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Aktuelle Rechtsfragen der Europäischen Aktiengesellschaft (SE)
Deutsches Aktieninstitut
Frankfurt, 8. Mai 2012
Prof. Dr. Christoph Teichmann
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
SE
MitbestimmungMonistische
Führungsstruktur
Mobilität in Europa
Rechtsformwechsel
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Rechtsformwahl: Gründe für oder gegen die SE
I. Empirischer Befund
II. Die SE – eine europäische Rechtsform
III. Gründung der SE
IV. Arbeitnehmerbeteiligung in der SE
V. Leitungsmodelle der SE
VI. Sitzverlegung
Die SE – Rechtsform mit Zukunft oder Totgeburt?
1959/1960: erste inoffizielle Vorschläge
1970: Kommissionsentwurf für ein „Aktiengesetzbuch“
1974-1991: SE in der Sackgasse
Davignon-Bericht (1997): Verhandlungslösung für die Mitbestimmung
2001: SE-Verordnung/SE-Richtlinie (2004 in Kraft getreten)
… eine Totgeburt?
I. Empirischer Befund
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2009: Ernst&Young-Studie im Auftrag der EU-Kommission
April 2009: insgesamt 369 SE
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Daten des Europäischen Gewerkschaftsbundes
1.113 eingetragene SE am 1. März 2012
Trend setzt sich fort:
Geographische Schwerpunkte: Deutschland (194/95) und Tschechien (676/44).
Eine große Zahl von SE wird als Vorratsgesellschaftgegründet (v.a. in Tschechien), anschließende Aktivierung häufig unklar („UFO-SE“).
Weiterhin eine signifikante Zahl von grenzüberschreitenden Sitzverlegungen.
www.worker-participation.eu
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II. Die SE – eine europäische Rechtsform
1. Rechtsgrundlage: SE-Verordnung
Regelt insb. das Gründungsverfahren, die Leitungsstruktur (dualistisch/monistisch), die grenzüberschreitende Sitzverlegung.
Zahlreiche Verweise auf nationales Aktienrecht, z.B. Kapitalverfassung, Hauptversammlung, Konzernrecht AktG
2. Rechtsgrundlage: SE-Richtlinie
Regelt die Arbeitnehmerbeteiligung.
Bedarf der Transformation in nationales Recht SE-Beteiligungsgesetz (SEBG).
Regelungsaufträge und -optionen für den nationalen Gesetzgeber (insb. monistisches Leitungsmodell) SE-Ausführungsgesetz (SEAG).
II. Die SE – eine europäische Rechtsform
Beteiligung der Arbeitnehmer:
Bei jeder SE-Gründung finden Verhandlungen statt.
Die Arbeitnehmer bilden ein Besonderes Verhandlungsgremium (international zusammengesetzt)
Verhandelt wird über die Beteiligung der Arbeitnehmer. Dies umfasst: Anhörung, Konsultation, Mitbestimmung
Einigung auf eine SE-Beteiligungsvereinbarung … oder …
gesetzliche Auffanglösung. Für Mitbestimmung gilt dann das „Vorher-Nachher-Prinzip“.
Eintragung der SE erst nach Abschluss des Verhandlungsverfahrens.
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III. Gründung der SE
SE-Verordnung:
Primäre Gründung aus nationalen Gesellschaften
Sekundäre Gründung als Tochter einer SE
Verschmelzung (Bsp. Allianz SE, Deutsche BP)
Holding-SE (praktisch bedeutungslos)
Tochter-SE (als Joint-Venture)
Umwandlung in eine SE (nationale AG wandelt sich um)
keine Verhandlungen (wenn weder SE noch Gründungs-gesellschaften Arbeitnehmer haben)
dadurch zügige Eintragung im Handelsregister.
Nachholung der Verhandlungen, bei Aktivierung mit Unternehmen (§ 18 Abs. 3 SEBG analog).
Erwerb als Vorrats-SE
IV. Arbeitnehmerbeteiligung in der SE
Während der SE-Gründung werden Verhandlungen geführt:
Besonderes Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer
SE-Beteiligungsvereinbarung
SE-Betriebsrat
oder: Verfahren der Unterrichtung und Anhörung
Mitbestimmung in Unternehmensorganen
Gesetzliche Auffangregelung:
SE-Betriebsrat
bei Mitbestimmung: Anteil der AN-Vertreter bemisst sich nach demjenigen vor Eintragung der SE (führt zum „Einfrieren“ des AN-Anteils).
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Autonomie der Parteien: maßgeschneiderte Mitbestimmung.
Bsp.: Einigung auf ein bestimmtes nationales Modell.
IV. Arbeitnehmerbeteiligung in der SE
Problem: deutsche Satzungsstrenge
Bsp.: Mitbestimmung nach österreichischem Recht gewährt AN Sitz in Aufsichtsratsausschüssen; dies wäre Verstoß gegen deutsche Satzungsstrenge, könnte also nicht vereinbart werden.
Gegenauffassung: § 21 Abs. 1 SEBG (gestützt auf Art. 4 SE-RL) gewährt Autonomie bei Abschluss der Vereinbarung. Nach europäischem Recht genießt Vereinbarungsautonomie Vorrang vor nationaler Satzungsstrenge.
V. Leitungsmodelle der SE
Wahlrecht gemäß Satzung (Art. 38 SE-VO): dualistisches oder monistisches Leitungsmodell
1. Dualistisches Leitungsmodell:
entspricht weitgehend dem Modell des deutschen Aktienrechts
Leitungsorgan (Vorstand) führt die Geschäfte in eigener Verantwortung
Aufsichtsorgan (Aufsichtsrat) überwacht das Leitungsorgan
ist nicht berechtigt, selbst die Geschäfte zu führen
Mitglieder dürfen nicht gleichzeitig dem Leitungsorgan angehören
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V. Leitungsmodelle der SE
1. Dualistisches Leitungsmodell
Mitgliederzahl des Aufsichtsorgans wird in der Satzung festgelegt (Art. 40 Abs. 3 SE-VO). Dadurch wird gegenüber dem deutschen Mitbestimmungsgesetz eine Verkleinerung des Aufsichtsrats möglich.
Streitig ist, ob Mitgliederzahl durch drei teilbar sein muss und ob sie in der SE-Beteiligungsvereinbarung geregelt werden kann.
Teilbarkeit durch drei ist Grundregel des § 17 SEAG (vgl. § 95 AktG). Unberührt bleibt SE-Beteiligungsgesetz (§ 17 Abs. 2 SEAG), wonach Vereinbarung über die Mitbestimmung zulässig ist.
Anteil der AN im Aufsichtsorgan ist „mitbestimmungs-relevant“, Zahl der AN-Vertreter wird in § 21 Abs. 3 SEBG ausdrücklich genannt Vereinbarung möglich, Satzung muss ggf. angepasst werden (Art. 12 Abs. 4 SE-VO).
V. Leitungsmodelle der SE
2. Monistisches Leitungsmodell: Grundkonzept
Verwaltungsrat mit Aufgabe der Oberleitung
geschäftsführende Direktoren (§ 40 SEAG)
vom Verwaltungsrat bestellt
jederzeit abberufbar
dem Verwaltungsrat weisungsunterworfen
Mitglieder des Verwaltungsrats können zugleich geschäftsführende Direktoren sein
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V. Leitungsmodelle der SE
Mitbestimmung im monistischen Modell:
Bei gesetzlicher Auffanglösung gilt Anteil der Arbeitnehmervertreter, der vor SE-Gründung bestand.
Bezugspunkt: gesamter Verwaltungsrat (a.A.: nur nicht-geschäftsführende Mitglieder)
Gesamtbewertung:
oberhalb von 2.000 Arbeitnehmer nicht attraktiv wegen paritätischer Mitbestimmung.
für mittelständische Gesellschaften eine reizvolle Kombination der Rechtsform Aktiengesellschaft mit einem Modell zentralisierter und personalisierter Leitung.
V. Leitungsmodelle der SE
3. Gemeinsame Themen
Organmitglieder werden für einen in der Satzung festgelegten Zeitraum bestellt (Art. 46 SE-VO). Problem: Nach deutschem Aktienrecht kann bestellendes Organ die Amtszeit festlegen. In der SE entscheidet die Satzung, Organmitglieder können lediglich nach allgemeinen Regeln wieder abberufen werden.
Für Abstimmung in SE-Organen gelten allgemeine Regeln (Art. 50 SE-VO): Mehrheitsprinzip mit Stichentscheid des Vorsitzenden (Abweichung von § 77 Abs. 1 AktG für den Vorstand). Die Vorschrift ist satzungsdispositiv. Eine Regelung in der Satzung ist dringend zu empfehlen, insb. um Beschlussfassung durch Ausschüsse zu ermöglichen.
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V. Sitzverlegung der SE
Verlegung des Satzungssitzes in einen anderen EU-Mitgliedstaat (Art. 8 SE-VO)
Aufgrund der zahlreichen Verweise in nationales Recht ändert die Sitzverlegung in erheblichem Umfang den Rechtsrahmen der Gesellschaft.
Verfahren ist europäisch-autonom in Art. 8 SE-VO geregelt: Sitzverlegungsplan und -bericht (mit neuer Satzung), Haupt-versammlungsbeschluss, Ein- und Austragung in den Registern.
Ergänzung durch §§ 12, 13 SEAG:
Austrittsrecht opponierender Aktionäre Sicherheitsleistung an Gläubiger, sofern die Erfüllung der
Forderung durch die Sitzverlegung gefährdet ist.
Fazit
Europäisches Label
Grenzüberschreitende Gründung
Verhandelte Mitbestimmung
Verkleinerung des Aufsichtsrates
Monistisches Leitungsmodell
Grenzüberschreitende Sitzverlegung