsgarantie hätten, indem man von ihnen nur einstimmig abgehen könnte. Auch die Form der gerichtlichen Protokollierung vermöge daran nichts zu ändern, sodass grundsätzlich eine (neuerliche) Beschlussfassung möglich und wirksam sei. Nach § 26 Abs 1 WEG könnten zwar sämtliche Wohnungseigentümer eine Vereinbarung über die Willensbildung treffen. Die vor Gericht geschlossene Vereinbarung über die Vorgangsweise, wie letztlich die konkrete Sanierung des Stiegenaufgangs erfolgen solle, stelle aber keine gültige Gemeinschaftsordnung dar, von der nur einstimmig wieder abgegangen werden könnte. Losgelöst vom konkreten Inhalt dieser Vereinbarung handle es sich daher bei dieser Vereinbarung lediglich um eine Beschlussfassung über eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, die durch einen neuen Mehrheitsbeschluss wieder abgeändert werden könne. Der bekämpfte Umlaufbeschluss sei daher nicht rechtsunwirksam.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Frage, ob eine vor Gericht geschlossene Vereinbarung, wie sie hier zwischen den Parteien getroffen worden sei,

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eine stärkere Bestandskraft als ein Mehrheitsbeschluss habe oder als gültige Gemeinschaftsordnung nach § 26 WEG angesehen werden könne, sei keine höchstgerichtliche Judikatur aufzufinden gewesen.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsstellers. Er beantragt, diese abzuändern und den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Die Antragsgegner beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben. Rechtliche Beurteilung des OGH: a) In Verwaltungsangelegenheiten werden Entscheidung im Wege von Beschlüssen der

Eigentümergemeinschaft getroffen, für die es grundsätzlich keine Formvorschriften gibt

Die Eigentümergemeinschaft trifft ihre Entscheidungen in Form von Beschlüssen.130 Für Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft bestehen keine besonderen Formerfordernisse. Die vom Gesetzgeber bevorzugte Form der Entscheidungsfindung ist zwar die Beschlussfassung durch Abstimmung im Rahmen einer Eigentümerversammlung, doch können Beschlüsse kraft ausdrücklicher gesetzlicher Freistellung auch auf jede andere Weise zustande kommen (§ 24 Abs 1 WEG). b) Eine Eigenbindung der Eigentümergemeinschaft an ihre Beschlüsse besteht nicht –

dabei kommt auch einem einstimmig zustande gekommenen Beschluss keine höhere Bindungswirkung zu

Eine Eigenbindung der Eigentümergemeinschaft an ihre Beschlüsse besteht nicht. Sie kann auch einen endgültig wirksamen Beschluss im Wege einer neuerlichen Beschlussfassung widerrufen oder ändern.131 Auch eine Vereinbarung, die von sämtlichen Wohnungseigentümern getroffen wurde, kann im Verhältnis zur Eigentümergemeinschaft nichts anderes als ein Beschluss sein. Die Einstimmigkeit und Vereinbarungsform verschafft einem Beschluss keinen erhöhten Bestandsschutz, insbesondere gegen eine (abweichende) neuerliche Beschlussfassung. Daran ändert es auch nichts, wenn eine solche Vereinbarung – wie hier – in ein gerichtliches Protokoll gekleidet wurde.132 Zum Sachverhalt: Die von den Parteien hier im Vorverfahren getroffene Vereinbarung stellt daher allenfalls (ob diese den allgemeinen Willensbildungsvorschriften des § 24 WEG entsprochen hat, lässt sich nach den Verfahrensergebnissen nicht beurteilen) einen Mehrheitsbeschluss dar. Die Existenz dieses älteren Mehrheitsbeschlusses über die

130 Sofern dem Verwalter in bestimmten Bereichen der ordentlichen Verwaltung (insb § 28 Abs 1 Z 1, 2, 3, 4, 8

und 9 WEG) nicht auch autonome Entscheidungsbefugnisse zukommen. 131 5 Ob 42/09a. 132 Vgl für den gerichtlichen Vergleich 5 Ob 42/09a.

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Maßnahmen zur Sanierung des außenseitigen Stiegenaufgangs bildet jedenfalls kein Hindernis für die neuerliche Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft. c) Ein Beschluss über eine bestimmte Sanierungsmaßnahme kann nicht als

Gemeinschaftsordnung qualifiziert werden Zum Sachverhalt: Die hier im konkreten Fall zu beurteilende Vereinbarung hat auch nicht die Rechtsnatur einer Gemeinschaftsordnung im Sinne des § 26 WEG. Gemäß § 26 Abs 1 WEG können sämtliche Wohnungseigentümer eine Vereinbarung über die Einrichtung bestimmter Funktionen innerhalb der Eigentümergemeinschaft oder über die Willensbildung treffen. Eine solche Vereinbarung ist rechtswirksam, wenn sie schriftlich geschlossen wird und soweit sie nicht zwingenden Grundsätzen dieses Bundesgesetzes widerspricht. Das erstmals mit dem WEG 2002 geschaffene Institut der Gemeinschaftsordnung soll den Wohnungseigentümern nach dem Willen des Gesetzgebers dauerhafte privatautonome Gestaltungen im Sinne von Satzungsbestimmungen ermöglichen.133 Eine Gemeinschaftsordnung regelt also Aspekte, für die die Wohnungseigentümer eine langfristig bindende Regelung schaffen wollen.134 Funktion und Zweck einer Gemeinschaftsordnung als privatautonom gesetzte Grundnorm der Organisation erfordern eine allgemeine Geltung und eine gewisse Bestandskraft; daher macht § 26 Abs 2 WEG die Vereinbarung auch für die Rechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers verbindlich; dies unabhängig von der – gleichzeitig vereinfacht ermöglichten – Ersichtlichmachung im Grundbuch. Aus der normierten Bindung der Rechtsnachfolger, der Möglichkeit der Ersichtlichmachung im Grundbuch und auch aus den verschärften Form- und Mehrheitserfordernissen lässt sich schließen, dass die Beschlussfassung über eine einzelne konkrete Maßnahme nicht der Gegenstand einer Gemeinschaftsordnung sein kann. Deren Regelungsgehalt muss vielmehr genereller Natur sein, also über den Willensbildungsvorgang in einer einzelnen Angelegenheit hinausgehen und das Verfahren zur Willensbildung als solches zum Gegenstand haben. Zum Sachverhalt: Eine solche allgemeine Regelung über die Willensbildung der Eigentümergemeinschaft enthält die von den Parteien im Vorverfahren getroffene Vereinbarung nicht. Diese stellt daher auch keine Gemeinschaftsordnung im Sinn der – insoweit klaren135 – Regelung des § 26 WEG dar. d) Entscheidung des vorliegenden Falls Zum Sachverhalt: Der (zulässige) Revisionsrekurs ist daher nicht berechtigt.

133 RV 989 BlgNR XXI. GP 66. 134 Vgl auch 5 Ob 52/89 = RIS-Justiz RS0013201. 135 Vgl RIS-Justiz RS0042656.

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Anmerkungen: Der Entscheidung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei freilich darauf hingewiesen, dass von einstimmig gefassten Beschlüssen in Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung Vereinbarungen aller Wohnungseigentümer im Bereich der Sachverfügungen unterschieden werden müssen136: Angelegenheiten der Liegenschaftsverwaltung bedürfen grundsätzlich „nur“ eines Mehrheitsbeschlusses. Von einstimmig gefassten Beschlüssen in Verwaltungsangelegenheiten (die das Mehrheitserfordernis gleichsam übererfüllen) geht – wie die vorliegende Entscheidung aufzeigt – keine erhöhte Bindungswirkung aus (zumal ein Beschluss eben nie mehr sein kann als ein Beschluss). Für Vereinbarungen im Bereich der Sachverfügungen ist indes die Einstimmigkeit Wirksamkeitsvoraussetzung und kann daher eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer grundsätzlich137 auch nur durch eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer (als „contrarius actus“) aufgelöst oder abgeändert werden. Dass im vorliegenden Fall dem im Wege einer Vereinbarung aller Wohnungseigentümer zustande gekommenen Beschluss vom 6. März 2014 keine Wirkung einer Gemeinschaftsordnung nach § 26 Abs 1 WEG zukommt (deren Zustandekommen sehr wohl Einstimmigkeit erfordert, weshalb von ihr auch wieder nur durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer abgegangen werden kann), ist völlig klar. Schon nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 26 Abs 1 WEG ist Gegenstand einer Gemeinschaftsordnung die Einrichtung bestimmter Funktionen innerhalb der Eigentümergemeinschaft oder über die Willensbildung. Ein Beschluss über eine Sanierungsmaßnahme ist aber gerade keine Regelung der Wohnungseigentümer über die Willensbildung (dh des im Rahmen der Willensbildung einzuhaltenden Verfahrens), sondern selbst unmittelbarer Gegenstand eines Willensbildungsverfahrens. *** § 24 Abs 3 WEG

Zum Stimmrechtsausschluss bei der Verwalterbestellung OGH 20.7.2017, 5 Ob 106/17z

Der OGH (5 Ob 106/17z) hatte sich neulich mit dem Stimmrechtsausschluss im Rahmen der gemeinschaftlichen Beschlussfassung im Wohnungseigentum auseinanderzusetzen. Verwaltet eine zur Verwalterin zu bestellende GmbH bereits die Wohnungseigentumsobjekte der Mehrheitseigentümerin, indiziert dies vor allem dann

136 Siehe zur Abgrenzung zwischen Liegenschaftsverwaltung und Sachverfügung insb die Anmerkung

zu unserem Newsletter vom 5. August 2015 zu 5 Ob 11/15a sowie Kothbauer, Fehlerfreie Beschlussfassung im Wohnungseigentum (Manz 2014).

137 Sieht man bestimmten gerichtlichen Entscheidungsbefugnissen (wie etwa § 9 Abs 2 WEG, § 17 Abs 2, § 32 Abs 5 und 6 WEG, § 34 Abs 2 WEG) ab.

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eine Gefährdung der Interessen der übrigen Miteigentümer, wenn diese Identität zwischen der Verwalterin der Liegenschaft und der Verwalterin der Mehrheitswohnungseigentümerin bereits in der Vergangenheit zu Missständen geführt hat. Aus diesem Grund ist diesfalls ein Stimmrechtssauschluss der Mehrheitseigentümerin bei der Bestellung „ihrer“ Verwalterin zur Verwalterin der Liegenschaft gerechtfertigt. Rechtlicher Hintergrund: Gemäß § 24 Abs 3 WEG steht einem Wohnungseigentümer im Rahmen der gemeinschaftlichen Willensbildung kein Stimmrecht zu, wenn es sich beim Gegenstand der beabsichtigten Beschlussfassung um ein Rechtsgeschäft, ein Rechtsverhältnis oder einen Rechtsstreit mit einem Wohnungseigentümer oder mit einer Person handelt, mit der dieser durch ein familiäres oder wirtschaftliches Naheverhältnis verbunden ist. Sachverhalt: Die Vorinstanzen hoben den Beschluss der Eigentümergemeinschaft über die Bestellung einer Gebäudeverwaltung GmbH zum Verwalter als unwirksam auf. Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zur Klärung der Fragen zu, ob durch die Beauftragung mit der Verwaltung eigener Objekte (der Erstantragsgegnerin) ein wirtschaftliches Naheverhältnis zu diesem Verwalter begründet werde, das einen mit Stimmrechtsausschluss einhergehenden Interessenkonflikt bei Beschlussfassung über die Bestellung dieses Verwalters bewirkt, und wer für das Bestehen oder das Fehlen eines Gefahrenpotentials behauptungs- und beweispflichtig ist. Rechtliche Beurteilung des OGH: a) Zum Stimmrechtsausschluss allgemein Der Begriff des familiären oder wirtschaftlichen Naheverhältnisses in § 24 Abs 3 WEG wurde bewusst § 6 Abs 4 MaklerG entnommen, sodass auf das dort entwickelte Gesetzesverständnis zurückgegriffen werden kann. Zweck der Regelung ist da wie dort die Vermeidung von Interessenkollisionen. Ob ein Interessenkonflikt droht, hängt einerseits von der Intensität der Beziehung zwischen den in Rede stehenden Personen, andererseits vom Zweck des Geschäfts ab. Es kommt dabei auf die Umstände des Einzelfalls an, die nach wirtschaftlich sinnvoll und praktikablen Gesichtspunkten zu beurteilen sind.138 Selbst Abhängigkeiten, die sich aus einem Dienstvertrag oder der ständigen Zusammenarbeit in einem Auftrags- oder Werkvertragsverhältnis ergeben, können ein wirtschaftliches Naheverhältnis im Sinn des § 24 Abs 3 WEG indizieren.139 b) Zum Stimmrechtsausschluss bei Bestellung und Enthebung des Verwalters

138 5 Ob 246/03t = RIS-Justiz RS0118452. 139 5 Ob 246/03t; RIS-Justiz RS0118453.

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Die Enthebung und Bestellung des Verwalters gehört zu jenen Rechtsgeschäften, die gemäß § 24 Abs 3 WEG einen Stimmrechtsausschluss gebieten, wenn durch das familiäre oder wirtschaftliche Naheverhältnis eines Wohnungseigentümers zum Verwalter Gemeinschaftsinteressen auf dem Spiel stehen. Bei einem Naheverhältnis eines Wohnungseigentümers zu der als Verwalter ausersehenen natürlichen oder juristischen Person ist stets zu hinterfragen, ob im konkreten Fall eine den Gemeinschaftsinteressen abträgliche Verwaltung etwa durch einen Strohmann dieses Wohnungseigentümers droht. Bestehen dafür plausible Anhaltspunkte, relativieren sie die Intensität des für den Stimmrechtsausschluss erforderlichen Tatbestandsmerkmals des wirtschaftlichen Naheverhältnisses.140 c) Konkreter Sachverhalt: Verwaltet die zur Verwalterin zu bestellende GmbH bereits

die Wohnungseigentumsobjekte der Mehrheitseigentümerin, so ist deren Stimmrechtssauschluss bei der Verwalterbestellung gerechtfertigt

Zum Sachverhalt: Die Erstantragsgegnerin und Mehrheitseigentümerin (rund 87 %) ist Vermieterin von neun Wohnungseigentumsobjekten, mit deren Verwaltung sie jene Gebäudeverwaltung GmbH betraute, die in der Folge per Umlaufbeschluss ausschließlich mit der Stimme der Mehrheitseigentümerin zur neuen Verwalterin des Hauses bestellt wurde. Dieses System der Identität zwischen Hausverwalterin und Verwalterin der Mehrheitseigentümerin hatte – bis zur Beendigung der jeweiligen Verwaltertätigkeit – auch zuvor bestanden, wobei es zu Missständen gekommen war. Die damalige Hausverwalterin hatte der Erstantragsgegnerin 2011 und 2012 keine Beiträge zur Reparaturrücklage vorgeschrieben und in die Abrechnungen für diese Perioden auch Reparatur- und Instandsetzungsmaßnahmen aufgenommen, die lediglich die Wohnungseigentumsobjekte der Erstantragsgegnerin betroffen hatten. Beides war der Erstantragsgegnerin bekannt. Sie hatte die von der Erstantragsgegnerin zu leistenden Beiträge nur schleppend überwiesen, weshalb es immer wieder zu Rückständen gegenüber der Eigentümergemeinschaft gekommen war. Schon bei Abschluss des Vertrags über die Verwaltung der vermieteten Wohnungseigentumsobjekte mit der (nunmehrigen) Gebäudeverwaltung GmbH beabsichtigte die Erstantragsgegnerin, ihre Verwalterin auch zur Hausverwalterin zu bestellen, was sie ca eineinhalb Monate danach mit dem nunmehr angefochtenen Umlaufbeschluss auch erreichte. Ab Beginn ihrer Verwaltungstätigkeit betreffend die Wohnungseigentumsobjekte der Antragsgegnerin leistete die Gebäudeverwaltung GmbH keine Zahlungen an die Gemeinschaft (ausgenommen eine Einmalzahlung von 500 EUR). Der Rückstand wurde einschließlich des Wohnbeitrags für Dezember 2015 erst am 9. Dezember 2015 bezahlt. Die Wohnbeiträge für Jänner 2016 wurden erst am 25. Jänner 2016 endgültig dem Konto der Eigentümergemeinschaft gutgeschrieben. Das von der Mehrheitseigentümerin eingeführte und auch fortgesetzte System der gleichzeitigen Verwaltungstätigkeit für die Eigentümergemeinschaft einerseits und die Mehrheitseigentümerin andererseits, das in der Vergangenheit zu Missständen geführt hatte, indiziert eine Gefährdung der Interessen der übrigen Gemeinschaft141, weil es auch unter dem Regime der neuen Verwalterin zu Beitragsrückständen der Erstantragsgegnerin gekommen war. Ein wirtschaftliches Naheverhältnis zwischen der

140 5 Ob 246/03t; RIS-Justiz RS0118455. 141 Gemeint sind damit die übrigen Miteigentümer.

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Mehrheitseigentümerin und der ihre Wohnungseigentumsobjekte verwaltenden GmbH ist im Sinn der zu 5 Ob 246/03t ausführlich dargelegten Kriterien zu bejahen. Das vom Rekursgericht erzielte Ergebnis, dass in dieser Konstellation ein Stimmrechtsausschluss nach § 24 Abs 3 WEG gerechtfertigt ist, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Damit erübrigt sich eine Antwort auf die Frage des Rekursgerichts nach der Beweislast. Wenn die Feststellungen – wie hier – eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Gefährdungspotentials bieten, hat jener Wohnungseigentümer, der einen Beschluss als Folge eines Stimmrechtsausschlusses bekämpft, seine ihn im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren treffende, qualifizierte Behauptungspflicht142 erfüllt. Der Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin zeigt entgegen dem nach § 71 Abs 1 AußStrG in Verbindung mit § 52 WEG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist deshalb ist zurückzuweisen. Anmerkungen: Der dem Maklerrecht (§ 6 Abs 4 MaklerG) entnommene Begriff des wirtschaftlichen oder familiären Naheverhältnisses wurde in gleich mehrere wohnungseigentumsrechtliche Bestimmungen eingebaut.143 Dass demnach – wie der OGH erwähnt – zur Auslegung auf das im Maklerrecht entwickelte Gesetzesverständnis zurückgegriffen werden könne, ist freilich keine allzu große Hilfe, weil der gegenständliche Begriff auch im Maklerrecht alles andere als klar abgegrenzt ist.144 Damit finden die Gerichte im Fall von Auseinandersetzungen einen doch recht großen Auslegungsspielraum vor, von dem im hier vorliegenden Fall aber ganz ohne Zweifel in durchaus vertretbarer Weise Gebrauch gemacht wurde: Dass das hier gegenständliche „System der Identität zwischen Hausverwalterin und Verwalterin der Mehrheitseigentümerin“ bereits in der Vergangenheit zu Missständen geführt hat, mag neben bereits grundsätzlichen Bedenken in der Tat eine starke Indizwirkung für eine konkrete Gefährdung der Interessen der übrigen Miteigentümer und daher einen entsprechenden Stimmrechtsausschluss sein. Keinesfalls ist es aber zulässig, für die Beurteilung der Frage, ob für einen Beschlussgegenstand ein Stimmrechtsausschluss bestimmter Wohnungseigentümer vorliegt, Missstände und sonstige Unzulänglichkeiten zu würdigen, die erst nach der Beschlussfassung aufgetreten sind. Die Frage, ob ein Stimmrechtsausschluss vorliegt, muss ja im Rahmen und damit zum Zeitpunkt der Beschlussfassung selbst geklärt werden, weshalb naturgemäß auf allfällige erst in der Zukunft eintretende Umstände nicht Bedacht genommen werden kann. Sie können daher für die Frage des Stimmrechtsausschlusses keine Bedeutung entfalten (sondern höchstens

142 RIS-Justiz RS0070480; RS0124141 [T2]; RS0070415. 143 Neben dem Stimmrechtsausschluss gemäß § 24 Abs 3 WEG gilt dies auch für die spezielle Hinweispflicht des

Verwalters vor Beauftragungen an nahestehende Personen gemäß § 20 Abs 4 Satz 1 WEG und für die Dominatorenregelung gemäß § 30 Abs 2 WEG.

144 Man denke etwa nur daran, dass zwar wirtschaftliche und familiäre Naheverhältnisse wörtlich den gesetzlichen Tatbestand erfüllen, nicht aber Interessenkonflikte, die sich aufgrund rein persönlicher Naheverhältnisse (die mitunter noch intensiver sein können als wirtschaftliche oder familiäre Verbindungen) ergeben (weshalb hier wohl eine extensive, den Wortlaut überschreitende Auslegung geboten sein dürfte). Im Übrigen bleibt auch völlig unklar, wie weit der Kreis der tatbestandsmäßigen Naheverhältnisse zu ziehen ist (wie verhält es sich zB bei geringfügigen oder gar bagatellhaften gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen an Gesellschaften im „Streubesitz“, entfernte verwandtschaftliche Verhältnisse etc?).

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nachträglich ein Indiz für die Richtigkeit der Stimmrechtsausschlusses liefern). Im vorliegenden Fall wäre ja wohl der Stimmrechtsausschluss völlig unabhängig davon, ob es danach tatsächlich zu Pflichtverletzungen seitens der neu bestellten Verwalterin gekommen ist, erkannt worden. *** § 24 Abs 6 WEG (und § 28 Abs 1 Z 5 WEG)

Die rückwirkende gerichtliche Beseitigung eines Beschlusses auf (Wieder-)Bestellung des Verwalters vernichtet nicht den Entgeltanspruch des Verwalters für seine bis dahin ordnungsgemäß erbrachte Tätigkeit OGH 20.11.2017, 5 Ob 193/17v

Der OGH (5 Ob 193/17v) hat sich mit der Feststellung der Unwirksamkeit eines Beschlusses auf (Wieder-)Bestellung eines Verwalters im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren befasst: Ungeachtet der rückwirkenden Beseitigung eines solchen Beschlusses steht dem Verwalter für die Zeit, in der er die Verwaltung ordnungsgemäß ausgeübt hat, ein Entgeltanspruch zu. Schließlich war ja – zumal Beschlussanfechtungen im Bereich der ordentlichen Verwaltung keine aufschiebende Wirkung entfalten – der Beschluss bis zur Feststellung seiner Unwirksamkeit schwebend wirksam und damit vollziehbar. Rechtlicher Hintergrund: Die Bestellung des Verwalters und die Auflösung des Verwaltungsvertrags zählen im Wohnungseigentumsrecht zu den Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung (§ 28 Abs 1 Z 5 WEG).145 Im Bereich der ordentlichen Verwaltung entfaltet eine (lediglich gemäß § 24 Abs 6 WEG wegen formeller Mängel, grober Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit zulässige, binnen Monatsfrist ab Anschlag des Beschlusses im Haus vorzunehmende146) Beschlussanfechtung keine aufschiebende Wirkung. Beschlüsse über Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung sind daher ungeachtet ihrer Anfechtung bis zu einer allfälligen rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung ihrer Unwirksamkeit schwebend wirksam und damit vollziehbar.147 Sachverhalt:

145 Vgl etwa unseren Newsletter vom 16. Dezember 2015 zu 5 Ob 52/15f. 146 Vgl hierzu insbesondere unseren Newsletter vom 7. Dezember 2016 zu 5 Ob 20/16a. 147 Vgl etwa 5 Ob 110/12f = Newsletter vom 17. April 2013. Diese sofortige Vollziehbarkeit unterscheidet

Beschlüsse über Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung von jenen der außerordentlichen Verwaltung gemäß § 29 Abs 1 WEG, die erst mit ungenütztem Ablauf sämtlicher Anfechtungsfristen (§ 24 Abs 4 WEG, § 29 Abs 1 WEG) oder im Falle ihrer fristgerechten Anfechtung erst mit rechtskräftiger gerichtlicher Bestätigung ihrer Wirksamkeit vollziehbar werden. Zumal Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung nur auf der Grundlage eines wirksamen Beschlusses durchgeführt werden dürfen (§ 29 Abs 6 WEG), muss daher der Verwalter – bei sonst drohendem Schadenersatz (vgl 5 Ob 265/04p) – vor Durchführung der Maßnahme unbedingt alle Anfechtungsfristen abwarten!

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Der Antragsteller ist Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****. Die Erstantragsgegnerin war Verwalterin dieser Wohnungseigentumsanlage und legte für die Jahre 2012 bis 2014 je eine Abrechnung, in die sie jeweils das für ihre Verwaltertätigkeit verrechnete Entgelt aufnahm. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der es den Antrag, festzustellen, dass die Abrechnungen für die Jahre 2012 bis 2014 (unter anderem) insofern unrichtig seien, also darin für die Hausverwaltungstätigkeit jeweils ein nicht zustehendes Entgelt verrechnet worden sei, abwies, und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob dem Verwalter nach Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft über seine (Wieder-)Bestellung (mit Wirkung ex tunc148) ein Honorar für seine bisherige Tätigkeit zustehe, noch nicht entschieden worden sei. Rechtliche Beurteilung des OGH: a) Zum Beschluss über die Auflösung des Verwaltungsvertrags als Maßnahme der

ordentlichen Verwaltung Die Bestellung des Verwalters und die Auflösung des Verwaltungsvertrags sind gemäß § 28 Abs 1 Z 5 WEG Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft.149 Hat die Eigentümergemeinschaft die Kündigung des bisherigen Verwalters ausgesprochen und auch einen neuen Verwalter bestellt, muss sich der frühere Verwalter jeder Tätigkeit für das neue Verwaltungsjahr enthalten.150

Eine Pflicht des Verwalters, seine Tätigkeit nach § 1025 ABGB fortzusetzen, besteht nur bis zur Bestellung eines neuen Verwalters.151

b) Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft können jederzeit wieder rückgängig

gemacht werden (hier: Fortsetzung des Verwaltungsvertrags trotz vorheriger Kündigung)

Zum Sachverhalt: Der Antragsteller beruft sich auf diese Grundsätze und meint, dass der Verwalterin kein Honorar zustehe, weil sie ihre Verwaltungstätigkeit gegen den Willen der Eigentümergemeinschaft weitergeführt habe, obwohl mit dem Beschluss aus Juli 2011 nicht nur deren Kündigung ausgesprochen, sondern mit Wirksamkeit ab 1. Jänner 2012 auch eine neue Hausverwaltung bestellt worden sei. Dabei übersieht er jedoch, dass der vorliegende Fall von der Besonderheit geprägt ist, dass die Eigentümergemeinschaft noch vor Wirksamkeit der Kündigung zum 31. Dezember 2011 mehrheitlich beschloss, die Verwalterin mit der Fortsetzung der Verwaltertätigkeit über diesen Zeitpunkt hinaus zu betrauen. Eine Rücknahme der Aufkündigung in Gestalt eines „contratios actus“, demnach durch ausdrückliche Wiederbestellung des Verwalters ist möglich.152

148 Ex tunc = rückwirkend. 149 RIS-Justiz RS0106051 [T5]. 150 RIS-Justiz RS0125809; RS0125756. 151 RIS-Justiz RS0125756. 152 Vgl 5 Ob 19/17f = Newsletter vom 2. August 2017 = RIS-Justiz RS0131552.

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Beschlüsse oder Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung sind ganz allgemein auflösend bedingt153, sodass sie bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Aufhebung schwebend wirksam und daher zeitlich eingeschränkt vollziehbar sind.154 Das gilt auch für einen Beschluss über die (Wieder-)Bestellung des bisherigen Verwalters. c) Wiewohl die erfolgreiche Anfechtung eines Beschlusses über die (Wieder-)Bestellung

des Verwalters diesen Beschluss rückwirkend (ex tunc) beseitigt, steht dem Verwalter für die Zeit, in der er die Verwaltung ordnungsgemäß ausgeübt hat, ein Entgeltanspruch zu

Zum Sachverhalt: Dass die Anfechtung letztlich erfolgreich war, hat den Beschluss auf Wiederbestellung der Erstantragsgegnerin zwar mit Wirkung ex tunc beseitigt155, änderte aber nichts daran, dass er bis dahin vollziehbar war. Die Tätigkeit erfolgte daher aufgrund eines (schwebend) wirksamen Beschlusses der Eigentümergemeinschaft und eines darauf basierenden (hier: verlängerten) Bevollmächtigungsvertrags, der als Dauerschuldverhältnis konzipiert ist. Bei dieser Sachlage kann nicht zweifelhaft sein, dass dem Verwalter für seine Leistungen ein Entgelt zusteht, zumal ausdrücklich feststeht, dass die mit Beschluss aus Juli 2011 in Aussicht genommene Hausverwalterin in dem hier maßgeblichen Zeitraum keine Tätigkeiten übernommen und die Verwalterin ihre Verwaltungstätigkeit – entsprechend einer Vereinbarung mit ihrer Nachfolgerin – bis zum Ablauf des Verwaltungsjahrs 2014 ordnungsgemäß ausgeübt hat. Ganz allgemein ist für Dauerschuldverhältnisse nämlich eine Beschränkung der Rückwirkung von Nichtigkeit, Anfechtung und Rücktritt anerkannt, sodass sie – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – nicht rückwirkend aufgelöst werden können, wenn sie bereits ins Erfüllungsstadium eingetreten sind.156 Nichts anderes kann gelten, wenn der dem Bevollmächtigungsvertrag zugrunde liegende Beschluss der Eigentümergemeinschaft über die Wiederbestellung der bisherigen Hausverwaltung (mit Wirkung ex tunc) aufgehoben wird. d) Entscheidung des vorliegenden Falls Zum Sachverhalt: Die Lösung der vom Rekursgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage ergibt sich somit zwanglos aus der Anwendung bereits bestehender Rechtsprechungsgrundsätze.157 Der vom Antragsteller erhobene Revisionsrekurs ist [daher] entgegen dem den OGH nicht bindenden Ausspruch (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig. Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist damit zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf (§ 71 Abs 3 AußStrG). ***

153 RIS-Justiz RS0122765 [T5, T6]. 154 5 Ob 105/07p. 155 RIS-Justiz RS0122765 [T3]; 5 Ob 211/05y ua. 156 RIS-Justiz RS0018363 [zum Auftragsverhältnis: T7]; vgl auch RS0106756. 157 Vgl RIS-Justiz RS0118640; 8 ObA 27/07i = RS0042742 [T13].

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 65

§ 29 Abs 1 und 2 WEG

Die (gemeinschaftliche) Errichtung einer Solarzellenanlage ist der außerordentlichen Verwaltung zuzurechnen OGH 26.9.2017, 5 Ob 161/17p

Der OGH (5 Ob 161/17p) hat bekräftigt, dass bauliche Maßnahmen, die ausschließlich allgemeine Teile betreffen (hier: die Errichtung einer Solarzellenanlage), der Verwaltung zuzuordnen sind, wenn die Veränderung gemeinschaftlichen Interessen (hier: Energieersparnis) dient. In diesem Fall kommt die Entscheidungskompetenz grundsätzlich der Eigentümergemeinschaft und damit der Mehrheit zu. Der überstimmte Wohnungseigentümer ist dann auf seine Minderheitsrechte (= Beschlussanfechtung) verwiesen. Im Rahmen einer Beschlussanfechtung muss der Antragsteller den bestimmten Rechtsgrund, auf den er die Anfechtung stützt, fristgerecht geltend machen. Verspätet geltend gemachte („nachgeschobene“) Anfechtungsgründe sind präkludiert (ausgeschlossen). Rechtlicher Hintergrund: Über Veränderungen an den allgemeinen Teilen der Liegenschaft, die über die in § 28 WEG genannten Angelegenheiten (im Sinne der Erhaltung als ordentliche Verwaltung) hinausgehen, wie etwa nützliche Verbesserungen oder sonstige über die Erhaltung hinausgehende bauliche Veränderungen (somit also Veränderungen, die der außerordentlichen Verwaltung zuzurechnen sind), entscheidet die Mehrheit der Wohnungseigentümer, doch kann jeder der Überstimmten mit einem gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richtenden Antrag die gerichtliche Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses verlangen. Die Antragsfrist beträgt drei Monate, bei unterbliebener Verständigung des Wohnungseigentümers von der beabsichtigten Beschlussfassung und von ihrem Gegenstand (§ 25 Abs 2 WEG) hingegen sechs Monate und beginnt mit dem Anschlag des Beschlusses im Haus gemäß § 24 Abs 5 WEG (§ 29 Abs 1 WEG). Das Gericht hat den Mehrheitsbeschluss aufzuheben, wenn

1. die Veränderung den Antragsteller übermäßig beeinträchtigen würde oder 2. die Kosten der Veränderung - unter Berücksichtigung auch der in absehbarer Zeit

anfallenden Erhaltungsarbeiten - nicht aus der Rücklage gedeckt werden könnten (§ 29 Abs 2 WEG).158

Eine Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses aus dem Grund des Abs 2 Z 2 (fehlende Kostendeckung in der Rücklage) hat nicht stattzufinden, wenn der nicht gedeckte Kostenanteil von der beschließenden Mehrheit getragen wird oder wenn es sich um eine Verbesserung handelt, die auch unter Berücksichtigung der fehlenden Kostendeckung in der Rücklage allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereicht (§ 29 Abs 3 WEG).

158 Daneben steht allen Wohnungseigentümern auch im Bereich der außerordentlichen Verwaltung nach § 29

Abs 1 WEG ein (überwiegend) formelles Beschlussanfechtungsrecht wegen formeller Mängel, (grober) Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit binnen eines Monats ab Anschlag des Beschlusses im Haus zu (§ 24 Abs 6 WEG).

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Rechtliche Beurteilung des OGH: a) Bauliche Maßnahmen, die ausschließlich allgemeine Teile der Liegenschaft betreffen,

sind der Verwaltung zuzuordnen, wenn die Veränderung gemeinschaftlichen Interessen dient.

Nur Maßnahmen der (ordentlichen oder außerordentlichen) Verwaltung können nach der Rechtsprechung Gegenstand einer Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft sein, nicht jedoch Verfügungen im Sinne des § 828 ABGB, die der Einstimmigkeit bedürfen.159 Beschlüsse, die keine Verwaltungs-, sondern Verfügungshandlungen sind, können unbefristet bekämpft werden.160 Bauliche Maßnahmen, die ausschließlich allgemeine Teile betreffen (hier: Errichtung einer Solarzellenanlage auf dem Dach des Hauses mit einem geschätzten, in der Rücklage um ein Vielfaches gedeckten Aufwand von maximal 25.000 EUR und einer anteiligen Belastung der Antragstellerin mit 137 EUR) sind der Verwaltung zuzuordnen, wenn die Veränderung gemeinschaftlichen Interessen (hier: Energieersparnis) dient. In diesem Fall kommt die Entscheidungskompetenz grundsätzlich der Eigentümergemeinschaft und damit der Mehrheit zu. Der überstimmte Wohnungseigentümer ist dann auf seine Minderheitsrechte verwiesen.161 Zum Sachverhalt: Die Antragstellerin begründet das Erfordernis einer Einstimmigkeit mit der ihrer Ansicht nach drohenden (aufgezwungenen) Eigenschaft der Eigentümergemeinschaft bzw jedes einzelnen Wohnungseigentümers als dem GSVG unterliegender Netzbetreiber. Die dabei befürchtete Einspeisung in das Netz eines Energieversorgers ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen aber auszuschließen. Eine Einspeisung in das öffentliche Stromnetz ist nicht vorgesehen. Der Bezug des Betriebsstroms aus dem öffentlichen Netz wird dann unterbrochen, wenn Solarstrom in ausreichendem Maß zum autarken Betrieb produziert wird. b) Beschlussanfechtungsgründe müssen fristgerecht geltend gemacht werden Die Fristen für die Anfechtung von Beschlüssen der Eigentümergemeinschaft nach § 24 Abs 6 und § 29 Abs 1 Satz 1 WEG sind materiell-rechtliche Ausschlussfristen.162 Der Antragsteller muss den bestimmten Rechtsgrund, auf den er die Anfechtung stützt, fristgerecht geltend machen. Das Gericht hat nicht von sich aus völlig andere Tatbestandsvoraussetzungen zu

159 5 Ob 216/15y = Newsletter vom 13. Juli 2016; RIS-Justiz RS0108763; RS0130070 [T1]; RS0109840 [T2] 160 RIS-Justiz RS0083156 [T17]; RS0108763 [T3]; RS0109840 [T3]. Vgl zuletzt unseren Newsletter vom 11.

Oktober 2017 zu 5 Ob 44/17g. 161 Vgl 5 Ob 216/15y = Newsletter vom 13. Juli 2016 mit weiteren Nachweisen. 162 RIS-Justiz RS0106946. Dies bedeutet, dass die Anträge bereits am letzten Tag der Frist bei Gericht eingelangt

sein müssen. Das Datum des Poststempels ist also nicht maßgeblich. Vgl hierzu unseren Newsletter vom 3. August 2011.

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prüfen. Verspätet geltend gemachte („nachgeschobene“) Anfechtungsgründe sind präkludiert.163 Zum Sachverhalt: Die Antragstellerin hat ihr Sachvorbringen, aus dem sie die Rechtsfolge einer übermäßigen Beeinträchtigung (§ 29 Abs 2 Z 1 WEG) ableitet, erstmals nach Ablauf der dreimonatigen Anfechtungsfrist erstattet. Die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts zur Verfristung dieses Anfechtungsvorbringens greift sie nur insofern an, als sie eine Anleitung durch das Erstgericht fordert. Dieser angebliche, im Rekurs nicht gerügte Verfahrensmangel erster Instanz kann auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nicht im Revisionsrekurs geltend gemacht werden. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird [daher] mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG in Verbindung mit § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen. Anmerkungen: Auch im Bereich der Veränderungen der allgemeinen Teile der Liegenschaft, die über den bloßen Erhaltungszweck hinausgehen und daher der außerordentlichen Verwaltung zuzurechnen sind, genügt ein Beschluss seitens der Mehrheit der Wohnungseigentümer. Der Beschluss entfaltet aber erst mit Ablauf aller Anfechtungsfristen (oder einer den Beschluss bestätigenden rechtskräftigen Entscheidung im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren) Vollziehbarkeit (zumal Beschlussanfechtungen im Bereich der außerordentlichen Verwaltung aufschiebende Wirkung zeitigen).164 Nachdem ein Beschluss im Bereich der außerordentlichen Verwaltung von den überstimmten Wohnungseigentümern schon alleine wegen fehlender Kostendeckung in der Rücklage (dies unter Berücksichtigung in absehbarer Zeit anfallender Erhaltungsarbeiten) angefochten werden kann (§ 29 Abs 2 Z 2 WEG)165, bestehen in vielen Fällen reelle Chancen auf eine erfolgreiche Anfechtung (es sei denn, die beschließende Mehrheit erklärt sich bereit, den nicht gedeckten Kostenanteil selbst – also ohne Inanspruchnahme der Rücklage – zu tragen oder das Gericht stellt fest, dass es sich um eine Verbesserung handelt, die auch unter Berücksichtigung der fehlenden Kostendeckung in der Rücklage allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereicht; § 29 Abs 3 WEG). Im vorliegenden Fall fanden jedoch die Kosten der beschlossenen Maßnahme in der Rücklage sehr wohl ausreichende Deckung. Der alternative Anfechtungsgrund einer übermäßigen Beeinträchtigung des Antragstellers (§ 29 Abs 2 Z 1 WEG) wurde indes zu spät vorgebracht, sodass diesbezüglich erstattetes Vorbringen einem Ausschluss unterlag. *** § 29 Abs 1 und Abs 2 Z 2 WEG (und § 52 Abs 1 Z 5 WEG)

Zur wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtung im Bereich der außerordentlichen Verwaltung OGH 27.6.2017, 5 Ob 82/17w

163 Vgl zu § 24 Abs 6 WEG: 5 Ob 20/16a = Newsletter vom 7. Dezember 2016; RIS-Justiz RS0130835; vgl zu § 29

WEG 5 Ob 234/16x = Newsletter vom 31. Mai 2017. 164 Vgl hierzu unseren Newsletter vom 10. Juli 2013 zu 5 Ob 227/12m. 165 Vgl hierzu unseren Newsetter vom 30. August 2017 zu 5 Ob 82/17w.

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Der OGH (5 Ob 82/17w) hat sich in einer aktuellen Entscheidung auf sehr überzeugende Weise im Wohnungseigentumsrecht mit der Abgrenzung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung und den daraus erfließenden Konsequenzen für die Beschlussanfechtung befasst. Sofern Arbeiten nicht unmittelbar der Beseitigung eines ernsten Hausschadens dienen, gehen sie über die ordentliche Verwaltung hinaus. Ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft im Bereich der außerordentlichen Verwaltung ist auf Antrag eines Wohnungseigentümers bei fehlender Kostendeckung in der Rücklage aufzuheben, sofern nicht der nicht gedeckte Kostenanteil von der beschließenden Mehrheit getragen wird und es sich auch nicht um eine Verbesserung handelt, die allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereicht. Sachverhalt:

Der Antragsteller ist zu 362/784 und die Antragsgegnerin zu 422/784 Anteilen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit der Adresse *****. Die Eigentümergemeinschaft stimmte mit Beschluss vom 11. Juni 2015 der Sanierung des Kellerabgangs bzw der Kellerstiege unter Zugrundelegung des Anbots der B***** GmbH vom 9. Oktober 2013 in der Höhe von 17.436,58 EUR sowie der Klagsführung gegen den Antragsteller wegen Schadenersatz in Höhe von 10.436,58 EUR zu. Das Erstgericht hob diesen Beschluss auf. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin dagegen nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Rechtliche Beurteilung des OGH: a) Nur der schriftlich zur Kenntnis gebrachte Text eines Beschlusses ist für seinen Inhalt

relevant – im vorliegenden Fall ist die Auslegung des Beschlusses durch die Vorinstanzen aufgrund seiner Textierung und unter Berücksichtigung des ihm zugrunde gelegten Anbots vertretbar

Zuzugestehen ist, dass nur der schriftlich zur Kenntnis gebrachte Text des Beschlusses für die Beurteilung maßgeblich sein kann, was Gegenstand des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft und der Anfechtung durch Wohnungseigentümer ist, und ein vom Wortlaut nicht gedeckter oder sogar davon abweichender subjektiver Parteiwille der an der Beschlussfassung beteiligten Wohnungseigentümer von der Rechtsprechung für irrelevant gehalten wird.166 Zum Sachverhalt: Da aber nach den Feststellungen hier sogar der Text des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft nicht nur die Sanierung der tatsächlich baufälligen Kellermauer, sondern auch der Kellerstiege enthielt und den Abstimmungsunterlagen das Anbot der 166 RIS-Justiz RS0130029. Siehe 5 Ob 29/15y = Newsletter vom 15. Juli 2015.

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B***** GmbH über 17.436,58 EUR zugrunde gelegt wurde, ist die Auslegung der Vorinstanzen, damit habe die Eigentümergemeinschaft die in diesem Anbot konkret enthaltenen Arbeiten genehmigt, jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch den OGH im Einzelfall.167

Zum Sachverhalt: Die Antragsgegnerin beharrt darauf, Gegenstand der Beschlussfassung sei lediglich die Sanierung des Kellerabgangs/der Kellermauer, nicht die Beauftragung der Firma B***** GmbH gewesen. Die Sanierung der baufälligen Kellermauer sei jedenfalls als Erhaltungsarbeit im Sinne des § 28 Abs 1 Z 1 WEG zu werten. Damit weicht die Antragsgegnerin von den vom Rekursgericht gebilligten erstgerichtlichen Feststellungen ab, wonach die Eigentümergemeinschaft der Sanierung des Kellerabgangs bzw der Kellerstiege unter Zugrundelegung des Anbots der B***** GmbH zustimmte. Dass die Vorinstanzen bei dieser Beurteilung nicht nur den Wortlaut des Beschlusses auslegten, sondern darüber hinaus auch unter Berücksichtigung der Abstimmungsunterlagen in tatsächlicher Hinsicht davon ausgingen, dass den Mit- und Wohnungseigentümern nicht nur im Vorfeld der konkrete Umfang der beabsichtigten Maßnahmen mitgeteilt, sondern auch im vollen Umfang schriftlich zur Kenntnis gebracht worden war, ergibt sich insbesondere aus der Argumentation des Rekursgerichts im Zusammenhang mit der Beweisrüge der Antragsgegnerin. Der OGH, der auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz ist168, kann dem nicht entgegentreten.

b) Sofern Arbeiten nicht unmittelbar der Beseitigung eines ernsten Hausschadens

dienen, gehen sie über die ordentliche Verwaltung hinaus Durch den Verweis auf § 3 Abs 1 MRG in § 28 Abs 1 Z 1 WEG ist klargestellt, dass die Erhaltung „in jeweils ortsüblichem Standard“ für die Abgrenzung der Erhaltung von der Verbesserung von Bedeutung ist, sodass zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung gehören, auch wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt oder es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und dabei sogar Veränderungen vorgenommen werden. Allerdings sind dem Umfang von Sanierungsarbeiten auch im Bereich des WEG Grenzen durch die wirtschaftliche Zumutbarkeit gezogen; ein echter Verbesserungsaufwand gemäß § 29 Abs 1 WEG kann nicht der Miteigentümergemeinschaft aufgebürdet werden.169 Wenngleich „Erhaltung“ im Sinne des § 3 Abs 1 MRG und § 28 Abs 1 Z 1 WEG auch zu einer „Verbesserung“ führen kann, ohne dass dadurch eine Maßnahme außerordentlicher Verwaltung anzunehmen ist, setzt dies doch in der Regel eine Einschränkung der Funktionsfähigkeit, Brauchbarkeit, einen bestehenden Mangel oder doch zumindest eine Schadensgeneigtheit voraus.170 Zum Sachverhalt: Dass aufgrund der festgestellten Baumängel der außenseitigen Mauer des Kellerabgangs, die einen ernsten Schaden des Hauses darstellen, die vom Erstgericht näher

167 Vgl RIS-Justiz RS0042555 [T2], RS0044088 [T37]. 168 RIS-Justiz RS0069246 [T4]. 169 RIS-Justiz RS0083121. Mit der etwas eigentümlichen Formulierung „kann nicht […] aufgebürdet werden“ ist

gemeint, dass Verbesserungen nach § 29 Abs 1 WEG als Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung jedenfalls einer Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft bedürfen, und die gefassten Beschlüsse auch einem materiellen (Inhaltlichen) Anfechtungsrecht (vgl § 29 Abs 1 bis 4 WEG) unterliegen.

170 RIS-Justiz RS0116998 (= dynamischer Erhaltungsbegriff).

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festgestellten Erhaltungsarbeiten an dieser Mauer erforderlich sind, ziehen auch die Vorinstanzen keineswegs in Zweifel. Die Vorisntanzen beurteilten allerdings übereinstimmend die von der Firma B***** GmbH vorgeschlagenen Sanierungsarbeiten durch gänzliche Erneuerung der gesamten Kellerstiege samt Abbruch und Erneuerung der Bodenplatte und der Querwände um 17.436,58 EUR, die Gegenstand der Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft waren, übereinstimmend als außerordentliche Verwaltungsmaßnahme (da nicht bloß der Erhaltung der baufällig gewordenen Außenmauer des Kellerabgangs dienend). Dies ist schon deshalb vertretbar, weil ein baufälliger oder auch nur mangelhafter Zustand der Kellerstiege selbst ebenso wenig festgestellt wurde wie die Notwendigkeit, zum Zweck der Behebung des Bauschadens an der Mauer des Stiegenabgangs die gesamte Stiege samt Bodenplatten und Querwänden abzubrechen und zu erneuern. Eine neuerliche Abstimmung (nur) über die Sanierung der Außenmauer des Kellerabgangs bleibt der Eigentümergemeinschaft unbenommen. c) Zur gerichtlichen Aufhebung eines Beschlusses im Bereich der außerordentlichen

Verwaltung – bei fehlender Kostendeckung in der Rücklage ist der Beschluss gemäß § 29 Abs 2 Z 2 WEG aufzuheben, so nicht die Ausnahmevoraussetzungen des § 29 Abs 3 WEG vorliegen

Im Fall einer außerordentlichen Verwaltungsmaßnahme hat das Gericht gemäß § 29 Abs 2 WEG einen Beschluss aufzuheben, wenn die Veränderung den Antragsteller übermäßig beeinträchtigen würde (Z 1) oder die Kosten der Veränderung – unter Berücksichtigung auf der in absehbarer Zeit anfallenden Erhaltungsarbeiten – nicht aus der Rücklage gedeckt werden könnten (Z 2). Im Fall der Z 2 ist der Beschluss aufrecht zu erhalten, wenn der nicht gedeckte Kostenanteil von der beschließenden Mehrheit getragen wird oder es sich um eine Verbesserung handelt, die allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereicht (§ 29 Abs 3 WEG). Zum Sachverhalt: Auf die Frage, ob im konkreten Fall die Veränderung den Antragsteller übermäßig beeinträchtigen würde und diese Beeinträchtigung allenfalls im Sinne des § 29 Abs 4 WEG durch eine Entschädigung ausgeglichen werden könnte, ist nicht näher einzugehen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen haben die Parteien keine Rücklage für Sanierungen gebildet. Dass die Antragsgegnerin allein die Kosten der Sanierung des gesamten Kellerabgangs – jedenfalls soweit diese über die Sanierungskosten der baufälligen Außenmauer des Stiegenabgangs hinausgehen – tragen würde, hat sich im Verfahren ebenso wenig ergeben, wie dass die Gesamtsanierung des Kellerabgangs, der nur dem Zugang zu den dem Wohnungseigentumsobjekt der Antragsgegnerin zugeordneten Kellerräumlichkeiten dient, eindeutig allen Wohnungseigentümern zum Vorteil gereichen würde. Auch insoweit bedarf die vertretbare Rechtsauffassung der Vorinstanzen keiner Korrektur durch den OGH. d) Ergebnis des vorliegenden Falls Zum Sachverhalt: Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist somit zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 71

Anmerkungen: Buchtipp zum Thema: Kothbauer, Fehlerfreie Beschlussfassung im Wohnungseigentum (Manz 2014). *** § 55 WEG (und § 8 Abs 4 WEG 1948 sowie § 29 Abs 1 Z 2 WEG 1975)

Zur Bindung neu hinzutretender Wohnungseigentümer an eine vor dem 1. September 1975 bloß mündlich oder konkludent getroffene Vereinbarung über eine vom Gesetz abweichende Kostenaufteilung OGH 26.9.2017, 5 Ob 72/17z

Der OGH (5 Ob 72/17z) hat bekräftigt, dass im Wohnungseigentumsrecht eine vor dem 1. September 1975 (= WEG 1948) bloß mündlich (oder gar konkludent) getroffene Vereinbarung über eine vom Gesetz abweichende Kostenaufteilung im Falle eines Eigentümerwechsels ab dem 1. September 1975 zu ihrer Weitergeltung einer vertraglichen Überbindung auf den neu hinzutretenden Wohnungseigentümer oder dessen schriftlicher Beitrittserklärung bedarf. Die Ansicht, die Übergabe der Eigentumswohnung „in den bestehenden Rechten und Lasten“, wie sie der Verkäufer gehabt habe, bewirke unabhängig von der Frage ihrer subjektiven Kenntnis eine Überbindung auch der Aufteilungsvereinbarung, korrespondiert mit der Rechtsprechung zur Überbindung anderer Verpflichtungen und ist daher nicht korrekturbedürftig. Rechtliche Beurteilung des OGH: a) Zur gegenständlichen Rechtsfrage: Bindung einer neu hinzutretenden

Wohnungseigentümerin an eine vor dem 1. September 1975 bloß mündlich zustande gekommene vom Gesetz abweichende Kostenaufteilungsvereinbarung

Zum Sachverhalt: Gegenstand des Verfahrens ist die Frage des Bestehens einer (wirksamen) von der gesetzlichen Regelung des § 32 Abs 1 WEG abweichenden Vereinbarung eines Aufteilungsschlüssels in Bezug auf einzelne Aufwendungen. Konkret ist strittig, ob die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft eine gemäß § 8 Abs 4 WEG 1948 wirksame Vereinbarung über die Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen getroffen haben und ob die Antragstellerin, die ihre mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteile erst im Jahr 2012 erworben hat, an diese Vereinbarung gebunden ist. b) Eine vor dem 1. September 1975 bloß mündlich (oder gar konkludent) getroffene

Vereinbarung über eine vom Gesetz abweichende Kostenaufteilung bedarf im Falle eines Eigentümerwechsels ab dem 1. September 1975 zu ihrer Weitergeltung einer vertraglichen Überbindung auf den neu hinzutretenden Wohnungseigentümer oder dessen schriftlicher Beitrittserklärung

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 72

Die Rechtswirksamkeit einer vor dem 1. September 1975 abgeschlossenen Vereinbarung über eine vom Gesetz abweichende Aufteilung von Aufwendungen ist gemäß § 29 Abs 1 Z 2 WEG 1975 in Verbindung mit § 55 WEG 2002 (weiterhin) nach den zum Zeitpunkt ihres Abschlusses geltenden Vorschriften zu beurteilen.171 Im Geltungsbereich des WEG 1948 bedurfte es keiner schriftlichen Vereinbarung der Mit- und Wohnungseigentümer, um Liegenschaftsaufwendungen anders zu verteilen, als dies im Gesetz vorgesehen war. Eine solche Vereinbarung konnte vielmehr mündlich oder auch konkludent zustande kommen.172 Eine solche Vereinbarung hatte aber bloß schuldrechtliche Wirkung und blieb im Fall eines Eigentümerwechsels ab dem 1. September 1975 (Inkrafttreten des WEG 1975) nur dann bestehen, wenn sie vom Rechtsvorgänger auf seinen Nachfolger vertraglich überbunden oder von diesem durch schriftlichen Beitritt übernommen wurde, um das Schriftformgebot des § 19 Abs 1 Z 2 WEG 1975 zu erfüllen. Gesamt- und Einzelrechtsnachfolger, die diese Pflicht durch Überbindungsklausel übernommen hatten, waren an diese Vereinbarung gebunden.173 Die nach dem WEG 1975 geforderte Schriftform trifft nur den der seinerzeit konkludent geschlossenen Vereinbarung neu beitretenden Miteigentümer. Sie ist – unter Berücksichtigung ihres Schutzzwecks – schon eingehalten, wenn der Rechtsnachfolger mittels schriftlichen Vertrags in die Rechtsstellung seines Vorgängers eintrat.174 Zum Sachverhalt: Auf Basis des festgestellten Sachverhalts gingen die Vorinstanzen von einer schon in den Jahren 1970/1971 zustande gekommenen Vereinbarung aller damaligen Mit- und Wohnungseigentümer über eine vom Gesetz abweichende Aufteilung einzelner Liegenschaftsaufwendungen aus und sie bejahten auch die Bindung der Antragstellerin. Diese Aufteilungsvereinbarung sei ihr durch die in ihren Kaufvertrag aufgenommene Vereinbarung, dass die Übergabe und Übernahme der Eigentumswohnung „in den bestehenden Rechten und Lasten, Grenzen und Marken, so wie der Verkäufer diese besessen und benutzt“ habe „bzw zu besitzen und zu benützen berechtigt“ gewesen sei, erfolge, vertraglich überbunden worden. c) Die Ansicht, die Übergabe der Eigentumswohnung „in den bestehenden Rechten und

Lasten“, wie sie der Verkäufer gehabt habe, bewirke unabhängig von der Frage ihrer subjektiven Kenntnis eine Überbindung auch der Aufteilungsvereinbarung, korrespondiert mit der Rechtsprechung zur Überbindung anderer Verpflichtungen und ist daher nicht korrekturbedürftig

Zum Sachverhalt: Die Antragstellerin sieht die Zulässigkeit ihres Revisionsrekurses nun darin begründet, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Fallkonstellation fehle und die Beurteilung des Rekursgerichts von der bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage der Überbindung abweiche. Die Frage der vertraglichen Überbindung der

171 5 Ob 187/12d. 172 5 Ob 187/12d, 5 Ob 274/04m, 5 Ob 120/01k = RIS-Justiz RS0013676 [T2]. 173 5 Ob 187/12d, 5 Ob 274/04m, 5 Ob 277/01y = RIS-Justiz RS0013676 [T4]. 174 RIS-Justiz RS0013676.

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Aktuelle Judikatur zum Wohnungseigentum, 19. April 2018 C. Kothbauer, Seite 73

Aufteilungsvereinbarung auf die Antragstellerin betrifft die Frage einer Vertragsauslegung in einem konkreten Einzelfall.175 Ob aber ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde.176 Zum Sachverhalt: Eine solche aufzugreifende Fehlbeurteilung ist dem Rekursgericht aber nicht unterlaufen. Die Ansicht des Rekursgerichts, die Übergabe der Eigentumswohnung „in den bestehenden Rechten und Lasten“, wie sie der Verkäufer gehabt habe, bewirke unabhängig von der Frage ihrer subjektiven Kenntnis eine Überbindung auch der Aufteilungsvereinbarung, korrespondiert mit der Rechtsprechung zur Überbindung anderer Verpflichtungen, die unmittelbar mit der Nutzung der veräußerten Liegenschaft oder des veräußerten Liegenschaftsanteils zusammenhängen.177 Vergleichbare Vertragsklauseln können beispielsweise zur Bindung des Erwerbers an Benützungsregelungen178, nicht verbücherte Dienstbarkeiten und andere bloß obligatorische Rechtsverhältnisse179 führen. Anmerkung: Die in dieser Entscheidung angeführten Überlegungen sind sinngemäß auch auf Benützungsvereinbarungen anzuwenden, die seit dem Inkrafttreten des WEG am 1. Juli 2002 schriftlich abgeschlossen werden müssen (§ 17 Abs 1 WEG), und die davor auch mündlich oder konkludent zustande kommen konnten. Vgl hierzu etwa unseren Newsletter vom 1. August 2012 zu 9 Ob 47/11v sowie jüngst 5 Ob 93/17p.

175 Vgl 10 Ob 34/00y. 176 RIS-Justiz RS0042936, RS0044298, RS0044358. 177 Vgl 4 Ob 236/15g. 178 RIS-Justiz RS0013619. 179 RIS-Justiz RS0011871.