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Akustik neuer ottomotorischer Brennverfahren Die Reduktion der CO 2 -Emission hat in der Motorentwicklung höchste Priorität. Aufgrund hoher Kraftstoffpreise und eines zunehmenden Umweltbewusstseins bevorzugt der Kunde heute verbrauchsgünstige Fahrzeuge. Die CO 2 -Zielwerte der EU fördern dies weiter. Für Ottomotoren werden deshalb neue Teillastkonzepte entwickelt und ein weiteres Downsizing angestrebt. Die neuen Verfahren unterscheiden sich teilweise deutlich in ihrem akustischen Verhalten von den Bisherigen. Die Analyse der Wirkzusammenhänge zwischen Ladungswechsel beziehungsweise Verbrennung und Akustik waren Inhalt eines Forschungsvorhabens 914 der Forschungsvereinigung Verbrennungs- kraftmaschinen (FVV), das am Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen (VKA) der RWTH Aachen University durchgeführt wurde. FORSCHUNG MTZ 10I2009 Jahrgang 70 770 Akustik

Akustik neuer ottomotorischer Brennverfahren

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Page 1: Akustik neuer ottomotorischer Brennverfahren

Akustik neuer

ottomotorischer Brennverfahren

Die Reduktion der CO2-Emission hat in der Motorentwicklung höchste Priorität. Aufgrund hoher Kraftstoffpreise und eines zunehmenden Umweltbewusstseins bevorzugt der Kunde heute verbrauchsgünstige Fahrzeuge. Die CO2-Zielwerte der EU fördern dies weiter. Für Ottomotoren werden deshalb neue Teillastkonzepte entwickelt und ein weiteres Downsizing angestrebt. Die neuen Verfahren unterscheiden sich teilweise deutlich in ihrem akustischen Verhalten von den Bisherigen. Die Analyse der Wirkzusammenhänge zwischen Ladungswechsel beziehungsweise Verbrennung und Akustik waren Inhalt eines Forschungsvorhabens 914 der Forschungsvereinigung Verbrennungs-kraftmaschinen (FVV), das am Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen (VKA) der RWTH Aachen University durchgeführt wurde.

FORSCHUNG

MTZ 10I2009 Jahrgang 70770

Akustik

Page 2: Akustik neuer ottomotorischer Brennverfahren

1 Einleitung

Für die weitere Reduktion von Kraftstoff-verbrauch und Kohlendioxidemission rücken neue ottomotorische Brennver-fahren zunehmend in den Fokus der Ent-wicklung, die im Vergleich mit dem kon-ventionellen freisaugenden Ottomotor mit Saugrohreinspritzung thermodyna-misch effizienter sind [1, 2, 3, 4]. Dabei sind vor allem zwei Trends erkennbar: Zum einen das vermehrt eingesetzte Down sizing der Motoren mittels Hub-raumverkleinerung oder Reduktion der Zylinderzahl, und zum anderen der Ein-satz von Teillast-Verbrauchskonzepten, zum Beispiel eine drosselfreie Laststeue-rung durch vollvariable Ventiltriebe oder Magerverfahren wie die Schichtladung oder die kontrollierte Selbstzündung. Diese Verfahren unterscheiden sich hin-sichtlich ihres akustischen Verhaltens zum Teil deutlich vom konventionellen Ottomotor. Die Geräusche dürfen dabei nicht auf einem Niveau liegen, das der Kunde nicht akzeptiert.

Vorausgegangene Untersuchungen haben gezeigt, dass Unterschiede im an-saugseitigen Ladungswechselgeräusch bei Verfahren mit drosselfreier Laststeue-rung primär aus der – verglichen mit dem konventionellen Ottomotor – deut-lich geringeren Androsselung resultieren [5]. Durch Aufladung werden einerseits am Ventil angeregte Druckwellen ge-

dämpft [6], andererseits erfolgt eine zu-sätzliche Druckwellenanregung durch das Aufladeaggregat selbst, die wiede-rum vom verwendeten Aufladeverfahren abhängt. Bei Direkteinspritzung können andere Verbrennungsschwerpunktlagen und höhere Druckgradienten zu einer lauteren Verbrennung führen. Bei otto-motorischem Betrieb mit kontrollierter Selbstzündung wird aufgrund des schnel-len Umsatzes und den damit einherge-henden hohen Druckgradienten eine sig-nifikant höhere Verbrennungsgeräusch-anregung erwartet. Bei Downsizing-Kon-zepten [7] führen ein hoher Aufladegrad in Kombination mit einer Drehzahlreduk-tion (Lastpunktverschiebung im Kenn-feld) zu anderen akustischen Bedingun-gen verglichen mit dem konventionellen Ottomotor bei gleicher Bedarfsleistung, da sich Last und Drehzahl deutlich un-terscheiden.

Durch diese Effekte kann ein Verbren-nungsmotor bei unveränderter Ausle-gung der Ansaugluftführung und Abgas-anlage unter Umständen zu laut werden. Die Untersuchung der Wirkzusammen-hänge zwischen dem Ladungswechsel und der Akustik sowie dem Verbren-nungsgeräusch als Teil des gesamten Motorgeräusches und den thermodyna-mischen Eigenschaften der eingangs ge-nannten neuen ottomotorischen Brenn-verfahren waren Gegenstand dieses For-schungsvorhabens.

Die Autoren

Prof. Dr.-Ing. Stefan Pischinger ist Leiter des Lehr-

stuhls für Verbren-

nungskraftmaschinen

(VKA) der RWTH

Aachen University in

Aachen.

Dipl-Ing. Dipl.-Kfm. Robert Mirlach ist Leiter NVH

Motoren, Getriebe,

Konzepte, CAE in der

Abteilung Akustik und

Schwingungen Antrieb

bei der BMW Group

in München.

Dr.-Ing. Stefan Heuer ist Fachkoordinator

Aggregatakustik bei

der FEV Motorentech-

nik GmbH in Aachen.

Dipl.-Ing. Andreas Silies war bis Juni 2008 wis-

senschaftlicher Ange-

stellter am Lehrstuhl

für Verbrennungskraft-

maschinen der RWTH

Aachen University in

Aachen, er arbeitet

seit Juli 2008 bei der

FEV Motorentechnik

GmbH in Aachen.

Bild 1: Untersuchte ottomotorische Konzepte

MTZ Peer Review

Das Gütesiegel für wissenschaftliche Bei träge in der MTZ. Von Experten aus Forschung und Industrie begutachtet.

Eingegangen . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Mai 2009Geprüft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28. Mai 2009Angenommen . . . . . . . . . . . . . . . 14. Juni 2009

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2 Vorgehensweise

Bild 1 zeigt einen Überblick über die im Rahmen dieser Arbeiten untersuchten ottomotorischen Konzepte sowie die an-gewandten Steuerzeiten. Alle Untersu-chungen wurden an einem Einzylinder-motor durchgeführt, der für das jeweils zu untersuchende Verfahren mit spezi-fischen Verdichtungsverhältnissen, Kol-benformen sowie geeigneten Gemisch-bildnern und Steuerzeiten ausgerüstet wurde. Der Versuchsmotor wurde für eine möglichst störungsfreie Beurtei-lung der am Ventil angeregten Druck-wellen mit einer reflexionsarmen An-saug- und Abgasanlage ausgerüstet. Die Aufladung erfolgte über eine externe Aufladegruppe sowie eine abgasseitige Drosselklappe zur Simulation des Abgas-gegendrucks eines Aufladeaggregates. Die Messungen am Einzylindermotor wurden beispielhaft für ein Brennver-fahren auf einen Vollmotor übertragen (1,8 l Hubraum, Direkteinspritzung, = 1 und Turboaufladung). Die Untersuchun-gen an beiden Versuchsmotoren wurden von eindimensionalen Strömungssimu-lationsrechnungen mit dem Programm GT-Power begleitet.

Diese Arbeiten beschäftigten sich zum einen damit, wie sich Aufladung auf die Ladungswechselanregung am Ventil aus-wirkt, und zum anderen, wie ein Auflade-aggregat die von den Ventilen zur Mün-

dung hin fortschreitenden Wellen beein-flusst. Die Untersuchung der Druck-pulsationen, die dem Luftstrom in An-saug- und Abgassystem vom Aufladeag-gregat selbst aufgeprägt werden, war nicht Gegenstand dieser Arbeiten. Der Turbolader wurde also wie die Drossel-klappe als rein passives Element betrach-tet. Die Beeinflussung der Wellenausbrei-tung von den Ventilen in Richtung Mün-dung durch einen Turbolader wurde später am Vierzylinder-Versuchsmotor untersucht.

Für die bei kontrollierter Selbstzün-dung erforderliche interne Abgasrück-führung wurden zwei Strategien, die Brennraumrückführung und die Aus-lasskanalrückführung, realisiert. Bei der Brennraumrückführung wird das Aus-lassventil im Ausschiebetakt deutlich vor dem Ladungswechsel-OT geschlossen. Dadurch verbleibt eine gewisse Menge Restgas im Brennraum und wird verdich-tet. Während des anschließenden An-saugtakts wird das Einlassventil deutlich nach OT geöffnet und die Frischladung wird angesaugt (negative Ventilüber-schneidung). Bei der Auslasskanalrück-führung bleibt das Auslassventil bis weit nach Ladungswechsel-OT geöffnet, wo-durch Abgas aus dem Auslasstrakt wie-der in den Brennraum zurückgesaugt wird. Das Einlassventil wird spät nach OT geöffnet und Frischladung wird ange-saugt (positive Ventilüberschneidung).

3 Ergebnisse

Aus der Vielzahl der Ergebnisse dieser Arbeit sollen hier die Punkte Geräusch, Kraftstoffverbrauch und Abgasemissio-nen, Geräuschqualität, Umschalten zwi-schen den Verfahren, Einfluss der Aufla-dung sowie Downsizing-Aspekte genauer dargestellt werden.

3.1 Geräusch, Kraftstoffverbrauch und AbgasemissionenBild 2 zeigt eine Gesamtbetrachtung von Geräusch, Kraftstoffverbrauch und Abgas-emission für den zyklusrelevanten Teillast-Betriebspunkt 2000/min und pmi = 3 bar. Dargestellt ist eine Differenzbetrachtung zum konventionellen Ottomotor mit Saugrohreinspritzung; die y-Achse zeigt die Differenz für das Geräusch in ΔdB be-ziehungsweise für die Abgasemissionen die prozentuale Abweichung. Die Ergeb-nisse sind über der prozentualen Reduk-tion des spezifischen indizierten Kraft-stoffverbrauchs aufgetragen. Das Motor-geräusch wurde aus gemessenen Zylin-derdruckdaten berechnet; die Ladungs-wechselanregung am Ventil basiert auf ideal-reflexionsfreien Rechnungen mit GT-Power. Auf Basis der Geometrien und Versuchsparameter wurde jeweils ein Mo-dell der Versuchsmotoren in GT-Power erstellt und mit reflexionsfreien Kanal-abschlüssen am Zylinderkopf versehen. Aus den mit diesem Modell berechneten

Bild 2: Geräusch, Kraftstoffverbrauch und Abgasemission für verschiedene Brennverfahren in der Teillast

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reflexionsfreien Druckverläufen im Ein-lass- und Auslasskanal wurden dann mit Hilfe einer Akustik-Analysesoftware Pe-gel berechnet.

Bei Direkteinspritzung im homo-genen Betrieb mit = 1 lässt sich als Fol-ge eines erhöhten Verdichtungsverhält-nisses der Kraftstoffverbrauch leicht um zirka 2 % verringern, wobei das Geräusch annähernd unverändert bleibt. Bei hö-heren Motorlasten erhöht sich im Ver-gleich mit der Saugrohreinspritzung das Motorgeräusch um bis zu 1,5 dB, weil das Verbrennungsgeräusch durch eine schnel-lere Umsetzung des Kraftstoffs – bedingt durch das höhere Verdichtungsverhält-nis – ansteigt. Dies führt zu größeren Zy-linderdruckgradienten und damit hö-heren Motorgeräuschpegeln.

Bei geschichtetem Betrieb mit > 1 lässt sich der Kraftstoffverbrauch für die-sen Betriebspunkt als Folge der geringeren Drosselverluste und besseren Stoffwerte um 25 % verringern. Das Motorgeräusch erhöht sich in diesem Teillastpunkt um zirka 1,5 dB, was eine Folge der frühen und zu Beginn schnellen Umsetzung des Kraftstoffs ist. Zusätzlich führt die höhere Zylinderfüllung aufgrund der Entdrosse-lung zu einem höheren Druckniveau und höheren Gradienten im Zylinder. Die La-dungswechselanregung am Ventil ist im Schichtbetrieb um zirka 4 dB gegenüber dem konventionellen Ottomotor erhöht,

weil der bewegte Massenstrom durch die Ventile verglichen mit dem =1-Verfahren steigt. Bezüglich des Kraftstoffverbrauchs ist anzumerken, dass eine notwendige Re-generation des bei diesem Verfahren erfor-derlichen NOx-Speicherkatalysators hier nicht berücksichtigt ist. Durch den zur Re-generation erforderlichen kurzfristigen Betrieb mit < 1 fällt der Realverbrauch in der Teillast höher aus.

Die kontrollierte Selbstzündung liegt im Kraftstoffverbrauch mit zirka 15 % Re-duktion im Vergleich mit der Basis zwi-schen den =1-Verfahren und dem Di-rekteinspritzungs-Verfahren im Schicht-betrieb. Auffällig ist bei der Brennraum-rückführung der relativ hohe Motorge-räuschpegel, der um 4 dB über dem kon-ventionellen Ottomotor liegt. Der deut-lich vom konventionellen Ottomotor ab-weichende Brennverlauf ist hier die Ursa-che, bei dem der Kraftstoff in einem sehr kurzen Zeitraum umgesetzt wird. Dies führt zu vergleichsweise hohen Zylinder-druckgradienten. Das Verfahren mit Aus-lasskanalrückführung hat im betrachte-ten Betriebspunkt ein relativ geringes Motorgeräusch, weil der Motor an der unteren Betriebsgrenze betrieben wird. In Richtung höherer Motorlasten bis hin zur oberen Betriebsgrenze steigt das Mo-torgeräusch aber auch hier deutlich an (zirka +3 dB im Vergleich mit dem kon-ventionellen Ottomotor bei pmi = 6 bar).

Die einlassseitige Ladungswechselan-regung bei kontrollierter Selbstzündung (CAI) liegt auf dem Niveau des konventi-onellen Ottomotors und damit unterhalb des fremdgezündeten Schichtmotors, der wie die kontrollierte Selbstzündung ebenfalls mit drosselfreier Laststeuerung betrieben wird. Grund sind die bei der CAI angepassten Steuerzeiten im Ver-gleich mit dem Vollhub des geschichtet betriebenen Motors mit Fremdzündung. Daraus resultieren geringeren Ventilöff-nungsgeschwindigkeiten und geringere Massenströme, die sich positiv auf das Ladungswechselgeräusch auswirken. Al-len Verfahren mit drosselfreier Laststeue-rung ist zu Eigen, dass die Schallabstrah-lung an der Ansaugmündung deutlich höher liegt als bei den =1-Verfahren. Durch die auch im mittleren bis nie-deren Teillastbereich weit geöffnete Drosselklappe werden die sich von den Ventilen in Richtung Ansaugmündung ausbreitenden Druckwellen in wesent-lich geringerem Maße reflektiert, als es in dem Betriebsbereich an der fast voll-ständig geschlossenen Drosselklappe bei

=1-Betrieb der Fall ist. Diese Reflexion an der Drosselklappe ist – je nach Öff-nungswinkel – für eine signifikante Re-duktion der Pegel verantwortlich. So liegt der Pegel an der Mündung bei einem Verfahren mit drosselfreier Last-steuerung um bis zu 25 dB über einem

Bild 3: Wavelet-Analyse, PFI vs. DI in der Teillast (2000/min, pmi = 3 bar)

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=1-Verfahren (Vollhub der Ventile, un-terste Teillast). Durch eine leichte An-drosselung in der Größenordnung von 50 mbar [5], eine Kombination mit Aufla-dung, die dämpfend auf die Ladungs-wechselanregung wirkt, oder durch eine Variation der Steuerzeiten kann diesem Effekt bei drosselfreier Laststeuerung entgegengewirkt werden.

Bei CAI mit Auslasskanalrückführung ist die auslassseitige Ladungswechselan-regung auffällig hoch. Sie liegt um 9 dB oberhalb des konventionellen Ottomo-tors mit Saugrohreinspritzung und da-mit auch deutlich höher als der Betrieb mit CAI bei Brennraumrückführung so-wie mit Fremdzündung im Schichtbe-trieb mit > 1. Dies ist auf das Rücksau-gen des Abgases aus dem Auslasstrakt zurückzuführen, wodurch dort eine Un-terdruckwelle initiiert wird.

Die Stickoxid-Rohemission ist bei kontrollierter Selbstzündung verfahrens-bedingt äußerst niedrig. Dadurch lassen sich hier in Abhängigkeit von der Fahr-zeuggröße – trotz einem Verbrennungs-luftverhältnis größer als 1 – die Grenz-werte von Euro 6 ohne zusätzliche Abgas-nachbehandlungssysteme zur Stickoxid-reduktion erreichen. Diese sind für den fremdgezündeten Schichtbetrieb mit > 1 notwendig, auch wenn dieser durch Ab-gasrückführung eine deutlich geringere

Stickoxid-Rohemission als der konventio-nelle Ottomotor hat. Bei allen Verfahren war im Vergleich mit der Basis ein An-stieg der Kohlenwasserstoff-Emissionen zu verzeichnen.

3.2 GeräuschqualitätNeben der Änderung des Geräuschpegels ändert sich bei der Applikation neuer ot-tomotorischer Brennverfahren auch der Motorgeräuschcharakter. Das Geräusch des Direkteinspritzungsmotors mit Fremd-zündung wird schärfer und rauer als

beim konventionellen Ottomotor, weil es durch die schneller ablaufende Verbren-nung mehr hochfrequente Anteile hat und etwas impulshaltiger ist. Dies trifft insbesondere auf den geschichteten Be-trieb mit > 1 zu. Bild 3 zeigt dies in einer Zeit-Frequenz-Bereichsanalyse (Wavelet) von im Nahfeld des Einzylinder-Versuchs-motors gemessenem Luftschall. Dort ist auf der x-Achse der zeitliche Verlauf des Schallsignals und auf der y-Achse der Frequenzinhalt dargestellt; die farbliche Intensität zeigt den Schalldruckpegel an.

Bild 5: Umschaltproblematik bei kontrollierter Selbstzündung (CAI)

Bild 4: Wavelet-Analyse, PFI vs. DI CAI in der Teillast (2000/min, pmi = 3 bar)

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Diese Analyse ermöglicht eine Beurtei-lung der Geräuschcharakteristik über den reinen Pegel hinaus.

Die CAI führt aufgrund des veränder-ten Verbrennungsprozesses zu einem An-stieg des Verbrennungsgeräusches, weil sehr hohe Druckgradienten im Brenn-raum auftreten. Dies gilt insbesondere na-he den Betriebsgrenzen. Die Geräuschcha-rakteristik ist durch die Kraftstoffumset-zung innerhalb sehr kurzer Zeit impuls-haltiger, rauer und lauter als beim kon-ventionellen Ottomotor, Bild 4. An den Be-triebsgrenzen ähnelt es dem Geräusch des Dieselmotors. Die Impulshaltigkeit, die durch den Kennwert Kurtosis wiedergege-ben wird, ist besonders bei einer Brenn-raumrückführung sehr gut zu erkennen. Es ist eine deutlichere Struktur im Zeit-bereich für den Frequenzbereich von 1 bis 3 kHz zu erkennen, die intensivere Rotfär-bung gibt den deutlich höheren Geräusch-pegel bei diesem Verfahren wider.

3.3 Umschalten zwischen den VerfahrenDas Verfahren „Direkteinspritzung, > 1, geschichtet“ sowie beide Verfahren mit CAI sind Teillast-Konzepte, das heißt sie sind auf einen bestimmten Kennfeldbe-reich begrenzt. Bei steigender Last muss auf den homogenen =1-Betrieb umge-schaltet werden. Eine qualitative Betrach-

tung des Motorgeräuschpegels über der Last für verschiedene Verfahren zeigt Bild 5. Im fremdgezündeten Betrieb mit

> 1 nähert sich das Motorgeräusch mit zunehmender Last immer mehr dem

=1-betriebenen Motor an. Weil die obere Betriebsgrenze moderner geschichteter Brennverfahren in einem vergleichswei-se hohen Lastbereich (bis zirka 6 bar pme beim frei saugenden und zirka 10 bar pme beim aufgeladenen Motor) liegt, ist das Umschalten auf den =1-Betrieb dadurch akustisch nicht problematisch, weil sich die Pegel im Betriebsbereich der Umschal-tung auf ähnlichem Niveau befinden.

Da an den Betriebsgrenzen das Ver-brennungsgeräusch mit CAI stark ansteigt und die Geräuschcharakteristik sehr vom konventionellen Ottomotor abweicht, ist bei Ausnutzung des thermodynamischen Potenzials das Umschalten zu einem ande-ren Brennverfahren akustisch sehr unvor-teilhaft. Das Motorgeräusch fällt an den Umschaltpunkten trotz steigender Last plötzlich ab, was für den Fahrer entgegen seiner Erwartung geschieht. Zudem än-dert sich der Geräuschcharakter. Bei CAI kann aber durch eine Variation von Rest-gasgehalt und Ansteuerende der Motorge-räuschpegel um 1 bis 2 dB gesenkt werden. Dabei sind nur leichte Einbußen in den Abgasemissionen und zum Teil im Kraft-stoffverbrauch zu verzeichnen, Bild 6. Die

Stickoxidemissionen bleiben auf verfah-rensbedingt äußerst niedrigem Niveau.

3.4 Einfluss der AufladungDie Aufladung erhöht bei Volllast das Mo-torgeräusch um zirka 1,5 dB und die La-dungswechselgeräuschanregung um 4 bis 5 dB (Turbomotor: pmi = 20 bar, Saug-motor: pmi = 12 bar). Durch die höhere Zy-linderfüllung kommt es zu einem hö-heren Druckniveau und steileren Druck-gradienten. In Bezug auf das Ladungswech-selgeräusch wirkt sich der höhere Massen-strom negativ aus. Bei einem Turbomotor führt das Aufladeaggregat zu einer Dämp-fung der Ladungswechselanregung hin zur Mündung. Die ansaugseitige Pegelre-duktion liegt – abhängig von der Motor-last und der Frequenz – in der Größenord-nung von 2 bis 13 dB. Bild 7 zeigt die Dämp-fung, die im Rahmen der Arbeiten bei einem Reihenvierzylinder-Ottomotor mit 1,8 l Hubraum und Abgasturboaufladung für eine Lastvariation bei einer Drehzahl von 2000/min ermittelt worden ist. Bei einem Druckverhältnis nahe 1 wirkt nur die Engstelle am Ringspalt zwischen Lauf-rad und Spirale dämpfend, bei zunehmen-dem Ladedruck führt ein steigendes Druck-verhältnis und damit einhergehend stei-gender Massenstrom und steigende Turbo-laderdrehzahl zu zunehmender Dämp-fung der Ladungswechselanregung.

Bild 6: Parametervariation bei kontrollierter Selbstzündung (2000/min, pmi = 3 bar)

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Werden entdrosselter Betrieb mit >1 und Aufladung kombiniert, kann in Be-zug auf die Geräuschabstrahlung an der Ansaugmündung die höhere Anregung resultierend aus dem >1-Betrieb durch das Aufladeaggregat zum Teil kompen-siert werden. Durch die dämpfende Ei-genschaft der Turbine auf das Ladungs-wechselgeräusch im Abgastrakt kann bei entsprechender Auslegung das Abgas-anlagenvolumen kleiner ausfallen. Die Dämpfung der Turbine auf das Ladungs-wechselgeräusch beträgt in der Zündord-nung bis zu 20 dB.

3.5 Downsizing-AspekteBei Betrachtung eines Downsizing-Kon-zepts, bei dem ein Saugmotor durch ei-nen hubraumreduzierten aufgeladenen

Motor mit längerer Getriebeübersetzung ersetzt wird, kann das Motorgeräusch je nach Betriebspunkt trotz Aufladung konstant gehalten oder sogar reduziert werden. Zwar steigt das Verbrennungsge-räusch durch die höhere Zylinderfüllung an, das mechanische Geräusch durch die Drehzahlreduktion sinkt jedoch. Bild 8 zeigt dies anhand eines Beispiels, in dem ein konventioneller Saugmotor mit 3 l Hubraum durch einen aufgeladenen Mo-tor mit 2 l Hubraum und einer um 15 % längeren Getriebeübersetzung ersetzt wird. Dieser wird im folgenden Downsi-zing-Motor genannt.

In der Teillast wird der konventionelle Motor mit pme = 6 bar bei 2000/min be-trieben. Hier muss der Downsizing-Motor bei gleicher Leistungsanforderung mit

pme ≈ 10,5 bar bei 1700/min betrieben werden. Dabei erhöht sich das berechne-te Verbrennungsgeräusch um 1,5 dB. Das mechanische Geräusch sinkt aufgrund der Drehzahlreduktion jedoch um 2,5 dB. Da beim Downsizing-Motor das Verbren-nungsgeräusch pegeldominant wird, ist dieser zwar lauter, der Pegelanstieg fällt für das Gesamt-Motorgeräusch mit 0,5 dB aber vernachlässigbar gering aus. Bei einem Downsizing-Konzept in Kombina-tion mit einer Drehzahlreduktion kann das Motorgeräusch also konstant gehal-ten oder sogar gesenkt werden, weil das höhere Verbrennungsgeräusch durch das niedrigere Mechanikgeräusch kom-pensiert wird.

4 Zusammenfassung

Die CO2-Zielwerte der Europäischen Uni-on, das wachsende Umweltbewusstsein der Kunden und hohe Kraftstoffpreise führen zur Entwicklung neuer ottomoto-rischer Konzepte mit höherer thermody-namischer Effizienz. Das Downsizing von Motoren oder der Einsatz von Teil-last-Verfahren wie der Schichtladung oder der kontrollierten Selbstzündung sind Möglichkeiten, den Kraftstoffver-brauch zu reduzieren. Benzindirektein-spritzung und Aufladung sind bereits heute immer häufiger am Markt anzu-treffen. Diese Konzepte unterscheiden sich hinsichtlich ihres akustischen Ver-haltens zum Teil deutlich vom konventi-onellen Ottomotor.

Die aus dieser Arbeit gewonnenen Er-kenntnisse ermöglichen dem Entwickler bereits in der Frühphase einer Motorent-wicklung die Abschätzung des akusti-schen Verhaltens eines neuen Brennver-fahrens und die Identifizierung mög-licher Problembereiche hinsichtlich des Geräusches. Die Untersuchungen wur-den im Rahmen eines Forschungsvorha-bens der FVV am Lehrstuhl für Verbren-nungskraftmaschinen (VKA) der RWTH Aachen University durchgeführt.

Während die Benzindirekteinsprit-zung im =1-Betrieb ohne Einbußen in der Akustik umgesetzt werden kann, ist das Ansaugmündungsgeräusch bei Ver-fahren mit Qualitätsregelung ( > 1) so-wie das Verbrennungsgeräusch bei kont-rollierter Selbstzündung an den Betriebs-grenzen und die damit verbundenen

Bild 7: Dämp-fungsverhalten des Turbo-laders auf der Ansaugseite (Lastvariation bei 2000/min)

Bild 8: Geräuschentwicklung bei Downsizing mit Drehzahlreduktion

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Umschalteffekte als problematisch ein-zustufen. Die Nachteile in der Akustik können durch geeignete Maßnahmen aber teilweise kompensiert werden: Eine Kombination von >1-Betrieb mit Aufla-dung sowie eine Variation der Steuer-zeiten können den hohen Mündungs-schall mindern; eine Variation von Rest-gasgehalt und/oder Ansteuerende wirken dem hohen Verbrennungsgeräusch bei kontrollierter Selbstzündung entgegen. Bei einem Downsizing-Konzept in Kom-bination mit einer Drehzahlreduktion kann das Motorgeräusch konstant gehal-ten oder sogar gesenkt werden, weil das höhere Verbrennungsgeräusch durch das niedrigere Mechanikgeräusch kom-pensiert wird.

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dingte Geräusche. Abschlussbericht zum Vorhaben

Nr. 796 der FVV Forschungsvereinigung Verbren-

nungskraftmaschinen e. V., Frankfurt/Main, 2004

[6] Pischinger, S.; Genender, P.: Ordnungsanregung

Mehrventiler. Abschlussbericht zum Vorhaben

Nr. 763 der FVV Forschungsvereinigung Verbren-

nungskraftmaschinen e. V., Frankfurt/Main, 2003

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Ottomotor mit Direkteinspritzung – ein konse-

quenter Weg zur Reduzierung der CO2-Emission.

In: MTZ 7-8/2007

Danksagung

Dieser Bericht ist das wissenschaftliche Er-gebnis einer Forschungsaufgabe, die von der Forschungsvereinigung Verbrennungskraft-maschinen e. V. (FVV, Frankfurt/Main) unter der Nummer 914 gestellt und am Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen der RWTH Aachen unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Stefan Pischinger bearbeitet wurde. Die Ar-beit wurde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWi) über die Ar-beitsgemeinschaft industrieller Forschungs-vereinigungen e. V. (AiF), (AiF-Nr. 14867 N/1) finanziell gefördert. Die FVV dankt Prof. Pischinger und dem wissenschaftlichen Bearbeiter, Dipl.-Ing. Andreas Silies, für die Durchführung des Vorhabens sowie dem BMWi und der AiF für die finanzielle Förde-rung. Das Vorhaben wurde von einem Arbeitskreis der FVV unter der Leitung von Dipl.-Ing. Robert Mirlach, BMW Group, be-gleitet. Diesem Arbeitskreis und insbesonde-re dem Obmann Mirlach gebührt der Dank der FVV für die große Unterstützung.

Download des Beitrags unter

www.MTZonline.de

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