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Akzente und Konzepte - UKF · KOREKTA GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134 Akzente und Konzepte HERAUSGEGEBEN VON Iwona Bartoszewicz Marek Ha³ub Eugeniusz Tomiczek Wroc³aw 2011 Wydawnictwo

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KOREKTA

Akzente und Konzepte

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KOREKTA

Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335

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KOREKTA

GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134

Akzente und Konzepte

HERAUSGEGEBEN VON

Iwona BartoszewiczMarek Ha³ubEugeniusz Tomiczek

Wroc³aw 2011Wydawnictwo Uniwersytetu Wroc³awskiego

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KOREKTA

GutachterMarek Jaroszewski, Andrzej Kątny, Beata Skowronek

HerausgeberIwona Bartoszewicz, Marek Hałub, Eugeniusz Tomiczek

Redaktionsbeirat:Iwona Bartoszewicz, Edward Białek, Lesław Cirko, Mirosława Czarnecka, Marek Hałub, Wojciech Kunicki, Eugeniusz Roman Lewicki, Lucjan Puchalski, Irena Światłowska-Prędota, Eugeniusz Tomiczek (Vorsitzender) und Joanna Szczęk (Schriftleitung)

Wissenschaftlicher Beirat:Wolfgang Mieder (Burlington)Ulrich Engel (Heppenheim)Hannelore Scholz (Berlin)Rudolf Lenz (Marburg)Georg Schuppener (Leipzig)

VerlagsredakteureTeam

UmschlagBarbara Kaczmarek

Typographische GestaltungBogusław Wrona

© Copyright by Wydawnictwo Uniwersytetu Wrocławskiego Sp. z o.o., Wrocław 2011

ISSN 0239-6661ISSN 0435-5865ISBN 978-83-229-XXXX-X

Aufl age: 250 Expl.

Gesetzt in Wydawnictwo Uniwersytetu Wrocławskiego Sp. z o.o.50-137 Wrocław, pl. Uniwersytecki 15Tel./Fax: +48 71 375 25 07, E-Mail: [email protected]

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KOREKTAInhalt

Literaturwissenschaft

Monika Mańczyk-Krygiel: „An Geist ein Held, ein Weib an Reiz...“. Ritterinnen bei Adam Mickiewicz und Joseph von Eichendorff . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Rafał Biskup: Bemerkungen zum Gedicht „Traum“ von Hermann Stehr . . . . . . 21Beata Giblak: Autobiographie und Fiktion in Max Herrmann-Neißes Erzählung

„Die Klinkerts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29Tadeusz Zawiła: Der Kampf mit dem Trugbild. Friedrich Glausers Legionserlebnis

und Wahrnehmung der schweizerischen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . 47Jana Baroková: Das Bild der Halbstarken in den Romanen „Der Ring“ von Herbert

Plate und „Vorstadtkrokodile“ von Max von der Grün. Ein Beitrag zur Ge-schichte der Jugendliteratur der 1950er, 1960er und 1970er Jahre . . . . . . 57

Ewa Jarosz-Sienkiewicz: „Stelle ich/die Schriftzeichen/oder/stellen sie/mich?“. Zur Tina Strohekers Poesie-Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

Sprachwissenschaft

María José Domínguez Vázquez: Die sogenannten freien Dative, die Resultativ-konstruktionen und die Ad-hoc-Bewegungsverben: der Beitrag der Konstruk-tionsgrammatik und der Valenzgrammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

Daniela Elsner: Guck (1.) mal (.) ich (.) mache (3.). Frühe Nebensatzkonstruktionen bei deutschsprachigen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Joanna Golonka: Vom Vital-Macher zum Frische-Flirt. Strukturtypen der werbe-tauglichen deutschen Komposita und deren polnischer Entsprechungen . . . 119

Józef Jarosz: Bibliographie der skandinavischen Forschung am Institut für Germa-nische Philologie der Universität Wrocław 1945–2011 . . . . . . . . . . . . 133

Jozef Štefčík: Kulturbezogene Besonderheiten in der Translationsdidaktik . . . . 149Georg Schuppener / Detelina Metz: Was man schreibt, das bleibt – die Rolle schrift-

licher Texte in der Fernsehwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159Przemysław Staniewski: Codeswitching als ein den Soziolekt prägender Prozess

am Beispiel der Sprache des Bankwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Kulturwissenschaft

Hans W. Giessen: Überlegungen zu einer kontrastiven, interkulturellen Kommuni-kations- und Medienforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

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KOREKTA

Tanja Žigon: Kulturelle Wechselwirkungen: Die slowenische Kultur und Literatur in einem deutschsprachigen Wochenblatt aus Krain in den ersten zwei Jahr-zehnten des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

Wissenschaftsgeschichte

Maria Kłańska: Tadeusz Namowicz (1938–2003). Veröffentlichungsverzeichnis der Arbeiten von Tadeusz Namowicz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

Rezensionen und Berichte

Kazimierz Wóycicki, Waldemar Czachur: Polen im Gespräch mit Deutschland. Zur Spezifi k des Dialogs und seinen europäischen Herausforderungen. Mit Vor-wort von Prof. Dr. Gesine Schwan und Prof. Dr. Heinrich Oberreuter. Wrocław 2009 (Sebastian Mrożek) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Beata Giblak: Wygnaniec i jego ojczyzny. Max Herrmann-Neiße (1886–1941). Życie. Twórczość. Recepcja. Poznań 2010, 444 S. (Ernst Josef Krzywon) . . . 256

Regina Hartmann (Hrsg.): Grenzen auf der Landkarte – Grenzen im Kopf? Kul-turräume der östlichen Ostsee in der Literatur vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bielefeld 2010 (Katarzyna Możuch) . . . . . . . . . . . . . . . . 259

Volker Struckmeier: Attribute im Deutschen. Zu ihren Eigenschaften und ihrer Po-sition im grammatischen System. Berlin 2007, 143 S. (Magdalena Urbaniak-Elkholy) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

Paweł Bąk / Małgorzata Sieradzka / Zdzisław Wawrzyniak (Hrsg.): Texte und Translation (= Danziger Beiträge zur Germanistik, hrsg. v. Andrzej Kątny, Bd. 29). Frankfurt am Main 2010, 300 S. (Iwona Bartoszewicz) . . . . . . . . . . 265

Joanna Szczęk: Auf der Suche nach der phraseologischen Motiviertheit im Deut-schen (am lexikographischen Material). Dresden-Wrocław 2010, 420 S. (Anna Gondek) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

Marlene Hastenplug: Langenscheidt Praktisches Lehrbuch Dänisch. Der Standard-kurs für Selbstlerner. Berlin 2010, 256 S. (Józef Jarosz) . . . . . . . . . . . . 272

Lech Zieliński: Ideologie und Lexikographie. Die Ideologisierung des „Wörter-buchs der deutschen Gegenwartssprache“ von Ruth Klappenbach und Wolf-gang Steinitz (= Danziger Beiträge zur Germanistik, Bd. 31). Frankfurt am Main 2010, 180 S. (Joanna Szczęk). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Geert Brône: Bedeutungskonstitution in verbalem Humor. Ein kognitiv-linguisti-scher und diskurssemantischer Ansatz. Frankfurt am Main 2010, 458 S. (Iwo-na Wowro). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Der Diskurs im Spannungsfeld von System- und angewandter Linguistik, Pobierowo 15.-18.09.2009. Tagungsbericht (Patryk Mączyński). . . . . . . . . . . . . . 282

Uferdasein. Quellen und Strömungen germanistischer Forschung. Bericht über eine internationale Konferenz am Lehrstuhl für Germanistik in Ústí nad La-bem (Tschechien) (Hana Bergerová) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

Heinz Vater: Linguistik und deutsche Grammatik im Fokus. Ausgewählte Schriften (= Studia Germanica Gedanensia 20, Sonderband 4). Gdańsk 2010 (Anna Socka) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

6 Inhalt

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KOREKTA

GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Literaturwissenschaft

Monika Mańczyk-KrygielWrocław

„An Geist ein Held, ein Weib an Reiz...“.Ritterinnen bei Adam Mickiewiczund Joseph von Eichendorff

Die im Titel zitierten Worte1 beziehen sich auf die Protagonistin der heroisch-patriotischen Dichtung Grażyna (1823) von Adam Mickiewicz, die den Kampf der Litauer gegen den Deutschen Orden im 14. Jahrhundert thematisiert und ei-nen festen Platz im polnischen Literaturkanon einnimmt. Die als Ritter getarn-te Titelheldin opfert ihr Leben für das Vaterland und wird so zum Inbegriff der Vaterlandsliebe und zum Vorbild für spätere Generationen. Ein ähnliches, die Geschlechtergrenzen überschreitendes Bild einer aktiv gegen den Deutschen Or-den kämpfenden Frau fi ndet man in dem Drama Der letzte Held von Marienburg (1830) Joseph von Eichendorffs vor. Diese auffallende Affi nität bildet den Aus-gangspunkt einer eingehenden Analyse der zeitnah, aber unabhängig voneinander entworfenen Bilder von ungewöhnlichen Frauen sowie ihren Beweggründen, die mit dem Nexus Liebe, Verantwortung und Vaterland zusammenhängen. Besonde-res Interesse erweckt dabei die nationale und transnationale Perzeption bestimm-ter Phänomene und ihre Wiedergabe in der Literatur.

1. Vorläuferinnen

Die zum Gegenstand der vorliegenden Erörterungen ausgewählten Texte sind nicht die einzigen Werke der beiden Autoren, in denen Bilder von Ritterinnen auftauchen, denn beide haben bereits früher das Motiv der kämpfenden Frau in

1 Mickiewicz (1876: 45). Weitere Zitate aus der Primärliteratur werden im laufenden Text in Klammern angegeben. Da die verwendeten vier Grażyna-Übersetzungen unterschiedlich sind, wird stets auf das jeweilige Erscheinungsdatum hingewiesen. Die Übersetzungen aus den Jahren 1860, 1989 und 1994 sind unvollständig, es fehlen: das Nachwort des Herausgebers (ein integraler Teil der Geschichte) und die Anmerkungen.

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KOREKTA

8 Monika Mañczyk-Krygiel

Verbindung mit der Verpfl ichtung gegenüber dem Vaterland in ihr Schaffen ein-bezogen.

Joseph von Eichendorff beschreibt in dem 1812 entstandenen Gedicht Die deutsche Jungfrau den Kampf einer Germanin gegen die Römer. Das namenlose Fräulein hat an der Seite ihrer Brüder den Familiensitz gegen den Feind verteidigt. Der Kampf ist verloren und sie hält als einzig Überlebende inmitten der bren-nenden Schlossmauern die Fahne in der Hand. Der junge römische Anführer wird beim Anblick ihrer Schönheit und ihres Mutes von der Liebe ergriffen und bietet ihr das Leben als seine Frau an. Die junge Frau zieht diesen Vorschlag jedoch nicht einmal in Erwägung und antwortet nicht mit Worten, sondern mit Taten:

Das Fräulein stieß die Knecht‘ hinab,Den Liebsten auch ins heiße Grab,Sie selber dann in die Flamme sprang,Über ihnen die Burg zusammensank (Eichendorff 1981: 337).

Einem gemeinsamen Leben mit dem Feind, der ihre Heimat verwüstet und ihre Familie ausgelöscht hat, zieht sie den Tod vor. Was bleibt, ist die bereits durch den Titel des Gedichtes ausgedrückte Bewunderung für die heldenmütige Haltung einer Frau, die eher dazu bereit ist, ihr Leben für das Vaterland zu opfern, als ihrer Herkunft und ihrem Ursprung zu entsagen. Das Wort „Jungfrau“ bezeichnet hier – seiner ursprünglichen Bedeutung entsprechend – nicht ein keusches Mädchen, sondern „eine kämpferische, unüberwindlich starke junge Frau“ (Ebel 2000: 88).

Adam Mickiewicz nahm sich des besagten Themas 1818 in der kurzen Erzäh-lung Żywila an, von der in den ersten Zeilen erklärten Absicht geleitet, in der Geschichte Litauens den aus griechischer und römischer Literatur wohl bekannten heldenhaften Frauen nachzuspüren. Die Titelheldin, die überaus schöne, tugend-hafte und mildtätige Tochter eines grausamen litauischen Fürsten zieht durch eine unstandesgemäße Liebe seinen Zorn auf sich und soll wegen Ungehorsams und Unzucht hingerichtet werden. Um sie zu retten, geht der Geliebte mit dem rus-sischen Fürsten Ivan, dem Erbfeind ihres Volkes, ein Bündnis ein. Żywila vermag seine Tat nicht zu begreifen:

„Verräter […], hältst Du Dein Vaterland so klein, dass Du es für ein bisschen Schönheit verkauft hast? Du ehrloser Mensch […]“2 (Mickiewicz 1996: 68; Über-setzung M.M.-K.). Sie tötet den Geliebten mit seinem eigenen Schwert und führt das Volk zu einem siegreichen Kampf gegen die feindlichen Truppen an. Ihr per-sönliches Opfer – der Verzicht auf eigene Liebe und eigenes Glück – verleiht ihr das Recht, auch von den Stadtbewohnern Opfer zu verlangen. Anschließend eilt sie zu dem Vater und stirbt vor ihm mit den Worten „Mein Vater“ auf den Lippen. Es fällt auf, dass sie ihre Ausnahmestellung durch eine wagemutige und mörde-rische Tat – wie etwa die biblische Judith – erreicht. Die Überschreitung der her-

2 Zdrayco […], takli u ciebie małą była oyczyzna, iż ią dla trochę tey gładkości zaprzedałeś człowieku beze czci […]

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„An Geist ein Held, ein Weib an Reiz...“ 9

kömmlichen Geschlechterrolle – denn eigentlich haben in der polnischen Traditi-on immer die Männer ihre Geliebten dem Vaterland geopfert – scheint also nicht ungesühnt bleiben zu können und muss mit dem Leben bezahlt werden. Ihr Mut und ihre Entschlossenheit haben ihr allerdings einen Platz im Mythos ihres Volkes gesichert: „Sie wurde bei dem Mendog-Berg begraben, wo man einen Hügel er-richtet und zum Andenken Bäume gepfl anzt hat. Die Greise gemahnen ihre Enkel an den Namen Żywilas, dem allmächtigen Herrgott dankend, dass er sie der Schmach und der Erniedrigung durch den Feind nicht ausgeliefert hat“3 (Mickie-wicz 1996: 68; Übersetzung M.M.-K.) Ihr Name bleibt so auf ewig mit dem Be-griff der Vaterlandsliebe verbunden.

Die polnische Mickiewicz-Forschung hat im Hinblick auf diese Geschichte festgestellt, dass das Gesetz des Vaters, der zugleich das Vaterland verkörpert, als übermächtig erscheint und über alle anderen Ansprüche gestellt wird (vgl. Janion 1996: 83). Weder persönliches Glück noch nackter Überlebenswille rechtfertigen jeglichen Verstoß gegen dieses höhere Gesetz. Dasselbe gilt meines Erachtens für das Eichendorffsche Gedicht. Auch wenn hier der Vater – vermutlich in einem früheren Kampf gefallen – nicht erwähnt wird, so scheint die Tochter sein Ver-mächtnis verinnerlicht zu haben: besser tot als ein Leben in Schmach und ein Verzicht auf die eigene Identität als Tochter ihres Stammes. So wie sie den männ-lichen Familienmitgliedern im Kampf zur Seite gestanden hat, so folgt sie ihnen auch freiwillig in den Tod.

2. Grażyna

Grażyna, „die schönste aller Jungfrauen“, ist Ehefrau des litauischen Fürsten Litawor. Über eine vermeintliche Ungerechtigkeit des Fürsten Witold empört, verbündet sich ihr Ehemann mit dem Deutschen Orden. Gekränkte Eitelkeit und persönlicher Nutzen nehmen überhand und lassen ihn über das Wohl und die Ei-nigkeit seines Volkes hinwegsehen. Als alle Überredungs- und Bekehrungsver-suche seines Beraters Rymwid scheitern, wendet sich der letztere mit der Bitte um Hilfe an Grażyna. Zunächst bleibt jedoch unklar, ob sie mit ihren Ermahnungen an die Pfl ichten gegenüber dem Vaterland Erfolg hatte. Zwar werden die Gesandten des Deutschen Ordens abgewiesen und verlassen beleidigt das Schloss, doch es kommen keine weiteren Befehle. Als die Deutschen Rache an den Litauern neh-men wollen und mit ihren Truppen heranziehen, sucht man vergebens nach dem Fürsten. Schließlich taucht er auf, wirkt jedoch seltsam unsicher und unbeholfen. Und auch während der Schlacht verhält sich der sonst so mutige und geschickte

3 Pochowano ią pod Mendogową górą, kędy kopiec usypano i drzewa na pamiątkę sadzono. Staruszkowie dziękuiąc Panu Bogu wszechmogącemu, iż ich na hańbę a urągowisko nieprzyiaciela niepodał; powtarzaią dziatkom swym imie Żywili.

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10 Monika Mañczyk-Krygiel

Krieger ungewöhnlich. Als die wegen des befremdenden Verhaltens ihres Führers verwirrten Litauer in große Bedrängnis und ernste Schwierigkeiten geraten, er-scheint der geheimnisvolle Schwarze Ritter und das Blatt wendet sich. Allerdings müssen alle mit Entsetzen beobachten, wie Litawor von dem Komtur angeschos-sen wird. Der Schwarze Ritter schlägt den Deutschen zu Boden und kann den Verletzten retten. Als Rymwid die Wunde untersuchen will, stellt er mit Entsetzen fest, dass in Litawors Rüstung Grażyna steckt. Sie bittet ihn, ihr Geheimnis zu wahren. Sie ist nicht mehr zu retten und stirbt, nachdem sie ins Schloss gebracht worden ist. Als am nächsten Tag das traditionelle Begräbnis durch Verbrennung stattfi ndet – zur Verwunderung des Volkes nicht nach dem herkömmlichen fürst-lichen Brauch – taucht erneut der Schwarze Ritter auf, er gibt sich als Litawor zu erkennen, offenbart Grażynas Tat und folgt ihr in den Tod:

[…] Wißt ihr, wessen Leib,Im Panzer und mit eines Helden SeeleDas Feuer hier verzehrt? Sie war ein WeibMein Weib, ganz ohne Tadel, ohne Fehler! (Mickiewicz 1994: 107).

Grażyna gerät durch Litawors Bündnis mit dem Deutschen Orden in einen inneren Konfl ikt, da sie zwischen zwei Loyalitäten wählen muss: dem Gehorsam gegenüber dem Fürsten und Ehemann einerseits und dem Wohl ihres Volkes ande-rerseits: „Ich möchte nicht, daß Litauen es wagt, / das Bruderland im Kriege zu verheeren“ (Mickiewicz 1994: 90). Ihre Tragik besteht darin, dass sie eine Aufga-be übernimmt, der sie nicht gewachsen ist (vgl. Ławski 2003: 108), denn sie ist keine wirkliche Ritterin und kampferprobte Anführerin. Ihre Verkleidung ist ledig-lich eine Maske, die weder ihr Leben noch ihre Identität verändert, denn sie bleibt eine Frau, was sich u.a. durch falsche Schwertanbindung oder – viel dramatischer – durch fehlende Führerqualitäten auf dem Schlachtfeld bemerkbar macht. Dass ihre Entscheidung keine leichtsinnige und unüberlegte Handlung ist, sondern sich aus einer inneren Verpfl ichtung erklärt, bezeugen wiederholte Lobpreisungen ihrer Klugheit und Besonnenheit. Schon immer war sie eine außerordentliche Persön-lichkeit, begnügte sich nicht mit der herkömmlichen Frauenrolle, sondern war auch am politischen Geschehen interessiert und übte geschickt Einfl uss auf den zuweilen hitzköpfi gen Fürsten aus, stets um den Frieden und das Wohlergehen ihres Volkes bemüht:

Und immer ist sie ihrem Manne nah.Im Unglück Trost und Lust an guten Tagen.Bei Tag und Nacht ist sie für ihn nur da;Sie fi ndet Rat in den Regierungsfragen.Ob Bündnis, Krieg, geheime Staatsverträge,Das bringt ihr Einfl uß oft genug zuwege.Natürlich blieb das alles ganz verborgen,Denn sie war anders als die meisten Frauen,Die herrschen wollen, wenig sonst besorgen.Sie aber war bemüht um sein Vertrauen

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KOREKTA

„An Geist ein Held, ein Weib an Reiz...“ 11

Für alle Zukunft, nicht für heut und morgen,Und niemals ließ sie in ihr Herz sich schauen.Und welchen Einfl uß sie im Staate hatte,Das wußte niemand, oft auch nicht ihr Gatte (Mickiewicz 1994: 89).

Ihre Entscheidung, Litawor zu vertreten, erscheint auf diese Weise plausibel und ihrer bisherigen Haltung angemessen. Die Täuschung kann gelingen, da Grażyna so groß wie ihr Mann ist und durch häufi ge Teilnahme an der Jagd mit der Waffe umgehen kann:

Sie glich an Haltung, von Gesicht sogarFast völlig ihrem Manne, auch im Denken:Das Nähen, weibliche Hantierung warZuwider ihr. Doch sah die Schritte lenkenMan oft zum Stall sie, wo ihr Reitpferd stand.Ein edler Vollbluthengst vom Żmudźer LandSie trug ein Koller stets von Bärenhaut,Als Kopfputz eines Luchses scharfe Krallen.Die Jäger jubeln, Hunde bellen laut,Und auch dem Fürsten kann es nur gefallen,Wenn alle, die ihm Huld erweisen wollen,Statt seiner sie der Fürsten-Gattin zollen (Ebd.: 88f.).

Auffallend ist, dass Grażyna unter einem fremden Namen kämpft und – ihrem eigenem Wunsch gemäß – stirbt. Bis in den Tod hinein möchte sie Litawors guten Ruf schützen, selbst um den Preis der Aufgabe ihrer eigenen Identität. Der Ehe-mann versteht ihre Beweggründe und ehrt sie schließlich, indem er während des Begräbnisses die Wahrheit enthüllt und Grażyna ihren wirklichen Namen zurück-gibt. Und mehr noch – er gesteht den eigenen Fehler ein und heißt ihre Entschei-dung für das Vaterland gut, indem er sich in die Flammen wirft und der Ehefrau freiwillig in den Tod folgt. Durch diese Tat werden nämlich herkömmliche Ge-schlechterrollen außer Kraft gesetzt, denn bei den alten Litauern war es Sitte, dass eben die Witwe dem Verstorbenen durch freiwillige Verbrennung in den Tod fol-gen sollte. Nun übernimmt Litawor diese Rolle, was als endgültiger Beweis für die Rechtmäßigkeit von Grażynas Handlung aufzufassen ist und das ganze Geschehen zugleich in einen politischen Mythos verwandelt (vgl. Janion 1996: 94–96). Auch das Volk ehrt die Haltung seiner Fürstin, indem es ihre Tat in Liedern besingt und dem Schlachtfeld ihren Namen verleiht. Somit bleibt sie für immer in die Topo-graphie ihres Vaterlandes eingeschrieben und fi ndet – wohlgemerkt sie allein, nicht ihr Mann Litawor – Eingang in die litauische Sagenwelt:

Vom Volk davon zu sprechen, hat Rymwid streng bekämpft,Doch weiter fl og und weiter die Kunde, langgedämpft.Heut‘ Niemand wirst du treffen in Neuenburg mehr an,Der Dir nicht von Grażyna das Lied anstimmen kann.Zum Dudelsack sie singen‘s, nachträllert es die Maid,Und Feld der Lettin nennen das Schlachtfeld sie zur Zeit (Mickiewicz 1876: 49).

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3. RomintaRominta, Tochter eines prussischen Fürsten, derer Name von einem das prussisch-litauische Grenzgebiet durchfl ießenden Fluss abgeleitet ist (vgl. Faber 1995: 74), nimmt mit ihren litauischen Truppen an der Schlacht bei Tannenberg teil. Da die Ordensritter Jahre zuvor im Zuge der Christianisierung und Eroberung der prus-sischen Gebiete ihren Vater umgebracht und ihren Besitz verwüstet haben, hat sie ihr ganzes Leben der Rache geweiht: „Auf den Trümmern des letzten der deutschen Ritterschlösser / Ruf ich Viktoria erst, und werf mein Schwert fort!“ (Eichendorff 1981: 755). Ihrem Vorsatz folgt sie konsequent und bekämpft die Ordensritter mit der Waffe in der Hand, schreckt weder vor Blutvergießen noch vor Grausamkeit zurück, so wütet sie etwa wie „ein buntgefl eckter Tiger“ (Eichendorff 1981: 754). Die weibliche Seite ihres Wesens bleibt bisweilen weitgehend unterdrückt, auch wenn sie sonst Frauenkleider trägt, sich nach der ursprünglichen Geborgenheit sehnt und Träume bezüglich des künftigen Ehemanns hegt („Flecht mir die Zöpfe und erzähl ein Märlein / Wie sonst zu Hause in der schönen Zeit“; Eichendorff 1981: 769), so steht ihr derzeitiges Leben im Zeichen der Rache. Ihre Transgres-sion ist nicht etwa angeboren, sondern eine Reaktion auf das ihrer Familie und ihrem Volk auf eine grausame Weise zugefügte Leid. Um ihr Ziel zu erreichen, ist ihr jedes Mittel recht: Wenn sie die Gelegenheit erkennt, den in sie verliebten Komtur Georg von Wirsberg durch das Versprechen einer gemeinsamen Liebes-nacht zu einem Attentat auf den Großmeister des Deutschen Ordens, Heinrich von Plauen, zu bewegen, zögert sie nicht: „Nicht berühren sollst du meinen Leib, / Nicht aus dem Panzer lös ich diese Glieder, / Solang er atmet, uns zu Schmach und Not!“ (Eichendorff 1981: 771). Der Kampf um die Freiheit des Vaterlandes entschuldigt für sie selbst unehrenhafte Handlungen, wie etwa einen Meuchel-mord. Aber auch wenn sie entschlossen ist ihr Versprechen zu lösen, würde sie dies später wohl mit einem Selbstmord bezahlen, denn selbst der Gedanke an die Hingabe an den verhassten Feind erscheint unerträglich: „Wenn es vollbracht ist – ja, dann ruhst du / Will`s Gott, wohl eine lange, lange Nacht!“ (Eichendorff 1981: 819) Während eines Gefechts sieht sie zufällig Heinrich von Plauen und verliebt sich in ihn, was sie in eine tiefe Krise stürzt, da sie sich nun zwischen dem Geliebten und dem Vaterland entscheiden muss. Ihrer Rache verpfl ichtet, ist sie außerstande, Wirsberg von dem Attentat abzubringen. Ihrem Gefühl folgend, möchte sie aber Plauen zumindest warnen. Nach längerem Zögern entschließt sie sich, dies zu tun. Sie warnt ihn, gibt dabei jedoch ihre wahre Identität nicht preis und stirbt letztendlich in einem Zweikampf mit Wirsberg.

Die subversive Rominta, die ihr kriegerisches Handwerk gut gelernt hat, ist viel schwieriger zu akzeptieren als Grażyna. Ihre Entschlossenheit und ihr Kampf-geist bringen ihr besonders von der Männerseite schmähende Ausdrücke ein: So wird sie von den desertierenden polnischen Soldaten als „grauenhafte Kriegeshe-xe“ (Eichendorff 1981: 782) beschimpft und auch Wirsberg schiebt ihr die allei-

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nige Schuld an seinem Verrat gegen Plauen zu, seine eigene erotische Faszination vergessend:

[…] – Da ringelt sich die NachtDer Locken wieder – wildes Traumgesicht! –[…] Fort! Schlangen sind dein HaarUnd jede hat ein Stück von mir vergiftet:Treu, Ehr – den Rest werf ich dir nach, mich grautVor mir und dir (Eichendorff 1981: 825).

Diese Stilisierung zur antiken Medusa dient der Dämonisierung der Frau zum Zweck der eigenen Entschuldigung und stellt eine Strategie der Entwertung dar, um einer als unverständlich und bedrohlich empfundenen Weiblichkeit doch noch Herr zu werden. Romintas wirkliche Beweggründe waren für Wirsberg nie von Interesse, da er sie stets als eine Beute behandelte, und zwar eine durch die selt-same Verbindung von Schönheit und Kampfgeist umso begehrenswertere.

Der auf den ersten Blick eher konventionell anmutende Konfl ikt zwischen Liebe und Vaterland gewinnt durch die Assoziationen mit antiken Amazonen seine besonderen Konturen. Bezeichnenderweise verliebt sich Rominta in Plauen, ohne zu wissen, wer er ist. Ihre erste Begegnung fi ndet auf dem Schlachtfeld statt, als das Mädchen mit einer Armbrust (als eine Pfeile schleudernde Waffe leicht als amazo-nenhaft einzustufen) auf den auf den Mauern kämpfenden Großmeister zielt:

Wer istDer Furchtbar-Schöne in den Feuerwogen?Die Fahne hält er hoch empor, wie‘n CherubMit goldnen Flügeln in den Flammen schlagend –Entsetzt weicht alles, ihm gehorcht die Schlacht – (Eichendorff 1981: 783).

Wie eine antike Amazone fühlt sich Rominta vor allem von Plauens Kampf-kunst angesprochen, sie sieht in ihm einen Kriegsgott. Die Liebe ergreift sie wie ein elementares Ereignis, gegen das man sich nicht wehren kann. Die besagte Szene ist eine Kopie der Geschehnisse aus dem Gedicht Die deutsche Jungfrau, allerdings mit umgekehrten Rollen. Und auch hier ist der Ausgang, wenigstens für die Frau, gleich – nämlich der Tod. Denn genauso wie dort ist das Leben mit dem Todfeind a priori unmöglich. Übrigens scheint Rominta dies genau zu wissen. Zum einen wird sie ihrem Racheschwur untreu, zum anderen ist sie von vornher-ein von der Aussichtslosigkeit ihrer Liebe überzeugt. Denn die Vorstellung, dass ihr Auserwählter aus einer ihr fremden Welt kommt und die Geschichte tödlich endet, wird bereits früh durch das Märchen ihrer Gefährtin Jolante vorweggenom-men. Die Geschichte von dem vergeblich nach dem richtigen Ehemann suchenden Fräulein und dem Wassermann wird zwar nicht zu Ende erzählt, aber sie erinnert deutlich an das Märchen von dem Wassermann und der schönen Ida aus dem Ro-man Ahnung und Gegenwart.4 Allerdings mit einer deutlichen Akzentverschie-

4 Der Kommentar zur historisch-kritischen Ausgabe verweist in diesem Zusammenhang aller-dings auf Klarinetts Märchen in der Erzählung Die Glücksritter. Vgl. Köhnke (1997: 193). Abgese-

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bung, denn bei Rominta geht es primär nicht um die Warnung vor einem leichtsin-nigen Lebenswandel5, sondern vielmehr um eine unmögliche Liebe zweier einander vollkommen fremder Wesen, die eine unüberbrückbare Grenze vonein-ander trennt. Im wirklichen Leben gibt es für beide keine Zukunft, der Bräutigam bringt der Braut den Tod. Da Rominta den für ihre Zeit durchaus üblichen doppel-ten Glauben (vgl. Okulicz-Kozaryn 2000: 461) praktiziert (sie ruft in einem Zuge Christus und Perkunos an), glaubt sie immer noch fest an die Vorsehung und Pro-phezeiungen und versucht nicht einmal, den Lauf der Dinge zu ändern. Sie unter-nimmt deswegen gar keinen Versuch, Plauen ihre wahre Identität zu offenbaren. Während ihrer Begegnung fungiert ihre Rüstung nun als eine Art Panzer, dessen Hauptaufgabe nicht in dem Schutz vor einem Angriff von außen besteht, sondern vielmehr vor einer Vernichtung von innen heraus.

Rominta ist ein vielfach entwurzeltes Wesen. Zum einen wird ihre weibliche Identität durch den von ihr gewählten Lebensentwurf gestört. Ihre Rüstung, ihr Schwert, ihre Teilnahme an den Kampfhandlungen passen nicht zum herkömm-lichen Frauenbild. Es sind Plauens Mut und seine Kampfkunst, die sie anziehen, also Eigenschaften, die eher auf Aggression und Gefahr rekurrieren, als solche, die einer Frau Geborgenheit und Familiengründung ermöglichen würden. Als eine Frau, die sich dem Kampf verschrieben hat, ist sie vom „Kriegsgott“ fasziniert. Dabei ist sie ein seelisch schwer beschädigtes Individuum, denn sie hat ihre Hei-mat und ihre Familie verloren. Ihre Handlungsweise ist zum Teil fremdbestimmt, denn sie folgt dem traditionellen prussischen Gebot der Blutrache für den Tod der Angehörigen (vgl. Okulicz-Kozaryn 2000: 317). Das Dislozieren ihrer Identität korrespondiert mit dem Verlust einer sinnlichen Beziehung zum eigenen Land. Auch wenn sie nun in der Nähe von Marienburg ein Schloss besitzt, so ist der ursprüngliche Familiensitz an der prussisch-litauischen Grenze zerstört worden und bleibt somit für immer unerreichbar.

Bezeichnenderweise bleibt dieser Gestalt der Eingang in den Mythos ver-wehrt. Während die tödlich verwundete Rominta zu Boden sinkt, verliert sie ihren Helm, so dass ihre Identität in der Todesstunde freigelegt wird (vgl. Ebel 2000: 96f.). Bei diesem Anblick denkt Wirsberg nur daran, die Schuld an dem Verrat von sich zu weisen, und Plauen bemerkt Romintas Leiche nicht einmal. So bleibt ihr einziger Wunsch: „Mit meiner Brust will ich dein Herz abschirmen / Und – bin ich tot, gedenkst du meiner doch!“ (Eichendorff 1981: 820), nur zum Teil erfüllt. Sie stirbt, während sie Plauen beschützt. Wurde der „deutschen Jungfrau“ wenigstens Bewunderung für ihren Kampfgeist gezollt, so wird die Vertreterin des geknech-teten prussischen Volkes selbst aus jeglicher Erinnerung vollständig eliminiert. Bei aller positiven Zeichnung dieser Gestalt sowie der überzeugenden Darstellung der Beweggründe ihres Handelns erscheint sie am Ende als zu subversiv und pro-

hen von der viel späteren Entstehungszeit (1841), weist das Märchen aus dem Roman (1815) mehr Gemeinsamkeiten mit dem Märchenfragment aus dem Drama auf. Vgl. Eichendorff (1987: 46–52).

5 Zur Funktion des Märchens im Roman vgl. Koemann (1993: 273–275).

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blematisch, um leben zu dürfen. Denn durch ihre Existenz als Ritterin und Feindin bedroht sie zweifach die natürliche Ordnung der Dinge. Andererseits lässt sich ihr Tod ohne weiteres als eine Strafe für den Bruch ihres Racheschwures deuten.

4. Synoptische Betrachtungen

Wie aus den obigen Ausführungen ersichtlich, gibt es einige Unterschiede in den Entwürfen kämpfender Frauen bei Eichendorff und Mickiewicz. Die Vorstellun-gen des letzteren von weiblichem Heroismus sind vielfältiger Provenienz: Neben den durch die Schulbildung angeeigneten Vorbildern der Antike stehen Ergeb-nisse selbständiger historischer Nachforschungen und die litauische mündliche Überlieferung. Weitere Quellen sind in der Bibel (Judith) und in der mittelalter-lichen höfi schen Lyrik zu suchen (vgl. Ławski 2003: 107). In Eichendorffs Dar-stellung verschmelzen Züge von Schillers Jungfrau von Orleans, Tieck Marce-bille aus Kaiser Octavian und Adelheid aus Goethes Götz von Berlichingen (vgl. Köhnke 1997: 182), ferner ist sie – wie bereits gezeigt – dem Amazonenmythos verp fl ichtet.

Während es sich bei Grażynas Kampfeinsatz nur um eine von den Umständen erzwungene Episode, um einen Impuls handelt, hat Rominta ihr ganzes Leben nach dem von ihrem Racheschwur bedingten Konzept ausgerichtet, d.h., sie hat das Kriegshandwerk sorgfältig gelernt. Logischerweise versagt Grażyna auf dem Schlachtfeld, Rominta dagegen behauptet sich dort ohne weiteres, befehligt eigene Truppen, tötet ohne Zögern und wird von ihren Verbündeten geachtet. Überhaupt ist die ganze Konfl iktsituation beider Gestalten unterschiedlich angelegt: Grażyna steht nicht vor der Wahl zwischen dem Geliebten und dem Vaterland, sondern zwischen dem Gehorsam der Obrigkeit gegenüber und der individuellen Verant-wortung für das Schicksal der nationalen Gemeinschaft. Somit ist ihr inneres Di-lemma viel subtiler und wird um eine politische Dimension erweitert (vgl. Janion 1996: 85). Ihrem Konfl ikt wird jedes erotische Element entzogen, im Vordergrund steht die Pfl icht jedes Einzelnen, sich selbst gegen Entscheidungen seines Nächs-ten zu wehren, wenn sie zum Nachteil der Gemeinschaft getroffen werden. Bei Rominta scheint es auf den ersten Blick viel konventioneller zuzugehen, aber auch hier wird die Verpfl ichtung dem Vaterland gegenüber höher gestellt als das persön-liche Glück, was sich in ihrer Todesgewissheit äußert.

Des weiteren fällt auf, dass bei der Akzeptanz der ungewöhnlichen Frauenge-stalten die Perspektive von „eigen“ versus „fremd“ entscheidend ist. Adam Mi-ckiewicz lässt keinen Zweifel daran, dass es ihm darum geht – von der Überzeu-gung von der jeder Kultur inhärenten Existenz eines weiblichen Elementes geleitet – nach außergewöhnlichen Frauen in der Geschichte des eigenen Volkes zu su-chen. Davon zeugen nicht nur expressis verbis die ersten Zeilen von Żywila, son-dern auch die Anmerkungen zu Grażyna. Dort beruft sich der Dichter auf For-

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schungen über die Stellung der Frauen bei den alten Prussen und Litauern. Er führt entsprechende Beispiele an, wie etwa Beweise einer frühen Gynokratie in Litauen, und verweist auf die Gattinnen von Kiejstut und Witold sowie berühmte Prieste-rinnen, die sogar nach der Christianisierung der Prussen und Litauer hoch verehrt wurden. Mickiewicz betreibt quasi ethnografi sche Forschungen, um die herkömm-liche Vorstellung von den geknechteten Litauerinnen zu korrigieren:

Diese Widersprüche lassen sich lösen, wenn wir bedenken, dass das litthauische Volk aus zwei von alters her zusammenwohnenden, aber immer etwas von einander verschiedenen Stämmen bestand, d.h. aus Inländern (Autochthonen) und Einwanderern (wie es scheint: Normannen). Diese Letzteren bewahrten sicher die angeborenen Gefühle der Achtung und Zuneigung für das schöne Geschlecht. In der That wurden nach altem Recht oder litthauischem Brauch die Frau-en aus diesem fremden Stamme von den Männern mit besonderer Gunst beehrt. Ueberdies scheint die Verachtung der Frauen und ihre Erniedrigung nur in den ältesten und gänzlich bar-barischen Zeiten stattgehabt zu haben. Folglich zeigt sich, namentlich in dem Jahrhunderte, in welches wir die Handlung dieser Erzählung versetzt haben, der ritterliche und romantische Geist um so ausgeprägter. (Mickiewicz 1876: 58)

Und auch wenn es sich nicht leugnen lässt, dass seine Feststellungen, wie die geschichtlichen Überlieferungen bestätigen, zum Teil nur Wunschdenken darstel-len6, so trägt der Dichter eindeutig zur Aufwertung der Frauen in der Geschichte bei. Konsequenterweise macht er Litauerinnen, d.h. Vertreterinnen des eigenen Volkes, zu den Protagonistinnen seiner Werke und zu eindeutig positiven Gestal-ten, die nach ihrem Tod in den nationalen Heldenolymp aufgenommen werden. Dies geschieht nicht zuletzt durch die ewige Einschreibung in das geliebte Land, sei es durch ein Grab, sei es durch die einem Ort aufgedrückte Signatur.

Dagegen lässt sich bei Joseph von Eichendorff eine ambivalente Haltung ge-genüber den im vorliegenden Aufsatz erwähnten Frauengestalten beobachten. Während die tapfere Heldin des Gedichtes aufgrund von Bewunderung und Ver-ständnis für ihre „unweibliche“ Handlungsweise in das nationale Sacrum aufge-nommen wird, wird die Prussin Rominta – also die Fremde und die Feindin – aus der Geschichte und Erinnerung getilgt, nicht ohne vorher dämonisiert und zu einer seelenlosen Verführerin stilisiert zu werden. Kein Wunder also, dass noch heute ein Teil der Forschung sie als reine „Verkörperung des Eros“ (vgl. Fröhlich 1998: 188, 196) auffasst, bereitwillig der Sicht der Männerfi guren im Drama folgend. Auf diese Weise wird diese äußerst interessante Figur nur auf das Sexuelle redu-ziert. Dadurch bleibt ein wesentlicher Teil dieser Gestalt unbemerkt, die an sich sehr konsequent aufgebaut und von dem Dichter, welcher der aufklärerischen Tra-dition der Sympathie für die prussische Bevölkerung folgt, positiv geschildert wird (vgl. Faber 1995: 74). Überdies kommen die Beschimpfungen nicht nur aus deutschem (Wirsberg), sondern auch aus polnischem Munde (fahnenfl üchtige Sol-daten). Und was beide Seiten so gegen sie aufbringt, sind Romintas „männliche“

6 Zu dieser Zeit war nämlich die prussische Gesellschaft patriarchalisch aufgebaut. Vgl. Oku-licz-Kozaryn (2000: 315–317).

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Tugenden, wie etwa ihre Entschlossenheit, Konsequenz und Unerschrockenheit. Als kämpfende Frau bleibt sie allen Männern – ungeachtet ihrer Nationalität – sus-pekt und unbegreifl ich. Eine solche Darstellungsweise ist nicht zuletzt auf ein gewisses, sowohl seinen anderen Werken als auch privaten Äußerungen inhärentes Misstrauen Eichendorffs gegenüber den Frauen, die gegen die geltenden Regeln verstoßen, zurückzuführen (vgl. Sauter Baillet 1972: 112f.). Es bleibt zu fragen, woraus die Unterschiede in der Betrachtung kämpfender Frauen bei beiden Dich-tern resultieren, die sich besonders in der Ehrung der Gestalten nach ihrem Tode äußern. Diese sind höchstwahrscheinlich mit der unterschiedlichen Einschätzung der kämpfenden Frauen in Polen und in Deutschland zu erklären. Es lässt sich nämlich nicht übersehen, dass die Darstellungen beider Dichter von dem Patrio-tismusverständnis ihrer eigenen Zeit beeinfl usst wurden, d.h. dass sich in ihren Werken die Zustände des 14. und 15. Jahrhunderts mit den Ideen des 19. Jahrhun-derts überschneiden.

Während der Teilungszeit wurde Polen von den Frauen als symbolischer na-tionaler Raum in ihrem Privatbereich – zu Hause – erhalten: Sie pfl egten die Re-ligion, die Sitten und die polnische Sprache. Dies verlangte von ihnen eine beach-tenswerte Stärke, denn oft mussten sie die Rolle der abwesenden Männer, die entweder in Aufständen gefallen oder nach Sibirien verbannt worden waren, über-nehmen. Aufgrund all dieser Begebenheiten entstanden – maßgeblich durch Mi-ckiewicz geprägt – zwei miteinander konkurrierende Leitbilder für polnische Frauen: die Mutter Polin und die Ritterin. Beide sind als zur nationalen Verwen-dung geschaffene Konstrukte aufzufassen, das eine auf Fürsorge und Opferbereit-schaft, das andere auf aktiven Kampf ausgerichtet (vgl. Mańczyk-Krygiel 2006: 16–19; Janion 1996: 91–93). Und auch wenn das Leitbild der opferbereiten Mutter Polin bevorzugt wurde, gab es in Polen stets eine verhältnismäßig große Akzep-tanz gegenüber bestimmten Arten des unweiblichen Verhaltens, da es oft Zeiten gegeben hat, in denen Polinnen gezwungen waren, ihren Männern – auch mit der Waffe in der Hand – zur Seite zu stehen und tatkräftig Widerstand gegen die Tei-lungsmächte zu leisten. Deswegen begriffen sich polnische Frauen in einem viel größeren Maße als Vertreterinnen anderer Nationen als Staatsbürgerinnen (vgl. Janion 1996: 79).

In diesem Zusammenhang sollte man auf einen ungewöhnlichen, aber äußerst interessanten Aspekt des Ritterinnen-Bildes bei dem polnischen Dichter hinwei-sen, nämlich auf den inhärenten Bezug zu der als besondere Patronin Polens gel-tenden Gottesmutter. Denn obwohl beide – Żywila und Grażyna – Heidinnen sind, realisieren sie doch im Grunde genommen Marias Rolle als Heerführerin (Hetman-ka), die „Soldaten auf das Schlachtfeld führt und sie dort beschützt“ (Kawalec 2006: 133). Dies schafft eine Verbindung zu dem in Polen äußerst regen Marien-kult, besonders seit König Johann Kasimir die Gottesmutter während der schwe-dischen Invasion 1656 zur symbolischen „Königin Polens“, einer besonderen Schutzherrin der Nation, erklärt hatte, und beschwört die nationale Dimension der

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Religion in der Teilungszeit herauf. So wird noch einmal die von der Absicht der Festigung der nationalen Identität getragene Übertragung der Ideen und Vorstel-lungen des 19. Jahrhunderts auf längst als vergangen dargestellte Welten deutlich.

Alles in allem hat Adam Mickiewicz konsequent den Vorsatz verwirklicht, eine heroische Verkörperung bestimmter Werte zu entwerfen – eine weibliche Ge-stalt, die wohl als Ergänzung, aber nicht als Ersatz für den männlichen Geist kon-zipiert wurde, obwohl dieser in der Konfrontation mit dem Feind zu versagen droht. Das Ganze hängt mit einem von Mickiewicz formulierten Emanzipations-begriff zusammen, der notwendigerweise immer mit Opfer und Leid verbunden ist:

Dies ist der unausweichliche Weg der Menschheit: Zuerst sind Opfer zu bringen, um ein belie-biges Recht zu erwerben. Auf diese Weise befreit sich in Polen die Frau; sie genießt hier die größere Freiheit als irgendwo sonst, sie wird höher geachtet, fühlt sich als Gefährtin des Man-nes. Nicht durch Disputationen über die Rechte der Frauen, nicht durch Bekanntmachung ima-ginärer Theorien werden die Frauen Bedeutung in der Gesellschaft erlangen, sondern durch Opfer (zit. nach Mańczyk-Krygiel 2006:19).

Joseph von Eichendorffs Vorstellungen bleiben dagegen weitgehend von der während der antinapoleonischen Erhebung 1806-1816 entstandenen Konstruktion einer deutschen Nationalidentität geprägt, die geschlechtsspezifi sche Handlungs-spielräume viel restriktiver als die polnische eingegrenzt hat (vgl. Hagemann 1997: 179). Der öffentliche, an das Waffentragen gebundene Raum wurde als mi-litärisch geprägt und männlich beherrscht begriffen. Die im Gegenzuge erfolgte Zuweisung des privaten Raumes an die Frauen bewirkte ihren weitgehenden Aus-schluss aus der Gemeinschaft der Staatsbürger. Patriotische Frauenpfl ichten blie-ben auf Fürsorge und Pfl ege beschränkt. Frauen, die Waffen trugen, galten daher als eine Provokation, da sie die herrschende, dichotomisch-hierarchische Ge-schlechterordnung in Frage stellten. Nicht zuletzt deswegen wurde Frauen, die nachweislich an Kampfhandlungen teilnahmen, nur dann Ehre und Anerkennung zuteil, wenn sie den Tod auf dem Schlachtfeld fanden. Ausschließlich tote Hel-dinnen wurden zu einem integralen Bestandteil des nationalen Erbes. Die Überle-benden erlitten den symbolischen Tod des Vergessens (Hagemann 1997: 196–199), da sie der Festigung der postulierten, d.h. den herkömmlichen Geschlechterrollen konformen, nationalen Identität entgegenwirkten. Übrigens ist dies ein Schicksal, das auch vielen als Männer getarnt kämpfenden Polinnen widerfahren ist (vgl. Walczewska 1999: 54). Letztendlich wurden also Gestalten, die die dualistische Geschlechterordnung in Frage stellen, überall ausgestoßen, marginalisiert und ge-brandmarkt.

Meine Ausführungen möchte ich mit einer kurzen Refl exion über die vorlie-genden deutschen Übersetzungen von Grażyna im Kontext des Kulturtransfers abschließen. Es geht um die Übertragung der Zeile, die den Titel des vorliegenden Beitrags inspiriert hat und im Original lautet: „Niewiasta z wdzięków, a bohater z ducha“. Dieser Satz ist nämlich im Laufe der Zeit zu einem identitätsstiftenden

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und national geprägten „Schlüsselbegriff der polnischen Kultur“ geworden (vgl. Schultze 1999: 4–6). Und eben diese Stelle scheint den Übersetzern gewisse Schwierigkeiten bereitet zu haben, die sich entweder in einer umständlichen, den Sinn verschleiernden Übertragung („Der Reiz das Weib, der Geist den Helden zeigt“, Mickiewicz 1860: 59) oder in dem Verzicht auf die Worttreue (die im Un-terkapitel zu Grażyna als das erste Zitat angeführte jüngste Übersetzung [1994], die mit der Übersetzung aus dem Jahre 1989 identisch ist) zeigen. Besonders im letzteren Fall geht dadurch die Spezifi k des vom Dichter entworfenen, außerge-wöhnlichen Frauen(vor)bildes gänzlich verloren. Man muss hier der deutschen Slavistin Brigitte Schultze darin beipfl ichten, dass viele polnische Texte eine Art „Wegweiser zum Verstehen“ brauchen und der Übersetzer in einer Fußnote oder im Nachwort jeden Schlüsselbegriff der polnischen Kultur erläutern müsste (vgl. Schultze 1999: 22).

Literatur

Primärliteratur

Eichendorff, Joseph von: Ausgewählte Werke, hrsg. von Hans A. Neunzig, Bd. 3: Ahnung und Ge-genwart, Julian, Robert und Guiscard, Lucius. München 1987.

Eichendorff, Joseph von: Werke, hrsg. von Jost Perfahl, Bd. 1: Gedichte, Versepen, Dramen, Auto-biographisches. München 1981.

Mickiewicz, Adam: Dzieła. Wydanie rocznicowe 1798–1998. Bd.5: Proza artystyczna i pisma kry-tyczne. Warszawa 1996.

Mickiewicz, Adam: Grażyna, die schöne Fürstin. Eine litauische Sage, übersetzt von A.J. Bolek, Teschen 1860.

Mickiewicz, Adam: Grażyna: eine litauische Erzählung, übersetzt von Carl August von Pentz. Rendsburg 1989.

Mickiewicz, Adam: Grażyna. Litthauische [!] Erzählung, aus dem Polnischen metrisch übertragen von Dr. Albert Weiss, Prag 1876.

Mickiewicz,Adam: Dichtung und Prosa. Ein Lesebuch, hrsg. von Karl Dedecius. Frankfurt am Main 1994.

Sekundärliteratur

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Fröhlich, Harry: Dramatik des Unbewußten. Zur Autonomieproblematik von Ich und Nation in Ei-chendorffs „historischen“ Dramen. Tübingen 1998.

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Hagemann, Karen: Heldenmütter, Kriegerbräute und Amazonen. Entwürfe „patriotischer“ Weiblich-keit zur Zeit der Freiheitskriege. In: Ute Frevert (Hrsg.): Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 1997, S. 174–200.

Janion, Maria: Kobiety i duch inności. Warszawa 1996.Kawalec, Urszula: Zum Bild der Mutter Gottes im dramatischen Werk von Stanisław Wyspiański.

In: Mirosława Czarnecka / Christa Ebert / Grażyna Barbara Szewczyk (Hrsg.): Archetypen der Weiblichkeit im multikulturellen Vergleich. Studien zur deutschsprachigen, polnischen, russis-chen und schwedischen Literatur. Wrocław-Dresden 2006, S. 131–138.

Koemann, Jakob: Die Grimmelshausen-Rezeption in der fi ktionalen Literatur der deutschen Roman-tik. Amsterdam 1993.

Köhnke, Klaus (Hrsg.): Sämtliche Werke des Freiherrn Joseph von Eichendorff: historisch kritische Ausgabe, Bd. 6/2: Kommentar. Tübingen 1997.

Ławski, Jarosław: Marie romantyków: metafi zyczne wizje kobiecości: Mickiewicz, Malczewski, Kra-siński. Białystok 2003.

Mańczyk-Krygiel, Monika: Matka Polka / Mutter Polin oder: Über die Tücken der Übersetzung eines Schlüsselbegriffes der polnischen Kultur. In: Martin A. Hainz / Edit Király / Wendelin Schmidt-Dengler (Hrsg.): Zwischen Sprachen unterwegs. Symposion der ehemaligen Werfel-stipendiaten zu Fragen der Übersetzung und des Kulturtransfers am 21./22. Mai 2004 in Wien, Wien 2006, S. 15–37.

Okulicz-Kozaryn, Łucja: Dzieje Prusów. Wrocław 2000.Sauter Baillet, Theresia: Die Frauen im Werk Eichendorffs. Verkörperungen heidnischen und chris-

tlichen Geistes. Bonn 1972.Schultze, Brigitte: Historia i kultura pod soczewką: kluczowe pojęcia polskiej kultury jakowyzwanie dla tłumacza. In: Brigitte Schultze: Perspektywy polonistyczne i komparatystyczne. Kra-

ków 1999, S. 3–22.Walczewska, Sławomira: Damy, rycerze i feministki. Kobiecy dyskurs emancypacyjny w Polsce.

Kraków 1999.

AbstractsDer vorliegende Beitrag setzt sich zum Ziel die Bilder der Ritterinnen in den Werken von Joseph

von Eichendorff und Adam Mickiewicz, die den Kampf der Prussen, Litauer und Polen gegen den Deutschen Orden thematisieren, zu rekonstruieren. Im Mittelpunkt der Analyse steht neben der he-roisch-patriotischen Dichtung Grażyna, die einen festen Platz im polnischen Literaturkanon einnim-mt, das Drama Der letzte Held von Marienburg. Das besondere Interesse gilt dabei der Motivation der Figuren und der Reaktion der Umwelt auf ihr subversives, traditionelle Geschlechtervorstel-lungen sprengendes Verhalten. Anschließend wird der Frage nachgegangen, inwiefern die besagten Bilder von den durch unterschiedliche geschichtliche Erfahrung bedingten Konzepten der deutschen und polnischen Nationalidentität geprägt werden.

The subject of considerations herein are the images of women warriors in the motif of fi ghting battles Prusians, Lithuanians and Poles against the Teutonic knights in the works of Eichendorff and Mickiewicz. The heroic-patriotic poem Grażyna, which belongs to the canons of Polish literature, and the drama Der letzte Held von Marienburg are the subjects of a thorough analysis. Issues about the characters’ motivation and the environment reaction to their actions which question the tradi-tional view of femininity are particularly interesting here. The article further expands on the question of the infl uence of Polish and German concepts of national identity, which were shaped by utterly different historical experiences, on making women warriors in the discussed works.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Rafał BiskupWrocław

Bemerkungen zum Gedicht Traumvon Hermann Stehr

Von Jugendglück schwärmt mancher, gingauch Elend ihm zu Seiten,Ob an den Schritt sich Hunger fi ng,Sorg’ an den Flug der Zeiten.

Und dieser Traum der Sehnsucht schwebtum ihn in allen Stunden,er gibt ihm Kraft, wenn alles bebtund läßt das Herz gesunden.

Trifft ihn der Krankheit Geißelhieb,daß seine Glieder bluten:der Traum als trauter Tröster bliebund dämpft die Schmerzensgluten.

Tritt an das Bett der Tod zur Nachtund packt die magern Glieder:Angstlos sieht er ihn an: ihm lachtAls Welt der Traum dort wieder.

Hermann Stehr, Traum

Die Rezeption des Werkes von Hermann Stehr erlebt in den letzten Jahren ihre Renaissance.1 Die Wahrnehmung des in Habelschwerdt geborenen „Seelendich-ters“ wechselt die Perspektive: von der Vereinnahmung durch Heimatideologien und den Lokalpatriotismus schlechthin zu einer literaturwissenschaftlichen und textnahen Wahrnehmung der Lyrik und der Prosa dieses Dichters und Schrift-stellers.

Während der Vorbereitung eines Aufsatzes über Philo vom Walde (Johannes Reinelt) bestellte der Autor dieses Berichts das Buch Schlesisches Dichterbuch aus

1 Vgl. Peter Sprengel: Hermann und Hedwig Stehr im Briefwechsel mit Gerhart und Marga-rete Hauptmann. Berlin 2008; Wojciech Kunicki: „... und steigert meine Furcht zum Zorn.“ Beiträ-ge zu Leben und Werk Hermann Stehrs. Leipzig 2009.

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den Beständen der Universitätsbibliothek Wrocław.2 Im Vorwort der Herausgeber heiß es: „Fast alle Beiträge sind den Herausgebern von den Autoren eigens für dieses Buch zur Verfügung gestellt worden. Es sind viele Originalarbeiten dabei, und die es nicht sind, werden hier wenigstens zum ersten Male einer breitern Öf-fentlichkeit zugänglich gemacht.“3 Es scheint, dass ein Gedicht es nicht mehr ge-schafft hat, „einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden“: Beim Aufschlagen der ersten zwei Seiten des Kapitels zu Hermann Stehr (mit den Ge-dichten Frühherbst, Gedanken an mein totes Kind und Nachtstille)4 fand sich die Handschrift eines Gedichtes von Hermann Stehr mit dem Titel Traum.5 Die ge-nauen Umstände der Entstehung wie auch des Hinterlassens dieses Gedichtes in dem Schlesischen Dichterbuch sind unklar. Unklar ist auch das Jahr, in dem es entstanden ist.

Das mit Bleistift geschriebene Gedicht trägt das Handzeichen des Seelendich-ters Stehr. Allein schon der Titel ist für den Heiligenhof-Autor prägnant, war er es doch, der sich Zeit seines Lebens für das Unbewusste, Nichtzuerklärende oder Ver-borgene im menschlichen Inneren interessierte. Nicht die „Spitze des Eisberges“ des menschlichen Wesens war für ihn ausschlaggebend, sondern das, was darunter lag, die Tiefen der menschlichen Existenz, das Unerklärliche, Mystische.6

Die genannten Motive durchkreuzen das Gesamtwerk Stehrs unentwegt. Wenn es allein um den Begriff des „Traumes“ geht, so veröffentlichte auch Stehr im Jahr 1919 in der Breslauer Zeitung „Die Erde“ eine Erzählung mit dem Titel Ein Traum.7 Nur diesmal ist für Stehr der Traumbegriff ein Mittel, seine „poli-tische Stellungnahme“ durch das „romantische Instrumentarium“ darzustellen:

2 August Friedrich Krause / Philo vom Walde (Hrsg.): Schlesisches Dichterbuch, Breslau 1902, Verlag von Rudolf Dülfer. Vorhanden in der Universitätsbibliothek Wrocław; Schlesisch-Lausitzer Kabinett, Sgn 52810.

3 Vorwort der Herausgeber zu Schlesisches Dichterbuch. Breslau 1902, S. IV. 4 Ungewiss ist, ob das Gedicht Traum mit den Gedichten in Verbindung gebracht werden kann,

die auf den ersten zwei Seiten abgedruckt wurden. Das Motiv des „Traumes“ tritt auf jeden Fall ganz deutlich im Gedicht Gedanken an mein totes Kind auf (dies wird im Weiteren dargestellt).

5 Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Wrocław, Sgn Akc. 2010/1. 6 Etwa welche Autoren Hermann Stehr bevorzugte, zeigt die Aussage Paul Friebens, eines

Bekannten Stehrs: „Stehr empfahl mir damals, Zola und Dostojevski zu lesen. Ich hatte mich inzwi-schen aber in eine andere Berühmtheit verschossen, in den Engländer Charles Dickens. [...] Ob ich aber Recht getan habe, gerade Charles Dickens zu meinem Leitstern zu wählen? – Wohl kaum. Je-denfalls ist Stehr mit Zola und Dostojevski besser gefahren“ (zit. nach Robert Karger: Paul Frieben. In: Grofschoftersch Feierabend, Jg. 1926, S. 125); Paul Klemenz schreibt dazu Folgendes: „An Mühe und Eifer, sich fortzubilden, hatte es der junge Lehrer nicht fehlen lassen, insbesondere dräng-te ihn eine Vorliebe für die Mystik und Philosophie zur Lektüre nicht nur von Eckart, Spinoza, Kant, sondern auch der chinesischen Philosophen Laotse und Tschuangtse und des indischen Religionsstif-ters Buddha, wobei man freilich sich sagen muß, ob zum Verständnis so schwerer Weisheit seine Vorbildung reichte“ (zit. nach Paul Klemenz: Hermann Stehr. In: Guda Obend!, Jg. 15. Mittelwalde 1925, S. 98).

7 Hermann Stehr: Ein Traum. In: Die Erde, hrsg. von Walther Rilla, Jg. 1. Breslau 1919.

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Bemerkungen zum Gedicht Traum von Herman Stehr 23

Abb. 1. Das Manuskript des Gedichtes Traum von Hermann Stehr

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Auch für explizit politische Stellungnahmen entscheidet Stehr, sich des romantischen Instrumentariums zu bedienen. In den Blättern der „Erde“, in der ersten Nummer des Jahres 1919, druckt er in einem kurzen Text unter dem Titel Ein Traum seine Empö-rung über den Verlauf der Verhandlungen in Versailles in der Form einer poetischen Vision aus. Geschildert wird hier ein psychischer Prozess des allmählichen Eindin-gens dessen in das Bewusstsein des erkennenden Ichs, was gerade in Versailles ge-schieht.8

Den Traumbegriff in dieser Erzählung formuliert Natalia Żarska folgender-maßen:

Der Traum ist also eine der wichtigsten und erfolgreichsten Arten der Erkenntnis, insofern die Bilder, die dem Träumenden offenbart werden, dieser interpretieren will und kann. Im Traum äußert sich die sonst gefesselte kollektive Einbildungskraft mit Hilfe der symbolisch benutzten Bilder der empirischen Welt, er bindet also die materielle und geistige Wirklichkeit – es ent-steht daher ein Verhältnis der wiederhergestellten Ganzheit, der Träumende partizipiert an der außerindividuellen Sphäre, an dem absoluten Bewusstsein. Im Traum treten die Regeln des logischen Denkens, der Deduktion, außer Kraft, stattdessen gilt die intuitive, unmittelbare Er-kenntnis.9

Und weiter:Ein weiterer Aspekt des Träumens ist die Überwindung der Grenzen, die das eine Individuum von dem anderen trennen – der Geist des Träumenden verschmilzt mit der allgegenwärtigen Weltseele, dem geistigen Prinzip aller Dinge, nimmt teil an der große kosmischen Gemein-schaft. […] Das Alptraumhafte der Gegenwart wird durch eine Flucht in die Vergangenheit bewältigt. Der Träumende kompensiert sich die Not, indem er sich aus dem schrecklichen Gerichtssaal des Versailler Schlosses in eine idyllische Landschaft seiner (Ur-)Heimat und seiner Kindheit katapultiert.10

Die Erzählung beginnt mit folgenden Worten:Seit Jahren träumte ich nicht mehr im Schlafe. Diese Gesichte aus dem inneren Jenseits suchten mich nur noch im Wachen heim und machten mich selig oder grammvoll, belichteten oder verdunkelten mir die Wege meiner Erde. Aber in diesen Zeiten der größten Umwälzungen, die durch die Welt des Menschen und der Menschheit gehen, beginnt sich das geheimnisvolle Kaleidoskop nächtlicher Träume wieder zu erhellen und der Tanz einer imaginären Welt steigt aus den Tiefen des Schafes vor mein inneres Auge. Vieles von dem, was mich in der Nacht so heimsucht, ist vollkommen verwischt, sobald ich erwache, anderes klingt in mir nur nach, wie Musik, die ich längst vergessen habe. Höchst selten sind die Bilder, deren Deutlichkeit nicht durch die Grelle des Tages und des Wachseins zerstört wird.11

Auf den ersten Blick beschreibt Stehr einen einfachen Traum, jedoch ist er gespickt mit zahlreichen Darstellungen des Unbewussten; der Prozesse, die in

8 Natalia Żarska: Rezeption der Romantik in Hermann Stehrs „Wendelin Heinelt“, „Der Gei-genmacher“ und „Ein Traum“. In: Wojciech Kunicki: „... und steigert meine Furcht zum Zorn.“ Beiträge zu Leben und Werk Hermann Stehrs. Leipzig 2009, S. 82.

9 Ebd., S. 84.10 Ebd., S. 87.11 Hermann Stehr: Ein Traum. In: Die Erde, hrsg. von Walther Rilla, Jg. 1. Breslau 1919,

S. 3f.

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Bemerkungen zum Gedicht Traum von Herman Stehr 25

einem vorgehen, wenn man träumt; der vielen Menschen vertrauten Paradoxe („Im Traum versteht man alle Sprachen, auch die, die man weder kennt noch kann“).

Nicht der Versuch einer eindeutigen Interpretation des Gedichtes ist die Ab-sicht des Verfassers dieses Berichtes, viel mehr die Verknüpfung der Leitmotive des Schaffens Hermann Stehrs mit den äußeren Begebenheiten in seinem Leben wie auch mit dem Autor selbst.

Die „Seelenlandschaften“, die Stehr in seinen Gedichten und Prosawerken kreierte, waren für ihn ein Zufl uchtsort vor der wirklichen Welt. Schon als Schü-ler galt Stehr als eigensinnige, individuelle Natur, an deren Inneres man nur schwer ran kam. Paul Frieben beschreibt das Verhältnis (und dadurch zugleich auch Stehr selbst) des jungen „Seelendichters“ zu seinem Deutsch- und Musik-lehrer Wilhelm Kothe. Dort heiß es: „Mit unserm Stehr konnte er überhaupt in kein richtiges Verhältnis kommen. Dem traute der immer kränkelnde Mann in keiner Weise. Und wenn es einmal geheißen hätte: „Heute Nacht hat Hermann Stehr seinen Vater erschlagen!“ so hätte der „steife Wilhelm“ seinen rechten Dau-men geschüttelt und gesagt: „Sehen Sie, das habe ich mir gedacht! Dem war alles zuzutrauen!“12

Im Erwachsenenleben hat sich Stehr ebenfalls keiner Obrigkeit unterworfen, sollte das auch schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen, wie etwa sein Pendeln durch die Schulen der Grafschaft Glatz oder Schlesiens. Über die frühe Rezeption des Werkes Hermann Stehrs äußerte sich Paul Klemenz wie folgt: „Die wenigen, die seine Werke gelesen hatten, hielten sie für Erzeugnisse einer gequäl-ten Phantasie und stießen sich an dem meist unerquicklichen Stoffe und pessimis-tischen Ausgang; auch war diese ablehnende Haltung teilweise durch persönliche Eindrücke und die religiöse Einstellung Stehrs beeinfl ußt.“13

Den Traum kennzeichnet das Vergängliche, das durch die Zeit begrenzte. Er ist wie eine Sternschnuppe, die auf dem Himmel aufl euchtet und schnell vergeht. Im Gedicht Gedanken an mein totes Kind (1900) vergleicht Stehr den Empfänger dieses Gedichtes eben mit einem Traum:

Du warst ein Traum, der stumm und schnellDurch meines Lebens Haus geschlichen;Ein kurzes Lied, das sanglos, hellAn meinem Herzen hingestrichen.14

Sein „Traum“ war für ihn Zeit seines Lebens ein Zufl uchtsort, der „ihm Kraft“ gab und der „das Herz gesunden“ ließ. Auf jeden Fall erzeugt es den Anschein, „dass der Traum – wenn er schon nicht aus einer anderen Welt stammt – doch den

12 Paul Friebens über Hermann Stehr. Zit. nach Robert Karger, Paul Frieben. In: Grofschof-tersch Feierabend, Jg. 1926, S. 125.

13 Paul Klemenz: Hermann Stehr. In: Guda Obend!, Jg. 15. Mittelwalde 1925, S. 97.14 Hermann Stehr: Gedanken an mein totes Kind. In: August Friedrich Krause / Philo vom

Walde (Hrsg.): Schlesisches Dichterbuch, Breslau 1902, S. 185.

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Schläfer in eine andere Welt entrückt (hatte).“15 Sigmund Freud zitiert auch den „alten Physiologen Burdach“:

[...] nie wiederholt sich das Leben des Tages mit seinen Anstrengungen und Genüssen, seinen Freuden und Schmerzen, vielmehr geht der Traum darauf aus, uns davon zu befreien. Selbst wenn unsere ganze Seele von einem Gegenstande erfüllt war, wenn tiefer Schmerz unser Inne-res zerrissen oder eine Aufgabe unsere ganze Geisteskraft in Anspruch genommen hatte, gibt uns der Traum entweder etwas ganz Fremdartiges, oder er nimmt aus der Wirklichkeit nur einzelne Elemente zu seinen Kombinationen, oder er geht nur in die Tonart unserer Stimmung ein uns symbolisiert die Wirklichkeit.16

Im Hinblick auf das Gedicht von Hermann Stehr kann man mit Sicherheit feststellen, dass der Traum für das lyrische Ich eine Art „Befreiung“ vom „Elend“ und „Hunger“ ist. Im Traum erschließt sich also eine neue, bessere Welt. Auch der Tod vermag es nicht, diese zu zerstören.

Literatur

Handschriften

Stehr, Hermann: Traum. Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Wrocław, Sgn Akc. 2010/1.

Primärliteratur

Karger, Robert: Paul Frieben. In: Grofschoftersch Feierabend, Jg. 1926.Klemenz, Paul: Hermann Stehr. In: Guda Obend!, Jg. 15. Mittelwalde 1925.Krause, August Friedrich / Philo vom Walde (Hrsg.): Schlesisches Dichterbuch. Breslau 1902.Stehr, Hermann: Ein Traum. In: Die Erde, hrsg. von Walther Rilla, Jg. 1. Breslau 1919.Stehr, Hermann: Gedanken an mein totes Kind. In: Krause, August Friedrich / Philo vom Walde

(Hrsg.): Schlesisches Dichterbuch. Breslau 1902.

Sekundärliteratur

Burdach, K. F.: Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft. In: Freud, Sigmund: Die Traumdeu-tung, Bd. 2. Frankfurt am Main 2000.

Freud, Sigmund: Die Traumdeutung, Bd. 2. Frankfurt am Main 2000.Sprengel, Peter: Hermann und Hedwig Stehr im Briefwechsel mit Gerhart und Margarete Haupt-

mann. Berlin 2008.Żarska, Natalia: Rezeption der Romantik in Hermann Stehrs „Wendelin Heinelt“, „Der Geigenma-

cher“ und „Ein Traum“. In: Kunicki, Wojciech: „... und steigert meine Furcht zum Zorn.“ Beiträge zu Leben und Werk Hermann Stehrs. Leipzig 2009.15 Sigmund Freud: Die Traumdeutung, Bd. 2. Frankfurt am Main 2000, S. 34.16 K.F. Burdach: Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft. Zit nach: Sigmund Freund, Die

Traumdeutung, Bd. 2. Frankfurt am Main 2000, S. 34.

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Bemerkungen zum Gedicht Traum von Herman Stehr 27

AbstratctsDer Artikel setzt sich mit einem bis jetzt noch unveröffentlichten Gedicht von Hermann Stehr mit dem Titel Traum auseinander. Das Manuskript wurde in der Bibliothek der Universität Wrocław gefunden. Der Autor des Artikels beschreibt die Geschichte des Fundes dieser Handschrift, wie auch das Motiv des Traumes im Schaffen Hermann Stehrs. Das Ziel dieses Beitrages war weniger eine eindeutige Interpretation dieses Gedichtes als seine Positionierung im Nachlass des Dichters. Das Gedicht bestätigt die Bezeichnung Hermann Stehrs als den „Seelendichter“.

The text describes heretofore the unpublished poem Traum written by Hermann Stehr. It has been found in the Library of the University of Wrocław. The author of the text attempted to present the history of the manuscript’s fi nding and the motif of dream in Stehr’s writings. His aim was not an unequivocal interpretation of the poem but rather placing it in the author’s literary output. The poem consolidates the author’s nickname „Soul Poet“.

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Beata GiblakNysa

Autobiographie und Fiktionin Max Herrmann-Neißes Erzählung Die Klinkerts

1. Max Herrmann-Neiße in Neisse

Obwohl heute kaum bekannt, gehörte Max Herrmann-Neiße während der Wei-marer Republik zu den bedeutenden Persönlichkeiten der literarischen Szene. Er wurde 1886 in der oberschlesischen Stadt Neisse geboren, wo er die Volksschule und das Gymnasium besuchte, das er 1905 mit dem Abitur abschloss.1 Der erste Wohnort der Familie Herrmann befand sich – Klaus Völker, dem Herausgeber der Gesammelten Werke von Herrmann-Neiße, zufolge — in der Zollstraße 53. Max Herrmann-Neiße selbst nennt diesen Wohnort nicht, allerdings erwähnt er in seinem autobiographischen Text Meine Kindheitsjahre den Zigarrenladen, den sein Vater gleich nach der Ankunft in Neisse erwarb. Unter der oben genannten Anschrift befand sich tatsächlich ein Zigarrenladen, der jedoch schon 1887 ei-nen anderen Besitzer: E. Hannig vorm. F. Pohl2 hatte. Es ist also möglich, dass die Herrmanns 1886, als ihr Sohn Max geboren wurde, noch in der Zollstraße wohnten, ein Jahr später allerdings nicht mehr. Der nächste Wohnort der Familie Herrmann, der in dem autobiographischen Text genannt wird, ist das Hinterhaus des Hotels „Zu den drei Kronen“. Dieser Wohnort wurde bisher in keiner Bio-graphie des Dichters erwähnt, auch in dem Dokumentationsband3, der von Klaus Völker, dem Herausgeber der Gesammelten Werke, ediert wurde, nicht. Das Hotel „Zu den drei Kronen“, später „Liebig’s Hotel“, befand sich am Ring 45/46. Es

1 Der Originaltext der Reifeprüfung, das Reifezeugnis und andere den Dichter betreffende Schuldokumente befi nden sich im Staatsarchiv in Oppeln: Prüfungsverhandlungen O Ia, O Ib. Sgn 790–791. Transkription der Texte vgl. auch in: Beata Giblak / Małgorzata Kurpiel: Die Reifeprüfung von Max Herrmann-Neisse im Kontext des preußischen Schulwesens. In: Wojciech Kunicki / Moni-ka Witt (Hrsg.): Neisse: Kulturalität und Regionalität. Nysa 2004, S. 301–343.

2 J. Mücke: Führer durch Neisse und Umgebung. Neisse 1887, Werbungsanlage, o.S.3 Vgl. Klaus Völker (Hrsg.): Max Herrmann-Neisse. Künstler, Kneipen, Kabaretts – Schlesien,

Berlin, im Exil. Berlin 1991.

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fällt schwer, genau zu bestimmen, wie lange die Familie dort wohnte, doch der Name Robert Herrmann steht im Jahre 1891 unter dieser Adresse im Einwohner-verzeichnis.4 Er arbeitete damals als Buchhalter, was ebenso in diesem Adress-buch angegeben wurde, in der Stadtbrauerei, die sich in der Josephstraße 41 be-fand, nicht weit also von dem nächsten Wohnort der Familie Herrmann, in der Weberstraße 51. Auch diese Wohnung wird von Max Herrmann-Neiße in seinem autobiographischen Text erwähnt: „Dann zogen wir dort aus und in eine Woh-nung in der Nähe der Breichle, Ecke Weber- und Josephstraße.“5 Mit „Breichle“ meint der Autor des Tagebuchs vermutlich die Brauerei, wo sein Vater arbeitete. „Aus irgendwelchen, mir nicht mehr erinnerlichen Gründen – schreibt er weiter – gab um 1895 sein Chef die Brauerei auf, gründete einen Bierverlag, übernahm gleichzeitig das Gartenlokal »Kaisergarten« und nahm sich meinen Vater zum Kompagnon.“6 Die Familie siedelte dann „in das Eiskellergrundstück in dem län-dlichen Vorort Mährengasse über“7:

Das ganze Anwesen bestand aus einem Park an der Straße, der an die schöne Gattin eines Tuchkaufmannes verpachtet war, einem anschließenden Garten, der uns gehörte, einem weit-läufi gem Gehöft, einer großen Eiskellerei, einem Wohngebäude, einer Stallung, und es grenzte hinten an die ehemaligen Festungswälle, von denen es nur durch ein im Winter als Eisteich dienendes Bassin und einen niedrigen Holzzaun getrennt war.8

Die Familie wohnte dort bis 1897 oder 1898. „Sein Geschäftsteilhaber, der Brauer, war gestorben, das Eiskelleranwesen wurde verkauft, die Witwe behielt die Bewirtschaftung des Gartenrestaurants, die Reste des Bierverlages wurden ganz auf meinen Vater übertragen, und er erwarb darum in der Stadt für seine neue, nun ganz selbständige Firma »R. Herrmann. Bierverlag« ein eigenes Grundstück an der Wilhelmstraße“ – schreibt der Schriftsteller in seiner Autobiographie.9 Die Wohnung in der Wilhelmstraße war der letzte Wohnort der Familie Herrmann in Neisse.

In den Jahren 1905–1909 studierte Max Herrmann in München und Breslau, danach kehrte er wieder nach Neisse zurück, mit der Absicht als freier Schriftstel-ler zu leben. Die Neisser Zeit entpuppt sich vor allem als das Ringen eines jungen Schriftstellers, der in der literarischen Szene in Erscheinung treten will. In dieser Zeit war er Mitarbeiter bei lokalen und überregionalen Zeitungen und Zeitschriften, darunter bei so bekannten Zeitschriften wie Franz Pfemferts „Aktion“ und Alfred Kerrs „PAN“. 10 Außerdem war er als Theaterkritiker des lokalen „Neisser Ta-

4 Vgl. Adressbuch der Stadt Neisse 1891. Universitätsbibliothek Wrocław, Sgn 26369 II. 5 Max Herrmann-Neiße: Meine Kindheitsjahre. In: Klaus Völker (Hrsg.): Max Herrmann-

Neisse, Künstler, Kneipen, Kabaretts – Schlesien, Berlin, im Exil. Berlin 1991, S. 10. 6 Ebd., S. 17. 7 Ebd. 8 Ebd. 9 Ebd., S. 18.10 Außer „Aktion“ und „PAN“ wären hier eher ephemere Zeitschriften, wie „Wiecker Bote“,

„Der Mistral“, „Zeitecho“, „Sirius“ und „Die weißen Blätter“ zu nennen. Als Rezensent wirkte er

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geblatts“ tätig und gab vier Gedichtbände11 heraus. Mit Neisse sind aber auch traumatische Erlebnisse verbunden: ein Unfall in der Kindheit, infolgedessen es zu einer Rückgratverkrümmung und sichtbarer Körpermissbildung kam, was wie-derum Verspottung durch seine Schulkameraden nach sich zog, der Ausbruch des 1. Weltkriegs, den er als pazifi stisch Gesinnter „als schmerzhafte Enttäuschung“12 erlebte, der plötzliche Tod seines Vaters, der Selbstmord seiner Mutter und schließ-lich die permanente Diffamierung seiner Freundin, mit der er ohne Trauschein lebte. Alle diese Erlebnisse trugen dazu bei, dass er 1917 von Neisse nach Berlin umsiedelte.

2. Neisse als Paradigmafür das kleinbürgerliche Deutschlandin der Erzählung Die Klinkerts

Die 1922 in der Zeitschrift „Die Aktion” vorveröffentlichte Erzählung Die Klin-kerts13 steht im Mittelpunkt des Erzählzyklus Die Begegnung.

In poetologischer Hinsicht greift Herrmann hier auf die Tradition des Natura-lismus zurück, wobei sein Vorbild nicht der deutsche, sondern der französische Naturalismus ist, vertreten durch Émile Zola, Gustave Flaubert und insbesondere durch Louis Philippe und Octave Mirbeau. Andererseits korrespondiert dieser Rückgriff mit der für die 1920er Jahre in der Weimarer Republik charakteristi-schen Strömung der Neuen Sachlichkeit. Deren Leitlinien folgend, schuf der Schriftsteller ein nahezu realistisches Bild seiner Heimatstadt Neisse, wo er die Handlung der Erzählung situiert. Zwar fällt der Name der Stadt im Text kein ein-ziges Mal, doch knüpft der Verfasser bewusst an die Elemente der Topographie und Soziographie von Neisse an. Das „nahe Gebirge“ (Pr. 2, S. 272)14 und die Namen der Ortschaften: Heidersdorf und Patschkau, die in der direkten Umge-bung der Stadt liegen, lassen keinen Zweifel daran, dass es sich hier um die Hei-matstadt des Dichters handelt. Auch die soziographische Feststellung: „Nun war Klinkerts Heimatstadt mit ihrer Atmosphäre von Buntem Rock und Klerikalismus

bis 1914 bei der „Breslauer Zeitung“, der „Neuen Rundschau“, dem „Berliner Börsen Courier“ und dem „Kölner Tageblatt“.

11 1906 Ein kleines Leben, 1911 Das Buch Franziskus, 1913 Porträte des Provinztheaters, 1914 Sie und die Stadt.

12 Max Herrmann-Neiße: Autobiographisches. In: Willibald Köhler (Hrsg.): Der Bannwald, Bd. 2. Schweidnitz 1925, S. 71.

13 Vgl. Die Aktion vom 15.11.1922, H. 43/44.14 Weitere Zitate aus der Primärliteratur, die sich auf die folgenden Werke beziehen – Max

Herrmann-Neiße: Gesammelte Werke. Cajetan Schaltermann. Prosa 1. Frankfurt am Main 1986; Max Herrmann-Neiße: Gesammelte Werke. Der Todeskandidat. Prosa 2. Frankfurt am Main 1987 – werden in Klammern entsprechend markiert (Pr. Band- und Seitenangabe).

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keine Fabrikgegend...“ (Pr. 2, S. 273) ist ebenso eine eindeutige Anspielung auf Neisse. Die Stadt war nämlich einst als Hauptstadt des Fürstentums Neisse-Grott-kau Sitz der Breslauer Bischöfe, was ihr den Beinamen „Schlesisches Rom” ein-brachte, andererseits war Neisse über hundert Jahre lang eine preußische Festung (1741–1889), wo in elf Kasernen fast 5000 „Militairpersonen”15, knapp ein Viertel der Einwohner, stationiert waren. Dass die Stadt „keine Fabrikgegend“ war, wurde übrigens durch ihren Militärcharakter verursacht: „Die ausgedehnten Festungs-werke hemmten die freie Entwicklung der Stadt und verschärften auch die sozi-alen Verhältnisse.“16 Auch viele Details des literarischen Handlungsortes stimmen mit denen der realen Stadt Neisse überein und werden wortwörtlich vom Autor benannt. So wird eine der Töchter des Protagonisten, Elfriede, bei Barasch (Pr. 2, S. 266), einer großen Filiale des Breslauer Warenhauses der Gebrüder Barasch, das sich an der Ecke der zentral in der Stadt gelegenen Breslauerstraße befand, angestellt. Weiterhin werden die Kriegsgefangenen (russische Offi ziere) in das Gefangenenlager, das sich in den umgebauten Festungswerken der Stadt befand, transportiert (Pr. 2, S. 282) und „die Herren Gutsbesitzer aus den umliegenden Dörfern“ kamen ins Hotel zum „Kaiserhof“ „ihr Spielchen zu machen“ (Pr. 2, S. 288), das an der Ecke der Kaiserstraße in Neisse stand.

Im gesellschaftlichen Sinne wird in der Erzählung die Analyse der kleinbür-gerlichen Mentalität fortgesetzt, die der Verfasser in seinem ersten, autobiogra-phisch geprägten Roman Cajetan Schaltermann, in Angriff nahm. Im politischen ist die Erzählung eine Auseinandersetzung mit dem Versöhnlertum und der Verlo-genheit der Sozialdemokratie.

Nun stellt sich die Frage, warum Herrmann, der schon einige Jahre in Berlin lebte, zum Schauplatz der Ereignisse nicht den großstädtischen Raum, sondern das Universum des kleinstädtischen Neisse machte? Vor allem scheint so eine Stadt wie Neisse gute Bedin gungen für solche Analysen zu schaffen, da sie in sich zwei disziplinierende Institutionen konzentriert: die Armee und die (katholische) Kir-che. Andererseits ist sie klein genug, so dass jegliche Maskierung und die für Großstädte oder für Breslau typische „größerstädtische“ Zerstreuung, da nicht

15 Im Dezember 1885 z.B. hatte die Stadt „21837 Einwohner einschliesslich 4781 Militairper-sonen“. In dem selben Jahr „ausser den verschiedenen Festungs-Behörden, welche dem Kommando des 6. Armeekorps zu Breslau unterstellt sind, ist Neisse noch Garnison für den Stab der 12. Divisi-on, der 23. und 24. Infanterie- und der 12. Kavallerie-Brigade, die Intendantur der 12. Division, das Infanterie-Regiment Nr. 23, das 1. und 2. Bataillon des Infanterie-Regiments Nr. 63, den Stab und die 1. Abtheilung des Feld-Artillerie-Regiments Nr. 21, den Stab und das 2 Bataillon des Fuss-Artil-lerie-Regiments Nr. 6, das Pionier-Bataillon Nr. 6 und das Bezirks-Kommando des 1. Bat., Land-wehr-Regiment Nr. 23“. J. Mücke: Führer durch die Stadt Neisse..., S. 3f.

16 Dr. (Gustav) Schönaich: Die alte Bischofsstadt Neisse. Schriftenreihe der Vereinigung für oberschlesische Heimatkunde, hrsg. von der Vereinigung für oberschlesische Heimatkunde in Ver-bindung mit der Monatsschrift „Der Oberschlesier“. Oppeln 1935, S. 22. Zit. nach Wojciech Kunik-ki / Marta Kopij / Gabriela Połutrenko (Hrsg.): Neisse: Texte und Bilder, 2. Aufl age. Nysa 2005, S. 45f.

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Abb. 1. Kaserne Nr. 6. Postkarte aus der Jahrhundertwende

Abb. 2. Blick auf Neisse. Foto vom Privatarchiv

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möglich ist. Daher fällt es hier leichter, hinter die Fassaden der Normen oder der disziplinierenden Institutionen zu blicken und eine Diagnose zu stellen, die man ohne Schwierigkeiten überblicken und entlarven kann.

Die Erzählung enthüllt analytisch das „falsche Klassenbewusstsein“ eines Ar-beiters in einer Provinzstadt, der in einer großen Brauerei beschäftigt ist. Es wird hier aber keine positive Perspektive der Klassenliteratur, sondern eher eine nega-tive, demaskierende geschaffen, wo der bewusste und bewertende Erzähler seinen Blick auf den unbewussten, gegen seine eigenen Interessen handelnden Arbeiter richtet. Es handelt sich gewissermaßen um die Bewusstseinsanalyse eines „Unter-tans“, aber im Unterschied zu Diederich Heßling (dem Protagonisten des Romans Der Untertan von Heinrich Mann), der das Leben eines gebildeten Bürgers an-strebt, ist der „Untertan“ Klinkert ein Arbeiter, der das Klassenbewusstsein, das Bewusstsein des Proletariats, nicht akzeptieren kann und zum Kleinbürger wird. Schon der erste Satz der Erzählung: „Die Klinkerts sind eine weitverbreitete Art” (Pr. 2, S. 258), der die Handlung einleitet, ist ein Hinweis darauf, dass „die Klin-kerts“ einen Typus darstellen. Der Satz schließt übrigens auch die Handlung ab.

Die Erzählung ist nach einem biographischen Schema konstruiert, wobei die Biographie der Hauptfi gur in eine Reihe realistischer räumlicher und zeitlicher Elemente einbezogen wird. Auf diese Art und Weise vermittelt die chronotopische Struktur der Geschichte die Wahrheit nicht nur über das typische (obgleich fi ktio-nalisierte) Leben, sondern auch über die Eigenart der Disziplinierung der Gesell-schaft in einer relativ kleinen katholischen Stadt in der Zeit von ca. 1900 bis 1925. Sowohl der Protagonist als auch der Erzähler sehen im konfessionellen System vor allem ein Machtsystem, das eine vertikale Abhängigkeit herstellt: Obwohl Klin-kert katholisch ist, akzeptiert er gern das evangelische Bekenntnis der Frau des Brauereibesitzers, weil sie die Frau des Chefs ist (Pr. 2, 264) und ist zugleich völ-lig dem „katholischen Arbeiterverein“ ergeben (Pr. 2, 273). Die Kirche ist hier dank ihrer politischen Einfl üsse nicht nur eine autoritäre Machtinstitution (Pr. 2, 275), sondern auch ein Wirtschaftsfaktor: Klinkert bemerkt, dass noch nie so viel Bier getrunken wurde, als während der Tagung der „Katholikenversammlung“, das war „das beste Umsatzjahr in Friedenszeiten” (Pr. 2, 276). Wenn die Entspre-chung dieser fi ktionalisierten Stadt das oberschlesische Neisse ist, kann man diese Bemerkung auf die 1899 stattgefundene 46. Generalversammlung der deutschen Katholiken17 beziehen, an der ca. 4000 Gäste teilnahmen. Als den größten Erfolg gab die Kirche damals den Sieg der von Alois Fitzek in Piekar initiierten Nüch-ternheitsbewegung bekannt: von den 930000 Oberschlesier legten 500000 den Abstinenzeid ab.18 In diesem Kontext gewinnt Klinkerts Bemerkung einen weite-

17 Vgl. Wolfgang Mohr: Schlesien. Vorort des Katholizismus. Katholikentage in Schlesien – Schlesier auf Katholikentagen 1848–1932. Sigmaringen 1989. Vgl. auch Schlesische Zeitung vom 28.08.1899, Nr. 603.

18 Vgl. ebd., S. 179. Eine andere Bemerkung, die sich auf die Abstinenzbewegung bezieht, fi nden wir auf den Seiten 275f., wo eine Geschichte eines Brennereibesitzers er-

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ren Sinn, sie zeigt die Verlogenheit der katholischen Aktivisten, die für die Absti-nenzidee werben, selbst aber keine Bierverächter sind.

Nicht weniger wichtig als die gesellschaftliche und psychische Struktur der Hauptfi gur ist somit das autoritäre und verlogene Milieu: es ist kein Wunder, dass der Krieg gerade für die im Militärgeist erzogenen Untertanen ein Anlass zum offenen Begehen von Schlechtigkeiten ist (auch was die Sitten betrifft). Gerade in einer Kleinstadt kommt die Struktur der Macht zum Vorschein, da sie nicht mit leeren Phrasen, Propaganda oder der Breite der Metropole maskiert wird: „Hier in der Provinz hielt man es kaum noch für nötig, die Verschleierung durch die neue Fassade aufrechtzuerhalten“ (Pr. 2, 295). Selbst der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gewinnt eine familiäre Dimension, weil einer der Mörder aus dieser Stadt stammte.19

Endlich melden Extrablätter Rosa Luxemburgs und Liebknechts Ende, es geht wie ein erlösen-der Ruck durch die Stadt, Joseph und Bruno drücken sich stumm die Hände, diese Nacht ist wie Silvester oder Kaisers Geburtstag [...]. Schade, daß nicht abermals die Glocken läuten, aber ein Sohn dieser Stadt ist hervorragend am Werke der Vaterlandsrettung dort in Berlin Helfer gewesen, und das gibt allen Mitbürgern das erhebende Empfi nden, am Geschehnis beteiligt zu sein (Pr. 2, 291).

Auf diese Art und Weise entsteht hier nicht nur eine Gemeinschaft, die die Grausamkeit zum Erhalt der „alten Ordnung“ akzeptiert, sondern sogar eine fami-liäre Solidarität der Untertanen und Erniedrigten mit den Henkern und Opfern. Das kleinbürgerliche Opfer ist gleichzeitig ein Henker für die anderen. 20

Franz Pfemfert, der Herasugeber der linksradikalen Zeitschrift „Die Aktion”, will die Erzählung als ein Röntgenbild der deutschen Gesellschaft und vor allem als eine Analyse der versöhnlerischen Haltungen der linken Parteien, besonders der SPD, verstanden wissen.21 Wechselt man die Perspektive, kann man sich noch eine zählt wird, der durch die Antialkoholpolitik der Kirche seine Einnahmen verlor und danach Haus und Hof den Sozialdemokraten verkaufte. „So hatte der Brenner die Genugtuung, sich doppelt Sieger zu fühlen: den seinen einen Schabernack gespielt und zur Beruhigung seines Gewissens auch die Roten gründlich geprellt zu haben“.

19 Vgl. Elisabeth Hannover-Drück / Heinrich Hannover (Hrsg.): Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Dokumentation eines politischen Verbrechens. Frankfurt am Main 1967. Die Mörder der beiden waren Horst von Pfl ug-Harttung, Ulrich von Ritt-gen, Heinrich Stiege, Bruno Schulze, Rudolf Liepmann, Kurt Vogel, Waldemar Pabst. Es fällt schwer festzustellen, welcher von ihnen aus Neisse stammte.

20 Jutta Kepser spricht hier über die Ambivalenz des Täters und des Opfers, während wir bei Max Herrmann nicht mit der Ambivalenz, sondern mit der Einigkeit zu tun haben, die aus den gesellschaftlichen Prozessen und der Klassendominanz resultiert. Vgl. Jutta Kepser: Utopie und Satire. Die Prosadichtung von Max Herrmann-Neisse. Würzburg 1996, S. 143.

21 Der Erzählung wurde in der „Aktion“ folgender Kommentar von Franz Pfemfert voraus-geschickt: „Ich habe die nachfolgende Erzählung des Genossen Max Herrmann-Neisse natürlich absichtlich an die Stelle des politischen Leitartikels gerückt: es ist ein Versuch, einmal plastisch, darstellerisch gegen die sozialdemokratische Dummheit und Verräterei und gegen den Sklavensinn der Parteischafe vorzugehen. Vielleicht wären auf diese sinnfällige Weise auch die letzten, stumpf-

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Frage stellen: Was ist die Ursache für den kritischen und so vernichtenden Realis-mus in Max Herrmanns Prosa? Warum lehnt er seine eigene Heimat und Heimat-stadt ab? Eine Antwort kann hier die erwähnte Mordtat an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht geben, und besonders ihre grausame Familiarität, die in der außer-politischen Dimension des Textes zu dem Initiationsopfer wird, auf dem eine neue, verlogene, gewaltverherrlichende Gesellschaft entsteht. Das unschuldige Opfer bildet hier den Gründungsmythos der neuen alten Gesellschaft, die im Namen der „ehemaligen“ Privilegien und der neuen Bereicherungsmöglichkeiten mordet, aber sie mordet auch, um eine unlösbare Gemeinschaft des Bösen zu erschaffen: wie in einer Mafi a oder Gangsterbande. Diese Mordtat an den beiden revolutionären Po-litikern begründet eine Mafi a-Gangster-Gemeinschaft der Gesellschaft, die die Ge-walt akzeptiert. Eine ähnliche Dimension in der menschlichen Sphäre gewinnt das unschuldige Opfer eines Menschen, der als „anders“ und „fremd“ stigmatisiert ist.

Auf der biographischen Ebene des Protagonisten schuf eine solche Situation die Mordtat an einem der Schulkameraden – Aloys Kusche. Seine Schulkollegen, durch Kriegspropaganda betört („Sedan”, „Schlachterfolge”) (Pr. 2, 269) schlugen Aloys während eines Spiels tot, nachdem sie von ihm die Napoleon-Rolle erzwun-gen hatten:

Joseph erinnert sich noch, daß er als Kaiser der Deutschen dem lahmen Kusche Aloys, den er sowieso nicht leiden konnte, weil er in der Klasse immer alles begriff, und den er gezwungen hatte, die Rolle Napoleons des Dritten zu übernehmen, im Hohlwege hinter der Schenke über-fi el, mit einer Übermacht von fünfzehn gegen drei schwächliche „Franzosen“ überwältigte und durch Tritte in den Bauch zur Abdankung zwang (Pr. 2, 269).

Dieser Hass gegen den Krüppel, der intellektuell aufgeweckter war (und der dann infolge der Schläge starb), war ein initiierendes Gruppenerlebnis (Joseph konnte sich später nicht mehr erinnern, ob er wirklich derjenige war, der den ar-men Aloys zu Tode trat). Er bildet eine Dominante der gesellschaftlichen Refl exe einer Kleinstadtgesellschaft: der Grausamkeit den Schwächeren und der unterwür-fi gen Ergebenheit den Stärkeren gegenüber.

Aus der Perspektive des Linksradikalismus und der Forderungen, die an die „Proletariatsliteratur“ gestellt wurden, konnte Herrmanns Erzählung nur ohne En-thusiasmus begrüßt werden. Der Hauptvorwurf wurde nach Jahren von Michael Rector formuliert: Max Herrmann-Neiße reproduziere „abgehobene linksradikale Phraseologie [...], um die Arbeiter insgesamt als verkleinbürgerlicht und unfähig zur Revolution zu denunzieren.“22 Dem Autor ging es jedoch nicht nur um die Darstellung der kleinbürgerlichen Komponente der SPD, sondern auch um die

sten Gemüte, denen die politischen, logischen Abhandlungen keinen Eindruck machen, zum Zwei-feln gebracht. Vielleicht werden die Klinkerts (die nicht nur in der Provinz, die in jedem Betrieb vorhanden sind) das Würdelose, das Hundemäßige ihres Vegetierens erkennen, wenn sie es im Spie-gel der Erzählung beschauen!“ (Die Aktion vom 15.11.1922, H. 43/44).

22 Walter Fähnders / Martin Rector: Linksradikalismus und Literatur, Bd. 1. Reinbek 1974, S. 247.

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Entlarvung einer kleinen Stadt als Paradigma von Deutschland, als „verkleinertes Deutschland“, wo die bestehenden Unterdrückungssysteme der Kirche, des Mili-tarismus, der Elemente des Feudaleigentums konformistische Verhaltensweisen erzwingen. Ohne ihre Beseitigung wird eine Revolution gar nicht möglich sein. In dem Sinne ist die Erzählung Die Klinkerts ein analytisches Studium der mentalen und gesellschaftlichen Gewalt und keine Vorführung von Klassenliteratur.

3. Autobiographische Bezüge

Diese destruktiven Mechanismen einer Kleinstadtgesellschaft konfrontiert der Schriftsteller wie in keiner anderen Erzählung dieses Zyklus mit seiner eigenen Lebensgeschichte. Da der Autor durch die wortwörtliche Benennung der topo-graphischen Elemente nicht nur andeutet, sondern eindeutig darauf verweist, dass es sich hier um seine Heimatstadt handelt, müsste es ihm sehr daran gelegen ha-ben, dass sich die Stadt identifi zieren ließ. So scheint die Erzählung – genauso wie der schon erwähnte Cajetan Schaltermann – ein Ausdruck des persönlichen Affektes23 zu sein, den der Dichter gegen seine Heimatstadt hegte, mit dem Un-terschied jedoch, dass man im Fall Cajetans von der Ambivalenz der Gefühle (Hassliebe), bei dieser Erzählung allerdings ausdrücklich von bissiger Distan-ziertheit sprechen kann. Wie in keine andere Erzählung fl icht der Autor in die fi ktionalisierte Handlung einen Teil seiner eigenen Lebensgeschichte ein, die auch als Antwort auf alle in der Heimatstadt erlebten Traumata, vor allem aber auf den Verlust des Vaters, interpretiert werden könnte. So kann man auch in den nicht buchstäblich genannten Orten, genauso wie in vielen Gestalten der Erzählung, da-runter auch Hauptfi guren, weitere Übereinstimmungen fi nden. Dennoch bleiben die autobiographischen Bezüge, im Unterschied zu den direkt auf die Topographie der Stadt verweisenden Elemente, einem Leser, der die Biographie des Dichters nicht kennt, verschleiert.

4. Neisser Panoptikum

4.1. Der Brauer Schnecke

Unter den verschiedenen Orten der Handlung, steht die Stadtbrauerei im Vorder-grund. Zwar wird der Name der Brauerei nicht ausdrücklich genannt, doch die in der Erzählung geschilderte Konstellation legt nahe, dass es sich hier um das

23 Am 09.11.1914 schreibt Max Herrmann-Neiße an seinen Freund Friedrich Grieger: „Ich schreibe eine Erzählung, die mir das Herz etwas von Galle erleichtern soll und aufs Kleine gewandt alles das vorbringen, was ich augenblicklich gegen das Gröbste nicht sagen darf!“. Es handelt sich hier um den Roman Cajetan Schaltermann.

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„bürgerliche Brauhaus“24 in der Josephstraße, wo Robert Herrmann – der Vater des Dichters – eine Zeit lang zunächst Buchhalter und dann Geschäftsteilhaber war, handelt. Erstens besaß Neisse nur eine Stadtbrauerei, zweitens gehörte zu der Brauerei ein Konzertsaal und ein Konzertgarten, genauso wie der „Kaisergarten“ im Besitz des Neisser Brauers Schicke; drittens verweist der Name des fi ktiven Brauers – Schnecke – auf den Neisser Brauer Schicke. Es fällt aber schwer fe-stzustellen, inwiefern das Porträt dem realen Brauer entspricht und ob hier nicht persönliche Vorbehalte eine Rolle spielen. Im Allgemeinen wird der Brauer als typischer Geschäftsführer dargestellt, der von seiner Firma vor allem viel profi tie-

24 J. Mücke: Führer durch die Stadt Neisse..., S. 5.

Abb. 3. Werbungsanlage für die Stadtbrauerei und den „Kaisergarten“ in dem Führer durch Neisse und Umgebung, J. Mücke, F. Huch’s Buchhandlung (H. Musshoff), Neisse 1887

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ren will und nur geringes Sozialgefühl hat: er beutet Klinkert aus, indem er ihm eine zusätzliche Arbeit sogar an Feiertagen und ohne entsprechende Belohnung aufbürdet und gar keine Rücksicht sogar darauf nimmt, dass der Kutscher der ein-zige unter der Arbeiterschaft ist, der so lange (seit 25 Jahren) seiner Firma treu ist und seine Pfl ichten hingebungsvoll erfüllt. Die übrigen Arbeiter, die evangelisch und „meist nicht aus dieser Gegend“ waren, wechselten von Jahr zu Jahr, wahrs-cheinlich deshalb, weil sie nicht so obrigkeitshörig waren wie Klinkert.

4.2. Der Buchhalter

Eine wichtige Figur der Erzählung ist der Buchhalter, der vom Autor, wie es sche-int, mit den Zügen seines Vaters ausgestattet wurde. Der wichtigste Hinweis da-rauf ist die Tatsache, dass auch Robert Herrmann Buchhalter der Stadtbrauerei in Neisse war.

[Robert Herrmann, B.G.] war ein gottesfürchtiger Mann. Ein evangelischer Christ, der die geforderten Tugenden: Ehrlichkeit, Reinheit, Selbstlosigkeit, zu besitzen und im Leben zu beweisen sich gewissenhaft bestrebte. Er war kein streitbarer Protestant, der seinen Glauben herausfordernd zur Schau trug, sondern ein friedliebender Bürger lutherischer Konfession, der mit jedem Mitmenschen gut auszukommen suchte und ohne davon Aufhebens zu machen, die biblischen Gebote hielt. [...] Er war bescheiden, fl eißig, zuverlässig, freilich mehr ein Mann mit der exakten, bis ins kleinste korrekten Pfl ichterfüllung als des großen Planens, Wagens und eigenwilligen Wirtschaftens. Sich auf Kosten anderer hervorzutun, wäre ihm als ein Unrecht erschienen, und jeder Ehrgeiz, Macht und Ansehen zu besitzen, ging ihm ebenso ab wie die geistige Beweglichkeit und der Spekulantensinn großzügiger Gründer.25

Der Buchhalter wird in der Erzählung als Einzelgänger und in Opposition zum Brauer dargestellt, vor allem in Bezug auf das Sozialgefühl. Während eines Festes, um mit „dem sonst untergeordneten Kutscher eine Solidarität zu konstru-ieren“, erlaubt er sich im Gespräch mit ihm eine Bemerkung: „Die [Herrschaften, B.G.] amüsieren sich, und wir müssen hier arbeiten für ihr Amüsement!“, die je-doch der Kutscher gar nicht begreift und den Buchhalter als einen „Hetzer“ und „Aufwiegler“, der „zwischen den einzelnen katholischen Volksschichten Zwie-tracht zu säen strebt“ (Pr. 2, 262), abstempelt.

Auch die im Städtchen allgemeine Kriegsbegeisterung teilt der Buchhalter nicht. Ganz im Gegenteil: er verachtet das Militär, mokiert sich über „»Willis« Spielzeug“ (Pr. 2, 268), wird zudem als „dauernd garnison- und arbeitsverwen-dungsunfähig“ (Pr. 2, 268) und derjenige, „der immerzu etwas am Kriege auszu-setzten hatte und »Mord« und so andere blödsinnig starke Ausdrücke gebrauchte“, von Klinkert und ihm ähnlichen wie Bruno verachtet. Diese Haltung entspricht ganz dem Porträt des Vater des Schriftstellers, dessen „gütiger Menschlichkeit die

25 Max Herrmann-Neiße: Meine Kindheitsjahre..., S. 9f.

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Mordorgie stets unfaßbarer Fluch war“26 und dessen Todesursache der Schriftstel-ler im Krieg sah: „Durch die Kriegsverhältnisse wurde das Geschäft meines Vaters ruiniert; im Dezember 1916 erlag er jäh einem Herzschlag, im März 1917 kehrte meine Mutter von einem Besuche seines Grabes nicht mehr zurück, einige Tage später fand man ihre Leiche im Neißefl uß“ (Pr. 1, 443).

Mit seiner pazifi stischen Haltung wird der Buchhalter in die Außenseiterrolle verstoßen und als völlig unbrauchbares, beinahe parasitäres Mitglied der Gesell-schaft behandelt: „der kümmerliche Buchhalter, der überfl üssige Tintenmann der!“ (Pr. 2, 279). So steht er als einzige Figur in Opposition zu der wilden Horde der vom Krieg begeisterten. Aus dieser Perspektive erscheint der Text als eine Art persönliche Abrechnung des Dichters nicht nur mit dem System, sondern auch mit dem ihm gut bekannten Milieu seiner Heimatstadt selbst.

4.3. Der Kutscher

Mit dem Kutscher verbindet der über fünfzigjährige Autor seine Kindheitserin-nerungen aus der Zeit, als die Familie im Hinterhaus des Hotels „Zu den drei Kronen“ lebte: „Ich saß gerne an dem Fenster, das auf den Hof hinausging und beobachtete Ankunft und Abfahrt der Gutsbesitzer, die dort einzustellen pfl egten. Ich beneidete die Kutscher, die mit den Pferden umgehen durften, wünschte mir selbst einer zu sein …“27

Ein Kutscher taucht übrigens noch einmal in dem schon erwähnten autobio-graphischen Text auf: „Wenn später meine Eltern wieder einmal aus den Haus mußten, zum Beispiel auf den Ball des Gastwirtevereins, leistete mir der Brauerei-kutscher Gesellschaft und schlief für diese Nacht auf dem Sofa unserer Wohnstu-be, deren Tür zu meiner Schlafkammer weit geöffnet blieb.“28 Diese Tatsache wird in der Erzählung folgendermaßen geschildert:

Früher nämlich als der junge Herr Schnecke noch ein Schulbub war, hatte es für Klinkert wäh-rend der Faschingszeit eine delikat, ehrende Art Nachtdienst gegeben an Abenden, wo Herr und Frau Brauereibesitzer irgendeinen Ball besuchten, der erst in der Frühe endete, das Fest des Brauerverbandes oder den Ball des Gastwirtsvereins oder die Logenfestivität oder sonst ein Faschingskränzchen, an dem teilzunehmen, gesellschaftliche oder geschäftliche Verpfl ich-tungen zwangen. Der junge Schnecke, das einzige, ziemlich spät eingetroffene Kind, war so verhätschelt worden, daß er noch in einem Alter, wo andere längst über dergleichen Schwächen hinaus sind, nachts nicht allein in der Wohnung bleiben konnte. Das Dienstmädchen garantierte seiner Ängstlichkeit keinen genügenden Schutz, und so mußte das bewährte und vertrauener-weckende Faktotum Klinkert den jungen Herrn bewachen. Daß heißt, er bekam erst in der Küche ein Abendbrot […] und nach Abfahrt der Herrschaft saß er mit dem Sohne in dessen Zimmer.[…] Wenn man schlafen ging, war auf dem Flur vor der Tür des jungen Schnecke für

26 Max Herrmann-Neiße: Autobiographisches. In: Klaus Völker (Hrsg.): Max Herrmann-Neisse, Künstler, Kneipen, Kabaretts – Schlesien, Berlin, im Exil. Berlin 1991, S. 76.

27 Max Herrmann-Neiße: Meine Kindheitsjahre..., S. 10.28 Ebd., S. 12.

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Klinkert ein Nachtlager bereitet, und die ganze Wohnung blieb bis früh erleuchtet, weil der Knabe halt gar so schreckhaft und feinnervig veranlagt war! (Pr. 2, 271).

Es ist jedoch zweifelhaft, ob Joseph Klinkert diesen Kutscher aus Kindheits-erinnerungen verkörpert. Laut Adressbuch wohnte in Neisse nur ein Klinkert – Konfektionshändler. Vielmehr ist Joseph Klinkert – wie oben erwähnt – als ein Typus zu verstehen, der viele andere vertritt: „Sie sind Brauarbeiter, Maschinen-schlosser, Kutscher, Maurer, Sandträger, Müllräumer, Packer, Straßenfeger“ (Pr. 2, 301).

4.4. Der junge Schnecke

Wenn der Vater des Dichters zwar eher in dem Buchhalter als in dem Brauereibe-sitzer porträtiert wird, weist doch der Sohn des Brauers gewisse Züge des Autors auf, besonders in seiner ähnlich gearteten geistig-seelischen Struktur. Max Herr-mann bekennt sich nicht nur einmal zu der panischen Angst, die ihn überfallen konnte, und zwang sich in der Wohnung vor einem eingebildeten „Todfeind“ zu verbarrikadieren. Die Folge war, „ein Schlosser mußte geholt werden und die Tür gewaltsam geöffnet werden.“29 Allerdings unterscheidet sich die Erzählfi gur von ihrem Schöpfer durch die Körperkonstitution. Während „der Knabe Schnecke ja längst zu einem selbstbewußten jungen Herrn erwachsen“ war, „eine reiche Braut“ besaß und „in absehbarer Zeit die Firma übernehmen“ sollte, war der Au-tor der Erzählung körperlich behindert, schwach konstituiert und hatte nie vor, die väterliche Firma zu übernehmen. Nach Robert Herrmanns Tod und dem Selbst-mord seiner Frau, verkaufte der Schriftsteller den väterlichen Bierausschank, weil er sich nicht geeignet für die Geschäftsführung fühlte, und zog mit seiner (eher nicht reichen Braut) nach Berlin.

Eine Art Projektion des Dichters ist auch die Figur des lahmen Aloys Kusche. Körperliche Behinderung verbunden mit dem intellektuellen Vorsprung und zar-tem Wesen sind auch Eigenschaften des Schriftstellers. Es ist gut möglich, dass der Autor mit der Gewaltszene an Aloys an seine eigenen Demütigungen anknüpft, die er im Gymnasium vonseiten seiner Schulkameraden zu erleiden hatte.30

4.5. Nebenfi guren

Auch in vielen der Nebenfi guren, besonders der sog. Honoratioren, werden in der Erzählung Neisser Bürger porträtiert. Da ist zum Beispiel ein Kolonialwaren-händler Ritzke zu nennen, von dem der Kutscher für seine Arbeit statt des Geldes

29 Ebd.; vgl. auch Mörder und Pan. In: Max Herrmann-Neiße: Gesammelte Werke. Mir bleibt mein Lied. Gedichte 4, Frankfurt am Main 1987, S. 338–340.

30 Vgl. dazu Max Herrmann-Neiße: Meine Kindheitsjahre..., S. 16.

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eine Zigarre bekommt. Das Vorbild für diese Figur könnte der Neisser August Riecke sein, der an der Breslauerstraße einen eleganten Kolonialwarenladen hat-te.31 Auch der namentlich genannte Hotelier Feist ist eine reale Person. Er war In-haber des Hotels „Zum goldenen Stern“ am Neisser Ring.32 Bankier Prager kann den Besitzer der Neisser Wechselstube Leopold Brieger33 oder Adolph Brieger34,

31 Vgl. J. Mücke, Führer durch Neisse...32 Vgl. Adressbuch der Stadt Neisse 1902. Universitätsbibliothek Wrocław, Sgn 26369 II. Das

Hotel befand sich am Ring 41, Paradeplatz.33 Vgl. ebd.; J. Mücke: Führer durch Neisse...34 Vgl. Adressbuch der Stadt Neisse 1902...; J. Mücke: Führer durch Neisse...

Abb. 4. Werbungsanlage für den Kolonialwarenladen von August Riecke in dem Führer durch Neisse und Umgebung, J. Mücke, F. Huch’s Buchhandlung (H. Musshoff), Neisse 1887

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den Inhaber des Bank- und Wechselgeschäfts, das auch am Ring lag, verkörpern. Und für die fi ktionalisierte Maschinenfabrik Kahn und Troplowitz, die sich „auf kriegswichtige Fabrikation umstellen ließ“ (Pr. 2, 279) könnte die Neisser Fabrik Hahn und Koplowitz35 das Vorbild sein.

5. Fazit

Dass der Dichter Max Herrmann-Neiße sich in seinen Werken mit seiner Hei-matstadt auseinandersetzt, ist nichts Neues. Bisher aber bezeichnete man seinen ersten Roman, Cajetan Schaltermann, als markantes Beispiel dafür. Der Erzähl-zyklus Die Begegnung und darin die Erzählung Die Klinkerts wurde in dieser Hinsicht gar nicht behandelt. Man betonte vor allem die sozial-politische Proble-matik und übersah die persönliche Schicht. Inzwischen gehört auch diese Erzäh-lung – genauso wie die anderen Erzählungen des Zyklus Die Begegnung und der in den 1930er Jahren entstandene Roman Bernert Paula – zum Neisser Projekt,

35 Vgl. Adressbuch der Stadt Neisse 1891. Universitätsbibliothek Wrocław, Sgn 26369 II.

Abb. 5. Werbungsanlage für das Bankgeschäft von Adolph Brieger in dem Führer durch Neis-se und Umgebung, J. Mücke, F. Huch’s Buchhandlung (H. Musshoff), Neisse 1887

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in dem der Autor autobiographische Akzente setzt, in seinen Figuren wiederzufi n-den ist oder sogar selber auftritt (wie z.B. in dem Stück Joseph der Sieger). Doch unterscheidet sich die hier behandelte Erzählung in ihrer Konzeption grundsätz-lich von den anderen: meistens verortet der Autor sich selbst in der Hauptfi gur, die vorwiegend in Opposition zu anderen Gestalten steht (wie die Titelgestalten Cajetan Schaltermann und Bernert Paula), während er sich in der Erzählung Die Klinkerts in die marginale Figur des jungen Schnecke versetzt (den er als einen Abenteurer kreiert) und die Position des Außenseiters dem Buchhalter, porte-pa-role seines Vaters, zuweist, der von „den Klinkerts“ als „anders“ und „fremd“ angesehen wird. In diesem Sinne wird der Vater zum Opfer des Krieges und der gewaltverherrlichenden Gesellschaft und ist insofern mit ihren anderen Opfern vergleichbar – Karl Liebknecht und dem lahmen Aloys Kusche.

Literatur

Primärliteratur

Herrmann-Neiße, Max: Gesammelte Werke. Cajetan Schaltermann. Prosa 1. Frankfurt am Main 1986.

Herrmann-Neiße, Max: Gesammelte Werke. Der Todeskandidat. Prosa 2. Frankfurt am Main 1987.

Sekundärliteratur

Adressbuch der Stadt Neisse 1891. Universitätsbibliothek Wroclaw, Sgn 26369 II.Adressbuch der Stadt Neisse 1902. Universitätsbibliothek Wroclaw, Sgn 26369 II.Fähnders, W. / Rector, M.: Linksradikalismus und Literatur, Bd. 1. Reinbek 1974.Köhler, Willibald (Hrsg.): Der Bannwald, Bd. 2. Schweidnitz 1925. Kunicki, Wojciech / Kopij, Marta / Połutrenko, Gabriela (Hrsg.): Neisse: Texte und Bilder, 2. Auf-

lage. Nysa 2005.Mohr, Wolfgang: Schlesien. Vorort des Katholizismus. Katholikentage in Schlesien – Schlesier auf

Katholikentagen 1848–1932. Sigmaringen 1989.Mücke, J.: Führer durch Neisse und Umgebung. Neisse 1887.Völker, Klaus (Hrsg.) Max Herrmann-Neisse, Künstler, Kneipen, Kabaretts – Schlesien, Berlin, im

Exil. Berlin 1991.

AbstractsDer vorliegende Beitrag thematisiert die Erzählung Die Klinkerts von Max Herrmann-Neiße (1886–1941), einem aus Oberschlesien stammenden Dichter, Schriftsteller und Publizisten, dem Vertreter der Berliner Moderne. Am Beispiel seiner Heimatstadt Neisse in der Zeit des Ersten Weltkriegs analysiert der Autor der Erzählung die die Gesellschaft disziplinierenden und die soziale Ungerech-tigkeit und Verbrechen legitimierenden Machtmechanismen der wilhelminischen Ära. Zugleich ist

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die Erzählung mit ihren zahlreichen autobiographischen Motiven eine weitere – nach dem ersten autobiographisch geprägten Roman des Dichters Cajetan Schaltermann – Auseinandersetzung mit seiner Heimatstadt, was in den bisherigen Forschungen nicht wahrgenommen worden ist und dem vorliegenden Beitrag dargelegt wird.

The paper is concerned with Max Herrmann-Neisse’s short story entitled Die Klinkerts. Max Her-rmann-Neisse (1886–1941) was a Silesian poet, writer, journalist and a political commentator. He was also a representative of German modernism. In this short story, he takes a closer look at the fi rst world war in Nysa, which is the Upper Silesian city, to analyse the mechanisms which shaped the Wilhelmine Period’s „trusty subjects” who go as far as to affi rm genocide and social injustice. The story includes numerous biographical elements which, strangely enough, have earlier gone un-noticed in literary analyses but which are thoroughly investigated in this paper.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Tadeusz ZawiłaUniwersytet Wrocławski

Der Kampf mit dem Trugbild.Friedrich Glausers Legionserlebnisund Wahrnehmungder schweizerischen Gesellschaft

Der in den Polizeiakten als gemeingefährlicher Geisteskranker klassifi zierte schweizerische Krimiautor ruinierte sich das Leben mit Morphium.1 Die Morphi-umabhängigkeit war aber nicht die Ursache, sondern eher die Folge von Glausers Problemen. Die zwei wichtigsten Faktoren, die auf seine Persönlichkeit Einfl uss hatten, waren der vorzeitige Tod der Mutter und die destruktive Hassliebe zum Vater. Glauser scheint sein Leben lang ein Substitut der Eltern gesucht zu haben, und zwar sowohl der Mutter2 – darauf deutet u.a. die Wahl seiner Lebenspartne-rinnen – als auch des Vaters, welchen er in Form der Detektivfi gur des Wachtmeis-ters Jakob Studer neu „gedichtet“ hatte.3

Glausers zweijähriger Aufenthalt in der Fremdenlegion (1921–1923) ist in diesem Kontext nichts anderes als die Folge des Vater–Sohn-Konfl ikts. Charles Pierre Glauser entmündigt seinen Sohn, was zu einer Zwangseinweisung in die Heilanstalt Münsingen führt, weil dieser – aufgrund seiner Morphiumabhängig-keit – mit dem Gesetz in Konfl ikt gerät (Rezeptfälschung, Gelegenheitsdiebstahl

1 Diese These äußerte Peter Bichsel. Dazu siehe: Armin Halstenberg, Der Fahnder von Bern. Friedrich Glauser und sein Wachtmeister Studer, in: Die Horen 38 (1993), H. 4, S. 136.

2 Dazu siehe: Erika Keil, Studer und die Frauen. Zu Friedrich Glauser, in: Die Horen 32 (1987), H. 4, S. 69–74.

3 Das Thema Studer als Glausers Ersatzvater wird u.a. von Armin Halstenberg [in: Der Fahn-der von Bern. Friedrich Glauser und sein Wachtmeister Studer, in: Die Horen 38 (1993), H. 4, S. 139] und Peter Zeindler [in: Flucht aus der Enge. Der Schweizer Kriminalroman, in: Sandro M. Moraldo (Hrsg.), Mord als kreativer Prozess. Zum Kriminalroman der Gegenwart in Deutsch-land, Österreich und der Schweiz, Heidelberg 2005, S. 136] bearbeitet. Die beiden Autoren stellen die These auf, dass Wachtmeister Studer als Gegenfi gur zu Glausers wirklichem Vater konzipiert wurde. Er hat nämlich alle Charaktereigenschaften, die der Autor bei seinem Elternteil vermisste.

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etc.). Glausers Vater, der zu dieser Zeit als Französischprofessor an der Handelsa-kademie in Mannheim tätig ist, scheint sich mehr um seine Reputation als um das Wohlergehen des Sohnes zu kümmern.4 Nach der Zwangsinternierung und dem danach folgenden Selbstmordversuch wird dieser schließlich entlassen. Er bittet den Vater um Hilfe, aber wird von diesem stattdessen in die Fremdenlegion ge-schickt. Von Belang ist hier die Tatsache, dass Glauser damals an chronischer Lungenentzündung und beginnender Herzerkrankung litt.5 Dem Vater aber wäre es lieber gewesen den Sohn als Soldaten zu beerdigen, als dass dieser seinen bis-herigen Lebensstil fortsetzen würde. Er schrieb damals:

Als ich Fred der französischen Militärbehörde übergeben hatte, war ich ganz zusam-mengebrochen. Ich habe ihm während der wenigen Stunden, die er unter meinem Dache verbrachte, jeden Wunsch, wie man es einem zum Tod verurteilten gegenüber zu tun pfl egt, erfüllt. […] Es wäre für mich nicht so schmerzlich und so beschämend gewesen, wenn ich ihm auf dem Friedhof die letzte Ehre hätte erweisen und zurufen können: Ruhe in Frieden, du warst immer ein braver Sohn, Ehre deinem Anden-ken.6

Das Trugbild der Legion

Das Legionserlebnis ist für Glauser eine Überraschung. Die dort angetroffene Re-alität war vollkommen unterschiedlich von dem schauerromantischen Triviallite-raturbildnis, welches er sich auch stets bemühte zu bekämpfen. Er stellt die Frem-denlegion in ein den meisten Lesern unbekanntes Licht. Dabei betont er vor allem die mangelnde Solidarität zwischen den Soldaten, das Fehlen jeglicher Tapferkeit und die allherrschende Langeweile, die allmählich in eine völlige Passivität über-geht. Nach anderthalb Jahren in der Legion schreibt er an seinen Vater:

Was man in Deutschland von den Qualen (Foltern), die man die Leute erdulden lässt, erzählt, ist eitel Schwindel. […] Aber die seelischen Leiden! Zugegeben: Europa ist faul. Aber die Fäulnis, die Du hier antriffst: der Hass von Soldat zu Soldat, die Verleumdung, die Bosheit, alles was es Niedriges im Menschen gibt, das Fehlen jeder schönen Gebärde – das drückt einen unglaublich nieder. Zwar haben wir uns nie geschlagen, aber ich möchte unsere Kompanie nie im Kampf sehen – neun Zehntel würden Reißaus nehmen. Und die Tage zerrinnen ungenützt, Du kannst nicht geistig arbeiten, Du vergisst, was du weißt…7

Im literarischen Werk Friedrich Glausers wird die Legion einerseits ganz re-alistisch geschildert, wie z.B. in dem Roman Gourrama (1940), aber andererseits

4 Dazu siehe: Armin Halstenberg, Der Fahnder von Bern. Friedrich Glauser und sein Wacht-meister Studer, in: Die Horen 38 (1993), H. 4, S. 136.

5 Vgl. ebd., S. 137.6 Charles Pierre Glauser an Raschle zit. nach: Gerhard Saner, Friedrich Glauser. Eine Biogra-

phie, Bd. 1, Zürich 1981, S. 148. 7 Friedrich Glauser an seinen Vater Charles Pierre Glauser, zit. nach: ebd., S. 149.

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dichterisch verarbeitet und dementsprechend verklärt (in dem Roman Die Fieber-kurve aus dem Jahre 1938). Weder das eine noch das andere Bildnis weisen Ähn-lichkeiten mit dem in der Abenteuerliteratur forcierten Trugbild. Es muss jedoch betont werden, dass sogar die Verklärung weit entfernt von dem Trugbild ist. Glau-ser scheint die Legion zu entmythologisieren, aber in Wirklichkeit verleiht er ihr eine vollkommen neue Dimension.

Glauser verglich die Fremdenlegion mit der Heilsarmee, wobei die ange-wandte Argumentationsweise äußerst überzeugend wirkt. Er zieht eine Parallele zwischen den beiden Institutionen und ihren Methoden und stellt fest, dass sogar die Zielgruppe ähnlich ist. Angeworben werden vor allem diejenigen Personen, die verzweifelt sind und glauben, dass es keine Möglichkeit gibt, ihre Lage zu verbes-sern. Sowohl die Heilsarmee als auch die Fremdenlegion scheinen für diese Indi-viduen die letzte Rettung zu sein. Sie locken ihre Opfer mit dem Versprechen ih-nen eine neue Existenz zu schaffen:

Ja, ohne übertrieben paradox scheinen zu wollen: die Legion hat mit dieser Taylorisierung des Göttlichen mehr als eine Ähnlichkeit. […] Und ihre Methode? Sie versucht die Hoffnungslosen anzuwerben, die Verzweifelten, die zu Boden Geschlagenen wieder aufzurichten, sie dazu zu bringen, wieder Werte zu schaffen, rein materielle Werte, die der Armee des Heils wieder zu-gute kommen. […] Schenkt die Heilsarmee Sicherheit auf ein neues Leben, das nach dem Tod erst sich voll entfalten wird, von Ewigkeit zu Ewigkeit, so tut dies auch die Fremdenlegion: Sie verspricht ein neues Leben auf dieser Erde, sie schenkt, was so viele nutzlos erhofft haben, einen neuen Namen und dadurch eine neue Persönlichkeit. Das Land liegt fern von den Orten, wo der Verzweifelte, der Ungeduldige, der Unzufriedene die Hoffnungslosigkeit kennen ge-lernt hat. Die Fremdenlegion nimmt ihm jegliche Verantwortung für sich und für seine Lebens-führung ab. Sie gibt ihm Kleider, Essen, Sold. Nichts verlangt sie von ihm als das, was er nur zu gern gibt: die freie Bestimmung über sich selbst.8

Die Legion zieht Menschen in einer schwierigen Lebenssituation an und nimmt ihnen die Verantwortung für ihr Leben und ihre Taten ab. Sie ermöglicht ihnen einen neuen Lebensstart und wird auch zu einer neuen Heimat, gemäß dem Motto – legio patria nostra. Die Legionäre werden nämlich zum zweiten Mal „geboren“. Sie bekommen einen neuen Namen und sind gezwungen eine völlig fremde Welt kennen zu lernen. Dies alles geschieht aber unter der Aufsicht der Vorgesetzten, welche für die Legionäre Entscheidungen treffen. Das Soldatenle-ben beschränkt sich damit auf eine ganz einfache, aber gerade deswegen so anzie-hende Existenz. Der Soldat wird mit Essen, Trinken, Kleidern und Geld versorgt. Er muss auch Befehle ausführen, die eine Art Substitut der Arbeit bilden. Jegliche existenziellen Sorgen rücken in den Hintergrund. Das Individuum wird damit in einen Vegetationszustand, eine „söldnerische Nirwana“ versetzt, wo es frei von den Sorgen und Freuden der realen Welt leben kann. Glausers Biograph, Gerhard Saner, schrieb zum Thema Fremdenlegion Folgendes:

8 Friedrich Glauser in: Gerhard Saner, Friedrich Glauser. Eine Biographie, Bd. 1, Zürich 1981, S. 150f.

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Glauser beurteilt also nicht die Legion an sich, was zwangsläufi g zu einer Verurteilung nach Vorurteilen führen müsste, sondern er analysiert und gestaltet sie, nüchtern und sachlich, auf dem Hintergrund einer besonderen Zeit mit deren besonderen Menschen. Er vergleicht die zi-vilisationskranke europäische Gesellschaft der ersten Nachkriegsjahre mit deren Zerrbild, der Legion, und gibt dem Zerrbild den Vorzug, weil er es klarer, ehrlicher fi ndet: Es entbehrt der gleisnerischen Firnis’ spießbürgerlicher Scheinmoral und Vaterlandsideologie und lässt die Niedrigkeit des scheinbar zivilisierten Menschen erkennen im Dienst einer besitz-, ehr- und machtsüchtigen Staatsmaschinerie.9

Die von Saner aufgestellte These mag zwar für Gourrama und Glausers Briefe zutreffend sein, aber sie entspricht nicht dem Legionsbildnis, welches in dem Ro-man Die Fieberkurve geschildert wurde. Dort wird die Fremdenlegion als eine dekadente, geschlossene Gesellschaft beschrieben. Es gibt zwar bestimmte Paral-lelen zu Gourrama und Glausers Briefen hinsichtlich der Wirklichkeitsdarstel-lung, d.h. die literarische Realität unterscheidet sich wesentlich von dem Trivial-literaturbildnis der Legion, aber Die Fieberkurve kann als eine dekadente Fährte im Zeichen Thomas Manns interpretiert werden. Das alltägliche Leben wird als eine Mischung von Fäulnis und Langeweile geschildert. Überhaupt scheint dieses Milieu dekadente Züge zu tragen. Darauf deuten nicht nur die Untätigkeit, Kränk-lichkeit und innere Zerrüttung der Legionäre, aber auch z.B. das Essen, das sie konsumieren: „Lammkoteletts. Risotto mit Hühnerleber garniert. Artischocken mit Mayonnaise. Salat. Käse. Dazu gab es einen Weißwein, der den Namen ‚Ké-bir’ trug. Kébir, erklärte der Capitaine, heiße ‚Der Große’. Der Wein verdiente den Übernamen.“10 Es ist kein gewöhnlicher Soldatenfraß, sondern ein feines Fest-mahl zu dem noch Wein bester Sorte serviert wird. All dies ruft bestimmte Asso-ziationen mit der „Zauberberggesellschaft“ von Thomas Mann hervor. Als Ver-gleich können mehrere Passagen aus dem Zauberberg angeführt werden, u.a. diejenige, welche die erste Mahlzeit Hans Castorps im Sanatorium „Berghof“ be-schreibt:

Sie bestellten eine Flasche Gruaud Larose bei ihr, die Hans Castorp noch einmal fortschickte, um sie besser temperieren zu lassen. Das Essen war vorzüglich. Es gab Spargelsuppe, gefüllte Tomaten, Braten mit vielerlei Zutat, eine besonders gut bereitete süße Speise, eine Käseplatte und Obst. Hans Castorp aß sehr stark, obgleich sein Appetit sich nicht als so lebhaft erwies, wie er geglaubt hatte. Aber er war gewohnt, viel zu essen, auch wenn er keinen Hunger hatte, und zwar aus Selbstachtung. Joachim tat den Gerichten nicht viel Ehre an. Er hatte die Küche satt, sagte er, das hätten sie alle hier oben, und es sei Brauch, auf das Essen zu schimpfen; denn wenn man hier ewig und drei Tage sitze… Dagegen trank er mit vergnügen, ja mit einer gewis-sen Hingebung von dem Wein…11

Das Essen wird sowohl von den Legionären als auch von den Berghofgästen zelebriert. Es ist doch schließlich eine der wenigen Unterbrechungen der im Sana-torium und Militärlager herrschenden Eintönigkeit. Die Söldner und die Patienten

9 Friedrich Glauser in: Ebd., S. 152.10 Friedrich Glauser, Die Fieberkurve, Zürich 1996, S. 184.11 Thomas Mann, Der Zauberberg, Frankfurt am Main 2004, S. 25f.

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weisen auch andere Gemeinsamkeiten auf, u.a. die Gemütsträgheit, das fi eberhafte Herumtrampeln, die Unmöglichkeit sich einer konkreten Tätigkeit zu widmen. Beide von diesen Milieus sind innerlich verfault und die Fäulnis ist ein Merkmal der Dekadenz. Es gibt auch andere Parallelen zum Zauberberg. Der Kapitän ver-hält sich nämlich wie ein Arzt, die Legionäre wie Patienten und der Militärposten gleicht eher einem Sanatorium als einem Soldatenlager:

Höfe, die von Baracken umsäumt waren… Wellblechdächer, die so glatt waren, dass sie die Sonnenstrahlen zurückwarfen, wie riesige Spiegel. Männer in blauen Leinenanzügen schlichen herum, führten lässig eine Hand an die Stirn – man wusste nicht, war es ein militärischer Gruß oder ein freundschaftliches Winken. Einer dieser Männer trat dem Capitaine in den Weg und sagt, ohne Achtungsstellung anzunehmen: ‚Ich hab nämlich Fieber!’ Studers Begleiter blieb stehen, ergriff das Handgelenk des Mannes, ließ es nach einer Weile los, dachte nach und klopfte dann dem Wartendem auf die Schulter: ‚Leg dich nieder, mein Kleiner, ich schick dir dann die Schwester…12

Mann bevorzugt das „gesunde“ Bürgertum (das Flachland), trotz seiner Un-vollkommenheit. Er lehnt die „kranke“ Dekadenz (die Zauberberggesellschaft) ab. Glauser dagegen favorisiert das „dekadente“ und „kranke“ (sowohl im übertra-genen als auch im wortwörtlichen Sinne) Legionärmilieu. Seine Abneigung gegen das Spießbürgertum ist deutlich spürbar. Er „gibt dem Zerrbild den Vorzug“.

Glauser begünstigt die morgenländische Lebensweise und die dortige Einstel-lung gegenüber Fremden. In dem Roman Die Fieberkurve wird Studers Ha-schischerlebnis detailliert beschrieben. Der Drogenkonsum an sich ist aber auf keinen Fall der Schwerpunkt von Glausers Betrachtungen. Der kiffende Wacht-meister ist deswegen so wichtig, weil er sich von seinen „spießbürgerlichen Fes-seln“ befreit und dadurch auf die Seite der Dekadenz übergeht. Von Belang ist auch sein Verkehren mit dem Mulatten Achmed, der in diesem Kontext als Vertre-ter der morgenländischen Gesellschaft fungiert. Obwohl der Wachtmeister ein Fremder für ihn ist, wird er von diesem Mann betreut und sehr freundlich behan-delt. Prägend ist die Art und Weise, wie der Mulatte sich an den Berner Fahnder wendet – er spricht ihn nämlich per „Bruder“ an. Achmed kümmert sich um den berauschten Wachtmeister, nachdem dieser in einen narkotischen Schlaf versun-ken ist:

Achmed, der Mulatte, lächelte. Er breitete zwei Pferdedecken auf dem Boden aus, nahm Studer auf die Arme – die achtundneunzig Kilo des Wachtmeisters störten ihn wenig – bettete ihn sorgfältig auf die warme Unterlage und deckte ihn zu. So schlief denn der Berner Fahnder in einem ärmlichen Raum, weit weg von der Bundeshauptstadt, in einem verlorenen Kaff, das vielleicht gar nicht auf der Karte zu fi nden war, den schönsten Schlaf seines Lebens, den bun-testen auch, der angefüllt war bis Rand mit Tönen und Düften…13

Dieses „dekadente“ Erlebnis wird als der „schönste Schlaf des Lebens“ be-zeichnet, obwohl dieser Traum am nächsten Morgen mit einem großen Katzen-

12 Friedrich Glauser, Die Fieberkurve, Zürich 1996, S. 170.13 Ebd., S. 165.

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jammer bezahlt wird. Der Mulatte behandelt den schweizerischen Polizisten so, als ob dieser sein Kind wäre. Wie eine Mutter ihren Jungen trägt er Studer zu Bett. Auch in Glausers Briefen rückt die Zuneigung zu den Arabern in den Vorder-grund:

Es war wenig nach unseren Begriffen: Tee, eine Pfeife und eintönige Musik. Aber es war viel Gelöstsein in diesem Beisammensein, ein Sich-Näherkommen, obwohl ich nicht die Sprache der Leute verstand. Aber ein Kopfnicken und Lächeln gaben mir viel mehr als das geräusch-volle Gläserklappern, die laute Musik oder das dumme Kartenklopfen auf teppichbelegtem Tisch. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das ich bei jenen stillen Leuten hatte, habe ich hier vergebens gesucht. Und so muss man denken, dass unsere komplizierte Seele vielleicht doch wieder einmal, nach langen Unwegen, zu dem primitiven, stummen Beisammensein der sogenannten Wilden gelangen wird.14

Die morgenländische Gesellschaft ist viel offener als die abendländische. Sie ermöglicht die Identifi kation mit der Gruppe und gibt dem Individuum eine spezi-fi sche Geborgenheit in dem „stummen Beisammensein.“ Das Zugehörigkeitsge-fühl konstituiert sich auf einer positiven Basis. Glauser behauptet, dass die Euro-päer diese „Kunst“ verlernt haben.

Das Trugbild der Schweiz.Die schweizerischen Schattenseiten

Die Kriminalliteratur erfüllt seit ihren Anfängen eine wichtige Funktion – sie dient nämlich der „Aufklärung“ des Lesers: „Gesellschaftskritik ist ein Kernbe-standteil der Gattung, die vom Verbrechen handelt, das immer auch eine gesell-schaftliche Verursachungskomponente hat.“15 Ähnlich defi niert auch Glauser die Aufgaben der Kriminalliteratur. In seinem ersten Roman Der Tee der drei alten Damen heißt es nicht umsonst: „Spotten sie nicht über Kriminalromane […]. Sie sind heutzutage das einzige Mittel, um vernünftige Ideen zu popularisieren.“16 Diese „vernünftigen Ideen“ betreffen selbstverständlich den sozialen Aspekt der menschlichen Existenz. Deswegen ist die Aufklärung des Mordes an sich weniger wichtig als die begleitenden Konstatierungen gesellschaftskritischer Natur, d.h. von Belang ist, „warum“ jemand zum Mörder geworden ist und nicht „wer“ der Mörder ist. Die Identität des Mörders ist nur im sozialkritischen Aspekt bedeut-sam. Charakteristisch für Glausers Romane ist die Tatsache, dass alle Täterfi guren der Creme der Gesellschaft angehören. Der Mörder ist z.B. ein Hotelbesitzer (Die Speiche), ein Assistenzarzt (Der Tee der drei alten Damen), ein Gemeindepräsi-dent (Wachtmeister Studer) oder der Direktor einer Armenanstalt (Der Chinese).

14 Friedrich Glauser, zit. nach: Gerhard Saner, Friedrich Glauser. Eine Biographie, Bd. 1, Zürich 1981, S. 154.

15 Ulrich Suerbaum, Krimi. Eine Analyse der Gattung, Stuttgart 1984, S. 201.16 Friedrich Glauser, Der Tee der drei alten Damen, Zürich 1996, S. 127.

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Auch wenn die Tat durch einen Angehörigen der Unterschicht begangen wird, ist der eigentliche Täter immer ein „ehrenhafter“ Bürger.17 Beschuldigt werden aber praktisch nur die Vertreter der Unterschicht sowie gemeinschaftsunfähige Individuen. Die meisten Fälle, an denen Studer arbeitet, scheinen von Anfang an eine „klare“ und „einfache“ Lösung zu haben. Der einzige, der Bedenken hat, ist der Wachtmeister. Solch eine aufsässige Haltung gegenüber den Behörden, die an der Wahrheit kein Interesse haben, macht Studer nur Schwierigkeiten. Sie hat ihn auch schon einmal den Kragen gekostet (konkret die Stellung als Kommissar der Stadtpolizei), nämlich bei der Aufklärung einer Bankaffäre, in welche prominente Persönlichkeiten verwickelt waren. Dabei ist sich der Berner Fahnder seiner fast hoffnungslosen Lage von Anfang an klar, wie z.B. im Roman Die Speiche, wo alle Indizien gegen den „scheinbaren“ Täter sprechen:

Es gehörte wahrhaftig nicht viel prophetische Gabe dazu, um dies vorauszusagen. Lasst nur erst den Verhörrichter und den Chef der Kantonspolizei kommen! Die Herren würden ohne weiteres den Mann beschuldigen… Velohändler – – – und die Mordwaffe eine Radspeiche, vorn spitz zugefeilt. Das Hundehaar klebte daran – – – belastete dies Indizium nicht auch den Hundebesitzer? Und drittens: Die Herren brauchten sich nur ein wenig den Dorfklatsch anzu-hören, dann hatten sie ihr Motiv, den Beweggrund zur Tat fein säuberlich auf der fl achen Hand: Eifersucht! Und Studer fühlte, dass er machtlos war – hier in diesem fremden Kanton. Ange-nommen, er versuchte, den Verhörrichter von der Unschuld des Ernst Graf zu überzeugen. Was würde die Folge sein? Er glaubte schon jetzt das Lachen zu hören, das die Herren schütteln würde. Was, ein einfacher Fahnder, ein fremder Schroter – noch dazu aus dem Bernbiet – woll-te klüger sein als ein studierter Herr? Erhob den Anspruch, einen Juristen zu belehren?18

Der Kampf dieses „Gerechtigkeitsfanatikers“ ist im Grunde genommen ein Symbol für den Kampf aller unterdrückten, gesellschaftlich benachteiligten Ein-zelwesen mit dem Staat und der aufgezwungenen Sozialstruktur.

Erhart Jöst schrieb Folgendes über Friedrich Glauser und sein Werk:Mit eindringlichen Milieustudien und packenden Schilderungen der sozialpolitischen Situation gelingt es ihm, den Leser in seinen Bann zu schlagen. Er vermittelt ihm ein ostentatives Bild der Schweiz, freilich nicht der Schweiz, wie man sie in den Touristik-Prospekten präsentiert. Glauser beleuchtet die dunklen Flecken, die normalerweise absichtlich ausgeklammert werden, weil sie die vermeintliche Idylle stören.19

Er ringt also mit dem Trugbild der schweizerischen Gesellschaft der 1920er und 1930er Jahre, indem er ihre Schattenseiten hervorhebt. „Glauser rückt uns die Leute ins Blickfeld, die im Leben zu kurz gekommen sind.“20 Damit entlarvt er auch die scheinbar erzdemokratische Eidgenossenschaft als eine „Gelddemokra-

17 In Matto regiert ist es z.B. ein Psychiater, der geschickt seine Patienten manipuliert, um sie zur Beseitigung seines Vorgesetzten zu bringen. Strafrechtlich würde dies als mittelbare Täterschaft gelten.

18 Friedrich Glauser, Die Speiche, Zürich 1996, S. 24f.19 Erhard Jöst, Seelen sind zerbrechlich. Friedrich Glausers Kriminalromane beleuchten

Schweizer Schattenseiten, in: Die Horen 32 (1987), H. 4, S. 75.20 Ebd., S. 79.

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tie“, in welcher der materielle Status die Rechtslage des Individuums bestimmt. In seinen Romanen werden nämlich mehrere Institutionen geschildert, wie z.B. Ar-men- und Arbeitsanstalten, die nur einem Zwecke dienen – der Isolierung von al-len Gesellschaftsunfähigen. Die „ehrenhaften“ schweizerischen Bürger versuchen die asozialen Individuen zu „heilen“, indem sie diese einer Arbeitstherapie unter-ziehen. Arbeiten müssen alle – sowohl Geisteskranke als auch Armenhäusler. In-teressant ist in diesem Kontext die Tatsache, dass Glauser selbst dieser Arbeitsthe-rapie zum Opfer gefallen ist. Die Schilderung dieser Anstalten ist eine literarische Verarbeitung seiner eigenen Erfahrungen.21

Das Besondere bei Glauser ist, dass er die Schweizer Schattenseiten nicht nur beschreibt, sondern diese einer sozialkritischen Analyse unterzieht. Schritt für Schritt schildert er die Umstände und zugleich nennt er auch die Gründe, warum es dazu kommen musste, wie z.B. in Matto regiert, wo Studer von dem Psychiater Dr. Laduner über einige Patienten der Irrenanstalt unterrichtet wird:

Wir haben in der Anstalt drei Fälle von chronischem Alkoholismus. Der eine dieser Fälle, ein Mann, vierzigjährig jetzt, hat seine Stelle wegen Trunksucht verloren. Er hat sieben Kinder auf die Welt gestellt, die alle leben, der Staat muss die Frau und die Kinder erhalten, der Staat muss hier für den Mann zahlen. Der zweite Fall: Handlanger, mit den bekannten achtzig Rappen Stundenlohn, hat geheiratet, weil er auch etwas von dem wollte, was wir heutzutage Leben nennen, das heißt: einen Ort, wo er daheim war, eine Frau, die zu ihm gehörte. Mit achtzig Rappen Stundenlohn kann man nicht große Sprünge machen, der Mann war ordentlich, zuerst, die Frau auch. Drei Kinder. Es hat nicht gelangt. Der Mann ist saufen gegangen, die Frau hat gewaschen. Noch zwei Kinder. Am billigsten ist Schnaps. Bätziwasser kostet zwanzig Rappen das Glas. Kann man von dem Mann verlangen, er soll Waadtländer zu fünf Franken die Bou-teille trinken? Nein, nicht wahr. Der Mann hat ein Heim gehabt. Die Last ist zu schwer gewor-den, er hat vergessen wollen… Kann man die Leute zwingen, immer ihr Elend vor Augen zu haben? Ich weiß es nicht. Die Herren vom Fürsorgeamt sind überzeugt davon, denn sie haben ja ihren Lohn… Ich möchte nicht so weit gehen… Aber Bätziwasser ist nicht gesund, es kann einmal ein wunderbares Alkoholdelirium geben, und das hat es auch gegeben. Resultat? Der Mann ist hier, die Frau bekommt eine kleine Unterstützung von der Gemeinde, die Kinder sind verkostgeldet… Und der dritte Fall ist noch trauriger…22

Glauser stellt äußerst detailliert dar, wie die Armut zum Alkoholismus führen kann. Er macht auch zugleich darauf aufmerksam, dass die sozialen Kosten relativ hoch sind. Dabei betont er aber, wie niedrig der Lohn eines Handlangers ist, und dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Armut und der Sucht gibt. Im

21 Die Arbeitstherapie ist bereits in einem der ältesten Straf-Haft-Modelle enthalten. Das 1596 in Amsterdam eröffnete Rasphuis wurde vor allem für Bettler und Taugenichtse vorgesehen. Die Arbeit war dort eine Pfl icht und die Häftlinge erhielten für sie auch einen bestimmten (entsprechend geringen) Lohn. Ein anderes Beispiel dieser Art von Therapie war das Zwangshaus von Gent. Dort wurde nämlich als Strafe vor allem die Arbeit organisiert. Man begründete dies mit der Meinung, dass der Müßiggang die häufi gste Ursache von Verbrechen sei. Dazu siehe: Michel Foucault, Über-wachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt am Main 1994, S. 155f.

22 Friedrich Glauser, Matto regiert, Zürich 1995, S. 102.

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Grunde genommen tut er nichts anderes als das „Popularisieren von vernünftigen Ideen“ und die oben zitierte Passage ist eine von vielen, die darauf hindeuten.

Das Leben und Schaffen Friedrich Glausers kann als ewiger Kampf gedeutet werden. Es war ein Ringen mit sich selbst (Morphiumsucht) und mit den Trugbil-dern (der Legion, der Schweiz). In einer Hinsicht ähnelt der Autor dem Protago-nisten seiner Romane. Studer wurde als „Gerechtigkeitsfanatiker“ konzipiert, für den die Wahrheit der Hauptwert ist. Für Glauser war die Wahrheit genauso wich-tig. Deswegen bemühte er sich sein ganzes Leben lang, die verhassten Trugbilder zu bekämpfen. Diesem Ziel widmete er sein literarisches Werk.

Literatur

Primärliteratur

Glauser, Friedrich: Die Fieberkurve. Zürich 1996.Glauser, Friedrich: Matto regiert. Zürich 1995.Glauser, Friedrich: Die Speiche. Zürich 1996.Glauser, Friedrich: Der Tee der drei alten Damen. Zürich 1996.Mann, Thomas: Der Zauberberg. Frankfurt am Main 2004.

Sekundärliteratur

Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main 1994.

Halstenberg: Armin: Der Fahnder von Bern. Friedrich Glauser und sein Wachtmeister Studer. In: Die Horen 38 (1993), H. 4, S. 135–145.

Jöst, Erhard: Seelen sind zerbrechlich. Friedrich Glausers Kriminalromane beleuchten Schweizer Schattenseiten. In: Die Horen 32 (1987), H. 4, S. 75–80.

Keil, Erika: Studer und die Frauen. Zu Friedrich Glauser. In: Die Horen 32 (1987), H. 4, S. 69–74.Saner, Gerhard: Friedrich Glauser. Eine Biographie, Bd. 1. Zürich 1981.Suerbaum, Ulrich: Krimi. Eine Analyse der Gattung. Stuttgart 1984.Zeindler, Peter: Flucht aus der Enge. Der Schweizer Kriminalroman. In: Sandro M. Moraldo (Hrsg.),

Mord als kreativer Prozess. Zum Kriminalroman der Gegenwart in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Heidelberg 2005, S. 135–143.

AbstractsDer Artikel schildert die literarische Verarbeitung des zweijährigen Aufenthalts von Friedrich Glau-ser in der Fremdenlegion. In seinen Romanen wird die Legion einerseits ganz realistisch geschildert, wie z.B. in Gourrama (1940), aber andererseits dichterisch verarbeitet und dementsprechend ver-klärt (in Die Fieberkurve aus dem Jahre 1938). Weder das eine noch das andere Bildnis weisen

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Ähnlichkeiten mit dem in der Abenteuerliteratur forcierten Trugbild, welches der Autor versuchte zu bekämpfen. Diesem Ziel widmete er auch sein literarisches Werk. Für Glauser und den Protago-nisten (Studer) seiner Kriminalromane war die Wahrheit der Hauptwert.

The article describes the literary processing of Friedrich Glauser’s two-year stay in the Foreign Le-gion. On the one hand he describes the Legion in his novels very realistic (for example in Gourrama [1940]), on the other hand poetical transfi gured (Die Fieberkurve [1938]). Neither of the portraits is similar to the in the adventure literature promoted illusion, which the author tried to fi ght against. He devoted his literary work to this goal. The truth was for Glauser and the protagonist of his novels (Studer) the main value.

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Jana BarokováBrno

Das Bild der Halbstarken in den Romanen Der Ringvon Herbert Plateund Vorstadtkrokodile von Max von der Grün.Ein Beitrag zur Geschichte der Jugendliteraturder 1950er, 1960er und 1970er Jahre

In diesem Beitrag geht es um die Jugendliteratur der 1950er, 1960er und 1970er Jahre, wie sie sich vor dem Hintergrund der Ära der „Halbstarken“ gestaltete. Es werden kinder- und jugendliterarische Werke behandelt, die sich an Leserinnen und Leser ab dem Alter von ca. 12 Jahren richten.

1. Historischer Überblick

In den unmittelbaren Nachkriegsjahren bis etwa 1970 entwickelte sich die Kin-derliteratur unterschiedlich von der Jugendliteratur. Während in der erstgenannten Phase der Krieg und seine Konsequenzen thematisiert wurden, meidet die andere die Alltagsrealität und bietet den männlichen Jugendlichen stattdessen historische und historisch-abenteuerliche Erzählung mit einer gewissen Nähe zum Sachbuch (vgl. Steinz / Weinmann 2000: 109–120). Zu nennen sind die Bücher von Hans Baumann und Kurt Lüttgen. Den Jugendlichen wurden Bücher-Serien von Emmy von Rhoden oder von der englischen Autorin Enid Blyton präsentiert, die fest auf dem Niveau der „Backfi sch-Literatur“ verankert waren. Schnell populär wurden in den 1950er Jahren die Werke der Schwedin Astrid Lindgren – vor allem des-wegen, weil die Handlung ihrer Bücher gar nicht bzw. nur marginal den Krieg thematisiert und in einer ganz eigenen, in sich geschlossenen Welt, fern von Nach-kriegsnöten spielt.

Vor dem Hintergrund einer ökonomisch prosperierenden Gesellschaft konso-lidierte sich ab Mitte der 1950er Jahre in Westdeutschland eine eigenständige Kin-

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der- und Jugendliteratur, deren Inhalte stark von außerliterarischen Einfl üssen geprägt waren. Zuerst richtete sie sich gegen die Pseudokultur der Comics und Heftchenromane und letztendlich gab es Bemühungen „jugendgefährdende Schriften“ zu enthüllen und zu verurteilen und gute Bücher gesetzlich zu veran-kern. Die Autoren bevorzugten die auktoriale Erzählweise mit stark moralisch-pädagogischem Nachdruck.

2. Die Halbstarken

Ende der 1950er Jahre (1956–1958) waren in der deutschen Gesellschaft zahlreiche Proteste von motorisierten Banden von Jugendlichen aus dem Arbeitermilieu zu verzeichnen, die sich der Öffentlichkeit als Halbstarkenkrawalle ins Bewusstsein einprägten. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen der unorganisierten Jugend-lichen waren durch Ziellosigkeit und politische und ideologische Unbestimmtheit gekennzeichnet. Die meisten Krawalle waren in Berlin, Nordrhein-Westfalen, aber auch in Niedersachsen zu beobachten. Aus der Sicht der historischen Forschung handelte es sich hierbei um eine politisch und wirtschaftlich erfolgreiche Ära, die durch die Kanzlerschaft von Konrad Adenauer geprägt war. Als stabilisierende Faktoren des gesellschaftlichen und politischen Systems gelten Westintegration und wirtschaftliche Entwicklung. Einerseits wird die Modernisierung der Gesell-schaft unterstrichen, andererseits erwähnen einige soziologische Studien den res-taurativen Charakter der 1950er Jahre. Von den offi ziellen Vertretern der Gesell-schaft wurden die Halbstarken ambivalent wahrgenommen: Einerseits wollte man die berechtigten Bedürfnisse der Jugendlichen ernst nehmen, andererseits wurden ihre Verstöße gegen die vorherrschenden Verhaltensstandards hervorgehoben.

Das Phänomen der Halbstarken als einer jugendlichen Subkultur mit spezi-fi schen Verhaltens- und Ausdrucksformen wurde allmählich zum Mythos, dessen Mittelpunkt amerikanische Einfl üsse waren. Die Halbstarken konnten an der Klei-dung und ihrer Haltung erkannt werden und man betrachtete sie als Teilbereich der Kriminalität. Amerikanische Filmhelden wie Marlon Brando oder James Dean wurden durch die Darstellung von Außenseitern zu deren Vorbildern. In den zeit-genössischen Jugendromanen trat jedoch dieser Typ von Jugendlichen nur selten als Held auf. Die Gewalttaten der Protagonisten wurden nicht als objektiver Sach-verhalt gesehen, sondern im engeren sozialen Umfeld der Beteiligten eingebettet, wobei der städtische Raum, vor allem seine Peripherie mit den Baracken der sozi-al schwächsten Familien, häufi g die Kulisse bildete. Der verkappte Hintergrund der Halbstarkenkrawalle ist in einer sich seit Mitte der 1950er Jahre immer stärker am Konsum orientierten Gesellschaft zu suchen. Die Marktwirtschaft wurde als die vollkommene Ideologie der deutschen Nachkriegsgeschichte präsentiert. Das Milieu der Stadt wurde zum Ereignisraum mit ihrem Freizeit-Konsum im Schatten einer neuen westlich-amerikanischen Populärkultur. Nach Werner Lindner, der

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sich in seinem Buch Jugendprotest seit den fünfziger Jahren: Dissens und kultu-reller Eigensinn mit der Jugendkultur im Nachkriegsdeutschland befasste, waren die Halbstarken „unrefl ektierte Konsumpioniere und intuitive Kritiker deutscher Nachkriegsverhältnisse“ (Lindner 1996: 6). Während in den zeitgenössischen Un-tersuchungen zur Problematik der Halbstarken eine kriminologische bzw. didak-tisch-moralische Sichtweise überwiegt, spricht man in neueren Studien eher von dem jugendkulturellen Stil und der Lebenslage bzw. Sozialisation der Jugend-lichen. Eines der Merkmale der jugendlichen Subkultur der Halbstarken fi ndet man in der politischen und ideologischen Unbestimmtheit (vgl. Grotum 1994: 8–19).

3. Herbert Plate: Der Ring

Im nächsten Abschnitt werde ich den Roman Der Ring von Herbert Plate thema-tisch und inhaltlich analysieren. Herbert Plate wurde 1918 in einer Bauernfamilie geboren. In seinen jungen Jahren war er Soldat, später unternahm er viele Reisen in Europa, nach Asien und Übersee. Seit 1953 ist er freier Schriftsteller, Autor von Romanen, Erzählungen und Tierbüchern sowie zahlreicher Rundfunk- und Fernsehsendungen über die Probleme der Jugend.

In seinem Roman Der Ring (1964) bearbeitet er den literarischen Stoff der Halbstarkenkrawalle der 1950er Jahre, während welcher Jugendliche aus diversen sozialen Schichten Schlägereien, Einbruchsdiebstähle und sogar Morde begingen. Als Motto des Romans hat Herbert Plate ein Zitat eines der Protagonisten verwen-det: „fressen, saufen und schuften, ist noch lange nicht alles“ (Plate 1996, Schutz-umschlag des Buches), in dem der objektive Sachverhalt des Protestes zutreffend formuliert wird. Ein geheimnisvoller Einzelgänger – genannt „Fensterschreck“ – plündert nachts Juweliergeschäfte aus und begeht sogar einen Mord an einem Polizisten. Das Buch enthält 33 kurze Kapitel und den abschließenden Polizeibe-richt mit der Information über die Überführung des Täters. Der Protagonist bildet keine einzelne Zentralfi gur – es sind sieben Jugendliche im Alter von 15 bis 20 Jahren – Peter Ranefeld, Hans Lange, Fritz Hecht, Klaus Müller, Horst Zintek und Erhard Vollrath – von denen jeder einen selbständig strukturierten Erzählgegen-stand des Textes bildet und die Geschichte aus seiner eigenen Perspektive schildert. Als Nebenfi guren, die die Gedankenwelt der Protagonisten beschäftigen, treten Lilli, Hechts Freundin und gleichzeitig ein schlagfertiges und im Verhalten sehr hartes Mitglied der Gruppe, und schließlich Karin Hester, Büroangestellte in einer Textilfi rma, auf. Da Mädchen nur im Falle von Lilli an der Tätigkeit der Halbstar-ken teilnehmen, wird ihnen im Buch eine nur marginale Rolle zugeschrieben. Der Titel Der Ring steuert die Aufmerksamkeit des Lesers auf die sich im Kreis dre-hende Handlung bzw. auf ein Geschehnis, das dort endet, wo es angefangen hat. So wandert auch der massive Goldring von Hans Lange, dem kaufmännischen Lehrling und Sohn aus reichem Hause, der ihn als erster aus einem Juwelierge-

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schäft gestohlen hat, zu Ranefeld und später zu Zintek, bis die Polizei den Täter, Hans Lange, nicht nur einer Serie der Ladendiebstähle, sondern auch des Mordes an Wachtmeister Wolters überführt. Der kostbare Ring absolviert einen scheinbar langen Weg im Kreis und wird währenddessen zum Objekt der Habgier und zum Symbol der Angeberei und Eitelkeit.

Den Erwachsenen gegenüber empfi nden die Halbstarken nur Verachtung, weil sie keine Vorbilder mehr für sie sind. Eine der Hauptfi guren des Buches ist Peter Ranefeld – ein Achtzehnjähriger Schweißer, der eines Nachmittags Zeuge einer Schlägerei zwischen zwei von seinen Mitschülern aus der Berufsschule wird. Der beim Kampf verlorene Goldring von Hans Lange endet in Peter Ranefelds Tasche. Ranefeld macht sich jedoch keinerlei Vorwürfe, dass er sich eine fremde Sache unberechtigt angeeignet hat, stattdessen denkt er mit Genugtuung über den jahrelangen Mangel an Wohlstand in seiner Familie nach:

Wirklich ein tolles Stück! Der vielkantig geschliffene Stein saugt das farblose Licht und strahlt es verwandelt, funkelnd und sprühend von neuem aus. Ich habe noch nie so etwas gesehen. In unserer Familie gibt es keine Ringe, gab es wohl nie welche, abgesehen von den Eheringen. Es ist auch ganz unmöglich, sich so einen Ring an der Hand meines Alten vorzustellen oder an den Fingern meiner Mutter, von dem ganz Alten zu schweigen. Der hat Finger, die sind wie Krallen gebogen, als ob sie immerzu in die weiche Erde fassen wollten. Keine Hände für Ringe in unserer Familie […] Es ist zum Lachen: Unsere Familie hat eine Ringhand hervorgebracht! Jahrhunderte hat sie dazu gebraucht, aber jetzt ist sie da (Plate 1964: 8).

Ein anderer Protagonist des Buches heißt Klaus Müller und ist eine neunzehn-jährige Abiturient und Flüchtling aus der ehemaligen DDR. Klaus Müller kann sich an die neue Umgebung nicht gewöhnen und steht der westlichen Gesellschaft – konkret den Praktiken der Bekleidungshersteller beim Gewinnen ihrer Kunden – sehr kritisch gegenüber. In einem Gespräch mit Klaus Müller äußert sich Herr Katz, der Leiter der Warenvertriebsabteilung bei der Firma Jung, über den Begriff „Freiheit“ wie folgt:

[…] Ein Werbefachmann muß seine Freiheit ganz anders einschätzen als die der Käufermasse, an die er sich wendet. Er braucht die Freiheit der Mittel, die völlige Handlungsfreiheit. Die Käufermasse darf davon so wenig wie möglich behalten, wobei ihr aber die Illusion der völ-ligen Entscheidungsmöglichkeit gelassen werden muß; das ist sehr wichtig (Plate 1964: 96).

Klaus Müller meint die Philosophie von Herrn Katz durchschaut zu haben und in einem inneren Monolog fasst er seine Meinung über ihn folgendermaßen zusammen:

So ist Herr Katz. Er ist sich selbst die Mitte. Er kennt keine Zweifel, keine Fragen. Er denkt in einer Fachsprache, die ich erst jetzt allmählich verstehe. Er analysiert die Anatomie des Marktes optisch. Gemeinschaftsarbeit ist Teamwork. Angestrengtes Nachdenken heißt Brainstorming. Das Wörtchen „Ja“ habe ich während der ganzen Zeit meiner Arbeit bei ihm noch nie gehört; es heißt grundsätzlich Okay. Das Leben ist Ware, Freiheit wird zum Markenartikel – Umsatz-steigerung ist alles. Suchte ich das? (Plate 1964: 97).

Die Vertreter der Bande der Halbstarken – sowohl ihr Anführer, der siebzehn-jährige Autoschlosser Fritz Hecht, als auch Otto Bender, der achtzehnjährige Mau-

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rer, genannt „Pickelgesicht“, und der fünfzehnjährige Horst Zintek, ein Junge aus einer sozial schwachen Familie – entwickeln sich im Buch unter dem Einfl uss von Erhard Vollrath aus gewalttätigen jugendlichen Kriminellen, die Raub und Laden-diebstahl verherrlichen, zu jungen Menschen, die im Umbau einer Garage zu einem gemeinschaftlichen Jugendklub sinnvolle Freizeitgestaltung fi nden.

Fritz Hecht genießt am Anfang seinen Ruf eines starken und gefürchteten Anführers einer Bande von Jugendlichen. Er sehnt sich nach einer noch größeren Macht, die ihm durch ein starkes Motorrad bzw. ein tolles Auto verliehen würde. In seinen Überlegungen richtet er sich nach den allgemein geltenden Ansichten der meisten Menschen über den Status eines erfolgreichen Individuums in der westli-chen Wohlstandsgesellschaft:

Gehen ist eine verdammte Sache. Man ist auf einmal nichts mehr – eben ein Fußgänger. Man ist erst was, wenn man hinter einem Steuer sitzt. Woran das liegt? Im Grunde ist man doch derselbe. Das aber ist das Geheimnis. Alle sehen einen plötzlich mit anderen Augen an. Ein Auto ist wie ´ne Uniform, der Chrom das Lametta. Vor einem, der aus ´nem dicken Wagen steigt, machen sie ´ne Verbeugung (PLATE 1964: 18f.).

Die selbstlose soziale Arbeit von Erhard Vollrath rettet die Jungen aus dem asozialen Milieu ihrer Familien. Im inneren Monolog denkt Vollrath über die ge-eignete Ausstattung des künftigen Jugendklubs nach:

Wenn die Garage fertig ist, brauche ich noch mehr Helfer und Helferinnen. […] Ich werde auch Bücher und Spielzeug sammeln – vor allem Bücher. Sie wissen gar nicht, was ein Buch ist. In den Baracken gibt es nur Illustrierte und Fernsehapparate. Kein Mensch liest ihnen ein Märchen vor oder eine spannende Geschichte. Aber darauf freue ich mich besonders (PLATE 1964: 110).

Eine innere Entwicklung zum Besseren und Positiven macht während der Geschichte auch der Einzelgänger Peter Ranefeld durch, der sich am Anfang des Buches den fremden Ring aneignete. In einer späteren Passage des Werkes befasst sich Ranefeld gedanklich mit den Erinnerungen seines Großvaters, wie dieser vor vielen Jahren im Sommer beim Gehen über die Felder Ähren streichelte. Ranefeld kommt zu dem Schluss, dass das Wort „streicheln“ mit dem Wort „Liebe“ iden-tisch ist und dass die Liebe ein positives Gefühl ist, das als Einziges im Leben Sinn hat. Der Leser spürt, dass der Protagonist seinen Großvater nun nicht mehr verach-tet, sondern die tiefe Wahrheit in dessen Worten gefunden hat. Innerlich vergleicht er sein eigenes Leben mit dem des Großvaters und kommt zu dem Schluss, sein Leben in Zukunft in den Griff zu bekommen:

Was man streichelt, muß man lieben. Es muß lebendig sein. Ein Mann, der im Akkord Löcher stanzt, wird die Löcher nicht streicheln wollen. Man streichelt Tiere, Menschen, Gewachsenes, Lebendiges. Er streichelte Ähren. Sie waren mehr für ihn als nur ein Mittel zum Geldverdienen. Und weil sie lebendig waren, und weil er sie liebte, darum kann er sie nicht vergessen. Ich will in Zukunft nachsichtig mit ihm sein, denn er verlor nicht nur seinen Arbeitsplatz; er verlor sein Leben. Aber ich bin dabei, das meine zu gewinnen (PLATE 1964: 102).

Ohne Andeutung und Möglichkeit einer Veränderung zum besseren Menschen lässt Herbert Plate im Buch nur den „Schaufensterschreck“, den Räuber in den

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Juweliergeschäften und Mörder an Wachtmeister Wolters – Hans Lange – den Sohn aus reichem Hause. Obwohl erst 18 Jahre alt, verkörpert Lange eindeutig die spießbürgerliche, konsumorientierte Denkweise der Generation seiner Eltern:

Hecht tut so, als wären wir Freunde. Dieser Anfänger! Daran fehlt aber doch wohl noch eine Menge. […] Schließlich besteht doch ein zu großer Unterschied zwischen uns. Als Autoschlos-ser ist noch keiner gesellschaftsfähig geworden. Seine Mutter ist ´ne arme Witwe. Na ja, jeder nach seinem Verdienst (PLATE 1964: 38).

Das Buch wurde nicht nur wegen der „Sozialpädagogen-Romantik“ erfolg-reich, sondern auch deswegen, weil Herbert Plate die dargestellten Jugendlichen nicht verurteilt. Vielmehr beschuldigt er die konsumorientierte Gesellschaft und die Eltern der Jugendlichen.

4. Tendenzen der Jugendliteratur in den 60er Jahren

Die Jugendproteste der 1960er Jahre übernahmen einerseits die Elemente des Protestes der 1950er Jahre, wie Internationalität, Jugendlichkeit und das Problem der Minderheiten, andererseits kamen neue Momente, wie die veränderte sozi-ale Lage und die Unruhen der Studenten an den westeuropäischen Universitäten hinzu. Auf dieser Basis ist dann um das Jahr 1968 die sog. antiautoritäre Studen-tenbewegung entstanden. In der Jugendliteratur spricht man von antiautoritärer Literatur, die von einigen Literaturwissenschaftlern als „andere Moderne“ be-zeichnet wird.

Immer öfter wird die Jugend in der Literatur als eigene kulturelle Lebenspha-se mit einer spezifi schen Problematik anerkannt. Infolgedessen bildete sich eine kommerzielle Jugendkultur heraus, auf die die amerikanische Konsumwelt einen starken Einfl uss hatte. Allmählich kam die Meinung auf, dass die Wünsche und Vorstellungen dieser jungen Generation mit einer dementsprechenden Lektüre be-friedigt werden sollten. Diese Bemühungen verkörpert der 1959 gegründete Si-gnal-Verlag. Die neuen Themen der Jugendbücher werden von jungen Autoren wie Hans-Georg Noack mit dem Jugendroman Die Milchbar zur bunten Kuh (1966) oder Hans-Christian Kirsch mit dem Titel Mit Haut und Haar (1961) bear-beitet. Beide Autoren schätzten als höchste Prämisse ihres jugendliterarischen Schaffens das humanitäre Erbe, soziale Reformen sowie die Aufarbeitung der Ver-gangenheit. Sie stellten ihre Texte unter die von Präsident John Fitzgerald Kennedy inspirierte Haltung der Zivilcourage. Als einige der ersten Jugendbuchautoren be-fassten sie sich mit der Schattenseite der deutschen Gegenwartsgeschichte, dem Ost-West-Problem und seinen Folgen, sowie mit der Unterdrückung der Indianer und Schwarzen in den USA. Der sachlich-neutrale Stil ihrer Bücher sollte zur Mitmenschlichkeit aufrufen, sie wollten jedoch keinen politischen Einfl uss neh-men. Diese Literatur bereitete vor, was die antiautoritäre Kinder- und Jugendlite-

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ratur Mitte der 1960er Jahre proklamierte: Gesellschaftskritik und das Streben der westeuropäischen Studentenbewegung nach einer Revolution (vgl. Kaminski / Wild 1990: 325).

5. Ein Beispiel der Jugendliteratur der 1970er Jahre

Die Darstellung der Jugendlichen im zeitgenössischen Problembuch tendiert ei-nerseits zum Ausstieg aus der Familie und der etablierten Gesellschaft, anderer-seits zur sozialen Engagiertheit. Max von der Grün (1926–2005) greift im Roman Vorstadtkrokodile (1976) das Problem der Solidarität in einer Bande von Kindern auf, deren Eltern vorwiegend Arbeiter sind, die ständig mit Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsknappheit zu kämpfen haben. Das zweite Motiv des Werkes, dessen Hand-lung sich in Dortmund, einem der großen industriellen Zentren des Ruhrgebiets abspielt, stellt eine Jugendbande von Halbstarken dar, die eine Serie von Einbrü-chen begeht. Es handelt sich dabei meistens um Ausländerkinder, die mit vielen Vorurteilen konfrontiert werden. Das Hauptmotiv des Romans betrifft die Integra-tion eines behinderten Jungen in die Peergroup.

Unabhängig von dem Alter, Geschlecht, der Nationalität oder dem sozialen Status braucht ein heranwachsender Mensch zu seiner Selbstentfaltung die Gruppe der Gleichaltrigen. Der Protagonist des Romans ist der an den Rollstuhl gefessel-te, gelähmte Kurt. Durch sein soziales Engagement kann er ein vollwertiges Mit-glied der Gruppe der „Krokodiler“ werden, obwohl er am Anfang von den Kindern misstrauisch, ja sogar mit Verachtung angesehen wird:

Zu ihrer Überraschung stellte Hannes plötzlich den Antrag, Kurt Wolfermann bei den Kroko-dilern aufzunehmen, natürlich ohne Mutprobe, sozusagen als Ehrenmitglied, nicht als aktives Krokodil.Als er fertig war, lachte Olaf nur. Die anderen schwiegen oder grinsten.„So ein Quatsch“, rief Olaf. „Was sollen wir mit dem, mit einem Krüppel, der dauernd gefahren werden muß. Wir können nur welche brauchen, die auf Bäume und Dächer klettern.“„Kurt ist kein Krüppel“, schrie Hannes empört, „er kann nur nicht laufen … und im Kopf hat er genausoviel wie wir alle zusammen, daß ihr es nur wißt“ (Grün 1978: 33f.).

Als einziger Augenzeuge eines Einbruchs kann Kurt bei der Überführung ei-ner Bande von jugendlichen Kriminellen nützlich sein. Sein solidarisches Be-wusstsein hilft letztendlich beim Abbau der Vorurteile der Erwachsenen, die Kin-der von Ausländerfamilien dieser Straftaten bezichtigen:

Kurt wollte seinem Vater die Zeitung aus der Hand nehmen, aber der wehrte ab. Er sagte: „Die Italiener sind nun doch die Einbrecher … stiften ihre Kinder zum Klauen an … ausweisen sollte man sie … dann ist Ruhe. … gestern abend hat die Polizei in der Vorstadt sechs Kinder erwischt, hatten Schnaps und Zigaretten bei sich und ein neues Fahrrad, das aus den Einbrü-chen stammt … ganz einwandfrei aus den Einbrüchen … steht in der Zeitung … aber wahr-scheinlich waren es die Kinder gar nicht allein … man kennt das doch … die Alten haben die Kinder nur angestiftet (Grün 1978: 134).

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Seinen privaten Grund, warum diese Geschichte entstanden ist, führt Max von der Grün im Vorwort zum Buch an:

Weil ich selbst einen Sohn habe, der im Rollstuhl gefahren werden muß, habe ich diese Ge-schichte von den Krokodilen geschrieben. Auch mein Sohn muß oft warten, bis Nachbarjungen kommen und ihn abholen, zum Fußballplatz mitnehmen oder zum Minigolfplatz. Es ist schwer für einen Jungen, nicht einfach mit anderen Jungen weglaufen zu können, immer warten zu müssen, bis ihm einer hilft. Und wenn ihr in eurer Nachbarschaft einen Jungen und ein Mäd-chen seht, die behindert sind, denkt daran, daß es jeden treffen kann, seid freundlich zu ihnen, versucht zu helfen. Oft ist schon viel geholfen, wenn ihr freundliche Worte fi ndet, denn Worte können verletzen – oder helfen (Grün 1978: 3).

Der Roman, ein großes Plädoyer für den Abbau von Vorurteilen gegenüber Behinderten und Ausländern, wurde 1977 unter Regie von Wolfgang Becker er-folgreich verfi lmt. Ein Jahr später, 1978, wurde der Film Vorstadtkrokodile auf dem Fernsehfestival in Prag mit dem Preis der Prager Fernsehzuschauer ausge-zeichnet. Es bleibt trotzdem bis heute immer noch fraglich, ob das Vorweisen von außerordentlichen Taten eines einzigen behinderten Rollstuhlfahrers zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Behinderten generell führen kann (vgl. Heidtmann / Wild 1990: 413).

6. Schlusswort

Der zeitliche Schwerpunkt dieses Artikels lag im Zeitraum von 1956 bis 1975. Ich habe mich darin mit der Ära der Halbstarken befasst, die ein schwerwiegendes soziales, in sich geschlossenes Phänomen der Zeit darstellten. Vom sozialen Ge-sichtspunkt aus war das Hauptmerkmal der Halbstarken das gewalttätige, radika-le Verhalten und die Kriminalität, wobei die Bevölkerung diesem Phänomen am Anfang völlig ratlos und ohnmächtig gegenüberstand. Am Beispiel von zwei Ju-gendbüchern habe ich versucht zu zeigen, wie sich die Ära der Halbstarken in der Jugendliteratur widergespiegelt hat. Im ersten dieser Romane (Der Ring von Her-bert Plate) bilden die Mitglieder der Halbstarken das Leitmotiv des Buches. Jeder der Protagonisten erzählt die Geschichte aus seiner eigenen Perspektive, die in dem jeweiligen konkreten sozialen Milieu verankert ist. Für die meisten Halbstar-ken gibt es einen Ausweg aus ihrer bedrückenden gesellschaftlichen Lage hin zu einem sozial sinnvollen persönlichen Engagement, wobei der Dekorateur Erhard Vollrath mit seiner Freizeitbetätigung den Jugendlichen den Weg zeigt. Im zweiten Roman (Vostadtkrokodile von Max von der Grün) erscheint die kriminelle Hand-lung der Halbstarken nur als ein beigefügtes Motiv. Hauptmotive des Werkes sind Behinderung und die Eingliederung eines jugendlichen Rollstuhlfahrers in die Gruppe von gleichaltrigen Kindern, Ausländerhass und Arbeitslosigkeit. Durch die Verfi lmung der Romans Vorstadkrokodile und die Auszeichnung des Films auf dem Fernsehfestival in Prag 1978, hat sich erwiesen, dass die Gesellschaft die im Film präsentierten Probleme nicht unterschätzt, sondern ernst nimmt.

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Literatur

Primärliteratur

Grün, Max von der: Vorstadtkrokodile. Eine Geschichte vom Aufpassen. Hamburg 1978.Plate, Herbert: Der Ring. Nürnberg 1964.

Sekundärliteratur

Grotum, Thomas: Die Halbstarken: zur Geschichte einer Jugendkultur der 50er Jahre. Frankfurt am Main, 1994.

Heidtmann, Horst: Kindermedien und Medienverbund. In: Reiner Wild (Hrsg.): Geschichte der deu-tschen Kinder- und Jugendliteratur. Stuttgart 1990.

Kaminski, Winfred: Schritte zur Kritik der Gesellschaft. In: Wild Reiner (Hrsg.): Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. Stuttgart 1990.

Lindner, Werner: Jugendprotest seit den fünfziger Jahren: Dissens und kultureller Eigensinn. Op-laden 1996.

Steinz Jörg / Weinmann Andrea: Die Jugendliteratur der fünfziger und sechziger Jahre. In: Günter Lange (Hrsg.): Taschenbuch der Kinder- und Jugendliteratur. Baltmannsweiler 2005.

AbstractsDieser Artikel befasst sich mit dem Phänomen der Halbstarken in der deutschen Kinder- und Ju-gendliteratur. Zuerst werden die wichtigsten sozialen Merkmale der Halbstarken unter die Lupe genommen. Am Beispiel von zwei Jugendbüchern habe ich gezeigt, wie sich die Ära der Halbstar-ken in der Jugendliteratur widergespiegelt hat. Im Roman Der Ring von Herbert Plate bilden die Mitglieder der Halbstarken das Leitmotiv des Buches. Die kritische Analyse des Buches wird auf der Aussage der einzelnen Protagonisten gebaut. Im Roman Vorstadtkrokodile von Max von der Grün bildet die kriminelle Handlung der Halbstarken nur ein beigefügtes Motiv. Hauptmotive des Werkes sind Behinderung und die Eingliederung eines jugendlichen Rollstuhlfahrers in die Gruppe von gleichaltrigen Kindern.

This article deals with the sign of the rowdies in the German juvenile literature. At fi rst are the most important social features of the rowdies analysed. At the sample of two juvenile books I showed, how was the era of the rowdies in the juvenile literature refl ected. In the novel Der Ring by Herbert Plate form the members of the group of the rowdies the leitmotiv of the book. The critical analysis of the book is based on the statement of each protagonist. In the novel Vorstadtkrokodile by Max von der Grün are the criminal activities of the rowdies only an attached motive. The leitmotiv of the work is the handicap and the integration of a wheelchair user in the peer group.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Ewa Jarosz-SienkiewiczWrocław

„Stelle ich/die Schriftzeichen/oder/stellen sie/mich?“.Zur Tina Strohekers Poesie-Auffassung

Um Tina Stroheker als Dichterin kennenzulernen, ist der 1998 herausgegebene zweite Band Vermischte Prosa aus ihrer Sammlung Aufenthalt von großer Be-deutung, in welchem auch der im Titel des vorliegenden Aufsatzes zitierte Text der Dichterin „Stelle ich/die Schriftzeichen/oder/stellen sie/ mich?“ abgedruckt wurde.1 Hat man im ersten Teil der Sammlung mit Produkten der lyrischen Tätig-keit Strohekers von der Schulzeit in Ulm angefangen, bis 1997 in Eislingen, zu tun2, so präsentiert der zweite Band im gewissen Sinne ihre unmittelbar geäußerte Stellungnahme zu Problemen der dichterischen Kunst. In Briefen, Essays, Ge-sprächen, Interviews und Reden, die nicht unbedingt an Literaturkenner gerichtet sind, äußert Tina Stroheker ehrlich und ohne Vorbehalte ihre Meinung zum Phä-nomen ihres dichterischen Schaffens und ihrer eigenen Haltung der Lyrik gegen-über, von der sie berichtet, dass die Poesie heutzutage kein Publikumsrenner sei.3 Es ist schwer zu sagen, ob es Stroheker bedrückt. Jedenfalls ist sie sich dessen bewusst, dass der Dichter sein Leben kaum ausschließlich der freien Schriftstel-lerei widmen kann, obwohl die Dichterin selbst das irgendwann, wenn auch mit Hilfe ihres Mannes, der über ein festes Lehrereinkommen verfügte, geschafft hat-te.4 In der heutigen, konsumorientierten Welt muss der Lyriker ständig, meint die Verfasserin des Bandes, zwischen Brotbeschäftigungen und dem freien Schaffen

1 Vgl. Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998. Der im Titel des Auf-satzes zitierte Text von Stroheker wurde im oben angegebenen Band veröffentlicht und stammt, wie die Dichterin angibt, aus dem Text Eine Spiegelung von uns vom Jahre 1986. Vgl. Tina Stroheker: „Das Gedicht ist das Ende des Handelns”. Zu einer Ortsbestimmung von Poesie (1997). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II..., S. 122 und Tina Stroheker: Anmerkungen. In: ebd., S. 127.

2 Vgl. Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen 1998.3 Vgl. Tina Stroheker: Unbeirrt, oder: Aus der Not eine Tugend machen. Eine Selbstbefragung

(1995). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II…, S. 93.4 Vgl. Tina Stroheker: Vom Aufbrechen und Ankommen (1997). In: ebd., S. 107f.

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schwanken.5 Immerhin fügten Tina Stroheker die zehn Jahre im Lehrerberuf, in denen sie nur drei Gedichte fertig gebracht hatte, viel Schmerz und großes Ein-schränkungsgefühl zu.6 Einst angeregt von Eindrücken, die sie in der Schule beim Fensterblick gesammelt hatte, schrieb sie:

Der alte Mann Leert im Hof die Abfallkörbe.Hilfskraft mit Würde.Ich sehe ihm zu,ich kenne nicht seinen Namen,sprach bisher kaum mit ihm.Warum will mein Herz aus den Fenstern?7

Es wäre jedoch trotz einiger Ausnahmen ein Fehler zu erwarten, dass der zweite Band des Aufenthalts dem Leser allgemein einen Wegweiser zur Interpre-tation der Gedichte liefern wird. Tina Stroheker hat damit erhebliche Schwierig-keiten, eindeutig zu bestimmen, was ihr Gedicht als Fertigprodukt genau übermit-telt. Es beweist bereits der Abschnitt des Buches, in dem sie versucht, ihr Gedicht Wieder: Himmels-Gedanken zu interpretieren.8 Schon am Anfang ihrer Refl exion hat die Dichterin vor, aus der Perspektive eines Lesers zu sprechen und sie be-hauptet, dass ihr wissenschaftliche Interpretationen der Poesie bereits als einer Schülerin relativ wenig Freude machten und dass ihr Bedürfnis nach Freiheit ihr zu wertvoll gewesen ist, eindeutig und nach einem wissenschaftlichen Muster zu urteilen.

Später, als für ihren Unterhalt sorgende Deutschlehrerin, musste sie zwar den Schülern wissenschaftliche Methoden der Lyrikinterpretation beibringen. Mehr lag es ihr aber an dem Vergnügen, das die Schüler bei der Selbstentschlüsselung der Gedichte hatten. In einem der Gedichte berichtete sie:

[…]Unten Schreiben sie an einem Aufsatzüber LiteraturWas passiert in den Köpfen? […]9

Tina Stroheker hat die Kreativität des Lesers bei der Auslegung der Lyrik nie unterdrückt. Um so mehr, als die Dichterin selbst in Hinsicht auf eigene Texte keine fertige Interpretation parat hatte, da sie sich mit der verlaufenden Zeit, wech-selnden Perspektive und, was danach geht, der eigenen, sich ständig verändernden

5 Vgl. ebd., S. 107.6 Vgl. Tina Stroheker: Poesie und Politik. Überlegungen in eigener Suche (1995). In: Tina

Stroheker: Aufenthalt II…, S. 57.7 Tina Stroheker: Sommer-Schulstunden. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 58.8 Vgl. Tina Stroheker: Über mein Gedicht „Wieder: Himmels-Gedanken” 1984. In: Tina Stro-

heker: Aufenthalt II…, S. 13–17.9 Tina Stroheker: Sommer-Schulstunden…., S. 58.

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Einstellung zum eigenen Gedicht auseinandersetzen musste. Texttreue ist laut Tina Stroheker keine Tugend der Dichter.10 Den Text kann man daher weder wort-wörtlich noch endgültig verstehen.

Die Poeten weisen sogar, laut Dichterin, eine Tendenz auf, das Eigene mit der Zeit entweder zu vergöttern oder zu verraten.11 Der Autor hat nämlich immer das Gefühl, dass er sein Werk auch anders, besser schreiben und das Flüchtige tref-fender erfassen könnte, wenn er nur dazu befähigt wäre. Es gibt daher in seinen Augen kaum etwas bedingungslos Nötiges und für immer und ewig Fertiges im Gedicht. Die Worte kommen zu früh.12 Im ersten Band des Aufenthalts druckte man einen Bericht von einer Dramatikerin Cheryldee Huddleston ab, in dem sie sich an die Bedenken Tina Strohekers beim Übersetzen eines Textes erinnert.13 Diese Überlegungen gelten auch für die Lyrik. Huddleston refl ektiert in Bezug auf die ihr von Tina Stroheker bewusst gemachten Schwierigkeiten bei der treffenden Wortwahl: „Wie ich – über Tinas Probleme beim Übersetzen – lerne, dass das Wort, von dem ich gedacht hatte, dass ich es wollte, nicht das Wort war, das ich wollte.“14 Deswegen können dem Gedicht auch verschiedene Auslegungen ange-hängt werden, wobei bei Tina Stroheker immer noch die Tradition ihre gewisse Rolle spielt. An dieser Stelle ist die auch bei Peter Rühmkorf aufgegriffene15, der Tradition entnommene alte Mondsymbolik zu erwähnen, die selbst die Dichterin im Gedicht Wieder: Himmels-Gedanken benutzt. Sie interpretiert sie verschieden. Kommt zum Schwanken, ob das eigene Gedicht als Ausdruck des Zusammen-hangs mit der Natur zu lesen ist, oder als Ausdruck der Resignation bzw. der ein-zigartigen, vereinsamten Rolle des Dichters in der pragmatisch gesinnten Gesell-schaft fungiert, für welche der Mond kein Gedankenfreund des Individuums und kein Traumauslöser für einzelne Personen mehr ist.16

Bei dem Interpretationsversuch ihres Werkes äußert Tina Stroheker schließ-lich sogar die Meinung, dass das Schweigen angesichts des voreiligen Wortes und seiner verschiedenen Auslegungen vielleicht noch die beste Lösung für eine Kom-munikation im Gedicht sein könnte.17

10 Vgl. Tina Stroheker: Über mein Gedicht…, S. 14.11 Vgl. ebd.12 Vgl. ebd., S. 14ff. Diese Einstellung deckt sich damit, was zum Beispiel der in den 60er

Jahren bekannte Dichter Walter Helmut Fritz im Gedicht Schöne Aussicht übermittelt hatte: „Wir wissen jetzt / das Scheitern ist allgemein / weil zu viele Sätze / schon tot sind / wenn wir sie spre-chen.“ Vgl. Alexander v. Bormann: Die Lyrik der neunziger Jahre. In: Barner v. Wilfried (Hrsg.): Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart, 2. erw. Aufl age, Bd. 12. München 2006, S. 1027.

13 Vgl. Cheryldee Huddleston: Eine lyrische Tochter Deutschlands im großen Commonwealth von Virginia. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 143–146.

14 Ebd., S. 143.15 Vgl. Peter Rühmkorf: Hier unter dem wechselnden Mond. In: Peter Rühmkorf: Kunststücke.

Fünfzig Gedichte nebst einer Anleitung zum Widerspruch. Hamburg 1962, S. 91–108.16 Vgl. Tina Stroheker: Über mein Gedicht…, S. 14–17.17 Vgl. ebd., S. 17.

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Andererseits verneint Tina Stroheker, womit sie unter anderem das eng-Poli-tische ihrer Gedichte ablehnt, in ihrem Brief an Klaus Maier die feste Rolle des Adressaten für ihre schriftstellerischen Produkte.18 Stellt die Rolle des Allein-Seins in den Vordergrund des Schaffensprozesses, was sie weiter in Bezug auf ihr eigenes Schaffen in ihrer Abhandlung Vom Aufbrechen und Ankommen aus dem Jahr 1997 noch unterstreicht.19 Die Dichterin bezweifelt zugleich den Mythos, dass das Schreiben einen Schriftsteller wirklich frei machen würde – nicht mal in der Zeit, in der sich ihm bei fehlenden Orientierungsmustern ein grenzenloser Freiheitsraum eröffnet. Der Akt des Schreibens kann nämlich selbst zu Obsession werden, infolgedessen hat der Schriftsteller nicht allzu selten, abgesehen vom Empfänger, Bedenken, ob er ohne das Schreiben überhaupt noch existieren könnte.20 Das Schreiben wird dabei von Tina Stroheker eher als ein nach Innen gekehrter, subjektiv angelegter Prozess empfunden. Die Dichterin meint auch die innere Freiheit und nicht die von äußeren außerliterarischen Zuständen bedingte, wenn sie an die Freiheit in ihrer Poesie denkt.

Sie feilt also am Wort, schämt sich manchmal des fertigen Produktes, immer wieder aber in Hoffnung, dass ihr ihr bestes Werk noch bevorstünde, in dem Form und Inhalt sich zu einer Einheit verschmelzen würden.21

Wenn man Tina Stroheker, wie die meisten Literaturtheoretiker, der Gruppe der Traditionalisten zuordnen möchte, sollte man ihr auch manchmal wegen ihrer Originalität eine Zwischenstellung zwischen den Traditionalisten und den Vertre-tern der jungen Dichtergeneration einräumen.

Die die Tradition nicht völlig ablehnende Tina Stroheker spricht dem Reim nicht ab, im Gedicht weiterhin seine Rolle zu spielen. Es sollte aber dem Dichter zur Wahl stehen, auch auf den Reim verzichten zu können. Denn das Verhältnis zur Tradition muss – eine wiederum an Rühmkorf und seine Parodien erinnernde Aussage – „produktiv und nicht nostalgisch sein“22 – meint Tina Stroheker. Kein Zwang der Traditionstreue wird geduldet. Harmonieschaffende Formen der ver-gangenen Epochen kann man an anderen bewundern, sie können aber in eigenem Schaffen stören und einen skeptisch machen. Deswegen verzichtet Tina Stroheker in den meisten Gedichten auf Reime.

„Mein Zentrum bei der Arbeit am Gedicht ist das Bild“23 – bemerkt die Dich-terin. Weil die Deutung des Gedichtes keinem aufgezwungen ist, ist es nötig,

18 Tina Stroheker: Über Schreiben, über Leben. Ein Brief an Klaus Maier (1986). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II…, S. 19.

19 Vgl. Tina Stroheker: Vom Aufbrechen und Ankommen…, S. 107–117.20 Vgl. Tina Stroheker: Über Schreiben…, S. 19.21 Vgl. Tina Stroheker: Arbeitsplatz im Süden. Notizen, Villa Massimo (1987). In: Tina Stro-

heker: Aufenthalt II…, S. 22.22 Stroheker spricht hier über das Verhältnis zur vergangenen Kunst. Vgl. Tina Stroheker: Die

Frage nach dem Reim. Über ein Gespräch im Künstlerhof Schreyahn (1992). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II…, S. 24.

23 Ebd., S. 25.

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dass das Kunstwerk vor allem Interesse weckt und die Indifferenz zerbricht.24 Im Bild steht das verborgene Große, das von jedem auf eigene Art und Weise zu ent-schlüsseln ist.

Tina Stroheker hebt zugleich, wie viele Dichter der älteren Generation, das sehr Intime des Entstehungsprozesses des Gedicht hervor. Die Arbeit am Gedicht betrifft ihres Erachtens nur sie persönlich, deswegen spricht sie nur selten über Entstehendes.25 Lisbeth Kaputzin berichtet darüber: „Ihre Gedichte haben mich überrascht: so viel Melancholie, so eine klare Sprache. Später fragte ich sie mehr nach ihrer Arbeit. Sie antwortete ernsthaft und genau. Aber es klang für mich im-mer, als sei es ihr beinahe peinlich.“26 Verwickelt in verschiedene Arbeiten, die zwar mit der Literatur, nicht aber mit dem Schreiben des Gedichtes verbunden sind, gesteht die Dichterin, dass sie nicht allzu oft zum tatsächlichen Schreiben kommt. Es ist bei ihr eine Form des Nachdenkens.

Das Handwerkliche spielt jedoch trotz jeglicher, schon erwähnter Abgeschie-denheit vom potentiellen Leser eine wichtige Rolle. Der Grund ist die bereits ge-nannte Sehnsucht Tina Strohekers ein ideales Gedicht zu schaffen, d.h. ein Ge-dicht, in dem Form und Inhalt im Einklang stehen würden. Sie gesteht, dass dem Dichter sowohl die Kenntnis der Tradition, die Achtung vor dem Handwerk als auch die fruchtbare Unzufriedenheit mit dem Geschaffenen unentbehrlich seien. Das Experimentelle interessiert zwar die Dichterin, aber nur als Literaturwissen-schaftlerin.27

Gefragt nach der Popularität der Literatur heute, behauptet Tina Stroheker, dass man mehr für das Mediale sei, wodurch die Literatur in der Öffentlichkeit immer öfter zu kurz komme. Doch darf der Schriftsteller nicht aufgeben. Er soll trotz geringerer Popularität weiter machen. Um interessant zu sein, darf er, vor allem in Prosa, seine Aufgabe als Bürger nicht von den Aufgaben als Dichter tren-nen. Seine Gedanken muss er im Werk übermitteln, ohne sich durch Sentimenta-lität von aktuellen Fragen des Alltagslebens abbringen zu lassen. Die Gedichte selbst sollen dabei nicht dem Konsum und der Gedankenlosigkeit dienen. Sie sollen auf den Geist einwirken.28 Oft deutet der Interpret mehr, als das Werk zu sagen vermag. Nicht selten driften die Gedanken des Interpreten und die des Au-tors auseinander. Nach Tina Stroheker kommt es daher, dass beide mit der Poesie Beschäftigten mit eigenen Erfahrungen aufs Gedicht zugehen; der Dichter gleich-sam im Akte des Schöpfens, der Interpret aus der Perspektive des Betrachters eines

24 Vgl. ebd.25 Vgl. Tina Stroheker: Alltag mit Literatur. Gespräch mit Gerd Kolter anläßlich des Stuttgar-

ter Literaturpreises (1993). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II…, S. 28.26 Lisbeth Kaputzin: Mit Tina Stroheker im Kaffeehaus. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…,

S. 133.27 Vgl. Tina Stroheker: Alltag mit Literatur..., S. 28f.28 Vgl. ebd., S. 29f.

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fertigen Produktes. Wichtig ist nach Tina Stroheker, dass jeder Leser bei der Deutung des Werkes mit dem Dichter gleichberechtigt ist.29

Peter Rühmkorf hatte einen Hang zum Sammeln; er sammelte Flugblätter, Reime, Beispiele der Volkskunst und der weltbekannten Kunstwerke.30 Einen Hang zum Archivieren der Worte hat auch Tina Stroheker. Sie sammelt aber vor allem eigene Aussagen aus Tagebüchern, Briefen, merkt sich das, was ihre Lieblingspoe-ten Karl Krolow, Georg Trakl, Gottfried Benn über ihre Ausdrucksweise geschrie-ben haben.31 Tina Strohekers Sprache ist nach dem Vorbild Karl Krolows vor allem eine nominale. Das Gedicht fasst sie als eine schwierige Kunst auf mit einem grö-ßeren Kondensationsgrad als andere Ausdrucksweisen und einer Art Wichtiges an-ders auszudrücken, als es in der Prosa der Fall ist.32 Die beliebten Motive sind das Motiv des Schiffes, der Reise, der Nacht, des Hauses, des Fortgehens und Zurück-kommens, ebenso wie des Hin-und-her-Schwankens und des Allein-Seins.

Das Hin-und-her-Schwanken des menschlichen Wesens zwischen Beständi-gem und Flüchtigem, zwischen Land und Meer, dem festen Boden und der durch Himmel und Wasser versinnbildlichten Natur zeigt sich am deutlichsten in dem 1991 verfassten Gedicht Dazwischen.33 Das lyrische Subjekt erfasst mit wenigen Worten das menschliche Unentschiedensein. Der Weltgeist, nach Hegel als ge-samte historische Wirklichkeit zu verstehen, und die Natur nehmen nämlich das lyrische Subjekt genauso fest in ihren Bann, weil schließlich erst die Zerrissenheit, was in letzten Versen zum Ausdruck kommt, den Menschen zu einer Einheit füh-ren soll. Hiermit wird erneut das Motto Elias Canettis „In Zerrissenheiten bin ich ganz“ angesprochen:

Land in Sicht, ruft jemand,die richtigen Worte, und alle strömen an Deck.

Am Horizont ruht(scheint es)wunderbar fest das Land.

Nun mag auch ich die Überfahrt preisen,eine Form des Verrats;man verrät das Meer gernangesichts des gelobten Landes.

29 Vgl. Tina Stroheker: „Denkt sich denn der Verfasser des Gedichtes überhaupt so viel dabei, wie wir rausfi nden sollen?“ Brief an eine Schülergruppe (1993). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II…, S. 31ff.

30 Vgl. Peter Rühmkorf: Bleib erschütterbar und widersteh. Aufsätze, Reden, Selbstgespräche. Reinbek 1984, S. 23ff.

31 Vgl. Tina Stroheker: Liebes Tagebuch (1994). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II…, S. 40ff.32 Vgl. Tina Stroheker: Nachdenken über öffentliche Bibliotheken. Zwei fi ktive Briefe (1995).

In: Tina Stroheker: Aufenthalt II..., S. 46ff..33 Tina Stroheker: Dazwischen. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 21.

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Später von dort wieder die Blickehinaus, o das Meer, o dies Flirren, wenn Wasser und Himmelsich einig werden (o der Welt-Geist und das).

Einen ähnlichen Gedanken äußert Tina Stroheker im kurzen Text Höhe, Tiefe, du:

Du stehst unten und schaust in die Höhe, wo im Nebel der Turm sich verliert. Du fährst mit dem Fahrstuhl hinauf, um hinunter sehen zu können. Erst zieht es dich in die Luft, dass der Wind dir den Kopf zu verdrehen droht, dann denkst du in Freundschaft an Erde. Keine Kennt-nis des Erdraums ohne Vermessung der Luft, keine Weltkarten ohne Karten vom All. Kein Hier ohne Dort, kein Dort ohne Hier. Du musst so gespannt sein, du bist herzlich zerrissen nur ganz.34

Im Gedicht wird das Motiv der Zerrissenheit zusätzlich durch die stilistischen Figuren, vor allem das Enjambement, untermauert.

Oft zeigt sich in der Poesie Tina Strohekers das Motiv des Gehens und des Zurückkommens, unter anderem im Gedicht Besuch35, in dem das lyrische Sub-jekt den Charakter der Unterschiede zwischen der bloßen, einklemmenden Erin-nerung und der befreienden, neuen Wirklichkeit, mit der man während des Be-suches in einem einst wohlbekannten Ort konfrontiert wird, anschaulich erfasst:

1rechtzeitigbist du damals gegangenaus deiner Stadtund raschihre Straβen Sackgassen im KopfMesser die dreimal gotischen TürmeUnd die Namen der Liebehielten dichauf den Plätzen umstellt 2täglichverleugnetdie Stadt seitherdeine Geschichteaber du später Gast gehst heute leichtund die Straßen sind Straßenauch an Türmen vorbeiohne Angst auf den Plätzen

34 Tina Stroheker: Höhe, Tiefe, du. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 136. Elias Canettis Motto „In Zerrissenheit bin ich ganz“ wird in Wilfried Barners Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart auf Walter Helmut Fritz bezogen. Vgl. Wilfried Barner (Hrsg.): Ge-schichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart…, S. 1027.

35 Tina Stroheker: Besuch. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 34.

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bist du ja hiernur nochein Gast

Gerd Kolter unterstreicht, dass das Hier-Sein auch aus der Perspektive der Fremde gesehen werden muss, um genau gesehen zu werden.36 Es erinnert im Schaffen der leidenschaftlich reisenden Tina Stroheker an die Auffassung Walter Benjamins, der in seinen Städtebildern bei der Reise nach Moskau suggerierte, dass das Heimatliche erst durch das Prisma des Fremden genau zu erkennen sei.37

Nach dem Beispiel Kolters kann man dazu ein Fragment aus dem Gedicht Tina Strohekers Riccordo anführen:

[…]Buona sera, das ist ein Grüβenhellauf geschwächtbin ich mitten im süβenErinnern, bin hierund bin dort eine Weilein Eislingen.38

Gefragt nach dem Verhältnis von Poesie und Politik, weist die Dichterin, wie viele andere Poeten, zum Beispiel Hans Magnus Enzensberger, Peter Rühmkorf, auf die 1960er Jahre (die Zeit der Studentenproteste) hin. Zu dieser Zeit war Tina Stroheker in der Abiturklasse und Mitglied einer politisch angehauchten Gruppe von Schülern namens „contra“. Damals traf sie zum ersten Mal Martin Walser und bewunderte, wie überzeugend er auf eine Gruppe einreden konnte.39

Doch bei jeglicher Bewunderung, bei allen Protesten in gerechter Angelegen-heit, die hauptsächlich gegen den Vietnamkrieg gerichtet waren, sehnte sich die Dichterin immer mehr nach ihrem kleinen Zimmer, in dem sie wieder allein an ihrem privaten Gedicht schreiben könnte. Es brachte ihr sogar Kritik ein. Thomas Hartnagel, eine der führenden Personen der Gruppe „contra“, sprach zum Beispiel von Tina Strohekers Unzuverlässigkeit mit ihren Gedichten.40

Die Haltung Tina Strohekers, die allmählich vom öffentlichen Straßenprotest in die häusliche Einsamkeit ausweichen wollte, stimmt wohl damit überein, was Peter Rühmkorf dazu bewegte aus der APO auszutreten, als man ihn dazu bringen wollte seine Gedichte in der Dortmunder Untergrundbahn zu lesen. Rühmkorf begründet seine Haltung mit einer zwar den Leser betreffenden, aber trotzdem in ihrem allgemeinmenschlichen Sinn ähnlich klingenden Behauptung, dass seine

36 Vgl. Gerd Kolter: Von Hühnern und Engeln. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 69.37 Walter Benjamin: Städtebilder. Frankfurt am Main 1963.38 Tina Stroheker: Riccordo. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 66.39 Vgl. Tina Stroheker: Poesie und Politik. Überlegungen in eigener Sache (1995). In: Tina

Stroheker: Aufenthalt II…, S. 51f. 40 Vgl. ebd., S. 52.

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Werke jeder Leser in seinem Zimmer, einsam, und für sich lesen sollte,41 genauso wie Tina Stroheker es in ihrem einsamen Zimmer allein zu sein und zu schreiben bevorzugt. Auch sie behauptet, dass für den Schriftsteller öffentliches Auftreten gar nichts Selbstverständliches sei.42 Schreiben-Können bedeutet nämlich nicht automatisch in politische Debatten eingreifen zu wollen.43

Das Allein-Sein verbindet sich aber auch mit der Thematik der Lyrik von Strohecker. Nach den Erfahrungen in der „contra“-Gruppe, als sehr junge Person merkte sie bereits, dass ihre Poesie, obwohl Probleme der Menschen betreffend, sich politisch nicht zu engagieren hat. Dass sie vielmehr von Liebe, Verzweifl ung, Einsamkeit, Tod, tieferen Existenzfragen sprechen sollte, große, klassische The-men aufgreifen und Motive verarbeiten muss, welche nur Fetzen der Wirklichkeit beinhalten. Zum Motiv des Todes und des Allein-Seins beispielsweise gehört bei Tina Stroheker in vielen ihren Texten das privat anstimmende Motiv des leinernen Bettlackens bzw. Bettbezugs. Man fi ndet es im Gedicht Allein im Hotelzimmer:

zwei Stockwerke fortvon den Stimmen

es klopftdas Herzbleibt stehen

wieder Stilleund Schritte

liegengebliebendas Leintuch

höherzum Kinn44

Es ist aber auch in der dem Band Hinter der Stirn den Tod beigelegten, der verstorbenen Mutter gewidmeten Prosa als leinernes Schneefeld zu fi nden:

Das Leben erkennt sie an seinen Gerüchen. Will leben, aber hält seine Düfte nicht aus. Die Leberwurst vespernde Bettnachbarin ist das Leben. Geruchlos die Infusionen, eine sichtbare Abstraktion. Ich kann meinen Mann nicht mehr riechen, im wörtlichen Sinn, fl üstert sie, stell dir vor. Es ist Abend geworden. Ihr Kopf mit dem lustigen Tuch sinkt ins leinerne Schnee-feld.45

41 Peter Rühmkorf berührt das Problem der Poesie und Politik nochmal im Essay Wachzurüt-teln und zu träumen... In: Peter Rühmkorf: Bleib erschütterbar und widersteh. Aufsätze, Reden, Selbstgespräche. Reinbek 1984, S. 195–199.

42 Vgl. Tina Stroheker: Poesie und Politik..., S. 59.43 Vgl. ebd., S. 60.44 Tina Stroheker: Allein im Hotelzimmer. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 17.45 Tina Stroheker: Notiz. In: Tina Stroheker: Hinter der Stirn den Tod. Gedichte, Bühl-Moos

1987, S. 49.

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Die Wirklichkeit bilden dabei einzelne, als Auslöser fungierende Bilder, die die Dichterin zum Schreiben anregen, die später von ihr weitergedacht werden. Bilder, welche die Lyrikerin zufällig dem Alltag entnommen hatte, wie im Gedicht vormittag (am eselsberg):

[…]spatzenim rinnstein

ein hundträgtdie milchkanne im maul

das kind reißtblätter von der hecke[…]46

oder auch Werke bekannter Maler und Fotografen, welche die Dichterin inspirier-ten (an dieser Stelle ist der Fotograf Frieder Kerler zu nennen).47 Eine Ausnahme, wie sie selbst behauptet, ist ihr Gedicht komm, das einen breiten öffentlichen Wi-derhall fand, der sich unerwartet, zu großer Überraschung der Dichterin spüren ließ.48

Man kann trotzdem keineswegs behaupten, dass Tina Stroheker sich nur noch zurückgezogen hatte. Als Studentin in München verkehrte sie in Kreisen der „Roten Zelle Germanistik“, wo sie Leute traf, die der Poesie von Georg Trakl, Karl Krolow, Ilse Aichinger – Dichtern, die sie so verehrte – Aktualität und Wirkung absprachen, zugunsten der Trivialliteratur und politischer Dich-tung im engeren Sinne, die sich unmittelbar und leicht bei Protest-Aktionen benutzen ließ.49

Äußerlich machte Tina Stroheker bei politischer Tätigkeit mit, obwohl sie im Grunde genommen zu Hause, beim Nachdenken, immer wieder zum Dichten kam, sich wie ein Süchtiger in die Arbeit am Wort stürzte, ohne an das potentielle Pu-blikum zu denken. Solche Dichter wie Hans Magnus Enzensberger und Erich Fried verehrte sie und teilte ihre Meinung, dass ein Gedicht das Politische ohne Verzicht auf das hohe ästhetische Niveau durch die Ritzen zwischen den Worten durchfl ießen lassen soll. Alleine fühlte sie sich aber nicht dazu befähigt, es profes-sionell durchzuführen. Sie gehörte nicht zu Dichtern, die jedes Gedicht aus politi-scher Perspektive anzusehen pfl egten und der Überzeugung sind, dass jedes Werk

46 Tina Stroheker: vormittag (am eselsberg). In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 30.47 Tina Stroheker: Vor Bildern. Mit Texten. Nachdenken über eine Vorgehensweise. In: Tina

Stroheker: Aufenthalt II…, S. 69.48 Tina Stroheker: Poesie und Politik…, S. 60.49 Vgl. ebd., S. 54.

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politisch und der politische Aspekt ihm immanent ist. Vielmehr wollte sie eine von der Politik freie Sphäre für sich behalten.50

So schilderte sie manchmal wahrheitsgetreu ihre privaten Beschäftigungen (z.B. aus den Ferien in Mittelberg, wo sie mit Vorliebe den Bauern geholfen hatte) und brachte diese mit Andeutungen der politischen Geschehnisse zusammen, um die Kluft zwischen dem Politischen und der privaten Sphäre eines lyrischen Sub-jekts deutlich zu machen. Im Gedicht Geschichte heißt es: „In Berlin bauten sie eine Mauer, / ich half in Mittelberg bei der Heuernte.“51

Symptomatisch spricht Tina Stroheker dem Dichter seine Rolle des Auser-wählten ab. Sie sieht, mit den Vertretern des 1971 neu gegründeten Verbandes deutscher Schriftsteller polemisierend, im Schriftsteller einen gewöhnlichen Men-schen, der kein Prophet sei, sondern, wie jeder andere, mit verschiedenen Charak-terzügen und Fähigkeiten ausgestattet, nicht immer politisch und menschlich kor-rekt handelt. Er hat auch wie andere das Recht, sich nicht ins Klischeehafte hineindrängen zu lassen.52 Im Gedicht Am Eselsberg53 wird dem lyrischen Subjekt bewusst, dass es trotz seines außerliterarischen Engagements für niedrige Schich-ten der Gesellschaft aus den Wohnblocks und trotz theoretischer Kenntnisse zum Thema „Lebensverhältnisse der Arbeiter“, immer noch zu einer anderen Gesell-schaftsschicht gehört und dem wahren Arbeiterleben fern ist.

Das Wichtigste sei für den Dichter daher immer wieder die Arbeit an der Sprache. Zu der ist er prädestiniert. Und nur vom Verfasser der Gedichte allein hängt es ab, ob er in seinem Schaffen zusätzlich das Politische anspricht. Das Problem der politischen Unzuverlässigkeit hängt dabei nicht unbedingt davon ab, ob ein Mensch Schriftsteller sei. Denn Schriftsteller zu sein ist selbst schon eine Profession für sich. Über die Einstellung Stohekers selbst schreibt die im Buch-handel einst beschäftigte Bekannte der Dichterin: „Tina Stroheker stellt sich nicht als Genie oder schwermütige Dichterin dar, sie tut eher, als sei ihr Beruf einer wie jeder andere.“54

Dass Tina Stroheker ähnlich wie zum Beispiel Thomas Kling und andere Vertreter der jüngeren, nach dem Krieg geborenen, Generation der Dichter, dem Klanglichen und Akustischen des Gedichtes eine große Bedeutung zuschreibt, sieht man an ihrem Artikel über zweisprachige Lesungen, die sie selbst initiiert hat. Hier berichtet die Dichterin: „Die Zuhörer müssen sich dem Fremden ausset-zen, ohne Ungeduld zuhören (oder zuhören versuchen) ein wichtiger Vorgang,

50 Vgl. ebd., S. 55.51 Tina Stroheker: Geschichte. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 51.52 Vgl. Tina Stroheker: Poesie und Politik…, S. 58f.53 Vgl. Tina Stroheker: Am Eselsberg. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 36f.54 Lisbeth Kaputzin: Mit Tina Stroheker im Kaffeehaus. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…,

S. 132.

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glaube ich. […] Sie können in eine Klangwelt eintauchen.“55 Die Vorliebe für das Akustische unterstreicht auch die Bemerkung Tina Strohekers, dass sie sich dafür interessiert, wie ihre Texte gelesen werden.56

Wichtig ist für die Interpretation der Texte ebenfalls die Musikbegleitung.57 Man kann bei der Interpretation der Texte (nicht unbedingt der Lyrik) vieles errei-chen, wenn die Musik dem Text entspricht. Als Beispiel einer Bewältigung der Spannung zwischen Text und Musik gibt Tina Stroheker ihre eigenen Texte in Gebirge und schöne Mühen zu Komposition von Gabriele Hasler an.

Das Interdisziplinäre offenbart sich auch in Tina Strohekers Kontakten zu Malern. Vor allem zu der Malerin Helga Koenig, zu welcher Bildern Stroheker sich zu schreiben bemühte, genauso wie die Malerin die Gedichte Tina Strohekers zu illustrieren versuchte.58

Auch die Art und Weise, auf welche Stroheker an Bilder als Kunstwerke her-antritt, beweist ihre Sympathie für ungezwungene, freie Interpretation. Sie traut ihren Augen und ihrem Kopf, bevorzugt das Gesehene ohne jegliches Vorwissen, sich auf diesem Weg von der wissenschaftlichen Deutung entfernend. Sie nimmt im Schaffensprozess die einst gesehenen Bilder auseinander, verbindet die Teile damit, was in ihrem Kopf als inneres Bild zu verstehen ist.59

Literaturwissenschaftliche Ausbildung ist für Tina Stroheker nichts Entschei-dendes. Sie legt Wert auf einfache Worte, schöpft, wie ebenfalls in den 1990er Jahren schaffende Erika Burkart, aus der Tradition Günter Eichs. Die Dichterin reduziert die Sprache, wendet sich gegen die Anhäufung von Adjektiven, die zu Überladung führen und die eigentliche, einfache Bedeutung der Wörter verfehlen, verzichtet aber auch auf Abstrakta. Sie fi ndet neben Eich solche Dichter wie Wal-ter Helmut Fritz, Guntram Vesper, Orhan Veli Kanik, William Carlos Williams empfehlenswert.60 Einst im „Künstlerhof Schreyahn“ auf dem ehemaligen Gebiet der DDR zu Gast, erklärt die Dichterin, dass die Lyrik manchmal nicht nach dem ersten Lesen zu verstehen ist.61 So bewahrt die Kunst ihre Autonomie und wider-setzt sich der politischen Parole, die auf Anhieb verständlich sein sollte.

55 Tina Stroheker: Wenigstens einen Blick riskieren. Zweisprachige Lyrik-Lesungen (1995). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II…, S. 65.

56 Tina Stroheker: Unbeirrt, oder: Aus der Not eine Tugend machen. Eine Selbsbefragung (1995), in: Tina Stroheker: Aufenthalt II,…, S. 94.

57 Tina Stroheker: Texte zum Tanzen gebracht. Notizen zu Gabriele Haslers Komposition für “Gebirge und schöne Mühen” (1995), in: Tina Stroheker: Aufenthalt II,…, S. 85.

58 Tina Stroheker: Vor Bildern. Mit Texten. Nachdenken über eine Vorgehensweise (1995), in: Tina Stroheker: Aufenthalt II,…, S. 70.

59 Vgl. ebd., S. 71–73.60 Vgl. Tina Stroheker: Lieber A. B. ! Zu einem Lyrik-Manuskript (1995), in: Tina Stroheker:

Aufenthalt II,…, S. 87–90.61 Vgl. Axel Kahrs: Die Schreyahner Grenzgängerin, in: Tina Stroheker: Aufenthalt I,…,

S. 95.

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Obwohl innig mit Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger, der sie ihr Gedicht Früh aufgestanden, Pfeilgasse62 gewidmet hat, verbunden, will Tina Stroheker ihren eigenen Weg gehen. Auf ihm lässt sie sich kontinuierlich von dem Wunsch begleiten, immer bessere Lyrik schreiben zu müssen. Zufrieden mit ihren gemisch-ten Texten aus Gebirge und schöne Mühen, unter denen auch Lyrik zu fi nden ist, sieht sie, wie bereits erwähnt, ein, dass Gedichte, obwohl man heutzutage, wenn auch unter Umständen, ihre wachsende Popularität zugeben muss, sowieso kein Publikumsrenner sein werden. In der Welt voller Hektik ist die Lyrikerin trotzdem wie Rühmkorf, fürs kreative Weitermachen und will zusätzlich die Lyrik als „Ge-genprogramm zur allgemeinen Unruhe“63 behandeln. „Meine Lyrik soll Stille her-stellen,“64 behauptet sie und sucht mittels des Gedichtes, jedes Mal aus anderer Perspektive, den Sinn der Welt zu erfassen, das zu erreichen, was beinahe schon aufgegeben wurde. Sie will im mühsamen Prozess die parat stehenden Schriftzei-chen benutzen, um, wie sie hofft, in ihrem kleinen abgeschiedenen Zimmer ein-mal, wie schon früher angedeutet, ihr bestes, bahnbrechendes, keiner Mode restlos ergebenes, originellstes Gedicht zu schaffen.

Das lyrische Subjekt urteilt in ihrem den eigenen Entwicklungsprozess schil-dernden Gedicht Wörter:65

Einen Glanz fi nden,der nicht blendet, der sehen lässt,das kam später seither meine Übungen,Geduld und Verzweifl ung.

LiteraturBarner, Wilfried v.: Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis zur Gegenwart, 2. erw. Aufl .

München 2006.Benjamin, Walter: Städtebilder. Frankfurt am Main 1963.Huddleston, Cheryldee: Eine lyrische Tochter Deutschlands im großen Commonwealth von Virginia.

In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen 1998, S. 143–146.Kaputzin, Lisbeth: Mit Tina Stroheker im Kaffeehaus. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eis-

lingen 1998, S. 132f,Kahrs, Axel: Die Schreyahner Grenzgängerin. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen

1998, S. 94–97.Kolter, Gerd: Von Hühnern und Engeln. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen 1998,

S. 68–72.

62 Tina Stroheker: Früh aufgestanden, Pfeilgasse. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 131.63 Tina Stroheker: Unbeirrt. Aus der Not eine Tugend machen. Eine Selbstbefragung ( 1995).

In: Tina Stroheker: Aufenthalt II…, S. 96.64 Tina Stroheker: „Das Gedicht ist das Ende des Handelns”. Zur einer Ortsbestimmung von

Poesie (1997). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II,…, S. 120.65 Tina Stroheker: Wörter. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I…, S. 39.

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Rühmkorf, Peter: Bleib erschütterbar und widersteh. Aufsätze, Reden, Selbstgespräche. Reinbek 1984.

Rühmkorf, Peter: Hier unter dem wechselnden Mond. In: Peter Rühmkorf: Kunststücke. Fünfzig Gedichte nebst einer Anleitung zum Widerspruch. Hamburg 1962, S. 91–108.

Stroheker, Tina: Allein im Hotelzimmer. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen 1998, S. 17.

Stroheker, Tina: Am Eselsberg. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen 1998, S. 36f.Stroheker, Tina: Besuch. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen 1998, S. 34.Stroheker, Tina: Dazwischen. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen 1998, S. 21.Stroheker, Tina: Früh aufgestanden, Pfeilgasse. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen

1998, S. 131.Stroheker, Tina: Geschichte. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen 1998, S. 51.Stroheker, Tina: Höhe, Tiefe, du. In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen 1998, S. 136.Stroheker, Tina: Notiz. In: Tina Stroheker: Hinter der Stirn den Tod. Gedichte. Bühl-Moos 1987,

S. 49.Stroheker, Tina: Riccordo, in: Tina Stroheker: Aufenthalt I, Lyrik, Eislingen 1998, S. 66,Stroheker, Tina: Sommer-Schulstunden, in: Tina Stroheker: Aufenthalt I, Lyrik, Eislingen 1998,

S. 58.Stroheker, Tina: Wörter, in: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik. Eislingen 1998, S. 39.Stroheker, Tina: vormittag (am eselsberg). In: Tina Stroheker: Aufenthalt I. Lyrik, Eislingen 1998,

S. 30.Stroheker, Tina: Alltag mit Literatur. Gespräch mit Gerd Kolter anläßlich des Stuttgarter Lite-

raturpreises (1993). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 28ff.

Stroheker, Tina: Arbeitsplatz im Süden. Notizen, Villa Massimo (1987). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 20ff.

Stroheker, Tina: „Das Gedicht ist das Ende des Handelns“. Zur einer Ortsbestimmung von Poesie (1997), in: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 118–125.

Stroheker, Tina: „Denkt sich denn der Verfasser des Gedichtes überhaupt so viel dabei, wie wir rausfi nden sollen?“ Brief an eine Schülergruppe (1993). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 31ff.

Stroheker, Tina: Die Frage nach dem Reim. Über ein Gespräch im Künstlerhof Schreyahn (1992). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 23ff.

Stroheker, Tina: Lieber A.B.! Zu einem Lyrik-Manuskript (1995). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 87–90.

Stroheker, Tina: Liebes Tagebuch (1994). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eis-lingen 1998, S. 38–42.

Stroheker, Tina: Nachdenken über öffentliche Bibliotheken. Zwei fi ktive Briefe (1995). In: Tina Stro-heker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 46–50.

Stroheker, Tina: Poesie und Politik. Überlegungen in eigener Sache (1995). In: Tina Stroheker, Tina: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 51–62.

Stroheker, Tina: Texte zum Tanzen gebracht. Notizen zu Gabriele Haslers Komposition für „Gebirge und schöne Mühen“ (1995). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 83–86.

Stroheker, Tina: Wenigstens einen Blick riskieren. Zweisprachige Lyrik-Lesungen (1995). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 63–66.

Stroheker, Tina: Vor Bildern. Mit Texten. Nachdenken über eine Vorgehensweise. In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 67–82.

Stroheker, Tina: Unbeirrt, oder: Aus der Not eine Tugend machen. Eine Selbstbefragung(1995). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 91–96.

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Stroheker, Tina: Über mein Gedicht „Wieder: Himmels-Gedanken“ 1984. In: Tina Stroheker: Au-fenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 13–17.

Stroheker, Tina: Über Schreiben, über Leben. Ein Brief an Klaus Maier (1986). In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Prosa. Eislingen 1998, S. 18f.

Stroheker, Tina: Vom Aufbrechen und Ankommen. In: Tina Stroheker: Aufenthalt II. Vermischte Pro-sa. Eislingen 1998, S. 107–117.

AbstractsDie 1948 in Ulm geborene Tina Stroheker ist eine Schriftstellerin, die eine feste Zäsur zwischen ihrer politisch-öffentlichen und literarischen Tätigkeit zieht. Sie verfasst sowohl Poesie als auch Prosa, vermag aber der Lyrik eine besondere, Ruhe stiftende Rolle zuzuschreiben.Die Dichterin hält ihre Gedichte fern von politischen Parolen. In ihren Werken bemüht sie sich auch nicht besonders, dass die Politik zwischen den Zeilen des Gedichts durchfl ießt und dem Werk selbst immanent ist. Denn die Lyrik ist für Stroheker eine Art nachzudenken, sich in der Wirklich-keit zurechtzufi nden. Deswegen berührt sie in ihrer Dichtung eher allgemeinmenschliche Probleme. Sie feilt dabei so lange am Wort, bis es ihr ermöglicht, den richtigen, geahnten Sinn der Dinge zu erfassen.In dem vorliegenden Aufsatz versucht man vor allem anhand ausgewählter Texte aus dem Sammel-band Aufenthalt dem Leser eine bescheidene Auskunft über Strohekers Einstellung zur Dichtung und Literatur zu geben. Da der Aufenthalt Texte beinhaltet, die früher noch nie veröffentlicht wur-den, gibt die Sammlung dem Leser die Möglichkeit Stroheker aufs Neue zu entdecken. Literatur-theoretiker haben sie oft den Traditionalisten, die unter dem Einfl uss der vor dem Krieg geborenen Dichtergeneration stehen, zugeordnet. Aus den Aussagen der Dichterin geht jedoch hervor, dass sich Stroheker – auch mit ihrem Interesse für das Interdisziplinäre, Akustische und Visuelle im Gedicht als den bahnbrechenden Tendenzen in der Poesie – der jüngeren, nach dem Krieg, geborenen Ge-neration nähert.

Tina Stroheker, born in 1948, is a writer which separates her political activity from her writing ac-tivity. She writes poetry as well as prose. However the writer attributes a calming effect to the lyric verse.Stroheker separates her poems from the political watchwords. She also tries not to show the pres-ence of political watchwords „between the lines“ of her works. The lyric verse for her is a way of thinking about different problems, a way of fi nding her feet in reality. This is why the writer brings natural, human problems up in her poems. At the same time Stroheker works on the single words in her poems, until she catches the, in her opinion, proper sense of the discussed problems.This article, based on the work Aufenthalt, tries to show the attitude of Stroheker towards the poetry and prose. The texts published in „Aufenthalt“ haven‘t been published yet. This is why they can give the reader, the opportunity to discover the writer anew. The literary theorists rate her among traditionalist, who are under the infl uence of the generation born before the II world war. However in her comments Stroheker stresses her interest on the interdisciplinary, acoustic and visual in the poem and also the landmark drifts in the lyric verse, which brings her closer to the young generation born after the II world war.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Literaturwissenschaft

María José Domínguez VázquezSantiago de Compostela

Die sogenannten freien Dative,die Resultativkonstruktionenund die Ad-hoc-Bewegungsverben:der Beitrag der Konstruktionsgrammatikund der Valenzgrammatik

Einführung1

Im vorliegenden Aufsatz wird mit Hilfe valenz- und konstruktionsbasierter Pos-tulate an die sogenannten freien Dative (f.D.), die Resultativkonstruktionen und die Ad-hoc-Bewegungsverben herangegangen. Einführend lässt sich festhalten, dass beide grammatischen Ausrichtungen auf voneinander abweichenden Annah-men aufbauen, sowie dass hinsichtlich der Analyse der bereits genannten Untersu-chungsgegenstände sich unterschiedliche Auffassungen im Rahmen der KG und der VG2 herausgebildet haben. In Anbetracht der Tatsache, dass hier eine umfas-sende Darstellung aller Ausprägungen bei Weitem nicht anvisiert werden kann, berufe ich mich für meine Analyse hauptsächlich auf die Werke von Engel (1996, 2009) und Goldberg (1995). Ferner werden Grundprinzipien und -postulate so-wohl der KG als auch der VG in 1. und 2. umrissen.

Ins Blickfeld tritt eine Auseinandersetzung mit der Bestimmung der f.D., de-ren Auffassung als Ergänzung oder als Angabe in der modernen valenzausgerich-

1 Diese Forschungsarbeit steht im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt „Erstellung eines kontrastiven Verbvalenzwörterbuches: Spanisch-Deutsch“ (gefördert von der galicischen Lan-desregierung, XUNTA: PGIDIT06PXIB204123PR, und von dem spanischen Bildungsministerium, Ministerio de Educación y Ciencia und FEDER: HUM2006-05776) und mit dem Forschungsprojekt „Spanisch-deutsche kontrastive Untersuchung der Nominalphrase. Erstellung eines computerge-stützten bilingualen Corpus und eines Online-Wörterbuchs“ (gefördert von der galicischen Landes-regierung, XUNTA: INCITE09 204 074 PR).

2 Die Abkürzung VG steht für Valenzgrammatik und die KG für Konstruktionsgrammatik.

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teten Forschungsliteratur umstritten ist (3.1.). Weiterhin wird anhand des Modell-beispiels Motorräder knatterten durch das Dorf der Frage nachgegangen, welcher Status dem mit direktiver Bedeutung hinzugefügten Satzglied bei den sogenannten Ad-hoc-Bewegungsverben zuzuschreiben ist, worüber kein Konsens vorzuliegen scheint (3.2.). Einer näheren Erörterung aus valenz- sowie konstruktionsausge-richteter Sicht bedarf außerdem die sogenannte Transitivierung prototypischer intransitiver Verben, wie es in kausativen Konstruktionen wie Ich niese die Servi-ette vom Tisch der Fall ist, sowie weitere Beispiele für Resultativkonstruktionen wie Ich trinke die Flasche leer, deren schwankende Analyse darauf zurückgeht, ob die Auffassung des Verbs als oberster Valenzträger, d.h. als oberster Knoten der hierarchischen Satzstruktur, der Ansicht eines komplexen Prädikats vorzuziehen ist.

Die Auswahl dieser drei Fallgruppen ist nicht zufällig: Laut Welke (2009: 85) bereiten sie nicht nur der Valenztheorie und den lexembasiert orientierten Ansät-zen, sondern auch der Konstruktionsgrammatik Schwierigkeiten. In Ergänzung zu Welke (2009), mit dem ich in einigen seiner Vorschläge – wie in der Analyse der Resultativkonstruktionen und der kausativen Konstruktionen – nicht immer über-einstimme, habe ich valenzbasierte zweckdienliche Lösungsvorschläge entwi-ckelt.

1. Valenzgrammatik

Seit den Anfängen der Valenztheorie hat sich der Valenzbegriff zu einem Mul-timodulkonzept entwickelt, in das unterschiedliche, als komplementär anzuse-hende, nicht isomorphe Ebenen Eingang fi nden. Klassische Einteilungen der Va-lenz weisen auf eine syntaktische, semantische und logisch-pragmatische Valenz hin. Laut Engel (2009: 71) kann einem Element Valenz zugeschrieben werden, „wenn es eine Kategorie von Elementen so regiert, dass deren Zuordnung über-haupt oder deren obligatorische Zuordnung subklassenspezifi sch ist, also nur für eine Subklasse der Wortklasse des regierenden Elementes gilt.“

Den Ausführungen von Helbig zufolge (1982: 12; 1992: 9) legt die syntak-tische Valenz nicht nur die Besetzung der logisch-semantischen Leerstellen durch obligatorische oder fakultative Aktanten fest, sondern auch die morphosyntak-tische Kodifi zierung der Aktanten in der Oberfl ächenstruktur. Die semantische Valenz lässt sich als „die Besetzung von Leerstellen mit Klassen von Partnern, die semantisch durch bestimmte Bedeutungsmerkmale festgelegt sind” bestimmen (Helbig 1992: 8). Eine Präzisierung des semantischen Valenzbegriffs erfolgte im Laufe der Zeit: a) Die Betrachtung von Werken wie Engel / Savin (1983) und Helbig / Schenkel (1969, 1983) gibt zu erkennen, dass in diesen die syntaktische Valenz im Mittelpunkt steht, hingegen die semantische Valenz – eine ausgearbei-tete Version der interpretativ-semantischen Verträglichkeit zwischen dem Valenz-

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träger und seiner Umgebung – von der syntaktischen ausgehend beschrieben wird.3 b) Das auf die Grundannahme der Kategorialgrammatik aufbauende ono-masiologische Wörterbuch Verben in Feldern (Schumacher et al., 1986) veran-schaulicht eine weitere Stufe dieser Semantisierungstendenz. c) Bei dem von Hel-big (1983) vorgeschlagenen sechsstufi gen Modell steht bei der Analyse die Semantik am Anfang und die Morphosyntax am Ende. Zur semantischen Beschrei-bung von Satzstrukturen stützt er sich auf die Kasusgrammatik Fillmores (1968)4 und dessen Prinzip, dass jedem Valenzträger ein ‘Tiefenkasus’ (1981: 14) zuge-wiesen wird5. Dieses sechsstufi ge Modell von Helbig zeigt die enge Beziehung zwischen den semantischen ‘Tiefenstrukturen’ und den außersprachlichen Situati-onen, d.h. dieser Semantisierungsprozess der Valenz siedelt sich schon im Bereich der logischen Valenz an, die bei Helbig / Stepanowa (1978: 128–134) als eigene Ebene angesetzt wird. Bei Bondzio (1971) rückt die logisch-semantische Valenz in den Mittelpunkt (vgl. auch Albi Aparicio 2010; Danler 2005; Meinhard 2003). Im Hinblick darauf ist die Prädikatenlogik imstande, mithilfe von Operatoren (Re-latoren oder Prädikaten) und Argumenten als deren Leerstellen Bewusstseinsin-halte formal zu beschreiben, d.h. die in unserem Bewusstsein widergespiegelte Wirklichkeit kann mit Aussagen ausgedrückt werden, als logische Prädikate (P oder R) mit einem Argument (x) oder mit mehreren Argumenten (x, y, ...).

Eine Weiterentwicklung des Valenzbegriffs bildet der pragmatische Ansatz (vgl. Danler 2006; Nikula 2003), der unter Berücksichtigung unterschiedlich per-spektivierter Rahmen sowie der Realisierungsbedingungen bei Ergänzung und Angaben im jeweiligen Kommunikationsprozess an prototypische kognitive Sze-nen und deren Versprachlichung herangeht (Helbig 1995; Růžička 1978; Welke 1994). Eine valenzangelegte Betrachtung mittels situationeller, kontextueller und kognitionspsychologischer Faktoren liegt bei Danler (2005), Gansel (2003), He-ringer (1984) und Storrer (1992) vor, bei denen der Einfl uss der ‘Scenes-and-fra-mes-Semantik’ von Fillmore (1977) und dessen Szene-Begriff von herausragender Bedeutung ist. Folglich fassen Storrer (1992: 258) den Begriff Situation und He-ringer (1984: 49) den der Verbszene folgendermaßen auf6: „[...] ein Verb, das ist

3 Ein ähnliches Vorgehen liegt den kontrastiv angelegten Werken von Bianco (1996), Cirko et al. (1995) und DCVVEA (Domínguez / Paredes, 2010 a, b) zugrunde.

4 Bei der semantischen Spezifi zierung der Argumentstellen werden die „case roles” (Kasusrol-len) oder „deep cases” (Tiefenkasus) (Fillmore, 1968: 27ff.) als kontextuelle, semantische Eigenschaf-ten von Verben aufgefasst, die deren Relation zu Nominalphrasen defi nieren und die syntaktische Relevanz aufweisen. Kasusrahmenmerkmale werden als lexikalische Eigenschaften in Lexikonein-trägen von Verben miteinbezogen. Der Kasusrahmen („case frame”) ordnet bestimmten Mitspielern des Sachverhalts, der in einem Satz repräsentiert wird, semantisch-syntaktische Rollen zu.

5 Durch die Integrierung der Fillmoreschen Tiefenkasustheorie mit ihren semantischen Rollen in die Valenzbeschreibung ist die relational bedingte semantisch-funktionale Ebene zu einem üb-lichen Bestandteil des Valenzrepertoires geworden.

6 Fillmores Sicht zufolge (1977) trägt jede sprachliche Äußerung zur Mitaktivierung einer Szene bei und darüber hinaus stehen die Mitspieler entweder in perspective oder out of perspective.

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so, wie wenn man im dunklen Raum das Licht anknipst. Mit einem Schlag ist eine Szene da [...]. Mit dem Verb oder mit der Szene sind auch schon die Rollen fest-gelegt” (Heringer, 1984: 49).

2. Die Konstruktionsgrammatik

Zum Verzeichnis der sogenannten Construction Grammar (KG) rechnen Fischer / Stefanowitsch (2008: 3ff.) drei Hauptströmungen, die in eine stark formal ange-legte (Construction Grammar von Fillmore 1988; Kay 1997 und die Enwickelte Version der Head-driven Phrase Structure Grammar), in eine kognitiv-linguisti-sche (Lakoff 1987; Goldberg 1995) und in eine typologische (Croft 2001) zerfal-len (siehe dazu auch Jacobs 2008: 4). Neben gewissen Abweichungen im Rah-men der konstruktionsorientierten Ansätze kennzeichnet sich die KG weiterhin dadurch aus, dass sie gebrauchsbasiert (usage-based) und funktional (Goldberg 1995) ausgerichtet ist, da sie alle Einheiten der Sprache aus Korrespondenzen von Form und Funktion versteht. Neben der Auffassung der Grammatik als Inventar linguistischer Zeichen erweist sich noch als gemeinsamer Nenner aller Ausprä-gungen der KG das denen zugrunde liegende Konzept der Konstruktion, deren selbstständige Existenz postuliert wird (Goldberg 1995; Croft 2001). Im Mittel-punkt der KG steht nicht nur die Kombination der Konstruktionen, sondern auch ihre lexikalische Füllung. Ferner lässt sich die Satzbedeutung als die Wechselwir-kung der Wortbedeutung zusammen mit der Konstruktionsbedeutung bestimmen, wobei auch Phänomene wie die Sprechereinstellung und die Informationsstruk-tur Berücksichtigung fi nden (vgl. Goldberg 1995: 229). Somit versteht Goldberg (1995: 4) unter Konstruktion eine grammatische Struktur mit mindestens einer formalen und mindestens einer semantischen Eigenschaft, die sich nicht aus den Merkmalen ihrer Bestandteile oder aus etablierten Konstruktionen ableiten lässt (Goldberg 1995: 4). In den Worten von Jacobs (2008: 5) ist eine Konstruktion von L: „eine direkte Festlegung von Aspekten der Form oder der Bedeutung einer Klasse von Zeichen von L, die im Zusammenwirken mit anderen grammatischen

d.h. die vom Sprecher jeweils gewählte sprachliche Umsetzung einer Szene. Laut Storrer (1992: 285) zeichnen sich die perspektivierungsfi xierten verbspezifi schen Rollen dadurch aus, dass diese in Ver-bindung mit einem Verb und in einer konkreten Situation auf jeden Fall zu realisieren sind und „somit die ihr entsprechende Situationsrolle auf jeden Fall perspektiviert wird”. Storrers Perspekti-vierungsfi xiertheit (1992: 285) hat die kommunikative Angemessenheit von Äußerungen zum Ziel. Nicht zu verwechseln sind einerseits der Begriff perspektivierungsfi xiert und andererseits die Begrif-fe obligatorisch und notwendig, denn die Obligatheit bezieht sich auf ein Verblexem und die Not-wendigkeit lässt in der Regel Faktoren der Äußerungssituation außer Acht. Der Hauptunterschied bezüglich der Auffassung der Valenz als syntaktische oder als semantische Erscheinung und Storrers Ansatz (1992: 314ff.) hängt mit der Tatsache zusammen, dass sie zur Bestimmung der Valenz von einer Situationsvalenz und von Situationsrollen ausgeht. Weitere Differenzen betreffen die Bestim-mung der Ergänzungen und Angaben.

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Mechanismen zur Erzeugung von Elementen dieser Zeichenklasse eingesetzt wird.“

Den Ausführungen von Jacobs (2008: 5) zufolge lässt sich beispielhaft die Begriffsbestimmung „Zeichenklasse“, von der im Zitat die Rede ist, mittels der Kombination einer phonologischen, einer kategorialen und einer semantischen Struktur (Phon, Kat, Sem) näher bestimmen. Zur Veranschaulichung werden die nachstehenden Beispiele angeführt:

a) die In-X-setzen-KonstruktionPhon /in X zεts∂n/Kat [v[pin XN, deverbal] setzenv]Sem λyλx [x bewirkt, dass y in einem X-Zustand/Prozess gerät]z.B. in Bewegung setzen, in Kenntnis setzen, in Gang setzen

b) die töten-KonstruktionPhon /tØ:t∂n/Kat tötenvSem λyλx [x verursacht, dass y stirbt]7

Insgesamt kann festgestellt werden, dass der Konstruktionsbegriff alle kon-ventionalisierten linguistischen Ausdrücke umfasst, darunter Derivations- und Flexionsmorphologie, lexikalische Einheiten, etablierte Mehrwortlexeme, idioma-tische Wendungen, Argumentstrukturen, Tempus, Aspekt, Wortklassen, gramma-tische Relationen usw. und dass eine Konstruktion sich nur als solche charakteri-sieren lässt, wenn ihre Form und Bedeutung direkt verbunden sind, wobei die Bedeutung nicht völlig kompositionell ist und die Form nicht aus anderen Formen der Sprache abzuleiten ist. Angesichts ihrer Vielfältigkeit werden die Konstrukti-onen bestimmten auf unterschiedlichen Schwerpunkten aufbauenden Klassen zu-geordnet, wie z.B. die Klassifi kation von Jacobs (2008: 6) in atomare, komplexe, syntaktische, phraseologische und morphologische Konstruktionen oder die Ein-teilung der Konstruktionen in spezifi sche und allgemeine von Tomasello (1998) und Croft / Cruse (2004) verdeutlichen. Bei den bereits genannten gehen die Un-terschiede m.E. darauf zurück, dass bei Jacobs der Schwerpunkt auf der Form zu liegen scheint, hingegen bei Tomasello ein semantisches Kriterium in den Vorder-grund gerückt wird, nämlich ob die Bedeutung des Ganzen aus der Bedeutung der Bestandteile erschließbar ist: Trifft dies zu, so handelt es sich um allgemeine Konstruktionen, wenn nicht, um spezifi sche Konstruktionen.

Offene Fragen, deren Bearbeitung noch ausstehen, hängen u.a. damit zu-sammen, welche Rolle der Abstraktheit der Konstruktionen, ihrer Kompositiona-lität und ihrer Bedeutung beigemessen werden sollte.

Darüber hinaus, dass die KG und VG die Beschreibung von Zeichen intendie-ren, d.h. Wörter oder Konstruktionen als bilaterale Einheiten mit einer Form- und

7 Zu weiteren Konstruktionsmodellen siehe Jacobs (2008).

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Bedeutungsseite, geht laut Welke (2009: 83) der Hauptunterschied zwischen bei-den hauptsächlich auf ihre Perspektivierung zurück: Im Fall der VG und projekti-onistischer Ansätze geht der Blickwinkel vom einem Valenzträger als Regens zur Konstruktion. Den valenzausgerichteten Postulaten zufolge vermittelt das Verb selbst bzw. ein bestimmter Valenzträger die erforderliche Information zur Bildung von Konstruktionen bzw. Sätzen, was quantitative und qualitative Valenz genannt wird. Demgegenüber gelangt die KG von der Konstruktion zum Regens, indem die Konstruktion, und nicht der Valenzträger, diese Information gibt. Anzumerken sei hier die enge Interaktion zwischen Verb und Argumentstrukturkonstruktion, da die Konstruktion nicht ohne das Verb, das sie instanziiert, untersucht werden kann.

3. Analyse der freien Dative,Resultativkonstruktionen und Ad-hoc-Struturen

EinführungIn dieser Einführung wird Wotjaks paradigmenübergreifendes Valenzkonzept, das die Interrelation von Syntax und Semantik sowie die von System und Sprachver-wendung (Pragmatik) beachtet und seine Annahme hinsichtlich des kommunika-tiven Potentials lexikalischer Einheiten umrissen (Wotjak 2000; 2006a, b). Auf der Grundlage seiner Postulate sowie des zentralen Stellenwerts, der den Bedeutungs-varianten bzw. Lesarten eines Valenzträgers zuzuweisen ist, kann m.E. Licht in die Analyse der hier zu behandelnden Zweifelsfälle gebracht werden. Von Belang scheint die Ansicht von Wotjak (2006b: 172), dass bestimmte kombinatorische morphosyntaktische und sememotaktische Regelmäßigkeiten wie die complemen-tation patterns, die predicates frames, die Satzbaupläne untereinander Ähnlich-keiten aufweisen und dass sie sogar mit den Konstruktionen von Goldberg (1995) vergleichbar sind.

Laut Wotjak ist das kommunikative Potential lexikalischer Einheiten dasjeni-ge, das dem Text oder Diskurs seine Argumente und Modifi katoren zuschreibt sowie dasjenige, das die Aktualisierung einer bestimmten kognitiven Konfi gurati-on bzw. frame oder script gewährleistet bzw. ermöglicht. Weiterhin erläutert Wot-jak, dass zur Ausdrucksseite lexikalischer Einheiten die Zitierform (z.B. Verb im Infi nitiv), morphosyntaktische Eigenschaften (Genus, Numerus, Valenz, Distribu-tion) und pragmatisch-kommunikativ-stilistische Merkmale (diatopisch, diastra-tisch, usw.) gehören. Die Bedeutungsseite untergliedert sich in:

a) die semantische Mikrostruktur oder Sememe: Es handelt sich um eine Abs-traktion, die auf Prozesse der Usualisierung, Sozialisierung und Generalisierung zurückgeht und die eine Korrelation mit dem Geschehenstyp von Klix (Wotjak 2006a: 115) hat. Bei den Sememen handelt es sich um kognitive Entitäten sui generis (2006a: 104);

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b) die semantische Mediostruktur bzw. das semasiologische Feld, das der kognitiven mediostrukturellen Konfi guration entspricht (2006a:116);

c) die paradigmatische semantische Makrostruktur, die alle Sememe umfasst, die irgendeine Beziehung untereinander aufweisen und infolgedessen unter einer gleichen Archisemformel zerfallen. Als Pendant hat sie die kognitive propositio-nale Konfi guration.8

Im Anschluss an das Obige möchte ich anführen, dass alle aus konkreten Realisierungen herausgestellten Satzbaumuster, deren sprachwissenschaftliche Abstraktion der Satzbauplan ist, eine direkte Entsprechung zu dem von Wotjak beschriebenen kommunikativen Potential der lexikalischen Verbeinheit bilden. Somit lässt sich das Satzbaumuster als Beschreibung konkreter Ausdrücke mit der Konstruktion vergleichen. Dazu kommt, dass die Aktualisierung einer Bedeu-tungsvariante eines Valenzträgers mit einem im menschlichen Bewusstsein exis-tierendem abstraktem Abbild von entsprechenden Sachverhalten in der Wirklich-keit zusammenhängt und dass die kompatiblen Kontextpartner nur auf der Basis einer aktuellen Wortbedeutung festgestellt bzw. festgelegt werden können. Zur Verdeutlichung meiner Annahme ziehe ich die nachstehenden Fälle heran:

– Die einzelverbbezogene Beschreibung: Auf die Wechselwirkung zwischen den konkreten aktualisierten Bedeutungen und den Satzbauplänen weisen einige aus VALBU (2004) entnommene Lesarten von folgen hin:

folgen 2: etwas folgt jemandem/etwas oder auf jemanden/etwasetwas kommt in einer zeitlichen, qualitativen o.Ä. Reihenfolge gleich nach jemandem/etwas

Ksub , (Kdat / Kprp) Eine Sekretärin folgte der anderen. Keine hielt es länger als sechs Monate mit ihm aus.

folgen 5: etwas folgt aus etwasetwas ist die Konsequenz von etwas oder ergibt sich aus etwas

Ksub , Kprp Was folgt daraus?

folgen 6: etwas folgt etwasetwas richtet sich nach Maßgaben, die von etwas vorgegeben sind

Ksub , Kdat Die Länge der Röcke folgt der Mode.

8 Ein Beispiel für eine Formel der Fortbewegung ist laut Wotjak (2006b: 182): ADESSE (x&x, LOC1)ti ET [OPER (x,z) & CAUS (x, (ADESSE (x&z, LOC2)))ti+k [ADESSE (x&x, LOC3)] ti+l. Zur Veranschaulichung des Argumenten-/Aktantenpotentials der Verben stehlen und bestehlen dient die nachstehende Beschreibung:

stehlen bestehlenx = AGENTE/<Hum> → Subjekt/Sn x = AGENTE/<Hum> → Subjekt/Sny = SOURCE/<Hum> → Oi/Sd y = SOURCE/<Hum> → Od/Saz = PACIENTE/<Ofi s> → Od/Sa z = PACIENTE/<Ofi s> → 0Die Aktantensequenzen für stehlen und bestehlen lauten:stehlen: Subj - Vf; Subj - Sa ; Subj - Sd - Sa; stehlen 1 + (2)/dreiwertigbestehlen: Subj - Sa; bestehlen 2/ zweiwertigZur näheren Information siehe Wotjak (2000).

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– Die verbfelderbezogene Beschreibung und die kontrastive Perspektive brin-gen den Nachweis dafür, dass je nach Fall der Sprecher mittels des ausgewählten Verbs eine andere Szene aktualisiert, wie es sich aus einer Gegenüberstellung von stehlen und bestehlen sowie von verstehen, begreifen und nachvollziehen9 heraus-stellt:

comprender2

Encontrar explicable [algo o el comportamiento de alguien (acu)]

Im Sinne von „jmdn. in seinem Denken, Fühlen u. Handeln verstehen“

verstehenEncontrar explicable [algo o el comportamiento de alguien (acu)]Im Sinne von „jmdn. in seinem Denken, Fühlen u. Handeln ver-stehen“suj (acu)Ich verstehe Ihre Verärgerung und verzeihe Ihnen diese Worte.

begreifen 2Encontrar explicable [algo o el comportamiento de alguien (acu)] mediante un esfuerzo intelectualIm Sinne von „durch eine intellektuelle Tätigkeit jmdn. in seinem Denken, Fühlen u. Handeln verstehen“suj (acu)Ich konnte deine Grausamkeit nicht begreifen. Das war das einzi-ge Mal im Leben, dass du mich geschlagen hast.

nachvollziehenEncontrar explicable [el comportamiento o pensamiento de alguien (acu)] poniéndose en su lugarIm Sinne von „sich in jmds. Gedanken, Vorstellungen, Handlungs-weise o. Ä. hineinversetzen“suj acuDie Repräsentantin des Verteidigungsausschusses schaute ihm tief in die Augen und ließ ihn sofort wissen, dass sie dieses Verhalten nicht nachvollziehen konnte.

Wie aus der obigen Beschreibung hervorgeht, wird seitens des Sprechers das Verb nachvollziehen ausgewählt, wenn man vermitteln möchte, dass man sich in die Rolle eines anderen versetzt, und begreifen hingegen, wenn das Verständnis nach einer intellektuellen Tätigkeit bzw. Bemühung erfolgt.

Aus dem Obigen lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die Konstrukti-onen, aber auch die Satzbaupläne bzw. Satzbaumuster aus einer Abstraktion kon-kreter Realisierungen resultieren, die aufgrund des kommunikativen Potentials lexikalischer Einheiten zustande gekommen sind.

3.1. Die sogenannten freien Dative

In der gegenwärtigen Forschungslage erweist sich der Begriff der sogenannten freien Dative (f.D.) – Dativus sympathicus, Dativus incommodi, Dativus ethicus,

9 Diese von mir gekürzte Beschreibung stammt aus DCVVEA (vgl. Domínguez / Paredes, 2010a, b.).

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Pertinenzdativ oder Dativus possessivus (Terminologie nach Engel 1996)10 – als ziemlich umstrittenes Phänomen.11 Bei der Betrachtung von Valenzwerken, ein-schlägigen Grammatikkapiteln sowie Monographien lässt sich feststellen, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt, wie der Status dieses Dativs defi niert wird: Während einige von Ergänzungen (verbspezifi sch) sprechen, bezeichnen ande-re ihn als Angabe (nicht subklassenspezifi sch). Folglich werden sie von Alarcos (1980), Busse / Vilela (1986: 27), Gutiérrez (1999), Helbig / Buscha (1996: 552) und Vázquez Rozas (1995)12 als Angaben eingestuft, hingegen werden der Da-tivus sympathicus und der Dativus incommodi laut Engel (1996; 2009), Engel et al. (1999) und Zifonun et al. (1997) als subklassenspezifi sch bestimmt, somit als Ergänzungen. Betreffend den Pertinenzdativ kommt eine zusätzliche Schwierig-keit hinzu, nämlich seine Auffassung als Ergänzung zum Nomen (Engel 2009; 2010) oder als subklassenspezifi sches Satzglied des Verbs (Zifonun et al., 1997). Übereinstimmung liegt nur in der Zuordnung des Dativus ethicus zum Angaben-bereich. Aus konstruktionsausgerichteter Sicht werden bei Beispielen wie Würden Sie bitte die Tür öffnen? und Würden Sie mir bitte die Tür öffnen? zwei Konstruk-tionen unterschieden.

Zu einer Auseinandersetzung mit den f.D. ziehe ich im Weiteren die Ergeb-nisse ausgewählter Valenzwörterbücher heran, aus denen erschlossen werden kann, dass sich in der lexikographischen Praxis die Nicht-Notierung der f.D. im Satzbauplan als Haupttendenz erweist – und dies trotzt ihrer Auffassung als Ergän-zungen in vielen Fällen: In VALBU (2004) werden Dativus ethicus, commodi und incommodi zu den Angaben gerechnet. Auf den Pertinenzdativ wird mittels einer Anmerkung hingewiesen.13 Im Kleinen Valenzlexikon werden Dativus ethicus, sympathicus und incommodi nicht notiert, „obwohl sie strenggenommen als Ver-

10 Als Beispiele für die bereits angeführten Klassen ziehe ich die folgenden heran: a) Dativus sympathicus: Würden Sie mir bitte die Tür öffnen?; b) Dativus incommodi: Mir ist die Vase herun-tergefallen; c) Dativus ethicus: Das ist mir mal ein Affentheater!; d) Pertinenzdativ: Kannst du mir den Mantel halten?

11 Engel kritisiert in unterschiedlichen Arbeiten diesen traditionellen Terminus, wie z.B.: „Auch die sogenannten »freien Dative«, die größtenteils fakultativ sind, gehören zur Menge der Dativergänzungen, weil sie nur mit Subklassen von Verben verbunden werden können. Die vielbe-rufene »Freiheit«, die nur als Freiheit vom Verb gemeint sein kann, ist nichts als Folge eines Irr-tums.“ (Engel et al. 1999: 239).

12 Nach Vázquez Rozas gehören die f.D. zwar zu den zentralen syntaktischen Funktionen ei-nes Satzes, trotzdem sind sie nicht subklassenspezifi sch (1995: 68): „Emplearemos los califi cativos de »valencial« o »nuclear« para referirnos a los elementos que forman parte de la valencia del verbo en una cláusula dada, frente a los elementos que no dependen estrechamente del verbo y que consi-deraremos »no valenciales« o »periféricos«. Por otro lado, hablaremos de función »central« – frente a función »no central« – para aludir a aquellas funciones sintácticas que en el conjunto de las cláu-sulas de una determinada lengua desempeñan un papel relativamente más relevante, independiente-mente de su carácter nuclear o no”.

13 Zur Veranschaulichung ziehe ich die entsprechende Information beim Verb backen aus VALBU (2004) heran: Mit einer NP im Dat oder einer PräpP [für + Akk] kann auf die Person, zu deren Gunsten etwas gebacken wird, Bezug genommen werden: w.z.B. Zu deinem Geburtstag backe ich dir /für dich eine Schokoladentorte.

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bergänzungen gelten müssen“ (Engel / Schumacher 1976: 60f.). Im Valenzlexikon Deutsch-Rumänisch (Engel / Savin 1983: 33f.) wird der possessive Dativ nicht als Ergänzung beschrieben, „aber in möglichst vielen Fällen unter dem Satzbauplan-code vermerkt und in entsprechenden Beispielen aufgeführt“. Und in DCVVEA (Domínguez / Paredes 2010b) kommen sie nur im Beispielfeld vor.

Zu Rate gezogen werden auch die Ergebnisse der spanischen Sprachwissen-schaft, die sich zwecks der Abgrenzung der f.D. gegenüber der etablierten Dativer-gänzung auf den Vergleich der ihnen zugewiesenen Eigenschaften stützt.14 Somit wird den nachstehenden Testverfahren ein zentraler Wert zugeschrieben: 1) die notwendige Realisierung der f.D. als Pronomen; 2) ihre nicht mögliche Redupli-kation bei Bezugnahme auf das Subjekt15; 3) die Nichterfüllbarkeit der Kriterien der Fokussierung16, der Formulierung A oder B?17 sowie der Nominalisierungs- und Partizipientests18 und 4) das mögliche Auftreten der Dativergänzung und der f.D. in gleicher Äußerung. Die sich aus dieser Gegenüberstellung ergebenen Re-sultate fasse ich tabellarisch wie folgt zusammen:

19

Dativergänzung Freie Dative/andereDativerscheinungen

Pronominalisierung19 + +Wortklasse Pronomen (immer) – +Passivierung – –Reduplikation + +/–

14 Trotzt der Tatsache, dass die aus der Analyse der spanischen f.D. hervorgehenden Resultate nicht den Status der f.D. im Deutschen bestimmen kann, wäre die Übermittlung der im Spanischen verwendeten Testverfahren ins Deutsche den Versuch wert.

15 Die Reduplikation bzw. Kongruenz zwischen der Dativrealisierung mit der Subjektergän-zung kommt bei den sogenannten dativos concordados oder refl ejos vor (Gutiérrez 1999: 1909ff.). Nicht möglich ist sie bei Beispielen wie *Tú te crees todo (a ti).

16 Die Dativergänzungen können anhand eines Relativsatzes oder eines Konditionalsatzes bzw. einer -periphrase fokussiert bzw. emphatisiert werden, z.B.: Pepe regaló ayer fl ores a María (Pepe schenkte gestern María Blumen) – Fue a María a quien regaló rosas ayer Pepe, Si a alguien regaló rosas ayer Pepe fue a María. Es wäre aber nicht möglich: *Fue Ø a quien regaló rosas ayer Pepe, *Si Ø regaló rosas ayer Pepe fue a María (Gutiérrez, 1999: 1864).

17 Die Dativergänzungen lassen die Anwendung der Formulierungen nicht A, sondern B und A oder B? zu: No fue a María sino a Susana a quien regaló rosas ayer Pepe oder A quién regaló ayer rosas Pepe, ¿fue a María o a Susana? (vgl. Gutiérrez 1999: 1864).

18 Bei der Nominalisierung eines Verbs wird die Valenzstruktur beibehalten: Enseña cálculo a los adultos – La enseñanza del cálculo a los adultos. Die Probe beschränkt sich nur auf Verben, aus denen ein Nomen abgeleitet werden kann (Näheres dazu Gutiérrez 1999: 1865). Der Partizipientest gründet darauf, dass das Partizip die gleiche Valenzstruktur wie das Verb aufweist, wie z.B.: Pepe regaló fl ores ayer a María – Flores regaladas por Pepe a María. Unmögliche Umformulierungen wie A Pepe se le murió su tía – *La tía muerta a Pepe weisen auf den Angabenstatus der f.D. hin (Näheres dazu Gutiérrez 1999: 1865).

19 Die Dativergänzungen werden durch die Pronomen le, les, nos, os oder die a-Nominalphra-se, die dem genannten Pronomen entspricht, realisiert. Im Deutschen dagegen kann z.B. ein Perti-nenzdativ nominal ausgedrückt werden (Zifonun et al. 1997: 1089).

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Dativergänzung Freie Dative/andereDativerscheinungen

Umformulierung (Relativ- und Konditionalsatzperi-phrase, Fokussierung) + –/+ (CInd2)20

Formulierungen (nicht A, sondern B und A oder B?) + –/+ (CInd2)Nominalisierungs- und Partizipientest + – 20

Wichtig ist m.E. die Einsicht, dass die zitierten Ausführungen, die angesichts des kaum mehr überschaubaren Angebots an linguistischer Literatur notgedrungen nur eine Auswahl bilden, die Defi nition der Ergänzung vorwiegend außer Acht lassen: Der Dativus sympathicus und der incommodi treten allerdings nur mit be-stimmten Verbklassen in Erscheinung (Engel 2009; 2010; Zifonun et al. 1997)21, folglich sind sie Ergänzungen. Ferner bestehen sie den Folgerungstest (Zifonun et al., 1997: 1088). Betreffend den Pertinenzdativ und seine Bestimmung als Verb- oder Nomenergänzung plädiere ich wie Engel (2009; 2010) für die Auffassung der possessiven Dative als dislozierbare Attribute, die wie folgt defi niert werden: „Der Pertinenzdativ hat zur Voraussetzung, dass in dem Satz ein Kleidungsstück, ein Körperteil oder ein irgendwie unmittelbares Zubehör einer Größe genannt wird, die er dann als »Besitzer« dieses unmittelbaren Zubehörs angibt“ (Engel 2010: 3).

Dass das unmittelbare Zubehör sich als eine notwendige Bedingung für das Vorkommen des Pertinenzdativs aufweist, steht nicht einer dependenzorientierten Analyse entgegen, wenn man Dependenzbeziehungen als Vorkommensbezie-hungen versteht (Engel 2010: 3).

Insgesamt lässt sich schlussfolgern, dass aufgrund der tiefgreifenden Unter-schiede der f.D. untereinander die bisher vertretene Zuordnung der f.D. zu einer einheitlichen und einzigen Klasse einer grundlegenden Erörterung bedarf. Weiter-hin sei hier zu erwähnen, dass die Gegenüberstellung von Klassenergänzungen, wie hier die zwischen der etablierten Dativergänzung und den f.D., als einziges Unterscheidungsinstrument unzulänglich ist.

3.2. Ad-hoc-Bewegungsverben und Resultativkonstruktionen

EinführungNachstehende Beispiele gelten als Ausgangspunkt für weitere Beobachtungen:

1. Motorräder knatterten durch das Dorf.2. Er nieste die Serviette vom Tisch.20 Diese als Complementos indirectos2 (CInd2) gekennzeichneten Satzglieder gehören nicht

zur Verbvalenz, sondern werden mittels eines grammatikalischen Prozesses (der Pronomina le-les) hinzugefügt (Strozer 1978; Gutiérrez 1999). Als deutsches Pendant gilt der Dativus sympathicus.

21 Den Aufführungen von Engel zufolge kommt der Dativus sympathicus nur bei Verben vor, die ein willkürliches Tun bezeichnen (Engel 2010; Zifonun et al. 1997: 1088ff.) und der Dativus incommodi bei Verben, „die Vorgänge bezeichnen, die von Menschen beeinfl usst werden können“ (Engel 2010: 3).

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3. Er pfi ff ihn aus dem Saal.4. Sie singt das Publikum aus dem Saal.5. Er trinkt die Flasche leer.6. Er macht die Suppe warm.7. Er stellt den Keller voll.8. Ich mache den Stall sauber.

Einführend scheint eine kurze Klärung der aufgelisteten Beispiele vonnöten zu sein: Im Gegensatz zum ersten Beispiel – dem intransitiven Verb knattern wird ein direktives Satzglied hinzugefügt (ein Ad-hoc-Bewegungsverb laut Welke 2009: 92) –, handelt es sich in den Beispielen 2–8 um kausative Sätze (häufi g Resultativkonstruktionen oder small-clause genannt), die sich aus einem Verb mit Akkusativkomplement und zusätzlich aus Direktivergänzungen oder adjekti-vischen Verbgruppenadverbialen zusammensetzen. Denen liegt eine prädikative Relation zugrunde (Zifonun et al. 1997: 1114). Dass kausative Konstruktionen keine einheitliche Klasse bilden, geben die folgenden Beobachtungen zu er-kennen:

a) Der Fall von niesen: Hier liegt die Transitivierung eines prototypischen intransitiven Verbs vor. Laut Möller (2010:194 ff.) werden die von der kausativen Verwendung eröffneten Argumentstellen in der Valenz des Basisverbs nicht vor-gesehen.

b) Der Fall von singen und pfeifen: Wie 1 werden die 2–4 als temporäre Be-wegungsverben (Maienborn, 1994) und als Ad-hoc-Bewegungsverben (vgl. Welke 2009) eingestuft, da eine „momentane semantische Veränderung des Verbs“ (Wel-ke 2009: 92) stattfi ndet.22 Darüber hinaus, dass diese Verben ein inneres Objekt, wie er pfi ff ein Signal oder er singt eine Arie, aktualisieren können23, kann die Transitivierung von diesen Verben

nur unter der Bedingung erfolgen, dass mit dem Akkusativkomplement eine weitere Konstitu-ente – PP oder ADJP – angebunden wird. Zwischen dieser und dem Akkusativkomplement besteht nur semantisch eine prädikative Relation, die wiederum das Resultat der vom einbet-tenden Verb bezeichneten Handlung beschreibt“ (Zifonun et al. 1997: 1114).24

c) Mittels 5–8 wird die Bildung von Resultativkonstruktionen mit einem tran-sitiven Verb veranschaulicht, wie es bei trinken, stellen und machen der Fall ist. Dazu kommt noch hinzu, dass die Akkusativergänzung sich in der kausativen Ver-

22 Unter Berücksichtigung der Zweiebenensemantik, der Konstruktionsgrammatik und der Valenzgrammatik erklärt Welke diese Fälle mit Hilfe der konzeptuellen Anpassung sowie der Impli-katuren. So sagt er, dass eine Bedeutung „ad hoc und vorübergehend auf Grund einer pragmatischen Implikatur verändert [wird]“ (2009:102).

23 Die unterschiedliche semantische Belegung des Akkusativs als inneres Objekts oder als Bestandteil einer kausativen Konstruktion ist zu beachten.

24 Mittels dieser Umformulierung lassen sich kausative Verwendungen von anderen Realisie-rungen wie Pavarotti treibt das Publikum aus dem Saal unterscheiden (Zifonun et al. 1997: 1114f.).

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wendung in einigen Fällen, wie 5 und 8 als fakultativ, in anderen als obligatorisch (7) aufweist.

Um es vorwegzunehmen: Die Tatsache, dass Resultativkonstruktionen und Ad-hoc-Bewegungsverben in die Valenzwörterbücher hauptsächlich so gut wie keinen Eingang fi nden, wurde von verschiedenen Autoren und unter unterschied-lichen Aspekten häufi g kritisiert, so dass es geraten und notwendig erscheint, im Folgenden in groben Zügen darauf einzugehen: Es ist allgemein bekannt, dass der Bezugspunkt für die Valenzlexikographie im Fach Deutsch als Fremdsprache liegt. Folglich zeigen viele Valenzwörterbücher wie KVL (Engel / Schumacher, 1976) oder VALBU (2004) eine Verbauswahl aus der Wortschatzliste des Zertifi kats Deutsch als Fremdsprache (ZDaF) oder Zertifi kat Deutsch, die alle in den Prü-fungen vorkommende Wörter beinhaltet. Unter Berücksichtigung des Ziels dieser Werke als Nachschlagewerke für die Verbesserung des DaF-Unterrichts und ange-sichts des intendierten Benutzerkreises wird deutlich, dass Resultativkonstrukti-onen, Ad-hoc-Bewegungsverben, Ad-hoc-Erweiterungen usw. nicht im Mittel-punkt der lexikographischen valenzbasierten Betrachtung stehen. Als weiterer Grund kommt noch ihre wenig festgestellte Häufi gkeit.

Hinsichtlich der Bestimmung von Ad-hoc-Erweiterungen und kausativen Strukturen haben sich in den letzten Jahren unterschiedliche Auffassungen heraus-gebildet. Im Rahmen der Valenzgrammatik rücken die Termini und Begriffe Ad-hoc-Valenzerweiterung (Ágel 2000; Welke 2009), Argumentenpotential (Wotjak 1984) bzw. Grundvalenz (Welke 2009) oder Valenzpotenz gegenüber der Valenzre-alisierung (Ágel 2000) in den Vordergrund. Gemeinsamer Nenner all dieser An-sichten ist die Bestimmung der Ad-hoc-Erweiterungen als okkasionelle Erschei-nungen und ihre Zurückführung auf ein konventionalisiertes Muster. Folglich bauen diese Annahmen auf der Unterscheidung zwischen einer im Lexikon eingetragenen Grundvalenz und den im Gespräch aktuellen prädikativen Leistungen auf.

In den unterschiedlichen Ausprägungen der KG (Goldberg 1995; Goldberg / Jackendoff 2004) sowie in lexikonbasierten Ansätzen wie der Head-driven Phrase Structure Grammar (HpSG) (Müller 2008) werden ebenfalls Resultativkonstruk-tionen in Betracht gezogen. Aus einer Auseinandersetzung mit den Postulaten der KG stellt sich heraus, dass im Gegenteil zur VG das Objekt (die Akkusativreali-sierung) sowie die Bedeutung der Resultativkonstruktion nicht durch den Lexi-koneintrag, sondern durch die Konstruktion selbst lizenziert wird, was zu bedeuten hat, dass die Konstruktion die Resultativsemantik steuert (Goldberg 1995). Ferner wird zwar der Begriff der semantischen Anpassung zum Schlüsselkonzept, aber ihm liegen unterschiedliche Auffassungen zugrunde: Im Gegensatz zu Goldberg (1995) vertritt Welke eine semantische Anpassung an konkreten sprachlichen Ma-terial:

Die Anpassung setzt voraus, dass es bereits eine Konstruktion als syntaktisches Muster gibt, [...]. Die Möglichkeiten der Anpassung müssen von beiden Seiten her gegeben sein. Das Verb muss semantisch, d.h. von seiner im Lexikon abgespeicherten Bedeutung her, die Anpassung

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ermöglichen, und die Konstruktion muss ein syntaktisches Muster für die Realisierung der semantischen Anpassung bereitstellen (2009: 103).

Offensichtlich bedarf die Frage nach dem Verhältnis der in der Resultativ-konstruktion mitbeteiligten Satzglieder sowie nach ihren Dependenzbeziehungen einer eingehenden Erörterung, worauf ich im Weiteren eingehe.

3.2.1. Der Fall von Motorräder knatterten durch das Dorf

Die Anwendung des zur Prüfung der Fixiertheit angelegten Reduktionstests (Zi-fonun et al. 1997: 1031) führt gewichtige Argumente für die Bestimmung des di-rektiven Satzgliedes als Direktivergänzung (Engel, 2009) an, indem er Folgendes besagt:

Kann das Resultat der Reduktion nicht mehr als Ausdruck einer Proposition gelten oder verän-dert sich bei der Reduktion die Interpretation des verbalen Prädikatsausdrucks, so ist die Phra-se, um die reduziert wurde, ein Komplement, sofern sie nicht Teil des Verbalkomplexes ist (Zifonun et al. 1997: 1043).

Für die Annahme, dass diese sogenannte erweiterte Stelle eine subklassenspe-zifi sche Valenzstelle ist – somit Ergänzung –, spricht m.E. ebenfalls die Tatsache, dass der verbale Prädikatsausdruck durch das Auftreten bzw. Weglassen des direk-tiven Satzgliedes anders zu interpretieren ist. Verstärkt wird diese Feststellung, wenn das Vorhandensein zwei unterschiedlicher Bedeutungsvarianten, und nicht einer Ad-hoc-Erweiterung der Stellenanzahl, in Betracht gezogen wird. Somit wird ersichtlich, dass bei Motorräder knatterten die Umstände ausgedrückt wer-den (vgl. Welke 2009: 106) und dass bei Motorräder knatterten durch das Dorf hingegen das Verb zur Aktualisierung der Lesart Motorräder fuhren knatternd durch das Dorf beiträgt. Aus dem, was bisher geschildert wurde, muss gefolgert werden, dass das direktive Satzglied sich als eine obligatorische vom verbalen Valenzträger geförderte Ergänzung erweist.

3.2.2. Die Fälle Er nieste die Serviette vom Tisch und Er singt das Publikum aus dem Saal

Zwecks der Klärung der Unterschiede – singen wird in VALBU (2004) eine tran-sitive Bedeutungsvariante zugeschrieben25 und niesen wird in Bedeutungswörter-büchern als intransitiv gekennzeichnet – ist wiederum die Berücksichtigung von zwei Bedeutungsvarianten sowie die von ihren syntaktischen und semantischen Kompatibilitätsbeschränkungen von zentraler Bedeutung, denn im Gegensatz zu intransitiven Verwendungen kann die kausative Bedeutung nur aus der Zusam-mensetzung aus einer Akkusativergänzung und einer Direktivergänzung erfolgen. Mit der häufi g infrage gestellten Rolle des Verbs in diesen Konstruktionen als

25 Im Sinne von „etwas melodisches mit Hilfe der Stimme hervorbringen“ (siehe dazu Einfüh-rung zu diesem Unterkapitel).

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Valenzträger sowie mit der Bestimmung des Objekts als Verbergänzung oder als Ergänzung eines komplexen Prädikats setze ich mich mithilfe einer Gegenüber-stellung von Fortbewegungsverben sowie anderen Verben mit einer adverbialen deiktischen Partikel auseinander:

1. Ein Ball, auf die Plattform oben geworfen, rollte im Innern herunter […] (DeReKo).

2. „Glück gehabt“, lachte der Puppenmann und sprang von einem der Last-wagen herunter[...] (DeReKo).

3. Dort warf er einen Blumenkübel herunter (DeReKo).4. Gleich umbringen wollte er seinen Landsmann aber dann doch nicht, er

nahm die Waffe herunter und begann – wie man es in den Wildwestfi lmen sieht – wild um sich zu schießen [...] (DeReKo)

5. Sie ließen die Kugel den Assessorenweg herunterrollen [...] (DeReKo).

Hinsichtlich der Analyse dieser Verben vertrete ich die Auffassung, dass in Fällen wie 1 und 2 der adverbiale Verbpartikel (herunter) eine Ergänzung ersten Grades ist: Für diesen valenzbedingten Richtungsausdruck ist im primären Ver-beintrag eine Stelle vorgesehen. Der Wahl einer möglich vorangehenden Präposi-tionalphrase (bei 2 von einem der Lastwagen) unterliegen semantische Kompati-bilitätsforderungen und Selektionsbeschränkungen, somit handelt es sich dabei um eine von dem adverbialen Kopf (Eadvpad) abhängige Ergänzung (Eadv2grades). Folglich ist in 2 von einem der Lastwagen eine Ergänzung zweiten Grades von herunter. Bei 3 und 4 schlage ich den Satzbauplan Subjektergänzung Akkusativer-gänzung Direktivergänzung vor.

Angenommen, dass Beispiele wie Er nieste die Serviette vom Tisch herunter oder Er sang das Publikum aus dem Saal heraus vorlägen, erweist sich eine ana-loge Analyse zu den Beispielen 3 und 4 als angebracht. Denn die im Akkusativ realisierte Nominalphrase, wie im Beispiel 5 die Kugel, ist m.E. verblexemspezi-fi sch: Sie hängt vom Verb, im konkreten Fall rollen, und nicht von herunter oder von der Kombination herunter + rollen ab, worauf auch die Kombinatorik der Verben heruntersteigen, herunterspringen, hinunterklettern u.a. hindeutet.

Aus den obigen Ausführungen geht hervor, dass bei der Analyse der hier be-handelten Resultativkonstruktionen die Möglichkeit eines komplexen Prädikats auszuschließen ist, somit handelt es sich um zwei obligatorische Ergänzungen, die zur Aktualisierung einer konkreten Lesart vonnöten sind.

3.2.3. Der Fall Peter trinkt die Flasche leer

Entgegen den depiktiven Konstruktionen – prädikativen Attributen, wie z.B. dass der Prinz Dornröschen nackt küsst – und der Kombinationen von Verb und Ad-verb wie z.B. dass der Prinz das Märchen schnell liest setzen sich Sätze wie der in der Überschrift aus einem Handlungsverbsatz (Peter trinkt) und einem sub-

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jektsprädikativen Satz (die Flasche ist leer) zusammen. Heutzutage besteht keine weitgehende Übereinstimmung über die hierarchischen Abhängigkeits- und De-pendenzverhältnisse der in derartigen Sätzen mitbeteiligten Satzglieder. Es stellt sich wiederum die Frage, ob die im Akkusativ realisierte Nominalphrase in der Verbvalenz vorgesehen wird oder ob sie von einem komplexen Prädikat abhängig ist. Zur Darstellung einer möglichen Lösung seitens der kontrastiven Valenzle-xikographie wird der Vorschlag des spanisch-deutschen Verbvalenzwörterbuchs DCVVEA (Domínguez / Paredes a, b.) herangezogen, in dem veränderliche und feste26 Mehrwortlexeme Eingang fi nden. Als Ausgangspunkt für weitere Beob-achtungen dient die nachstehende Beschreibung des zielsprachlichen Lemmas [leer] trinken27:

beber 1 suj (acu) (adv) suj acu prdacu

suj: hum, zoolacu: objprdacu: [lex]

[leer] trinken 2Vaciar [un continente (acu)] ingiriendo todo el líquido

trinkt, trank, hat ge-trunken

Pasiva: werden/seinsuj acu Se bebe de un trago la copa que acaba de servir-se (Ochenta: 11, 4).

suj acu prdacuEr trinkt mit einem Schluck das Glas leer, das er sich gerade eingeschenkt hat.

suj acu Se bebieron la botella entera con dos largas tra-gantadas […] (Cronica: 58, 8).

suj acu prdacuSie tranken die ganze Flasche in zwei langen Zü-gen leer.

suj acu Por último se bebieron la botella en silencio, muy despacio […] (Cronica: 66, 27).

suj acu prdacuZuletzt tranken sie schweigend und sehr lang-sam die Flasche leer.

suj acu Se llevó a los labios el vaso de vino y se lo bebió de un trago (Jovenes: 139, 28).

suj acu prdacuEr führte das Weinglas an die Lippen und trank es mit einem Schluck leer.

Die kontrastiv ausgerichtete lexikographische Analyse verdeutlicht zum ei-nen, dass die Bedeutung der veränderten Wortlexeme sich aus der Summe der Bestandteile ergibt und zum anderen, dass das Verb die Argumentstruktur festlegt, wie es bei [leer] trinken der Fall ist. Die Darbietung von [leer] in eckiger Klam-

26 Bei den festen Mehrwortlexemen handelt es sich um Einheiten, deren Valenz sich aus der Wechselwirkung aller Bestandteile erschließen lässt und bei denen das Vorkommen des Verbs als Simplex in einer dem Mehrwortlexem ähnlichen Bedeutung ausgeschlossen ist. Außerdem trägt die Summe der Bedeutung der einzelnen Bestandteile nicht zur Wiedergabe des ganzen Ausdrucks bei. Ein Beispiel dafür wäre beim Verb colgarse das zielsprachliche Äquivalent sich voll dröhnen oder bei arreglar das Pendant in Ordnung bringen.

27 Zwecks einer Vereinfachung ist dieser Eintrag von mir modifi ziert worden, denn dazu kom-men noch die Verben austrinken, trinken und saufen.

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mer weist darauf hin, dass der Verbzusatz bzw. das unmittelbare Umfeld sich als lexikalisch restringiert erweist, somit wird die Äquivalenz in beiden Sprachen gewährleistet. Hervorzuheben ist, dass diese mehrgliedrigen Entsprechungen im DCVVEA ausschließlich angesichts der kontrastiven Perspektive als Mehrwortl-exeme aufgefasst werden. Der Analyse lässt sich ebenfalls entnehmen, dass nicht nur beide Lesarten unterschiedliche Satzbaupläne, sondern auch unterschiedliche semantische Belegungsregeln und Bedeutungsparaphrasen aufweisen:

28 29 trinken 1 suj (acu) (adv)Flüssigkeit, ein Getränk zu sich nehmen suj: Menschen, Tiere

acu: Gegenstände28, Substanzen29

adv: ablatives Direktivum

[leer] trinken 2 suj acu prdacudurch Trinken leer machen suj: Menschen, Tiere

acu: Gegenständeprdacu: [lex]

Bereits diese wenigen Beispiele zeigen, dass aus semantischer und konzeptu-eller Sicht der Verbzusatz im Sinne von DCVVEA ein wichtiger Bestandteil zur Bedeutungswiedergabe und zur Bildung einer Resultativkonstruktion ist, somit ist er obligatorisch zu belegen. Aus syntaktischer Sicht erfüllt dieser Verbzusatz die Funktion einer Prädikativergänzung. Die in Form einer Akkusativergänzung rea-lisierte Nominalphrase kann nur vom Verb gefördert werden, denn die Hinzufü-gung von Ergänzungen erfolgt nur verblexemspezifi sch. Grob gesagt: Zum Aus-druck einer Resultativkonstruktion muss an erster Stelle ein geeignetes Verb, wie trinken, vorliegen30. Ferner muss eine Prädikativergänzung vorhanden sein und weiterhin eine Akkusativergänzung, die sich als fakultativ wie bei [sauber] ma-chen oder als obligatorisch wie bei den Keller [voll] stellen erweist.

Die Tatsache, dass im Rahmen einer Resultativkonstruktion die vorliegenden Ergänzungen eine enge Interaktion untereinander aufweisen, ist nicht von diesem Konstruktionstyp bzw. Satztyp spezifi sch. Zur Erörterung meiner Annahme führe ich die nachstehenden Beispiele an:

– Der Satzbauplan einer der spanischen Bedeutungsvarianten von caer lautet suj ((adv1) (adv2) (adv3)) / (adv4), mittels dessen auf das Vorhandensein von sich ausschließenden Ergänzungen (/) hingewiesen wird, die sich dadurch kennzeich-nen, dass beim Auftreten eines Ergänzungstyps das Vorhandensein eines anderen ausgeschlossen ist. Im konkreten Fall besteht diese Entweder-oder-Relation zwi-

28 Gegenständlich, sinnlich unbelebt und zählbar.29 Substanzen, nicht zählbare konkrete Erscheinungen.30 Bei einigen Verbklassen, wie z.B. Zustandsverben, nicht-kausativen Zustandsveränderungs-

verben, Partikelverben und viele Präfi xverben, ist laut Engelberg (2010: 133) die Bildung einer kausativen Konstruktion selten oder unmöglich.

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schen den Direktivergänzungen (ablativ, präteritiv, allativ) und der lokativen Situ-ativergänzung.

– Einen Fall für die von mir genannten bedingten Ergänzungen veranschauli-cht eine der Bedeutungsvarianten des spanischen Verbs señalar: Eine Dativergän-zung kann nur beim Vorhandensein einer Akkusativergänzung ausgedrückt wer-den, nämlich:

señalar 6

Hacer una señal [hacia una persona o cosa] para llamar la atenci-ón sobre ella.

suj (acu (dat)) suj prp: aufacu prpdat –

zeigen 1

suj acu datLa secretaria me rogó que aguardara un instante y me señaló el banquillo adosado a la pared (La-berinto: 125, 11).

suj prpDie Sekretärin bat mich, einen Moment zu war-ten und zeigte auf eine Bank, die an der Wand stand.

Bezüglich der bedingten Ergänzungen stellt Wotjak (2006a: 156) für das Deutsche fest, dass die Verben mit einer Akkusativergänzung und Dativergänzung in der Regel nicht die Realisierung der Dativergänzung ohne eine vorhandene Akkusativergänzung zulassen, hingegen liegt das Satzmuster Subjektergänzung Akkusativergänzung, ohne die Dativergänzung, häufi g vor.

Aus alldem lässt sich schlieβen, dass das Verb sich in den sogenannten Resul-tativkonstruktionen als der einzige Valenzträger erweist.

4. Ausblick

Insgesamt lässt sich feststellen, dass viele der hier genannten Schwierigkeiten bei der Betrachtung der Resultativkonstruktionen und der kausativen Konstruktionen u.a. auf ein mangelhaftes Verständnis der Begriffe Satzbauplan und Satzbaumus-ter zurückzuführen sind: Der Satzbauplan gibt nicht nur Information über jede Ergänzung für sich, sondern auch über die Wechselwirkung der in diesem abstra-hierten Modell erfassten Ergänzungen. Das Satzbaumuster, das die konkreten Re-alisierungen darstellt, kann als direkte Entsprechung zu dem von Wotjak beschrie-benen kommunikativen Potential lexikalischer Einheiten verstanden werden. In dieser Hinsicht kann das Satzbaumuster als Darstellung konkreter Ausdrücke mit der Konstruktion verglichen werden.

Weiterhin ist bei den betrachteten Beispielen für die sogenannten Ad-hoc-Bewegungsverben, die Resultativkonstruktionen und die kausativen Konstruk-tionen die Berücksichtigung verschiedenartiger Lesarten notwendig, da bei der Hinzufügung bestimmter Satzglieder eine Bedeutungsveränderung des Prädikats-

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ausdrucks erfolgt. Der Ergänzungsstatus der freien Dative begründet sich auf ihrer Subklassenspezifi zität.

Der mögliche Einbezug der drei Fallgruppen in ein Valenzwörterbuch hängt u.a. mit allgemeingültigen Parametern wie 1) der Funktion des Wörterbuches, 2) der Einschätzung der Informationsbedürfnisse und Vorkenntnisse des intendier-ten Benutzerkreises, 3) wörterbuchspezifi schen Bedingungen, 4) mit den Kriterien zur Auswahl der Lemmata – token – sowie der jeden Lemmata zuzuschreibenden Bedeutungsvarianten – types –, wie z.B. der Frequenz, zusammen.

Einige Fragen bleiben noch offen: Im Rahmen der VG wurde bisher nicht ausführlich betrachtet, inwiefern eine Korrelation zwischen dem Verbtempus und dem Satzbauplan festzustellen ist, ferner ob die Berücksichtigung dieses Fak-tors zur Bestimmung der Ergänzung bzw. Angaben beitragen kann (Domínguez 2008). Es liegen allerdings Vorschläge vor die Satzmodi, und nicht das Verb, als obersten Regens aufzufassen (vgl. Eroms 2000). Unter Berücksichtigung kon-struktionsausgerichteter Parameter weist Müller (2008) auf problemträchtige Stel-len bei der Argumentenumstellung, bei der Derivation, beim Vorhandensein von Adjunkten, aber auch beim Genus verbi hin, da u.a. die Kombination von unter-schiedlichen Anordnungen sowie das Passiv zu einer enormen Anzahl von konkre-ten Konstruktionen führt.

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AbstractsIns Blickfeld der aktuellen Fachdiskussion tritt die Betrachtung der sogenannten freien Dative, der Resultativkonstruktionen und der Ad-hoc-Bewegungsverben aufgrund dessen, dass sie nicht nur der Dependenz- und Valenztheorie und den lexembasiert orientierten Ansätzen, sondern auch der Konstruktionsgrammatik Schwierigkeiten bereiten. Betreffend die freien Dative setze ich mich in diesem Aufsatz mit ihrer umstrittenen Auffassung als Ergänzung oder als Angabe auseinander. Bei den sogenannten Ad-hoc-Bewegungsverben wird an den Status des mit direktiver Bedeutung hin-zugefügten Satzglieds herangegangen und bei der Analyse der Resultativkonstruktionen gehe ich der Frage nach, ob die Auffassung des Verbs als oberster Valenzträger, d.h. als oberster Knoten der hierarchischen Satzstruktur, der Ansicht eines komplexen Prädikats vorzuziehen ist.

The description of the so-called free datives occupies a central position within linguistic discussions today, together with the descriptions of resultative constructions and the ad hoc verbs of motion. These descriptions are specially problematic for the grammatical theory, for the dependency gram-mar and also for the construction grammar. It is my aim in this paper to discuss, fi rst, the contro-versial classifi cation of the free datives, placing especial emphasis on their status as complements or circumstantials. Secondly, I will focus on the role of the directive phrase that is added to the ad hoc verbs of motion. Thirdly, the study will deal with the question whether the verb in resultative constructions remains as the highest hierarchical unit or whether it could be interpreted as a complex predicate.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Daniela ElsnerBochum

Guck (1.) mal (.) ich (.) mache (3.)1

Frühe Nebensatzkonstruktionenbei deutschsprachigen Kindern

1. Einführung

1.1. Nature oder nurture?

Nichts wird in der kindlichen (Erst-)Spracherwerbsforschung so kontrovers dis-kutiert wie die Antriebsfeder dieser Entwicklung: nature or nurture? Liegt un-serer Fähigkeit zum Spracherwerb eine angeborene grammatische Prädisposition in Form einer Universalgrammatik zugrunde oder ist die Sprache ein Produkt all-gemeiner Lernprozesse? In der Wissenschaft wird von dieser Entweder-oder-Hal-tung nunmehr Abstand genommen. Beides, nature and nurture, spielt eine Rol-le im Spracherwerb (vgl. Saxton 2010). Wird die Angeborenheit eines Wissens von Nativisten und nicht-Nativisten akzeptiert, so rückt nun die Frage nach der Beschaffenheit der angeborenen Strukturen in den Mittelpunkt (vgl. Tomasello 2003; Pinker 2004). In diesem Aufsatz soll anhand von Daten zum Erwerb von Nebensätzen untersucht werden, ob Sprache aufgrund von domänenspezifi schen Strukturen in Kombination mit angeborenem Wissen über Sprache (nativistische Position) oder durch allgemeine Lernprozesse (kognitiv-funktionale Position) er-worben wird. Es zeigt sich, dass die Daten letztere Position unterstützen.

1.2. Nebensätze im Deutschen

Nebensätze im Deutschen zeichnen sich dadurch aus, dass die Position des Verbs sich von derjenigen in Hauptsätzen unterscheidet:

1 Quelle: CHILDES: <http://childes.psy.cmu.edu/>, Caroline im Alter von 2 Jahren 3 Monaten und 2 Tagen.

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106 Daniela Elsner

(1) Der Hund fraß das Futter.(2) Fraß der Hund das Futter?(3) … weil der Hund das Futter fraß.

Das fi nite Verb in Hauptsätzen befi ndet sich an zweiter Position, in Nebensät-zen liegt V-letzt-Stellung vor. Eine Besonderheit stellen Ja/nein-Fragen dar, bei denen das Verb in Spitzenposition steht. Die Generative Grammatik erklärt die Verbstellungsvariationen als Ergebnisse von Bewegungen (double movement analysis). Dabei wird grundlegend angenommen, dass das Deutsche eine SOV-Sprache ist, das Verb wird also in fi naler Stellung generiert. Durch Bewegung nach C0 wird die V-1-Stellung realisiert. Topikalisierung einer Konstituente (Bewegung nach SpecCOMP) hat schließlich V-2-Stellung zur Folge. Ich schlage eine Klassi-fi kation von Nebensätzen vor, die sich an der Prototypentheorie orientiert. Daraus folgt, dass es keine Kriterien gibt, die auf alle Nebensätze zutreffen und diese si-cher als subordinierte Sätze identifi zieren.2 Das Modell, welches hier entwickelt wird, stellt einen fl ießenden Übergang von prototypischen zu untypischen Neben-sätzen dar.

Damit stellt sich nun die Frage, wie ein prototypischer Nebensatz aussieht. Der Duden (2006: 1027f) hält fest, dass Nebensätze eine Funktion im Matrix-satz ausüben (Kriterium der Funktionalität) und sie von ihm abhängen (Kriteri-um der Abhängigkeit bzw. Selbständigkeit). Diese Form der Abhängigkeit bzw. Selbständigkeit manifestiert sich auf verschiedene Art und Weise (z.B. durch das Auftreten eines Einleiters oder der Stellung des fi niten Verbs). Darüber hin-aus sind Nebensätze insofern unselbständig, als dass sie keinen eigenen Satz-modus haben (Zifonun et al. 1997: 2250f). Dementsprechend unterscheide ich funktionale und formale (bzw. morphosyntaktische) Eigenschaften von Neben-sätzen.

Hinzu kommt das jedem Muttersprachler inhärente Sprachgefühl, auf das Ries (1931: 21) verweist:

In praxi weiß jeder – eine Reihe von Grenzfällen ausgenommen –, was ein Satz ist, d.h. er er-kennt gewisse sprachliche Gebilde mit voller Sicherheit als Sätze. Mit dieser populären, im Sprachgefühl fest verankerten Vorstellung muß auch jeder Versuch einer wissenschaftlichen Defi nition rechnen, und keine wird auf durchschlagenden und dauernden Erfolg zählen können, die über sie nichtachtend hinwegschreitet.

Wie oben erläutert, sollen in einem ersten Schritt die Kategorien Form und Funktion für eine Bestimmung der Nebensätze maßgebend sein. Die folgende Ta-belle gibt einen Überblick:

2 Siehe dazu auch Evans / Green (2006) zum Generalisation Commitment der Kognitiven Linguistik.

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Guck (1.) mal (.) ich (.) mache (3.) 107

+ + Nebensatz + Nebensatz − Nebensatz − − NebensatzForm • Konjunktion/ Pro-

nomen in linker Klammer (lK) + Ver-balkomplex in rech-ter Klammer (rK)• Vorfeld (VF) ist leer + Konjunktion in lK + infi nites Verb in rK• VF ist leer + Kon-junktion in lK oder leer + Partizip in rK

• VF leer + fi nites Verb in lK + infi nites Verb in rK• lK ist leer + Infi ni-tivphrase in rK• lK ist leer + Parti-zipphrase in rK

• fi nites Verb in lK + übrige Prädikatsteile in rK

• fi nites Verb in lK + infi nites Verb in rK

Funk-tion

Funktion im Matrix-satz

Keine Funktion im Matrixsatz

Formal und funktio-nal abhängig

Formal und funktio-nal unabhängig

Wird für einen Nebensatz in beiden Kategorien ein + + Nebensatz zugewie-sen, handelt es sich um einen prototypischen Nebensatz. Das ist der Fall bei Sät-zen, die durch eine Konjunktion oder ein Relativ- bzw. Interrogativpronomen ein-geleitet sind und in denen der Verbalkomplex in der rechten Klammer steht (4), (5). Weiterhin bei durch Konjunktionen eingeleiteten Sätzen mit einer Infi nitiv- bzw. Partizipphrase in der rechten Klammer (6), (7).

(4) Er geht in den Laden, weil er Blumen kaufen möchte.(5) Dort ist der Mann, der gestern Blumen kaufte.(6) Er ging in den Laden, um Blumen zu kaufen.(7) Obwohl stark erkältet, kaufte er Blumen im Laden.

Alle anderen Kombinationen sind Fälle von Nebensätzen, die nicht die proto-typische Form und Funktion aufweisen, denen man aber den Nebensatzstatus nicht absprechen kann. Dazu gehören Sätze mit einer leeren linken Klammer – die Satz-klammer ist also nicht vollständig – und dem Verbalkomplex bzw. einer Infi nitiv- oder Partizipphrase in der rechten Klammer, wie in (8) und (9), sowie Nebensätze, die ein unbesetztes Vorfeld haben und in denen das fi nite Verb in der linken Klam-mer steht (10).

(8) Ihm hat es gefallen, Blumen zu kaufen. (9) Von Kaufl ust angetrieben, kaufte er im Laden Blumen.(10) Hätte er Blumen gekauft, wäre es ihm besser ergangen.

Zur Kategorie–Nebensatz zähle ich abhängige, uneingeleitete V-2-Sätze, die weder ein einleitendes Element besitzen, noch V-letzt-Stellung aufweisen. Nach Reis (1993) sind solche Sätze relativ-unintegriert, füllen aber eine Va-

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108 Daniela Elsner

lenzstelle des Verbs im übergeordneten Satz und sind somit von diesem ab-hängig.

(11) Er sagte, er habe gestern Blumen gekauft.

Dass das Klassifi zierungsmodell nicht alle Probleme bei der Analyse von Sät-zen lösen kann, ist offensichtlich. So könnten zum Beispiel bei selbstständig auf-tretenden V-letzt-Sätzen Schwierigkeiten entstehen. Diese werden von einer Reihe von Wissenschaftlern als Hauptsätze eingestuft (Reis 1985; Weuster 1983; Alt-mann 1987). Zybatow (1991: 414) analysiert sie als Verkürzungen von komplexen Satzstrukturen, wobei das eliminierte Matrixprädikat eine Einstellung zum Aus-druck bringt.

1.3. Der Erwerb von Nebensätzen

Zum Erwerb von Nebensätzen existieren momentan lediglich zwei Arbeiten. Eine Pilotstudie von Monika Rothweiler (1993) und ein Paper von Silke Brandt (im Druck).

GenerativRothweiler (1993) folgt dem nativistischen Ansatz. Grundlegend ist dabei die

Annahme, dass der Input zu arm sei (poverty of stimulus-Argument), um einen erfolgreichen Spracherwerb zu ermöglichen. Neugeborene sind daher mit einer Universalgrammatik (UG) ausgestattet, die ihnen erlaubt, jegliche Sprachen als Muttersprache zu erwerben. Zu dieser UG gehören grammatische Eigenschaften (Prinzipien) und eine Reihe von Optionen innerhalb der Prinzipien (Parameter). Die Prinzipien zeichnen sich dadurch aus, für alle Sprache gültig, also universal, zu sein. Die Aufgabe der Kinder im Spracherwerb beschränkt sich nunmehr auf die korrekte Festsetzung der Parameter, die für ihre Muttersprache zutreffen.

In der frühen Phase des Spracherwerbs produzieren Kinder Verben primär in infi niter Form bzw. äußern sie nur den Verbstamm ohne jegliche Flexionsmorphe-me. In seltenen Fällen markieren sie Verben mit dem Flexiv für 3. Person Singular Präsens (-t). Die Verbstellung ist zu diesem Zeitpunkt recht variabel, wobei V-letzt-Stellung dominant ist. Nach Clahsen (1991: 378) spielt V-1-Stellung gar keine Rolle, V-2 wird vor allem bei Verben mit der Endung –t gebraucht, was bereits auf eine Unterscheidung von Form und entsprechender Position bzw. Funk-tion hindeutet. Der nächste Meilenstein im Grammatikerwerb ist die korrekte Stel-lung der Verben an zweiter Position. Nebensätze werden zu diesem Zeitpunkt noch nicht produziert. Erst wenn die V-2-Stellung erworben wurde, beginnen Kinder, Nebensätze zu bilden. Clahsen (1991: 386) sieht die Entwicklung der V-2-Stellung eng geknüpft an den Erwerb der Subjekt-Verb-Kongruenz.3 Haben sie die Zweit-

3 Daraus folgt, dass Kinder, die das Verb an die zweite Position setzen, auch die Subjekt-Verb-Kongruenz beherrschen müssen und umgekehrt.

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Guck (1.) mal (.) ich (.) mache (3.) 109

stellung erlernt, müssen sie lediglich lernen, dass V-letzt nur noch in Nebensätzen möglich ist (vgl. Clahsen 1982: 70). In bisherigen Untersuchungen (u.a. Clahsen 1982; Rothweiler 1993) wurde festgestellt, dass deutschsprachige Kinder die Verbstellung in Nebensätzen nahezu fehlerfrei erwerben. Dieser problemlose Er-werb der Wortstellungsregularität wird gemeinhin als Hinweis interpretiert für die Festsetzung eines Parameters. Nach Rothweiler (1993) handelt es sich dabei um den Kopfparameter der IP. Vor dem Auftreten erster Nebensätze nimmt sie folgen-de Struktur an, die mit einer linksköpfi gen IP alle Sätze generieren kann, die keine V-letzt-Stellung aufweisen:

IP

Spec I‘

I0 VP

Spec V‘

NP V0

Quelle: Rothweiler (1993: 33)

Da keine Position für Komplementierer oder V-letzt vorgesehen ist, können keine Nebensätze generiert werden. Folgende Struktur stellt das Ziel – die Er-wachsenen-Syntax – dar:

CP

Spec C‘

C0 IP

Spec I‘

VP I0

Spec V‘

NP V0

Die IP ist nun rechtsköpfi g und der Erwerb der Komplementierer sorgt im Rahmen der Kontinuitätshypothese (Ansatz des lexikalischen Lernens) dafür, dass eine CP-Struktur ausgebildet wird. Fraglich bleibt hier, warum Kinder bei der Produktion früher Nebensätze den Komplementierer häufi g auslassen (so genann-te präkonjunktionale Sätze).4

Rothweilers Ansatz entspricht einem Top-down-Vorgehen. Dabei stellt sie ausgehend von der Erwachsenengrammatik die These auf, dass die Verbstellung

4 Für solche Fälle nimmt Rothweiler (1993) eine Zwischenstruktur an, bei dem zunächst der Kopfparameter verändert wird, ohne eine CP-Struktur vorzuschalten.

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in Nebensätzen durch Festlegung eines Parameterwertes erfolgt. Dieses Modell soll schließlich anhand der Daten bewiesen werden. Dieser für die generative The-orie typische Ansatz wurde ebenso wie der Nativismus als Grundlage des Spra-cherwerbs an vielen Stellen kritisiert, sodass eine generelle Diskussion hier nicht stattfi ndet (siehe dazu u.a. Tomasello 1995; 2003; 2004; Pullum / Scholz 2002a; 2002b).

Wie von Brandt (im Druck) bemängelt wird, muss Rothweilers (1993) Korpus als zu klein und unausgewogen erachtet werden. Es umfasst lediglich 877 Sätze von sieben Kindern im Alter von 2 Jahren und 9 Monaten bis 5 Jahren und 6 Mo-naten. Mit einem Alter von fast drei Jahren sind die Kinder bereits zu alt, um den Beginn des Nebensatzerwerbs zu skizzieren, vor allem da Rothweiler selbst an-gibt, dass die ersten Nebensätze ab ca. 2 Jahren und 5 Monaten auftreten, also 4 Monate zuvor. Die Daten erlauben darüber hinaus nicht die Betrachtung der Entwicklungsverläufe der Kinder, sondern liefern lediglich Hinweise auf punktu-elle Entwicklungsstände zu verschiedenen Zeitpunkten, da von fünf Kindern le-diglich eine (Carsten) bis vier (Oliver) Aufnahmen existieren (Daniel: 3 Aufnah-men, Simone: 3 Aufnahmen, Xilla: 2 Aufnahmen).

Kognitiv-FunktionalSilke Brandt (im Druck) untersucht in ihrer Arbeit, ob Kinder bereits zu einem

frühen Zeitpunkt V-2-Komplementsätze bilden. Darüber hinaus stellt sie die Fra-ge, ob V-2- und V-letzt-Komplementsätze distinktive Funktionen haben und damit verschiedene Konstruktionen darstellen. Für beide Punkte fi ndet sie positive Be-lege. Die Grundlage ihrer Untersuchung bildet ein sehr dichtes Korpus mit Daten eines Kindes. Drei weitere Datensätze zieht sie lediglich unterstützend heran. Brandt konnte feststellen, dass V-2- und V-letzt-Komplementsätze von Beginn an produktiv sind, jedoch Konstruktionsinseln bilden, da sie zunächst nur in festen Rahmen gebraucht werden.

1.4. Fragestellung

Verbstellung im NebensatzAus Rothweilers (1993) und Clahsens (1982, 1991) Studien folgen, dass Kinder von Beginn an V-letzt-Stellung in Nebensätzen gebrauchen. V-2-Stellung in abhängigen Sätzen5 entwickelt sich erst spät und hat zur Folge, dass keine präkonjunktionalen Sätze mehr auftreten. Brandt (im Druck) konnte jedoch feststellen, dass Kinder von Beginn an sowohl V-2- als auch V-letzt-Sätze produzieren. Es stellt sich die Fra-ge, welcher Analyse Vorzug zu geben ist, und welcher Art die frühen Nebensätze sind. Da fi nite Komplementsätze von Kindern früh und häufi g produziert werden, konzentriert sich die Studie zunächst ausschließlich auf diese Art von Nebensätzen.

5 Hierzu zählen vor allem Komplementsätze nach Verben des Sagens und Denkens: Er sagt, er kommt morgen.

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2. Daten und Methode

Grundlage dieser Untersuchung bilden die Daten von Leo, Caroline, Simone, Cosi-ma, Pauline und Sebastian, welche unter CHILDES6 online zur Verfügung stehen. Die Ergebnisse von Leos Daten konnten zum Teil aus Brandt (im Druck) übernom-men werden. Von Leo existieren 383 einstündige Aufnahmen im Alter von 2 bis 5 Jahren. Im ersten Jahr wurde er fünfmal pro Woche, ab dem dritten Jahr fünfmal im Monat aufgenommen. Carolines 239 Aufnahmen erfolgten in sehr unregelmäßigen Abständen und Längen im Alter von 10 Monaten bis zu 4 Jahren und 3 Monaten. Simone wurde im Alter von 1 Jahr und 9 Monaten bis zu 4 Jahren aufgenommen. Zu Beginn erfolgten die Aufnahmen alle ein bis zwei Wochen je eine Stunde, ab der Zweiwortphase alle sechs Wochen sechs Stunden. Von den Rigol-Kindern (Se-bastian, Pauline und Cosima) existieren je ca. 130 Transkripte. Sie wurden von Geburt an zweimal pro Monat à 30 Minuten aufgenommen. Ab 4 Jahren erfolgten die Aufnahmen einmal im Monat. Die Informationen zu den jeweiligen Kindern sind unterschiedlich reichhaltig, so dass hier nur die wichtigsten Punkte zu den Aufnahmen – sofern vorhanden – dargelegt wurden.7

Manuell wurden alle Sätze mit zwei fi niten Verbformen herausgesucht. Die Sätze mussten ein Matrixverb und einen fi niten Nebensatz enthalten.

Tabelle 1: Finite Objektsätze

Anzahl fi nite Objektsätze8

Caroline 191Simone 281Pauline 381Sebastian 341Cosima 284Leo 20349

gesamt (ohne Leo) 1478gesamt 3512

8 9

6 CHILDES: <http://childes.psy.cmu.edu/>.7 Für weitere Informationen siehe CHILDES: <http://childes.psy.cmu.edu/manuals/>.8 Folgende Sätze wurden von der Analyse ausgeschlossen: unvollständige Sätze (kein Verb im

Nebensatz), Sätze, bei denen keine eindeutige Bestimmung der Position (Prä- oder Postposition im Verhältnis zum Bezugssatz) von imperativen Formen der Verben gucken und wissen möglich war (Simone 3 Jahre, 4 Monate und 5 Tage: und da sind viele xxx wieder weggelaufen, guck an jedem Buchstaben gibt (e)s ne Zahl), Sätze mit formelhaften Phrasen (weißt du/siehst du), die darüber hinaus ein Objekt enthalten (Sebastian 5 Jahre, 11 Monate und 14 Tage: siehst es, das Kühlschrankre-gal is(t) schon bald fertig). Bei letzteren nehme ich an, dass die Wortfolge siehst es eine abgeschlos-sene Äußerung darstellt, die unabhängig von der darauffolgenden Äußerung zu interpretieren ist. Darüber hinaus wurden Sätze, bei denen formelhafte Phrasen (guck (mal), weißt du, glaub ich, denk ich etc.) in Postposition, also nach dem Nachfeld auftreten, separat analysiert. Die Verbstellung im Nebensatz wurde nicht als Ausschlusskriterium herangezogen. Das heißt, dass in den Nebensätzen das Verb an erster, zweiter oder letzter Stelle positioniert sein kann.

9 Die Zahl für Leo wurde übernommen aus Brandt (im Druck).

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Die Daten wurden anschließend kodiert. Um eine höhere Vergleichbarkeit zu schaffen, erfolgte die Bestimmung der Matrixsatzrahmen nach Brandt (im Druck). Dafür wurde die Form des Matrixverbs (CTV = complement taking verb) erfasst und hinsichtlich des Tempus (Präsens, Perfekt usw.), Modus (nur bei Imperativ; Indikativ = default) und Person (1., 2., 3. Singular; 1., 2., 3. Plural; darüber hinaus: Infi nitiv) bestimmt. Schließlich wurden die Matrixsätze dahingehend kodiert, ob eine Negation enthalten war oder es sich um einen Fragesatz handelte (Aussage-satz ohne Negation = default). 1SG CTV-PRES heißt demnach, dass das Matrix-verb in der 1. Person Singular Präsens verwendet wurde (z.B. ich weiß, der Teddy schläft).

3. Ergebnisse

Die Datenanalyse zeigt, dass die häufi gsten CTVs bei allen Kindern gleich sind:

Tabelle 2: Die häufi gsten Matrixverben

Caroline Simone Cosima Pauline Sebastian Leo

gucken 80% 53% 32% 16% 22% 51%wissen 0,03% 7% 34% 40% 25% 7%glauben unter 3 (absolute Zahl) unter 3 (absolute Zahl) 4% 6% 7% 10%sagen 0,04% 11% 13% 10% 9% 4%denken unter 3 (absolute Zahl) 4% 5% 5% 5% 2%zeigen 0,05% 8%

Ebenso verhält es sich mit den CTV-Rahmen, innerhalb derer die Verben ge-braucht werden:

Tabelle 3: Die häufi gsten CTV-Rahmen mit den häufi gsten Verben1011 12

Caroline Simone Cosima Pauline Sebastian Leo

CVT-IMP(n = 326/1341)11

gucken (97%)12

gucken (95%)

gucken (78%)raten (12%)

gucken (69%)raten(25%)

gucken(69%)

gucken(91%)

10 Vgl. dazu auch die Ergebnisse von Rothweiler (1993), die gucken, wissen und zeigen als die häufi gsten Matrixverben im frühen Nebensatzerwerb herausstellt. Damit decken die frühen Verben drei Verbklassen (Wahrnehmungsverben, Mitteilungsverben und Verben des Wissens) ab und stellen Prototypen dieser Klassen dar.

11 N = 326 gibt die Anzahl der Belege aller Kinder außer Leo an. N = 1341 gibt die Anzahl der Belege aller Kinder an.

12 97% der CTV-IMP Rahmen werden von Caroline mit gucken produziert.

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Caroline Simone Cosima Pauline Sebastian Leo

MODAL CTV-INF(n = 125/208)

gucken (75%)

gucken (87%)

gucken (50%)

gucken (25%)sagen(25%)

gucken(32%)sehen(26%)

gucken(41%) sehen(12%)sagen(6%)

1SG CTV-PRES (OBL)(n = 140/439)

zeigen (54%)

zeigen (83%)

wissen (36%)

glauben (24%)

wissen (39%)

glauben (25%)gucken (10%)

glauben(25%)wissen(17%)gucken(12%)

glauben13

(61%)wissen(5%)

gucken(5%)

1SG CTV-PRES NEG(n = 59/95)

wissen (100%)

wissen (93%)

wissen(63%)

wissen(63%)

2SG CTV-PRES Q(n= 80/163)

wissen (100%)

wissen (93%)

wissen(93%)

wissen(71%)

13 Es wird deutlich, dass gucken von allen Kindern als Matrixverb in imperativer

Form am häufi gsten genutzt wird. Im anschließenden Satz kann das Verb an zwei-ter oder letzter Stelle stehen:

Caroline (2 Jahre, 5 Monate und 30 Tage)(12) *CHI: guck mal (.) wie ich mache (4.)? Simone (2 Jahre, 4 Monate, 20 Tage)(13) *CHI: guck mal was ich macht hab.Caroline (2 Jahre, 6 Monate und 1 Tag)(14) *CHI: guck mal ich mach tüta (.).Simone (2 Jahre, 9 Monate und 28 Tage)(15) *CHI: guck mal da is(t) n Spinne.

Brandt (im Druck) zufolge überwiegt für CTV-IMP jedoch die V-2-Stellung im Nebensatz. Sie konnte bei Leo eine achtzigprozentige V-2 Ausrichtung nach gucken als Matrixverb in imperativer Form in den Nebensätzen ausmachen. Wird gucken allerdings im MODAL CTV-INF-Rahmen gebraucht, weisen die Neben-sätze bei allen Kindern eine hundertprozentige V-letzt-Stellung auf:

Cosima (3 Jahre,10 Monate und 14 Tage)(16) *CHI: 0 [% lacht] soll ich ma(l) gucken, wer da war?Cosima (4 Jahre, 2 Monate und 5 Tage)(17) *CHI: ich muss ma(l) gucken, wo ich eigentlich die xx hingelegt hab.Pauline (3 Jahre und 25 Tage)

13 Brandt (im Druck) unterscheidet zwischen 1SG CTV-PRES und 1SG CTV-PRES OBL, um formelhafte CTVs zu extrahieren. Um eine höhere Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden bei Leo beide CTVs zusammen gezogen.

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(18) *CHI: ich will mal gucken, ob da was drinne ist.Pauline (3 Jahre, 10 Monate und 15 Tage)(19) *CHI: ja, aber ich will mal gucken, ob bei der Dagmar der Oskar is(t).Ebenso verhält es sich bei 1SG CTV-PRES:

Cosima (3 Jahre, 10 Monate und 14 Tage)(20) *CHI: ich gucke ja nur hier wo Pärchen sind.Cosima (5 Jahre, 4 Monate und 23 Tage)(21) *CHI: ja, ich guck ma(l), ob die das da is(t).Sebastian (4 Jahre und 28 Tage)(22) *CHI: ich guck ma(l) erst, wie (e)s am xx is(t).Sebastian (4 Jahre, 8 Monate und 1 Tag)(23) *CHI: ich guck ma(l), ob ich Papier hab, altes.

Brandt (im Druck) hat für Leo die häufi gsten CTV-Rahmen und CTVs be-stimmt und in Verbindung gesetzt mit der Position des Verbs im Nebensatz. Sie stellte fest, dass auch bei anderen Matrixverben die Verbstellung im Nebensatz abhängig ist vom CTV-Rahmen. So wird z.B. wissen in MODAL CTV-INF nur mit V-letzt-Stellung im Nebensatz produziert, während in 1SG CTV-PRES der Nebensatz in 65% der Fälle V-letzt-, ansonsten V-2-Stellung aufweist.

Es zeigt sich weiterhin, dass die CTVs in der Regel in zwei oder drei be-stimmten CTV-Rahmen auftreten, und dass das Auftreten in diesen Rahmen für eine hohe Anzahl der Vorkommen der Verben verantwortlich ist:

14

Tabelle 4: Matrixverben und CTV-Rahmen

Caroline Simone Cosima Pauline Sebastian Leo14

gucken(absolute Zahlen)

153 227 159 150 156 983

CTV-IMP 141 217 149 133 131 930MODAL CTV-INF 5 7 8 10 17 34

1SG CTV-PRES (OBL) 1 1 2 6 7 17

Anteil 147/153 = 96%

225/227 = 99%

159/159 = 100%

149/150 = 99%

155/156 = 99%

981/983 = 99%

wissen (absolute Zahlen)

58 102 57 153

2SG CTV-PRES Q 20 28 28 59

14 Leos Zahlen können nicht direkt mit den anderen verglichen werden, da für ihn nur Angaben vorliegen, die die häufi gsten CTV-Rahmen betreffen. Nutzte er gucken auch in einem weniger häu-fi gen Rahmen, so wird dies aus den vorliegenden Daten nicht ersichtlich.

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Caroline Simone Cosima Pauline Sebastian Leo1SG CTV-PRES NEG 18 28 7 23

1Sg CTV-PRES 9 23 7 10

Anteil 47/58 = 81%

79/102 = 77%

42/57 = 73%

92/153 = 60%

In durchschnittlich 98% der Fälle, in denen Kinder gucken als Matrixverb gebrauchen, produzieren sie es in imperativer Form (CTV-IMP), in MODAL CTV-INF oder 1SG CTV-PRES. Am häufi gsten (durchschnittlich 90%) erscheint gu-cken jedoch als Imperativ. Auch für wissen können bevorzugte syntaktische Um-gebungen festgemacht werden. Es erscheint am häufi gsten in Frageform (weißt du…) und mit Negation in der 1. Pers. Sg. (ich weiß nicht…). Auffällig ist, dass nur die Kinder, die über einen längeren Zeitraum beobachtet wurden, wissen als Matrixverb produzieren.15

4. Diskussion

Zusammengefasst stellte sich bei der Analyse heraus, dass (i) die häufi gsten Matrixverben bei allen Kindern gleich sind, (ii) die häufi gsten Matrixsatzrahmen bei allen Kindern gleich sind,(iii) bestimmte Matrixverben am häufi gsten in bestimmten Konstruktionen

auftreten,(iv) die Verbstellung abhängig ist vom Matrixverb und Matrixsatzrahmen.Dies deutet darauf hin, dass die V-letzt-Stellung in Nebensätzen nicht durch

die Festlegung des IP-Kopfparameters erfolgt, da sonst zu erwarten wäre, dass die Kinder alle frühen Nebensätze16 mit dem Verb in fi naler Position produzieren. Die Daten zeichnen jedoch ein anderes Bild. Anscheinend ist die Stellung des Verbs im untergeordneten Satz vielmehr davon abhängig, welcher CTV-Rahmen in Kombination mit welchem Verb gebraucht wird. Kinder produzieren zu Beginn also weder ausschließlich Nebensätze mit V-2- noch mit V-letzt-Stellung. Die Wahl zwischen V-letzt und V-2 kann also nicht vom syntaktischen Status des Satzes (als untergeordneter Teil) abhängen, sondern liegt wahrscheinlich begrün-det in dem informationsstrukturellen Gehalt des Nebensatzes in Kombination mit dem syntaktischen Rahmen des Matrixsatzes.

15 Dies könnte verschiedene Gründe haben. Zum einen kann es sein, dass einfach nicht ausrei-chend Daten vorliegen, zum anderen könnte spekuliert werden, ob es mit der Entwicklung einer Theory of Mind korreliert, also dem Zeitpunkt, an dem Kinder lernen, dass andere Menschen ebenso geistige Wesen sind, wie sie selbst, deren Meinung/Einstellung von der eigenen abweichen kann.

16 V-2-Sätze nach Verben des Sagens und Denkens konnte Rothweiler (1993: 51) erst in einem späteren Stadium fi nden.

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Im Sinne eines kognitiv-funktionalen, gebrauchsbasierten Ansatzes kann ver-mutet werden, dass die Entwicklung von Nebensätzen an die Entwicklung der Matrixverben gekoppelt ist. Nur mit bestimmten Verben betten Kinder frühe Ne-bensätze ein, was auf ein itemgestütztes Lernen hindeutet.

Die Tatsache, dass bestimmte Matrixverben in frühen Nebensatzkonstrukti-onen am häufi gsten in bestimmen Matrixsatzrahmen auftreten, deutet darauf hin, dass Kinder Nebensätze zunächst mit einer formelhaften Konstruktion einleiten, die sie eventuell auch vorher schon gebraucht haben (guck mal, weiß nicht). Es kann vermutet werden, dass nach und nach Generalisierungen bzw. Abstraktionen vorgenommen werden, so dass die Form der Matrixsätze fl exibler wird – das schließt jedoch nicht aus, dass die formelhaften Konstruktionen nicht mehr ge-braucht werden. Ob sich die Entwicklung wirklich von formelhaften zu fl exiblen Konstruktionen vollzieht, wie es Diessel (2004) und Diessel / Tomasello (2001) für das Englische dargestellt haben, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

Bezüglich der formelhaften Matrixsatzkonstruktionen muss weiterhin der Status des darauffolgenden Nebensatzes geklärt werden. Prototypisch ist die Kons-truktion CTV-IMP mit gucken, wobei der nachfolgende Satz V-2- oder V-letzt-Stellung haben kann (12)–(15). Einen eingebetteten V-2-Satz nach schauen (als standardsprachliches Gegenstück zu gucken) sieht das Valenzwörterbuch nicht vor. Es wird lediglich auf die feste Wendung schau mal verwiesen mit der Bedeu-tung: als Aufforderung, einer folgenden Darstellung, Erklärung o.Ä. aufmerksam zuzuhören bzw. dafür Verständnis aufzubringen. Diese Bedeutung scheint in Ein-klang zu sein mit den obigen Beispielen. Rothweiler (1993) plädiert dafür, solche Strukturen nicht als Komplementsätze zu kategorisieren. Vielmehr handelt es sich um parataktische Reihungen. Weiterhin merkt sie an, dass V-2-Strukturen nur al-ternativ zu dass-Sätzen möglich sind. Bei imperativischen Matrixsätzen wird – ähnlich wie bei Verba Dicendi mit V-2 – eine Doppelpunktlesart (also eine Lesart als wörtliche Rede) erlaubt. Wie bereits angemerkt, sind V-2-Komplemente nicht im Lexikon von gucken verankert. Demnach würde es sich bei CTV-IMP gucken + V-2 nicht um abhängige Sätze handeln. Fraglich bleibt der Status von V-letzt-Sätzen nach guck/guck mal, die Rothweiler als Komplementsätze kategorisiert. Formal zeichnen sie sich durch ein einleitendes Element und V-letzt-Stellung aus, funktional könnten sie eine Objektstelle füllen. Nach dem obigen Klassifi kations-modell erfüllen sie also die prototypischen Eigenschaften für Nebensätze. Der V-2-Anschluss nach guck/guck mal soll allerdings hier nicht von der Analyse ausge-schlossen werden, da auf einer funktionalen Ebene Parallelen zwischen beiden Konstruktionen (guck/guck mal + V-2 bzw. + V-letzt) bestehen. So scheint in bei-den Fällen der Matrixsatz keine Proposition zu haben, während der nachfolgende Satz den informativen Schwerpunkt der Konstruktion darstellt. An dieser Stelle soll eine Analysemöglichkeit angedeutet werden, die guck mal als Diskursmarker kategorisiert mit der Funktion der Aufmerksamkeitslenkung (vgl. Imo 2007). To-pologisch wäre dieser im Vor-Vorfeld des nachfolgenden Satzes zu verorten, wo-

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Guck (1.) mal (.) ich (.) mache (3.) 117

mit Haupt- und Nebensatz kein Gefüge mehr darstellen würden. Ob Konstruktio-nen dieser Art die Vorgänger von Haupt-Nebensatzgefügen sind, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Darüber hinaus bleibt ebenso die Frage nach dem Status von V-letzt-Sätzen nach solchen Diskursmarkern offen.

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AbstractsIn diesem Beitrag wird gezeigt, dass Daten aus dem Bereich des Nebensatzerwerbs einen kognitiv-funktionalen Ansatz zur Erklärung der Sprachentwicklung unterstützen. Die Idee der Festsetzung des Kopfparameters der IP, die zum Erwerb von Nebensätzen führen soll, kann mit den vorlie-genden Daten nicht nachvollzogen werden. Frühe Nebensätze werden mit bestimmten Matrixverben in bestimmten syntaktischen Konfi gurationen produziert, denen eine gewisse Formelhaftigkeit nicht abgesprochen werden kann.

This article shows that data from the acquisition of subordinated clauses supports a cognitive-func-tional approach to language development. The idea that children acquire subordinated clauses via the fi xation of the head parameter of the IP can not be reconstructed with the help of the data at hand. Early subordinated clauses appear with certain matrix verbs in certain syntactic confi gura-tions, which are quite formulaic.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Joanna GolonkaRzeszów

Vom Vital-Macher zum Frische-Flirt.Strukturtypen der werbetauglichendeutschen Kompositaund deren polnischer Entsprechungen

1. Werbung

Als Werbung versteht man gewöhnlich die kommerzielle Absatzwerbung – für Produkte und Dienstleistungen, doch es gibt auch andere Erscheinungsformen davon (z.B. politische und wirtschaftspolitische Werbung, Firmenwerbung, Per-sonalwerbung, schließlich auch religiöse und kulturelle Werbung [vgl. Schreiber / Schrattenecker 1995: 11]). Eine weit greifende Defi nition des Phänomens von Günter Wöhe, hier ein bisschen abgewandelt, versteht unter Werbung alle Ins-trumente, um Men schen zu bestimmten freiwilligen Handlungen zu veranlassen, z.B. zum Kauf einer bestimmten Ware, zur Inanspruchnahme konkreter Dienst-leistungen oder zur Unterstützung bestimmter Ideen, Aktionen bzw. Institutionen (Wöhe 1990: 687).

Wichtig sind in dieser Defi nition die Phrase freiwillige Handlung sowie das Verb veranlassen. Werbung kann uns nämlich zu nichts zwingen, sie wird aber mit Sicherheit versuchen uns zu etwas zu überreden.

2. Werte

Sehr wichtige inhaltliche Aspekte jeder Werbung sind deshalb diejenigen Werte, die sehr relevanten soziokulturellen Konzeptionen des Wünschenswerten gleich-kommen,1 denen in der Persönlichkeit der Umworbenen als entscheidende Ver-

1 Klassische Defi nition von Kluckhohn (1951).

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haltensdispositionen konkrete Wertvorstellungen, Wertorientierungen und Wert-präferenzen entsprechen.2 Seine eigenen Wertmaßstäbe sind jedem sehr wichtig – sie determinieren die Wahrnehmung der Wirklichkeit und üben auf uns einen inneren Zwang aus, im Einklang mit ihnen zu handeln. Das machen sich die Wer-ber zunutze.

3. Ausdrucksformen von Werten

Der Vermittlung von Werten dienen in Werbebotschaften die meisten Mittel der werblichen Ausdrucksseite: heutzutage vor allem die zahlreichen visuellen Mittel, die akustischen Mittel (in Fernseh- oder Hörfunkwerbung) sowie viel-fältige sprachliche Mittel, die auf allen Ebenen des Sprachsystems angesiedelt sind.3

In der Sprache der Werbung werden als direkte Ausdrucksformen der Werte vor allem Nomina, Adjektive/Adverbien und die damit konstruierten Phrasen (oft metapho risch) verwendet.

Beispiele: Vergnügen, Ersparnisse, Ästhetik, Freiheit, frisch, günstig, solide, magisch, die süßsaueren magischen Momente des höchsten Vergnügens usw.

4. Komposita

Eine ausdrucksreiche Alternative zu solchen Phrasen sind Komposita, ein gera-de im Deutschen beliebtes formales Mittel, das Leistungen von Einzellexemen und syntaktischen Konstruktionen in sich verbindet. Sie vermögen es, in knap-per, komprimierter Form sogar sehr komplexe Inhalte zu vermitteln, und zwar oft auf eine auffällige, attraktive, kreative und gar überraschende Weise: Alleskön-ner, Sonnenbad, Allheilmittel, Krötenwanderung. Heizkosten sparen und Umwelt schonen [...]4

Außerdem werden an sich komplexe Komposita zu Bestandteilen von Phra-sen/Sätzen: Fahrsicherheit plus Mega-Vergnügen, Und die einzigartige Ausstat-tung macht es zu einem Wunderwerk der Technik.

Dadurch können ungewöhnliche situative Zusammenhänge kreiert werden, z.B. in: Entscheiden Sie sich für Ihre eigene Steuerreform. Audi Leasing oder So schmeckt die Verwöhnaroma-Treue (Jacobs-Krönung).5

2 Zu Werten siehe Golonka (2009: 75–90).3 S. dazu Genaues in Golonka (2009: 188–323).4 Beispiel aus Ewald (1998: 343). Es geht hier um die idiomatische Bedeutung von Kröten

(‘Geld’).5 Beispiel von Krieg (2005: 80).

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5. Komposita in der Werbung

Komposita haben in der Werbung unterschiedliche Funktionen. Unter anderem dienen sie der Benennung von Gegenständen, und zwar nicht nur von den gerade beworbenen Produkten: Unser Produkt gehört zu Gegenständen, die im Haushalt unabdingbar sind – wie Waschmaschine, Elektroherd, Kleiderschrank, Fernseher, Badewanne [...]

Außerdem benennt man damit in weitgehend neutraler Weise das Werbeob-jekt, seine Bestandteile und/oder Merkmale: Becher-Packung, Sahne-Jogurt, Zahnpasta, Automobil, himmelblau, süßsauer usw.

Oft aber werden Komposita dazu gebraucht, um das beworbene Produkt und seine Vorteile anzupreisen, ihm unterschiedliche – sei es produkt-, sender- oder empfängerbezogene Werte – zuzuschreiben.

Beispiele für Adjektivkomposita: atmungsaktiv, herz- und kreislaufwirk-sam, pfl egeleicht, stromnetz-unabhängig, nagelneu, hochmodern, qualitätshoch, blitzschnell, feinschmeckend, geschmackvoll, sportlich-elegant, fruchtig--sanft usw.

Beispiele für Nominalkomposita: Dekorationsstück, Frischhaltebeutel, Klang-wunder, Kaffeefreude, Benutzungskomfort, Fahrspaß, Natureffekte, Diamanten-kunst, Zau bergeschmack, Rundum-Schutz, Frühlingsdesign usw.

5.1. Exkurs: Komposita im Polnischen

Im Polnischen lassen sich solche Komposita nur begrenzt bilden, obwohl man nach 1989 mit Vorliebe zu diesem Wortbildungstyp greift und Zusammenset-zungen nach dem Strukturmuster der germanischen Sprachen bildet (z.B. auto-myjnia ‘Autowaschanlage’, czasowstrzymywacz ‘Zeitaufhalter’, pogodoodporny ‘wetterfest’). Insgesamt sind aber Kom posita, auch zum Ausdruck der Produkt-vorteile, vergleichsweise selten in der polnischen Werbung. Was man im Deut-schen kompositionell ausdrückt, hat im Polnischen meist die Form von Phrasen (z.B. Benutzungskomfort: komfort użytkowania; himmelblau: w kolorze nieba), nur selten auch Zusammensetzungen (z.B. energiesparend: energoosz czędny; süßsauer: słodko-kwaśny.6

Manchmal gebraucht man im Polnischen (als Entsprechungen deutscher Kom-posita) Simplizia oder Derivate: ein Wunderwerk der Technik: cud techniki; Waschmaschine: pralka

6 Adjektivische Kopulativkomposita, die der Häufung erwünschter Produkteigenschaften die-nen, sind eine Ausnahme hierfür: Ihnen begegnet man auch in polnischen Werbetexten häufi g, s. da-zu Abschnitt 6.2.2.1. Beispiele polnischer adjektivischer Determinativkomposita sind śnieżnobiały ‘schneeweiß’, dobroczynny ‘wohltuend’.

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6. Strukturtypen der Komposita – Nominalkomposita, Ad-jektivkomposita

Die üblichen Kategorisierungen der werblichen Zusammensetzungen (wie auch der Komposita schlechthin) gehen von formalen Kriterien aus wie Zahl und Wort-artzugehörigkeit ihrer Komponenten (z.B. Rein 1988).7

Ich möchte im Folgenden teilweise anders vorgehen, nämlich von inhaltli-chen Kriterien ausgehen und ausschließlich die Art und Weise beurteilen, wie werbliche Nominal- und Adjektivkomposita die unterschiedlichen Produktvorzü-ge benennen.8 So lasse ich alle Werbekomposita außer Acht, die dies nicht tun, sondern z.B. nur die Produktgattung benennen, wie die schon genannte Waschma-schine oder Zahnpasta.

Der Übergang zu den hier interessierenden Zusammensetzungen ist allerdings fl ießend: Bildungen wie Common-Rail-Motor, Mobil-Telefon, Fruchtjogurt kön-nen als neutrale Produktgattungsbezeichnung, aber auch als Hinweise auf die ent-sprechende Produktqualität interpretiert werden.

Die folgende Kategorisierung der werblichen Komposita erhebt keinen An-spruch auf Vollständigkeit. Vielmehr ist sie als ein Versuch zu verstehen, einige allgemeine Strukturtypen deutscher Zusammensetzungen als Ausdrucksformen von Werten aufzuzeigen.

Teilweise berücksichtige ich auch Bildungen, die nicht eindeutig als Kompo-sita anerkannt werden können, deren erste Komponente als ein Präfi xoid/Suffi xo-id, von manchen Forschern sogar als ein Präfi x/Suffi x betrachtet wird: Antikorosi-ons-Mittel, Multiwirkung, Mini-Notebook, Top-Preis, extraleicht, ultraleicht, kabellos, knitterfest, probiotisch usw. Gegenwärtig spricht die Forschung in den meisten genannten Fällen von Konfi xkomposita. Weil hier das inhaltliche Kriteri-um vorrangig ist, können solche Bildungen nicht außer Acht gelassen werden.

6.1. Nominalkomposita

6.1.1. Werbliche Nomina agentis

Meist aus Verbalphrasen abgeleitet, bringen sie – in der Regel personifi zierend – die besondere Leistung des Produkts zum Ausdruck. Das Werbeobjekt wird bezeichnet als Appetit-Zügler (oder Appetithemmer), Feuchtigkeitsspender, In-sektenstopper, Geruchfresser, Vitalmacher, Husten-Stiller, Kaffee-Experte, Stoff-wechsel-Aktivator, Hustenstiller, Hungerbremse, Fett-Fresser, Schleimbagger,

7 Dagegen beschreibt Krieg (2005) im praktischen Teil (ab S. 72) werbliche Nominalkompo-sita, die der Verkürzung, Verfremdung und Verdunklung dienen.

8 Siehe dazu auch Golonka (2009: 203–205).

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der Libri.de Geschenkefi nder, Sicherheitsexperte (Toyota Corolla Verso) usw. Im übertragenen Sinn gehören hierher auch Bildungen wie Fleckenteufel.

Im Polnischen lassen sich solche Komposita nicht ohne Weiteres bilden. Des-wegen fallen sie sehr auf, wie z.B. das Kompositum czasowstrzymywacz ‘Zeitauf-halter’ in einem humorvollen Spot des Mobilfunkbetreibers Plus.

6.1.2. Nominalkomposita, in denen das Bestimmungswort auf den Produktvorteil hinweist

Wir haben es hier mit einer sehr umfangreichen Gruppe von Zusammen setzungen zu tun, die dem Ausdruck der Produktqualität dienen. Das kompositionelle Ba-siswort kann dabei Unterschiedli ches bezeichnen und eine eindeutige Zuordnung fällt häufi g schwer. Es sind hier viele unterschiedliche Subklassen möglich, je nachdem, was das Basiswort benennt, z.B.:

6.1.2.1. Produkt(gattung):Deutsche Beispiele: Frischhaltebeutel, Präzisions-Brillengläser, Kurzreisekof-fer, Baumwollhose, Zwischendurch-Getränk, Delikatess-Frischwurst-Aufschnitt, Aufbau-Shampoo, Anti-Cellulite-Gel, Energiespar-Kühlschrank, Schon-Kaffee, Rundum-Wohlfühl-Mantel, Hochleistungs-Antibiotikum, Flüsterspüler, Langleb-Bürostuhl, Öko-Milch, Top-Schuharten, Design-Häuser, Technologie-Magazin (Technology Review), Abenteuerfi lm, Top Produkte, Extra-Konto, Edel-Marzipan, Langstrecken-Kredite, Schall-Zahnbürste, Flachbildfernseher, Mini-Notebook, Hochglanz-Papier usw.9

Polnische Beispiele: 50+Cratinex, Pronto super-połysk ‘Superglanz-Pronto’, megaInternet, mikropory usw.

6.1.2.2. Werbeobjekt in übertragener, aufwertender WeiseDeutsche Beispiele: Sparwunder, Raumwunder (Automobil), Klangwunder (Hi-fi -Anlage), Meisterwerk, Preis-Hit, Ideenschmiede usw.

Polnisches Beispiel: arcydzieło.

6.1.2.3. Produktzubehör oder -beschaffungDeutsche Beispiele: Klarsichtpackung, Energie-Gewinn-Glas, Loseblatt-Ausga-be, Komplett-Set, Xenon-Scheinwerfer, Bi-Zonen-Klimaanlage, Reifendrucksen-soren, Rußpartikelfi lter, Pfl anzenstoffe, Sicherheitssysteme (ABS, EBD usw.), Freestyle-Türrsystem, Kreiskolbenmotor RENESIS, Windows-Mobile-Anwen-dungen, FSI-Turbomotor, Leichtmetallräder, Doppelendrohr, Nebelscheinwerfer, Tag/Nacht-Anzeige, 8-Tage-Gangreserve, 24-Stunden-Anzeige, GTM-Synchroni-

9 Das Basiswort kann auch mit dem Markennamen identisch sein. Vgl. dazu das „Tischlein-deck-dich“-Persil (siehe Panagl 1981: 119).

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sator, Turbomotor, 16-Ventil-Direkteinspritzer, Spamfi lter, Stoff-Leder-Kombina-tion, Doppelfederhaus (Uhr Lange 1) usw.

Polnisches Beispiel: hiper zestaw ‘Big Set’.10

6.1.2.4. Wirkstoffe i.w.S.11

Deutsche Beispiele: Pfl ege-Substanzen, Verwöhnaroma, Anti-Haft-Wirkstoffe, Hy-dro-Lipid-Komplex, Algen-Komplex, Gute-Laune-Faktor, Schönheits-Cocktail, Multi-Aktiv-Kraft, DVD-Navigationssystem, Hybrid-Technologie, IT-Komplettlö-sungen, Multi-Plattform-Fähigkeiten (einer Software), Pfl ege-Perlen (Zahnpasta-Werbung) usw.

Polnisches Beispiel: biopierwiastki.

6.1.2.5. Wirkungsart/-methode/-instrument u.Ä.Deutsche Beispiele: Europa-Wachstums-Strategie, Hautschutz-Technik, Sauer-stofftechnologie, Intensiv-Schutzformel, Anti-Stress-Rezept, Sparvorwahl, Bio-Spülen, Schlag- und Drehzahl-Steuerung, Freihaus-Lieferung, Mobiltechnologie, Schnupper-Abo, Vorteils-Abo, Automatikgetriebe, 6-Gang-Schaltgetriebe, Schwa-nenhals-Feinregulierung (Uhr-Werbung), Micro-Power-Rasiersystem, Schall-Technologie (Werbung für elektrische Zahnbürsten), Kombi-Tarif-System, Hy-bridtechnologie, Klebstofftechnologie, Perl-System (Zahnpastawerbung), Sicherheitspaket, Sparprogramm, Allradsystem, AXA-Baukastenprinzip, Schutz-system, DVD-Navigationssystem, Früherkennungsmaßnahmen (Werbung für eine Krankenversicherung), Hybrid-Technologie, das „Wir machen den Weg frei“-Prinzip (Volksbanken & Raiffeisenbanken) usw. 12

Polnisches Beispiel: Audi parking system plus.

6.1.2.6. WirkungseffektDeutsche Beispiele: Sommerbeine (auch ohne Sommersonne), Sofort-Schärfe-Ef-fekt, Oxygen-Straffungseffekt, Qualitätsdokumente (Laserdrucker-Werbung), Fest-mahl (dank Schladerer), Traumsommer, Spitzenergebnisse usw.13

6.1.2.7. OrtDeutsche Beispiele: Mundpfl ege-Center, Veranstaltungs- und Kulturzentrum, Schönheitssalon usw.

Im Polnischen werden entsprechende Inhalte meistens durch Phrasen zum Ausdruck gebracht, z.B. wäre Mundpfl ege-Center als Centrum pielęgnacji jamy ustnej wiederzugeben.

10 Trotz der häufi gen Getrenntschreibung sind solche Bildungen den Komposita (Konfi xkom-posita) zuzuordnen.

11 Die Grenze zwischen 6.1.2.4 und 6.1.2.5 ist fl ießend.12 Ein interessantes Beispiel dazu, in dem es überraschenderweise heißt: Innovationsträger mit

acht Buchstaben? Postbote. Bringt die Technology Review.13 Im polnischsprachigen Korpus habe ich in derselben Funktion nur Phrasen gefunden.

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6.1.2.8. AnderesDeutsche Beispiele: Raumangebot, Sommerangebote, Spitzenklasse, Top-Ange-bote, Top-Konditionen, Schadenfreiheitsklasse, die Warum-Warten-Wochen (bei AOL), Rund-um-die-Uhr-Beratung, (beeindruckender) Funktionsumfang, Geschen-kideen, Einsparmöglichkeit, Direktbank-Konditionen, Geschenkgutschein usw.

Polnisches Beispiel: extrabonus.

6.1.3. Nominalkomposita, in denen das Basiswort die eigentliche Wertbenennung darstellt

Typisch sind hier Fälle, in denen das jeweilige Werbeobjekt metaphorisch als ein Wert per se umschrieben wird, den das Bestimmungswort noch näher charakte-risiert. So wird der Jacobs-Kaffee Kaffee-Freude genannt und der gliz-Bohner-wachs Dauer-Glanz. Die Nähmaschinen von Anker heißen nun Nähkomfort und die Atemgold-Erfrischungsbonbons Frische-Flirt. Das Livio-Öl wird als Vitamin-versprechen angepriesen.

Weitere Beispiele sind: Stereoüberraschung, Pfefferminzkühle, Schmerz-Ex, Hör-Genuss, Hörvergnügen, Pfl anzenkraft, Immunkur, Gesundheitspionier, CD-Neuheiten, DVD-Highlights, Risikolebensversicherung, Klassenbester (Opel Vec-tra), Komplettpfl ege, Diesel-Revolution, Tank-Prämie, Lesespaß, Informations-quelle der Entscheider (Handelsblatt) usw.

Auch Komposita mit Markennamen als erste Komponente gehören hierher, z.B. Gilette-Innovation, Punika-Oase, ADAC-Verkehrs-Rechtsschutz, sowie Zu-sammensetzungen, in denen das Basiswort das Werbeobjekt wertebezogen aus-drückt: Doppelsieger bei Stiftung Warentest (Ariel).

Formale Entsprechungen hierfür sind im Polnischen kaum zu fi nden. Dort werden entsprechende Wertemetaphern regelmäßig als Syntagmen versprachlicht: chłód mięty ‘Pfefferminzkühle’, dynamika gotowania ‘Kochdynamik’ usw.14

6.1.4. Nominalkomposita, die als Ganzes die Vorteile des Werbeobjekts benen-nen

Ihr Referenzobjekt ist der angepriesene Produktvorteil, der auf eine komplexe Weise (durch das Bestimmungswort näher charakterisiert) ausgedrückt wird, z.B. Hochwertqualität, Langzeit-Schutz, Höchstleistung, 200-Minuten-Garantie, Dop-pelleistung/Mehrfachleistung, Kochdynamik oder Schondynamik, Geld-zurück-Garantie, Bestpreis-Garantie, Riesenauswahl, Wertzuwachs/Wertentwicklung, Selbstbestimmung, Therapiesicherheit, Tiefpreis, Frühbucherpreis, Top-Preis, Preisvorteil, Fahrkomfort, Superfl iegengewicht, Cholesterinsenkung (Becel), Wohlbefi nden, Vermögensaufbau, Spitzenqualität, Manufaktur-Qualität (VW), Wettbewerbsvorteil, Extra-Kick, Uhrmacherkunst, Mundpfl ege, Fahrvergnügen,

14 Im Deutschen sind solche Syntagmen natürlich auch möglich und üblich.

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Höchstgewinn, Genusserlebnisse, Steuervorteile, Zahngesundheit, Innovations-kraft, Kopf- und Schulterfreiheit, Torsionssteifi gkeit, Durchzugskraft, Virenschutz, Kapital- und Gewinnsicherung, Pioniergeist, Highspeed, Lebensfreude usw.

In Beispielen wie Persil-Reinheit, Henkel-Qualität haben wir es mit Fällen von werblicher markenbezogener Begriffsbildung zu tun, mit denen eine besonde-re Qualitätsklasse suggeriert wird.

Polnische Beispiele: wodoszczelność do 100 M ‘Wasserdichte bis 100 M’, eks-tra zabawa/super zabawa ‚Klasse Vergnügen’, MAX.WOLNOŚĆ ‘Max.Freiheit’.15

6.1.5. Phrasal ausgebaute (metaphorische) Nominalkomposita, die als Ganzes in übertragener Weise die Produktqualität ausdrücken

Hierher gehört nur ein deutsches Beispiel aus meinem Korpus: Sternstunden im Glas (Weihnachtsglasschmuck). Auch die polnische Phrase ultradelikatność z roślin ‘Delikatesse aus Pfl anzen’16 (Shampoo Ultra-doux) lässt sich hier einord-nen. Komposita mit aufwertenden fremden Konfi xen wie super-, hiper-, ekstra (Bralczyk 1996: 99), die in geschriebenen Texten aber oft getrennt vom zugehö-rigen Nomen erscheinen, fi ndet man oft in polnischen Werbetexten.

6.1.6. Phrasenähnliche Nominalkomposita

In solchen Fällen handelt es sich um (quasi-)fachsprachliche Werthinweise, die nachgestellt getrennt von der Produkt- oder der Wertbezeichnung geschrieben werden. Im Deutschen stellen sie Konkurrenzformen zu gewöhnlichen Zusam-mensetzungen dar:

Deutsche Beispiele: Technologie 3D vs. 3D-Technologie, Philips 3-D Ultra-schall, Plasmabildschirm PDM-4210, Frischhalte- und Serviersystem Top Serve usw.

Solche Beispiele fi ndet man oft auch im Polnischen, vor allem in der Arznei-mittelwerbung oder wenn technologische Neuheiten beworben werden: Nurofen Ultra Forte, Febrisan Tabs, Mechanizm ETA, kamera Sony Handycam DCR-DVD200, technologia LCD, turbodekoder HD, Renault Clio eco, technika V-real Nurofen ultra forte, technologia 3D usw.

6.2. Adjektivkomposita

Die mit Vorliebe gebrauchten adjektivischen Komposita dienen in Werbetexten der Komprimierung komplexer Inhalte (Determinativkomposita) oder der Anei-

15 Hier wird der Wertausdruck mit der ersten Komponente des Markennamens Maxdata kom-poniert, was – in einem Wortspiel – zugleich das Freiheitserlebnis höchsten Grades (maximal) sug-geriert.

16 Wörtlich: ‘Ultrafeinheit aus Pfl anzen’.

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nanderreihung der Produktvorteile (Kopulativkomposita). Man erreicht dadurch zusätzlich eine nicht unwesentliche Textreduzierung.

6.2.1. Adjektivische Determinativkomposita

In dieser Form können bisweilen auch sehr komplexe Inhalte in einem Adjektiv komprimiert werden, die sonst längerer syntaktischer Konstruktionen bedürften. Solche Adjektivkomposita erfüllen stets die Funktion, den Werbetext quantitativ zu reduzieren, dienen aber auch der Auffälligkeit und Expressivität. Sie beziehen sich meist direkt auf Produktvorteile, indem sie wertbezogene Botschaften in (ex-trem) verdichteter Form transportieren. Inhaltlich lassen sich hier, je nach Bezug, einige Gruppen unterscheiden.

6.2.1.1. FarbenDeutsche Beispiele: eispink, himmelblau, schneeweiß, bermudablau, kieselgrau, wüstenrot, hellgrün, polarweiß usw.

Auch im Polnischen lassen sich Farbschattierungen kompositionell ausdrü-cken, wobei eine Bindestrichschreibung möglich ist: blado-niebieski ‘blass-blau’, jasno-zielony ‘hellgrün’, ciemno-czerwony ‘dunkelrot’, ciemnobrązowa ‘dunkel-braun’, śnieżnobiały ‘schneeweiß’.

6.2.1.2. ZeitbezugDeutsche Beispiele: 3-jährige (Garantie), 6-monatige (Einzahlungsfrist) usw.

Ensprechend heißt es im Polnischen: 4-letnia (gwarancja), 7-miesięczny (ter-min wpłaty) usw.

6.2.1.4. TechnikDeutsche Beispiele: wasserbeständig, wärmeisoliert, stromnetzunabhängig, was-serdampfbeständig, lärmgetestet (z.B. Jalousien), korrosionsfrei, multifunktional, turbogeladen, partikelgefi ltert, ladeluftgekühlt, lichtbeständig usw.

Polnische Beispiele: światłoczuły ‘lichtempfi ndlich’, (urządzenie) wielofunk-cyjne ‘Multifunktions-(gerät)’, bezprzewodowy ‘kabellos’, bezkorozyjny ‘korrosi-onsfrei’, (usługi) teleinformatyczne ‘Teleinformations-(Dienstleistungen)’, szero-pasmowy ‘Breitband-’, samooczyszczający ‘selbstreinigend’, energooszczędny ‘energiesparend’, wodoodporne ‘wasserdicht’, sześciostopniowa (skrzynia biegów) ‘Sechsstufen(getriebe)’ usw. Wir sehen, dass Technik-Vorteile auch im Polnischen nicht selten kompositionell zum Ausdruck gebracht werden .

6.2.1.5. Mit bestimmter WirkungDeutsche Beispiele: herz- und kreislaufwirksam, geruchtilgend, kreislaufentlas-tend, haarstärkend, hautstraffend, durstlöschend, lebensrettend usw.

Polnische Beispiele: przeciwzmarszczkowe ‘Antifalten-’, antyalergiczny ‘an-tiallergisch’ usw.

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Hierher gehören auch manche Konkurrenzformen negierender Umschrei-bungen: reißfest ‘reißt nicht’, knitterfest ‘knittert nicht’ usw.

6.2.1.6. Diverse QualitätsbeschreibungSolche Adjektivkomposita lassen sich verschieden syntagmatisch paraphrasieren. Je nach dem beworbenen Produkt und der vom Werber gewählten Wertestrategie können sie sehr unterschiedliche Qualitäten zum Ausdruck bringen.

Deutsche Beispiele:17 formstabil, pfl egeleicht, wetterbeständig, sturm-/wet-terfest, winddicht und wasserabweisend (Jacke von Lands’end), preisgünstig, ko-stengünstig, kindergerecht, zitrusfruchtig, pfannenfertig, atmungsaktiv, umwelt-freundlich, hautfreundlich, feingehackt, probiotisch, langfristig, zukunftsweisend, zukunftsorientiert, zukunftsträchtig, umfangreich, maßgeschneidert, feindekoriert, gesundheitsbewusst, naturbelassen, handgraviert, neuartig, grenzüberschreitend, branchenübergreifend, selbstbewusst, lebensnah, landfein, provisionsfrei, kosten-los, gebührenfrei, grenzenlos18 u.a.

Polnische Beispiele: (rozmowy) międzymiastowe ‘Fern(gespräche)’, ogólno-polska (infrastruktura) ‘überregionale polnische (Infrastruktur)’, wszechstronne (podejście) ‘vielseitige (Einstellung)’, bezpłatnie ‘kostenlos’, wiarygodne (dane) ‘glaubwürdige (Daten)’, śródziemnomorski (klimat) ‘Mittelmeer(-klima)’ usw.

6.2.1.7. Qualitätssteigernd – qualitativ (vergleichend)Alle unter 6.2.1.6 angeführten Belege dienen der werblichen Qualitätssteigerung. Folgende Adjektivkomposita tun es, indem sie einen expliziten Vergleich zum Aus-druck bringen: kuschelweich, hauchzart, frühlingsfrisch, fl üsterleise (z.B. Staub-sauger), sprudel-frisch, bärenstark, seidig-glatt, knackfrisch, erstklassig, mandel-fein, hautnah. Die höchste Stufe der qualitativen Steigerung bilden Beispiele der Zuordnung einer adjektivischen Wertbezeichnung zum Markennamen. Dazu ge-hören im Deutschen Komposita wie Palmolive-mild.19

Polnische Entsprechungen sind hier jeweils Phrasen, z.B. jedwabiście gładki ‘seidig glatt’, łagodny jak Palmolive ‘mild wie Palmolive’.

6.2.1.8. Qualitätssteigernd – quantitativ:Mehrere Adjektivkomposita wirken ebenfalls qualitätssteigernd, wobei dieser Effekt rein quantitativ zum Ausdruck kommt: hochaktiv, qualitätshoch, saugün-stig (Jugendsprache), superfl exibel, superfein, superfl ach, supergünstig, ul-traleicht, multi-aktiv, kraftvoll, anspruchsvoll, höchstmöglich, ultrakompakt, hochwirksam, hochmodern, hochwertig, superklein, grundsolide, vollverzinkt, vielseitig usw.

17 Manchen Beispielen hier entsprechen ebenfalls negierende Umschreibungen, z.B. portofrei ‘ohne Porto’.

18 Die Bildungen mit -los sind kaum als Komposita zu betrachten.19 Dasselbe leistet die Phrase Qualität von Henkel, polnisch jakość fi rmy Henkel.

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Neben den in polnischen Werbetexten sehr verbreiteten adjektivischen Bil-dungen mit super-, ultra-, mega-, auch multi- usw. (z.B. super-szybki ‘super-schnell’, mega-zarabiające ‘mega-verdienend’, ultra-cienki ‘ultradünn’) fi nden sich im Polnischen kaum Beispiele für Werbekomposita in dieser Funktion. Bil-dungen wie nieprzeciętny ‘überdurchschnittlich’ sind als Ableitungen zu betrach-ten. Typisch für das Polnische sind hier wieder Phrasen wie wysoce aktywny ‘hochaktiv’.

Auch qualitätssteigernde Phrasen ohne konkreten Wertbezug gehören zu die-ser Gruppe: außergewöhnlich, großzügig, wertvoll; im Polnischen z.B. po-nadprzeciętny ‘über durchschnittlich’.

6.2.1.9. Metaphorischer AusdruckDurch Verwendung des Basisadjektivs in übertragener Bedeutung kann man den Produktvorteil poetisch-metaphorisch aufwerten. Vgl. dazu: magenzärtlich, zun-genzärtlich, aromamächtig, atemberaubend. Metaphorisch ist auch die Verwen-dung von wetterfest mit Bezug auf Menschen in der deutschen Actimel-Werbung. Ins Polnische wurde dieses Adjektiv als pogodoodporny übersetzt, was als ein humorvoller Neologismus zu werten ist.20

6.2.2. Adjektivische Kopulativkomposita

6.2.2.1. Mit semantisch kompatiblen KomponentenHier kommen zwei gleichwertige adjektivische Wertebezeichnungen aneinander gereiht vor, welche die Qualität des Beworbenen komplex-steigernd zum Aus-druck bringen: fruchtig-frisch, damenhaft-elegant, unverwechselbar-anspruchs-voll (Kulturprogramm) usw.

Solchen Bildungen kann man gelegentlich auch in der polnischen Werbung begegnen: czekoladowo-orzechowy ‘Schoko-Nuss-’, owocowo-śmietankowy ‘fruchtig-sahnig’, wiśniowo-truskawkowy ‘Kirschen-Erdbeer-’, zielono-żółty ‘grün-gelb’. Deutschen adjektivischen Kopulativkomposita entsprechen aber in polnischen Werbetexten am häufi gsten Phrasen, in denen ein Adverb stets das Adjektiv näher bestimmt. So wäre fruchtig-frisch im Polnischen als owocowo-świeży wiederzugeben.21

6.2.2.2. Mit semantisch inkompatiblen KomponentenEs kommt vor, dass zueinander nicht passende, ja sogar einander ausschließende Adjektive miteinander vorkommen, z.B. schaurig-schön. Zweck ist hier Auffällig-

20 Genauso wie das Kompositum krowoznawcze (wycieczki) ‘kuhkundliche (Ausfl üge)’ in der Werbung für die Milch Łaciate (Wortspiel ohne direkten referenziellen Bezug zur ersten Komponen-te des Kompositums, gebildet in Analogie zu der usuellen Phrase krajoznawcze wycieczki ‘landes-kundliche Ausfl üge’).

21 Da diese Adjektivphrase aber nicht sehr geschickt klingt, würde man eher eine Nominal-phrase owocowa świeżość ‚fruchtige Frische’ bilden.

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130 Joanna Golonka

keit sowie eine Art Attraktivität, weshalb solche Zusammensetzungen z.B. in der Werbung vorkommen können, die Jugendliche als Zielgruppe anspre-chen will.22

Entsprechende polnische Zusammensetzungen sind in meinem Korpus nicht vorhanden. Zu denken wären wiederum eher phrasale Bildungen wie przerażająco czysty ‘erschreckend sauber’.

7. Schlussbemerkungen

Zusammenfassend:1. Nominal- und Adjektivkomposita stellen ein wichtiges sprachliches Mittel

zum Ausdruck von Werten in der Werbung dar.2. Diese Aufgabe erfüllen sie auf vielfältige, formal differenzierte Weise. Da-

bei lassen sich einige Gruppen (Strukturtypen) unterscheiden je nachdem, auf wel-che Weise die einzelnen Komposita die relevanten Produktvorzüge zum Ausdruck bringen.

3. Bei den polnischen werbenden Komposita, die Produktvorteile bezeichnen, sind nur sehr selten Nominalkomposita anzutreffen. Viel häufi ger kommen unter-schiedliche Adjektivkomposita vor, obwohl auch sie bei Weitem nicht so zahlreich sind wie die deutschen adjektivischen Werbekomposita. Dagegen kann man auch in einem knappen Korpus deutscher Werbetexte sehr viele Belege für verschie-dene nominale und adjektivische Zusammensetzungen fi nden, die werberelevante Werte ausdrücken.

4. Gesteigert werden kann die wertvermittelnde Funktion der Werbekompo-sita zusätzlich durch deren syntagmatische Einbettung in Phrasen oder Sätze, was folgende Beispiele veranschaulichen:ultrakompaktes Superfl iegengewicht mit atemberaubendem Aktionsradius [...] le-gendäre Zuverlässigkeit bei hoher Abbildungsleistung (Reisezoom von Tamron), Polstermöbel in purer Leder-Ästhetik (Machalke&Machalke), Schutzsystem für sensible Zähne und freiliegende Zahnhälse (elmex), Fahrspaß in Reinkultur (Saab 9–3).

LiteraturBralczyk, Jerzy: Język na sprzedaż. Warszawa 1996.Ewald, Petra: Zu den persuasiven Potenzen der Verwendung komplexer Lexeme in Texten der Pro-

duktwerbung. In: Hoffmann, Michael / Keßler, Christine (Hrsg.): Beiträge zur Persuasions-forschung. Unter besonderer Berücksichtigung textlinguistischer und stilistischer Aspekte. Frankfurt am Main 1998, S. 323–350.

22 Ähnlich wie das oben zitierte Determinativkompositum saugünstig.

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Vom Vital-Macher zum Frische-Flirt 131

Golonka, Joanna: Werbung und Werte. Mittel ihrer Versprachlichung im Deutschen und im Polni-schen. Wiesbaden 2009.

Kluckhohn, Clyde: Values and Value-Orientation in the Theory of Action. In: Parsons, Talcott u.a. (Hrsg.): Toward a General Theory of Action. Cambridge 1951, S. 388–433.

Krieg, Ulrike: Wortbildungsstrategien in der Werbung. Hamburg 2005. Panagl, Oswald: Wortbildungstypen in der Sprache der Anzeigenwerbung anhand deutscher Beispie-

le. In: Pöckl, Wolfgang (Hrsg.): Europäische Mehrsprachigkeit. Festschrift zum 70. Geburtstag von Mario Wandruschka. Tübingen 1981, S. 115–122.

Rein, Kurt: Zu Wortbildung und Wortwahl im heutigen Werbedeutsch. In: Munske, Horst H. et al. (Hrsg.): Deutscher Wortschatz. Lexikologische Studien. Festschrift für L. E. Schmitt zum 80. Geburtstag. Berlin-New York 1988, S. 464–489.

Wehner, Christa: Überzeugungsstrategien in der Werbung. Eine Längsschnittanalyse von Zeitschrif-tenanzeigen des 20. Jahrhunderts. Opladen 1996.

Schweiger, Günter / Schrattenecker, Gertraud: Werbung. Eine Einführung. 4., völlig neu bearbeitete und erweiterte Aufl . Stuttgart-Jena 1995.

Wöhe, Günter: Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 17. Aufl . München 1990.

AbstractsWerte bilden den wichtigsten inhaltlichen Aspekt jeder Werbebotschaft und Komposita (Nominal- und Adjektivkomposita) sind ein gut geeignetes sprachliches Mittel zum Ausdruck von Werten (Produktvorzügen) in jeder Werbung. Dies gilt allerdings nur für das Deutsche, deshalb gehe ich in meinem Beitrag vom Deutschen aus und zeige einige Strukturtypen deutscher Werbekomposita dar, die auf Werte hinweisen. In der polnischen Werbung fi ndet man viel seltener Komposita, deshalb beschränke ich mich meist darauf, bei jedem Strukturtyp einige polnische Beispiele zu nennen.

Values are the most important aspect of any advertising message. Compounds (both nouns and adjectives) are a very effective means to express values (related to the advantages of a product). This however pertains only with respect to the German language. Therefore, the investigation starts out with German structural patterns that are to be found in compounds in German commercials. In Polish advertising compounds are much rarer, so only a few Polish examples will be given for each pattern.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Józef JaroszWrocław

Bibliographie der skandinavischen Forschungam Institut für Germanische Philologieder Universität Wrocław 1945–2011

Einleitung

Im Jahre 2011 feiert die Germanistik an der Universität Wrocław den 200. Jahres-tag ihrer Gründung. Dies bietet eine einmalige Gelegenheit für eine Refl exion und einen Blick in die Vergangenheit. Das erwähnte Jubiläum ist einer der Gründe zur Erstellung einer Bibliographie der skandinavischen Forschung. Wie es an einer anderen Stelle nachgewiesen wurde,1 reichen ihre Anfänge an der Breslauer Uni-versität bis in die Zeit der Neugründung im Jahre 1811 zurück2. Von Anfang an wurden skandinavische Forschungen von den Breslauer Germanisten und Anglis-ten gewöhnlich am Rande des zentralen Forschungsfeldes, nicht selten episodisch, betrieben und stellten eine sehr lange Zeit eine Peripherie in den philologischen Recherchen dar. Somit war die Skandinavistik – fachgeschichtlich gesehen – als ein Teilbereich oder eher als Ergänzung und Seitenaspekt der älteren Germanistik verstanden worden. Ihr Forschungsbereich verbarg sich innerhalb der deutschen Philologie unter dem Begriff deutsche bzw. germanische Altertümer und wurde erfolgreich in der sich etablierenden Germanistik betrieben, die sich bis zum An-fang des 20. Jahrhunderts als Wissenschaftsdisziplin aller germanischen Sprachen und Kulturen verstand.

1 Ausführlicher berichten darüber siehe Krzysztof Janikowski / Józef Jarosz: Zur Geschichte der skandinavischen Forschungen an der Universität Wrocław. In: Hałub, Marek / Mańko-Matysiak, Anna (Hrsg.): Schlesische Gelehrtenrepublik, Bd. 3. Wrocław 2008, S. 495–526.

2 Zu Einzelheiten siehe Norbert Honsza (Hrsg.): Germanistik 2000 Wrocław–Breslau. Wrocław 2001.

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134 Józef Jarosz

Die vorliegende Bibliographie umfasst Publikationen, die nach dem Zweiten Weltkrieg3 veröffentlicht wurden, der bekanntlich eine Zäsur in der Geschichte der Odermetropole und ihrer Universität darstellt. Sie bedeutet jedoch keine Dämme-rung in der Behandlung der skandinavischen Problematik in der Forschungs-landschaft des Instituts für Germanische Philologie. Das Verzeichnis dokumentiert die wissenschaftlichen Schwerpunkte in der skandinavischen Forschung nach 1945. Auch wenn die nordische Problematik eine Randerscheinung in der univer-sitären Praxis darstellt, verdient sie um so mehr Verehrung, denn sie existiert stän-dig – abgesehen von kurzen Perioden der Stille – in Forschung und Lehre, was die Menge und Mannigfaltigkeit der unten stehenden Titel bestätigen.

In die Bibliographie wurden alle Schriften aufgenommen, die im Institut für Germanische Philologie entstanden und sich mit der Problematik der skandinavi-schen Länder, ihrer Sprachen und Kulturen auseinandersetzen. Sie wurden in chronologisch-alphabetischer Ordnung aufgelistet. Als ein zusätzliches Kriterium diente der Charakter der Veröffentlichung. Zuerst wurden Büchertitel angeführt, also Monographien und akademische Lehrbücher, dann Artikel, Rezensionen und Übersetzungen.

Das Verzeichnis sei eine Rückschau, die eine Bilanz zu ziehen ermöglicht, neue Impulse für weitere Forschungen gibt und somit über die Zukunft nachden-ken lässt.

Bibliographie

1956MonographienŻygulski, Zdzisław: Jan Chrystian Andersen, bajkopisarz duński. Warszawa

1956.

ArtikelŻygulski, Zdzisław: Ibsen i ibsenizm. Henryk Ibsen w 50-tą rocznicę śmierci poety.

In: Kwartalnik Neofi lologiczny 3, 1956, S. 229–245.

1959

ArtikelAdamus, Marian: Le present de l’indicatif en anglais et en islandais. In: Germa-

nica Wratislaviensia 3, 1959, S. 47–77.Adamus, Marian: Postępy w dziedzinie runologii. In: Kwartalnik Neofi lologicz-

ny 6, 1959, S. 237–242.

3 Der erste Teil der Bibliographie für die Periode 1811–1945 ist in Vorbereitung und wird im Jubiläumsjahr 2011 veröffentlicht.

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Bibliographie der skandinavischen Forschung 135

1960

ArtikelAdamus, Marian: Imiesłowy, czasowniki osobowe i przymiotniki w językach ger-

mańskich. In: Germanica Wratislaviensia 5, 1960, S. 163–183.Adamus, Marian: Relacje językowe przymiotników z imiesłowami w językach ger-

mańskich. In: Kwartalnik Neofi lologiczny 7, 1960, S. 81–101.

1962

MonographienAdamus, Marian: On the participles, fi nite verbs and adjectives of the Germanic

languages. Wrocław-Warszawa-Kraków 1962.

ArtikelAdamus, Marian: Mutual relations between Nordic and other Germanic dialects.

In: Biuletyn PTN 21, 1962, S. 103–114.Adamus, Marian: Mutual relations between Nordic and other Germanic dialects.

In: Germanica Wratislaviensia VII, 1962, S. 115–158. Adamus, Marian: On the Genetic Situation of Nordic. In: Kwartalnik Neofi lolo-

giczny 9, 1962, S. 374–397.

1965

ArtikelAdamus, Marian: Wartość skróconego alfabetu runicznego dla językoznawstwa

duńskiego i skandynawskiego. In: Sprawozdania Wrocławskiego Towarzy-stwa Naukowego V, 1965, S. 289–297.

1967

MonographienAdamus, Marian: Phonemtheorie und das deutsche Phoneminventar. Zur Typolo-

gie der germanischen Sprachen. Warszawa-Wrocław-Kraków-Gdańsk 1967.

1968

ArtikelAdamus, Marian: Synchroniczne ujęcie morfofonematycznych zmian językowych

w islandzkim i farerskim. In: Kwartalnik Neofi lologiczny 15, 1968. S. 403–414.

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136 Józef Jarosz

Janikowski, Krzysztof: Powstanie duńskiego standardowego języka mówionego (rigsmål). In: Sprawozdania Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego 41, 1968, S. 10f.

1969

ArtikelAdamus, Marian: Zur Entstehung des jüngeren Futharks. In: Biuletyn Polskiego

Towarzystwa Językoznawczego 27, 1969, S. 49–56.Łęcki, Stanisław: Analiza wartości czasu form osobowych praesens czasownika

norweskiego. In: Sprawozdania Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego 24, 1969, S. 46f.

1970

MonographienAdamus, Marian: Tajemnice sag i run. Wrocław-Warszawa-Kraków 1970.

ArtikelAdamus, Marian: Zur Entstehung des jüngeren Futharks. In: Biuletyn Polskiego

Towarzystwa Językoznawczego 27, 1970, S. 49–56. Janikowski, Krzysztof: Zur Phonologie der dänischen Diphthonge. In: Rozpra-

wy Komisji Językowej Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego 7, 1970, S. 217–225.

Łęcki, Stanisław: Analiza wartości form osobowych praesens języka norweskie-go (riksmål). In: Rozprawy Komisji Językowej Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego 8, 1970, S. 213–217.

1971

ArtikelAdamus, Marian: Uwagi o budowie czasownika w językach germańskich. In:

Rozprawy Komisji Językowej Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego IV, 1971. S. 45–83.

Adamus, Marian: Wartość skróconego alfabetu runicznego dla językoznawstwa duńskiego i skandynawskiego. In: Rozprawy Komisji Językowej Wrocław-skiego Towarzystwa Naukowego V, 1971, S. 289f.

Janikowski, Krzysztof: Über die sogenannten suprasegmentalen Einheiten in der dänischen Hochsprache der Gegenwart. In: Germanica Wratislaviensia 15, 1971, S. 155–164.

Janikowski, Krzysztof: Z fonologii dyftongów duńskich. In: Sprawozdania Wroc-ławskiego Towarzystwa Naukowego 24, 1971, S. 10f.

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Bibliographie der skandinavischen Forschung 137

1972

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Das Phoneminventar und -system des Dänischen und Deu-

tschen – ein Vergleich. In: Germanica Wratislaviensia 16, 1972. S. 17–26. Łęcki, Stanisław: Die Vergangenheitstempora im Norwegischen (riksmål). In:

Germanica Wratislaviensia 16, 1972, S. 39–54.

1973

MonographienJanikowski, Krzysztof: Die morphemdistinktiven Einheiten des Dänischen. Wroc-

ław 1973.

ArtikelAdamus, Marian: Sagi o Islandczykach. In: Literatura Ludowa Nr. 3 , 1973, S.

3–17.

1974

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Die Phonemdistribution im Dänischen und Deutschen. In:

Germanica Wratislaviensia 28, 1974, S. 3–16.Łęcki, Stanisław: Die Vergangenheitstempora im Norwegischen und im Deut-

schen. In: Germanica Wratislaviensia 28, 1974, S. 33–43.

1977

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Allomorphischer Lautwechsel im Dänischen. In: Germa-

nica Wratislaviensia 21, 1977, S. 13–22.Janikowski, Krzysztof: Fonemy języka duńskiego i niemieckiego. In: Germanica

Wratislaviensia 24, 1977, S. 23–36.

1978

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Duńsko-polskie kontrasty spółgłoskowe. In: Studia Lingui-

stica IV, 1978, S. 31–41.

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138 Józef Jarosz

1979

ArtikelŁęcki, Stanisław: Język i metoda. O najnowszej literaturze norweskiej. In: Odra

19,1979, S. 55–61.

ÜbersetzungenŁęcki, Stanisław: Cecilie Løveid: Czekanie w szarym śniegu. In: Odra 19, 1979,

S. 65f.Łęcki, Stanisław: Kjartan Fløgstad: Rasmus. In: Odra 19, 1979, S. 61–64.

1980

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Das Problem der klassischen Morphonologie. In: Germa-

nica Wratislaviensia 36, 1980, S. 143–159.Janikowski, Krzysztof: Zur phonologischen Matrix der dänischen Vokale. In:

Kwartalnik Neofi lologiczny 27, 1980. S. 347–357.Janikowski, Krzysztof: Zur phonologischen Merkmalspezifi zierung der dänischen

Konsonanten. In: Skandinavistik 10, 1980, S. 13–28.

1982

MonographienJanikowski, Krzysztof: Die Allomorphie im Dänischen und Deutschen. Wrocław

1982.

1984

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Die allomorphische Funktion des dänischen Stød. In: Stu-

dia Scandinavica 6, 1984, S. 29–43. Janikowski, Krzysztof: Phonologisch-morphologische Wechselbeziehungen am

Beispiel des Dänischen. In: The Nordic Languages and Modern Linguistics 5, 1984, S. 277–282

1985

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Polsk-dansk interferens på udtaleområdet. In: Togeby, Ole

(Hrsg.): Papers from the Eighth Scandinavian Conference of Linguistics. År-hus 1985, S. 156–164.

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Bibliographie der skandinavischen Forschung 139

1987

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Centrum og periferi af allomorfi seringsprocesser i dansk

og polsk. In: LÆS. Skriftserie fra Nordisk Institut Århus Universitet Nr.1, 1987, S. 23–36.

1989

MonographienAdamus, Marian: Eskimosi: Kultura, język, folklor. Warszawa 1989.

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Assimilations- und Reduktionsprozess im heutigen Dä-

nisch. In: Werner Otmar (Hrsg.): Arbeiten zur Skandinavistik. Arbeitstagung der Skandinavisten des Deutschen Sprachgebietes 27.09–03.10.1987 in Fre-iburg. Frankfurt am Main 1989, S. 31–45.

1990

MonographienŁęcki, Stanisław: Polityka językowa Norwegii w latach 1814–1981. Wrocław

1990.

Akademische LehrbücherJanikowski, Krzysztof: Podręcznik wymowy duńskiej. Wrocław 1990.

1992

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Phonologische Gesichtspunkte bei kontrastiven Lautunter-

suchungen – dargestellt am Beispiel der polnischen und dänischen silbischen Phoneme. In: Studia Neerlandica et Germanica 1, 1992. S. 155–166.

Janikowski, Krzysztof: Stød we współczesnym języku duńskim. In: Studia Lingui-stica 15, 1992, S. 33–41.

1993

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Wariancja fonologiczna w obrębie duńskiego języka stan-

dardowego (rigsmål). In: Studia Linguistica 15, 1993, S. 25–37.

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140 Józef Jarosz

1994

MonographienJanikowski, Krzysztof: Die Phonologie der niederdeutschen Lehnwörter im Dä-

nischen bis 1600. Wrocław 1994.

1995

ArtikelJanikowski, Krzysztof: De to transfertyper og virkningen af den nedertysk-danske

sprogkontakt på det fonologiske plan. In: Kunøe, Metce / Larsen, Erik Vive (Hrsg.): 5. Møde om Udforskningen af Dansk Sprog. Århus 1995, S. 132–140.

Janikowski, Krzysztof: Niederdeutsch-dänische Sprachbeziehungen bis 1600. In: Germanica Wratislaviensia 107, 1995, S. 85–97.

Stopyra, Janusz: Die nominalen Verstärkungen im Deutschen und Dänischen. In: Germanica Wrastislaviensia 107, 1995, S. 151–160.

1996

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Adaptacja fonologiczna zapożyczeń dolnoniemieckich

w języku duńskim do 1600. In: Studia Linguistica 17, 1996, S. 95–106.Janikowski, Krzysztof: Die zwei Transfertypen und der englisch-dänische Sprach-

kontakt. In: Folia Scandinavica Posnaniensia 3, 1996. S. 285–293.Janikowski, Krzysztof: Vokalsubstitutionen in niederdeutschen Lehnwörtern im

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Stopyra, Janusz: Die Verstärkungen im Dänischen – im Vergleich mit den deut-schen. In: Folia Scandinavica Posnaniensia 3, 1996, S. 295–310.

Zarzycka, Urszula: Typy złożeń rzeczownikowych języka duńskiego. In: Orbis Lin-guarum 5, 1996, S. 305–310.

1997

SprachlehrbücherŁęcki, Stanisław: Vil du lære norsk? Podręcznik języka norweskiego dla począt-

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KOREKTA

Bibliographie der skandinavischen Forschung 141

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Dwa typy transferu a dolnoniemiecko-staroskandynawskie

kontakty językowe. In: Orbis Linguarum 6, 1997, S. 255–264.Janikowski, Krzysztof: Niederdeutsch-dänische Sprachbeziehungen bis 1600. In:

Jahr, Ernst Håkon (Hrsg.): Eastern European Contributions to Scandinavian Linguistics. Studia Nordica 2. Oslo 1997, S. 68–82.

1998

MonographienStopyra, Janusz: Die Verstärkungen im Bereich der nominalen Wortbildungskon-

struktionen im Deutschen und Dänischen. Wrocław 1998.

1999

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Pragmatyczne aspekty użycia rodzajnika w języku duń-

skim. In: Orbis Linguarum 12, 1999, S. 227–232.

2000

RezensionenStopyra, Janusz: Łęcki Stanisław Vil du lære norsk. In: Orbis Linguarum 15, 2000,

S. 263.

2001

RezensionenStopyra, Janusz: Dansk-Tysk Ordbog af Egon Bork. 11. Udgave ved Holm Fleis-

cher u.a. Copenhagen 1999. In: Orbis Linguarum 18, 2001, S. 231f.

2002

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Der dänisch-niederdeutsche Sprachkontakt in der Zeit der

Hanse in neuer Sicht. In: Orbis Linguarum 20, 2002. S. 115–124.Stopyra, Janusz: Deutsche und dänische Verstärkungen in Zahlen. In: Sprache &

Sprachen 27/28, 2002, S. 64–67.

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KOREKTA

142 Józef Jarosz

2004

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Zur Ökologie des Dänischen in der Hansezeit. In: Bar-

toszewicz, Iwona / Hałub, Marek / Jurasz, Alina (Hrsg.): Werte und Wertun-gen. Sprach-, literatur- und kulturwissenschaftliche Skizzen und Stellungnah-men. Festschrift für Eugeniusz Tomiczek. Wrocław 2004. S. 92–103.

Jarosz, Józef: Z badań konfrontatywnych nad przysłowiami pochodzenia łacińskie-go w języku duńskim i polskim. In: Studia Linguistica 23, 2004, S. 17–27.

Stopyra, Janusz: Über das Deutsche zum Dänischen: Ein Umweg für polnische Germanistikstudenten mit Dänisch als zweiter Fremdsprache. In: Orbis Lin-guarum 27, 2004. S. 305–308.

2005

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Dlaczego mówiony język duński jest tak trudny dla Pola-

ków? In: Orbis Linguarum vol. 29, 2005, S. 441–448.Jarosz, Józef: Duńskie przyimki we frazach temporalnych i ich polskie odpowied-

niki. In: Studia Linguistica XXIV, 2005. S. 89–115.Stopyra, Janusz: Afl edte kollektivdannelser i dansk og deres tyske akvivalenter. In:

Widell, Peter / Kunøe, Mette (Hrsg.): 10. møde om Udforskningen af Dansk Sprog, Århus 2005. Århus 2005, S. 342–348.

Stopyra, Janusz: Duńskie derywaty przymiotnikowe i ich niemieckie odpowiedniki w Dansk-Tysk Ordbog Egona Borka. In: Seminaria Naukowe Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego Reihe A, 55, 2005. S. 29–36.

Stopyra, Janusz: Gemeinsame Wortbildungsmuster des Deutschen und Dänischen im Bereich adjektivischer Ableitungen. In: Orbis Linguarum 29, 2005, S. 385–390.

Stopyra, Janusz: Substantivische Derivate und ihre deutschen Parallelen im Dansk-Tysk Ordbog. Gyldedal 1999, 11. Ausgabe. In: Gottlieb, Henrik / Mo-gensen, Jens Erik / Zettersten, Arne (Hrsg.): Preceedings of the Eleventh In-ternational Symposium on Lexicography May 2–4. 2002, at the University of Copenhagen. Tübingen 2005. S. 531–536.

2006

ArtikelStopyra, Janusz: Gemeinsame Wortbildungsmuster des Deutschen und Dänischen

im Bereich substantivischer Ableitungen. In: Kozmová, Ružena (Hrsg.): Spra-

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KOREKTA

Bibliographie der skandinavischen Forschung 143

che und Sprachen im mitteleuropäischen Raum. Vorträge der internationalen Linguistik-Tage. Trnava 2006. S. 687–694.

Stopyra, Janusz: Zu den Partnerbezeichnungen im Deutschen, Dänischen und Pol-nischen. In: Balzer, Bernd / Hałub, Marek (Hrsg.): II Kongress der Breslauer Germanistik, Bd. 1. Wrocław 2006, S. 489–495.

2007

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Niederdeutsch-dänische Beziehungen in der Hansezeit:

Sprach- oder Dialektkontakt? In: Bartoszewicz, Iwona / Szczęk, Joanna / Tworek, Artur (Hrsg.): Fundamenta linguisticae. Lingustische Treffen in Wrocław, Bd. 1. Wrocław-Dresden 2007, S. 83–96.

Jarosz, Józef: O wykorzystaniu konfrontacji przekładowej w leksykografi i (na materiale duńskim). In: Dolník, Juraj / Bohušová, Zuzana / Huťková, Anita (Hrsg.): Translatológia a jej súvislosti 2. Banská Bystrica 2007, S. 47–58.

Stopyra, Janusz: Danske substantiviske suffi ksdannelser modelleret efter tilsva-rende prædikat- og argumentstrukturer. In: Widell, Peter / Berthelsen, Ulf Dalvad (Hrsg.): 11. Møde om Udforskningen af Dansk Sprog. Århus 2007. S. 244–253.

2008

MonographienJarosz, Józef: Duńskie ekwiwalenty tłumaczeniowe polskich przyimków we fra-

zach temporalnych. Wrocław 2008.Stopyra Janusz: Nominale Derivation im Deutschen und im Dänischen. Wrocław

2008.

ArtikelJanikowski, Krzysztof / Jarosz, Józef: Zur Geschichte der skandinavischen For-

schungen an der Universität Wrocław. In: Hałub, Marek / Mańko-Matysi-ak, Anna (Hrsg.): Schlesische Gelehrtenrepublik, Bd. 3. Wrocław 2008, S. 495–526.

Jarosz, Józef: Das Bild des Lebens und des Todes in den dänischen Grabinschrif-ten. In: Bartoszewicz, Iwona / Szczęk, Joanna / Tworek, Artur (Hrsg.): Lingui-stische Treffen in Wrocław 2008, Bd. 2, Linguistica et res cotidianae. Wroc-ław-Dresden 2008. S. 33–48.

Jarosz, Józef: Hasła przyimkowe w słownikach frekwencyjnych. In: Szczęk, Joan-na (Hrsg.): Roczniki Naukowe, Bd. 14, Języki obce, H. 4, 2008. S. 61–68.

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KOREKTA

144 Józef Jarosz

Jarosz, Józef: Zu Typologie und semantischen Relationen im Bereich der lexika-lischen

Tautonyme im Deutschen und Dänischen. In: Blahak, Boris / Piber, Clemens (Hrsg.):

Deutsch als fachbezogene Fremdsprache in Grenzregionen. Bratislava 2008. S. 125–137.

Stopyra, Janusz: Nominale Derivation im Deutschen und Dänischen. In: Pitt-ner, Karin (Hrsg.): Beiträge zu Sprache und Sprachen 6. Vorträge der 16. Jahrestagung der Gesellschaft für Sprache und Sprachen. München 2008, S. 521–526.

Stopyra, Janusz: Zu der Suffi xsequenz im Deutschen und im Dänischen. In: Bu-kowski, Piotr / Pietrzak-Porwisz, Grażyna / Kowal, Iwona (Hrsg.): Perspektiv på svenska språket och litteraturen. Kraków 2008, S. 231–235.

2009

ArtikelJanikowski, Krzysztof: Die temporale Deixis im Dänischen als didaktisches

Problem für die polnischen Germanistikstudenten. In: Bartoszewicz, Iwona / Szczęk, Joanna / Tworek, Artur (Hrsg.): Germanistische Linguistik extra muros – Inspirationen. Linguistische Treffen in Wrocław, Bd. 3. Wrocław-Dresden 2009, S. 175–188.

Jarosz, Józef: Deutsche und dänische Zwillingsformeln im Vergleich. In: Bartosze-wicz, Iwona / Dalmas, Martine / Szczęk, Joanna / Tworek, Artur (Hrsg.): Germanistische Linguistik extra muros – Aufgaben. Linguistische Treffen in Wrocław, Bd. 4. Wrocław-Dresden 2009. S. 47–56.

Jarosz, Józef: Migrantensprache in der Translation am Beispiel einer Filmüber-setzung. In: Studia Linguistica XXVIII, 2009. S. 89–98.

Jarosz, Józef: Onomastyka literacka w duńskim, niemieckim i rosyjskim przekła-dzie powieści Chłopi. In: Wysoczański, Włodzimierz/ Sarnowski, Michał (Hrsg.): Wyraz i zdanie w językach słowiańskich 9, 2009, S. 75–84.

Jarosz, Józef: Zum Lichtmotiv in den dänischen Psalmliedern. In: Kunicki, Wo-jciech / Rzeszotnik, Jacek / Tomiczek, Eugeniusz (Hrsg.): Breslau und die Welt. Festschrift für Prof. Dr. Irena Światłowska-Prędota zum 65. Geburtstag. Wrocław 2009, S. 557–571.

Smułczyński, Michał: Kontrasty w planach budowy zdań w niemieckich i polskich przekładach baśni Andersena. In: Dziewczyński, Mariusz / Jahr, Mijam / On-dřejová, Kateřina (Hrsg.): interFaces. Wrocław 2009. S. 123–136.

Stopyra, Janusz: Aspekte der Lexikalisierung von Wortbildungen. In: Fekete-Csizmazia, Zsuzsanna / Lang, Elisabeth / Pólay, Veronika / Szatmári, Petra (Hrsg.): Sprache – Kultur – Berührungen. Szombathely 2009, S. 177–181.

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Bibliographie der skandinavischen Forschung 145

Stopyra, Janusz: Einteilung der deutschen und dänischen Derivate nach ihrer Prädikat-Argumentstruktur. In: Helin, Irmeli (Hrsg.): Linguistik und Über-setzung in Kouvola. Beiträge zu Sprache und Sprachen 7. Vorträge der 17. Jahrestagung der Gesellschaft für Sprache und Sprachen. Helsinki 2009, S. 275–285.

Stopyra, Janusz: En analyse af forholdet mellem danske og tyske sammensætninger og afl edninger som grundlag for et undervisningsprogram i dansk for tyskta-lende udlændinge. In: Schoonderbeek, Hansen Inger / Widell, Peter (Hrsg.): 12. Møde om Udforskningen af Dansk Sprog. Århus 2009, S. 261–268.

Stopyra, Janusz: Program nauczania języka duńskiego dla osób znających język niemiecki. In: Materiały z V Międzynarodowej Konferencji Edukacyjnej pt. Języki obce w kontekście współczesnych wyzwań i perspektyw w Ustroniu w dniach 24–26 kwietnia 2009 roku (CD-ROM). Gliwice 2009.

Stopyra, Janusz: Semikommunikation im skandinavischen Sprachraum. In: Studia Linguistica 28, 2009, S. 77–80.

Stopyra, Janusz: Südjütland und Nordschleswig – Land der kulturellen Toleranz. In: Bartoszewicz, Iwona / Szczęk, Joanna / Tworek, Artur (Hrsg.): Germa-nistische Linguistik extra muros – Inspirationen. Linguistische Treffen in Wrocław, Bd. 3. Wrocław-Dresden 2009. S. 233–235.

ÜbersetzungenJarosz, Józef: Henrik Nordbrandt Tajemnica rzeki (Flodens hemmelighed), Sen

o rozpaczy (Drøm om fortvivlelse), Mówię o tobie (Jeg taler om dig), Takie życie (Et liv), Lata świetlne (Lysår), Wyobraź sobie (Forestil dig nu), Poranek majowy (Majmorgen). In: Banaś, Katarzyna: Katalog. Lata świetlne. Lysår. Wrocław 2009.

2010

ArtikelJarosz, Józef: „Andre huse, andre sæder” czyli o duńskich nazwach domów w gro-

dzie Hamleta. In: Łobodzińska, Romana (Hrsg.): Onomastyka. Nazwy własne a społeczeństwo I-II, Bd. 2. Łask 2010, S. 337–357.

Jarosz, Józef: Henrik Steffens – ein Breslauer Rektor aus dem Norden. Teil I: In Skandinavien zu Hause. In: Hałub, Marek / Mańko-Matysiak, Anna (Hrsg.): Śląska Republika Uczonych, Bd. 4. Wrocław 2010. S. 216–233.

Jarosz, Józef: O językowych i prawnych archaizmach w konstytucji Królestwa Danii. In: Legilingwistyka porównawcza. Comparative Legilinguistics (In-ternational Journal for Legal Communication) 3, 2010. S. 37–46.

Jarosz, Józef: Polonika w duńskich słownikach monolingwalnych. In: Chłopicki, Władysław / Jodłowiec, Maria (Hrsg.): Słowo w dialogu międzykulturowym (Reihe: Język a komunikacja 25). Kraków 2010. S. 161–170.

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146 Józef Jarosz

Jarosz, Józef: Temporalprapositionen in Polsk-dansk ordbog von Jan A. Nowak. In: Folia Posnaniensia Scaninaviensia 11, 2010. S. 101–122.

Jarosz, Józef: Zur Wiedergabe der kulturspezifi schen Lexik in der deutschen und dänischen Übersetzung von Reymonts „Chłopi“ am Beispiel der Onyme. In: Kremberg, Bettina / Pełka, Artur / Schildt, Judith (Hrsg.): Übersetzbarkeit zwischen den Kulturen. Sprachliche Vermittlungspfade. Mediale Parameter. Europäische Perspektiven. Frankfurt am Main 2010, S. 219–237.

Stopyra, Janusz: Inkorporation in der nominalen Wortbildung (am Beispiel des Deutschen und Dänischen). In: Chruszczewski, Piotr P./ Prędota, Stanisław (Hrsg.): Prace Komisji Nauk Filologicznych Oddziału Polskiej Akademii Nauk we Wrocławiu II. Wrocław 2010, S. 147–157.

Stopyra, Janusz: Unterrichtsprogramm für Dänisch lernende Deutsche. In: Bock, Bettina (Hrsg.): Aspekte der Sprachwissenschaft: Linguistik-Tage in Jena. 18. Jahrestagung der Gesellschaft für Sprache und Sprachen e.V. Hamburg 2010, S. 345–351.

2011

Jarosz, Józef: Sprachliche Repräsentanz der Kulturphänomene in den dänischen Bildungen mit dem Grundwort -kultur. In: Schiewe, Jürgen / Lipczuk, Ry-szard / Nerlicki, Krzysztof / Westphal, Werner (Hrsg.): Kommunikation für Europa II. Sprache und Identität. Frankfurt am Main 2011, S. 311–319.

Jarosz, Józef: Zum Bild der Natur in den Kirchenliedern des dänischen Psalmi-sten N.F.S. Grundtvig (1783–1827). In: Greule, Albrecht / Kucharska-Dreiss, Elżbieta (Hrsg.): Theolinguistik: Bestandsaufnahme – Tendenzen – Impulse. Insingen 2011, S. 133–146.

Jarosz, Józef / Łukomski, Krzysztof: Der dänische präpositionale Infi nitiv und seine Wiedergabe im Polnischen. In: Germanica Wratislaviensia 133, 2011. S. 93–106.

AbstractsDer Anlass für die vorliegende Bibliographie war der 200. Jahrestag der Gründung der Breslauer Germanistik. Die Bibliographie umfasst Publikationen, die in der Periode 1945–2011 im Institut für Germanische Philologie entstanden und sich mit der Problematik der skandinavischen Länder, ihrer Sprachen und Kulturen auseinandersetzen. Sie wurden in chronologisch-alphabetischer Ordnung aufgelistet. Als ein zusätzliches Kriterium diente der Charakter der Veröffentlichung: Zuerst werden Büchertitel angeführt, also Monographien und akademische Lehrbücher, dann Artikel, Rezensionen und Übersetzungen.

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Bibliographie der skandinavischen Forschung 147

The reason for this bibliography was the 200th Anniversary of the founding of German Studies at the University of Wrocław. The bibliography includes publications published in the period 1945–2011. The list contains publications, which originated in the Institute for German studies and consider the problems of the Scandinavian countries and their languages and cultures. They were listed in chronological-alphabetical order. An additional criterion is the character of the publication. First are books (monographs and academic textbooks) cited, then articles, reviews and translations.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Jozef ŠtefčíkNitra

Kulturbezogene Besonderheitenin der Translationsdidaktik

1. Postmoderne in der Translatologie?

Dieser Aufsatz wird sich mit identitätsstiftenden Einfl üssen der Kultur auf die Arbeit der Translatologen (Übersetzer und Dolmetscher) und die Translationsdi-daktiker beschäftigen.

Über Translatologie als „Wissenschaft von Übersetzen und Dolmetschen“ existieren schon seit Jahrzehnten zahlreiche Theorien, die sich gegenseitig ergän-zen und vertiefen. Als die bekanntesten sind hierzu die folgenden bekannten The-orien aus dem 20. Jahrhundert zu nennen: z.B. die Leipziger Schule, die Moskau-er Schule, Skopos-Theorie, Theorie über das translatologische Handeln (vgl. Vermeer / Reiss 1991; Holz-Mänttäri 1986; Koller 1990). In allen Theorien hat sich die Forschung im Bereich des Übersetzens Schritt für Schritt etabliert, zuerst auf der Ebene des Mikrotextes, später auf der Ebene des Makrotextes und schließ-lich kam es zu dem neuesten Ansatz, der die Ebene des Hypertextes (Ko-text, Kontext, Situation, Kultur) in den Vordergrund stellt. Auf dieser Ebene spielt das kulturelle Element die allerwichtigste Rolle. Mit dem kulturellen Phänomen be-schäftigt sich die translatologische Forschung schon seit den 1980er und 1990er Jahren. Im Allgemeinen kann daher behauptet werden, dass es bezüglich der Über-setzungsforschung (Dolmetschen fällt hierzu in eine andere Kategorie) bis heute alles Wesentliche bereits gesagt, geschrieben und anderswie in den einschlägigen Schriften veranschaulicht wurde.1 Dem literarisch-metaphorischen Jargon gemäß könnte man diese Erscheinung auf diese Art und Weise erfassen, dass die gegen-wärtige Translatologie scheinbar die „moderne Phase“ ihrer Existenz erreicht hat, weshalb jetzt die neue – „postmoderne Phase“ – auf sich warten lässt. In dieser Phase könnten alle Theorien ihre Anwendung in der Didaktik und Praxis fi nden,

1 Siehe Literaturverzeichnis.

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besonders in Bezug auf situationsgemäße und kontextrelevante Diskurse. Die Vielfalt der kommunikativen Situationen und Diskurse bedürft der Anwendung von „modernen“ hypertextuellen (kulturspezifi schen) Ansätzen, die unter den im-mer neu aufkommenden sprachlichen Varianten in verschiedenen Textsorten, Texttypen und mit funktionsadäquaten Lösungsstrategien ihre Gültigkeit bewir-ken. Deswegen sind wir davon überzeugt, dass die Didaktik und Methodik der Translatologie vor großen Herausforderungen steht.

2. Kulturbegriff in der Translatologie

Der Begriff Kultur wird in den kulturwissenschaftlichen Quellen mit über 200 Defi nitionen beschrieben. Die Translation wird daher heute als Kuturtransfer und interkulturelle Kommunikation verstanden. In der Translationswissenschaft wird neuerdings besonders auf die Rolle des Translators als eines Kulturmittlers ein großer Wert gelegt. Laut der neuen Auffassung „sollten die Dolmetscher und Übersetzer nicht nur bilingual, sondern auch bikulturell sein“ (Vilímek 2006: 41). Um diesen gewünschten Stand aus der methodologischen Perspektive zu er-hellen, bedarf es zunächst einer Ausformulierung des Kulturbegriffs und inter-kultureller Kommunikation, um sie in den Kontext der modernen Translatologie und translatologischen Didaktik richtig einzubringen. Kultur ist kein statischer, sondern ein dynamischer Begriff (insbesondere auf der kommunikativen Ebene), der eine Grundlage im Rahmen der didaktischen Texte zum Übersetzen und ihrer Analyse bildet, um die translatologische Kompetenz der Akteure in die richtige Bahn zu lenken. Die Translatologie als interdisziplinäres Fach sollte daher den Kulturaspekt nicht nur im Rahmen der mikro- und makrotextuellen Analyse un-tersuchen, sondern ebenso auf der kontrastiven Basis der pragmatischen, stilis-tischen und funktionalen Ebene von mindestens zweisprachigen Diskursen. Denn in der Translatologie geht es immer primär um den produktiven Vergleich von zwei Sprachen und Kulturen (wobei wenigstens eine als Ausgangstext und die an-dere als Zieltext bezeichnet wird) und ihren adäquaten Transfer aus der Ausgangs-sprache in die Zielsprache unter Beachtung der grammatischen, lexikalischen, stilistischen, pragmatischen und situativen Funktionen. Diese ganze Tätigkeit be-trachten wir als die fünfte kommunikative Fertigkeit (vgl. Müglová 2008: 69), die einer gezielten und planmäßigen Didaktik unterliegt, deren Ziel es ist die transla-tologische Fähigkeit bzw. Kompetenz zum Übersetzen zu erwerben.

Die translatologische Kompetenz (vgl. Hönig / Kußmaul 1982; Nord 2002; Witte 2000) wird von mehreren Autoren unterschiedlich defi niert. Wir gehen vor-nehmlich von der These von E. Gromová (2003) aus. Hier zählt vor allem:

– sprachliche Kompetenz – Verfügung über die Ausgangs- sowie die Zielspra-che; die sprachliche Kompetenz betrifft die linguistische Ebene (Wortschatz, Syn-tax, Wortbildung etc.);

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Kulturbezogene Besonderheiten in der Translationsdidaktik 151

– soziolinguistische Kompetenz – bezeichnet die Fähigkeit, die Aussagen im Kontext verstehen und produzieren zu können;

– diskursive Kompetenz – verkörpert den Sinn für Kohärenz und Kohäsion, für die Einheit des Textes;

– strategische Kompetenz – betrifft die Kenntnisse der Kommunikationsstra-tegien und ist eine der wichtigsten Kompetenzen.

3. Interkulturelle translatologische Kompetenz

Was jedoch die kulturologische Kompetenz in der Translatologie ist, wurde soweit noch nicht eindeutig geklärt. Alle Übersetzungslehrer werden tagtäglich mit der Fra-ge nach der adäquaten Vorgehensweise in der translatologischen Didaktik konfron-tiert. Wie bereits erwähnt wurde, setzt translatologischer Transfer die Beherrschung der Ausgangskultur und der Zielkultur voraus. Demzufolge soll der Kulturbegriff in der translatologischen Theorie, Praxis und besonders Didaktik in den interkultu-rellen Relationen betrachtet werden. Darüber hinaus sollten alle didaktischen Texte mit einer aktuellen Thematik gewählt werden (z.B. EU, Finanzkrise, Klimawandel, Forschung, usw.), um den Prozess des kulturellen Kompetenzerwerbs den lebens-nahen kommunikativen Bedingungen im interkulturellen Kontext anzupassen.

Deshalb wollen wir zunächst die kulturellen Aspekte, die in jedem für die Übersetzung bestimmten Text entweder latent oder sichtbar vorkommen (vgl. Keesing 1976), folgendermaßen aufteilen:

1. historisch-ideologischer Aspekt:a) Geschichtsepochen = wichtige Ereignisse, Persönlichkeiten, Philosophie,

Daten – z.B. die 1960er Jahre und das Wirtschaftswunder,b) Ideologien = Systeme, Gruppierungen, politische Richtungen, Denkweisen

– z.B. Sozialdemokratie,c) Religionen = Weltanschauung, biblische Werke, Altes und Neues Testament

– z.B. Martin Luther und die Reformation,d) Geschichtsfakten = Untersuchungen, Forschungen, Reisen, Katastrophen

– z.B. der terroristische Angriff während der Olympischen Sommerspiele in Mün-chen;

2. soziologisch-psychologischer Aspekt:a) System = Politik, Legislative, Judikative, Bildung, Werthaltungen, Normen,

Handeln – z.B. die Bezeichnungen wie Grundgesetz, Hartz IV etc.,b) Verhalten und Denken = zwischenmenschliche Beziehungen, Mentalität,

Motivationen, Gefühle – z.B. Beziehung der jüngeren und der älteren Generation zum vereinigten Europa etc.,

c) Alltagsleben der Bürger = Arbeit, Freizeit, Wohnen, Essen, Bräuche und Feste – z.B. Karneval in der Faschingszeit, Speisen wie Hackepeter, Pfl aumenkalt-schale, Eintopf etc.;

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152 Jozef Štecfi k

3. technologisch-materieller Aspekt:a) Die Materialkultur, die Errungenschaften, die das Ergebnis der Zusammen-

wirkung von Menschheit und Natur bilden,b) Geographie = Landeskunde, Namen, Klimaverhältnisse – z.B. Niederöster-

reich, Rügen, Ruhrgebiet, Vogtland etc.,c) Wohnungen, Betriebe, Institute, Produkte, Know-how, Verkehr, Einrich-

tungen, Gruppierungen und Parteien – z.B. DAAD, CDU, SPD, Lufthansa, etc.;4. kommunikativ-pragmatischer Aspekt:Bei diesem Aspekt, der als Gegenstand der heutigen translatologischen For-

schung zu betrachten ist, geht es um Textrezeption (Diskursrezeption)2 in ver-schiedenen handlungsrelevanten und strategischen Rollen (. Die kommunikative Äußerung kann daher als verbal, nonverbal, visuell, und musikalisch (vgl. Bass-nett / Mountford 1993) realisiert werden:

a) Verbale Kommunikation = Gesprochene und geschriebene Form = wird untersucht von der Linguistik (Grammatik, Lexikologie, Stilistik, Pragmatik Se-mantik, Semiotik),

b) Visuelle Kommunikation = Fotografi e, Film, Bild,c) Musikalische Kommunikation = vokal, instrumental,d) Kommunikative Äußerungen und die ihnen entsprechenden kommunika-

tiven Situationen mit ihren Ausdrucksmitteln kommen in den Medien zustande, wie z.B: TV, Radio, Presse, Internet und IT, Rundfunk, Literatur- Lyrik, Epik, Dramatik, Kinematographie, Musik und bildende Künste.

Diese kulturellen Aspekte als dynamische (einem ständigen Wandel unterlie-gende Sprachphänomene) Kulturelemente stellen die Übersetzer vor einer schwie-rigen Aufgabe. In jeder Sprache gibt es nämlich unter anderem fi gurative und idiomatische Ausdrucksmittel, die aufgrund der unterschiedlichen kultur(kollektiv)abhängigen Denkmuster entstehen, seien es Metaphern, Idiome oder gefl ügelte Worte, die den Übersetzern und Dolmetschern oft Schwierigkeiten bereiten. Ob-wohl Deutsch im Vergleich zu anderen Sprachen (z.B. Französisch ist eine bild-hafte Sprache) nicht so reich an fi gurativen Ausdrucksmitteln ist, haben wir auch bei den Studenten einige Probleme beim Übersetzen aus dem Deutschen ins Slo-wakische festgestellt. Wir können dabei grundsätzlich drei Gruppen von Idiomen unterscheiden:

1. Alle Sprüche und Phraseologismen, die auch in der Zielsprache eine ähn-liche Form und die gleiche Bedeutung haben, wie z.B.: dem Mutigen gehört die Welt, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.

2. Phraseologismen, die durch unterschiedliche Lexeme gekennzeichnet sind, deren Bedeutung jedoch aufgrund ihrer Sinnähnlichkeit in der Zielsprache von den Lexemen oder aus dem Kontext erschlossen werden kann, so dass sie

2 Text – schriftliches Medium, Diskurs – mündliches Medium.

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relativ leicht in die Zielsprache zu übertragen sind. Hier gehören z.B. folgende Sprüche: vor Faulheit stinken, frei von der Leber sagen etc.

3. Sprüche, die ein völlig unterschiedliches Sprachäquivalent in der Zielspra-che haben, weshalb der Übersetzer ohne Hintergrundwissen und den entspre-chenden Kontext nicht arbeiten kann. In diese Gruppe fallen folgende Ausdrücke: wie gewonnen so zerronnen, bei jdm. ein- und ausgehen, über den großen Teich fahren, noch nicht trocken hinter den Ohren sein oder viel um die Ohren haben. Idiome, die schwierig zum Übersetzen sein könnten: die Weichen stellen, des Pu-dels Kern, jmdn. vor den Kadi schleppen, jmdm. bleibt die Spucke weg etc.

Die angeführten Beispiele als Überbegriffe der Einzelaspekte der Kultur wer-den in Texten mit einer kommunikativen Intention verbalisiert. Diese konkreten vergegenständlichten Aspekte der Kultur sind für den Übersetzer immer als ein Test seiner Kompetenz zu sehen. Es liegt jedoch immer an der Entscheidung des Übersetzers ein der Zielsprache entsprechendes Äquivalent zu fi nden, um den Sinn des Informationsinhaltes zu erhalten. Hierzu ein Textbeispiel eines Ausgangs-textes, der zum Übersetzen bestimmt war:

Besonders wichtig erscheint es mir, darauf hinzuweisen, dass die Errine-rungsarbeit sich nicht auf das sprachliche Gedenken beschränkt. Es gehören Denkmäler dazu, die Gedenkstätten, die historisch bedeutsamen Gebäude und die Museen. In Deutschland hat die Wiedererrichtung der Dresdner Frauenkirche sehr dazu beigetragen, die kulturelle Identität zu stabilisieren, Spenden kamen in großem Maße auch aus dem Ausland, ein Zeichen, dass prominente Gebäude als kultureller Besitz der Menschheit aufgefasst werden. Die Aktion der UNESCO vom Kulturerbe zeigt das ganz deutlich3.

Im Text sind einige übersetzungsrelevante Probleme bezüglich der kulturellen Spezifi k und des Transfers markant:

– Die Errinerungsarbeit – historisch-ideologischer Aspekt. Als ein Problem-wort erweist sich hier das Wort die Arbeit = Produkt, Schaffen, Betätigung die unter verschiedenen Konnotationen wahrgenommen wird.

– Stabilisierung der kulturellen Identität – soziologisch-psychologischer As-pekt. Ein Problem für den Übersetzer und seine potentielle Gefahr der Konnotati-onen: stabilisieren = festigen, beständig machen, bewahren, die sich als mögliche Konnotationen ahnen lassen.

– Dresdner Frauenkirche – technologisch-materieller Aspekt. Es wäre ganz falsch dieses Artefakt als Kirche für Frauen zu übersetzen (dieses Äquivalent er-gäbe schlechthin Nonsens, denn eine solche Institution gibt es nicht). Es wird daher als Kirche der Jungrafu Maria übersetzt.

– Der ganze Text (Diskurs) – Kommunikativ-pragmatischer Aspekt, der für die Übersetzung relevant ist. Bei seiner Untersuchung geht man der Frage nach, welche extratextuellen Faktoren wahrzunehmen sind. Wem wird der Text gewid-

3 Prof. Hans-Werner Eroms: Vorlesung an der Konstantin-Universität Nitra: Kulturelles und interkulturelles Gedächtnis nach der informationstechnologischen Wende.

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met? Den Akademikern. Zu welchem Zweck? Als Gastvortrag zum Thema: Kul-turelles und interkulturelles Gedächtnis nach der informationstechnologischen Wende. Wo? An der Konstantin-Universität Nitra, Slowakei. Wann? September 2008 vor dem Semesterbeginn. Über welchen Kanal? Vorgelesen und vorgetragen in der deutschen Sprache mit der Übersetzung in der Powerpoint-Präsentation. Mit welcher Funktion? Neue Einsichten in der Sprachforschung auf dem wissenschaft-lichen Forum präsentieren. Welche intratextuelle Faktoren – Thema, lexikalische Mittel usw. (Nord 2009:40) – sind relevant? Im kommunikativ-pragmatischen As-pekt als übersetzungsrelevant werden die bereits oben erwähnten Aspekte einbe-zogen.

4. Was bietet die gegenwärtige Translationsdidaktik

Das ganze Spektrum der Einzelaspekte von Kultur kommt in jedem realen, zum kommunikativen Zweck verfassten Text bzw. Diskurs vor, abgesehen von der Sender- und Empfängerkultur. Von dem Übersetzer, der als interlingualer und in-terkultureller Experte betrachtet wird, erwartet man kulturelles deklaratives Sach-wissen. Was kann man sich darunter vorstellen? Natürlich ist beim Übersetzen nicht nur Sachwissen von einer Kultur, sondern mindestens von zwei Kulturen die wichtigste Voraussetzung. Die Frage liegt deshalb in der Methodologie: Wie könnte man solches Wissen den Translatologie-Studenten beibringen? Unsere praktischen Erfahrungen haben gezeigt, dass bei den Studenten große Lücken bei der Wahrnehmung der fremden Kultur und ihrer translatologischen Interpretation, d.h. der Anpassung an den Kontext der Zielkultur, festgestellt wurden. Woran liegt das? An der falschen Didaktik? An der Motivation? An dem mangelnden Kontakt mit der Sprache und dem Zielland? Welchen Kulturaspekten sollte man besonde-re Aufmerksamkeit schenken? Die Antwort könnte folgendermaßen lauten: Um muttersprachliche Texte, wie auch fremdsprachige Texte lesen und verstehen zu können – und zwar nicht nur im Unterricht, sondern auch außerhalb des Unter-richts – sollten sich Studenten nicht nur für Sporttitel und Sensationspresse inter-essieren, sondern auch für inhaltsreiche Fakten über die Gesellschaft. Die Inhalte sollten immer von den Studenten selbst als Hausaufgabe analysiert, interpretiert und wiedergegeben werden! Das Fach „Kultur und Geschichte der fremdspra-chigen Länder“ bietet vornehmlich enzyklopädisches Wissen auf der Basis des Faktenerwerbs. Die Realien, Fakten, Sachverhalte hingegen stehen nie in einem Vakuum, sondern sind immer in einen Text, Kontext und eine Situation eingebet-tet. Einerseits haben die Informationsinhalte in einem Text die Tendenz objektiv zu sein, andererseits werden sie mit subjektiver Ausdrucksweise des Autors for-muliert. Die Texte verfassen nämlich Menschen mit ihrem subjektiven Wissens-horizont. Daher ist es zu unterstreichen, dass man den interpretatorischen Metho-den der muttersprachlichen und fremdsprachigen Texte mehr Zeit widmen sollte.

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Der Unterricht mit dem Element der Interpretation weist jedoch einen markanten Unterschied zum Unterricht des Fremdsprachenerwerbs und der Fremdsprachen-didaktik auf: Beim Fremdsprachenerwerb als auch in der Fremdsprachendidaktik ist die Interpretation auf den Text und die Sprache gelenkt, die als innersprach-liche Realität bezeichnet werden kann. Bei der translatologischen Interpretation werden zwei sprachliche und außersprachliche Realitäten gleichwertig behandelt. Das alleinige Verständnis einer kulturellen Erscheinung reicht nicht aus, denn es geht hier nicht nur um den kontrastiven Vergleich, sondern immer auch um die ad-äquate sprachliche Lösung – Transfer, Umkodierung, Übertextung, Erläuterung (vgl. Nord 2009; Snell-Hornby 1984; Koller 2002) – des für die Empfängerkultur unbekannten Phänomens durch die in der Zielsprache äquivalenten Ausdrucks-mittel.

Was man jedoch dabei besonders vor Augen haben sollte, ist die Tatsache, dass „der Translator immer in Betracht ziehen muss, dass individuelle Erfahrungen und Kenntnisse der Menschen nicht völlig identisch sind“ (Gromová / Müglová 2005). Hierfür bietet sich auch eine Lösung, um die Adäquatheit des übersetzten Textes unter Beibehaltung der Translationsnormen zu gewährleisten: Die Stu-denten als Subjekt und Echo ihrer eigenen übersetzten Texte und ihrer Kollegen in den Seminaren, als gegenseitige Kontrolle gelten zu lassen. Nach dem Motto: Lass mich das alleine machen und ich werde mir das für immer merken!

Im Prinzip sollte es sich nun um zwei wichtige Vorgehensweisen handeln:1. Auf der Ebene des Objekts. Demnach sind die didaktischen Texte zu wählen,

in denen die bereits erwähnten Kulturaspekte mit einem bestimmten Übersetzungs-schwierigkeitsgrad vertreten sind. Diese Ebene als rezeptives Element setzt eine Recherchearbeit (Wörterbücher, Enzyklopädien, Glossare, Internet etc.) voraus.

2. Auf der Ebene des Subjekts. Demnach sollte die Kontrollfunktion in einer Kette der ausgefertigten Translate realisiert werden. Diese Ebene als produktives Element setzt die Kommunikation, Argumentation und Erarbeitung der eigenen Datenbanken und Glossare voraus4. Das folgende Diagramm stellt die Seminarü-bungen als Prozess dar, in dem Studenten zusammen mit der Lehrperson als Ko-ordinator sowohl Prüfer als auch Korrektoren sind.

Autor[in] 1. (Originaltext) → Autor[in] 2.-Empfänger[in] 1. (Student[in] 1.)StudentIn 2. – EmpfängerIn des Quellentextes und der 1. Übersetzungsvariante (Korrektor[in]) Student[in] 3., 4…… (Korrektor[in]) Diskussion (Autor[in] + Korrektoren+ Lehrperson)Korrektor[in] X. (Zieltext) → Student[in] … 4., 3., 2.Autor[in] 2. (Zieltext) → Prüfer[in] (Lehrperson)

4 Die Erarbeitung der Glossare gehört zu einem spezifi schen Thema.

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Das Ziel dieser Verkettung ist die Studenten selbst durch mehrmaliges Korri-gieren und Lesen zum Nachdenken zu bringen, um sie teilweise mit der Praxis zu konfrontieren, damit sie sich die interkulturelle Kompetenz einprägen können. Die Lehrpraxis hat nämlich gezeigt, dass die Studenten von der Lehrperson öfters eine fertige Äquivalentlösung erwarten. Dieses Verfahren hat sich als unwirksam er-wiesen, denn durch die Passivität der Denkprozesse geraten immer alle neu erwor-benen Ausdrücke in Vergessenheit. Interkulturelle Kompetenz – laut unserer An-nahmen – der modernen Translatologie ist ein Oberbegriff für die schon erwähnten translatologischen Kompetenzen, die nur im prozeduralen (argumentativen, ana-lytischen) Denken erworben werden können.

4.1. Einige Beispiele der fehlerhaften Übersetzungen

4.1.1. Fehler der mangelnden Kenntnisse über Kulturgeschichte, was sich an den wortwörtlichen Übersetzungen leicht erkennen lässt:

1. […] über Mahler schreiben […] – […] písať o mlynárovi […]. Richtig: […] písať o Mahlerovi [...]. Der Student hat den Namen des berühmten Komponisten Gustav Mahler im gegebenen Kontext nicht identifi ziert.

2. Horst-Wessel-Lied – piesne Horsta Wessela. Mit zusätzlichem Kommentar des Übersetzers, dass es sich um einen Nazi-Komponisten handelt. Eine bessere Variante: nacistické piesne Horsta Wessela.

3. Wiener Südbahnhof – viedenská južná stanica. Variante: viedenská stani-ca Südbahnhof. „Südbahnhof“ kann im Original bleiben, da diese Bezeichnung zu Realien gehört, die schon bekannt und geläufi g sind.

4. Meldezettel für eine Wohnung am Wiener Opernring – ohlasovací lístok do bytu na Viedenskom Opernringu. Variante: Miesto pobytu na Opernringu vo Viedni.

5. Rechner – počtár/delikvent. Richtig: Počítač. Der Anglizismus „Compu-ter“ wird durch ein deutsches Wort „Rechner“ ersetzt, was den Studenten nicht so geläufi g vorkommt.

4.1.2. Fehler, deren Ursache in der spezifi schen Thematik liegt

1. Den Straftatbestand erfüllen – spĺňať existenciu trestných činov. Richtig: napĺňať skutkovú podstatu trestného činu.

2. Kavaliersdelikte – trestné činy gavalierov. Richtig: spoločensky tolerované trestné činy.

3. Ministerpräsident – ministerský prezident/predseda. 2 Varianten sind rich-tig: a) premiér (predseda vlády), b) predseda spolkovej/krajinskej vlády.

4. Einigungsvertrag – zjednocovacia zmluva. Richtig: zmluva o zjednotení Nemecka.

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5. Landfriedensbruch – porušenie mieru. Richtig: výtržníctvo.6. Gauck-Behörde – vyšetrovací úrad. Kein entsprechendes Äquivalent. Mög-

liche Variante: Úrad poverených zástupcov pre spisy štátnej bezpečnosti NDR. BStU: Die Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicher-heitsdienstes der DDR.

7. Auch wenn die in der Bundesrepublik heute „freischwebenden“ DDR-Philosophen nicht das Format einiger russischer oder ungarischer Denker haben sollten, besteht kein Zwang, sie pauschal mit einem Minderwertigkeitsverdacht zu belegen.

Aj keby v Spolkovej republike dnes „voľne sa vznášajúci“ fi lozofi NDR nemali mať formát niektorých ruských alebo maďarských mysliteľov, nenastáva nutkanie, paušálne ich dokladať podozrením z menejcennosti.

Richtig: Aj keby dnes voľne pôsobiaci fi lozofi z bývalej NDR nedosahovali úroveň znalostí niektorých ruských alebo maďarských intelektuálov, netreba ich považovať za menejcenných.

8. Der Rekord aus dem Jahr 2002 mit 6,6 Millionen Maß Bier wurde 2007 übertroffen.

V roku 2007 sa podarilo prekonať rekord z roku 2002, kedy sa skonzumovalo 6,6 milióna [...] piva. Das ausgelassene Wort: litrov. Maß steht hier für Liter.

5. SchlußbemerkungDie Verbesserung der translatologischen Kulturkompetenz ist ein langer Prozess, der ein langjähriges Sprachstudium und langfristige Aufenthalte in den Zielländern voraussetzt. Um die Qualität der translatologischen Textproduktion zu gewährleis-ten und somit auch das professionelle Bewusstsein der Stundenten zu stärken, bedarf es einer planmäßigen Arbeit. Die Didaktik sollte dementsprechend prozessorientiert sein, d.h. die Übungstexte sollten den aktuellen Themen mit interpretatorischen An-sätzen gewidmet sein. Das Verfahren einer zyklischen gemeinsamen Kontrolle der Übungstexte könnte sich als effektiv erweisen, obwohl es ziemlich zeitaufwendig ist. Deshalb wären noch langfristig andere diskursive Untersuchungen im Überset-zungsunterricht wünschenswert, in denen die jeweiligen Textsorten mit ausgewähl-ten Problembereichen unter zeitlichen Umständen gemessen werden.

LiteraturBassnett, Susan: Translation studies. London 2003.Budická, Lucia: Die Rolle der Kulturkompetenz in der Translation, Diplomarbeit. Nitra 2009.Čerňanová, Kristína: Kulturspezifi sche Lexik und Übersetzungsverfahren, dargestellt am Beispiel

von slowakischen und deutschen publizistischen Texten, Diplomarbeit. Nitra 2009.Gromová, Edita: Kompetencie prekladateľa. In: Alojz Keníž (Hrsg.): Letná škola prekladu 2. Kvalita

prekladu a prekladateľské kompetencie. Bratislava 2004.

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Gromová, Edita / Müglová, Daniela: Kultúra-Interkulturalita-Translácia. Nitra 2005.Holz-Mänttäri, Justa: Translatologisches Handeln. Helsinki 1984.Keesing, Roger M.: Cultural Anthropology: a Contemporary Perspective, 2. Aufl . New York 1981. Koller, Werner: Linguistik und kulturelle Dimension der Übersetzung – in den 70er-Jahren und

heute. In: Gisela Thome / Claudia Giehl / Heidrun Gerzymisch-Arbogast (Hrsg.): Kultur und Übersetzung. Tübingen 2002.

Müglová, Daniela: Komunikácia. Tlmočenie. Preklad. Prečo spadla babylonská veža? Nitra 2009.Nord, Cristine: Textanalyse und Übersetzen. Theoretische Grundlagen, Methode und didaktische

Anwendung einer übersetzungsrelevanten Textanalyse. Tübingen 2009.Snell-Hornby, Maria / Hönig, Hans / Kußmaul, Paul / Schmitt, Peter (Hrsg.): Handbuch Translation.

Tübingen 1998.Vermeer, Hans J: Grundlegung einer Translationstheorie. Tübingen 1984.Vilímek, Vítězslav: Neverbální komunikace při tlumočení a překladu. In: Translatologica Ostra-

viensia 1, 2006.

AbstractsDer Beitrag beschäftigt sich mit dem kulturellen Einfl uss auf die Arbeit der Übersetzer und Überset-zungslehrer. In dieser Arbeit wird der Kulturbegriff im Rahmen des translatologischen Fachbereichs sowie die translatologische Kulturkompetenz defi niert. Es werden auch einige Beispiele beim Über-setzen aus dem Deutschen ins Slowakische angeführt. Der Autor geht der Frage nach, wie sich die Translationstheorie in die Translationsdidaktik implementieren lässt.

The presented paper deals with cultural infl uence on the work of translators and translation trainers. It defi nes the notion of „culture“ in the translation studies, deals with the issue of intercultural competence of translators, and presents some cultural specifi cations that translators may encounter when translating into German and Slovak language. Furthermore, it poses a question about how to implement the translation theory in the didactics of translation.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Georg SchuppenerLeipzig

Detelina MetzSofi a

Was man schreibt, das bleibt– die Rolle schriftlicher Texte in der Fernsehwerbung

1. Der TV-Werbespot:Slogan, Kerntext und geschriebene Texte

1.1. Grundlagen

Wir leben in einer Kultur, für die der ständige Wechsel sowie die Überlappung von Text-Bild-Informationen charakteristisch sind. Bloße Schrift kommt selten vor. In unserem semiotischen Alltag haben rein schriftliche Ganztexte ihre kul-turelle Leitfunktion im Text-Bild-Gefüge verloren. Nach Kroeber-Riel (1993: 5) weisen die Rezipienten bei der Rezeption von Werbung dem sprachlichen Text ge-genüber dem visuellen Zeichencode eine abnehmende Bedeutung zu. Dabei stützt Kroeber-Riel sich auf die Messung des Anteils des Fließtextes in Werbeanzeigen und kommt zu dem Ergebnis, dass im Laufe der Zeit der Anteil der Anzeigen, die gänzlich ohne Fließtext auskommen und die Werbebotschaften lediglich mittels der Headline und des visuellen Teiltextes kommunizieren, stark gestiegen ist und sich innerhalb von dreißig Jahren mehr als verdoppelt hat. Für ihn ist die Sprache immer nur Ergänzung, Kommentierung oder Präzisierung des Bildes.

Weil das Fernsehen zu den Bild-Wort-Medien gezählt wird, liegt es grund-sätzlich nahe der Bildkomponente besondere Beachtung zu schenken. Visualisie-rung ist das Schlagwort zur Kennzeichnung eines Aspekts politisch-gesellschaft-licher Modernisierung (Ludes 1993). Das Sehen ist zu 80% an der menschlichen Wahrnehmung der Welt beteiligt, nur zu 20% das Hören (Hickethier 2001). In dem alten Vorrangstreit scheint das Bild gesiegt zu haben, das nach alter Journalisten-Weisheit mehr als tausend Worte sagt.

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Andererseits gilt, dass Bilder zwar zu rascher Orientierung hinsichtlich des Kommunikationskontextes führen können, häufi g aber erst die parallele sprachli-che Kommunikation eine intensivierte Semantisierung der Wahrnehmungsgegen-stände bewirkt. Deshalb wird immer wieder davon gesprochen, dass Sprache dem Bild hierarchisch übergeordnet ist, d.h. dass das gesprochene Wort die Wahrneh-mung des Visuellen semantisch, pragmatisch und syntaktisch steuert. Durch Spra-che werde festgelegt, auf welche semantische Einzelheit es im polysemen Bild ankomme (Rauh 2002). Nach Todorov ist es gerade der Text, der die anderen Komponenten organisiert. Er sei mit der „globalen Vision über die Welt“ verbun-den (2000: 6).

Unumstritten ist jedoch die stärkere emotionale Wirkung von Bildern. Das Bild ohne die Worte wäre aber ebenso ergänzungsbedürftig wie die Worte ohne das Bild. Es gibt wohl kein treffenderes Beispiel als den TV-Werbespot dafür, wie ein Gemenge aus Text-Bild + Ton reibungslos funktionieren kann. Nur wenn der Spot als Ganzes betrachtet wird, ist es möglich, über seine Bestandteile, die ein-ander gegenseitig beeinfl ussen, zu refl ektieren.

Die Werbebotschaft im Fernsehen1 hat im Vergleich zu anderen Medien ent-scheidende Vorteile, da jene entweder rein optische (z.B. Printmedien) oder rein akustische (z.B. Radio) Anreize bieten. Das Fernsehen ist aber in der Lage, die Augen und die Ohren des Rezipienten anzusprechen.

Was beinhaltet hier die Komponente „Text“? Von der einen Seite haben wir die Sprechsprache – im Fernsehen überwiegt die gesprochene Sprache. Zwar kommt auch Schrift vor, aber die eigentlich typische Modalität ist die Audiovisua-lität und damit zunächst vor allem die Verbindung zwischen bewegten Bildern und gesprochener Sprache. Was wird aber in diesem Fall unter gesprochener Sprache verstanden? In den meisten Spots wird der mündliche Text verschriftlicht, wird dauerhaft gemacht. Der mündliche Text wird natürlich akustisch realisiert, aber erst durch seine Verschriftlichung bekommt der Rezipient seine Stütze, um die ganze Botschaft zu „entziffern“. Aus diesem Grund betrachten wir diesen ver-schriftlichten Text als Kern des Text-Bild + Ton-Mix.

Der textuelle Teil des Spots umfasst den Slogan, den Kerntext und die anderen geschriebenen Texte.2 Letztere Texte, die von uns als rein geschriebene Texte be-zeichnet werden, werden ausschließlich visuell wahrgenommen. Der Slogan und der Kerntext werden hingegen visuell und akustisch rezipiert.

Die gesprochenen Texte besitzen eine persönliche Färbung, die der zentrale Unterschied zu den rein geschriebenen Texten ist. Jeder Text – das gilt besonders für den Slogan – wird mit einer bestimmten Stimme verbunden. Wenn der Rezipi-ent den Text hört, vernimmt er das Timbre, das Tempo, die Intonationsfolge und

1 Analoges gilt natürlich auch für Werbespots im Kino oder als Videoeinblendung im Inter-net.

2 Zu der textlichen Komponente wird auch das Firmenlogo gezählt, das in dieser Arbeit als reines Orientierungszeichen betrachtet wird.

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weitere Zusatzinformationen, von denen das Verständnis des Textes beeinfl usst wird. Sobald ein Text im Fernsehen vermittelt wird, tritt der Kommunikator (der Akteur) in der Gestalt einer „fassbaren“ Person auf. Damit wird auf eine besonde-re, „körperliche“ Weise der Kontakt von einem ICH zu einem DU hergestellt.

Die Sprechweise muss dabei so gewählt werden, dass sie zwei Aufgaben er-füllt: Sie muss der Sache gerecht werden und gleichzeitig zeigen, dass jemand nicht nur den Text (die Botschaft) vermittelt, sondern sich auch damit identifi -ziert.

Die gesprochene Sprache ist keine gesprochene Sprache im eigentlichen Sin-ne. Sie bewahrt Merkmale der geschriebenen Sprache. Die Wortwahl, der Satzbau, der Textaufbau und der Stil werden vorher detailliert geplant: Der Auftraggeber fasst möglichst kurz, systematisch und übersichtlich Inhalt und Ziele der Werbung zusammen. Der Werbetexter muss prägnant, spannend und bildhaft die kompli-zierten Zusammenhänge auf den Punkt bringen. Er muss den Stil der jeweiligen Aufgabe anpassen. In der Nachfolge von Ong (1987) spricht man deshalb häufi g von sekundärer Oralität, von einer Mündlichkeit, die in einer Schriftkultur neu entwickelt wurde. Das ist ganz konkret bei Informationsbeiträgen nachzuempfi n-den, die zwar gesprochen werden, die aber auf der Basis schriftlichen Recherche-materials entstanden sind.

Der Begriff „sekundäre Oralität“ müsste aber für das elektronische Medium „Fernsehen“ weiter differenziert werden: Es ist zu allgemein, wenn er das breite Spektrum von der Verlautbarungssprache der Nachrichtensendungen über die künstlich erzielte Spontanität der TV-Werbespots bis zur spontan klingenden Sprechsprache der Talkshows erfassen soll. Gemeinsamer Nenner dieser verschie-denen Sprachnormen ist weniger ihre Nähe zur Schriftlichkeit als zu Texten des Veröffentlichens. Die Werbesprache im Fernsehen, auch wenn sie sehr spontan klingt, wird im Bewusstsein der Zugänglichkeit für einen sehr großen Rezipien-ten-Kreis produziert. Das führt zwar zu einer Orientierung an der Schriftlichkeit, denn es sind schriftliche Kontexte, in denen die Normen für öffentliches Formu-lieren gesetzt und geübt wurden. Aber ebenso wichtig ist die Orientierung an den für die Öffentlichkeit üblichen akustischen Formen: an der Stimmgebung, an der Artikulation, am Sprechtempo. Die Sprecher tendieren dazu, lauter und deutlicher zu reden, damit sie von allen Rezipienten verstanden werden können.3

Im Werbespot wird am meisten ein Vokabular verwendet, das von einer grö-ßeren Zielgruppe verstanden und akzeptiert wird. Die grammatischen Regeln wer-den meist eingehalten, dennoch gibt es auch Ausnahmen. Insgesamt handelt es sich um eine Sprache, die formal stärker an allgemein akzeptierten Normen aus-gerichtet ist als die Sprache des privaten Alltags. Insofern haftet dieser Sprache eine gewisse Artifi zialität an.

3 In manchen Werbespots ist der Gebrauch eines Dialekts, z. B. TV-Spots mit Franz Becken-bauer, vorkalkuliert: Das Produkt wird in diesem Fall mit der Persönlichkeit eines Prominenten identifi ziert.

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Bestimmend für die Werbesprache sind die Normen der Standardsprache, was aber nicht bedeutet, dass Abweichungen von der Norm nicht willkommen sind, wenn der Spot damit auffällt und nicht in Vergessenheit gerät. Wenn eine solche Abweichung von der Norm mit einer bekannten Persönlichkeit in Verbindung ge-setzt wird, dann hat dieser subjektiv gefärbte Text noch größeres unterhaltendes Potential als reine Informationstexte. Diese Tendenz bei den Werbetexten von rein Informellen zu Unterhaltungstexten dient dazu, die Bindung zwischen Kommuni-kator und Rezipienten zu verstärken.

Die TV-Werbebotschaft hat große Vorteile gegenüber anderen Medien, bei denen nur ein Kanal für die Kommunikation zur Verfügung steht: Akustische und optische Informationen können einander stützen und, wie auch in der persönlichen Kommunikation, sichern die mimischen und gestischen Informationen das Ver-ständnis der verbalen Inhalte. Die Gefahr der Mehrkanaligkeit besteht jedoch dar-in, dass die gleichzeitig gesendeten Informationen miteinander kollidieren kön-nen: Der Rezipient hat dann Schwierigkeiten sich zu konzentrieren. Er wird oft von der sog. Ton-Bild-Schere irritiert.

Überdies erschwert im Fernsehen ebenso wie im Hörfunk die „Flüchtigkeit“4 der Botschaft die Verständlichkeit. Die Geschwindigkeit der Rezeption liegt (im Gegensatz zum Lesen einer Zeitung) nicht in der Hand des Rezipienten. Wer etwas einmal nicht gehört, gesehen oder nicht verstanden hat, kann nicht innehalten und „zurückblättern“.5

In diesem Fall ergibt sich als ein neues Beschreibungskriterium die Frage nach der Hörverständlichkeit. Als verständnisfördernd wirkt das gezielte Her-stellen von Redundanz: Einzelne Teilinformationen werden wiederholt oder re-formuliert. Dies kann auf der Satzebene (z.B. durch Wiederholen mit Wortvaria-tion) oder auch auf Textebene (z.B. durch Wiederholen einer Schlüsselaussage) geschehen. Ähnlich können unterhaltende Elemente oder auch musikalische Trennelemente gezielt eingesetzt werden, um die Botschaft auf der rationalen Ebene durch emotionale Signale zu ergänzen. Das Ziel der Verständlichkeit wird auf diese Weise mit dem Ziel der Attraktivität gepaart. Die beiden Ideale gehen dabei ineinander über. Ein attraktiver Text kann damit die Verständlichkeit för-dern.

Auf der inhaltlichen Ebene wird das Verstehen unterstützt, indem die Be-kanntheit von Begriffen und Aussagen genutzt wird. Wörter, die nicht zum Wort-schatz des Zielpublikums gehören, werden vermieden oder adäquat erklärt. The-men, die dem Zielpublikum nicht vertraut sind, werden mit Erläuterungen versehen, die dabei helfen, neue Aussagen zu verarbeiten:

4 Das Problem der „Flüchtigkeit“ in der Fernsehwerbung wird durch die regelmäßigen Wie-derholungen der Spots einigermaßen gelöst.

5 Anders ist es bei Werbespots im Internet, die zumindest theoretisch vom Rezipienten beliebig oft angesehen werden können.

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Was bekannt ist, ist auch beliebt lautet eine Faustregel in der Werbung. Denn die Wiedererkennung bekannter Elemente erfreut den Rezipienten, so dass Sympathie geweckt werden kann.

1.2. Der TV-Werbespot. Weniger ist mehr!

Seit Anfang des 18. Jahrhunderts ersetzt und ergänzt der Werbetext den direkten Kontakt mit der Ware als Kaufanreiz und reagiert damit auf die sinnliche Verbor-genheit der Dinge. Die komplizierteste und teuerste Form dieses symbolischen Kontakts (Ware – Rezipient) ist der TV-Werbespot. Der Spot wird von uns nicht nur als Teil einer unternehmerischen Kommunikationsstrategie betrachtet, son-dern als Indikator einer neuen Kommunikationskultur. Der Anspruch der Wer-bung wird heute nicht nur als bloße Information gesehen: Werbung ist Handeln, ist Form des sozialen Kontakts. Werbung ist aber auch Unterhaltung, und so wird sie häufi g auch ausschließlich rezipiert.

Es ist sehr schwierig, eine Werbebotschaft so zu codieren, dass sie leicht und richtig decodiert werden kann. Die komplexe Botschaft muss in 10–60 Sekunden6 knapp und verständlich, aber auch spannend unbedingt auf drei Fragen eine Ant-wort geben:

− Wer? (Rollen von Autor und Adressat),− Was? (Inhalt, Thema),− Wozu? (Ziel).Trotz einer Überfl utung des Rezipienten mit Werbung, die die Tendenz zum

Um- oder Abschalten fördert, müssen die TV-Spots in der kurzen Zeit Aufmerk-samkeit erlangen und binden. Von den Spots wird Kreativität erwartet, Innovation, Normdurchbrechung, Abweichung von den Konventionen. Außerdem sollen sie Spaß und Unterhaltung bringen, sie sollen dem Rezipienten ein angenehmes Ge-fühl „bescheren“.

Diese Tendenz zu mehr Vergnügen führt zu mehr ästhetischer Raffi nesse, zu der vor allem die perfekte Integration von Sprache, Bildern und Musik beiträgt. Farben und Töne, Bilder und Worte treten in neue Verhältnisse zueinander und intensivieren den Erlebnisprozess. Das Fernsehen als Alltagsmedium ist am besten geeignet diese facettenreichen Botschaften zu übermitteln. Man hält das Fernse-hen wegen seiner audiovisuellen Struktur für leichter zugänglich als die schriftdo-minierten Printmedien. Außerdem gilt Fernsehen wegen der Expressivität der ver-wendeten Codes als intimer und stärker personalisiert, woran Eigenschaften beider Zeichensysteme, der visuellen Körpersprache und der auditiven Sprechsprache, beteiligt sind. Obwohl Werbespots gar nicht zum „eigentlichen“ Programm gehö-ren, sind sie doch längst im Bewusstsein der Produzenten und Rezipienten eine

6 Die Durchschnittsdauer des TV-Spots ist unterschiedlich, meistens 20 Sekunden. Diese Re-gel gilt sowohl für das deutsche als auch für das bulgarische Fernsehen.

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eigenständige, vielbeachtete Gattung mit gewissen Traditionen. Der Werbespot ist ein Massengenre im Rahmen massenhafter Werbekommunikation.

Der Spot ist als Gattung grundsätzlich:1. parasitär den normalen Sendungen angehängt oder sogar in sie einge-

schoben,2. kurz, was seine Stellung in den Sendungen prägt,3. teuer, weil die Produktionskosten – im Verhältnis zur Spot-Länge – sehr

hoch sind,4. repetitiv, weil er sich innerhalb des Tages, der Wochen, der Jahre in ver-

schiedenen Sendern wiederholt, 5. synkretistisch, da er Traditionen (Radio, Film, Print) mischt, und natürlich6. rhetorisch auf den Erfolg seiner Botschaft orientiert.Jeder dieser Züge trägt zur Vitalität des Genres bei. Stark vereinfacht lauten

die suggestiven Botschaften der Werbespots folgendermaßen:1. Kauf das Gute, das Praktische, das Nützliche, das Wertvolle, was wir hier-

mit ankündigen, zeigen, vorführen!2. Entdeck deine Wünsche!3. Wir alle nehmen teil an einem Leben im Stil der besten aller Zeiten und

suchen dazu den hier illustrierten gesellschaftlichen Ort, dessen Werte uns entspre-chen.

4. Es gibt nichts Schöneres als die Selbstentfaltung der eigenen Möglichkei-ten, wozu hier eine spielerische Probe gegeben wird, die uns allen zeigt, wie krea-tiv wir sind.

Als Appell an den Konsumenten sind die Botschaften, historisch gesehen, nichts Neues und Besonderes – man denke nur an die katholische Kirche als klas-sisches Beispiel für die Durchdringung aller Kultur-Bereiche nicht nur mit ästhe-tischer Funktion, sondern auch mit ganzen Zeichensystemen (Architektur, Klei-dung, Musik).

Die auffordernde Stoßrichtung der Werbung weist eine doppelte Spitze auf – eine ökonomische (bzw. politische, religiöse) und eine ästhetische.

Ein TV-Spot wird im Durchschnitt oft lediglich zwei bis drei Sekunden vom Rezipienten betrachtet (Kroeber-Riel / Meyer-Hentschl 1982). Um effi zient zu sein, muss er

1. schnell wirken,2. Aufmerksamkeit auslösen,3. die Botschaft schnell übermitteln,4. sofort verstanden und5. schnell behalten werden,6. eine Einstellung formen und7. die Kaufentscheidung beeinfl ussen.Im TV-Werbespot bekommt der Text durch das Bild und Musik „Verstär-

kung“. Bilder und Musik sind es gerade, die Emotionen erzeugen, und Gefühle

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regen zum Kauf an. Dennoch ist der Werbetext der eigentliche Träger der kreati-ven Idee. Wenn er einfach und direkt formuliert ist, so hat er überraschend positi-ve Auswirkungen auf den Rezipienten.

2. Empirische Untersuchung zum Textsorten-Mixim TV-Werbespot

Der TV-Werbespot als Massengenre im Fernsehen erfreut sich zwar großer Po-pularität, ist aber bislang noch wenig untersucht worden (Schmitz 2005).7 Die Gründe dafür liegen in seiner komplexen Struktur, die solche Untersuchungen nicht einfach macht. Selbst die textliche Komponente bietet dem sprachwissen-schaftlichen Zugang durch ihre Vielfältigkeit zahlreiche Herausforderungen.

Für eine empirische Untersuchung des Textsorten-Mix im TV-Werbespot wurden 48 Stunden Sendezeit der werbefi nanzierten Privatsender RTL und RTL II ausgewertet.8

Innerhalb dieser Zeit (an vier Tagen jeweils von 9 bis 21 Uhr) wurden insge-samt 1280 Werbespots als Texteinheiten erfasst. Der Begriff „Texteinheit“ wird hier im Sinne eines Gesamttextes verstanden, der nach unserer Auffassung aus drei Textsorten (Slogans, Kerntexte und geschriebene Texte) besteht. Da nicht in jedem Falle alle drei dieser Textsorten präsent sind, umfasst das Textkorpus insgesamt weniger als 3 x 1280 Texte, in unserer Untersuchung genau 2576 Texte. Die auf-genommenen Spots wurden in schriftliche Texte umgesetzt.

Zum Zwecke der Strukturierung wurde der Zeitraum der Werbeaufzeichnung in vier Zeit-Blöcke geteilt: 9–12 Uhr; 12–15 Uhr; 15–18 Uhr; 18–21 Uhr.

Auf den betrachteten Sendern ließ sich ein hoher Anteil der Werbung an der Sendezeit nachweisen: So wird bei RTL II zwischen 12 und 15 Uhr regelmäßig etwa 35 Minuten Werbung ausgestrahlt. Fast ein Fünftel der Sendezeit in diesem Zeitraum besteht also aus Werbung. In den drei Stunden zwischen 9 und 12 Uhr liegt die Werbezeit sogar zwischen 37 und 44 Minuten, sie macht somit fast ein Viertel der Sendezeit aus. In der Regel werden dabei zwischen vier und sechs Werbeblöcke ausgestrahlt.

Die Vermutung, dass die Werbeblöcke einigermaßen thematisch eingeordnet sind, hat sich bei unseren Untersuchungen bestätigt. Ganz allgemein können fol-gende Themen und Zielgruppen identifi ziert werden:

9–12 Uhr – Zeit für leichte Speisen und alkoholfreie Getränke; Zeit für Selbst-Styling und Baby-Pfl ege; Zeit für Weiterbildung.

Zielgruppe: Hausfrauen (junge Mütter und Rentnerinnen), kleine Kinder

7 Hier sei auch auf die frühere Untersuchung Georgieva / Schuppener (2008) verwiesen.8 Wie wir alle aus Erfahrung wissen, wiederholen sich die Werbespots zum größten Teil, be-

sonders in einer so kurzen Zeitspanne.

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12–15 Uhr – Zeit für die Kinder (Spiele, Süßigkeiten, Ratschläge); Zeit für Teenies (Musik, alles fürs Handy); Zeit zum Entspannen und Träumen (Reisen, Kinofi lme).

Zielgruppe: Hausfrauen, Kinder, junge Leute15–18 Uhr – Zeit für Kochtipps und deftigeres Essen; Zeit zum Verwöhnen

(Düfte und andere Kosmetika); Zeit für Ratschläge (Hunde- und Katzenfutter, Arzneimittel).

Zielgruppe: Frauen und Männer18–21 Uhr – Zeit zum Sparen (Banken, Versicherungen); Zeit zum Genießen

(Familienspiele, Bier, Autos); Zeit zum „Sündigen” (Knabberzeug, Luxusartikel).Zielgruppe: die ganze FamilieDas Ziel der Untersuchung war aber nicht primär die Identifi zierung inhalt-

licher Schwerpunkte, sondern die Betrachtung der eingesetzten sprachlichen Mit-tel innerhalb der Werbetexte. Diese wurden daher nach textstatistischen Kriterien erfasst, so z.B. hinsichtlich des Textsortenumfangs oder bezüglich der Satzarten. Die folgende Textsortenanalyse baut auf diesen Daten auf. Die folgenden Ausfüh-rungen sind nach den einzelnen Textsorten im TV-Textmix gegliedert.

2.1. Auf den Slogan kommt es an!

Der Slogan (auch Claim genannt) ist der wahre Träger der kreativen Idee des Werbespots.9 Er muss inhaltlich wie visuell prägnant sein. Der Slogan im TV-Werbespot wird in den meisten Fällen sowohl visuell als auch akustisch wahrge-nommen.

Einerseits wird auf die visuelle Gestaltung geachtet, weil zuerst die Form wirkt. Slogans müssen in der Schriftgestaltung entsprechend groß, farbig und vor allem kontrastreich sein. Er muss sichtbar sein – fett gedruckt und/oder mit einer größeren oder anderen Schrift. Die Beispiele aus dem Korpus zeigen die große Mühe der Texter, dem Rezipienten die Hauptaussage näher zu bringen:

− KELLOGG’S FROSTIES. Die wecken den Tiger in dir!− MEGGLE. Zum Glück.− AXA. Für Vertrauen im Leben− Wahrer Mut. Wahrer Luxus. DAS EINZIG WAHRE! Warsteiner!− MELITTA macht KAFFEE zum GENUSS.9 Das Wort Slogan stammt aus dem Gälischen und bedeutet „Schlachtruf“: Die Kämpfer

machten sich damit Mut und schüchterten ihre Gegner ein. Das Wort Claim kennen wir spätestens seit Jack London: Die Goldgräber steckten ihren Claim ab. Dasselbe machen die Werbenden auch: Mit dem Claim markieren sie ganz klar, wo ihr Produkt im Markt steht und welches Segment es abdeckt. Deshalb ist Claim heute eigentlich zeitgemäßer und passender als Slogan. In den 1950er und 1960er Jahren hatte Europa noch eine marktschreierische Werbung, die eines Slogans bedurf-te. Dagegen ist heute die überzeugende Werbung der Trend. Da in der Literatur jedoch noch heute häufi g von Slogan gesprochen wird, bleiben wir auch bei diesem Terminus.

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Andererseits sind der Inhalt und besonders die akustische Charakteristik des Slogans für die TV-Werbung ausschlaggebend.

Die häufi g verwendeten Jingles haben die Aufgabe der Strukturierung des TV-Spots und der Unterstützung des Rezipienten beim Wiedererkennen. Sie die-nen als Erkennungszeichen und Bindeglied sowie als Überleitung zu einem neuen Themenbereich. Alle einzelnen Elemente – Sprache in Schrift und Ton, Bilder, Geräusche, Musik – werden zu einem Gesamtkomplex verbunden. Man kann die Struktur des Slogans mit der Struktur des ganzen Spots vergleichen. Es wiederholt sich das Szenario des ganzen Text-Bild(Farbe) + Ton-Mix – nur in hochkompri-mierter Form, die die Hauptaussage transportiert.

Der wesentliche Unterschied besteht lediglich darin, dass der Slogan unab-hängig vom Detail des Werbekonzepts ist: Er muss so formuliert werden, dass der Verbraucher ihn im Gedächtnis behält. Der Slogan kann sich Jahrzehnte bewähren und viele Werbekampagnen überleben: Persil sagt seit 1913 Persil bleibt Persil. Der Slogan bleibt also lange unverändert. Seine Konstanz wird als seine wichtigs-te Charakteristik bezeichnet. Dadurch sind die Slogans immer abstrakter im Ver-gleich zu den anderen Textsorten im Spot.

Unser Korpus umfasst 720 verschiedene Slogans. In allen Werbeblöcken wur-den insgesamt 1168 Slogan-Sätze registriert:

− 880 Aussagesätze (75,4%)− 208 Ausrufesätze (17,8%) und− 80 Fragesätze (6,8%).

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Aussagesätze Ausrufesätze Fragesätze

Häufigkeit der Satzart in Prozent

Abbildung 1. Satzarten im Slogan

Die Satzart ist ein wichtiges Unterscheidungskriterium für die jeweilige Textsorte. Mit Hilfe der Satzarten kann der Texter seinen Bezug zu der sprachlich erfassten Situation äußern. In der gleichen Weise ändert sich auch die stilistische Wirkung des Textes auf den jeweiligen Kommunikationspartner. Nach unseren empirischen Befunden wird deutlich, dass der Aussagesatz den größten Anwen-dungsbereich hat. Er eignet sich gut für sachlich-nüchterne Feststellungen, aber auch für emotional-erfüllte Empfi ndungen.

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Einige Beispiele aus dem Korpus sind:− Nichts ist unmöglich. Toyota.− Nichts bewegt Sie wie ein Citroen.− Ein Plus verbindet. E-Plus.− Ich fühle mich schön mit Jade.− O2 can do.− Neutrogena. Es wirkt.Der Ausrufesatz ist dem Aussagesatz formal verwandt, besitzt aber eine grö-

ßere Emotionalität und Expressivität, die zur Veränderung der Satzform führt. Die Ausrufesätze haben einen geringeren Anwendungsbereich im TV-Werbespot im Vergleich zum Aussagesatz. Die meisten Ausrufesätze in unserem Korpus sind Ellipsen oder bestehen nur aus einem Wort.

Beispiele aus dem Korpus sind:− Du darfst!− So kannst du richtig Gas geben!− Sprite!− Garnier!− Das einzig Wahre! Warsteiner!− Keiner macht mehr an!Die Aufforderungssätze haben einen sehr geringen Anwendungsbereich,

weil Aufforderung – im Unterschied zu früher – heute nicht mehr dem allgemeinen Werbekonzept entspricht.

Beispiele aus dem Korpus sind:− Vertrau deiner Intuition! Wüstenrot.− Trauen Sie Ihren Augen! (Opel).Nur 6,8% aller Slogan-Sätze sind Fragesätze. Die geringe Anzahl der Frage-

sätze hat eine ganz plausible Erklärung: Der Fragesatz setzt stets eine offene Situ-ation voraus, und der Rezipient hat allein zu entscheiden, welche Antwort er aus-wählen möchte. Gerade diese Entscheidung überlässt man ihm aus Sicht sowohl des Auftragsgebers als auch des Werbe-Teams ungern. Eine wichtige Regel in der Werbebranche lautet daher: Slogans sollten möglichst als Aussage und nicht als Frage formuliert werden.

Allerdings ist das Spannungsmoment, das mit Fragen verbunden ist, meistens von besonderer stilistischer Relevanz. Ein Beweis dafür sind die Beispiele aus dem Korpus:

− Alles Müller oder was?− Vodafone. How are you?− Also extrem oder lieber direkt?− Kinderhappy Hipo-Kroki. Möchte jemand ein Hipo?Ein wichtiger Indikator der Komplexität ist die Dimensionalität der Sätze,

d.h. die Verteilung von Haupt- und Nebensätzen. Eine weitere Regel (So kurz

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und knapp wie möglich) entscheidet über die Dimensionalität der Slogans. Aus diesem Grunde sind im Korpus nur sehr wenige Slogans zu fi nden, in denen mit einem Haupt- und Nebensatz operiert wird. Eines der seltenen Beispiele ist fol-gendes:

− Was du hier nicht fi ndest, brauchst du nicht. (RTL II).Wenn überhaupt Nebensätze verwendet werden, dann meist mit elliptischem

oder gänzlich ohne Hauptsatz, beispielsweise bei:− Weil wir es uns wert sind.− Wenn es um Geld geht – Sparkasse.Lange Slogans wirken schlechter als kurze Slogans. Lange Sätze schre-

cken eine wenig involvierte Zielgruppe ab und werden häufi g schlicht ignoriert. Nach Scheier (2003) beträgt die Durchschnittslänge des Slogans fünf bis acht Wörter; nach Kaftandshiev (2003) – fünf, sechs, sieben Wörter. Diese Statistiken betreffen aber Slogans in den Printmedien.

Bei unserer empirischen Untersuchung hat sich Folgendes herausgestellt: Die meisten Spots bestehen aus vier, fünf oder sechs Wörtern. Immerhin 16% aller Spots bestehen sogar nur aus drei Wörtern.

Beispiele aus dem Korpus sind:− Fühl dich sicher.− MEGGLE. Zum Glück.− Ich liebe es.− CHICA, jetzt NEU!− Neutrogena. Es wirkt.− KIRI, KIRI, KIRI.− Knoppers ... das Frühstückchen.Es wurden ferner Slogans aus zwei Wörtern registriert, wie z.B.− Du darfst!− Die Genuss-Molkerei!− Hoffentlich Allianz.10

Derart kurze Slogans bilden aber eine große Ausnahme. In der von uns unter-suchten Stichprobe führen nach der relativen Häufi gkeit Spots mit Slogans aus vier Wörtern (20%), an zweiter Stelle folgen solche mit sechs Wörtern (19%), und an dritter Stelle rangieren mit 18% Slogans mit fünf Wörtern. Slogans mit drei Wörtern liegen mit 16% an vierter Position. Erst dann kommen Slogans mit sieben Wörtern (11%), mit acht Wörtern (9%), mit neun Wörtern (4%) und mit zehn Wörtern (1%). Slogans, die nur aus einem Wort bestehen, wurden nicht regis-triert.

10 Der frühere Slogan lautete Hoffentlich Allianz versichert. Der neue Slogan wirkt für den Rezipienten, der den längeren Slogan kennt, als Ellipse.

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Abb. 2. Wortzahl der TV-Spots

Die Tendenz zur Verkürzung des Slogans kann u.E. mit der Einbeziehung des akustischen Kanals erklärt werden. Je kürzer der Slogan, desto besser prägt er sich akustisch ein. Doch nicht nur die Kürze des Slogans, sondern auch andere Fak-toren sollen dazu beitragen, dass der Verbraucher ihn im Gedächtnis behält.

Hierzu gehört die konkrete Realisierung der Formulierung, die Wahl der Be-griffe und der Wortarten. Ein Erfolgsrezept gibt es zwar nicht, aber aus den Re-cherchen wird deutlich, dass der Anteil der Substantive im Vergleich zu den ande-ren Wortarten viel höher ist. Diese Beobachtung erlaubt es, von einem Nominalstil des Slogans zu sprechen.

Beispiele aus dem Korpus sind:− Der Joghurt mit der Ecke.− Der Club der Nichtraucher (Peugeot).− Knoppers ... das Frühstückchen.− Penaten – LIEBE, SCHUTZ, PFLEGE.Das letzte Beispiel weist auch auf eine weitere Besonderheit des Slogans hin:

Stilfi guren werden häufi g gebraucht, und zwar nicht nur in den klassischen For-men, sondern oft auch in modifi zierter Weise.

Sehr häufi g fi ndet sich wie im oben genannten Beispiel eine Klimax oder auch eine Antiklimax, wie z.B. bei Genießen, Fliegen, Sparen.

In der Werbung ist alles erlaubt, was auffällt. Gerade deshalb sind Abwei-chungen von der Norm der klassischen Stilfi guren keine Ausnahme: So besitzen z.B. die Slogans wie Strömen, wischen, sauber oder Erfrischend. Klar und Bona-qua zwar den Aufbau einer Antiklimax, aber nicht alle Satzglieder sind syntaktisch äquivalent.

Auch Metaphern sind keine Seltenheit, wie in folgenden Beispielen deutlich wird:

− Der Fels in der Brandung (Altersvorsorge).

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− Curry King von Meica.− Der King of Currywurst.Für den Gebrauch von Hyperbeln können folgende Beispiele stehen:− Aspirin. Medizin des Lebens.− Culinaria. Bringt die Welt in ihr Zuhause.− Barilla. Die italienische Entscheidung.− In Water the Love.− LBS. Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause.Der Gebrauch von Adjektiven ermöglicht es, die Qualität oder Modalität der

anderen Wortarten zu kennzeichnen. Im Prinzip werden Adjektive im Slogan sehr sparsam verwendet. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass sie von den Schwer-punkten der Aussagen, den Substantiven, ablenken. Daher fi nden sie sich, wenn sie denn auftreten, meist in umschreibenden Steigerungen:

− Leibnitz! Alles knackfrisch.−NBigger, better, Burger King.Die Werbeslogans sind auch das eigentliche Terrain, auf dem der Reim – Stab-

reim und Endreim – Verwendung fi ndet. Die Funktion des Reims ist dabei vielfäl-tig. Er schmeichelt unserem Ohr und wirkt vor allem überzeugend, wenn die Reimwörter als solche originell sind, zu unterschiedlichen Wortarten gehören und in ihrer Bedeutung und ihren Konnotationen weit auseinander liegen. Der Reim schmückt so die Prosarede auf eine meist witzige Weise.

Vor allem gilt aber: Gereimtes bleibt besser im Gedächtnis haften. Daher haben Slogans oft die Form des Reims. Die Gründe für die Häufi gkeit des Stab-reims sind vor allem formaler Art: Er kann sich auf sehr kurze – meist zweiglied-rige – Formeln beschränken.

Beispiele aus dem Korpus sind: Stabreim− ACTIMEL aktiviert Abwehrkräfte. (Joghurt).− Wir bewegen Welten. (Post).− Wie der Tee, so der Tag.Endreim− PICK UP! Schmeckt toll, macht voll. (Schokolade).− Willst du viel, spül mit Pril.− Bei diesen Preisen, muss man reisen.− Haribo macht Kinder froh und Erwachsene ebenso.Vor Jahren bereits wurde in der Studie einer namhaften Werbeagentur festge-

stellt, dass Slogans auf Englisch von deutschen Verbrauchern schlecht verstanden und erinnert werden.11 Einige Unternehmen haben daraus die Konsequenz gezo-

11 Hierbei handelte es sich um eine Untersuchung der Kölner Agentur Endmark aus dem Jah-re 2003, in der das Verständnis von englischsprachigen Slogans analysiert wurde. Es zeigten sich dabei einige völlig sinnentstellende Fehlinterpretationen durch Rezipienten.

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gen, englische Slogans durch deutsche zu ersetzen.12 In unserem Textkorpus wim-melt es trotzdem von derartigen Slogans. Viele von diesen haben sich schon seit Jahren etabliert, z.B.:

− This ist THE DOME! (Werbung für Pop-Rock-Konzerte in der Kölner Arena).

− Centrino. Mobile Technology. (Neue Technologien).− LIFT. Lifts you up!− Make it real. Coca Cola.− In water the love. Joy by MEXX WATERLOVE. For Man and Woman.− Honda. The Power of Dreams.Oft werden auch Slogans produziert, in denen eine deutsch-englische Sprach-

mischung zu fi nden ist, wie beispielsweise in den folgenden Fällen zu erkennen ist:

− Du hast die Wahl! Neu! Shock waves! Styling, das verbindet.− Also extrem oder lieber direkt? Easy as DELL. (Neue Technologien).− GREEK STYLE von CRUNCHIPS.Es ist leicht festzustellen, warum diese Slogans trotz des eingeschränkten

Verständnisses funktionieren: Ihre Zielgruppe sind junge Menschen, die in der Regel besser Englisch verstehen als beispielsweise Senioren. Ob also Englisch, Französisch oder Italienisch in den Slogans erfolgreich sind – es kommt immer auf die Zielgruppe an.

Der Slogan darf schließlich auch provokativ sein nach dem Motto: Die Frechheit siegt! Ein gutes Beispiel dafür sind der langjährige überaus erfolgreiche Slogan Geiz ist geil (Saturn) und die Antwort darauf eines anderen Unternehmens, das ähnliche Produkte bietet: Ich bin doch nicht blöd (Media Markt).

2.2. Der Kerntext – einfach und gut

Die Werbetexter geben sich sehr viel Mühe mit der Erstellung des Kerntextes, weil er in der Regel nicht freiwillig wahrgenommen wird. Der Rezipient muss mit Tricks und Kniffen dazu gebracht werden, den Text zu beachten. Der Kerntext überzeugt, wenn er einfach und direkt formuliert ist, wenn er überraschend und positiv ist.

Zunächst zu der Frage, was der Kerntext im TV-Spot eigentlich beinhaltet: Grundlage des Spots ist die Filmstory. Ein Teil des akustisch formulierten Textes wird auch verschriftlicht. Im TV-Werbespot sind die verbalen und die ikonischen Zeichen so eng miteinander verbunden, dass es nicht möglich ist den Text, losge-löst vom Bild und Ton, als selbständiges Element des Mix zu analysieren, was besonders für die Untersuchung des Kerntextes von großer Wichtigkeit erscheint.

12 Beispielsweise ersetze Douglas den Slogan Come in and fi nd out durch Douglas macht das Leben schöner.

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Das „akustische Bild“ des Werbespots bekommt seinen visuellen Ausdruck im Kerntext. Zwischen Text und Bild ist leichter zu vermitteln, wenn beide nicht einfach wiedergeben oder simpel berichten, sondern intensiv beschreiben und er-zählen. Dazu gehört, dass die Komposition der Farben und der Gegenstände eine bestimmte Atmosphäre evoziert. Anders als im Slogan fi nden sich hier Adjektive, die diese Stimmungen sprachlich intensivieren: 15 Minuten später – strahlender Glanz.

Zu der geschaffenen Atmosphäre leisten auch die Prosodie und die Melodie ihren ästhetischen Beitrag.

Das verbale Zeichensystem im TV-Spot ist von sehr großer Bedeutung. Die Bilder ziehen die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf sich, aber erst mit Hilfe der verbalen Zeichen bekommen die Schlüsselaussagen der Werbebotschaft ihren Sinn. Dies entspricht den kommunikativen Intentionen des Auftraggebers und der beauftragten Werbeagentur. Der Kerntext transportiert und erläutert die Botschaft. Das Hauptziel – eine einheitliche und unverwechselbare Sprache zu prägen – be-deutet, dass im Kerntext alles aufeinander abgestimmt sein muss: Inhalt, Termino-logie, Typographie, Farbe, Layout, Musik, Stimmen, Geräusche usw.

Da der TV-Spot einen Mix aus mehreren Teiltexten darstellt, muss sich der Kerntext jedoch den anderen Teiltexten anpassen. Dasselbe gilt hinsichtlich der Bildlichkeit. Der Kerntext funktioniert also nur als Teil der entsprechenden Film-story. Das Textliche ist eingebettet in nonverbale, akustische und visuelle Kom-munikation jeglicher Art, es koaliert oder konkurriert mit ihr oder überlässt ihr auch gänzlich das Feld. Der Kerntext ist somit nicht selbständig, er wird von der Filmstory unterstützt und umgekehrt.

Der Text kann Information, Erklärung, Kommentar sein oder einfach helfen, Zusammenhänge herzustellen. Der Kerntext fungiert so als eine Art Forum, auf dem geschriebener Text und Bilder zu Text-Bild-Gefügen koalieren, in denen sich die jeweils spezifi schen Leistungen von Sprachlichkeit und Bildlichkeit aufeinan-der beziehen können, so dass mit ihnen mehr und anders kommuniziert werden kann als mit geschriebener Sprache bzw. dem Bild allein.

Damit der Kerntext, der dem ganzen Werbespot-Gewebe den Halt gibt, wirk-sam den Rezipienten beeinfl ussen kann, müssen die sog. Reaktanz-Gefühle13 ver-mieden werden. Entscheidend dabei ist der Stil, die sprachliche Färbung des Spots. Wie vor diesem Hintergrund der Kerntext gestaltet wird, hängt von folgenden Faktoren ab:

− Aufgabenstellung: Wird eine sprachliche Färbung vorgegeben?− Zielgruppe: Welche Sprache spricht die Zielgruppe?

13 Unter Reaktanz versteht man den gefühlsmäßigen Widerstand gegen einen wahrgenomme-nen Beeinfl ussungsdruck. Hat man das Gefühl, nicht mehr frei entscheiden zu können, versucht man sich dieser Einengung zu widersetzen. Als Folge von Reaktanz kann ein Bumerang-Effekt auftreten: Der Betroffene lehnt die Empfehlung nicht nur ab, er entwickelt sogar ein besonderes Engagement für Konkurrenzprodukte.

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− Produkt: Welcher Stil wird dem Produkt am ehesten gerecht?Aus diesen Grundrichtungen entstehen der rationale Stil (es wird der Verstand

angesprochen), der emotionale Stil (es werden Gefühle erzeugt), der vertrauens-bildende Stil (es wird Vertrauen geschaffen) und der bildhafte Stil (es werden Er-lebnisse verschafft).

Der rationale Stil braucht schlüssige Argumente, Beweise, ausreichende In-formation. Der Text ist kurz, sachlich und prägnant, was aber nicht bedeutet, dass der Text langweilig ist.

Beispiele aus dem Korpus sind:− AUTAN ist dermatologisch getestet. Wie ein Schleier legt es sich um die

Haut und wirkt so gegen Mücken.− Für Kuschelbabys und Kuschelmamas gibt es das neue kuschelige SOFT-

WASH. Mit einem Drittel Baby Lotion hat das neue PENATEN SOFTWASH ei-nen noch kremigeren Schaum. Für weichere Haut als je zuvor! Doch bei Mama! Ja, das neue PENATEN SOFTWASH macht babyweiche Haut doppelt kusche-lig!

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Aufhänger eines Kerntextes im rationalen Stil ist nicht selten eine Behaup-tung, wie z.B.: Sie telefonieren zu teuer! Ziel ist es, Aufmerksamkeit zu erregen. Dann wird die These erläutert oder „bewiesen“. Auch in den obigen Beispielen von Persil und Intel hat der einleitende Satz eine ähnlich thetische Funktion.

Im folgenden Beispiel aus dem Korpus ist die Behauptung noch mit einer rhetorischen Frage verbunden, um die Überleitung von der allgemeinen Aussage der Behauptung zum konkreten Produkt zu konstruieren:

− Sie geben sich doch im Leben auch nicht mit halben Sachen zufrieden.Warum sollte das mit Ihrem Handy anders sein? O2 Genion, der günstige 2 in 1 Tarif. Denn Sie möchten ja nicht nur ab 3 Cent ins deutsche Festnetz telefonieren, sondern auch günstig in alle Handynetze. Schon ab 9 Cent.

Dem rationalen Stil entspricht auch eine rationale Wortwahl: Wie aus den Beispielen zu entnehmen ist, werden einfache Worte bevorzugt, die den Verstand ansprechen. Sie müssen überzeugend, klar und eindeutig sein.

Der emotionale Stil soll die gewählte Zielgruppe berühren. Mütter fühlen sich von kleinen Babys angesprochen, Männer von schnellen Sportwagen usw.

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Was man schreibt, das bleibt 175

Die Sehnsüchte müssen gefunden und in Wort und Bild gesetzt werden. Die er-zeugten Gefühle regen zum Kauf an.

Beispiele aus dem Korpus sind:− DER CITROEN C2. DER STADTSPORTWAGEN. Achten Sie auf die

Citroen-Goldedition. Aktionssondermodelle, mit bis zu 2000 Euro Preisvorteil.− Haben Sie schon eine unserer frischen Zartgemüseideen probiert? Wie das

Chili Gemüse mit Sauce? Mmm, einfach ruckzuck eine Treffbox aufmachen.Die emotionale Wortwahl ruft Gefühle hervor: Freude, Spaß, Liebe, Erotik

usw. Es werden also Wörter gebraucht, die die Sinne ansprechen.Der vertrauensbildende Stil in Kerntexten greift auf Bekanntes zurück, weil

Bekanntes das Vertrauen in das Produkt verstärkt. Das berühmteste Beispiel stellt Persil, der Persil bleibt dar. Der Slogan existiert schon seit 1913. Nach ähnlichen Mustern, sich auf Traditionelles zu berufen, agieren beispielsweise Werbungen von Krankenversicherungen, aber auch der Deutschen Telekom.

Beispiele aus dem Korpus sind:− Becher war gestern. Flasche ist heute! Pfandfrei im Kühlregal, von MÜL-

LER !− „Wie fi ndest du eigentlich die jungen Leute heutzutage?“ „Kaum ein Be-

ruf, schon tolle Autos und …“„Genau. Wenn ich meinen Enkel betrachte, der ist einfach immer fl üssig.“„Erstaunlich, wo du ihn dauernd anpumpst.“Mehr Geld zum Leben. Der Sparkassen-Erfolgsplan, das individuelle Finanz-

konzept.− Der Original LEIBNITZ BUTTERKEKS. Nur echt mit 52 Zähnen. Und

jetzt NEU! Der Kernige mit Haferfl ocken.Die vertrauensbildende Wortwahl unterstützt das Gefühl beim Rezipienten,

dass Tradition mit Qualität, Sicherheit und Schutz verbunden ist und traditionelle Werte Vertrauen schaffen.

Der bildhafte Stil schließlich verspricht Erlebnisse, schafft Sympathie für Produkte. Er ist besonders beliebt für Spots, die Ereignisse, Glanz, Schönheit, Abenteuer und Genuss schildern. Provozieren, aber auf charmanter Weise, ist hier immer willkommen. Beispiele aus dem Korpus sind:

− Für extrem langen Halt ! NEU! SHOCK WAVES Power. Hol’s dir jetzt. Für ultimative Locken! NEU! SHOCK WAVES! Und für jedes andere coole Sty-ling, SHOCK WAVES! Style to connect. On WELLA!

− HARD! GLUE! HARD! GLUE! NEU! GARNIER FRUCTIS STYLE – HARD GLUE! Mit Mikrofruchtwachsen. Das Glue Gel aufs Haar wird wie Stein! GARNIER FRUCTIS STYLE HARD GLUE.

− „Tut mir leid. Nur für Nichtraucher.“„Gut. Ich rauche ja nicht.“„Aber Ihr Diesel raucht.“

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Die PEUGEOT Dieseltechnologie mit Rußpartikelfi lter. Serienmäßig in allen Klassen.

− Sommerliebe, Ferien, Fun! Findest du im Sommer die große Liebe? CHI-CA verrät es dir, wie liebt Ascha. Mit Sommer-Planer, CHICA Cards und Pareo. CHICA – Sommer-Planer für 3 Monate.

Worte, die Genuss, Spannung, Bilder von Faszination, Geselligkeit usw. ent-stehen lassen, sind für den bildhaften Stil am besten geeignet.

Der Vielfältigkeit der Palette von beworbenen Produkten entsprechen auch die Varietäten des Sprachstils. Die oben erwähnten Sprachstile kommen sehr oft in verschiedenen Koalitionen zum Vorschein, z.B. rational/emotional, vertrauens-bildend/emotional, rational/bildhaft usw. Die Widersprüchlichkeit dieser Kombi-nationen ist nur scheinbar: Der Konsument wird auf unterschiedlichen Ebenen angesprochen, wobei es für den Erfolg der Werbebotschaft wichtig ist, dass der Spot beim Rezipienten gut ankommt. Die Stimmigkeit der Stile steht dabei nicht im Vordergrund, zumal der Spot auch vom Rezipienten als Kondensat einer um-fangreicheren und damit auch vielschichtigeren Botschaft wahrgenommen wird. Betrachtet man beispielsweise den Marker Neu!, der in zahllosen Spots vorkommt: Hier wird Verstand angesprochen: Was neu ist, muss auch gut oder besser als zu-vor sein. Zugleich wird das Begehren ausgelöst, das Neue besitzen zu wollen. Emotionales und Rationales gehen hier Hand in Hand.

Die heutige Werbung erzählt in Kurzfassung Geschichten. Der Monolog als Erzählweise hat einen deutlichen Vorrang gegenüber dem Dialog. Nur 10% aller Kerntexte im Korpus sind nach dem dialogischen Prinzip aufgebaut. Das Erzähle-rische wird durch die überwiegende Anzahl von Aussagesätzen verstärkt, wie die quantitative Auswertung unserer Stichprobe belegt.

Bei den 1264 Kerntexten sind insgesamt 6752 Sätze registriert. Mit 73,94% führen die Aussagesätze, 20,61% sind Ausrufesätze, und lediglich bescheidene 5,45% sind Fragesätze.

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Aussagesätze Ausrufesätze Fragesätze

Häufigkeit der Satzart in Prozent

Abb. 3. Satzarten in den Kerntexten

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2.3. Geschriebene Texte – das fünfte Rad am Wagen?

Zwar ist der TV-Werbespot primär von der Audiovisualität der dynamischen Zei-chensysteme (gesprochene Sprache, bewegte Bilder, Geräusche, Musik) geprägt. Es ist aber auch eine andere Form von Sprache vertreten, die eigentlich für die Printmedien typisch ist: Schrift.

Hickethier (2001) hält die Schrift im Fernsehen für einen wichtigen Informa-tionsträger. In der Schriftform wird ein Text dadurch als Einheit bestimmt, dass seine Sätze in einem visuellen Zusammenhang stehen (lineare Aneinanderreihung der Sätze).

Betrachtet man nun zunächst grundsätzlich, in welchen Bereichen Geschrie-benes im Fernsehen überhaupt eine Rolle spielt, so stellt man fest, dass im Bereich der Unterhaltung Geschriebenes zwar auftritt, es aber beispielsweise bei Unterhal-tungsfi lmen, Shows usw. eher eine marginale Bedeutung besitzt. Lediglich bei Quiz-Sendungen wird Geschriebenes als Einblendung funktionalisiert, und zwar mit einer Merkfunktion, um während des Überlegensprozesses für den Zuschauer die Fragestellung bzw. die möglichen Antworten präsent zu halten.

In informierenden oder dokumentarischen Genres hingegen nimmt geschrie-bene Sprache eine weit wichtigere Position ein, so bei Nachrichtensendungen oder Dokumentationen zur Einblendung von Überschriften, Namen oder Titeln, in Schaubildern zur Zusammenfassung von Inhalten oder auch zur Wiederholung und Unterstützung von Gesprochenem. Schriftliches hat hier in der Regel einen objektivierenden und zusammenfassenden Anspruch.

Werbung hat nun gerade im Fernsehen eine doppelte Zielsetzung: Um den Zuschauer zum Kauf oder zur Wahrnehmung einer Dienstleistung zu bewegen, will sie einerseits informieren, andererseits aber auch unterhalten, so dass nicht nur der Verstand, sondern auch die Gefühle des Rezipienten angesprochen werden sollen.

Speziell die objektivierend-zusammenfassende Funktion von Schriftlichem nutzt die Fernsehwerbung. Mittels Einblendungen wird dem Gesagten quasi ein Titel gegeben, dessen Inhalt kurz zusammengefasst oder bekräftigt. Da sich im Vergleich zu bloß Gehörtem etwas, das sowohl gehört als auch gelesen wird, weit besser einprägt, dient Schriftliches in der Fernsehwerbung aber zur Intensivierung ausgewählter, besonders wichtiger Bestandteile der gesprochenen Spot-Texte.

Eingeblendete Bekräftigungen wie gehört in jede Hausapotheke wirken auf den Rezipienten wie eine Verpfl ichtung, das Produkt zu kaufen. Auch der Aktua-litätshinweis Jetzt im Handel als schriftlicher Abschluss eines anderen Spots dient als implizite Kaufaufforderung.

Insbesondere bei englischsprachigen Werbeslogans werden diese nicht nur in gesprochener Form integriert, sondern häufi g auch zusätzlich schriftlich präsen-tiert, offenkundig um das Verständnis zu erleichtern und den Einprägungseffekt zu erhöhen:

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− The new fragances by Puma.Damit dabei eine Überforderung durch zu viel geschriebenen Text vermieden

wird und zugleich eine Heraushebung erzielt werden kann, werden nur die wich-tigsten Elemente der Werbebotschaft verschriftlicht. Dies können Telefonnum-mern sein, Markennamen oder auch Handlungsanweisungen (Schick „Gedicht“ an 88889).

Im Fernsehen ist Schrift unmittelbar kommunizierbar, wenn man die Flüch-tigkeit des gesprochenen Wortes aufhalten möchte. Wie schon mehrmals betont wurde, besteht das komplex verschachtelte Gefüge „TV-Werbespot“ aus drei Teil-texten – Slogans, Kerntexten und geschriebenen Texten. Als rein geschriebene Texte werden diejenigen Texte bezeichnet, die nur in schriftlicher Form auftre-ten.

In den untersuchten Werbeblöcken wurden insgesamt etwa 1600 geschriebene Texte registriert. Das sind jedoch nur 22,98% von allen Texten. Die geschriebenen Texte bestehen zu 96,25% aus Aussagesätzen, einen Anteil von 3% bilden Aus-rufesätze, und lediglich mit 0,75% sind Fragesätze präsent.

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Aussagesätze Ausrufesätze Fragesätze

Häufigkeit der Satzart in Prozent

Abb. 4. Satzarten in rein schriftlichen Texten

Schon die Verteilung der Häufi gkeiten (49,07% Kerntexte und 27,95% Slo-gans im Gesamtkorpus) weist darauf hin, welche Bedeutung den geschriebenen Texten im Spot beigemessen wird.

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Slogans Kerntexte Rein schriftlicheTexte

Anteil der verschiedenenTextformen in Prozent

Abb. 5. Verteilung der Texte im TV-Spot

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So enthält der geschriebene Text im Wesentlichen ergänzende Elemente: Hier werden z.B. Informationen über das Unternehmen gegeben, vor allem Adresse, Telefon- und Faxnummer sowie E-Mail-Anschrift. Damit wird häufi g die Auffor-derung zur Kontaktaufnahme verbunden. Beispiele aus dem Korpus sind:

− Gewinne Traumparties in Traumlofts. SMS mit „SHOCKWAVES” an 72990 oder unter www.shockwaves.de.

− www.garnier.com.Die betreffenden Informationen sind eine Art Visitenkarte des Unternehmens

und müssen sich in das Gedächtnis des Verbrauchers einprägen, damit die Ziel-gruppe dazu veranlassen wird, die Seiten des Unternehmens im Internet anzuse-hen, anzurufen, ein Fax zu senden oder eine Mail zu schicken.

Die Handlungsaufforderung an den Rezipienten, Kontakt aufzunehmen oder sich weiter über Produkt bzw. Unternehmen zu informieren, ist jedoch nur eine von mehreren potenziellen Funktionen des geschriebenen Textes: Er kann das „Kleingedruckte“ enthalten – Einschränkungen, Bedingungen und rechtliche Hin-weise, für die weder im Slogan noch im Kerntext der geeignete Ort wäre.

Schließlich hat Geschriebenes in der Fernsehwerbung noch eine weitere Funktion: Insbesondere bei Dienstleistungen, die durch einen Anruf oder eine SMS angefordert werden sollen, kommen Verträge zustande. Aus rechtlichen Gründen muss vor Abschluss des Vertrages auf verschiedene mit der Dienstleis-tung verbundene Aspekte, insbesondere Kosten, Fristen, Kündigungsbedingungen usw. hingewiesen werden. Da diese Punkte einerseits oftmals wenig werbewirk-sam sind, da sie den Rezipienten u.U. abschrecken könnten, und andererseits die juristischen Formulierungen sowohl sprachlich nicht zu den Werbetexten passen als auch zu lang sind, um sie in Gänze in einem teuren Spot vorzulesen, werden diese Bestandteile generell nur als geschriebener Text eingeblendet. Wie bei Ver-trägen üblich, sind auch hier in den Werbespots diese nicht unwichtigen Nebenge-sichtspunkte – das so genannte „Kleingedruckte“ – nicht nur so klein dargestellt, dass man die Schrift nur mit Mühe entziffern kann, sondern sie werden auch nur eine so kurze Zeit eingeblendet, dass ein vollständiges Durchlesen durch den Zu-schauer in der Regel unmöglich ist.

So wird in einem nur wenige Sekunden langen Spot für drei Varianten von Klingeltönen folgender Text eingeblendet: Monophone Klingeltöne für fast alle NOKIA. Polyphone Klingeltöne für fast alle polyphonen Handys. Real Music für z.B. Nokia 3650, 3660, 6600, 7600, 7650, N-Gager, Siemens SM1, Samsung E 700, P 400, V 200, Sharp GX 10/20/30, Sony Ericsson P 800, P 900. 3 mono bzw. 3 poly Töne je 2,99 Euro bzw. 4 x Real Music 4,99 Euro im Monatspaket (zzgl. Transport) zum Abruf, Abo-Kündigung per SMS mit „Stopsuperton“ (mono Super Ton) bzw. „Stopsuperpoly“ (poly Super Ton) bzw. „Stopsuperreal“ (Super Real Music) an 33333 (0,20 Euro/SMS).

Es ist zu erwarten, dass der Rezipient die Kündigungsbedingungen bzw. die einzelnen Varianten nicht wahrnimmt oder zumindest sie nicht behält. Hier erfolgt

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also eine bewusste Übervorteilung der potenziellen Klientel, was insofern beson-ders deutlich wird, als sich diese (inzwischen gerichtlich gestoppte) Werbung vornehmlich an (nur eingeschränkt geschäftsfähige) Kinder und Jugendliche richtete.

In ähnlichem Licht zu sehen sind auch rein schriftliche Texte, in denen (eben-falls wieder relativ klein) wesentliche Einschränkungen zur vorher in gesprochener Sprache vollmundig verkündeten Werbebotschaft erfolgen. So warb die Deutsche Bahn in einem Werbespot:

− Für nur 29 Euro quer durch Deutschland, wohin Sie wollen. Im Juli und August.

Nach dieser akustischen Werbebotschaft wurden als geschriebener Text die folgenden gravierenden Einschränkungen für wenige Sekunden sichtbar:

− Sommer-Spezial-Preis. Einfache Fahrt, 2. Klasse. Mit Zugbindung und Vorkaufsfrist. Nur unter www.bahn.de und an Fahrkartenautomaten, solange Vor-rat reicht. Es gelten besondere Bedingungen.

Weitere Aufgabe des rein geschriebenen Textes ist es, die Botschaft des TV-Spots mit den zusätzlichen Infos abzurunden, indem er ein Fazit gibt oder den Slogan oder den Markennamen wiederholt.

Ferner signalisiert er das Ende des Beitrages, lässt ihn mit einer einprägsamen Schrift ausklingen oder setzt ein sprachliches „Ausrufezeichen“ zur Betonung der Spot-Botschaft.

Hierzu einige Beispiele aus dem Korpus (die geschriebenen Texte sind fett gesetzt):

− Für sie ist es Spaß! Für mich ist das bei so viel mehr auch ein Risiko. Des-halb gibt es bei uns jeden Morgen ACTIMEL. Für sie ist das einfach lecker, für mich sind das Milliarden kleine Helfer zur Abwehr unerwünschter Keime und Bakterien und zur Stärkung der natürlichen Abwehrkräfte meiner Familie. ACTIMEL aktiviert Abwehrkräfte. DANONE. Gutes kann so gesund sein.

− „Du, Horst, ich kenne da ein Mädchen aus meiner Klasse, und der Vater von der hat sein eigenes Haus, wo jeder sein eigenes Zimmer hat.“

„Spießer!“„Und der Bert hat eine Wohnung auf dem Dach, von wo aus man die ganze

Stadt sehen kann.“„Auch Spießer.“„Papa, wenn ich groß bin, will ich auch mal Spießer werden.“Oder einfach Bausparer. „Klasse!“LBS, die Bausparkasse der Sparkassen! LBS. Wir geben Ihrer Zukunft ein

Zuhause.In jedem Fall kann aus Sicht der Werbetexter auf den geschriebenen Text

nicht verzichtet werden. Seine Funktionen können nicht von anderen Bestandtei-len des TV-Spots übernommen werden. Dabei wird der geschriebene Text mit

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ganz unterschiedlichen Intentionen genutzt: Er soll sich abheben von Kerntext und Slogan, er soll auffallen oder gerade nicht. Letzteres gilt vor allem bei den ein-schränkenden Inhalten von geschriebenen Texten. Hier ist der Text zwar aus juris-tischen Gründen präsent, soll aber nach Möglichkeit vom Zuschauer gar nicht gelesen werden, um die suggestive Wirkung des Spots nicht abzuschwächen. Dies gelingt vor allem dadurch, dass solche Texte in sehr kleiner Schrift – häufi g noch in Kursive, was die Lesbarkeit zusätzlich erschwert – dargestellt und nur sehr kurz eingeblendet werden. Durch die Flüchtigkeit des Spots ist hier noch weniger als in der Printwerbung die Möglichkeit gegeben, das Kleingedruckte eingehend zu stu-dieren und die Werbebotschaft zu hinterfragen.

3. Fazit

Werbung informiert, vor allem aber unterhält sie. Auf Grund des hoch komple-xen Text-Bild+Ton-Mix vermag der TV-Werbespot geradezu „magische“ Kräfte zu entfalten. In einem Minimum an Zeit soll ein Maximum an Wirkung erzielt werden. Dies ist nur möglich durch hohen technischen Aufwand, starke Ästhe-tisierung, gezielte Ansprache von Emotionen und schließlich den differenzierten Einsatz sprachlicher Mittel. Ganz unterschiedliche Funktionen repräsentieren Slogan, Kerntext und geschriebene Sprache und ergänzen sich dabei. Gerade die Flüchtigkeit des TV-Spots stellt hohe Anforderungen an die Wirkung der Sprache und determiniert auch die Funktionen der einzelnen Textelemente. Diese reichen vom Einprägen und Wiedererkennen des Slogans über das Erzählen, Ansprechen, Bewegen, Überzeugen des Kerntextes bis zum Informieren des geschriebenen Textes. Auch wenn das untersuchte empirische Material eine deutliche Abstufung der quantitativen Bedeutung in der Reihenfolge Kerntext – Slogan – geschrie-bener Text belegt, sind die drei Elemente in der Regel kombiniert und aufeinander angewiesen.

Literatur

Monografi en

Hickethier, Knut: Film- und Fernsehanalyse. Stuttgart 2001.Кафтанджев, Христо: Хармонията в рекламната комуникация. София 2003.Kroeber-Riel, Werner: Strategie und Technik der Werbung. Stuttgart 1993.Kroeber-Riel, Werner / Meyer-Hentschl, Gundolf: Werbung – Steuerung des Konsumentenverhal-

tens. Würzburg-Wien 1982.Ong, Walter J.: Oralität und Literalität. Die Technologisierung des Wortes. Opladen 1987.Тодоров, Цветан: Семиотика. Реторика. Стилистика. София 2000.

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Aufsätze

Georgieva, Detelina / Schuppener, Georg: Lassen wir die Bilder sprechen – Im Paradies der Sinne. Text und Bild in der Fernsehwerbung. In: Roczniki Naukowe PWSZ XIV. Języki obce 4, 2008, S. 45–60.

Ludes, Peter: Visualisierung als Teilprozess der Modernisierung der Moderne. In: Hickethier, Knut (Hrsg.): Institution, Technik und Programm. Rahmenaspekte der Programmgeschichte des Fernsehens. München 1993, S. 357–370.

Rauh, Rauh: Kommunikative und ästhetische Leistungen der Sprache im Film. In: Leonhard, Joach-im-Felix / Ludwig, Hans-Werner / Schwarze, Dietrich / Straßner, Erich (Hrsg.): Medienwis-senschaft. Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen, Bd. 3. Berlin-New York 2002, S. 1833–1836.

Scheier, Christian: Prinzipien für die Gestaltung effektiver Printwerbung. In: Focus-Medialexikon. München 2003.

Schmitz, Ulrich: Sehfl ächen lesen. Einführung in das Themenheft. In: Der Deutschunterricht Jg. 2005, Hf. 4, S. 2–5.

AbstractsDer vorliegende Beitrag gibt einen ausführlichen Überblick über Rolle und Funktion geschriebener Texte innerhalb von Fernsehwerbung. Als Grundlage werden die Spezifi ka der Fernsehwerbung detailliert beschrieben, bevor sich die Aufmerksamkeit auf konkrete geschriebene Texte in Fern-sehspots richtet. Das empirische Material von mehr als 2.500 derartigen Texten wurde bei den Pri-vatsendern RTL und RTL II erhoben. Unterschieden wurde dabei zwischen Slogan, Kerntext und allein geschriebenem Text. Die Analyse des Materials belegt die Bedeutung des Slogans und seiner wirkungsvollen Gestaltung. Hinsichtlich des Kerntextes können die Verfasser dessen Multifunktio-nalität als Zentrum des Werbespots herausarbeiten. Die Funktion des rein geschriebenen Textes be-schränkt sich hingegen auf Mitteilung von Zusatzinformationen, beispielsweise rechtlicher Gestalt, und auf die Wiederholung der Werbebotschaft.

The article gives a detailed overview over the role of written texts in advertising spots. First, the authors describe the specifi c peculiarities of television advertising. Then, special attention was paid to written texts in authentic TV-spots, broadcasted by the German private channels RTL and RTL II. On the basis of more than 2.500 texts the authors distinguish three categories of written texts, which can be found in advertising spots: the slogan, the text kernel and the pure written text. The empirical data shows the importance of conciseness and the use of fi gures of speech to generate an impressive and long time effi cient slogan. The further results of the investigations can be summarized as fol-lows: The text kernel is identifi ed as the multifunctional central unit of the spots. It informs not only the viewers, but tells them also an interesting story. Finally, the pure written text has the function to conclude the message of the spot and to add legal information. The empirical material proves the predominance of declarative sentences in all categories of written texts.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Przemysław StaniewskiWrocław

Codeswitching als ein den Soziolektprägender Prozessam Beispiel der Sprache des Bankwesens

1. Einleitendes

In der heutigen Welt, in der staatliche Grenzen kein Hindernis ausmachen, Beför-derungsmittel aller Art frei zugänglich sind, in der Kulturberührungen und Kultur-verschmelzungen infolge der Migrationen ein allgemein bekanntes und geläufi ges Phänomen sind, hat man zwangsweise mit Sprachkontakten unterschiedlichen Charakters zu tun. Eine Subklasse der breit begriffenen Sprachkontakte stellt die Erscheinung des Codeswitchings1 dar.

Es ist bemerkenswert, dass man (über mehrere Sprachen verfügend) nicht nur Aussagen in einer Sprache produzieren kann, sondern auch im Stande ist die be-herrschten Sprachen innerhalb eines Ausdrucks oder im Laufe des Gesprächs zu wechseln oder zu mischen, wobei die funktionelle und pragmatische Klarheit ge-sichert wird.

Die CS-Untersuchungen reichen in die 1950er Jahre zurück. Zum ersten Mal tauchte der Begriff im Werk von Hans Vogt Language Contacts (1954) auf. In den letzten vier Dekaden erlebte dieses Phänomen seine Forschungsblüte-zeit. Anfangs richteten die Wissenschaftler ihr Augenmerk auf die soziologi-schen (George Baker, später John J. Gumperz) und psychologischen (Hans Vogt) Aspekte. Zunehmende Beschäftigung mit CS ließ ein breites Spektrum der sozio- und psycholinguistisch orientierten Studien etablieren, während auch die syntaktischen, morphologischen und phonologischen Gegebenheiten stark ins Auge gefasst und erforscht wurden (vgl. Nilep 2006: 1–6; Leyew 1998: 197–199).

1 Weiter als CS genannt.

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2. Begriff und Typologie von CodeswitchingDa der CS-Erscheinung im Laufe der Zeit viel Beachtung geschenkt wurde, ist man gezwungen mit vielen verschiedenen Defi nitionen zurechtzukommen. Aus diesem Grund ist es vonnöten ein paar Auslegungen zu präsentieren, um einen, je nach der Möglichkeit, klaren und objektiven Überblick zu schaffen und gleichzei-tig der Verwirrung vorzubeugen. Bevor wir aber zu den CS-Auffassungen über-gehen, muss noch ein Aspekt des zu behandelnden Problems angedeutet werden. CS als ein Phänomen, das in der umfassenden Palette der sprachlichen Kontakte inbegriffen ist, impliziert das Vorkommen des Bilingualismus bzw. Multilingua-lismus. In der Betrachtung der Zwei- und Mehrsprachigkeit ist auch eine gewisse Variationsbreite, besonders in Bezug auf die Differenzierung dieser Erscheinung, beobachtbar. In Anlehnung an die anerkannte Fachliteratur (Bussmann 1998: 130; Polański et al. 1999: 130; Wei 2009: 39) ist festzustellen, dass Bilingualismus bzw. Multilingualismus als eine Fähigkeit oder gezielter ausgedrückt als ein Zustand zu verstehen ist, in dem sich ein Individuum befi ndet, sich zwei oder mehrerer Sprachen zu bedienen, unabhängig von dem Weg auf dem es zur Sprachbeherr-schung kam und ungeachtet der Faktoren, die den Weg zur Sprachbeherrschung beeinfl usst haben.

Um der Klarheit willen muss betont werden, dass der stilistisch- und register-bezogene, sowie dialektbedingte Kodewechsel aus den Überlegungen ausge-schlossen wurden. Es ist unumstritten, dass sich unter dem CS-Begriff die Phäno-mene des Übergehens oder Wechsels zwischen Standardsprache und Dialekt, stilistischen Sprachvarianten (informell vs. formell) verbergen (vgl. Shumarova 2004: 56; Bullock / Toribio 2009: 2). Solch eine breite Behandlung des diskutier-ten Problems ist aber nicht das Ziel dieser Arbeit und würde ihren Rahmen spren-gen. Deswegen ist hervorzuheben, dass sich all die angeführten Begriffsbestim-mungen auf die separaten Sprachsysteme beziehen.

Bezugnehmend auf die obigen Erläuterungen kann man den Begriff CS ganz allgemein als die Verwendung mehr als einer Sprache im Zuge eines kommunika-tiven Geschehens, als den Gebrauch verschiedener Sprachen von bilingualen Per-sonen in einer Konversation oder in einem Satz verstehen. Weiter wird CS als der Einsatz unterschiedlicher (sprachlicher) Varietäten in unterschiedlicher Zeit von einem Sprecher verstanden. Im Vergleich dazu ist noch aus allgemeiner Hinsicht CS als alternative Anwendung mehr als einer Sprache zu begreifen (vgl. Nilep 2006: 16; Gardner-Chloros 2009a: 4; Leyew 1998: 198; Bullock / Toribio 2009: 2). Bei der Behandlung der Explikationen dieses Phänomens sind noch des Wei-teren verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen. Der grammatische Blickwin-kel liefert die Betrachtung dieser Erscheinung als Alternanz aus zwei verschie-denen Sprachen stammenden grammatischen Regeln, die an Satzgrenzen auftreten (vgl. Leyew 1998: 198). Dabei ist nicht zu übersehen, dass die grammatischen Regeln beider Sprachen während des Mischens respektiert werden müssen, was

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natürlicherweise bedeutet, gewisse Einschränkungen werden auf den CS-Prozess durch die Grammatik auferlegt. Deswegen wird es diskutiert, ob im Laufe des CS das grammatische System einer der beteiligten Sprachen dominant ist oder eine Art des dritten, übergreifenden grammatischen Systems entsteht (vgl. Cantone 2007: 54–56). Die sozio- und psycholinguistische Perspektive bietet uns die Be-trachtung des CS als einer Fähigkeit, die Sprache in Bezug auf den Mitsprecher, situativen Kontext, das Thema des Gesprächs auszuwählen und entsprechend den soziolinguistischen Regeln zu variieren, ohne spezifi sche grammatische Ein-schränkungen zu missbrauchen. Ferner wird unter diesem Begriff eine komplette Umschaltung von einer Sprache auf eine andere konzipiert, sei es auf der Ebene des Wortes, der Phrase oder des Satzes. An dieser Stelle gilt es hervorzuheben, dass ein Individuum die Entscheidung treffen muss (die unbewusst verläuft), wel-che Sprache und zu welchem Ausmaß zu verwenden ist. Die Entscheidung wird durch außersprachliche Faktoren determiniert, wie z.B. das Thema, monolingualer oder bilingualer Gesprächspartner, psycholinguistische Gegebenheiten (Grad der Aktvierung der gegebenen Sprachen) (vgl. Cantone 2007: 53-57), was durch unten angeführte Abbildung veranschaulicht wird:

Abb. 1. Quelle: Wei 2009: 43

Als die Konsequenz des großen Interesses für CS in den letzten Jahren ist nicht nur die ganze Menge der verschiedenen Defi nitionen anzusehen, sondern auch unterschiedliche Betrachtungs- und Herangehensweisen an dieses Phänomen resultierten in der Erarbeitung ungleicher aber zugleich aufschlussreicher Theori-en, aus welchen verschiedenartige Typologien entwickelt werden konnten.

Gumperz hat zwei Arten von CS unterschieden: situationelles CS und meta-phorisches/konversationelles CS. In dem ersten Fall handelt es sich um die Situa-tion, der der Sprecher ausgesetzt ist, d.h. diese CS-Art hängt eng mit dem Spre-

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cher, Kontext und Thema zusammen und wird durch die Änderungen in der aktuellen kommunikativen Situation hervorgerufen. Diese Annahme besagt ferner, dass nur eine der koexistierenden Sprachen für die jeweilige Situation angemessen und entsprechend sei, was von dem Sprecher verlange, seine sprachliche Wahl zu verifi zieren, um den situationellen Faktoren nachkommen zu können. Das Vor-kommen des metaphorischen CS impliziert die Sprachwahl, die durch das Erlan-gen des kommunikativen Effekts und Zwecks determiniert wird. Mit anderen Wor-ten, es geht um die Änderungen in der Ausdrucksart des Sprechers, die dem Ziel dienen sollten, die kommunikative Intention wiederzugeben. Es ist dabei hervor-zuheben, dass die Interpretation des durch metaphorisches CS zu vermittelnden kommunikativen Vorhabens von der jeweiligen Sprache und von der durch situa-tionelles CS hergestellten Situation abhängig ist (vgl. Wei 2002: 156; Gardner-Chloros 2009b: 106f.; Gardner-Chloros 2009a: 58f.; Cantone 2007: 59). Diese Unterscheidung lässt schlussfolgern, dass CS ein wichtiges pragmatisches Mittel in der mehrsprachigen Kommunikation ist. Man muss sich nicht nur dem situati-ven Rahmen anpassen, wobei die extralinguistischen Faktoren eine große Rolle spielen, sondern auch den Erfolg des Gesprächs ins Auge fassen, indem man den sprachlichen Code je nach Bedarf wechselt, um sich angebrachter oder gezielter auszudrücken.

Der weiteren Aufteilung liegen in großem Grad grammatische (syntaktische) Aspekte zugrunde. Es ist aber unumstritten, dass die pragmatische Perspektive auch beibehalten bleibt, indem die einzelnen Arten weiter als Strategien aufgefasst wer-den (vgl. Bullock / Toribio 2009: 3). An der ersten Stelle ist das intra-sentetial CS (auch als klassisches CS oder alternationales CS genannt) zu erwähnen. Diese CS-Art bezieht sich auf den Wechsel innerhalb eines Satzes, unabhängig von der Satz-art (Parataxe vs. Hypotaxe). Weiter ist das inter-sentential CS zu vermerken. Es geht in diesem Fall darum, dass der Sprachwechsel an der Satzgrenze zustande kommt, d.h. einer der Sätze wird in einer Sprache, der zweite aber in einer anderen artikuliert. Im Zusammenhang mit den bereits erwähnten CS-Arten steht noch eine Wechselmöglichkeit, die von den Wissenschaftlern nicht oder sehr selten berück-sichtigt wird. Es ist auch machbar, den sprachlichen Code an der Morphemgrenze, d.h. innerhalb eines Wortes, zu wechseln, was die Bezeichnung intra-word CS trägt.

Ferner führt man die Unterteilung ein in:1. Alternation (Alternanz) – die Sprachen bleiben in einer relativ separaten

A-B Konstellation, wobei dem Wechsel nicht nur lexikalische aber auch gramma-tische Elemente unterzogen werden, weswegen für diese Art CS die Kompatibili-tät, wenigstens die Äquivalenz, in dem Wechselpunkt der beiden grammatischen Systeme verlangt wird. Diese CS-Sorte ist in den stabilen, bilingualen Sprachge-meinschaften anzutreffen, deren Zweisprachigkeit auf der traditionellmäßigen Sprachtrennung beruht.

2. Insertion (Einschiebung/Einbettung) ist gegeben, wenn Elemente einer Sprache in die anderssprachige Umgebung eingebaut werden, so dass die Sprach-

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konfi guration eines Ausdrucks A-B-A zu bezeichnen ist. Dies impliziert die Auf-teilung der beteiligten Sprachen in Matrix- und eingebettete Sprache. Die Matrix-Sprache wird in diesem Fall als die dominante, den sprachlichen Rahmen verleihende Sprache konzipiert. Dieses CS ist vorwiegend bei Bilingualen vorzu-fi nden, deren Sprachbeherrschung asymmetrisch ist, d.h. bei Migranten, aber auch bei Fremdsprachenlernenden.

3. Congruent lexikalisation (kongruente Lexikalisierung) – involviert sprach-liches Material, welches sich lexikalisch aus zwei oder mehreren Sprachen zusam-mensetzt, wobei die grammatische Struktur für die teilnehmenden Sprachen ge-meinsam ist (Familienmensch vs. family person). Das Vorkommen dieser CS-Art ist eng an die typologisch ähnliche Sprachen gebunden (vgl. Bullock / Toribio 2009: 3f.; Cantone 2007: 69f.; Gardner-Chloros 2009a: 104f.).

Resümierend kann man feststellen, dass die bereits präsentierte CS-Typologie sehr ausgebaut ist und dass es sich einen umfassenden Überblick über diese Er-scheinung verschaffen lässt. Es gilt auch zu vermerken, dass nicht alle CS-Sorten in einem gegebenen kommunikativen Vorgang und sogar in einer jeweiligen Sprachgemeinschaft vorkommen. Der Wahrscheinlichkeitsgrad des Auftretens ei-ner bestimmten CS-Art ist vor allem auf die typologische Verwandtschaft der teil-habenden Sprachen, aktuelle kommunikative Situation und betroffene Gruppe zurückzuführen.

3. Potenzielle Gründe des Codeswitchings und seine Arten bezogen auf die untersuchte Gruppe

In diesem Kapitel wird beabsichtigt, die potenziellen Gründe des CS darzustellen, wobei Bezug auf die untersuchte Gruppe im Bereich der CS-Quellen sowie der vorher erwähnten CS-Arten genommen wird.

An erster Stelle muss vermerkt werden, dass die untersuchte Menschengruppe aus ca. 70 Personen bestand, die sich bis auf ein paar Ausnahmen des Polnischen als Muttersprache bedienten. Die deutsche Sprache hingegen haben sie im fortge-schrittenen Grad auf verschiedenen Wegen beherrscht, wobei ein Teil der Gruppe auch die Absolventen der Germanistik bildeten. Von großer Bedeutung scheint zusätzlich das Faktum zu sein, dass die Mehrheit der untersuchten Personen Deutsch als Zweit- d.h. Fremdsprache erlernt haben. Den Forschungsgegenstand macht also die Sprache aus, die zur Kommunikation untereinander am Arbeits-platz verwendet wird. Darüber hinaus ist es vonnöten für das Charakteristikum der Gruppe zu erwähnen, dass sie in einer deutschsprachigen (österreichischen) Ab-teilung eines Unternehmens im Bereich des Bankwesens eingestellt sind, wobei fortgeschrittene Beherrschung des Deutschen unabdingbare Bedingung für die Einstellung war, weil die von ihnen ausgeführten Tätigkeiten darauf beruhen, die

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österreichischen Kunden zu beraten und zu betreuen (breit begriffene Kontakte mit Privatpersonen, Versicherungen und Rechtsanwälten).

Wie bereits angedeutet wurde, tauchen nicht alle CS-Arten in einer jeweiligen Gruppe, oder sogar Kommunikationsgemeinschaft auf. Das Vorkommen des CS hängt eng mit den sozio-, psycho- aber auch pragmalinguistischen Aspekten zu-sammen, die je nach der untersuchten Gruppe stark variieren und deswegen keine universelle Geltung haben.

Aus der soziolinguistischen Perspektive lassen sich, in Bezug auf die von Autor beobachteten Sprachgruppne, zwei Hintergründe anführen, die jedoch in engem Zusammenhang miteinander stehen. Es handelt sich nämlich darum, dass eine bilinguale Person nur im Gespräch mit einer zweisprachigen (über die gleiche Sprache verfügenden) den sprachlichen Code wechseln wird, ansonsten würde der kommunikative Zweck völlig verfehlt werden. (vgl. Bullock / Toribio 2009: 10). Das bedeutet ferner, dass die zweisprachige Person eine sprachliche Situation als bilinguale konzipieren muss, in der die Sprache ohne weiteren Konsequenzen zu variieren erlaubt ist. Da in diesem bestimmten Untersuchungsfall solch eine Situ-ation am Arbeitsplatz möglich ist, wird der Arbeitsraum als die Gemeinschaft der Praxis (community of practice) oder mit anderen Worten als eine Gruppe der Men-schen, die ein gemeinsames Stillrepertoire haben, begriffen (vgl. Liebscher / Dai-ley-O’Cain 2005: 236). Daraus ergibt sich, dass in einem solchen Fall ein breit verstandenes situationelles CS zu Stande kommt, dadurch, dass der Sprecher einer bilingualen Situation ausgesetzt ist, in der ein bilinguales sprachliches Verhalten manchmal unabdingbar ist und zugleich metaphorisches CS impliziert (siehe un-ten).

Betrachtet man CS aus dem Blickwinkel der Psychologie bzw. kognitiven Wissenschaften, ist festzustellen, dass die Hauptursache des Kodewechsels darin besteht, dass beide Sprachen gleichzeitig im Gehirn einer bilingualen Person aktiv sind, wobei sie nie deaktiviert werden (sei es L1 oder L2). Sogar in einer Situation, in der eine zweisprachige Person mit einer monolingualen ein Gespräch führt. In solch einem Fall kann nur der Grad der Aktivierung beider Sprachen verschieden sein. Es wird auch behauptet, dass das Gehirn die Verwendung der jeweiligen Sprachen regulieren kann, um eventuelle Interferenzen zu vermeiden. Wenn aber zwei bilinguale Personen sich unterhalten, ist es festgelegt, dass beide Sprachen maximal aktiviert sind (vgl. Cantone 2007: 55f.; Kutas et al. 2009: 297f.). Volle Aktivierung beider Sprachen und soziolinguistischer Rahmen, in denen CS-Ver-halten zugelassen ist, schieben ein Individuum und seine beiden Sprachen (hier als ein System verstanden) zu einem Zustand, der in Physik als kritischer Punkt be-zeichnet wird und zugleich dem Phasenübergang sehr nahe liegt. Das impliziert eine große Instabilität des Systems. Die zentrale Idee beruht darauf, dass ein Sys-tem sich durch die ständige Interaktion mit der Außenwelt und interne Reorgani-sation zu einem kritischen Punkt entwickelt, an dem die kleinste Änderung ein unvorhersehbar Resultat haben kann. Im Zusammenhang damit, heißt es für uns,

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dass die soziolinguistischen Faktoren die Außenwelt, die psycholinguistischen da-gegen die interne Reorganisation darstellen, was gleichbedeutend mit der maxi-malen Aktivierung der beiden Sprachen ist. Dies sagt zugleich aus, dass sich das sprachliche System (L1 + L2) immer in dem kritischen Punkt befi nde, was ferner hieße, ein minimaler sprachlicher Reiz verursache den Übergang von Phase 1 (Sprechen in L1) zu Phase 2 (Sprechen in L2). Die Kernaussage dieser Theorie ist, dass der Sprachenwechsel in einer bilingualen Kommunikationssituation nie vor-aussehbar ist und auf allen sprachlichen Ebenen, im beliebigen Moment vorkom-men kann (vgl. de Bot et al. 2009: 85–88). Diese Tatsache können sehr unter-schiedliche, oben präsentierte CS-Arten bestätigen, wie z.B. in Bezug auf die von Autor untersuchte Gruppe alternation, insertion und intra-word CS, die auch nicht selten alle in einer Äußerung oder sogar einem Satz auftreten.

(1) Alternation (Alternanz)Klient mówi, że on ten kredyt bei uns weiterlaufen lässt.(Der Kunde sagt, dass er den Kredit bei uns weiterlaufen lässt)In diesem Fall ist es deutlich, dass der Satz in einer A-B Konfi guration vor-

kommt. Die Ursache des Wechsels zum Deutschen ist hier wahrscheinlich das formalähnliche Wort im Polnischen, nämlich kredyt vs. dt. der Kredit, das als Auslösewort (trigger word) fungieren kann. Bemerkenswert ist noch die Tatsa-che, dass der subordinierende Satz auf Polnisch durch die Subjunktion że einge-führt wurde, hat nach dem Switch dennoch die syntaktischen Merkmale des Deutschen aufbewahrt, indem er die Satzstellung eines Nebensatzes eingenom-men hat.

(2) Insertion (Einschiebung/Einbettung)Mam (a) Filiale dran, ma być (b) Folgevertrag i klient się pyta, kto mu może

konto (c) aktivieren.(Ich habe die Filiale dran, es soll hier der Folgevertrag sein und der Kunde

fragt, wer ihm das Konto aktivieren kann)Dieses Beispiel zeigt, dass im Zuge eines polnischen Satzes sogar drei deut-

sche Bestandteile eingebettet wurden. Die Elemente (a) und (c) zeigen auch die formale Kongruenz mit den ihnen entsprechenden Elementen im Polnischen, d. h. die Filiale vs. fi lia und aktivieren vs. aktywować, was als der Grund für die alter-native Sprachverwendung zu verzeichnen ist. Es ist auch ersichtlich, dass das Le-xem Filiale ein weiteres Element in der deutschen Sprache hinter sich gezogen hat. Jedoch gleich danach kommt die Satzgrenze (durch Komma gekennzeichnet) und die Rückkehr zum Polnischen. Fast sofort nach der Rückkehr zur polnischen Sprache wird wieder eine deutsche lexikalische Einheit eingeschoben, die als Fachausdruck zu bezeichnen ist. Dies ist auch die Ursache, warum der Sprecher den Kode wieder gewechselt hat. Ihm ist eine polnische Entsprechung nicht be-kannt, weil ihm die Fachausdrücke nur in der deutschen Sprache von Anfang an beigebracht wurden, wobei er vorher mit den polnischen Fachwörtern des Bank-wesens nie konfrontiert wurde.

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(3) Intra-word CS(a) … dlatego żadnych Verhandlungów nie robiliśmy.(… deswegen haben wir keine Verhandlungen geführt.)In diesem Fall sieht man auf den ersten Blick, dass der Sprecher nicht nur ein

deutsches lexikalisches Element ins Polnische eingebettet hat, sondern auch dieses Element dem polnischen Flexionsparadigma angepasst wurde, indem er die Plu-ralsuffi xe gewechselt hat.

(b) ...chyba premia jest niezabuchowana a ponadto Rückstand się nie zgadza.(…die Prämie ist wohl nicht verbucht und der Rückstand stimmt nicht über-

ein.)Dieses Beispiel für intra-word CS unterscheidet sich von dem vorherigen

insofern, dass hier sich der Inter-Word-Vorgang durch die Präfi gierung und Suffi -gierung seitens des Polnischen kennzeichnet, wobei der Wortstamm in der deut-schen Sprache beibehalten wurde. Von großer Relevanz ist in diesem Fall noch die Tatsache, dass die Verneinung nie- laut den polnischen Rechtschreibregeln zusam-men geschrieben wird. Deswegen hat man in diesem Fall mit zwei Präfi xen zu tun: nie- und -za- (Ausdruck des vollendeten Verbalaspekts im Polnischen) und die Endung des Partizips II -owana, die der IV. Konjugationsgruppe nach Tokarski zugehört, wobei bei der Flexion auch die Genuskategorie mitberücksichtigt wur-de, was sich durch die feminine Flexionsendung -na manifestiert (die Prämie vs. premia sind in beiden Sprachen feminin, wenngleich in diesem Kontext seman-tisch auseinandergehen und als falsche Freunde fungieren).

(4) Alternation + intra-word CS alternation

…jak chcemy Kontoauszug ohne Gebühren to wysyłamy automatycznie i nieverrechnuje się.

intra-word CSWenn wir Kontoauszug ohne Gebühren (verschicken) möchten, senden wir

automatisch und es wird nicht verrechnet.(5) Intra-word CS + insertion 2x intra-word CS

Nie rozumiem tego, są Gebühry verrechnowane za Kontoauszug ale nie ma

żadnego Vornotiz w koncie. insertion

insertionIch verstehe es nicht, die Gebühren für Kontoauszug sind verrechnet, aber

es gibt keine Vornotiz im Konto.

⎧ ⎪ ⎨ ⎪ ⎩⎧ ⎪ ⎨ ⎪ ⎩

⎧ ⎪ ⎨ ⎪ ⎩

⎧⎪⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎪⎩

⎧⎪⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎪⎩

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Die bereits präsentierten Beispiele untermauern die Annahme, dass der Wech-sel von einer Sprache zu einer anderen im Zuge der bilingualen Kommunikation tatsächlich schwer vorauszusehen ist und in verschiedenen Punkten des ganzen Gesprächs, Ausdrucks oder sogar Satzes zu Stande kommen kann. Hervorzuheben ist auch, dass die angeführten CS-Arten sich überlappen bzw. verschmelzen kön-nen. So geschieht es etwa im Satz (5), wo man mit doppeltem intra-word CS zu tun hat (Gebühry verrechnowane), was zugleich eine Verbalphrase bildet (Gebüh-ren verrechnen), die als Alternanz begriffen werden kann. Andererseits ein sepa-rates Intra-word-Element, kann auch als Einschiebung gelten, wie im Satz (3). Daraus geht deutlich hervor, dass man eigentlich über eine gut entwickelte Typo-logie dieser sprachlichen Erscheinung verfügt, man sollte aber zugleich auf sie nicht zu stark beharren und gewisse Variationen zulassen.

Die angeführten Bespiele stellen auch, mindestens teilweise, den Überblick dar, warum in der Sprechweise der untersuchten Gruppe CS auftritt:

1. Von großer Bedeutung ist die Tatsache, dass die Personen erst mit dem Be-ginn der Arbeit in dem Unternehmen in seriösen Kontakt mit dem Bankwesen ge-treten sind. Deswegen ist es anzunehmen, dass die Fachausdrücke ihnen auf Deutsch beigebracht wurden. Dies schildert das Beispiel (2b) – Folgevertrag. Im Zusam-menhang mit der Fachkompetenz ist zusätzlich zu erwähnen, dass die fachlichen Termini im Deutschen und Polnischen nicht immer völlig äquivalent sind, d.h. nicht den gleichen Prozess bzw. das gleiche Produkt bezeichnen z.B. Stundung, Prolon-gation, Folgevertrag vs. prolongata, releasing. Aus diesem Grund greifen die Mit-arbeiter nach den deutschen Termini, um sich gezielt und präzise auszudrücken. Dieser Eingriff trägt die für metaphorisches CS charakteristischen Züge, was auch aus der pragmatischen Perspektive gerechtfertigt ist. Einen weiteren Aspekt, in Bezug auf die Terminologie, bilden die trigger words (Auslösewörter). Es ist un-zweifelhaft, dass im Bereich des Bankwesens viele der Fachbegriffe internationa-lisiert wurden, wie z.B. der Kredit, der Saldo, das Konto, die Filiale vs. kredyt, saldo, konto, fi lia, die auch zu dem Prozess des Kodewechsels stark beitragen.

2. Einen anderen Aspekt bildet die Sprachökonomie (begriffen nach Zipf), indem der Sprecher mit dem kleinsten Aufwand, das maximale kommunikative Gelingen erzielen will. Man geht davon aus, dass dem Sprechenden meistens viel leichter das deutsche Wort zu verwenden ist, erstens deswegen, weil ihm der deut-sche Terminus beigebracht wurde (siehe oben) und zweitens, weil er die deutsch-sprachigen Begriffe tagtäglich benutzt.

3. Mit dem obigen Punkt ist eng die Tatsache verbunden, dass die bilingualen Personen auch einfach aus Faulheit die fremdsprachigen Wörter oder Ausdrücke in ihre Äußerungen einbetten, was nach dem permanenten CS-Verhalten zur Ge-wohnheit werden kann. Dies ist auch von anderen Forschern belegt, die Umfragen innerhalb der mehrsprachigen Gruppen durchgeführt haben (vgl. Leyew 1998: 213; Gardner-Chloros 2009a: 14f.).

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Resümierend kann man feststellen, dass je nach der recherchierten Kommu-nikationsgemeinschaft bzw. Sprachgruppe verschiedene Gründe des CS verschie-dene Rollen spielen, wodurch sie auch unterschiedlichen Rang einnehmen. Es ist jedoch unumstritten, dass die Mehrheit der bilingualen Personen den CS-Prozess mechanisch durchführt, während sie sich auch bewusst sind, dass solch eine Er-scheinung vorhanden ist.

4. CS als ein den Soziolekt prägender FaktorAll die bereits erwähnten Merkmale, Arten und Auftrittsmöglichkeiten des CS veranlassen uns zu Überlegungen, wie solch ein Kommunikationsmittel einzu-stufen und zu begreifen ist. Unanfechtbar ist die Behauptung, dass auf diese Art und Weise eine neue Sprachform entsteht, die in breit verstandenem Sinne eine sprachliche Varietät ausmacht, wobei man an dieser Stelle zwischen mehrspra-chigen und innersprachlichen Variationen unterscheiden muss (vgl. Kristol 1980: 95). Allgemein defi niert, stellt die (Sprach)Varietät eine situations-, schichten- oder gruppenspezifi sche Sprachverwendung sowie eine bestimmte kohärente Sprachform dar, die u.a. aus schichten- und gruppenspezifi schem Sprachverhal-ten und situativen Faktoren resultiert, wobei auch die außersprachlichen Kriterien variantendefi nierend eingesetzt werden sollen, was bedeutet, dass eine im sozi-alen Raum begründete Varietät einen Soziolekt konstituiert (vgl. Bußmann 1990; Lewandowski 1980). Soziolekt demgegenüber ist als eine Gruppensprache oder, konventioneller, ein für eine Gruppe von Individuen charakteristischer Gebrauch einer Sprache erläutert, wobei die Emphase auf den lexikalisch spezifi zierten Sprachbesitz gelegt wird, unter der Annahme, dass die Gruppenbildung nicht pri-mär geographisch bedingt ist (vgl. Lewandowski 1980). In Anlehnung daran ist es anzuführen, dass als Soziolekte die auf bestimmte Berufs-, Alters und andere sozialbedingten Gruppen beschränkten sprachlichen Subcodes zu bezeichnen sind (vgl. Conrad 1985). Quantitativ betrachtet, ist in der soziolinguistischen Fach-literatur große Anzahl der Soziolektdefi nitionen vorzufi nden. Die fundamentale Komponente bei den Begriffsklärungen scheint jedoch die Bezugnahme auf den für eine bestimmte Gruppe charakteristischen Gebrauch einer Sprache oder die Verwendung einer situationstypischen Sprachvarietät zu sein (vgl. Wörterbuch Linguistischer Terminologie: Stichwort: Soziolekt).

Angesichts der dargelegten Erläuterungen kann man die Frage aufwerfen, ob und inwieweit CS als ein sprachlicher Vorgang einen Soziolekt prägt?

Im Lichte des weit betrachteten Soziolekts als einer gruppen- bzw. situations-typischen Sprachform bzw. –varietät gilt es eine bejahende Antwort auszuspre-chen. Die auf dem CS basierende von Autor untersuchte Sprachvariante wird in-nerhalb einer Menschengruppe verwendet, die auch situationsgebunden ist. Man bedient sich der Sprachform in einem festgelegten sozialen Raum, d.h. am Arbeits-

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Codeswitching als ein den Soziolekt prägender Prozess 193

platz, was zugleich charakteristische soziolinguistische Bedingungen impliziert. Ferner ausschlaggebend ist auch die Tatsache, dass diese sprachliche Varietät über ein eigentümliches lexikalisches Inventar verfügt, welches eine zweisprachige Verschmelzung darstellt. Betrachtet man noch diese Spracherscheinung aus der grammatischen Perspektive, ist auch nicht zu verleugnen, es entstehe unter ver-schiedenen Einschränkungen seitens der grammatischen Systeme eine Art der ge-meinsamen, übergreifenden Grammatik, was schon mehrmals von den Wissen-schaftlern signalisiert wurde (vgl. Cantone 2007: 53–73).

Was die zweite Frage anbelangt, inwieweit CS einen Soziolekt prägt, muss man mit voller Überzeugung feststellen, dass diese Erscheinung als grundlegend und unabdingbar für die Entstehung einer mehrsprachigen Variante anzuerkennen ist. Ohne dieses Phänomen hätte man eher mit einer innersprachlichen Varietät zu tun. Es gibt aber keine Hindernisse, um die innersprachliche und mehrsprachige Variante als einen Soziolekt zu akzeptieren, wenn sie nur die für einen Soziolekt typischen Merkmale zeigt.

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194 Przemys³aw Staniewski

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AbstractsDas Ziel des vorliegenden Artikels war den Einfl ussgrad des Codeswitchings auf das Entstehen eines Soziolekts zu erörtern. In erster Linie hat man sich mit den psycho- und soziolinguistischen sowie mit den auf grammatischen Überlegungen aufbauenden Defi nitionen des Codeswitching-Phänomens auseinandergesetzt. Des Weiteren wurde der Codeswitching-Typologie Rechnung ge-tragen. Im anschließenden Abschnitt hat sich der Autor den Arten und potenziellen Gründen des Codeswitchings mit der Bezugnahme auf die untersuchte Gruppe der Bankangestellten zugewandt, was anhand angesammelter Beispiele untermauert wurde. Das letzte Kapitel hat zum Inhalt einen Antwortversuch auf die Frage, inwieweit Codeswitching für die Entwicklung eines Soziolekts aus-schlaggebend ist.

The aim of this paper is to ponder how the Codeswitching phenomenon can impact on shaping up a sociolect. For this purpose, the psycho-, sociolinguistic and grammar-based defi nitions of the Codeswitching phenomenon as well as its typology were presented. In the next part the author’s at-tention was paid to the kinds and probable reasons of code-switching that stem from the analysis of the example expressions brought out by the examined group of the bank employees. The latter part was an attempt to answer a question to what extent the code-switching phenomenon shapes the de-velopment of a sociolect.

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Kulturwissenschaft

Hans W. GiessenSaarbrücken

Überlegungen zu einer kontrastiven,interkulturellen Kommunikations-und Medienforschung

1. Kommunikations- und medienwissenschaftlicheVorbemerkungen

Es ist wesentlich komplexer, als von der Umgangssprache indiziert, den Medien-begriff zu fassen. Mitunter wird er ausgesprochen weit defi niert. Einige sprechen – wie Niklas Luhmann (1984) – von Sprache oder Geld als Medium. Andere – wie etwa Friedrich Kittler (1993) – lassen allein technisch geprägte Medienbegriffe gelten und betonen das Apparative. Auch wenn beide Beispiele Extrempositionen markieren, so zeigen die verschiedenen möglichen Defi nitionen des Medienbe-griffs doch jeweils ein eigenes und oft sehr unterschiedliches Bild der Kommuni-kations- und Medienwissenschaft. In der Folge hat beispielsweise Hartmut Wink-ler (2008) eine umfassende Defi nition des Medienbegriffs versucht, die höchst komplex ist und verschiedene zentrale, einander überlagernde Bedeutungs-Ach-sen für unterschiedliche Lesarten von Medien umfasst, so dass schließlich vielfäl-tige Medienbegriffe aufscheinen. Dazu kommen Defi nitionen, die von Einfl üssen angrenzender Disziplinen geprägt sind.

Nicht nur die Defi nition des Gegenstands ist schwierig; möglicherweise noch problematischer sind methodische Differenzen. Tatsächlich deuten die unter-schiedlichen Defi nitionen unterschiedliche Wissenschaftstraditionen und Heran-gehensweisen an. So hat sich die Medienwissenschaft in Deutschland aus qualita-tiv orientierten Ansätzen der Geisteswissenschaften, etwa der Germanistik, herausentwickelt. Die französische Beschäftigung mit Medien wird vor allem von einem durch die Sozialphilosophie, Semiologie und Diskursanalyse beeinfl ussten kritischen Verständnis der Informations- und Kommunikationswissenschaft ge-prägt. Die Kommunikationswissenschaft arbeitet hingegen vor allem mit quanti-

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tativen Methoden. Dahinter steht die Frage, was die Ziele, Aufgaben, Gegenstände und erkenntnisleitenden Interessen seien.

Man kann sogar von einer sicher nicht durchgängigen, aber in der Tendenz durchaus beobachtbaren Differenzierung der gewählten Themen sprechen. Wäh-rend sich die Kommunikationswissenschaft mit journalistischen Aspekten der Me-dien, mit Nachrichtenproduktion und politischer Berichterstattung befasste, hat sich die Medienwissenschaft von Anfang an stärker auf fi ktionale Formen konzen-triert – etwa auf das Fernsehspiel. Mit der Etablierung des Fernsehens als Massen-medium in den 1970er Jahren, der systemischen Vernetzung der Medien und einer Ausweitung der AV-Produktion schien die Zeit reif für eine eigenständige medien-wissenschaftliche Disziplin, die sich im Verlauf der 1980er Jahre an den deutschen Universitäten zu konstituieren begann. In dem 1988 von Bohn, Müller und Rup-pert herausgegebenen, richtungsweisenden Band Ansichten einer künftigen Medi-enwissenschaft hat Knut Hickethier zentrale Forschungsfelder benannt: Das Inter-esse richtet sich auf die „Besonderheit der Medien“, auf die „Mediengeschichte“ und die „Programmforschung“. Dabei geht es darum, sowohl technische als auch organisatorische und ästhetische Dimensionen der Medien beziehungsweise des Fernsehens zu berücksichtigen.

Bei den neueren, integrativen medienwissenschaftlichen Ansätzen steht daher nicht mehr allein das Werk, also das von den Medien Übermittelte im Fokus des Interesses, sondern häufi g der Prozess der medialen Übermittlung selbst. Das Fernsehen etwa wird nicht ausschließlich als Ort begriffen, der eben Medienpro-dukte distribuiert und das von einem Publikum konsumiert wird, sondern als tech-nisches, organisatorisches und ästhetisches Dispositiv zur Übermittlung. Eine fi lm- und fernsehwissenschaftliche Analyse konzentriert sich daher in der Regel nicht mehr allein auf die Analyse eines einzelnen Produkts, sondern nimmt zusätz-lich Fragen des medialen Zusammenhangs auf, befasst sich also auch mit den Faktoren, die seine mediale Übermittlung prägen, auch mit seine Wirkungen, ob beabsichtigt oder nicht.

Es geht also um die Analyse von Programmzusammenhängen, von Inszenie-rungsstrategien und von Wirkungsweisen. Heutige Kommunikations- und Medi-enforschung muss also transdisziplinär sein. Dass die Transdisziplinarität eine Chance ist bzw. sein kann, soll im Folgenden am Beispiel der Interkulturalitätsfor-schung deutlich werden.

2. InterkulturalitätsforschungZunächst soll auf die Interkulturalitätsforschung von Autoren wie Hofstede, Hall, Trompenaars und andere verwiesen werden. Dabei wird stets betont, dass die Kul-tur nicht das alleinige, möglicherweise noch nicht einmal das entscheidende Kri-terium menschlichen Verhaltens sein muss. Natürlich sind individuelle Faktoren

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mindestens ebenso wichtig, etwa Charaktereigenschaften, persönliche Anlagen oder auch aktuelle Stimmungen. Zudem gibt es anthropologische Konstanten, etwa das Bedürfnis nach Nähe. Dennoch ist menschliches Verhalten nicht nur indi-viduell oder von allgemeinen Bedürfnissen geprägt. Natürlich hängt menschliches Verhalten, hängen auch Einstellungen insbesondere von der kulturellen Herkunft ab. Da andere individuelle wie gruppenspezifi sche Prägungen mindestens ebenso wichtig sind, bedeutet dies nicht, dass alle Individuen eines Kulturraums jeweils gleich reagieren. Als „übergreifende Tendenzen“ lassen sich Kulturen bei der Analyse menschlichen Verhaltens aber isolieren und beschreiben.

Manche dieser Prägungen sind sehr oberfl ächlicher Natur. Hofstede nennt sie die „Symbole“ eines Kulturraums – darunter fallen beispielsweise Flaggen, Wahrzeichen und anderes. Andere Prägungen erfordern ein größeres Kulturwis-sen. Dazu zählen beispielsweise Sport-, Musik- oder Filmstars oder auch Figu-ren aus der Werbung; Hofstede nennt sie die „Helden“ eines Kulturraums. Des Weiteren gibt es auch Einstellungen und konventionalisierte Verhaltensmuster, die in bestimmten Situationen zumeist unbewusst ablaufen – Hofstede nennt sie die „Rituale“ eines Kulturraums. Sie sind „für das Erreichen der angestrebten Ziele eigentlich überfl üssig [und] werden daher um ihrer selbst willen ausgeübt“ (Hofstede 1993: 23). Darunter fallen beispielsweise Begrüßungsrituale oder auch religiöse Zeremonien. Schließlich – und am tiefsten reichend, den „Kern“ der Kultur darstellend – prägen „Werte“ die Mitglieder eines Kulturraums. Die „Werte“ bestimmen, was wir als „gut“ oder „böse“ bewerten, was uns „schön“ oder „hässlich“ erscheint, was „normal“ oder „anormal“ wirkt. „Werte“ werden im Prozess der Sozialisierung angeeignet, ohne dass dies bewusst erfolgt. Hof-stede schreibt, dass eine Wertvorstellung bedeutet, „bestimmte Umstände ande-ren vorzuziehen“ (1993: 23). „Werte“ sind der Hauptbestandteil der Lebensori-entierung einer Gemeinschaft, was nicht heißt, dass immer an ihnen festgehalten werden muss.

In einer gewissen Nähe zu Hofstede stellt Fons Trompenaars die Funktion von Kultur als Orientierungssystem für menschliches Handeln in den Vordergrund: „the essence of culture is [...] the shared ways groups of people understand and interpret the world“ (1993: 3). Daher bestimme Kultur, wie Menschen mit Proble-men umgehen: „culture is the way in which a group of people solves problems“ (1993: 6). Und Edward T. Hall beschreibt, parallel dazu, Kultur als „program for behavior“ (1990: xiv).

Zudem gibt es verschiedene Übergänge. So ist die Farbe „Grün“ in islamisch geprägten Kulturräumen die Farbe des Koran, hat also eine „symbolische“ Funk-tion. Aber es ist (deshalb) undenkbar, dass die Farbe „Grün“ beispielsweise in der Werbung auf eine Art wie in Westeuropa benutzt wird; etwa, um „Frische“ oder „Naturnähe“ zum Ausdruck zu bringen. Die symbolische Wirkung reicht bei die-sem Beispiel so tief, dass sie auch entscheidet, was als „schön“, als „gut“ und „richtig“ empfunden wird.

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Charakteristischerweise werden kulturelle Gemeinsamkeiten beziehungswei-se die Existenz kultureller Charakteristika erst deutlich, wenn kulturelle Verhal-tensweisen, Produkte, Reaktionen usw. miteinander verglichen werden. Man kann über Interkulturalität kaum sprechen, wenn man nicht einen kulturvergleichenden Blick entwickelt, der das Besondere einer Kultur überhaupt wahrzunehmen ge-lernt hat.

Gerade durch die Medien kommt es inzwischen weltweit immer häufi ger dazu, dass mediale Produkte unterschiedlicher Kulturen aufeinandertreffen. Aber: Wären Analysen allein schon deshalb als kommunikations- oder medienwissen-schaftlich zu bezeichnen, weil beispielsweise ein mediales Produkt ihr Anlass ist? Wie könnten hier genuin interkulturelle Forschungsfragen aussehen?

3. Exempla interkulturellorientierter kommunikations- beziehungsweisemedienwissenschaftlicher Forschung

Der Wert interkultureller Fragestellungen für die Kommunikations- und Medien-wissenschaft kann an verschiedenen Beispielen verdeutlicht werden. Eins der we-nigen Beispiele aus bereits existenter interkultureller Fernsehforschung betrifft den Fernsehkrimi (Buonanno 2005). Auf der einen Seite hat man festgestellt, dass und wie stark sich das Genre bereits in den benachbarten großen Fernsehmärk-ten Europas unterscheidet, wie unterschiedlich also Machart, Personen- aber vor allem auch Kontextcharakterisierungen und selbst vermittelte Werte etwa im deu-tschen Sprachraum, also inklusive Österreich und der deutschsprachigen Schweiz, im frankophonen Bereich, also vor allem Frankreich und Wallonien, in Großbri-tannien oder in Italien sind. Gleichzeitig haben kommunikations- beziehungswe-ise medienwissenschaftliche Untersuchungen sendungsgenretypischer Konzepte festgestellt, dass es in allen dieser genannten Länder zu Gemeinsamkeiten kommt, die sie von amerikanischen Produktionen deutlich unterscheidet. Sowohl Navarro in Frankreich als auch Derrick in Deutschland sind als Titelhelden eben keine Helden im amerikanischen Sinn, sondern ältere, melancholische Figuren, die ke-ineswegs davon ausgehen, dass „alles gut wird“, und die trotzdem immer wieder daran arbeiten, die Ungerechtigkeiten der Welt einer ausgleichenden Gerechtig-keit zuzuführen. In Deutschland gibt es sogar eine Serie, die diese Charakterisie-rung – wenn auch verkürzt und mehrdeutig – im Titel trägt: Der Alte. Tatsächlich konnte festgestellt werden, dass der Alte, ähnlich wie Derrick, die schemagleiche Nachfolgeserie zur Serie Der Kommissar ist, die wiederum die deutsche Adaption einer britischen Serie namens Maigret darstellte, die ihrerseits Romane des fran-zösisch-belgischen Schriftstellers George Simenon für das Fernsehen bearbeitet hatte. Wir können also kommunikations- beziehungsweise medienwissenschaft-

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lich einen spezifi sch europäischen Kulturraum – im Gegensatz zum amerikanis-chen – erkennen, der sich durch besondere Strategien der Personencharakterisie-rung oder der Nutzung von „Settings“ als dramaturgische Elemente auszeichnet. Europa fällt mithin „nur“ auf der Ebene der „Symbole“, „Helden“ und „Rituale“ auseinander, nicht jedoch auf der Ebene der „Werte“.

Ein zweites, ganz anderes Beispiel für interkulturell ausgerichtete kommuni-kations- beziehungsweise medienwissenschaftliche Forschung betrifft die Fuß-ball-Europameisterschaft 2004 in Portugal: Hier gab es anlässlich der Fernseh-übertragungen eine erregte Debatte darüber, dass die Zeitlupe vom verantwortlichen portugiesischen Fernsehen häufi g sehr unvermittelt eingesetzt wurde. Heribert Fassbender, damals Chef des ARD-Teams, beklagte, dass Zeitlupen von Szenen rein gezeigt würden, die zehn, zwölf Minuten zurückliegen. Er meinte, dass dies den deutschen Zuschauer und auch (vor allem?) ihn als Reporter überfordere. Be-merkenswerterweise wurde dies in der Forschung bislang noch nicht aufgegriffen. Man kann nun über sie unterschiedlichen Sehgewohnheiten in verschiedenen Län-dern forschen und beispielsweise fragen, warum unterschiedliche Formen von Zeitlupendramaturgien für die jeweiligen Sehgewohnheiten so wichtig geworden sind – eine Forschungsarbeit, die sicherlich ein völlig neues Licht auch auf die eigene Fernsehkultur zu werfen in der Lage ist.

4. Begründung, Grenzen

Diese Beispiele sollen die über den Einzelfall hinausgehenden Möglichkeiten für interkulturell orientierte kommunikations- beziehungsweise medienwissenschaft-liche Forschung andeuten – aber mit Beispielen allein lässt sich die grundsätzliche Frage nach dem Sinn und den Möglichkeiten, die eine interkulturelle Perspektive für die Kommunikations- beziehungsweise Medienwissenschaft haben könnte, natürlich noch nicht begründen. Deshalb sollen kurz einige diesbezügliche Hin-weise dargestellt werden.

Medienkulturen sind keine einheitlichen Mediensysteme. Sie existieren eben-so wenig unabhängig von anderen Medien wie von der jeweiligen nationalen Kul-tur, in die sie eingebettet sind. Eine interkulturelle Perspektive kann nun aber ge-rade die nationale Bedingtheit von Medienkulturen zu Bewusstsein bringen. Da Mediensysteme immer am Schnittpunkt von Technik, Gesellschaft und kultureller Tradition entstehen, übermitteln sie nicht einfach „nur“ Medieninhalte, sondern zugleich Wertsysteme, Maßstäbe zur Beurteilung von Realität, die gesellschaftli-che und kulturelle Denkweisen beeinfl ussen. Insofern hängen komparatistische, interkulturelle und kommunikations- beziehungsweise medienwissenschaftliche Fragestellungen miteinander zusammen.

Dennoch sind kommunikations- beziehungsweise medienwissenschaftliche Fragestellungen nicht beliebig. Nicht jedes interkulturelle Thema ist gleichzeitig

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ein kommunikations- beziehungsweise medienwissenschaftliches Thema, nur weil das Fernsehen dabei eine Rolle spielt. Auch diese Aussage soll an einem Beispiel illustriert werden.

Der deutsche Schriftsteller Peter Handke und der Filmemacher Wim Wenders haben gemeinsam das Konzept und das Buch für den Film „Der Himmel über Berlin“ entwickelt, den Wenders dann 1987 gedreht hat. Im titelgebenden „Him-mel über Berlin“ gibt es Engel, insbesondere Damiel, gespielt von Bruno Ganz, und Cassiel, gespielt von Otto Sander. Allerdings zeigt der Film die Engel nicht als Repräsentanten einer wie auch immer gearteten Theologie, sondern als Zeugen der Gegenwart, inspiriert von Walter Benjamins „Engel der Geschichte“ (Mosès 1992). Wenn Damiel leidet, dann eben auch deshalb, weil er ein „Angelus novus“, wie ihn Benjamin – positiv gemeint – bezeichnet, ist, und kein „Homo faber“. Wie ein Filmemacher ist auch ein Engel nur ein Beobachter, der zwar umfassendere Beobachtungen machen kann, als dies einem Menschen je möglich wäre, der aber nie eingreifen kann, immer distanziert zum menschlichen Leben steht. Die Distanz wird sogar durch das jeweils benutzte Filmmaterial zum Ausdruck gebracht. Im Status des Engels erscheint die Welt in kontrastreichem Schwarz-Weiß. Damiel wird dann zum Menschen, inspiriert übrigens durch einen anderen gefallenen En-gel, gespielt von Peter Falk, der ihm von der konkreten Kraft der Realität vor-schwärmt. Mit der Menschwerdung wird die Welt dann in der Tat bunt; die ent-sprechenden Passagen sind als Farbfi lm gedreht.

Etwas über ein Jahrzehnt später, 1998, wurde die Geschichte in Hollywood verfi lmt. Im Filmabspann werden Wenders und Handke als Hauptautoren genannt, aber dies hat wohl überwiegend juristische Gründe, dazu gibt es eine amerikani-sche Autorin, Dana Stevens, die die Idee von Handke und Wenders aufgegriffen, dann aber sehr verändert hat. Der Film ist gänzlich in leuchtenden Farben gehal-ten. Hier sind die Engel Sendboten Gottes und begleiten Sterbende in den Himmel. Die Metanarration basiert eindeutig und sehr konkret auf der christlichen Theolo-gie. Nicolas Cage spielt die Hauptrolle, im Film heißt er Seth, aber sein Freund heißt, wie der Freund des Berliner Damiel, Cassiel. Seth verliebt sich in einer Ärztin, als er einen Sterbenden abholen will; und will seiner Liebe wegen zum Menschen werden; der Hollywoodfi lm ist eine klassische Liebesgeschichte.

Interkultureller Analyse und Medienwissenschaft können nun beide Filme als Untersuchungsgegenstand nehmen. Die Analyse selbst hätte in beiden Disziplinen aber jeweils unterschiedliche Schwerpunkte und Fragestellungen, anhand der wei-tergehenden Fragestellungen beider Wissenschaftsdisziplinen werden die Unter-schiede zwischen einer interkulturellen Untersuchung einerseits und einer fi lm- und fernsehwissenschaftlichen Analyse andererseits deutlich: Im Rahmen der Interkulturalitätsforschung können die nationalen Klischees und Charakteristika zum Gegenstand der Forschung werden; es könnte um die Art gehen, wie Engel und damit Weltbilder in unterschiedlichen Kulturen charakterisiert werden, wel-che Vorstellung einer transzendenten Sphäre jeweils ausgedrückt wird, und was

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dies für die religiösen Prägungen und die in den jeweiligen Gesellschaften domi-nanten Wertesysteme aussagt. Ist es beispielsweise in Amerika nicht möglich, En-gel anders als in eine christlich-theologische Metanarration eingebaut zu präsen-tieren? Umgekehrt: Der Mythos des/der Engel entstammt ja der Theologie – warum konstruiert Wenders dann seinen Engel-Mythos so explizit ohne jede theologische Andeutung – und was sagt das als semiotische Information über Wenders, seine Sozialisation, mithin seine Herkunftskultur, oder auch sein unterstelltes Zielpubli-kum? Dies wären Fragestellungen für interkulturelle Analysen. Für den Kommu-nikations- beziehungsweise Medienwissenschaft wäre dagegen die Umsetzung von Wertevorstellungen in Filmbilder das entscheidende: etwa die Tatsache, dass der Hollywoodfi lm mit sehr intensiven Farben arbeitet, um Überirdisches auszu-drücken, während der deutsche Film gerade die transzendente Sphäre in schwarz-weiß zeigt. Es ginge also um die Mechanismen, wie transzendentes in unterschied-lichen Kulturräumen mediatisiert wird. Eine kommunikations- beziehungsweise medienwissenschaftliche Herangehensweise würde auf jeden Fall die Medialität in den Vordergrund stellen und damit andere, ebenso interessante und nicht un-wichtigere Erkenntnisse generieren als die interkulturelle Forschung.

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AbstractsDer Beitrag diskutiert Überlegungen zu einer kontrastiven, interkulturellen Kommunikations- und Medienforschung. Interkulturelle Themen werden in einer globalisierten Welt immer wichtiger; Vor-reiter der Globalisierung sind (auch) die Medien. Die Medien- und Kommunikationswissenschaften

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sollten sich mithin verstärkt interkulturellen Themen als virulenten Forschungsfeldern zuwenden. Der Beitrag will Vorschläge vorstellen und zudem klären, was in diesem Kontext die Spezifi ka so-wohl genuin kommunikations- als auch medienwissenschaftlicher Forschungsfragen sein können.

My contribution aims to discuss aspects of comparative, interculturally focussed communication and media sciences. It is evident that the aspect of interculturality becomes increasingly important in our globalised world. The precursor are the media. Thus communication and media sciences ought to focus on intercultural topics as virulent areas of research. My contribution aims to give exemplar for such kinds of research and especially discusses the specifi c features of communication and media sciences, respectively.

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Tanja ŽigonLjubljana

Kulturelle Wechselwirkungen:Die slowenische Kultur und Literaturin einem deutschsprachigen Wochenblatt aus Krainin den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts

Dynamische Prozesse zwischen wenigstens zwei verschiedenen Kulturen, ihre Erforschung und die Erkundung der kulturellen Transfers (Mitterbauer 2009: 28) schließt die Vielseitigkeit der kulturellen Wechselbeziehungen ein. Die intra- und interkulturellen Austauschprozesse, die sich innerhalb einer Gesellschaft abspie-len und durch welche kulturelle Brücken geschlagen werden, sind zweifelsohne auch in den Zeitungen und Zeitschriften vorhanden, die man als Orte kultureller Produktion im weitesten Sinne auffassen und verstehen kann. Dementsprechend haben die deutschsprachigen Periodika, die in den slowenischen Gebieten der Do-naumonarchie vom Beginn des 18. bis in das 20. Jahrhundert hinein erschienen sind (vgl. Žigon 2004; Žigon 2005), weitgehend das kulturelle, politische und wirtschaftliche Leben geprägt. Im Weiteren wird der Frage nachgegangen, inwie-weit sich in dem in Ljubljana (Laibach) wöchentlich herausgegebenen Laibacher Wochenblatt zum Nutzen und Vergnügen die kulturellen Wechselbeziehungen widerspiegeln und inwieweit die slowenische Kultur und Literatur in diesem deutschsprachigen Wochenblatt aus Krain vertreten sind.

1. Die „Laibacher Zeitung“und ihre wöchentliche Unterhaltungsbeilage

In den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts sind in Ljubljana zwölf Jahr-gänge des „Laibacher Wochenblattes zum Nutzen und Vergnügen“, einer litera-rischen Unterhaltungsbeilage der „Laibacher Zeitung“, erschienen. Diese gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen journalistischen Publikationen in Krain.

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Ihre Erfolgsgeschichte beginnt im Jahre 1782, als der Drucker und Verleger Ignaz Alois Kleinmayr (1745–1802) ohne größere Schwierigkeiten aus Wien die Er-laubnis zur Gründung einer neuen Druckerei in der Stadt einholen und bereits im Frühling desselben Jahres mit der Arbeit beginnen konnte. Ende des Jahres wurde dem Verleger, der seit 1770 in Klagenfurt ein „Wöchentliches Intelligenzblatt“, die spätere „Klagenfurter Zeitung“, mit der Beilage „Wöchentlicher Auszug von Zeitungen“ herausgab, auch das Recht auf die Herausgabe einer Zeitung in Ljubl-jana erteilt. Am 1. Januar 1783 kam unter die Leser somit die erste Nummer des „Wöchentlichen Auszugs von Zeitungen“. Die Zeitung änderte bereits ein Jahr darauf ihren Namen und wurde zur „Laibacher Zeitung“.

In den ersten Jahrzehnten ihres Erscheinens kamen bei anderen Druckern in Ljubljana konkurrierende Ausgaben zur Kleinmayrschen „Laibacher Zeitung“ heraus: die „Merkische Laibacher Zeitung“, „Degotardische Laibacher Zeitung“ und „Leopold Egerische Laibacher Zeitung“. Ob die Verleger zu wenig Phantasie besaßen, ihr Ziel lediglich war Kleinmayr auf dem Zeitungsmarkt Schwierigkeiten zu machen, oder ob es andere Gründe gab, warum auch sie ihre Blätter „Laibacher Zeitung“ betitelten, lässt sich heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Es steht allerdings fest, dass die Verleger überwiegend alleine für die Redaktion sorgten und dass sich die Inhalte dieser Zeitungen, die wohl aus Konkurrenzgründen an verschiedenen Wochentagen erschienen sind, meistens aufs Haar ähnelten.

Die erste und zugleich die einzige slowenische Zeitung, die sog. „Lublanske novize“ („Laibacher Neuigkeiten“), die Anfang des Jahres 1797 vom slowenischen Lyriker und Aufklärer Valentin Vodnik (1758–1819) ins Leben gerufen und redi-giert wurde, konnte sich im Gegensatz zur „Laibacher Zeitung“ nur gute drei Jah-re auf dem Markt halten und ging 1800 hauptsächlich wegen der mangelnden Abonnentenzahlen wieder ein (Vatovec 1961: 58–60). Danach durfte der patrio-tisch gesinnte Johann Bleiweis (1808–1881), auch „Vater der slowenischen Nation genannt“, erst ab 1843 seine „Kmetijske in rokodelske novice“ („Krainische Land-wirtschaftszeitung“) herausgeben (vgl. Miladinović Zalaznik 2000).

Neben der Kleinmayrschen „Laibacher Zeitung“ kam die seit 1800 in Ljubl-jana gedruckte „Leopold Egerische Laibacher Zeitung“ (vgl. Žigon 2004: 221) am besten mit den schwierigen politischen Umständen in der Zeit der napoleonischen Kriege zurecht, sie überwand erfolgreich wirtschaftliche und fi nanzielle Krisen und trotzte dem Konkurrenzkampf der Laibacher Drucker. Anfang des 19. Jahr-hunderts ist bei der Kleinmayrschen „Laibacher Zeitung“ und der „Egerischen Laibacher Zeitung“ eine Analogie festzustellen: Beide Blätter konnten sich mit einer Beilage rühmen, die sich zur Aufgabe machte, ihre Leser im aufklärerischen Geist zu bilden und zu unterhalten. Während bei Kleinmayr seit 1804 das „Laiba-cher Wochenblatt zum Nutzen und Vergnügen“ aus der Presse kam, gab Eger sei-ne eigene Beilage („Anhang der Laibacher Zeitung“) heraus, die vermutlich nur im Jahr 1807 erschienen ist. Im Juli des gleichen Jahres war nun auch die Zeit der Konkurrenzausgaben vorbei. Leopold Eger und Ignaz Alois Kleinmayr schlossen

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sich zusammen und gaben die „Vereinigte Edel von Kleinmayr’sche und Leopold Eger’sche Laibacher Zeitung“ heraus. Als Napoleon Bonaparte (1769–1821) in den Gebieten mit vorwiegend slowenischer und kroatischer Bevölkerung die Illy-rischen Provinzen (1809–1813) gründete und für eine eigene Berichterstattung sorgte, wurde 1810 die Herausgabe der „Vereinigten Edel von Kleinmayr’schen und Leopold Eger’schen Laibacher Zeitung“ jedoch eingestellt (vgl. Žigon 2004: 224ff.). Erst im Oktober 1813 konnte sie wieder ins Leben gerufen werden. Sieben Jahre danach bekam die offi zielle Zeitung in Ljubljana den Namen, den sie bis zu ihrer letzten Nummer im Jahre 1918 behielt: Sie wurde zur „Laibacher Zeitung“.

2. Georg Stadelmanns Zeitschrift„zum Nutzen und Vergnügen“

Im Jahre 1804 siedelte der in Bregenz am Bodensee geborene Georg Stadelmann (1780–1807) nach Ljubljana über und wurde zum Pächter der Kleinmayrschen Buchhandlung und Buchdruckerei (Wurzbach 1878: 321). Vor seiner Zeit in Ljubljana war Stadelmann an der k.u.k. Lyzeumsbibliothek in Graz als Praktikant angestellt und besorgte gleichzeitig auch die Redaktion der wöchentlichen Beilage des allgemeinen Zeitungsblattes für Innerösterreich, die unter seiner Leitung ei-nen sichtlichen Aufschwung erlebte (Wurzbach 1878: 321). Die dort gewonnenen redaktionellen Erfahrungen setzte der junge Stadelmann in Ljubljana gut ein. Am 28. Februar 1804 informierte er in einer kurzen Nachricht, betitelt Der Verleger der Edel von Kleinmayr’schen Laibacher Zeitung an das Publikum, die auf einem Flugblatt der „Laibacher Zeitung“ beigelegt wurde, sein Publikum darüber, dass demnächst eine neue Beilage der Zeitung erscheinen werde.

Am 1. März 1804 kam als „Zugabe zur Kleinmayrschen Laibacher Zeitung“ (LW 1804, Nr. 1: unpag.) die erste Nummer des „Laibacher Wochenblattes zum Nutzen und Vergnügen“ unter seine Leser, ein Blatt, das sich von allen anderen bis dato in Ljubljana erscheinenden Zeitungen unterschied. Es enthielt keine poli-tischen Nachrichten, sondern beschäftigte sich mit geographischen und historisch-topographischen Themen sowie mit Volkskunde. Weiterhin wurden hier kurze biographische Skizzen berühmter Krainer und gelegentlich auch Theaterkritiken, Buchrezensionen und verschiedene Artikel über Wirtschaft, Medizin, Erfi ndungen oder Mode veröffentlicht.

Georg Stadelmann war ein hoch gebildeter Mann. Er studierte in Konstanz, Innsbruck und Graz. Allerdings sind lediglich die Orte seines Studiums, nicht aber dessen Inhalte, überliefert. Leidenschaftlich sammelte er Inkunabeln und bemühte sich, eine Liste der wertvollsten alten Drucke aus Krain zu erstellen (Logar 1960–1971: 434), was nicht nur von seinen hervorragenden literarischen, sondern auch umfassenden antiquarischen und wissenschaftlichen Kenntnissen im Allgemeinen

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zeugt. Ferner war Stadelmann, obwohl seiner Geburt nach ein Deutscher, dem Land Krain und seinen Bewohnern gegenüber äußerst freundlich gesinnt. Sein deutsches Nationalbewusstsein, das er im „Laibacher Wochenblatt“ nicht leugne-te, wurde nie ausfallend oder gar aggressiv. So nahm er beispielsweise ganz ne-benbei in der 15. Nummer des ersten Jahrgangs Stellung zu den Behauptungen des „Journal de Paris“, die französische Sprache würde sich auch in Deutschland im-mer mehr zu einer Universalsprache erheben (LW 1805, Nr. 15: unpag.). Sowohl hier als auch an anderen Stellen im „Laibacher Wochenblatt“ verteidigte Stadel-mann nicht nur die Position seiner Muttersprache, sondern er identifi zierte sich auch unbestreitbar mit dem Deutschtum (LW 1806, Nr. 33–34: unpag.). Demzu-folge gestand er offen seine Antipathie gegen die große bürgerliche Revolution in Frankreich, jedoch äußerte er sich nie beleidigend in Bezug auf Napoleon.

Die Weichen für die redaktionelle Politik des „Laibacher Wochenblattes“ stellte Stadelmann bereits in der zweiten Nummer des ersten Jahrgangs. Er fasste die Aufgaben seines gerade ins Leben gerufenen Presseorgans zusammen und un-terstrich dabei vor allem die Notwendigkeit, das Wissenswerte aus der Landesver-gangenheit und die Biographien der verdienstvollen Krainer zu veröffentlichen:

Daß die Vaterlandsgeschichte einer der würdigsten Gegenstände für ein periodisches Blatt seye, welches dem Nutzen und Vergnügen bestimmt, bedarf, wie es scheint, keines Beweises; ich glaube mir daher jede Entschuldigung erlassen zu dürfen, wenn ich es wage, von Zeit zu Zeit kurze Skizzen merkwürdiger Ereignisse, interessante historische Züge aus den thaten-reichen Jahrbüchern unseres Vaterlandes auszuheben und in diesen Blättern den Liebhabern wahrer Kunden der Vorwelt in die Erinnerung zurückzurufen. Zwar ist auch hier weder Raum noch Zeit, aller merkwürdigen Begebenheiten der Provinzialgeschichte auch nur fl üchtig zu berühren, aber Biographien verdienstvollen Männer dürfen noch der fragmentarischen Fortset-zung dieses Artikels am besten entsprechen (LW 1804, Nr. 2: unpag.).

Anschließend wurde die Biographie des berühmten Helden aus Krain, Her-bart VIII. von Auersperg (1528–1575), der im Kampf gegen Türken getötet und enthauptet wurde, abgedruckt. Als Verfasser zeichnete der junge Theologiestudent Johann Anton Suppantschitsch (1785–1833), den Stadelmann bald nach seiner Ankunft in Ljubljana eingeladen hatte, beim „Laibacher Wochenblatt“ mitzuwir-ken. Allem Anschein nach war Stadelmann sehr gut über die kulturellen Zustände in den damaligen slowenischen Gebieten wie auch über die prosperierenden Ta-lente unterrichtet. Der in Ljubljana geborene Suppantschitsch, Sohn eines in ärm-lichen Verhältnissen lebenden Uhrmachers, war nämlich bereits Zeit seines Lebens ein geschätzter Rhetoriker, Übersetzer und Historiker. Er wurde nie zum Priester geweiht, denn als Novize konnte er die klösterliche Strenge nicht aushalten. Wäh-rend des Studiums entwickelte er einen ausgeprägten Hang zur Literatur, folgte seiner inneren Stimme und widmete sich der Dichtkunst. Seinen Lebensunterhalt verdiente er zunächst als Hauslehrer bei Franz Karl Baron Haller-Hallerstein in Unterkrain, danach wurde er im Jahre 1813 zum Professor für Geschichte und Geographie an dem k.u.k. Gymnasium zu Celje (Cilli) ernannt, vier Jahre später auch zum Professor der Poetik und Rhetorik (vgl. Janko 1999).

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Stadelmann und Suppantschitsch verband auf der einen Seite die Zusammen-arbeit beim „Laibacher Wochenblatt“, auf der anderen Seite aber eine innige, auf-richtige Freundschaft. Als Stadelmann in seinem 27. Lebensjahre verschied, wid-mete ihm Suppantschitsch am 24. Januar 1807 einen ergreifenden Nachruf und gab ihm damit das letzte Geleit im „Laibacher Wochenblatt“:

Am 15. d. M. früh morgens gegen 7 Uhr starb allhier Herr Georg Stadelmann […] in der Blüthe seiner Jahre […] Erschöpfende Kenntnisse in der Bibliographie, in der Geschichte der Literatur des Mittelalters, mit vorzüglicher Hinsicht auf die lateinischen Dichter derselben Zeit, Ge-schmack, Scharfsinn, und kritische Gründlichkeit machten ihn zum achtungswerthen Literator. Allein theurer war er seinen Freunden noch als Mensch; denn das Liebenswürdige und Gefäl-lige in seinem Umgange, das Interesse seiner Gespräche, seine Bescheidenheit und sein stets reger Sinn für jeden Genuß des Lebens machten ihn bald Jedermann zum Freunde […] Theuer war er dem ganzen Publikum; denn die kritische Auswahl von Daten, und die pragmatische Zusammenstellung derselben, die sein Zeitungsblatt zu einem der Besten im Inlande erhoben, zeigen in ihm klar den denkenden Forscher der Zeitgeschichte, und erschweren seinen Verlust allgemein (LW 1807, Nr. 4: unpag.).

Wie Suppantschitsch richtig feststellt, waren gerade Stadelmanns Aufge-schlossenheit und seine andauernde Bereitschaft das Krainer Kultur- und Volksgut kennenzulernen auf der einen und seine Erfahrungen, die er während seines Stu-diums gesammelt hatte, auf der anderen Seite eine große Bereicherung für die Laibacher Publizistik, die bis dahin keine ähnlichen Presseorgane kannte. Der Deutsche Gelehrte verstand es nicht nur die deutschen und die slowenischen kul-turellen Einfl üsse miteinander zu verbinden, sondern er schaffte es, die damalige slowenische Intelligenz für die Mitarbeit bei seinem deutschsprachigen Blatt zu begeistern, indem er überwiegend „vaterländische“, d.h. „slowenische“ Themen behandelte und abdruckte.

Neben Suppantschitsch hat in den ersten Jahrgängen noch ein verdienstvoller Mann das Erscheinungsbild des Laibacher Wochenblattes mitgestaltet und ent-scheidend geprägt: Franz Anton Breckerfeld (1740–1807). Er entstammte einer adeligen Familie aus Stari grad bei Novo mesto (Altenburg bei Neustadt in Unter-krain) und war ein leidenschaftlicher Sammler des Volksgutes und des lexika-lischen Materials (Mal 1925–1932: 57). Während Breckerfeld sich im „Laibacher Wochenblatt“ mit den topographisch-geschichtlichen Themen beschäftigte und sich besonders mit einer eingehenden Abhandlung über die geographischen, ge-schichtlichen, wirtschaftlichen und topographischen Merkmale Istriens einen Na-men machte (LW 1804, Nr. 20–26: unpag.), publizierte Suppantschitsch vor allem Biographien berühmter Krainer wie etwa Johann Weichard Freiherr von Valvasor (1641–1693) (LW 1804, Nr. 4: unpag.) und Johann Ludwig Schönleben (1616–1681) (LW 1804, Nr. 6: unpag.).

Suppantschitsch verwies darüber hinaus unter Herders Einfl uss auch auf die Bedeutung des Volksgutes, das von der Geschichte und dem Charakter der Nation kündet, und den Nachlebenden als Zeugnis der vergangenen Zeiten erhalten blei-ben sollte. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen im „Laibacher Wochenblatt“

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zählt unbestritten der Text des slowenischen Volksliedes von Pegam und Lamber-gar in deutscher Übersetzung, das auf wahren historischen Begebenheiten basiert und unter dem literarischen Aspekt unschätzbar ist. Inhaltlich ist die Struktur der erzählten Geschichte unkompliziert: Jan Vitovec (+1468) bzw. Witowec, Wittowe-cz oder Wittobecz in den deutschen und lateinischen Texten, seiner Abstammung nach ein Böhme, fi guriert im Volkslied als Pegam, da die Böhmen im slowenischen Volksmund „Pemci“ genannt wurden (Kidrič 1938: 252). In der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert kämpfte Vitovec als Landsknecht an der Seite der Grafen von Cilli gegen die Habsburger. Nach dem Tode des letzten Grafen aus dem Haus von Cilli, Ulrich II. (1406–1456), begab sich dessen Witwe im Streit um die Erbschaft unter den Schutz von Vitovec, der die Interessen der Gräfi n gegen Kaiser Friedrich III. (1415–1493) vertrat. Als es in Wien zu einem Kampf zwischen Vitovec und dem kühnen, kaisertreuen Lambergar kam, konnte sich der Böhme, so das Volks-lied, nicht aber die historischen Tatsachen, nicht behaupten und wurde getötet. Lambergar wurde danach als ein wahrer Held aus Krain gefeiert.

Die handschriftliche Fassung dieses aus mehreren Varianten bestehenden slo-wenischen Volksliedes, in dem Vitovec als dreiköpfi ges Monster dargestellt wird, bekam Suppantschitsch von Valentin Vodnik (1758–1819), der sein Gymnasial-professor gewesen war (Gspan 1960–1971: 549). Suppantschitsch gelang mit der Übersetzung des Volksliedes, die in der 37. Nummer des „Laibacher Wochen-blattes“ im Jahre 1806 unter dem Titel Uebersetzung des krainerischen Volksliedes von dem Turniere zwischen dem Ritter Lamberg und Pegam zum ersten Mal ver-öffentlicht wurde, eine hervorragende Leistung von bleibendem Wert. In einer kurzen Einleitung zur Übersetzung stellte Suppantschitsch fest, dass der slowe-nische Dramatiker und Historiker Anton Tomaž Linhart (1756–1795) bereits 1781 in seiner Sammlung Blumen aus Krain zwar eine freie Nachbildung der Pegamsa-ge in hochklingenden Hexametern wiedergab, „die aber nicht am besten gerathen ist“ (LW 1806, Nr. 37: unpag).1 Seiner Meinung nach sei „der Ausdruck gesucht und schwülstig, das Metrum unpassend, und der Ton dem Charakter des Stoffes nicht angemessen“ (ebd.). Im Gegensatz dazu äußerte sich Suppantschitsch zu seiner eigenen Übersetzung des Volksliedes wie folgt:

Volkslieder bezeichnen jedesmal mehr oder weniger treffend den eigenthümlichen Geist und Character der Nation, von der sie gesungen werden; und sind daher kein unwichtiger Beytrag zur Kenntniß der Sitten, und des Fortschreitens der Cultur, und des Geschmackes in einem Lande […] Die gegenwärtige Übersetzung ist beynahe wörtlich getreu, und macht auf alles Verdienst eigenartiger Behandlung Verzicht. Die schmucklose Einfalt, welche den Charakter des Volksliedes ausmacht, ist sorgfältig beybehalten und nicht verkünstelt worden (LW 1806, Nr. 37: unpag).

Ein Jahr danach (1807) erschien Suppantschitschs Übertragung samt der slo-wenischen Fassung des Volksliedes auch als Sonderdruck. Diese wurde als vor-

1 Silvo Torkar fand 1993 im Steiermärkischen Landesarchiv (Graz) noch eine weitere Fassung aus dem 18. Jahrhundert (Torkar 1993: 13).

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züglich gewürdigt und von verschiedenen Seiten begrüßt. So hat beispielsweise der slowenische Philologe und Slawist Jernej (Bartholomäus) Kopitar (1780–1844) das Büchlein dem tschechischen Slawisten Joseph Dobrovský (1753–1829) zugesandt, der von der Leistung des Übersetzers begeistert war (Janko 1999: 66ff.). Suppantschitsch hat damit mit seinem Pegam und Lambergar auf das slo-wenische Volkslied aufmerksam gemacht und trug dazu bei, dass ein halbes Jahr-hundert später der Vormärzdichter Anastasius Grün (1806–1876) die Pegamsage nochmals neu übersetzte, wobei ihm Suppantschitschs Text als Vorlage diente. Die Übersetzung ist in Grüns Sammlung Volkslieder aus Krain (1850) erschienen und fand dadurch eine erfreuliche Rezeption im europäischen Raum.

Dieser „vaterländisch“ orientierten redaktionellen Politik blieb das „Laiba-cher Wochenblatt“ auch nach Stadelmanns Tod treu. In der 32. Nummer des Blattes im Jahre 1807 wandte sich Suppantschitsch „an die Obrigkeiten, Güterbesitzer, die Geistlichkeit und an alle übrige[n] Freunde der Vaterlandskunde im Herzogthume Krain“ (LW 1807, Nr. 32: unpag.) mit der Bitte, ihm die allfälligen „unbekannte[n] Entdeckung[en] an Naturproduckten, Alterthümern u.s.w.“ (LW 1807, Nr. 32: un-pag.) zu übermitteln, um sie der Vergessenheit zu entreißen.

3. Maximilian von Wurzbach übernimmtdie Redaktion des Blattes

Nach Stadelmanns Tod übernahm die Redaktion des „Laibacher Wochenblattes“ der Laibacher Jurist Maximilian von Wurzbach (1781–1854), der Vater des Her-ausgebers des umfangreichen Biographischen Lexikons des Kaiserthums Oester-reich, Constant von Wurzbach [1818–1893] (Wurzbach 1890: 25). Zunächst be-mühte sich der Rechtsgelehrte, der auch selbst auf Deutsch dichtete und später seine dichterischen Versuche im „Laibacher Wochenblatt“ veröffentlichte, das Blatt auf dem literarischen Niveau aus Stadelmanns Zeiten zu halten. Im Vorder-grund standen unter seiner Redaktion die dichterischen Beiträge des steiermär-kischen Oberleutnants Johann Georg Fellinger (1781–1816), der im Jahre 1815 als Konskriptionsrevisor nach Krain kam und sich in Postojna (Adelsberg) nie-derließ (Wurzbach 1858: 170–172.). Im „Laibacher Wochenblatt“ veröffentlichte Fellinger seine Gedichte, die thematisch eng mit seinen Lebenserfahrungen ver-bunden waren. Melancholie, unendliche Sehnsucht und ständige Jugendträumerei spiegeln sich in seinen Dichtungen wider: Freundschaft und Frohsinn (LW 1807, Nr. 40: unpag.), Perioden der Jugendschwärmerey (LW 1807, Nr. 41: unpag.), Sehnsucht (LW 1808, Nr. 20: unpag.) usw. Darüber hinaus blieb Suppantschitsch weiterhin ein treuer Mitarbeiter des Blattes und besorgte, wie früher, die biogra-phischen, geschichtlichen und ab und zu auch geographischen Beiträge.

Das Laibacher Wochenblatt wurde in dieser Form unter Wurzbachs Redakti-on berechtigterweise noch einige Zeit nach der Hauptstadt des Landes Krain be-

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nannt, doch schon zu Weihnachten 1808, am 23. Dezember, schrieb der bereits oben erwähnte Kopitar in einem Brief an den slowenischen Aufklärer, Mäzen, Gelehrten und Unternehmer Sigismund (Žiga) Zois Freiherr von Edelstein (1747–1819) wie folgt: „Das Exemplar des Laibacher Wochenblattes befi ndet sich auch unter [Ihren] slawischen Büchern, und zwar bis 1808, als Wurzbach nichts Krai-nerisches mehr bekam, sondern er druckte nur norddeutsche Vergnügungsblätter nach“ (zit. nach Kidrič 1938: 387; übers. v. T.Ž.). Allerdings war Zois 1808 nicht mehr Abonnent des Blattes.

Das Laibacher Wochenblatt bemühte sich von nun an nicht mehr um die kul-turelle Vielfalt und auch nicht darum, das „Krainerische“ in einem europäischen Rahmen darzustellen. Die vaterländischen Beiträge wurden eine Rarität, Land-wehrlyrik bahnte sich den Weg in die Zeitung, etwas „Slowenisches“ war im Blatt bald nicht mehr zu fi nden und das Publikum konnte sich mit dem Inhalt nicht identifi zieren. So sind die Abonnentenzahlen rapide zurückgegangen und am 13. Mai 1809 erschien die letzte Nummer unter Wurzbachs Redaktion.

Der siebte Jahrgang wurde nach einer halbjährigen Pause im Januar 1810 wieder herausgegeben und erschien infolge der napoleonischen Eroberung slowe-nischer Gebiete vermutlich bis Ende des Jahres 1810. Obwohl der Redakteur im Blatt nie genannt wurde, kann man vermuten, dass die Redaktion der frankophile, aus Bayern gebürtige Franz Peesenegger (um 1762–1841) übernahm, der zugleich die „Vereinigte Laibacher Zeitung“ redigierte (Kidrič 1938: 605ff.). Die letzte im Slowenischen Nationalmuseum erhalten gebliebene Nummer dieses Jahrganges ist mit dem 30. November 1810 datiert. Anfang Dezember 1810 wurde den Lesern der „Laibacher Zeitung“ mitgeteilt, „daß mit dem ersten Jänner die »Laibacher Zeitung« mit dem »Telegraph« vereinigt wird, der forthin in der französischen, illyrischen und deutschen Sprache besonders erscheinen wird“ (LZg 1810, Nr. 75: unpag.). Mit dem neuen Jahr 1811 wurde somit auf Betreiben der Franzosen die offi zielle Zeitung in deutscher Sprache mit dazugehörender Beilage eingestellt, angeblich weil die von ihnen gedruckte Zeitung2 zu wenige Abonnenten für sich gewinnen konnte (Žigon 2004: 224).

4. Ein Schriftsetzer redigiert das Blatt

Nachdem die Franzosen das Land Krain verlassen hatten, wurde am 19. Okto-ber 1813 von Joseph Sassenberg (1773–1849), dem, seit 1809, neuen Mieter der Kleinmayrschen Druckerei, die „Vereinigte Laibacher Zeitung“ wieder herausge-

2 Die Zeitung „Télégraphe offi ciel des Provinces Illyriennes“ fungierte als das Amtsblatt der französischen Verwaltung in den Illyrischen Provinzen und erschien in französischer, italienischer und deutscher Sprache. Allem Anschein nach ist der ursprüngliche Plan, das offi zielle Blatt in den Provinzen auch in illyrischer Sprache herauszugeben, gescheitert, denn bis heute konnte keine ein-zige „illyrische“ Nummer gefunden werden.

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geben. Bereits Ende des Jahres, am 14. Dezember 1813, offenbarte Sassenberg in einem Brief an die Leser der Vereinigten Laibacher Zeitung seine Entscheidung, das Laibacher Wochenblatt zum Nutzen und Vergnügen wieder ins Leben zu rufen, das ganz dem aufklärerischen Geist verpfl ichtet, das „Nützliche“ liefern sollte, darunter vaterländische Aufsätze, Bräuche und Sagen, Aufsätze über Naturer-zeugnisse und Erfi ndungen, statistische Bemerkungen, ärztliche Aufsätze, aber auch Gedichte, Auszüge aus der Geschichte der angrenzenden Provinzen, wis-senschaftliche Beiträge und allerlei nützliche „Geistesproducte“ (vgl. LZg 1813, Nr. 17: unpag.).

Leider hatte Joseph Sassenberg eine höchst unglückliche Hand bei der Wahl des verantwortlichen Redakteurs des Blattes. Paul Deinzer (1786–1835), ein Protestant, der wahrscheinlich aus dem deutschen kulturellen Raum nach Ljubl-jana gekommen und eigentlich Schriftsetzer bei Kleinmayr war (Kidrič 1938: 632), war dieser Aufgabe keinesfalls gewachsen. Trotz seines Versprechens ver-öffentlichte er im Blatt fast keine vaterländischen Themen und anstelle von Versen, an die sich das Publikum in den ersten vier Jahrgängen dieser Beilage gewöhnt hatte, setzte Deinzer zum Teil geschmacklose Witze und Scherzrätsel. Ferner stolpert man in den ersten zwei Jahrgängen nach dem Abrücken der Fran-zosen im „Laibacher Wochenblatt“ gar über so exotische Beiträge wie Die Tata-rischen Völker, Schilderung von Tunis, Beschreibung von Washington usw. Al-lerdings sollten hier, um nicht die ganze Schuld für das geringe öffentliche Interesse am Blatt ausschließlich ihm zuzuschreiben, auch die äußerst ungünsti-gen politischen Verhältnisse, verbunden mit dem Untergang Napoleons, in Be-tracht gezogen werden. Ins Blatt wurden nämlich zunehmend Anekdoten aufge-nommen, die Napoleon verspotteten. Dagegen wurde die Heilige Allianz nach Kräften gelobt.

Deinzer hielt es für unwichtig, Beiträge über Literatur und Volksgut zu veröf-fentlichen. Eine einzige Abhandlung wurde in der 13. Nummer vom 28. März 1817 abgedruckt. Es handelt sich um eine längere Abhandlung, ein „Votum sepa-ratum“, betitelt Ueber die Trauerspiele: die Schuld von Müllner und die Ahnfrau von Grillparzer. Als Autor des Beitrags zeichnete ein gewisser Berghoffer, zu dem keine Daten vorliegen, und obwohl der Autor sowohl das Werk Müllners als auch Grillparzers äußerst negativ bewertete, zeugt diese Veröffentlichung davon, dass der kulturelle Transfer in der damaligen Gesellschaft eine überaus wichtige Rolle spielte und die Informationen sich sehr schnell verbreiteten. Während Müllners Trauerspiel Die Schuld am 27. April 1813 im Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde (Frenzel 1991: 329), erlebte Grillparzers Tragödie Die Ahnfrau ihre Premi-ere am 31. Januar 1817 im Theater an der Wien (Frenzel 1991: 356). Danach sind nicht mal zwei Monate vergangen, als das Laibacher Wochenblatt darüber folgen-derweise berichtete:

Ueber den allgemeinen Beyfall eines Trauerspieles dieser Art, muß ich leider! obgleich ein wenig verlegen, bekennen, daß ich anderes Sinnes bin [...].

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Ueberhaupt scheint mir das die Lieblingsidee unserer traurigen, Trauerspieldichter zu seyn, die ganze Welt in Angst und Verwirrung zu setzen, wo sie sodann ihres Schicksals gordischen Knoten leicht aufl ösen oder zerhauen mit Dolchen und Schwertern [...].Ich weiß nicht, bin ich vom Gemüthe zu weich oder sind meine Zeitgenossen zu hart, daß sie zur theatralischen Unterhaltung und Aufregung ihrer Gefühle die Thierhetzen solcher herzzer-fl eischenden Trauerspiele nöthig haben. Boshaft und ehrlos stellen sie die Menschheit dar und lästern beynahe den Schöpfer derselben. [...] Beispiele der alten und neuern Zeit von Trauer-spielen der größten Meister, die das Theater zum Tollhaus der wüthendster Leidenschaften gemacht haben, rechtfertigen nichts, und beweisen nichts, als daß es auch unter den Gelehrten eine ansteckende Seuche giebt.Ob ich bessere Trauerspiele machen kann?Daß ich andere machen würde, weis ich, ob sie besser seyen würden, das müste sich zeigen, wenn ich einen sichern Hafen fände auszuruhen vom Sturme meines Schicksals, das selbst ein alle Gerechtigkeit verletzendes Trauerspiel ist (LW 1817, Nr. 13: unpag).

Deinzer gelang es ebenfalls nicht geeignete Mitarbeiter für das Blatt zu ge-winnen. Unter den bekannten Namen jener Zeit ist in seinem Blatt zunächst nur Fellinger zu fi nden. Erwähnenswert ist noch Karl Meisl (1775–1853), ein in Wien lebender Laibacher, der zwischen 1802 und 1844 über 200 Volksstücke schrieb und von dem Ferdinand Raimund (1790–1836) die ersten Anregungen für sein dichterisches Schaffen bekommen haben soll (Wurzbach 1867: 284). Ihre ersten dichterischen Versuche unternahmen im Laibacher Wochenblatt auch Johann Ve-sel Koseski (1798–1884), der junge slowenische Lyriker (LW 1817, Nr. 3: unpag.) und der aus Görz stammende Lyriker Franz Leopold Savio (1801–1847) (LW 1817, Nr. 4: unpag.), der meistens mit den Initialen F. L. S-o zeichnete. Spätestens seit dem Jahre 1816 zählten zu Deinzers treuen Mitarbeitern auch Johann Anton Suppantschitsch (LW 1815, Nr. 4–5: unpag) und Franz Xaver Johann Richter (1783–1856), Professor für Weltgeschichte am damaligen Lyzeum in Ljubljana. Jedoch versuchten die beiden vergeblich mit ihren die Volkskunde und Geschich-te betreffenden Beiträgen, die verlorengegangene alte Pracht des Blattes zurück-zugewinnen.

In der zweiten Hälfte des Jahres 1817 wurden auch die Leser mit dem Blatt zunehmend unzufriedener. Da der Redakteur des Blattes anonym gehalten wurde – Deinzers redaktionelle Tätigkeit wird bei Wurzbach (1860: 45) angegeben – ver-mutete man sogar, der verantwortliche Redakteur sei Professor Richter. Doch im Mai 1817 wies Richter jegliche Unterstellung dieser Art entschieden zurück und gab in einer Erklärung „zur Widerlegung eines höchst unbegründeten Verdachtes“ (LW 1816, Nr. 20: unpag.) bekannt, dass er nie „Redacteur“ des Blattes gewesen sei (ebd.). Fünf Monate später, im Oktober 1817, schlug jedoch ein mit dem Buch-staben R. unterzeichnender Autor in einer ausführlichen Abhandlung eine sorgfäl-tig überlegte und unbedingt notwendige Reform des Laibacher Wochenblattes vor (LW 1817, Nr. 44: unpag.). Hinter der Initiale verbarg sich Franz Xaver Johann Richter, dem bald danach die redaktionelle Arbeit beim Wochenblatt anvertraut wurde.

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Kulturelle Wechselwirkungen: Die slovenische Kultur und Literatur 213

5. Die Blütezeit des Blattesunter der neuen redaktionellen Leitung

Richter wurde in Hotzenploz (Osoblaha), einer mährischen Enklave des österrei-chischen Schlesien, geboren. Nach dem Tod seines Vaters hatten sich die Vermö-gensverhältnisse zum großen Nachteil der Familie verändert. Richter, der nach Beendigung des Gymnasiums sein Studium in Olmütz (Olomouc) fortsetzte, musste seine Ausbildung durch Musik- und privaten Lehrunterricht selbst fi nan-zieren. Diese Umstände führten dazu, dass er seinen Traum, Medizin zu studieren, aufgeben musste und so wandte er sich der Theologie zu: Im August 1806 wurde er zum Priester geweiht. Zwei Jahre danach wurde er zunächst Geographie- und Geschichtsprofessor am Brünner Gymnasium und siedelte im Herbst 1815 in-folge einer Stellenausschreibung in der „Vereinigten Laibacher Zeitung“ (Intel-ligenzblatt zur LZg 1815, Nr. 36: unpag) nach Ljubljana um. Als „Lycealprofes-sor“ (Intelligenzblatt zur LZg 1815, Nr. 36: unpag) widmete er sich „voll reger Tatkraft und Liebe für seine neue Heimat“ seiner Berufung und arbeitete „nun für die Aufhellung der Geschichte Innerösterreichs in einer Weise, welche ihm einen ehrenden Platz unter den Historikern Krains sichert“, berichtet Wurzbach (1860: 45).

Bereits zwei Jahre nach seiner Ankunft in Ljubljana veröffentlichte Richter im „Laibacher Wochenblatt“, wie oben erwähnt, seine Ansichten und Vorschläge zu einer zweckmäßigeren Einrichtung des Laibacher Wochenblattes (LW 1817, Nr. 44: unpag.). Darin verglich er die ersten Jahrgänge des „Wochenblattes“ (1804–1808) mit denen der Jahre 1814 bis 1817. Gleich eingangs stellte er vor-wurfsvoll fest, dass das Laibacher Wochenblatt sich rückläufi g entwickelt habe. Er hob ferner hervor, im Blatt seien keine vaterländischen Beiträge mehr zu lesen, obwohl, so Richter „fehlt es dieser Provinz eben so wenig an geschichtlichem und Tagsinteresse, als an Männern von Talent und Geschmack, welche dem „Laibacher Wochenblatte“ seinen alten, nur unwillkürlich unterbrochenen Ruhm wiederzuge-ben und durch ernste Teilnahme für die Dauer zu sichern vermöchten“ (LW 1817, Nr. 44: unpag.).

In dem drei Seiten langen Traktat führt Richter einige wichtige Aspekte an, erläutert seine Vision der Weiterentwicklung des Blattes und exponiert in fünf Punkten das Wichtigste. Er betont, „das »Laibacher Wochenblatt« sollte und könnte den Titel: »Krainische oder Illyrische Blätter« führen, weil es seinem In-halte und seiner Bestimmung nach von Krainern verfaßt, und für Krainer berech-net seyn sollte und seyn könnte“ (LW 1817, Nr. 44: unpag.). Der Inhalt des Blattes müsse seiner Meinung nach „so viel als möglich, rein vaterländisch seyn; Vater-landskunde wäre demnach erste, wohlberechnete Auswahl des Nützlichen und Besten aus fremden Zeitschriften nur zweyte Rücksicht“ (LW 1817, Nr. 44: un-

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pag.). Auch hat Richter eine klare Vorstellung, was dasjenige sei, das das Vaterland betrifft, und schreibt wie folgt: „Unter den Artikel Vaterland gehört alles, was für die Erhöhung und Veredlung der Liebe und Anhänglichkeit an Fürst und Vater-land, für das Fortschreiten allseitiger Bildung berechnet ist“ (LW 1817, Nr. 44: unpag.). Die am Ende des Traktats stehende warme, höfl iche Aufforderung Rich-ters, beim Blatt mitzuwirken, galt allen „krainischen Litteratoren“ (LW 1817, Nr. 44: unpag.).

Gleich in der nächsten Nummer antwortete der Verleger des „Laibacher Wo-chenblattes“ auf Richters Vorschläge in einem An die Freunde der Krainischen Literatur (LW 1817, Nr. 45: unpag.) betitelten Leitartikel, dem er die lateinischen Verse des deutschen Jesuiten und neulateinischen Dichters Johann Jacob Balde (1604–1668) voranstellte: „Omnibus semper placuisse res est / Plena Fortunae: placuisse paucis / Plena virtutis: placuisse nulli /Plena doloris!“ (LW 1817, Nr. 45: unpag.).3 Im Weiteren brachte der Autor sein Gutheißen des Vorhabens Richters zum Ausdruck und fasste die wichtigsten Auf-gaben des Blattes und seiner Mitarbeiter zusammen, und zwar das Vaterland zu würdigen, ehren und nach Möglichkeit allseits bekannt zu machen (LW 1817, Nr. 45: unpag.).

Die Aufforderung an die Freunde der krainischen Literatur war ein voller Erfolg. Bald nach Richters Redaktionsantritt wurden die ersten Veränderungen sichtbar. Während Richter noch Ende des Jahres 1817 die Zeitungsblätter des „Laibacher Wochenblattes“ überwiegend mit seinen eigenen Beiträgen füllen musste, scharte sich bereits 1818 ein Kreis von Mitarbeitern um ihn, darunter der ehemalige Redakteur des Blattes, Maximilian von Wurzbach, und die bereits unter Deinzer mitwirkenden Suppantschitsch, Savio und Koseski. Der Letztere veröf-fentlichte in der 24. Nummer des Jahres 1818 sogar ein erstes Sonett in slowe-nischer Sprache mit der deutschen Übersetzung am Rande, betitelt Potažba (Der Trost) (LW 1818, Nr. 24: unpag.). Dazu kamen noch Franz Xaver Heinrich (1797–1844), Professor für Geschichte und Geographie am Laibacher Gymnasium, der von 1827 bis 1838 auch die „Laibacher Zeitung“ redigierte, der verdienstvolle Krainer Historiker und Publizist Heinrich Costa (1796–1870) und der ebenfalls bereits erwähnte Valentin Vodnik.

Das Laibacher Wochenblatt in neuer inhaltlicher Gestalt wurde zu einem Spiegelbild der besonderen Liebe Richters zum Land Krain. Obwohl er 1825 die Stadt verließ, da ihm der damalige Landesgouverneur von Illyrien, Joseph Camil-lo Freiherr von Schmidburg (1799–1846), zu seiner Ernennung zum Universitäts-bibliothekar in Olmütz verhalf (Wurzbach 1860: 45), hat er sich Zeit seines Lebens vorgenommen, die Jahre nach der Pensionierung in Ljubljana zu verbringen. Doch wurden seine Pläne von einer Krankheit, er nannte sie Lungenübel, durchkreuzt.

3 Deutsche Übersetzung: „Allen immer gefallen wird dem Zufall verdankt / Wenigen gefallen der Tugend / Keinem gefallen bereitet Schmerz“ (vgl. Levèvre 2004: 67).

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Sein Freund, der Historiker, Literaturhistoriker und Politiker Vinzenz Ferreri Klun (1823–1875) berichtet, dass Richter, der sich in Wien aufhielt, ihm noch wenige Wochen vor seinem Tode schrieb: „Wäre ich in Laibach, ich glaube, ich würde noch mit Lust und Liebe arbeiten“ (Klun 1857: 64).

Ende des Jahres 1818 wurde die Herausgabe des „Laibacher Wochenblattes“ eingestellt. An dessen Stelle trat unter der gleichen Redaktion das „Illyrische Blatt“ (1819–1849), benannt nach dem Königreich Illyrien, das alle Gebiete umfasste, die unter Napoleon zu den Illyrischen Provinzen gehörten und 1816 von Kaiser Franz I. zu einem Königreich erhoben wurden (vgl. Birk 2000). Die Namensände-rung der Zeitung erfolgte ganz im Geiste der Zeit: Man wollte nun darin auch jene Beiträge veröffentlichen, die sich auf ganz Illyrien bezogen und hoffte, für dieses Vorhaben auch einen erweiterten Kreis von Mitarbeitern und Lesern gewinnen zu können (LW 1818, Nr. 52: unpag.).

6. FazitDas „Laibacher Wochenblatt“ ist geradezu das Fallbeispiel eines publizistischen Organs in Krain in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in dem die kulturellen Wechselwirkungen und damit die Begegnungen diverser Kulturkreise manifes-tiert werden. Sowohl die Drucker als auch die Redakteure des Blattes waren keine gebürtigen Krainer. Sie sind nach Ljubljana gekommen, haben in Krain Fuß ge-fasst und wussten ihre Erfahrungen im Bereich des Pressewesens gut einzusetzen. Sie lernten das Land, ihre Bewohner und ihre Kultur nicht nur kennen, sondern auch lieben, was sich im „Laibacher Wochenblatt zum Nutzen und Vergnügen“ widerspiegelt und deutlich zum Ausdruck kommt. Statt die Zeitungsblätter mit allgemeinen Themen zu füllen oder deutsche Autoren zu veröffentlichen, boten die Redakteure den Autoren aus Krain und den angrenzenden Ländern eine Mög-lichkeit ihre literarischen, volkskundlichen, geschichtlichen und anderen Beiträge zu veröffentlichen. Vor allem für die Slowenen war dieses Forum von besonderer Relevanz, denn, wie anfangs angedeutet, war die Zeit zwischen 1801 bis 1843 in Krain durch das fast völlige Fehlen von Zeitungen und Zeitschriften in der Lan-dessprache gekennzeichnet.

In diesem Zusammenhang ist abschließend noch ein ausschlaggebendes Mo-ment zu nennen: 1790 wurden unter Leopold II. (1747–1792) einige Pressefrei-heiten aus der Zeit des aufgeklärten Herrschers Joseph II. (1741–1790) wieder zurückgenommen und die Ereignisse in Frankreich setzten ein plötzliches Ende der kurzen Phase liberaler Politik (Kidrič 1938: 360ff). Während man das Ziel verfolgte, das Publikum so fern wie möglich von den Informationen über die Fran-zösische Revolution und die französischen Zustände zu halten, muss hier konsta-tiert werden, dass die herrschenden Kreise in Wien die kulturellen Bestrebungen der nichtdeutschen Nationen in der Habsburger Monarchie zwar nicht bewusst

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gefördert, jedoch diese auch nicht unbedingt gehindert hatten. Die Gefahr, dass man Sympathien gegenüber den Franzosen und Russen hätte entwickeln können, erschien nämlich viel bedrohlicher, als wenn man wissenschaftliche, biographische oder historische Abhandlungen bewilligte, die mit der slawischen bzw. in unserem Fall slowenischen Vergangenheit zusammenhingen.

Literatur

Primärliteratur

LW = Laibacher Wochenblatt zum Nutzen und Vergnügen. Laibach 1804–1810, 1814–1818. LZg = Vereinigte Laibacher Zeitung. Laibach 1810, 1813, 1815.

Sekundärliteratur

Birk, Matjaž: „…vaterländisches Interesse, Wissenschaft, Unterhaltung und Belehrung…“. Illyris-ches Blatt (Ljubljana 1819–1848), literarni časopis v nemškem jeziku v slovenski provinci pred-marčne Avstrije [„…vaterländisches Interesse, Wissenschaft, Unterhaltung und Belehrung…“. Illyrisches Blatt (Ljubljana 1819–1848), eine Literaturzeitung in deutscher Sprache aus der slowenischen Provinz in Vormärz-Österreich]. Maribor 2000.

Frenzel, Herbert A. u. Elisabeth: Daten deutscher Dichtung. Chronologischer Abriß der deutschen Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zum Jungen Deutschland. Bd. 1. München 1991.

Gspan, Alfonz: Suppantschitsch, Janez Anton. In: Gspan, Alfonz (Hrsg.): Slovenski biografski leksi-kon [Slowenisches biographisches Lexikon], Bd. 3. Ljubljana 1960–1971, S. 549–553.

Janko, Anton: Johann Anton Suppantschitsch / Janez Anton Zupančič (1785–1833) – Bedeutung und Grenzen seines literarischen Werkes. In: Mádl, Antal u. Motzan, Peter (Hrsg.): Schriftsteller zwischen (zwei) Sprachen und Kulturen. München 1999, S. 59–68.

Kidrič, France: Zgodovina slovenskega slovstva od začetkov do Zoisove smrti [Die Geschichte des slowenischen Schrifttums von seinen Anfängen bis zum Tod von Sigismund Zois]. Ljubljana 1938.

Klun, Vinzenz Ferreri: F. X. Richter. Eine biographische Skizze. In: Blätter aus Krain, Nr. 16 v. 18. April 1857, S. 62–64.

Levèvre, Eckard: „Wenigen gefallen…“ (Jakob Balde, Silv. 7, 15). In: Hildebrand, Olaf et al. (Hrsg.): „... auf klassischem Boden begeistert.“ Antike-Rezeptionen in der deutschen Literatur. Frei-burg im Breisgau 2004, S. 67–73.

Logar, Janez: Stadelmann, Jurij. In: Gspan, Alfonz (Hrsg.): Slovenski biografski leksikon [Slowenis-ches biographisches Lexikon], Bd. 3. Ljubljana 1960–1971, S. 434.

Mal, Josip: Breckerfeld, Franz Anton. In: Cankar, Izidor; Lukman, Franz Ksaver (Hrsg.): Slovenski biografski leksikon [Slowenisches biographisches Lexikon], Bd. 1. Ljubljana 1925–1932, S. 57–58.

Miladinović Zalaznik, Mira: Das Revolutionsjahr 1848 in den Laibacher Blättern Laibacher Zei-tung, Illyrisches Blatt und Kmetijske in rokodelske novice. In: Aman, Klaus; Lengauer, Hubert; Wagner Karl (Hrsg.): Literarisches Leben in Österreich. Wien [etc.] 2000, S. 601–623.

Mitterbauer, Helga: Mittler und Medien. Refl exionen über zentrale Kategorien der Kulturtransfer-forschung. In: Birk, Matjaž (Hrsg.): Zwischenräume. Kulturelle Transfers in deutschsprachi-gen Regionalperiodika des Habsburgerreichs (1850–1918). Wien, Berlin 2009, S. 25–37.

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Torkar, Silvo: Najdba v graškem Deželnem arhivu [Der Fund im Grazer Landesarchiv]. In: Delo. Književni listi, Nr. 45 v. 25. Februar 1993, S. 13.

Vatovec, Fran: Slovenski časnik. Ljubljana 1961.Wurzbach, Constant von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Bd. 4, Wien 1858.Wurzbach, Constant von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Bd. 6, Wien 1860.Wurzbach, Constant von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Bd. 17, Wien

1867.Wurzbach, Constant von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Bd. 36, Wien

1878.Wurzbach, Constant von: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. Bd. 59, Wien

1890.Žigon, Tanja: Deutschsprachige Presse in Slowenien (1707–1945). Teil 1. In: Berichte und For-

schungen. Bd. 12, 2004, S. 199–240.Žigon, Tanja: Deutschsprachige Presse in Slowenien (1707–1945). Teil 2–3. In: Berichte und For-

schungen. Bd. 13, 2005, S. 127–213.

AbstractsDer vorliegende Beitrag setzt sich anhand der Analyse der historischen Hintergründe, der redakti-onellen Politik und der inhaltlichen Charakteristika des in Ljubljana (Laibach) in den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts herausgegebenen „Laibacher Wochenblattes zum Nutzen und Ver-gnügen“ mit der Frage der deutsch-slowenischen kulturellen Wechselwirkungen auseinander. Es handelt sich um eine literarische Unterhaltungsbeilage der „Laibacher Zeitung“, der damals meist gelesenen deutschsprachigen Zeitung in Krain. Im Gegensatz zur „Laibacher Zeitung“ enthielt ihre Beilage keine Nachrichten aus der Politik, sondern beschäftigte sich mit geographischen, historisch-topographischen und literarischen Themen. Es wird der Frage nachgegangen, inwieweit und auf welche Art und Weise im „Laibacher Wochenblatt“ die vaterländische, d.h. slowenische Kultur und Literatur vertreten sind.

This contribution deals with the question of German-Slovene cultural interactions, based on an analysis of the historical background, the editorial policy and the characteristic content of the week-ly „Laibacher Wochenblatt zum Nutzen und Vergnügen“, published in Ljubljana (Laibach) during the fi rst two decades of the 19th century. This was a literary and entertainment supplement to the newspaper „Laibacher Zeitung“, which was at the time the most read German paper in Carniola. Unlike „Laibacher Zeitung“ itself, the supplement did not publish political news, but devoted itself to geographical, historical-topographical and literary topics. The article seeks to answer the ques-tion to what extent and in what way national, i.e. Slovene, culture and literature were represented in „Laibacher Wochenblatt“.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Wissenschaftsgeschichte

Maria KłańskaKraków

Tadeusz Namowicz (1938–2003).Veröffentlichungsverzeichnis der Arbeitenvon Tadeusz Namowicz

Tadeusz Namowicz wurde am 17. Juli1938 in Warschau geboren. Er wurde allein von Mutter und Tante unter engen materiellen Verhältnissen erzogen und wuchs als ein sehr behütetes Kind auf. Nach der Zerstörung Warschaus zog die kleine Familie zum Halbbruder der Mutter in das damals noch ländliche Stadtviertel Włochy um und wohnte dort jahrelang in einem Zimmer. Die Mutter lernte das Maschinenschreiben und verdiente ihren Lebensunterhalt durch die Arbeit als Hilfskraft im Sekretariat der Redaktion einer Kinderzeitschrift.1

1955 bestand Namowicz das Abitur am dem IX. TPD-Lyzeum2 in Warszawa-Włochy und begann zunächst, Turkologie an der Warschauer Universität zu stu-dieren. Nach einem Jahr änderte er seinen Entschluss und wechselte zur Germa-nistik an der Posener Adam-Mickiewicz-Universität über, einem der beiden einzigen vom Ministerium nach 1945 nicht geschlossenen germanistischen Lehr-stühle. Unter seinen Studienkommilitonen waren Hubert Orłowski, der mit ihm das Zimmer im Studentenheim teilte, und Franciszek Grucza. Sie sollten mit ihm beide bis zu seinem Lebensende befreundet bleiben. Beim Studium lernte er auch seine spätere Frau, Ewa, kennen, die er 1961 noch vor dem Studienabschluss hei-ratete.

Nach der Magisterprüfung, im Jahre 1961, ging Tadeusz Namowicz in seine Heimatstadt zurück. Das erste Jahr nach der Beendigung des Studiums arbeitete er an einer Oberschule, und zwar an dem 49. Lyzeum in Warschau. 1962 konnte

1 Die Autorin dieses Aufsatzes möchte sich bei Frau Dr. Ewa Namowicz für das Zugänglich-machen zahlreicher Materialien aus dem Hausarchiv von Prof. Tadeusz Namowicz sowie für alle die freundlichen Auskünfte zur Person und zu seiner Arbeit herzlich bedanken. Notiert anhand eines Telefongesprächs Ewa Namowicz – Maria Kłańska am 16.01.2010.

2 Die TPD heißt Towarzystwo Przyjaciół Dzieci (Gesellschaft der Kinderfreunde) und ist ein 1949 gegründeter Verein, der die laizistische und freie Erziehung der Kinder fördert.

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220 Maria K³añska

Namowicz Assistent am neu gegründeten Institut für Germanistik der Universität Warschau werden. 1970 promovierte er mit einer Abhandlung über den Pietismus im Werk des jungen Herder, desjenigen deutschen Autors, dem er sein Leben lang treu bleiben sollte. Er war auf ihn von seinem Universitätslehrer, Emil Adler, auf-merksam gemacht worden. Die Arbeit war eigentlich von Prof. Adler betreut wor-den, da dieser jedoch Polen verließ, übernahm in der letzten Phase die Warschau-er Professorin Elida Maria Szarota die Pfl ichten der Promotorin.

Bereits 1973 wurde das organisatorische Talent des jungen Doktors auf diese Art und Weise anerkannt, dass Namowicz zum stellvertretenden Direktor des Ins-tituts ernannt wurde, welche Funktion er bis 1980 ausübte, als er zum Dekan der Neuphilologischen Fakultät gerade in der ersten Solidarność-Periode gewählt wurde. 1980–1984 übte er in einer besonders schweren Zeit das Amt des Dekans der Neuphilologischen Fakultät der Warschauer Universität aus. In den Jahren 1984–1987 war Namowicz Sprecher der Neuphilologischen Fakultät im Akade-mischen Senat der Warschauer Universität.

1977 habilitierte er sich an der Warschauer Universität mit der Abhandlung Die aufklärerische Utopie. Rezeption der Griechenauffassung J.J. Winckelmanns um 1800 in Deutschland und in Polen, die dann 1978 als Buch im Universitätsver-lag (Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego) erschien. Seit 1978 war er somit Dozent am Germanistischen Institut in Warschau. Im Wintersemester 1981/82 war Namowicz Gastprofessor an der Philosophischen Fakultät der Universität Regens-burg (in der Germanistik und Slawistik).

Es ist zu vermuten, dass sowohl seine eigene Sozialisation als auch seine Überlegungen über die gesellschaftliche Gerechtigkeit ihn in die Reihen der PZPR (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza) führten, der er bereits 1960 beitrat. Leider wurde in dieser Organisation seine Rechtschaffenheit, Loyalität und Ehrlichkeit nicht entsprechend anerkannt. 1980 wurde er in der politisch heißen Zeit der Ent-stehung der Solidarność von seinen Kollegen zum Dekan der Fakultät gewählt. In dieser Eigenschaft versuchte er zwischen der Solidarność und der PZPR zu ver-mitteln, die von inneren Kämpfen gerissene Fakultät wieder zu vereinigen. Dabei stand er in vielen Angelegenheiten viel näher bei Solidarność und war nicht bereit, wie die Partei es damals wünschte, offenen Gedankenaustausch und jede Stellung-nahme, die ihren öffentlichen Urteilen nicht konform war, abzuwürgen. Das brach-te ihm viele Unannehmlichkeiten, ein Parteiverfahren und schließlich den Aus-schluss aus der Partei, in der er aus Loyalität noch nach 1981 verblieben war.3

1991, also bereits nach der Wende, sandte der Rektor der Warschauer Univer-sität, Prof. Kajetan Wróblewski, an ihn ein offi zielles Schreiben, in dem er ihm

3 Vgl. Kopien der Briefe von Tadeusz Namowicz vom 17. März 1982 an die „Polska Zjedno-czona Partia Robotnicza w Uniwersytecie Warszawskim“; vom 31. März 1983, an den Genossen Prof. Dr. Andrzej Jezierski, den I. Sekretär des Komitees der PZPR an der Warschauer Universität, sowie das zehnseitige Manuskript, offensichtlich ein zur Erklärung/Rechtfertigung von der Partei eingeforderter Fragebogen vom 23. Juli 1984, unterzeichnet „Tadeusz Namowicz“.

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Tadeusz Namowicz (1938–2003) 221

seine Anerkennung zollte und sich bei ihm „für die Mühen und das Engagement zu Gunsten der Universitätsfreiheiten und der Milieusolidarität in den Jahren 1981–1989“ bedankte. Der Rektor betonte Namowiczs Beitrag dazu, dass die Uni-versität jene für Polen schwierige Zeit mit Würde überstand und nach Möglich-keiten die akademische Gemeinschaft vor negativen Maßnahmen bewahrte.4

In dieser Situation hatte der Dozent Namowicz seine Bemühungen um die Professur, zu der er längst die meritorischen Voraussetzungen erfüllte, in den 1980er Jahren fast ein Jahrzehnt lang zurück gehalten und erhielt den Professoren-titel erst 1989, bereits nach der Wende, als Henryk Samsonowicz neuer Hoch-schulminister war. 1988 wechselte Doz. Namowicz seinen Arbeitsplatz innerhalb der Universität und ging zum Institut für Angewandte Linguistik der Universität Warschau, wo er Dozent für deutsche Kultur- und Literaturgeschichte wurde. Auch hier wurde er zum stellvertretenden Direktor, welche Funktion er bis 1998 aus-übte. In den Jahren 1989–1995 war er außerordentlicher Professor, seit 1995 Or-dinarius an diesem Institut. 1993–1995 war Tadeusz Namowicz darüber hinaus Professor an der Danziger Universität. 10 Jahre lang (bis 2002) betreute er auch das Deutschlehrerkolleg in Białystok.

Man wusste allgemein um seine Kompetenz und seine berufl ichen und menschlichen Vorzüge Bescheid. Bereits 1976 zeichnete, auf Vorschlag der Win-ckelmann-Gesellschaft, der Rat der Heimatstadt Winckelmanns, Stendal, Dr. Ta-deusz Namowicz mit der Winckelmann-Medaille in Silber aus. In den Jahren 1977–1989 leitete er den polnischen Teil der Forschungsgruppe, die an der Hum-boldt-Universität in Berlin das Thema „Dialektik vom Nationalen und Internatio-nalen in der Literatur“ bearbeitete. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit (die neben ostdeutschen und polnischen auch sowjetische Germanisten umfasste) wur-den 1983 und 1988 in zwei Bänden zusammengefasst, die Tadeusz Namowicz mit herausgab. Als wichtig betrachtete er ebenfalls seine Zusammenarbeit mit den Hallenser Germanisten zu den Fragen der nationalsozialistischen Literatur in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, zumal mit diesen Forschungen zum ersten Mal ein Tabuthema der DDR-Literaturwissenschaft angesprochen wurde.

1981 wurde er zum Mitglied des Neuphilologischen Komitees der Polnischen Akademie der Wissenschaften gewählt. Nach der Gründung (1991) des Verbands Polnischer Germanisten wurde Prof. Namowicz zum Sekretär dieser Organisation gewählt und arbeitete hingebungsvoll für sie noch lange nach seiner Erkrankung. Seit 1991 arbeitete er mit dem KBN (Komitee für wissenschaftliche Forschungen) zusammen, davon in den drei ersten Jahren als Sektionsmitglied. 1992 wurde Na-mowicz Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der neuen Folge der anerkannten Berliner „Zeitschrift für Germanistik“ und in dem gleichen Jahre stellvertretender Redakteur des „Kwartalnik Neofi lologiczny“, der angesehensten neuphilolo-

4 Vgl. den Brief des Prof. Dr. habil. Andrzej Kajetan Wróblewski, des Rektors der Warschauer Universität an Prof. Dr. habil. Tadeusz Namowicz vom 21. Februar 1990 (die Kopie verdanke ich Frau Dr. Ewa Namowicz – M.K.).

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gischen Fachzeitschrift Polens, welche Funktion er wieder mit voller Hingabe beinahe bis zu seinem Tod ausübte. Darüber hinaus war er Mitglied der Polnischen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts. 1993 wurde er Mitglied des Redaktionsbeirats der Fachzeitschrift „Wiek Oświecenia“. Mit alledem wurden seine komparatistischen und polonistischen Kompetenzen gewürdigt.

In dem gleichen Jahre bekam er eine höchst ehrenvolle Auszeichnung aus Deutschland, den Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung „in Wür-digung herausragender wissenschaftlicher Leistungen auf dem Gebiet der deut-schen Literaturgeschichte“. Prof. Namowicz war Mitglied der Weimarer Goethe-Gesellschaft, der Winckelmann-Gesellschaft, der Gesellschaft für Interkulturelle Germanistik, der International Herder Society sowie der IVG, wovon noch die Rede sein wird. Jedes Jahr nahm er an mehreren internationalen wissenschaft-lichen Tagungen teil und hielt Gastvorträge im Ausland, vor allem in den Ländern des deutschen Sprachraumes, aber auch in Dänemark, Japan, Kanada und natür-lich in Polen.

1995 wurde er endlich zum ordentlichen Professor berufen. Es schien die oberste Stufe der Universitätslaufbahn, die er so spät erklomm, weil er immer die Wahrheit sagte und bei all seiner Konzilianz keine Kompromisse auf Kosten seiner Überzeugungen machen wollte, sei erreicht worden und nun werde der Ordinarius Namowicz seine Freiheit als Forscher und Hochschullehrer jahrzehntelang genie-ßen können. Leider erkrankte er zuvor an Krebs. Er wurde im Januar 1995 operiert und war guter Hoffnung, dass damit das Notwendige getan sei und er weiter arbei-ten könne. Leider kam es anders. Es begann ein heroischer Kampf, in dem es wohl alle Außenstehenden beeindruckte, dass er jahrelang nicht nachgab, ausgeglichen, kollegial und entgegenkommend blieb und intensiv arbeitete, als ob er gesund sei. 1999 wurde Prof. Namowicz stellvertretender Vorsitzender der 1. Abteilung (für die Geisteswissenschaften) der Polnischen Akademie der Wissenschaften, welche Funktion er unter großem Einsatz seiner Kräfte bis 2001 ausübte. 2000 wählte man ihn für die Periode 2001–2005 zum Vizepräsidenten der Internationalen Vereini-gung für germanische Sprach- und Literaturwissenschaft (IVG).

Bis 2002 beteiligte er sich an wissenschaftlichen Tagungen und Kongressen, kam als Gutachter zu Doktor- und Habilitationsverfahren, bis zum Ende des Stu-dienjahres 2001/2002 unterrichtete er noch, auch wenn ihm das Erfüllen der di-daktischen Pfl ichten immer schwerer fi el und ihn mit der Zeit die höchste phy-sische Überwindung kostete. Im Zusammenhang mit der Reorganisation des Instituts für Angewandte Linguistik stellte er am 26. Februar 2002 noch den An-trag an den Dekan, an den neuen Lehrstuhl für Interkulturelle Studien Mittel-Ost-europas innerhalb der Fakultät für Angewandte Linguistik wechseln zu dürfen5, aber er konnte die Lehrtätigkeit dort nicht mehr aufnehmen. Seit November 2002

5 Brief vom Prof. Dr. habil. Tadeusz Namowicz an den Dekan der Fakultät für angewandte Linguistik und Osteuropäische Philologien, Prof. Dr. habil. Antoni Semczuk vom 26. Februar 2002 (die Kopie verdanke ich Frau Dr. Ewa Namowicz – M.K.).

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war er an seine Wohnung gefesselt, am 13. Juni 2003 erlag der geschwächte Or-ganismus einer Lungenentzündung.

Bis zum Schluss arbeitete Kollege Namowicz an wissenschaftlichen Aufsät-zen und betreute sorgfältig zwei Doktorarbeiten, die von Frau Marta Michaluk aus Lublin und die von Frau Alina Kucborska aus Olsztyn.6 Wie mir seine Frau, Dr. Ewa Namowicz, berichtete, wollte er seinen Urlaub in Konstancin im Mai dieses Jahres, vermutlich die letzten freundlicheren Tage in seinem Leben, nicht verlän-gern, da er noch Berufl iches zu erledigen hatte, darunter Konsultationen mit seinen Doktorandinnen, die dann tatsächlich in der zweiten Maihälfte stattfanden.

Tadeusz Namowicz galt als vorbildlicher Lehrer und er war auch einer. Es sprach sich in Polen von einem germanistischen Institut zum anderen herum, wie pfl ichtgetreu, gütig und zuverlässig er als Betreuer war und wie klar und prägnant er vortrug. Es ist bedauerlich, dass es ihm lediglich vergönnt war, drei Personen zur Promotion zu führen (s. das Verzeichnis am Ende dieses Artikels); die zwei oben erwähnten weiteren bemühte er sich vor seinem Tode anderen Betreuern zu empfehlen. Nirgendwo begegnete ich leider einem Verzeichnis seiner intensiven internen Gutachtertätigkeit; wahrscheinlich führte er keines. Und doch erfuhr man immer wieder aus zufälligen Gesprächen mit ihm, dass er auch die Doktor- oder Habilitationsarbeit oder das Œuvre für einen oder anderen begutachtete, wobei es oft Namen von angesehenen polnischen Germanisten waren. Er muss eine immen-se Tätigkeit auf diesem Gebiet geleistet haben; besonders in Bezug auf die Litera-tur des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Aber schon die gedruckten Bücherrezen-sionen, über 60 an der Zahl (siehe sein Veröffentlichungsverzeichnis) zeugen eingehend von seiner besonders intensiven Tätigkeit als Literaturkritiker und för-dernder Kenner von einer unbestechlichen Urteilsbegabung.

Von seiner reichen Forschungstätigkeit zeugt am besten Tadeusz Namowiczs letzte Publikationsliste, die 246 veröffentlichte Positionen umfasst. Wir haben sie um einige posthum herausgegebene Positionen ergänzt. Nach Auskunft seiner Frau ist darüber hinaus vieles noch fragmentarisch, unvollendet geblieben. Er ver-öffentlichte 4 Monographien, edierte allein oder mit Mitherausgebern 21 Bücher und schrieb über 130 Studien und Aufsätze sowie beinahe 90 Berichte und Rezen-sionen. In Polen und in den deutschen Fachkreisen war er vor allem als Kenner und Spezialist für das 18. und frühe 19. Jahrhundert sowie als aufmerksamer Leser und Kritiker der Literatur der DDR und später auch der Literatur des Kulturgrenz-raums Ostpreußen sowie der Literatur im Dritten Reich bekannt. Auffallend waren auch seine komparatistischen Interessen, seine Vorliebe, eine Erscheinung der deutschen Literatur mit der polnischen zu vergleichen und primär mit unterschied-lichen sozioökonomischen und politischen Bedingungen als Hauptursache zu er-läutern. Auch seine guten Kenntnisse des Französischen und Russischen waren bei diesem komparatistischen Ansatz behilfl ich. Sein Veröffentlichungsverzeichnis

6 Vgl. der Brief von Ewa Namowicz an Maria Kłańska vom 14. August 2003.

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gibt einen guten Einblick in die Tatsache, dass er von Anfang an vorwiegend auf deutsch publizierte und als Autor in Polen genauso gefragt war wie auf dem deutschsprachigen Literaturmarkt, wegen politischer Verhältnisse natürlich zuerst in der DRR. Die (zuerst ost- und dann auch west-)deutschen Spezialisten für das 18. Jahrhundert, insbesondere für die Aufklärung und Weimarer Klassik, aber auch für die Literatur bis 1850, die DDR-Literatur sowie die Wechselbeziehungen zwi-schen der deutschen und polnischen Literatur kannten ihn seit den 1960er Jahren und wussten seine Kompetenzen zu schätzen.

Nach seiner Selbstdarstellung aus dem Jahre 19947 betrachtete Namowicz die Literatur als ein spezifi sches Dokument des gesellschaftlichen Bewusstseins, wo-her sein Interesse auch für die verwandten Gebiete des Geisteslebens herkam. Zuerst wandte er sich dabei den spezifi schen Formen der protestantischen Fröm-migkeit (Pietismus) vor dem Hintergrund der deutschen Aufklärung zu. Diese Thematik betraf seine Doktorarbeit über den Pietismus im Werk des jungen Her-ders. Er berichtete davon im Nachhinein im Jahre 2003: „Dabei konnten an der für Herder ausschlaggebenden engen Verfl echtung von Ästhetik, Theologie und Ge-schichtsphilosophie einige wichtige Momente in der Kulturgeschichte des protes-tantischen Deutschland um 1800 und deren überregionale Auswirkungen deutlich gemacht werden.“8 Dies beeindruckte bestimmt die DDR-Forschung, die bis da-hin vor allem bestrebt gewesen war, Herder als einen Gegner der konfessionellen Orthodoxie zu zeigen. In der Bundesrepublik wiederum stand man Herder-For-schungen wegen der Missbräuche in der Nazizeit offenbar ängstlich gegenüber. Die Arbeiten von Namowicz halfen sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland, neue Ansatzpunkte zu fi nden.9

Herder und seine Stellung im deutschen Geistesleben der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert (zwischen Aufklärung und Romantik) hörten nie auf den War-schauer Forscher zu faszinieren. Er veröffentlichte aus diesem Umkreis in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland ca. 15 Aufsätze in verschiedenen Sammelbänden. Herder betrifft auch die letzte erschienene Monographie von Na-mowicz: der in Olsztyn im Jahre 1995 erschienene Band Johann Gottfried Herder. Z zagadnień przełomu oświecenia w Niemczech w drugiej połowie XVIII wieku (Johann Gottfried Herder. Zur Problematik des aufklärerischen Umbruchs in Deutschland in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts).

Ein anderes, frühes Zeugnis des Interesses an religiösen Belangen der deut-schen Aufklärung und kirchlich-protestantischen Problemen ist seine Mitedition

7 Tadeusz Namowicz: Informacja o zainteresowaniach i osiągnięciach w działalności nauko-wo-badawczej, Manuskript in polnischer Sprache (Information über die Forschungsinteressen und –ergebnisse) vom 11. April 1994, S. 1.

8 Der Text u.d.T. Prof. Dr. Tadeusz Namowicz, nicht näher datiertes Manuskript aus dem Jahre 2003, vom Autor offensichtlich als Hilfe für die Vorbereitung der Festrede zu seinem 65. Ge-burtstag bestimmt, den er leider nicht mehr erlebte, S. 2.

9 Vgl. ebd.

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der Auswahl Filozofi a niemieckiego Oświecenia (Philosophie der deutschen Auf-klärung, 1973) zusammen mit Karol Sauerland und Marek J. Siemek, für die er die Abteilung „Gott, Religion, Kirche“ verfasste. Aus der Resonanz dieses Werkes ist zu ersehen, wie wichtig jene Anthologie für polnische Philosophen, aber auch andere an der Aufklärung interessierte Humanisten war, da sie als Spezifi ka der deutschen Aufklärung die gemäßigte Tendenz zur Versöhnung der Religion mit der Philosophie und der Bibel mit der Vernunft darstellte. Von Belang war, dass Namowicz, was ihm manchen Protest eintrug, auch die Strömung des Pietismus zu den Erscheinungen der Aufklärung zählte10. Die ganze Anthologie ist als Werk dreier Herausgeber thematisch und chronologisch sehr übersichtlich geordnet und mit tiefgründigen, informativen Einleitungen zu jedem der Teile versehen.11

Ferner sind auf dem Gebiet der Religionsgeschichte Namowiczs Mitwirkung an der Edition der deutschen Fassungen der Manuskripte von Andreas Wissowa-tius (1982 im Auftrag der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel), des 4. Bandes der Acta synodalia ecclesiarum Polonias reformatorum (1997) sowie der Briefe von Andreas Dudithius (1998) zu nennen.

Mit der Zeit, und zwar seit den späten 1970er und 1980er Jahren, begann er sich immer intensiver mit solchen Werken der Autoren des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu befassen, in denen die Bedeutung der bildenden Künste, insbesondere der Malerei, für die literarische Kultur der Zeit thematisiert wurde.12 Seine Habilitation widmete Namowicz der verschiedenartigen Rezeption der Winckelmannschen Auffassung klassischer griechischer Kunst bei Goethe, Friedrich Schlegel und dem polnischen Klassizisten Stanisław Kostka-Potocki in der Zeitspanne 1795–1805 resp., im Falle Polens, 1815. In einem komparatisti-schen Verfahren erarbeitete Namowicz drei verschiedene Modelle der Rezeption der Winckelmannschen Theorie, die nicht als Kunstlehre, sondern vor allem in anthropologischer Hinsicht als eine aufklärerische Utopie rezipiert wurde, wobei er vor allem auf Unterschiede zwischen dem polnischen und dem deutschen Mo-dell hinwies, die sich primär aus der unterschiedlichen sozialen und politischen Lage ergaben.

Noch bevor diese umfassende tiefgründige Abhandlung im Druck erscheinen konnte, gab Namowicz ein Teilergebnis seiner Forschungsarbeit u.d.T. Johann Joachim Winckelmann und der Aufklärungsklassizismus 1976 im Geburtsort Win-ckelmanns, Stendal, heraus. Wie Edyta Połczyńska in ihrer Rezension der beiden Bücher schreibt, suchte Namowicz vor allem eine gesellschaftliche Erklärung der Phänomene, lieferte aber auch eine profunde Textanalyse im Sinne der rezeptions-theoretischen „Appellstruktur der Texte“. Das Thema der kleinen in Stendal her-

10 Vgl. die Rezension von Gerard Koziełek in: Kwartalnik Neofologiczny, H. 1, Jg. 1974 (XXI), S. 258–261.

11 So auch die Rezension von Marian Skrzypek: Od Wolfa do Kanta, Nowe Książki, Nr. 16, Jg. 1973, S. 41ff.

12 Vgl. wie in Anm. 8, S. 6.

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ausgebrachten Monographie wurde in der Habilitationsschrift Die aufklärerische Utopie vertieft und wesentlich erweitert, indem u.a. nicht ausschließlich ästhe-tische Theorien, sondern vor allem Aufklärungsideen Hauptgegenstand der Unter-suchungen wurden. Der Begriffsapparat sei grundsätzlich von Karl Mannheim übernommen worden, wobei die Realisierbarkeit der Utopie als „unabdingbare Voraussetzung utopischen Denkens“ gegolten hätte.13

Tadeusz Namowicz hatte seine frühen Arbeiten vor allem als gründlicher Phi-lologe und sensibler Interpret verfasst. Seit den 1970er Jahren lässt sich in seinen Texten ein allmählicher Paradigmenwechsel bemerken, der auf seinem Interesse an Wechselbeziehungen zwischen Literatur und Theologie einerseits und der Kunstrefl exion anderseits fußt. Er beginnt die Literatur in einem breiteren Zusam-menhang als Kulturphänomen neben anderen zu sehen. Er untersucht neben ästhe-tischen Bezügen des (Wort-)Kunstwerkes auch andere „Informationen“, seien sie mentalitätsgeschichtlicher oder realhistorischer (sozialer und politischer) Natur, die in einem Kunstwerk vielleicht deutlicher als in anderen Dokumenten der Zeit zum Ausdruck kommen.14

Schon die Beschäftigung mit dem Werk Herders hatte Namowicz auf die Pro-blematik der Rezeption deutscher Dichter und Denker in Polen aufmerksam ge-macht. Seine Arbeiten zu Winckelmann machten ihm völlig bewusst, dass gewisse Kulturphänomene für Polen bzw. für Deutschland ganz verschiedene Bedeutungen haben. Solche komparatistischen Studien wurden von ihm weiter getrieben, sei es in Bezug auf einzelne literarische Gattungen wie die Idylle, das bürgerliche Dra-ma, den Bildungsroman, sei es als Studien über die Rezeption der deutschen Lite-ratur in Polen und über das „Polenmotiv“ in der deutschen Literatur. Er betrieb die deutsch-polnische (gelegentlich auch die französische und russische Komponente berücksichtigende) Komparatistik unter neuen methodologischen Gesichtspunk-ten, und zwar nicht von direkten persönlichen Einfl üssen ausgehend, sondern von der unterschiedlichen geschichtlichen Entwicklung in den beiden Ländern seit dem 16. Jahrhundert, die um 1800 in völlig differenten Literatur- und Kunstmo-dellen resultierte.15

Ein weiterer Aspekt seiner komparatistischer Forschungen sind seine Texte zur Rezeption der deutschen Literatur in Polen, besonders der Literatur zwischen ca. 1750–1850, aber auch der DDR-Literatur, mit der sich nicht sehr viel polnische Germanisten befasst hatten. Diese Arbeiten wurden in der DDR besonders ge-schätzt, da sie einen anderen Blick auf die ostdeutsche Literatur boten, als es die orthodox marxistische DDR-Literaturkritik und –wissenschaft tat.

Als ein markantes Beispiel seiner komparatistischen Arbeit seien seine bei-den in sprachlichen Doppelversionen zugänglichen Aufsätze genannt: Aufklärung

13 Vgl. Edyta Połczyńska: ???. In: Studia Historica Slavo-Germanica, H. 10, Jg. 1981, S. 260f.

14 Vgl. wie in Anm. 8, S. 6.15 Vgl. ebd., S. 9.

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im Band Deutsche und Polen. 100 Schlüsselbegriffe, hrsg. v. Ewa Kobylińska, Andreas Lawaty und Rüdiger Stephan (1992) und neu formuliert in Deutsche und Polen. Geschichte – Kultur – Politik“, hrsg. von Andreas Lawaty und Hubert Orłowski (2003) sowie sein Aufsatz Romantik im letzteren Band. Diese reifen Früchte seiner Refl exion zeigen kontrastiv und wohl für die beiden Seiten klar und einleuchtend, dass die deutsche, auf das Bürgertum und den aufgeklärten Absolutismus gegründete Aufklärung, und die polnische Aufklärung eines gebil-deten Teiles der Adelsschicht grundlegende Unterschiede aufweisen, was auch im Falle der Romantik der Fall ist, und zwar noch stärker, da die Entwicklung in den beiden Ländern und die ökonomische Zurückgebliebenheit Polens mit der Zeit noch offensichtlicher wurden, sodass die Romantik in Deutschland grundsätzlich anthropologisch-ästhetisch, aber in Polen vor allem praktisch am Befreiungs-kampf gegen die Teilungsmächte interessiert war. Das bewirkt auch eine unter-schiedliche Rezeption dieser Strömungen im öffentlichen Bewusstsein der beiden Länder bis heute – und manche Missverständnisse, wie z.B. die häufi ge Zurech-nung Goethes und Schillers in polnischen Lehrbüchern zur Romantik. Die tief-gründigen und gleichzeitig sehr gut zugänglichen Beiträge von Namowicz könnten bestimmt helfen, einen Teil dieser Missverständnisse aus der Welt zu räumen. Mit der Problematik der gegenseitigen Nationalvorurteile hat er sich direkt durch die Herausgabe (mit Franciszek Grucza) u.a. des Bandes Uprzedzenia między Pola-kami i Niemcami (deutsche Fassung Vorurteile zwischen Deutschen und Polen, 1994) befasst.

Großen Wert legte Tadeusz Namowicz auf die editorische Tätigkeit, um Texte von Autoren deutscher Sprache in Polen zugänglich zu machen. Er refl ektierte darüber im Nachhinein in seinem Todesjahr (2003):

Da die Aufgabe und Verpfl ichtung der polnischen Germanistik nicht zuletzt darin besteht, si-gnifi kante Phänomene deutscher literarischer Kultur an die polnische Öffentlichkeit zu vermit-teln, so engte Namowicz seine Arbeiten nicht nur auf das Werk von Herder ein. Er bemüht sich auch um die Erfassung anderer, hier zu Lande wenig bekannter Erscheinungen im literarischen Deutschland. Verwirklichen lässt sich das vorwiegend durch Ausgaben von Schriften deutscher Dichter und Denker, die bislang nur im Original gelesen werden konnten.16

So gab er 1981 eine Auswahl der ästhetischen Schriften Goethes in polnischer Sprache heraus, die er wie immer mit einem tiefgründigen Kommentar und Erläu-terungen versah. Diese Auswahl, die von der germanistischen Kritik Polens mit großer Freude und Anerkennung begrüßt wurde,17 enthält die wichtigsten theore-tischen Arbeiten Goethes auf dem Gebiet der Kunsttheorie, Architektur, Malerei und Literatur. 1984 bearbeitete er nach den gleichen Prinzipien zwei Bände mit ausgewählten Dramen Goethes, nur dass diesmal die Auswahl nicht von ihm selbst vorgenommen wurde.

16 Ebd., S. 4.17 Vgl. Die Rezensionen von Stefan H. Kaszyński in Miesięcznik Literacki, H. 5, Jg. 1983,

S. 149f. oder GERARD KOZIEŁEK, in Przegląd Humanistyczny, H. 11, Jg. 1983, S. 175–180.

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Die für das polnische Publikum wichtigste Arbeit von Namowicz auf diesem Gebiet ist zweifellos seine Ausgabe ausgewählter Schriften des deutschen Denkers in der berühmten Reihe der Biblioteka Narodowa (Nationalbibliothek): Johann Gottfried Herder: Wybór pism. Warszawa 1987, mit seiner umfassenden Einleitung (79 Seiten), Bibliographie und detaillierten Anmerkungen. Namowicz und seine Frau gehörten auch zu den sieben Übersetzern der Texte. Er wählte für diese Aus-wahl drei Problem- bzw. Textkomplexe. Der umfangreichste Teil enthält literatur-theoretische und -kritische Texte, der zweite bietet eine Auswahl der in Polen so lebendig rezipierten Texte über die Rolle der Slawen im geschichtlichen Prozess und über Polen, der dritte gibt Einblick in die zahlreichen Manuskripte Herders, der nach der Ansicht von Namowicz ein typischer Verfasser des work in progress war, nämlich ständig an den gleichen Themen arbeitete, seine Texte immer wieder neu bearbeitete, Fragmente und unvollendete Fassungen hinterließ.

Als eine der wichtigsten editorischen Leistungen des Warschauer Ordinarius ist ferner seine zeitaufwendige Arbeit an den theoretischen Schriften deutscher Romantiker für die polnischsprachige Ausgabe der Biblioteka Narodowa zu nen-nen, die 2000 erschien. 2002 gab Namowicz in Olsztyn in der Serie Odkrywanie świata (Entdeckung der Welt) Herders Reisejournal aus dem Jahre 1769 (Dziennik podróży) in der Übersetzung von Magdalena Kurkowska mit seiner Einleitung und seinen Erläuterungen heraus. Dies war bestimmt diejenige seiner Herder-Arbeiten, die für die breitesten polnischen Leserkreise bestimmt war. Übrigens hat er seine Vermittlertätigkeit auch auf solche Weise bewerkstelligt, dass er selbst die Über-setzung eines Teils der von ihm herausgegebenen theoretischen Texte (z.B. Her-ders oder Goethes) besorgte.

Ein weiterer Aspekt seiner Betrachtung der Literatur als eines spezifi schen Bestandteils des gesellschaftlichen Bewusstseins war sein Interesse an politisch-gesellschaftlichen Gegenständen und an der Verbindung der Kultur, darunter auch der Kultur im slawisch-deutschen Grenzraum, mit dem geschichtlichen Prozess. Das beste Zeugnis seines Interesses an Fragen der Staatsverfassung und Nations-bildung ist der von ihm edierte sechshundertseitige Band in der gewichtigen Reihe Poznańska Biblioteka Niemiecka von Hubert Orłowski und Christoph Klessmann u.d.T. Państwo a społeczeństwo. Wizje wspólnot niemieckich od oświecenia do okresu restauracji (Staat und Gesellschaft. Visionen der deutschen Verkehrsge-meinschaften von der Aufklärung bis zur Epoche der Restauration, 2001), zu nen-nen. Der Band enthält eine repräsentative Auswahl von Texten deutscher Autoren des 18. und frühen 19. Jahrhunderts zu den Problemen Staat, Volk und Gesell-schaft. Prof. Namowicz wählte diese Texte aus, bearbeitete sie und übersetzte sie zusammen mit einer Reihe anderer Übersetzer (u.a. seiner Frau, Dr. Ewa Namo-wicz) ins Polnische. Eines der reifsten Ergebnisse seiner Forschungserwägungen auf diesem Gebiet ist die umfassende Einleitung zum oben genanten Band, Naród niemiecki – wspólnota ontycznie niewyobrażalna, (Deutsches Volk – eine ontisch nicht vorstellbare Gemeinschaft). Dabei bezog er sich auf z.B. auf die Arbeiten

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von Eric J. Hobsbawm, Benedict Anderson oder Ernest Gellner, die instrumenta-listisch in der Nation ein ideologisches Konstrukt sehen18, sowie auf die geschicht-liche Semantik von Reinhard Koselleck, die sich z.B. mit den Schwierigkeiten befasst, das Designat „deutsches Volk“ zu beschreiben.19 Namowicz zeigt, wie im deutschen Bildungsbürgertum lange die aufklärerische Ansicht herrschte, für die neben der regionalen Heimat die Kategorie der Menschheit ausschlaggebend war. Erst allmählich bildete sich unter dem Einfl uss politischer und kultureller Evolu-tion die Vorstellung von der deutschen politischen Nation als Gegenpol zur älteren der Kulturnation heraus. Die Erklärung dieser Phänomene ist geeignet zur Korrek-tur der in Polen herrschenden oft irrtümlichen Vorstellungen von „Deutschland“ beizutragen sowie einiges Licht auch auf den heutigen, so schwer erfolgenden, Vereinigungsprozess zu werfen. Gleichzeitig ist diese Anthologie ein Beispiel Na-mowiczs vorbildlicher editorischer Arbeit.

Zu diesem zwischen Politologie, Soziologie, Geschichts- und Literaturwis-senschaft pendelnden Interessenkreis von Namowicz gehören auch z.B. seine der Rezeption der Französischen Revolution in Deutschland, den ideologischen Vor-aussetzungen der Literatur in der DDR und in späteren Arbeiten auch im konser-vativen deutschen Schrifttum seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und der Instru-mentalisierung der Literatur im Dritten Reich gewidmeten Arbeiten. Er selbst weist auf die Anregung zu letzteren Untersuchungen durch die Mentalitätsge-schichte hin und vermerkt: „Dabei handelt es sich vornehmlich um die Erfassung all dieser Momente, die seit der Reichsgründung von 1871 in der fi ktionalen Lite-ratur und in der Literaturforschung als Vorstufe zur nationalsozialistischen Ideo-logie des Dritten Reiches angesehen werden können.“20

Es sei noch auf zwei miteinander verbundene Aspekte seiner breiten For-schungspalette hingewiesen: einerseits den Einsatz von Prof. Namowicz auf dem Gebiet der Fragen des Kulturgrenzraumes, über den er in Lublin drei Tagungen, zusammen mit Jan Miziński und nach dessen Tode mit Izabella Golec, veranstal-tete und die von ihnen zusammen herausgegebenen drei Tagungsbände Literatur im Kulturgrenzraum (1992, 1994, 1997); anderseits auf seine eingehende Beschäf-tigung mit der Kulturlandschaft „Ostpreußen“ in der deutschen Literatur. Das

18 Eric J. Hobsbawm: Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780. Frankfurt am Main 1991; Benedict Anderson: Imagined Communities. Refl ections on the Origins and Spread of Nationalism. London-New York 1983 (Übers.ins Poln.: Wspólnoty wyobrażone. Rozważania o źródłach i rozprzestrzenianiu sie nacjonalizmu, übers. von Stefan Amsterdamski. Kraków-Warsza-wa 1997) oder Ernest Gellner: Nations and Nationalism, 1983 (poln.: Narody i nacjonalizm, übers. von Teresa Hołówka, 2. Aufl . Warszawa 2009).

19 Vgl. Reinhard Koselleck: Volk. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hrsg. v. O. Brunner, W. Conze, R. Koselleck, Bd. 7. Stuttgart 1992, S. 141–431. Angeführt nach Tadeusz Namowicz: Państwo a społeczeństwo. Wizje wspólnot niemieckich od oświecenia do okresu restauracji, wyb. i oprac. Tadeusz Namowicz. Po-znań 2001, S. 17.

20 Wie in Anm. 8, S. 7.

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„Grenzlandphänomen“ war für ihn dasjenige, an dem „ethnische Konfl ikte ge-schürt werden können und geschürt worden waren.“21 Dabei beschäftigte er sich mit verschiedenen Zeiträumen. Von seinen Herder-Forschungen ausgehend schildert er das literarische Zentrum an der Grenze des deutschen Sprachraumes, Königsberg, in der Zeit der Aufklärung.22 Spätestens in diesem Zusammenhang ist auch an seine zahlreichen Arbeiten über den Zeitgenossen Herders, den „Magus des Nordens“, Johann Georg Hamann, zu erinnern, dessen Werke Namowicz ins Polnische übersetzen wollte. Ferner interessierte ihn das Phänomen Ostpreußen in der Literatur vor 1939 (z.B. bei Miegel oder Skowronnek), als es zur Warnung vor der „polnischen Gefahr“ instrumentalisiert wurde. Schließlich beschäftigte sich Namowicz auch mit der Thematisierung des Heimatverlustes und der nostalgi-schen Erinnerung an die ostpreußische Heimat in der deutschen Literatur nach 1945 (z.B. bei Arno Surminski).

Die Generationen seiner Schüler und Kollegen, die Tadeusz Namowicz kann-ten, werden ihn in dankbarer Erinnerung bewahren, als einen moralisch integren, intakten, wahrheitsliebenden, im Lehrprozess tief engagierten Menschen, auf den man sich immer verlassen konnte, die Jüngeren werden vielleicht seinen Mythos kennen lernen. Es gibt unersetzbare Verluste und jeder, der Tadeusz Namowicz näher gekannt hat, insbesondere wohl jeder seiner Schüler, weiß, dass wir es in diesem Fall mit solch einem Verlust zu tun haben. Er lebt weiter in seinem immen-sen Werk und in der Erinnerung derjenigen, die ihn persönlich kannten, was gleichbedeutend mit „schätzten“ und meistens auch „gern hatten“ ist, besonders jener, die ihn geliebt haben. Unter den polnischen Germanisten, die in der Zeit von 1964 bis 2004 tätig waren, spielte er eine ganz besondere Rolle dank seiner geis-tigen Souveränität, seinem sich mit der Zeit frei entfaltenden Esprit, seinem Sinn für Humor, besonders aber seiner ausgeglichenen Kollegialität, seiner absoluten Zuverlässigkeit und seiner freundlichen stetigen Hilfsbereitschaft.

Unersetzbar ist auch sein Intellekt, sein Fleiß und sein wissenschaftliches Leistungsvermögen. Heutzutage befassen sich die meisten germanistischen Lite-raturwissenschaftler Polens mit dem 20. Jahrhundert, die Arbeiten zur sog. Neue-ren deutschen Literatur, zum 18. sowie zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, sind weniger beliebt. Und mit Namowicz konnte sich keiner in der Kompetenz für Li-teratur zwischen ca. 1750–1850 messen. Er wirkte bewusst als Vermittler zwi-schen dem polnischen und dem deutschen Lesepublikum, thematisierte die Kultu-

21 Ebd., S. 7.22 Vgl. z.B. Tadeusz Namowicz: Der „Genius loci” und die literarische Kultur der Zeit. Kö-

nigsberg und seine Dichtung im 18. Jahrhundert. In: Königsberg-Studien. Beiträge zu einem beson-deren Kapitel der deutschen Geistesgeschichte des 18. und angehenden 19. Jahrhunderts, hrsg. v. Joseph Kohnen. Frankfurt am Main 1998, S. 1–13; Tadeusz Namowicz: Ein literarisches Zentrum an der Peripherie – Königsberg in der Mitte des 18. Jahrhunderts. In: Stätten deutscher Literatur. Studien zur literarischen Zentrenbildung 1750–1815, hrsg. v. Wolfgang Stellmacher. Frankfurt am Main 1998, S. 125–144.

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runterschiede und deren Ausdruck in der Literatur, edierte die zahlreichen von ihm ausgewählten und meistens auch kommentierten, z.T. auch von ihm selbst über-setzten Texte in wichtigen Reihen auf dem polnischen Büchermarkt. Polonisten und andere polnische Geisteswissenschaftler nahmen mit Anerkennung und Dank-barkeit seine fundierten, stets klaren und übersichtlich dargestellten Informationen über die deutsche Literatur, Kultur im allgemeinen und über politisch-soziale Be-lange Deutschlands wahr. Zugleich repräsentierte er die polnische Germanistik in hervorragender Weise im internationalen Wissenschaftsdialog besonders mit Deutschland, wo man, zuerst in der DDR, dann auch in der BRD, seine Arbeiten gerne wahrnahm und wertschätzte. Er trug ganz bestimmt zur Entwicklung un-serer wissenschaftlichen Disziplin bedeutend bei. Zu betonen ist auch die Breite seiner Themenpalette und der Reichtum seiner methodologischen, stark interdis-ziplinären Zugänge, die tiefes und sehr gut geordnetes Wissen aus dem Bereich verschiedener Geistes- und Gesellschaftswissenschaften gezielt einsetzten. Er be-saß das Wissen eines Polyhistor, wie es heutzutage selten anzutreffen ist, das ihm erlaubte, mit einer großen Leichtigkeit sich auf dem Ozean der verwandten Diszi-plinen der Literaturwissenschaft wie Philosophie, Soziologie, Theologie oder Po-litwissenschaft zu bewegen, wobei er grundlegende Kenntnisse mit Esprit und großer persönlicher Bescheidenheit verband.

Literaur23

Primärliteratur

Monographien:

1. Pietismus im Werk des jungen Herder. Warszawa 1970 [Dissertation, Maschi-nenschrift], 484 Seiten.

2. Johann Joachim Winckelmann und der Aufklärungsklassizismus in Polen. Stendal 1976, 42 Seiten

3. Die aufklärerische Utopie. Rezeption der Griechenauffassung J.J. Winckel-manns um 1800 in Deutschland und Polen. Warszawa 1978, 213 Seiten.

4. Johann Gottfried Herder. Z zagadnień przełomu oświecenia w Niemczech w drugiej połowie XVIII wieku. Olsztyn 1995,183 Seiten.

23 Das Verzeichnis der Arbeiten von Tadeusz Namowicz wurde anhand seiner „Schriftenver-zeichnisse“ angefertigt, von denen eins bis 2002 reicht und 18 Seiten umfasst und das andere bis 2003 geht, aus 35 chronologisch gegliederten Seiten besteht und auch die Arbeiten „im Druck“ be-rücksichtigt. Letztere wurden im Gespräch mit Dr. Ewa Namowicz und anhand des Internets verifi -ziert.

Oft mussten die ganzen Vornamen der Herausgeber und rezensierten Autoren ergänzt werden, da Prof. Namowicz meistens nur das Initial des Namens verwendet hatte.

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Editionen:

1. Filozofi a niemieckiego oświecenia. Wybrane teksty z historii fi lozofi i. War-szawa 1973, 635 Seiten [Hrsg. mit Karol Sauerland und Marek J. Siemek; Vorwort, Erläuterungen und Kommentar zum Teil III: Bóg, religia, Kościół, S. 29 –39, 214–316].

2. Johann Wolfgang Hoethe. Wybór pism estetycznych. Warszawa 1981, 414 Sei-ten [Hrsg., Vorwort, Erläuterungen und Kommentar].

3. Andreas Wissowatius, Religio Rationalis (Edition Trinlinguis). Wolfenbüttel 1982, 167 Seiten [Hrsg. mit Zbigniew Ogonowski, Juliusz Domański, Hu-bert Vandenbossche, Jeroom Vercruysse; Vorwort und Edition des deutschen Textes].

4. Johann Wolfgang Goethe. Dramaty wybrane, Bd. 1–2. Warszawa 1984, 452 und 392 Seiten [Vorwort, Erläuterungen und Kommentar].

5. Johann Gottfried Herder. Wybór pism. Wrocław 1987, Biblioteka Narodowa, Reihe 2, Bd. 222, LXXXVI und 542 Seiten [Hrsg., Vorwort, Erläuterungen und Kommentar].

6. Lessing und Probleme der deutschen und der polnischen Aufklärung. Wrocław 1983, 124 Seiten [Hrsg. mit Olga Dobijank-Witczakowa].

7. Parallelen und Kontraste. Studien zu literarischen Wechselbeziehungen in Europa zwischen 1750 und 1850. Berlin-Weimar 1983, 406 Seiten [Hrsg. mit Hans-Dietrich Dahnke et al.].

8. Literatur zwischen Revolution und Restauration. Studien zu literarischen Wechselbeziehungen in Europa zwischen 1789 und 1835. Berlin-Weimar 1989, 248 Seiten [Hrsg. mit Siegfried Streller].

9. Literatur im Kulturgrenzraum, Bd. 1. Lublin 1992, 133 Seiten [Hrsg. mit Jan Miziński].

10. Literatur im Kulturgrenzraum, Bd. 2. Lublin 1994, 173 Seiten [Hrsg. mit Iza-bella Golec].

11 Uprzedzenia między Polakami i Niemcami, 200 Seiten; die deutsche Fassung: Vorurteile zwischen Deutschen und Polen, 212 Seiten. Warszawa 1994 [Hrsg. mit Franciszek Grucza et al.].

12. Literatur im Kulturgrenzraum, Bd. 3. Lublin 1997, 271 Seiten [Hrsg. mit Iza-bella Golec].

13. Synod w Ostrorogu. 12–17 października 1618. In: Acta synodalia ecclesiarum Poloniae refomatorum, Bd. 4, Polonia Maior 1569–1632, hrsg. v. Maria Sipayłło. Warszawa 1997, S. 270–294 [Edition des deutschen Textes].

14. Dein Deutsch. Materiały pomocnicze. Warszawa o. J., 125 Seiten [Hrsg. mit Ewa Namowicz].

15. Deutsch und Auslandsgermanistik in Mitteleuropa. Geschichte – Stand – Aus-blicke. Warszawa 1998, 592 Seiten [Hrsg. mit Franciszek Grucza et al.].

16. Briefe von Andrzej Dudycz aus dem Jahre 1575, Brief 535, S. 94–96; Brief 539, S. 108; Brief 552, S. 140f.; Brief 586, S. 197–199; Brief 673, S. 388–390;

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Brief 708, S. 460f. In: Andreas Dudihius, Epistulae. Editae curantibus Lecho Szczucki et Tiburio Szpessy, Pars IV 1575. Edidit Catharina Kotońska, com-mentariis instruxit Halina Kowalska. Budapest 1998 [Edition des deutschen Textes].

17. Moses Mendelssohn. O oczywistości w naukach metafi zycznych. Wrocław 1999, 133 Seiten [Hrsg. mit Radosław Kuliniak und Tomasz Małyszek].

18. Problemy komunikacji międzykulturowej. Lingwistyka, translatoryka, glotto-dydaktyka. Warszawa 2000, 480 Seiten [Hrsg. mit Barbara Z. Kielar].

19. pisma teoretyczne niemieckich romantyków, Biblioteka Narodowa, Reihe 2, Bd. 246. Wrocław 2000, XCVIII und 603 Seiten [Vorwort, Erläuterungen und Kommentar].

20. Państwo a społeczeństwo. Wizje wspólnot niemieckich od oświecenia do okresu restauracji, Serie Poznańska Biblioteka Niemiecka, Hrsg. HUBERT ORŁOWSKI und Christoph Kleßmann. Poznań 2001, 606 Seiten [Vorwort, Erläuterungen und Kommentar].

21. Johann Gottfried Herder. Dziennik mojej podróży roku 1769, Serie: Odkry-wanie świata. Olsztyn 2002, 140 Seiten [Vorwort, Erläuterungen und Kom-mentar].

Studien und Beiträge:

1. Pietismus in der deutschen Kultur des 18. Jahrhunderts. Bemerkungen zur Pietismusforschung. In: Weimarer Beiträge, H. 3, 1967, S. 469–480.

2. Pietyzm a literatura niemieckiego oświecenia. In: Przegląd Humanistyczny, H. 3, S. 63–71.

3. Pietistisches in Herders frühen Gedichten. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1969, S. 359–369.

4. Heine a tradycje niemieckiego oświecenia. In: Przegląd Humanistyczny, H. 6, 1973, S. 7–17.

5. Zur Lyrik der jüngsten Dichtergeneration der DDR. In: Weimarer Beiträge, H. 11, 1973, S. 113–127.

6. O literaturze NRD w latach siedemdziesiątych. In: Przegląd Humanistyczny, H. 8, 1974, S. 141–145.

7. O poezji najmłodszego pokolenia NRD. In: Literatura na świecie, H. 9, 1974, S. 246–253.

8. Pietismus und Antike als Komponenten des Herderschen Frühwerkes. In: Bü-ckeburger Gespräche über J.G. Herder, hrsg. v. Johann Gottfried Maltusch. Rinteln 1976, S. 1–21.

9. „Zrinyi” Theodora Körnera w życiu literackim Polski XIX wieku. In: Studia z dziejów polsko-węgierskich stosunków literackich, hrsg. v. Istvan Csápláros. Warszawa 1978, S. 219–226.

10. Deutsche Literatur des 18. Jahrhunderts in Polen. Haupttendenzen der Re-zeption und ihre Soziologischen Aspekte. In: Probleme der Literatursoziolo-

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gie und der literarischen Wirkung, hrsg. v. Thomas Höhle, Dietrich Sommer, Halle-Saale 1978, S. 28A–46.

11. Herder und die moderne polnische Kultur. In: Johann Gottfried Herder. Zur Herder-Rezeption in Ost- und Südosteuropa, hrsg. v. Gerhard Ziegengeist. Berlin-Ost 1978, S. 86–91.

12. Probleme der Wirkungsgeschichte Herders im literarischen Polen der Auf-klärung und der beginnenden Romantik. In: Weimarer Beiträge, H. 10, 1987, S. 24–37.

13. Klopstock-Rezeption in Polen in der Zeit von der Aufklärung bis zur Roman-tik. In: Friedrich Gottlieb Klopstock. Werk und Wirkung, hrsg. v. Hans-Georg Werner, Berlin-Ost 1978, S. 115–123.

14. Zakres i sposób przedstawiania kultury niemieckiej w przygotowywanej synte-zie. In: Problemy metodologiczne dziejów Niemiec, hrsg. v. Antoni Czubiński. Poznań 1978, S. 166–168.

15. Wien und die Aufklärung in Galizien. In: Österreichisch-polnische literaris-che Nachbarschaft, hrsg. v. Hubert Orłowski. Poznań 1979, s. 21–31.

16. „Das Rad der ändernden Zeit drehet sich indessen unaufhaltsam“. Zur Wir-kungsgeschichte J.G. Herders in Polen. In: Impulse. Folge 2, hrsg. v. Walter Dietze, Peter Goldammer, 1979, S. 116–133.

17. „Der Aufenthalt” von Hermann Kant. Betrachtungen über literarhistorische Zusammenhänge. In: Studia Germanica Posnaniensia, Bd. 8, 1979, S. 31–44.

18. Zur komparatistischen Erforschung genetischer und typologischer Kontaktbe-ziehungen zwischen der polnischen und deutschen Literatur um 1800. In: Acta Universitatis Lodziensis, Reihe I, H. 54, 1980, S. 5–20.

19. Funktionen der Idylle in der deutschen und polnischen Aufklärung. In: Ak-ten des VI. Internationalen Germanisten-Kongresses Basel 1980, hrsg. v. H. Rupp, Hans-Gert Roloff, Reihe A, Bd. 8, 3. Bern 1980 S. 111–116.

20. Lessings antiquarische Schriften. Kunstbetrachtung und anthropologische Refl exion in der europäischen Aufklärung. In: Lessing-Konferenz Halle 1979, hrsg. v. Hans-Georg Werner. Halle-Saale 1979, S. 311–326.

21. La littérature allemande en Pologne au Siècle des Lumières. In: Actes du IX e Congrès de’l Association Internationale de Littérature Comparée 1979, Bd. 2, Communication littéraire et réception. Innsbruck 1980, S. 391–395.

22. Herders Humanitätsidee und die aufklärerische Utopie. In: Herder-Kolloqui-um 1978, hrsg. v. Walter Dietze et al. Weimar 1980, S. 228–338.

23. Privates und öffentliches Interesse im bürgerlichen Drama des 18. Jahrhun-derts in Deutschland und Polen. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1980, S. 397–404.

24. Das Polenmotiv in der Literatur der DDR. Versuch einer Synthese. In: Der Weg zum Nachbarn. Beiträge zur Thematisierung deutsch-polnischer Bez-iehungen in der Literatur des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Edyta Połczyńska. Poznań 1982, S. 11–26.

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25. Zu „deutsch-polnischen Begegnungen” im Zeitalter der Aufklärung. Thesen und Tatsachen. In: Gebrauchsliteratur, Interferenz, Kontrastivität. Beiträge zur polnischen und deutschen Literatur- und Sprachwissenschaft, hrsg. v. Bernhard Gajek, Erwin Wedel. Frankfurt am Main 1982, S. 115–125.

26. Begreifen und benennen. Zur sprachlichen Struktur der Erzählung „ein Schritt nach Gomorrha“ von Ingeborg Bachmann. In: Thematisierung der Sprache in der österreichischen Literatur des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Michael Klein, Sigurd Paul Scheichl. Innsbruck 1982, S. 93–101.

27. Goethe in der polnischen Sprachkritik und Literaturforschung bis 1939. In: Germanistisches Jahrbuch DDR-VR Polen 1980–82. Warszawa 1982, S. 5–23.

28. Gessner und Karpiński. Gattungspoetik und literarische Praxis in der Idyl-lendichtung des 18. Jahrhunderts. In: Parallelen und Kontraste. Studien zu literarischen Wechselbeziehungen in Europa zwischen 1750 und 1850, hrsg. v. Hans-Dietrich Dahnke et al. Berlin-Weimar 1983, S. 73–107.

29. Zur Problematik sozialer Konfl ikte im bürgerlichen Drama der Aufklärung in Deutschland und Polen, hrsg. v. Olga Dobijanka-Witczakowa, Tadeusz Na-mowicz. Wrocław 1983, S. 81–99.

30. Zur Instrumentalisierung des Goethebildes im Dritten Reich. In: Traditionen und Traditionssuche des deutschen Faschismus, hrsg. v. Günter Hartung, Hu-bert Orłowski, Halle-Saale 1983, S. 61–78.

31. Zur geschichts- und staatsphilosophischen Problematik in Faust letztem Mo-nolog. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 2, 1983, S. 145–155.

32. Aufklärung und Revolution. Zu literarischen Texten der Jakobiner in Fran-kreich, Deutschland und Polen. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, H. 6, 1983, S. 541–548.

33. W kręgu rozważań Goethego nad sztuką. In: Przegląd Humanistyczny, H. 11, Warszawa, 1983, S. 45–56.

34. Die frühe Prosa Hermann Hesses und die Traditionen der deutschen Auf-klärung. In: Welt und Roman, hrsg. v. Antal Mádl, Miklos Salyámosy. Buda-pest 1983, S. 257–267.

35. Antike und Slawentum. Zur ideologischen Funktion der Vergangenheit-sauffassung um 1800 in Deutschland und Polen. In: Antikerezeption, An-tikeverhältnis, Antikebegegnung in Vergangenheit und Gegenwart, hrsg. v. Jürgen Dummer, Michael Kunze, Bd. 2. Stendal 1983, S. 565–576.

36. Das Polenmotiv in der Literatur der DDR. In: Annäherung und Distanz. DDR-Literatur in der polnischen Literaturkritik, hrsg. v. MANFRED DIERSCH u. HUBERT ORŁOWSKI. Halle-Leipzig 1983, S. 319–339.

37. Jakobinische Gedichte und Lieder in Frankreich, Deutschland und Polen. In: Germanica Wratislaviensia, Bd. 58, 1984, S. 49–65.

38. Zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte J.G. Herders in Polen am Anfang des 19. Jahrhunderts. In: Germanica Wratislaviensia, Bd. 44, 1984, S. 141–152.

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39. Perfektibilität und Geschichtlichkeit des Menschen in Herders Schriften der Bückeburger Zeit. In: Bückeburger Gespräche über Johann Gottfried Herder, hrsg.v. Brigitte Poschmann. Rinteln 1983, S. 82–97.

40. Jakobinerdrama in Deutschland. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1984, S. 455–464.

41. Poetyka sformułowana a poetyka immanentna w literaturze niemieckiej XVIII wieku. In: ??? H. 5/6, Warszawa, 1984, S. 1–11.

42. O najnowszych syntezach literatury niemieckiej XVIII wieku w RFN. In: Wiek oświecenia, Bd. 4, Warszawa, 1984, S. 215–222.

43. O literaturze polskiego i niemieckiego oświecenia w ujęciu porównawczym. In: Rocznik Towarzystwa Literackiego im Adama Mickiewicza, Bd. 19, 1985, S. 67–74.

44. Der Streit um die „Kunstperiode”. In: Weimarer Beiträge, H. 4, 1985, S. 679–685.45. Gegen den Mythos vom deutschen Sonderweg. In: Kontroversen, alte und

neue. In: Akten des VII. Internationalen Germanistenkongresses Göttingen, Bd. 9. Tübingen 1985, S. 146–152.

46. Westdeutsche Literaturwissenschaft zwischen Mathematik und Soziologie. In: Od kodu do kodu. Warszawa 1978, S. 287–296.

47. Goethes Stellung in der Kunstforschung seiner Zeit. In: Impulse, Folge 10, hrsg. v. Walter Dietze, Werner Schubert, 1987, s. 125–155.

48. Der Aufklärer Herder, seine Predigten und Schulreden. In: Johann Gottfried Herder 1744–1803, hrsg. v. Gerhard Sauder. Hamburg 1987, S. 23f.

49. Schillers Schriften zur Geschichte in komparatistischer Sicht. In: Friedrich Schiller. Angebot und Diskurs, hrsg. v. Helmut Brandt. Berlin-Weimar 1987, S. 125–155.

50. Literatur des „völkischen Lebensgrunds“ und die deutsche Dorfgeschichte seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. In: Traditionen und Traditionssuche des deutschen Faschismus, 2. Protokollband, hrsg. v. Günter Hartung, Hubert Orłowski. Halle 1987, S. 166f.

51. Friedrich Schiller in der Literaturforschung des Dritten Reiches. In: Traditio-nen und Traditionssuche des deutschen Faschismus, 2. Protokollband, hrsg. v. Günter Hartung, Hubert Orłowski. Poznań 1988, S. 9–27.

52. Galizien nach 1772. Zur Entstehung einer literarischen Provinz. In: Galizien als gemeinsame Literaturlandschaft, hrsg. v. Fridrun Rinner, Klaus Zerin-schek. Innsbruck 1988, S. 65–74.

53. Agathon und Mikołaj Doświadczyński im Spannungsfeld von Utopie und au-fklärerischer Mediocritas. Zur Problematik des Bildungsromans in der deu-tschen Aufklärung. In: Dass eine Nation die andere verstehen möge, hrsg. Norbert Honsza, Hans-Gert Roloff. Amsterdam 1988, S. 515–534.

54. Die komplementäre Funktion der deutschen Literatur. Vom Mittelalter bis zur Goethezeit und dem bürgerlichen Realismus. In: Die Rezeption der polnis-chen Literatur im deutschsprachigen Raum und die der deutschsprachigen

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Tadeusz Namowicz (1938–2003) 237

in Polen 1945–1985, hrsg. Heinz Kneip, Hubert Orłowski. Darmstadt 1988, S. 287–306.

55. Winckelmanns und Lessings Begegnung mit Italien. In: Winckelmanns Wir-kung auf seine Zeit. Lessing – Herder – Heyne, hrsg. v. Hans Dietrich Irm-scher. Stendal 1988, S. 55–69.

56. „Kippenberg” und „Kassandra”. In: Z problemów literatury NRD w latach siedemdziesiątych, hrsg. v. Zbigniew Światłowski. Rzeszów 1988, S. 101–118.

57. Die Französische Revolution aus konservativer Sicht: Paul Ernst Novelle „Die Göttin der Vernunft“. In: Skamandros. Germanistisches Jahrbuch DDR-VR Polen, Sonderband, 1988, S. 214–229.

58. Goethes Schriften zur Kunst aus der spätklassischen Zeit. In: Literatur zwis-chen Revolution und Restauration. Studien zu literarischen Wechselbeziehun-gen in Europa zwischen 1789 und 1835, hrsg. v. Siegfried Streller, Tadeusz Namowicz. Berlin-Weimar 1989, S. 143–164.

59. Anthropologie und Geschichtsphilosophie in Herders „Ältester Urkunde“ in ihrem Verhältnis zum Menschenbild des Sturm und Drang. In: Bückeburger Ge-spräche über Johann Gottfried Herder 1988. Älteste Urkunde des Menschen-geschlechts, hrsg. v. Brigitte Poschmann. Rinteln 1989, S. 245–267.

60. Zagadnienie „tradycji goetheańskiej” w refl eksji o literaturze. In: Poszu-kiwania teoretyczno-literackie, hrsg. v. Eugeniusz Czaplejewicz, Edward Kasperski. Wrocław 1989, S. 101–114.

61. Wirkliche und literarische Räume: Stadt und Land in der deutschen, franzö-sischen und polnischen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts. In: Actes du XIIe Congrès de’l Association Internationale de Littérature Comparée, Mün-chen 1988. Espace et Frontières, Bd. 3. München 1990, S. 325–330.

62. Karl Immermanns Kunstverständnis im Zeichen der nachklassischen Zeit – Ausklang einer Epoche. In: „Widerspruch, du Herr der Welt!“ Neue Studien zu Karl Immermann, hrsg. v. Peter Hasubek. Bielefeld 1990, S. 216–243.

63. Formulated and Immanent Poetics in 18th Century German Literature. In: Refl exion on Literature in Eastern and Western Cultures, hrsg. v. Eugeniusz Czaplejewicz, Mikołaj Melanowicz. Warszawa 1990, S. 165–190.

64. Rekonstruktion literarischer Phänomene und Dechiffrierung des kulturellen Gedächtnisses. Überlegungen zum Thema „polnische Germanistik und deu-tsche Literaturgeschichte“. In: Skamandros – Dialog I. Begleitheft zum Ger-manistischen Jahrbuch der DDR-VR Polen. Warszawa 1990, S. 69–78.

65. Altpreußen als Grenzland. Zu einem Motiv in den historischen Romanen von Ernst Wiechert. In: Das literarische Antlitz des Grenzlandes, hrsg. v. Krzysz-tof A. Kuczyński, Th. Schneider. Frankfurt am Main-Bern-New York-Paris 1991, S. 124–141.

66. Winckelmann und Herder oder Wege zu einer unpolitischen Aufklärung am Anfang des 19. Jahrhunderts. In: Płockie Rozprawy Neofi lologiczne, Bd. I, 1991, S.135–143.

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238 Maria K³añska

67. Die „romantische Partei” ohne Freunde und Verehrer. In: Płockie Rozprawy Neofi lologiczne, Bd. I, 1991, S. 144–152.

68. Parallelität von Konservativem und Revolutionären um 1800 und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In: Akten des VIII. Internationalen Germanisten-Kon-gresses Tokio 1990, Bd. 11. München 1991, S. 245–252.

69. Fritz Adam, Joachim Ahlemann. In: Die Deutsche Literatur. Biographisches und bibliographisches Lexikon, hrsg. v. Hans-Gert Roloff, Reihe VI: Die Deu-tsche Literatur von 1890 bis 1990, Abteilung A: Autorenlexikon. Bd. 1. Bern-Berlin-Frankfurt am Main-New York- Paris-Wien, S. 175, 396f.

70. Erster Schritt zur Normalität. In: Werkheft Literatur „Gert Heidenreich”. München 1991, S. 56.

71. Aufklärung. In: Deutsche und Polen. 100 Schlüsselbegriffe, hrsg. v. Ewa Kobylińska, Andreas Lawaty, Rüdiger Stephan. München-Zürich 1992, S. 133–139.

72. „Via antiqua“ und „via moderna“. Zu Goethes Auseinandersetzung mit der Kunst der Romantik. In: Germanica Wratislaviensia, Bd. 95, 1992, S. 91–107.

73. Zur Thematisierung der Führergestalt in den biographisch-historischen Ro-manen Walter von Molos. In: Traditionen und Traditionssuche des deutschen Faschismus, hrsg. v. Hubert Orłowski, Günter Hartung, 4. Protokollband, Po-znań 1992, S. 73–91.

74. Der „politische Held” im Drama der Aufklärung in Mittel- und Osteuropa. Johannes Elias Schlegel versus Wacław Rzewuski. In: „Der Buchstab’ tödt – der Geist macht lebendig“, Bd. 1, Bern 1992, S. 321–335.

75. Le „thème polonais“ dans la littérature de la République Démocratique Alle-mande. In: Komparatistik und Europaforschung. Perspektiven vergleichender Literatur- und Kulturwissenschaft. Bonn-Berlin 1992, S. 189–212.

76. Begegnung mit der „Fremde“. Zum Werk von Christa Wolf. In: Germanica Wratislaviensia, Bd. 95, 1992, S. 33–39.

77. The Place of Action as Imagined Space of the 18th Century German Novel. In: Categories of Time and Space in Eastern and Western Poetics, hrsg. v. Euge-niusz Czaplejewicz, Mikołaj Melanowicz. Warszawa 1992, S. 205–233.

78. Die Kunsterfahrung deutscher Autoren im Umfeld der französischen Revolu-tion von 1789. In: Acta Philologica, Bd. 20, 1992, S. 27–45.

79. Literatur im Kulturgrenzraum. Zu einigen Aspekten ihrer Erforschung am Be-ispiel des deutsch-polnischen Dualismus. In: Literatur im Kulturgrenzraum, hrsg. v. Tadeusz Namowicz, Jan Miziński. Lublin 1992, S. 57–79.

80. Ostpreußen und Pomerellen. Zu einem Thema in der deutschen und polnis-chen Literatur der zwanziger und dreißiger Jahre. In: Literatur im Kulturgren-zraum, hrsg. v. Tadeusz Namowicz, Jan Miziński. Lublin 1992, S. 57–79.

81. Czym jest dla mnie oświecenie. In: Czym jest dla mnie oświecenie. Warszawa 1993, S. 19–22.

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Tadeusz Namowicz (1938–2003) 239

82. Konteksty ideowe bajki w polskim i niemieckim oświeceniu. In: Przegląd Hu-manistyczny, H. 4, 1993, S. 31–38.

83. Zwischen Historizität und rückwärtsgewandter Utopie. Ostpreußen als „Hei-mat“ in der deutschen Literatur nach 1945. In: Heimat und Heimatliteratur in Vergangenheit und Gegenwart, hrsg. v. Hubert Orłowski. Poznań 1993, S. 77–92.

84. Protestantisch oder katholisch? Zum Problem des Konfessionellen in der Literatur der Aufklärung am Beispiel lehrhafter Dichtung in Deutschland und Polen. In: Brücken. Festgabe für Gert Hummel, hrsg. v. Thomas v. Gamkreli-dze. Tbilisi-Konstanz 1993, S. 323–341.

85. Zur Deutung religiöser Bezüge in den Äußerungen über die Malerei bei Wa-ckenroder, Tieck und Friedrich Schlegel. In: Zwischen den Wissenschaften. Beiträge zur deutschen Literaturgeschichte. Bernhard Gajek zum 65. Geburts-tag, hrsg. v. Gerhard Hahn, Ernst Weber. Regensburg 1994, S. 171–179.

86. Herder und die slawisch-osteuropäische Kultur. In: Johann Gottfried Her-der: Geschichte und Kultur, hrsg. v. Martin Bollacher. Würzburg 1994, S. 341–355.

87. Agnes Miegel als Dichterin des Grenzlandes. In: Literatur im Kulturgren-zraum, Bd. 2, hrsg. v. Izabella Golec, Tadeusz Namowicz. Lublin 1994, S. 57–69.

88. Herder-Gedenkstätten und Herder-Nachlaß im „Dritten Reich“. In: Herder im „Dritten Reich“, hrsg. v. Jost Schneider. Bielefeld 1994, S. 37–49.

89. [zus. mit Brigitte Schultze]: Geschichte und Kultur im Brennglas: Polnische Schlüsselbegriffe als Herausforderung für Übersetzer. In: Kwartalnik Neofi -lologiczny, H. 2, 1994, S. 135–152.

90. Feudale Gesellschaft und bürgerliche Vernunft. Zur Fabeldichtung in der polnischen Aufklärung. In: Fabel und Parabel. Kulturgeschichtliche Pro-zesse im 18. Jahrhundert, hrsg. Theo Elm, Peter Hasubek. München 1994, S. 175–191.

91. Zur religiösen Komponente in Herders Auffassung von Volk und Nation. In: Theion. Jahrbuch für Religionskultur, Bd. 6, Sein ist im Werden. Essays zur Wirklichkeitskultur bei Johann Gottfried Herder anlässlich seines 250. Geburtstages, hrsg. v. Wilhelm-Ludwig Federlin. Frankfurt am Main 1995, S. 153–169.

92. Bettina von Arnim (1785–1859). In: „…nie będzie nigdy Niemiec Polakowi bratem…?”, hrsg. v. Marek Zybura. Wrocław 1995, S 137–165.

93. Bettina von Arnim, In: Odra, H. 11, 1995, S. 47–54.94. Heinrich Kleist in der DDR. Ein preußischer Dichter und die sozialistische

Literaturgesellschaft. In: Kleist-Jahrbuch 1995, S. 150–166.95. Między antropologią a polityką. O konstelacjach polskiego i niemieckiego

oświecenia w ujęciu porównawczym. In: Oświecenie – kultura – myśl, hrsg. v. Julian Platt. Gdańsk 1995, S. 159–172.

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240 Maria K³añska

96. Oświecenie. In: Polacy i Niemcy. 100 kluczowych pojęć, hrsg. v. Ewa Koby-lińska, Andreas Lawaty, Rüdiger Stephan, Warszawa 1996, S. 111–116.

97. Vaincre le désespoir. Les Lumières et le début du romantisme allemand. In: Les Fins de Siècle dans les littératures européennes. Décadence – Conti-nuité – Renouveau. Sous la direction de Henryk Chudak. Warszawa 1996, S. 89–100.

98. Zur Semiologie kultureller Codes in der deutschen Aufklärung. In: Kwartal-nik Neofi lologiczny, H. 2, 1996, S. 117–129.

99. Regiony polityczno-kulturowe obszaru języka niemieckiego i ich litera-tura. In: Literatura a heterogeniczność kultury. Poetyka i obraz świata, hrsg. v. Eugeniusz Czaplejewicz, Edward Kasperski. Warszawa 1996, S. 110–120.

100. Die Grenze zu Polen. Richard Skowronneks „ostpreußische Romane“. In: Literatur im Kulturgrenzraum, Bd. 3, hrsg. v. Izabella Golec, Tadeusz Na-mowicz. Lublin 1997, S. 19–38.

101. Die Unfähigkeit zu beschreiben. Zur DDR-Literatur nach 1989. In: Die Re-zeption der deutschsprachigen Erzählliteratur nach der Wende 1989, hrsg. v. Norbert Honsza, Theo Mechtenberg. Wrocław 1997, S. 23–38.

102. La réception slave der Herder. In: Herder et la Philosophie de l’Histoire, hrsg. v. Pierre Pénisson. Iaşi 1997, S. 104–114.

103. Gleichheit Revolution Slawische Literaturen. In: Goethe-Handbuch, hrsg. v. Bernd Witte et al., Bd. IV/1–2, Personen, Sachen, Begriffe, Stuttgart-Wei-mar 1998, S. 386–388, 905–908, 992–994.

104. Der „Genius loci” und die literarische Kultur der Zeit. Königsberg und sei-ne Dichtung im 18. Jahrhundert. In: Königsberg-Studien. Beiträge zu einem besonderen Kapitel der deutschen Geistesgeschichte des 18. und ausgehen-den 19. Jahrhunderts, hrsg. v. Joseph Kohnen, Frankfurt am Main 1998, S. 1–13.

105. Ein literarisches Zentrum an der Peripherie – Königsberg in der Mitte des 18. Jahrhunderts. In: Stätten deutscher Literatur. Studien zur literarischen Zentrenbildung 1750 –1815, hrsg. v. Wolfgang Stellmacher. Frankfurt am Main 1998, S. 125–144.

106. Zum Problem der Vorstellung von kollektiver Identität zwischen Aufklärung und Romantik. In: Nationale Identität. Aspekte, Probleme und Kontroversen in der deutschsprachigen Literatur, hrsg. v. Joanna Jabłkowska, Małgorzata Półrola. Łódź 1998, S. 40–49.

107. Die deutsche Klassik in Polen. Unbelastete Brücke im deutsch-polnischen Verhältnis? In: Deutsche Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg. Zur Mög-lichkeit und Unmöglichkeit geistiger Brückenbildung, hrsg. v. Peter Mast. Bonn 1998, S. 9–22.

108. Johann Georg Hamann. Uwagi na marginesie książki sir Isaiaha Berlina. In: Borussia, H. 16, 1998, S. 184–191.

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Tadeusz Namowicz (1938–2003) 241

109. Standortgebundenheit und Rückbezüglichkeit der Germanistik. In: Deutsch und Auslandsgermanistik in Mitteleuropa. Geschichte – Stand – Ausblicke, hrsg. v. Franciszek Grucza et al. Warszawa 1998, S. 560, 584–586.

110. Glosse zur Diskussion über die Universitätsgermanistik in Polen nach 1989. In: Deutsch Mitteleuropa Geschichte – Stand – Ausblicke, hrsg. v. Franciszek Grucza et al. Warszawa 1998, S. 568–575.

111. Bemerkungen zum Projekt einer Übersetzung ausgewählter Schriften und Briefe von Johann Georg Hamann ins Polnische. In: Johann Georg Hamann und England. Hamann und die englischsprachige Aufklärung, hrsg. v. Bern-hard Gajek. Frankfurt am Main 1999, S. 519–533.

112. „Rede, dass ich Dich sehe.“ Gottes Rede und Gottes Schweigen bei Johann Georg Hamann. In: „…wortlos der Sprache mächtig.“ Schweigen und Spre-chen in der Literatur und sprachlicher Kommunikation, hrsg. v. Hartmut Eggert, Janusz Golec. Stuttgart-Weimar 1999, S. 31–44.

113. Zur Literatur in Ostpreußen als einem Phänomen der „Grenzlandliteratur“. In: Studia Germanica Posnaniensia, Bd. 24, 1999, S. 81–89.

114. [zusammen mit Brigitte Schulze]: Historia i kultura pod soczewką: kluczo-we pojęcia polskiej kultury jako wyzwanie dla tłumacza. In: Perspektywy polonistyczne i komparatystyczne, hrsg. v. Brigitte Schulze. Kraków 1999, S. 3–22.

115. O tłumaczeniu pism Johanna Georga Hamanna na język polski jako pro-blemie transferu kulturowego. In: Problemy komunikacji międzykulturowej. Lingwistyka, translatoryka, glottodydaktyka. Warszawa 2000, S. 176–190.

116. Goethe und die europäische Malerei. In: Goethe: Vorgaben, Zugänge, Wir-kungen, hrsg. v. Wolfgang Stellmacher, Lászlo Tarnói. Frankfurt am Main 2000, S. 67–83.

117. Adam Mickiewiczs „Vorwort” zu den „Balladen und Romanzen” und die deutsche Literatur um 1800. In: Adam Mickiewicz und die Deutschen, hrsg. v. Ewa Mazur-Kębłowska, Ulrich Ott. Wiesbaden 2000, S. 50-66.

118. Cellini, Winckelmann und Hackert. Zur Problematik der Künstlervitae Goe-thes. In: Resonanzen, hrsg. v. Sabine Doering, Waltraud Maierhofer, Peter Philipp Riedl. Würzburg 2000, S. 131–140.

119. [zusammen mit Marian Szyrocki]: Niemiecko-polskie związki literackie. In: Literatura polska XX wieku. Przewodnik encyklopedyczny, Bd. 2. Warszawa 2000, S. 487–495.

120. Deutsche Literatur in Polen, in: Tausend Jahre polnisch-deutsche Bezie-hungen. Sprache – Literatur – Politik, hrsg. Franciszek Grucza. Warszawa 2001, S. 170–187.

121. Flucht, Vertreibung und Zwangsaussiedlung in der westdeutschen Literatur über Ostpreußen. In: Landschaften der Erinnerung. Flucht und Vertreibung aus deutscher, polnischer und tschechischer Sicht, hrsg. v. Elke Mehnert. Frankfurt am Main 2001, S. 158–187.

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242 Maria K³añska

122. Menschheitsgeschichte versus Geschichte von Völkern (Nationen) und Sta-aten. Problematik und Strategie ihrer Darstellung in Herders „Ideen“. In: Vom Selbstdenken. Aufklärung und Aufklärungskritik in Herders „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“, hrsg. v. Regina Otto, John H. Zammito. Heidelberg 2001, S. 105–117.

123. Zur Tabuisierung der Sexualität in den literarischen Texten der deutschen Aufklärung. In: Tabu und Tabubruch, hrsg. v. Hartmut Eggert, Janusz Golec. Stuttgart-Weimar 2002, S. 97–114.

124. Kazimierz Brodziński jako tłumacz „Cierpień młodego Wertera”. In: Recep-cja. Transfer. Przekład, hrsg. v. Jan Koźbiał. Warszawa 2002, S. 5–18.

125. Ablehnung und Affi rmation des Staates in den Erzählungen Heinrich von Kleists. In: Recht und Gerechtigkeit bei Heinrich von Kleist, hrsg. Peter En-sberg, Hans-Jochen Marquardt. Stuttgart 2002, S. 35–48.

126. Justus Möser. Schriftsteller und Staatsmann des 18. Jahrhunderts. In: Enga-gement, Debatten, Skandale. Deutschsprachige Autoren als Zeitgenossen, hrsg. v. Joanna Jabłkowska, Małgorzata Półrola. Łódź 2002, S. 23–31.

128. Antologia literatury polskiego oświecenia w serii „Polnische Bibliotek” Karla Dedeciusa. In: Etos inteligenta-humanisty pokolenia 1919. Osoba, działalność i twórczość profesora Zdzisława Libery, hrsg. v. Roman Tabor-ski. Warszawa 2003, S. 127–139.

129. Oświecenie. In: Polacy i Niemcy. Historia – kultura – polityka, hrsg. v. An-dreas Lawaty, Hubert Orłowski. Poznań 2003, S. 337–345.

130. Romantyzm. In: Polacy i Niemcy. Historia – kultura – polityka, hrsg. v. An-dreas Lawaty, Hubert Orłowski. Poznań 2003, S. 346–354.

131. Aufklärung, in: Deutsche und Polen. Geschichte– Kultur – Politik, hrsg. v. Andreas Lawaty, Hubert Orłowski. München 2003, S. 296–304.

132. Romantik, Deutsche und Polen. Geschichte – Kultur – Politik, hrsg. v. An-dreas Lawaty, Hubert Orłowski. München 2003, S. 304-312.

133. Mittel-, Ost- und Südosteuropa versus westeuropäische Länder. Konstanz und Wandel aufklärerischer Konzepte. In: Concepts and Symbols of the Eig-hteenth Century in Europe. Aufklärung in Europa. Einheit und Vielfalt, hrsg. v. Werner Schneiders, Berlin 2003, S. 27–43.

134. Albrecht, Gustav Carl August; Albrecht, Maria Sophie Elizabeth. In: Die Deutsche Literatur. Biographisches und biobibliographisches Lexikon, Re-ihe VI, Die Deutsche Literatur zwischen 1890 und 1990. Abt. A: Autorenle-xikon, Nd. 1: Lieferung 6–9, hrsg. v. Friedrich Frommann, Günter Holzboog. Stuttgart-Bad Cannstatt 2003, S. 663–664, 676.

135. Berlin versus Weimar. Zu einem Phänomen deutscher Kulturgeschichte. In: Preußen – preußischer Geist, hrsg. v. Gabriele Hundrieser, Hans-Georg Pott. Bielefeld 2003, S. 27–43.

136. Deutsche Literatur in der polnischen Spätaufklärung und die Anfänge der polnischen Romantik. In: Perspektiven der polnischen Germanistik in Sprach- und Literaturwissenschaft. Festschrift für Olga Dobijanka-Witcza-

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Tadeusz Namowicz (1938–2003) 243

kowa zum 80. Geburtstag, hrsg. v. Antoni Dębski, Krzysztof Lipiński. Kra-ków 2004, S. 135–148 [posthum].

137. „Symbol światłego myślenia i wrażliwego wyrażania uczuć”. Uwagi o no-wej edycji „Dzieł wybranych” Johanna Wolfganga Goethego. In: Recepcja. Transfer. Przekład, Bd. 2, 2004, S. 5–11 [posthum].

Berichte und Rezensionen:

1. [Rez.] Gerhard Kaiser: Pietismus und Patriotismus im literarischen Deutsch-land. In: Euhemer, H. 3, 1964, S. 57–61.

2. [Rez.] Gerhard Kaiser: Klopstock. Religion und Dichtung. In: Przegląd Hu-manistyczny, H. 4, 1965, S. 163–169.

3. [Bericht] Eröffnung des Herdermuseums in dessen Geburtsstadt Morąg. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 1, 1965, S. 61f.

4. [Rez.] Emil Adler, Herder i oświecenie niemieckie. In: Euhemer, H. 1, 1966, S. 56–59.

5. [Bericht] Herder-Gedenkstätten in Morąg. In: Weimarer Beiträge, H.2, 1966, S. 313–315.

6. [Bericht] Stosunki polsko-niemieckie w dziedzinie literatury. In: Miesięcznik Literacki, H. 1, 1970, S. 124–126.

7. [Bericht] Konferencja naukowa Towarzystwa im. Winckelmanna w Erfurcie. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, Warszawa, 1972, S. 194–198.

8. [Bericht] Sesja naukowa poświęcona twórczości Henryka Heinego. In: Przegląd Humanistyczny, H. 2, 1973, S. 194–198.

9. Estetyka zachodnioniemieckiej „Nowej Lewicy“, [Rez.] Friedrich Tomberg: Politische Ästhetik. Darmstadt-Neuwied 1973. In: Przegląd Humanistyczny, H. 3, 1974, S. 152–155.

10. O kryzysie sztuki we współczesnym kapitalizmie, [Rez.] Hans Heinz Holz: Vom Kunstwerk zur Ware. Neuwied-Berlin 1972. In: Studia Filozofi czne, H. 4, 1974, S. 192–195.

11. [Rez.] Hinrich C. Seeba: Die Liebe zur Sache. Tübingen 1973. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1975, S. 479–482.

12. [Bericht] Das Herder-Museum in Mohrungen, In: Bückeburger Gespräche über J.G. Herder, 1975, hrsg. v. J.G. Maltusch. Rinteln 1976, S. 141–149.

13. [Bericht zusammen mit Frank Wagner] Konferenz zur Widerspiegelung deutsch-polnischer Beziehungen in der deutschsprachigen Literatur. In: Wei-marer Beiträge, H. 12, 1976, S. 162f.

14. [Rez.] Dietger Langer: Grundzüge der polnischen Literaturgeschichte. Darm-stadt 1975. In: Kritikon Litterarum, H. 3/4, 1976, S. 162f.

15. [Rez.] Positionen polnischer Literaturwissenschaft in der Gegenwart, hrsg. v. Eberhard Dieckmann, Maria Janion. In: Kritikon Litterarum, H. 3/4, 1976, S. 191f.

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244 Maria K³añska

16. [Rez.] Berthold Häsler: Beiträge zu einem neuen Winckelmannbild. Berlin-Ost 1973. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 2, Warszawa 1978, S. 261f.

17. [Rez.] Reformation und Frühaufklärung in Polen, hrsg. v. Paul Wrzecionko. Göttingen 1977. In: Kritikon Litterarum, H. 1/2, 1978, S. 36f.

18. [Rez.] Słownik literatury polskiego oświecenia, hrsg. v. Teresa Kostkiewiczo-wa. Wrocław 1977. In: Kritikon Litterarum, H. 1/2, 1978, S. 45f.

19. [Rez.] Wiek Oświecenia, Bd. 1–3. Warszawa 1978. In: Kritikon Litterarum, H. 3/4, 1979, S. 166.

20. [Rez.] Günter Mieth: Friedrich Hölderlin. Dichter der bürgerlich-demokra-tischen Revolution. Berlin 1978. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1980, S. 481f.

21. [Bericht zusammen mit Bożena Nowotka] O badaniach nad literaturą niemieckojęzyczną. Na marginesie konferencji germanistów PRL i NRD w Warszawie. In: Przegląd Humanistyczny, H. 3, 1980, S. 169f.

22. Was ist Aufklärung?, [Rez.] Geschichte der Deutschen Literatur, Bd. 6. Ber-lin 1979. In: Weimarer Beiträge, H. 2, 1981, S. 137–142.

23. [Rez.] Heinz Hamm: Goethes „Faust“. Werkgeschichte und Textanalyse. Berlin 1978. In: Germanistisches Jahrbuch DDR-VR Polen 1980–1982, S. 278–282.

24. Johann Gottfried Hamann – współczesne tendencje i perspektywy badawc-ze, [Rez.] Acta des Internationalen Hamnn-Colloquiums in Lüneburg, 1976. Frankfurt am Main 1979. In: Przegląd Humanistyczny, H. 11, 1983, S. 181–186.

25. [Rez.] Jerzy Kasprzyk: Zeitschriften der polnischen Aufklärung und die deutsche Literatur. Gießen 1982. In: Kritikon Litterarum, H. 1/4, 1983, S. 51–53.

26. [Rez.] Gegenwartsliteratur in Osteuropa und in der DDR, hrsg. v. R.-D. Klu-ge. München 1982. In: Kritikon Litterarum, H. 1/4, 1984, S. 38f.

27. [Rez. zu:] Günter Hartung: Ästhetik des deutschen Faschismus. Berlin 1983. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1984, S. 531–533.

28. [Rez.] Schiller. Das dramatische Werk in Einzelinterpretationen, hrsg. v. Hans-Dietrich Dahnke, Bernd Leistner. Leipzig 1982. In: Zeitschrift für Germanistik, H. 3, 1984, S. 355–357.

29. [Bericht] Gemeinsames Wirken in Literatur- und Sprachwissenschaft. 25 Jah-re der Zusammenarbeit von Germanisten in Warschau und der DDR. In: Bör-senblatt für den Deutschen Buchhandel, H. 29, 1984, S. 533–535.

30. [Rez.] Hans-Georg Werner: Text und Dichtung – Analyse und Interpretation. Zur Methodologie literaturwissenschaftlicher Untersuchungen. Berlin-Wei-mar 1984. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, Warszawa, 1985, S. 483f.

31. [Rez.] Hans Einsle: Ich warte auf Dich in Ischia. Die Liebe der Larissa Peta-la. Roman. Mühlacker 1983. In: Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft Stendal, Nr. 49, 1985, S. 19–24.

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Tadeusz Namowicz (1938–2003) 245

32. [Bericht] Jahreshauptversammlung der Winckelmann-Gesellschaft. Stendal 1984. In: Mitteilungen der Winckelmann-Gesellschaft Stendal, H. 49, 1985, S. 19–24.

33. [Rez.] Marian Szyrocki: Die deutschsprachige Literatur von ihren Anfängen bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. Warszawa 1986. In: Kwartalnik Neofi lolo-giczny, H. 2, 1987, S. 243–245.

34. [Rez.] Aufklärung und Nationen im Osten Europa, hrsg. v. Lászlo Sziklay. Budapest 1983. In: Wiek oświecenia, Bd. 6. Warszawa 1989, S. 185–187.

35. [Bericht] Komparatystyka na rozdrożu. Na margnesie VII Kongresu Litera-tury Porównawczej w Monachium. In: Przegląd Humanistyczny, H. 7, 1989, S. 187–190.

36. [Rez.] Eugeniusz Klin: Deutsch-polnische Literaturbeziehungen. Bausteine der Verständigung von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Köln-Wien 1988. In: Kritikon Litterarum, H. 1/4, 1990, S. 76–78.

37. Panorama kultury niemieckiej od oświecenia po Wiosnę Ludów, [Rez.] Maria Wawrykowa: U progu nowoczesności. Szkice z dziejów kultury niemieckiej XVIII i XIX wieku. Warszawa 1989. In: Przegląd Humanistyczny, H. 2, 1990, S. 179–183.

38. Z prac komparatystyki literackiej w RFN. Międzynarodowa bibliografi a histo-rii i teorii komparatystyki, [Rez.] Internationale Bibliographie zu Geschich-te und Theorie der Komparatistik, hrsg. v. H. Dyserink, M.S. Fischer. In: Przegląd Humanistyczny, H. 8, Warszawa, 1990, S. 157–159.

39. [Rez.] Hans Adler: Die Prägnanz des Dunklen. Gnoseologie – Ästhetik – Ge-schichtsphilosophie bei Johann Gottfried Herder. Hamburg 1990. In: Kwar-talnik Neofi lologiczny, H. 4, 1990, S. 361–363.

40. [Bericht] Deutsch-polnische literarische Wechselbeziehungen. Bericht zu ei-nem Gemeinschaftsprojekt der polnischen und der DDR-Germanisten für die Jahre 1986–1990. In: Skamandros. Germanistisches Jahrbuch der DDR-VR Polen, 1990, S. 323–335.

41. [Rez.] Debatten und Kontroversen. Literarische Auseinandersetzungen in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, hrsg. v. Hans-Dietrich Dahnke, Bernd Leistner, Bd. 1–2. Berlin-Weimar 1989. In: Zeitschrift für Germanistik. Neue Folge, H. 1, 1991, S. 189–191.

42. [Bericht] Die „Wende“, die deutsche Vereinigung und ihre Folgen für das Deutschstudium im internationalen Kontext. In: Jahrbuch Deutsch als Fremd-sprache, Bd. 17, 1991, S. 332f.

43. [Rez.] Edyta Połczyńska: Im polnischen Wind. Poznań 1988. In: Germanica Wratislaviensia, Bd. 92, 1991, S. 308–312.

44. [Bericht] Gründung des Verbandes polnischer Germanisten. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 3, 1991, S. 276f.

45. [Rez.] Geschichte der großen Revolution in Frankreich. Von Friedrich Schultz, hrsg. v. Gerard Koziełek. In: Germanica Wratislaviensia, Bd. 95, 1992, S. 122–125.

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46. [Rez.] Manfred Fleischer: Strömungen der polnischen Gegenwartsliteratur (1945–1989). Ein Überblick. München 1988. In: Kritikon Litterarum, H. 1/2, 1992, S. 71–73.

47. [Rez.] Wolfram Eggeling, Martin Schneider: Der russische Werther. Analysen und Materialien zu einem Kapitel deutsch-russischer Literaturbeziehungen. München 1988. In: Kritikon Litterarum, H. 1/2, 1992, S. 64–66.

48. [Rez.] Ewald Trojansky: Pessimismus und Nihilismus der romantischen Welt-anschauung, dargestellt am Beispiel Puškins und Lermontovs. Frankfurt am Main 1990. In: Kritikon Litterarum, H. 3/4, 1992, S. 151–153.

49. [Rez.] Ästhetische Grundbegriffe. Studien zu einem historischen Wörterbuch. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 2, 1992, S. 169–171.

50. [Rez.] Der deutsch-deutsche Literaturstreit oder „Freunde, es spricht sich schlecht mit gebundener Zunge“, hrsg. v. Karl Deiritz, Hannes Krauss. Hamburg-Zürich 1991. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1992, S. 317–319.

51. [Bericht] Zur Gründung und zu den Zielsetzungen des Verbands Polnischer Germanisten. In: Deutsch-polnisches Jahrbuch der Germanistik 1993, Opole 1993, S. 195–199.

52. [Rez.] Waltraud Maierhofer: „Wilhelm Meisters Wanderjahre“ und der Roman des Nebeneinander. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 2, 1993, S. 129–131.

53. [zusammen mit FRANCISZEK GRUCZA]: Profesor Marian Szyrocki 1928–1992 (in memoriam). In: Nauka Polska, H. 2–3, 1993, S. 217–224.

54. [Bericht] O sytuacji w badaniach nad oświeceniem w Niemczech. In: Wiek oświecenia, Bd. 10. Warszawa, 1994, S. 137–141.

55. [Rez.] Gerhard Rademacher: Von Eichendorff bis Bienek. Schlesien als offene literarische „Provinz“. Wiesbaden 1993. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 2, 1994, S. 193–195.

56. [Bericht] Neuwahl im Verband polnischer Germanisten. In: Kwartalnik Neo-fi lologiczny, H. 2, 1994, S. 216f.

57. [Bericht] Polnische Forschungen zur Aufklärung. In: Das achtzehnte Jahr-hundert. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts: Aufklärung(en) im Osten, H. 1, 1995, S. 129–132.

58. [Bericht, zusammen mit Lech Kolago, Birgit Rek] Aus der Arbeit des Verban-des Polnischer Germanisten. Treffen mit dem Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Johannes Bauch, in Warschau. In: Convivium. Germanistisches Jahrbuch, Polen 1995, S. 257–262.

59. [Rez.] Verrat an der Kunst. Rückblicke auf die DDR-Literatur, hrsg. v. Karl Deiritz, Hannes Krauss. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1995, S. 447–449.

60. [Rez.] Ingrid Kuhnke: Polnische schöne Literatur in deutscher Übersetzung 1900– 1992/93. Bibliographie. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1995, S. 462f.

61. [Rez.] Außenseiter der Aufklärung, hrsg. v. Günter Hartung. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 2, 1996, s. 192–194.

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62. [Rez.] Benedikt Jessing: Johann Wolfgang Goethe. Stuttgart 1995. In: Kwar-talnik Neofi lologiczny, H. 2, 1996, S. 194f.

63. [Bericht] Tagung des „Görlitzer Kreises”. In: Kwar-talnik Neofilologiczny, H. 2, 1996, S. 199f.

64. [Bericht] Niemcy: Literatura. In: Nowa Encyklopedia Powszechna PWN w 6 tomach. Warszawa 1996, Bd. 4, S. 469–471.

65. „Posener Deutsche Bibliotek”. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 2, 1997, S. 153f.

66. [Rez.] Hubert Orłowski: „Polnische Wirtschaft”. Zum deutschen Polendis-kurs der Neuzeit. Wiesbaden 1996. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1997, S. 313–315.

67. [Rez.] Aufklärung in Schlesien im europäischen Spannungsfeld. Traditionen – Diskurse – Wirkungen, hrsg. v. Wojciech Kunicki. Wrocław 1996. In: Kwar-talnik Neofi lologiczny, H. 4, 1997, S. 315–317.

68. Nachruf auf Emil Adler. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1997, S. 323f.69. [Rez.] Die polnische Verfassung vom 3. Mai 1791 vor dem Hintergrund euro-

päischer Aufklärung, hrsg. v. Helmut Reinalter, Peter Leisching. Frankfurt am Main 1997. In: Das achtzehnte Jahrhundert, H. 2, 1998, S. 221f.

70. [Rez.] Europejskie źródła myśli estetyczno-literackiej polskiego Oświecenia. Antologia wypowiedzi pisarzy francuskich, niemieckojęzycznych i angielskich 1674–1810, hrsg. v. Teresa Kostkiewiczowa, Zbigniew Goliński. Warszawa 1997. In: Wiek Oświecenia, Bd. 14, Warszawa 1997, S. 341–343.

71. [Rez.] Johann Gottfried Herders humanistisches Denken und universale Wir-kung, hrsg. v. Jan Data, M. Szczodrowski. Gdańsk 1997. In: Wiek Oświecenia, Bd. 14. Warszawa, 1998, S. 347f.

72. [Rez.] Heinz Hamm: Goethe und die französische Zeitschrift „Le Globe“. Weimar 1998. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1998, S. 435–437.

73. [Rez.] 1000 Jahre Danzig in der deutschen Literatur. Studien und Beiträge, hrsg. v. Marek Jaroszewski, Studia Germanica Gedaniensia, Bd. 5, 1998. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1998, S. 439–441.

74. [Rez.] „Nachbarn sind der Rede wert”. Bilder der Deutschen von Polen und der Polen von Deutschen in der Neuzeit, hrsg. v. Johannes Hoffmann. Dort-mund 1997. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 4, 1998, S. 437–439.

75. 416 Zitate aus der deutschsprachigen Litera-tur, in: Księga cytatów, Warszawa 1998, S. 392–466.

76. [Rez.] Ewa Kobylińska, Andreas Lawaty, Rüdiger Stephan: Deutsche und Polen. 100 Schlüsselbegriffe. München-Zürich 1992; Polacy i Niemcy. 100 kluczowych pojęć. Warszawa 1996. In: Niemiecki w dialogu & Deutsch im Dialog. Warszawa 199?, S. 157–160.

77. [Rez.] Enzyklopädien, Lexika und Wörterbücher im 18. Jahrhundert. In: Das achtzehnte Jahrhundert, H. 1, Jg. 22, 1998. In: Wiek Oświecenia, Bd. 15. Warszawa 1999, S. 449f.

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78. Tysiąc lat stosunków polsko-niemieckich. Język – literatura – kultura – poli-tyka. Międzynarodowy Kongres Milenijny. In: Nauka, H. 3, 2000, S. 139–149.

79. [Rez.] Mieczysław Klimowicz: Polsko-niemieckie pogranicza literackie w XVIII wieku. Problemy uczestnictwa w dwu kulturach. Wrocław 1998. In: Napis, Reihe VI (200), Warszawa, 2000, S. 319–324.

80. [Rez.] La Recherche dix-huitiémiste. Objets, methodes et instititutions (1945–1999), hrsg. v. Michel Delon, Jochen Schlobach. Paris 1998. In: Wiek Oświecenia, Bd. 16. Warszawa 2000, S. 253–255.

81. [Rez.] Hubert Orłowski: Literatur und Herrschaft – Herrschaft und Literatur. Frankfurt am Main 2000. In: Zbliżenia – Annäherungen, H. 2, 2001, S. 120–122.

82. [Rez.] Polen und Österreich im 18. Jahrhundert, hrsg v. Walter Leitsch, Stanisław Trawkowski unter der Mitwirkung v. W. Kriegseisen. Warszawa 2000. In: Wiek Oświecenia, Bd. 17, Warszawa, 2001, S. 218–220.

83. [Rez.] Günter Hartung: Deutschfaschistische Literatur und Ästhetik. Gesam-melte Studien. Leipzig 2001. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 2, 2001, S. 189–191.

84. [Rez.] Hans Dietrich Irmscher, Johann Gottfried Herder. In: Kwartalnik Neo-fi lologiczny, H. 2, 2002, S. 76–79.

85. [zusammen mit Krzysztof A. Kuczyński]: Emil Adler – polski badacz twórczości Johanna Gottfrieda Herdera. In: Studien zur Deutschkunde, Bd. 26, 2003, S. 459–466.

Sekundärliteratur24

Rezensionen:

1. Miedziński, Ziemowit [Rez.]: Filozofi a niemieckiego oświecenia. Wyboru do-konali oraz wstępami poprzedzili Tadeusz Namowicz, Karol Sauerland, Marek J. Siemek. Warszawa 1973. In: Kultura, Nr. 27, Jg. 1973, S. 9.

2. Skrzypek, Marian: Od Wolfa do Kanta [Rez.]: Filozofi a niemieckiego oświe-cenia. Wyboru dokonali oraz wstępami poprzedzili Tadeusz Namowicz, Karol Sauerland, Marek J. Siemek. Warszawa 1973. In: Nowe Książki, Nr. 16, Jg. 1973, S. 41–43.

24 Das Verzeichnis der Rezensionen von Arbeiten Tadeusz Namowicz sowie der Nachrufe auf den Verstorbenen mag unvollständig sein – es wurde von Maria Kłańska anhand der Polska Bibliogra-fi a Literacka (Druckfassung: Warszawa 1967–1988; Internetfassung: <http//pbl.ibl.poznan.pl/dostep/index.php?s=d_biezacy&f=zapisy&p_...>. [Zugang am 20. November 2009]); sowie der Basen Bazy Biblioteki Narodowej, Baza: Artykuły z czasopism polskich, MARC 1996–2004 und MARC, 2005-...; zugänglich im Internet: <http://mak.bn.org.pl/cgi-bin/makwww.exe?BM=25&IM=03&WI=...>; <http://mak.bn.org.pl/cgi-bin/makwww.exe?BM=03&IM=07&WI=...> [Zugang am 12. Januar 2010], angefertigt.

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Tadeusz Namowicz (1938–2003) 249

3. Koziełek, Gerard [Rez.]: Filozofi a niemieckiego oświecenia. Wyboru doko-nali oraz wstępami poprzedzili Tadeusz Naumowicz, Karol Sauerland, Marek J. Siemek. Warszawa 1973. In: Kwartalnik Neofi lologiczny, Nr. 1, Jg. 1974, S. 258–261.

4. Połczyńska, Edyta [Rez.]: Tadeusz Namowicz: Johann Joachim Winckelmann und der Aufklärungsklassizismus in Polen. Stendal 1976, und: Die aufkläreri-sche Utopie. Rezeption der Griechenauffassung J.J. Winckelmanns um 1800 in Deutschland und Polen. Warszawa 1978. In: Studia Historica Slavo-Ger-manica, Nr. 10, Jg. 1981, S. 258–261.

5. Rieck, Werner: Eibnlicke in Debatten und Konzeptionen über Kunst, Men-schenbild und Gesellschaftsideal um 1800 [Rez.]: Tadeusz Namowicz: Die aufklärerische Utopie. Rezeption der Griechenauffassung J.J. Winckelmanns um 1800 in Deutschland und Polen. Warszawa 1978. In Germanistisches Jahr-buch DDR-VRP 1980–82, Warszawa 1982, S. 283–287.

6. Kuczyński, Krzysztof A. [Rez.]: Lessing und Probleme der deutschen und der polnischen Aufklärung. Wiss. Leitung: Olga Dobijanka-Witczakowa, Tadeusz Namowicz, Wrocław 1983. In: Studia Historica Slavo-Germanica, Nr. 13, Jg. 1984, S. 301f.

7. Koziełek, Gerard: Johann Wolfgang Goethe – teoretyk literatury i sztuki [Rez.] Johann Wolfgang Goethe, Wybór pism estetycznych. Wybrał, opracował i wstępem poprzedził Tadeusz Namowicz. Tłumacze różni. Warzawa 1981.In: Przegląd Humanistyczny, Nr. 11, Jg. 1983, S. 175–180.

8. Kaszyński, Stefan H.: W kręgu estetyki Goethego [Rez.]: Johann Wolfgang Goethe. Wybór pism estetycznych. Wybrał, opracował i wstępem poprzedził Tadeusz Namowicz. Tłumacze różni. Warzawa 1981. In: Miesięcznik Literak-ki, Nr. 5, Jg. 1983, S. 149–150.

9. Sikora, Jan: Johann Gottfried Herder. Wybór pism, wybór i oprac. Tade-usz Namowicz, Wrocław 1987. In: Ruch Filozofi czny, Nr. 2, Jg. 1990, S. 160f.

10. Kamińska, Krystyna: Herder a Polska [Rez.]: Johann Gottfried Herder. Wybór pism, wybór i oprac. Tadeusz Namowicz. Wrocław 1987. In: Nowe Książki, Nr. 4, S. 48f.

11. Kamińska, Krystyna: Obecność Herdera [Rez.]: Johann Gottfried Herder. Wybór pism, wybór i oprac. Tadeusz Namowicz, Wrocław 1987. In: Kultura, Nr. 12, Jg. 1989, S. 10.

12. Czekańska, Małgorzata: Tadeusz Namowicz: Johann Gottfried Herder. Z zagadnień przełomu oświecenia w Niemczech w drugiej połowie XVIII wie-ku. Olsztyn 1995. In: Przegląd Zachodni, Nr. 2, 1997, S. 231–234.

13. Herrmann, Christopher: Herder [Rez.]: Tadeusz Namowicz: Johann Gottfried Herder. Zzagadnień przełomu oświecenia w Niemczech w drugiej połowie XVIII wieku. Olsztyn 1995. In: Borussia, Nr. 16, Jg. 1998, S. 366f.

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250 Maria K³añska

14. Libera, Zdzisław [Rez.]: Tadeusz Namowicz: Johann Gottfried Herder. Z zagadnień przełomu oświecenia w Niemczech w drugiej połowie XVIII wie-ku. Olsztyn 1995. In: Wiek Oświecenia Nr. 13, Jg.1998, S. 255–258.

15. Czejarek, Karol [Rez.]: Państwo a społeczeństwo. Wizje wspólnot niemiek-kich od oświecenia do okresu restauracji, wybór i oprac. Tadeusz Namowicz. Poznań 2001. In: Studia Niemcoznawcze, Bd. 24, Jg. 2001, S. 805–809.

16. Kuliniak, Radosław [Rez.]: Państwo a społeczeństwo. Wizje wspólnot nie-mieckich od oświecenia do okresu restauracji, wybór i oprac. Tadeusz Na-mowicz, Poznań 2001. In: Zbliżenia polsko-niemieckie, Nr. 1, Jg. 2002, S. 158–160.

17. Zmierczak, Maria [Rez.]: Państwo a społeczeństwo. Wizje wspólnot niemiek-kich od oświecenia do okresu restauracji, wybór i oprac. Tadeusz Namowicz, Poznań 2001. In: Czasopismo Prawniczo-Historyczne (SPR!), H. 1, Jg. 2002, S. 476–479.

Nachrufe:

1. Ekier, Jakub: Profesor Tadeusz Namowicz 1938–2003. In: Literatura na Świe-cie, Nr. 9/10, Jg. 2003, S. 440f.

2. Grucza, Franciszek: O życiu, twórczości i spuściźnie Tadeusza Namowicza / Zum Leben, Wirken und Nachlass von Tadeusz Namowicz. In: Kwartalnik Neofi -lologiczny Nr. 1–2, 2003, S. 24–39; Veröffentlichungsverzeichnis S. 41–53.3. Golec, Izabella: Profesor Tadeusz Namowicz (1938–2003). In: Lubelskie Mate-riały Neofi lologiczne, Nr 27, Jg. 2003, S. 195–200. 4. Kłańska, Maria: Nachruf. Tadeusz Namowicz (17.07.1938–13.06.2003). In: Convivium. Germanistisches Jahrbuch Polen 2003, Bonn 2004, S. 391–400.5. Jabłkowska, Joanna: In memoriam Tadeusz Namowicz. In: Studia Niemcoznaw-cze, Warszawa 2004, Bd. 27, S. 9–18.6. Orłowski, Hubert: Tadeusz Namowicz 17 VII 1938–13 VI 2003, Spalte: Wspo-mnienia. In: Przegląd Zachodni, Nr. 3, Jg. 2004, S. 297–299.7. Jaroszewski, Marek: Tadeusz Namowicz (17 VII 1938–13 VI 2003). In: Recep-cja. Transfer. Przekład, Jg. 2004, S. 225–232. 8. Biuletyn Polskiego Towarzystwa Badań nad Wiekiem Osiemnastym, Nr. 8, Jg. 2004. Zugänglich im Internet: <www.wiekosiemnasty.pl/BIULETYN%20NR%208.pdf> [Zugang am 20. November 2009].

Gedenkbuch:

In memoriam Prof. dr hab. Tadeusza Namowicza (1938–2003). In: Kwartalnik Neofi lologiczny, H. 1–2, 2003, 313 Seiten.

Verzeichnis der von Prof. Tadeusz Namowicz betreuten Doktorarbeiten:

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Tadeusz Namowicz (1938–2003) 251

1. Golec, Izabela: Adelsgestalten im bürgerlichen Drama der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Deutschland. 1986.

2. Zamorska, Danuta: Wizja nowej rzeczywistości w literaturze rewolucji konser-watywnej w Niemczech okresu Republiki Weimarskiej. 1991.

3. Grzesiuk, Ewa: Auf der Suche nach dem „moralischen Stein der Weisen“. Die Auseinandersetzung mit der aufklärerischen Glückseligkeitsutopie in den Ro-manen Johann Karl Wezels. 2001.

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GERMANICA WRATISLAVIENSIA 134Acta Universitatis Wratislaviensis No 3335Wroc³aw 2011

Recensionen und Berichte

Kazimierz Wóycicki, Waldemar Czachur: Polen im Gespräch mit Deutsch-land. Zur Spezifi k des Dialogs und seinen europäischen Herausforderungen. Mit Vorwort von Prof. Dr. Gesine Schwan und Prof. Dr. Heinrich Oberreu-ter. Wrocław 2009.

Die hier zu besprechende Publikation ist eine leicht aktualisierte Version des auf Polnisch 2009 erschienenen Buches Jak rozmawiać z Niemcami. O trudnościach dialogu polsko-niemieckiego i jego europejskim wyzwaniu. Wie die Autoren anmerken, entstand ihre Ver-öffentlichung als Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen dem Zentrum für Internationale Beziehungen in Warschau mit Civil Society in Central and Eastern Europe.

Der nicht allzu opulente Band (ca. 150 Seiten) stellt allerdings keine Reihe von meh-reren Beiträgen der auf Deutschland spezialisierten Experten aus Mittel- und Osteuropa dar, die sich mit deutsch-polnischen Fragen auseinandersetzen. Es versteht sich vielmehr als subjektiver Blick von zwei promovierten polnischen Deutschlandkennern, und zwar einem Philosophen und einem Germanisten, welche die vor kurzem vergangenen letzten 20 Jahre der deutsch-polnischen Beziehungen samt den mit ihnen verbundenen politischen, nicht selten emotionsbeladenen Turbulenzen unter die Lupe nehmen und sich bemühen, diese Beziehungen aus mehreren Perspektiven zu beleuchten. Sollte man somit versuchen, diese Publikation mit einem Wort zu charakterisieren, dann müsste man hier von einer kritischen Bilanz sprechen, die Erfolge und Misserfolge auf dem Weg zur deutsch-pol-nischen Annäherung fi xiert. Ihre Ausführungen gruppieren Wóycicki und Czachur um vier thematische Kreise, die bereits in der Bezeichnung der jeweiligen Kapitel zum Ausdruck kommen.

Das erste Kapitel Ein anderes Deutschland betrifft die Fragen der wirtschaftlichen Änderungen nach 1989, die sowohl in dem östlichen Teil Deutschlands als auch in Polen gesellschaftlichen Wandel mit sich brachten und neue Qualitäten im öffentlichen Leben setzten. Wie die Autoren jedoch feststellen, schneidet Polen im Ländervergleich para-doxerweise besser ab als die neuen Bundesländer, die mit einer hohen fi nanziellen Subven-tionierung rechnen konnten und weiterhin können, die für die polnische Wirtschaft in dem in Deutschland vorhandenen Ausmaß kaum möglich war. Trotz der investierten Gelder seitens der Bundesregierung bleibt die deutsche Bevölkerung auf dem Gebiet der Ex-DDR wesentlich passiver und skeptischer den wirtschaftlichen Veränderungen gegenüber als die in Polen. Interessant für die Autoren ist in diesem Kontext auch die demografi sche Ent-wicklung in den beiden Ländern, wobei der deutsche Osten konfrontiert mit der polnischen Wirklichkeit stärker von Entvölkerungsprozessen betroffen zu sein scheint als Polen ins-gesamt. Bei aller Asymmetrie – dieses Begriffs bedienen sich die Autoren in ihrer Arbeit mit einer besonderen Beliebtheit – hinsichtlich des deutschen und polnischen Potenzials im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich scheint Polen nach den letzten zwei Jahrzehnten sich generell in einer besseren Situation als Ostdeutschland zu befi nden, zu-

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mal der polnische Unternehmungsgeist beinahe ununterbrochen sehr vital ist. An dieser Stelle lohnt die Schlussfolgerung, dass das, was man im deutschen Osten gespendet be-kommt, in Polen von eigener Kraft erarbeitet werden muss. Im Endeffekt erweist es sich allerdings als wertvoller und produktiver.

Noch deutlicher als auf dem wirtschaftlich-gesellschaftlichen Feld zeigt sich diese Asymmetrie im Zusammenhang mit der gegenseitigen Wahrnehmung von Deutschen und Polen, insbesondere im Hinblick auf historische Belange, was im zweiten Kapitel Versöh-nungsprozess und Uneinigkeit recht ausführlich thematisiert wird. Die zentrale Frage spielt hier die Bewältigung der traumatischen Vergangenheit des letzten Weltkrieges und deren Folgen im jeweiligen Nationalgedächtnis. Wenn für das vereinigte Deutschland dieses Thema grundsätzlich für abgeschlossen gilt, ist sie in Polen ein beinahe ununterbrochen wiederkehrendes Gespenst. Als Beispiel mag hier die Ostseepipeline angeführt werden. Wenn Deutschland hier unter dem wirtschaftlichen Aspekt klar pragmatisch denkt, bezieht sich Polen auf historische Erfahrungen in Rückgriff auf verhängnisvolle deutsch-russische Bündnisse samt deren oft antipolnischer Ausrichtung.

Die deutsch-polnischen Beziehungen werden grundsätzlich – so die Perspektive der beiden Autoren – von zwei Gruppen bzw. Lagern bestimmt sowie auch interpretiert, und zwar auf der einen Seite gibt es die sog. „Unversöhnlichen“, die Deutschland in der Kate-gorie der Gefahr oder Bedrohung betrachten. Auf der anderen Seite befi nden sich hingegen die „Schlichter“, die für einen intensiven deutsch-polnischen Dialog sorgen und sich um dessen Fortsetzung kümmern, wenn er nur ins Stocken gerät. Dabei sind sie bereit, die eventuelle Schuld auf polnischer Seite zu suchen. Exemplarisch mag hier für die erste Gruppe Zdzisław Krasnodębski, für die zweite Adam Krzemiński stehen. Beiden gelten in Polen als ausgewiesene Deutschlandexperten.

Darüber hinaus bemerken sowohl Wóycicki als auch Czachur in Hinblick auf die deutsch-polnische Partnerschaft noch eine weitere Asymmetrie, und zwar eine eindeutige „Asymmetrie des Respekts“. Damit bezeichnen sie die Unvollkommenheit der gegensei-tigen Wahrnehmung, zumal es in Polen – so die Autoren – an einer ausgeglichenen Haltung dem westlichen Nachbarland gegenüber fehlt. Die bereits erwähnten Lager legen hier ein klares Zeugnis davon ab. Allerdings ist auch die deutsche Seite an diesem Sachverhalt mitverantwortlich. Und zwar, wenn in Warschau im Lager der „Unversöhnlichen“ ein sehr stereotypes Denken hinsichtlich der deutschen Gefahr oder deutscher Bedrohungsszenari-en, unter anderem von Piotr Semka, konserviert wird, ist man ebenfalls in Deutschland nicht von antipolnischen bzw. polenfeindlichen Stereotypen frei. Spricht man in den kon-servativen Kreisen der polnischen Politiker von deutscher Dominanz in der EU, die bei-spielsweise unter dem Begriff der „Europäisierung“ im Endeffekt eine neue Form der „Ger-manisierung“ zu sehen glauben, so begegnet man auf der anderen Seite der Oder weiterhin negativen Polenbildern, obwohl sich das Image von Polen als eines armen und rückständi-gen Landes sukzessiv bessert. Schließlich treten an Stelle negativer Assoziationen auch positive. Wóycicki und Czachur können immerhin richtig feststellen, dass in diesem Zu-sammenhang eine sehr wichtige Rolle den deutschsprachigen Medien zukommt, zumal sie über ihr östliches Nachbarland oft stereotyp pejorativ berichten. Man soll sich stattdessen um differenziertere und mit mehr Empathie versehene Berichterstattung über Polen bemüh-en, denn sie fällt recht häufi g wenig sympathisch, wenn nicht gar spöttisch aus.

In Bezug auf jene „Asymmetrie des Respekts“ halten die Autoren konsequent fest, dass nach wie vor ein großer Teil der für den deutschen Schulunterricht bestimmten Ge-

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schichtsbücher Polen in dessen historischer Perspektive so gut wie kaum thematisiert, und dies trotz der Tätigkeit der deutsch-polnischen Schulbuchkommission. Stellenweise wer-den vorwiegend die Teilungen Polens erwähnt. Allerdings ist fälschlicherweise in der deut-schen Sprachversion der hier besprochenen Publikation von Wóycicki und Czachur die Rede von „polnischen Teilungen“, was an sich suggerieren könnte, dass Polen andere Länder teilte, was offensichtlich historisch nicht zutrifft. Wie die Autoren in diesem Kon-text recht kritisch konstatieren, die deutsche Schule trägt weiterhin zur Pfl ege der nega-tiven Wahrnehmung Polens bei. In vielerlei Hinsicht scheint sie mit ihrem Geschichtsun-terricht geistig noch im 19. Jahrhundert zu stecken und Stereotype aus der Anfangszeit des deutschen Nationalismus zu verbreiten. Die Erwähnung der Tatsache, dass es in Polen ebenso Renaissancebauten wie im Nachbarland Frankreich gibt, stößt auch heute auf Ver-wunderung, deren man sich doch – wie es richtig die beiden Autoren meinen – schämen sollte.

Trotz der unterschiedlichen Perspektiven in der gegenseitigen Wahrnehmung der his-torischen Aspekte postulieren Wóycicki und Czachur in den zwei letzten Kapiteln ihrer Publikation, und zwar Was sollte Polen von Deutschland fordern sowie Mit Deutschen die Zukunft aushandeln, eine noch intensivere Zusammenarbeit, welche den beiden Ländern im gegenseitigen Kennenlernen zugutekommen könnte. Diese Zusammenarbeit wäre ins-besondere auf der europäischen Ebene noch wünschenswerter. Wenn Polen hierzu auch einige Forderungen an Deutschland stellen sollte, dann sind sie seit 2004 im breiteren Beziehungsgefl echt innerhalb der EU zu sehen. Hinzu gehört unter anderem die Unterstüt-zung der kulturellen Entfaltung der polnischsprachigen Einwohner der Bundesrepublik oder die Stärkung des Polnischunterrichts in der östlichen Grenzregion Deutschlands, was die lokale, dennoch grenzüberschreitende Kooperation zwischen den beiden Nachbarlän-dern ausbauen könnte.

Ein besonders wichtiges Feld der noch anstehenden Zusammenarbeit im Kontext der europäischen Interessengemeinschaft sind gemeinsame Initiativen im Bereich der For-schungs- und Entwicklungsprojekte, die zur Modernisierung der polnischen Wirtschaft hinsichtlich der Anwendung von Spitzentechnologien beitragen sollten. Wóycicki und Czachur plädieren schließlich dafür, dass die Effektivität der polnischen Ostpolitik gegen-über Ländern wie die Ukraine oder Weißrussland auf jeden Fall dann ein höheres Maß erreichen wird, wenn sie von den deutschen Partnern unterstützt wird. Deutschland soll jedoch in diesem Kontext seine bilateralen Beziehungen mit Russland, auch wenn sie für deutsche Wirtschaftinteressen enorm relevant sind, nicht über gemeinsame EU-Politik stellen. Für Polen gilt als besonders wichtig, und das sehen die beiden Autoren als klare Aufgabe für polnische Politiker, dass man sich hierzulande von Europaskepsis befreit und eine proeuropäische Position bezieht. Dies wird im Endeffekt die deutsch-polnische Ver-ständigung produktiv beeinfl ussen, auch wenn dadurch nicht alle Schwierigkeiten bzw. Irritationen innerhalb des gemeinsamen Dialogs zwischen Polen und Deutschland beseiti-gt werden.

Sollte man kurz die Ausführungen der hier skizzenhaft besprochenen Publikation von Wóycicki und Czachur zusammenfassen, so lässt sich festhalten, dass die beiden Autoren bemüht sind, zwischen den erwähnten Lagern der „Unversöhnlichen“ und „Schlichter“ zu vermitteln und eine realistische Perspektive auf die bisherigen deutsch-polnischen Bezie-hungen zu eröffnen. Realistisch heißt in diesem Falle auch kritisch, wobei der kritische Blick auf den aktuellen Stand des deutsch-polnischen Dialogs letzten Endes zum produk-

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tiven Handeln führen und aus Initiativen hervorgehen soll, die nicht nur diplomatische Gesten darstellen, sondern partnerschaftliche Mitwirkung. Zu erreichen ist dies durch dif-ferenzierteres Wahrnehmen des jeweiligen Partners. Dies sollten oder gar müssten auch die beiden Autoren versuchen, zumal sie von Deutschland und Polen allzu sehr essenziell schreiben und beide Länder als recht feste Kategorien betrachten, obwohl sie mehrere Facetten aufweisen.

Sebastian Mrożek

Beata Giblak: Wygnaniec i jego ojczyzny. Max Herrmann-Neiße (1886–1941). Życie. Twórczość. Recepcja. Poznań 2010, 444 S.

Ein Vierteljahrhundert nach der verdienstvollen Ausgabe der in zehn Bänden von Klaus Völker edierten Gesammelten Werke (Verlag Zweitausendeins) des Lyrikers, Erzählers und Essayisten Max Herrmann-Neiße (MHN) ist soeben in einem Posener Verlag eine 444 Seiten starke Monographie von Beata Giblak erschienen, in der aufgrund einer stupenden Belesenheit Leben, Werk und Rezeption des im oberschlesischen Neisse geborenen und im Londoner Exil verstorbenen Autors ebenso umfassend wie nahezu erschöpfend darge-stellt, interpretiert und kommentiert werden unter dem titelgebenden Leitwort der „Vertrie-bene und seine Heimatländer“ und das aus deutsch-polnischer Doppelperspektive einer polnischen Germanistin in polnischer Sprache – ein beeindruckendes literarhistorisches Dokument und Echo. Die als Dissertation an der Universität Breslau zugelassene Mono-graphie, betreut von dem renommierten Breslauer Germanisten Wojciech Kunicki, ist der Ertrag einer vierjährigen akribischen Arbeit am bislang veröffentlichten wie am noch nicht publizierten Gesamtwerk der Autographen und Typoskripte, die in weit verstreuten Ar-chiven als Nachlass verwahrt werden. Diese ebenso bewundernswerte wie verdienstvolle Veröffentlichung lässt kaum eine Frage offen und schlägt tiefe Schneisen in die weitere Erforschung der zeitgenössischen Zunftgenossen von MHN, insbesondere der schlesischen Literatur.

Die „uneinheitliche“ Methode ihrer Vorgehensweise erläutert die Verfasserin in einer ausführlichen Einleitung, indem sie auf die dreiteilige Gliederung ihrer Arbeit hinweist: den biografi schen Teil, in dem mit der größtmöglichen Sorgfalt alle archivalisch aufbe-wahrten Aussagen über MHN dokumentiert sind und die nicht positivistisch, sondern in-terpretatorisch aufgearbeitet werden im Sinne eines kulturwissenschaftlichen Beitrags zum kulturellen Kontext seiner Zeit und seines sozialen Milieus sowohl im oberschlesischen Neisse und in der schlesischen Metropole Breslau als auch in der Emigration; den analy-tisch-hermeneutischen Teil, in dem chronologisch und gattungssystematisch das Gesamt-werk von MHN interpretatorisch erschlossen wird im Rückgriff auf die vorausgehende und zeitgenössische Tradition sowie unter Berücksichtigung seiner gleichsam werkimma-nenten wie explizit formulierten Poetik mit dem Nachweis ihrer autorefl exiven und selbst-bewussten Modernität; den rezeptions-ideologiekritischen Teil schließlich, der sich vor allem mit der landsmannschaftlich orientierten Rezeption seines Lebens und Werkes in literatursoziologischer Perspektive befasst und vor allem seine überregionale Bedeutung und Wirkung distanzierend hervorhebt von dem Hintergrund so genannter „Heimatdich-

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ter“. Aufgrund der dargelegten „uneinheitlichen“ Methode ihrer Monographie relativiert die Verfasserin ihre Vorgehensweise im Verhältnis zu „klassischen“ Monographien, wie sie Hermann Kurzke über Thomas Mann und Rüdiger Safranski über Nietzsche, Heidegger und Schopenhauer vorgelegt haben, und nennt ihre eigene Vorgehensweise als „mit Sicher-heit mehr traditionell“, wenn auch mit bestimmten Vorteilen versehen: „Erstens sie verge-genwärtigt dem polnischen Leser die allzu wenig bekannten Phänomene vor dem verwi-ckelten biografi sch-historischen Hintergrund; zweitens sie entgeht den biografi schen Fußangeln und präsentiert sein Gesamtschaffen vor allem im Kontext der ästhetischen und internationalen Strömungen der Epoche; drittens sie vermittelt Wissen über die Mechanis-men der Distribution, des Gedenkens und Vergessens, der Manipulation und Verwerfung, aber ebenso der Akzeptanz dieses bedeutenden Schriftstellers. Und dies ist mein wesent-liches Ziel: durch die Darstellung – inhaltlich wie methodisch – neuer Aspekte von Leben, Werk und Wirkung MHNs letztlich das Interesse des polnischen Lesers nicht nur in Neis-se, das auch meine Stadt ist, zu gewinnen“ (S. 11).

Das skizzierte Einleitungskapitel schließt mit einer kritischen Sichtung der gegenwär-tig vorhandenen Literatur über MHN, konzentriert sich vor allem auf die drei Monogra-phien von Rosemarie Lorenz mit Fritz Martini (1966) sowie von Jutta Kepser (1995) und von Klaus Schuhmann (2003). In diesem Zusammenhang werden bei insgesamt anerken-nender Würdigung Defi zite – bei Lorenz / Martini die Nichtberücksichtigung des Ein-fl usses von Friedrich Nietzsche und Georg Simmel auf das Werk von MHN sowie seiner Emigrationszeit, bei Kepser die mehr beschreibende denn analytische Darstellung der Pro-sadichtung von MHN nach Art eines Schulbuchs, bei Schuhmann schließlich die wenig sorgfältig vorbereitete und quellenmäßig kaum fundierte Darstellung – sogleich ange-mahnt wie auch später an weiteren Stellen ihrer Monographie ausführlich diskutiert, wobei sie sich ausdrücklich auf die Kritik von Delef Haberland (2004) beruft. Sehr positiv ge-würdigt werden vor allem die von Patricia Alefeld gesammelten und edierten Beiträge (1991), aus denen zahlreiche Fotografi en und Textfragmente in die eigene Monographie übernommen werden, sowie Richard Doves Aufsatz über MHNs Werke aus der Londoner Emigrationszeit und der umfangreiche, von Wojciech Kunicki aus dem Deutschen ins Polnische übersetzte und edierte Band Śląsk. Rzeczywistości wyobrażone (Schlesien. Ima-ginierte Wirklichkeiten), aus dem zahlreiche polnische Übersetzungen der Texte von MHN wiedergegeben sind. Mit Blick auf die anvisierten Rezipienten und insbesondere die pol-nischen Leser dieser Monographie bedeutet sie eine wesentliche und überaus verdienstvol-le Leistung, der man eine weite Verbreitung und wiederholte Neuaufl agen wünscht und nicht zuletzt eine deutsche Übersetzung, um auch hierzulande die Kenntnis und das Wissen über MHNs Leben und Gesamtwerk zu vertiefen und im deutsch-polnischen Kontext und Dialog zu befördern.

Dazu ist der umfangreiche zweite Teil der Monographie vorzüglich geeignet, in dem zahlreiche lyrische sowie Prosatexte MHNs eindringlich und umsichtig interpretiert werden unter Einschluss des jeweiligen Lebens-, Entstehungs- und Werkbezugs und mit ausführ-licher Diskussion der in solchen Zusammenhängen entstandenen Fragen und Probleme, wie z.B. seine Einsamkeit und seine Sexualität, seine Religiosität und sein Mystizismus, seine Heimat und sein Vaterland oder seine Kriegs- und Emigrationszeit1, die nach Meinung der

1 „Die Kriegszeit veranschaulicht noch mehr das Problem, das im poetischen Schaffen Herr-manns von Anfang an eine thematische Dominante darstellt, nämlich seine Zerrissenheit zwischen der poetisch imaginierten Welt und der alltäglichen Wirklichkeit. Von dieser distanziert er sich mit

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Verfasserin im Wesentlichen auf zwei Themenkreise seiner Dichtungen reduziert erscheint: auf die Verbalisierung seines Emigrantendaseins mit dem Anspruch einer Verallgemeine-rung und auf den Versuch seiner Flucht in einen Eskapismus, der vor allem drei Bereiche umfasst: seine eigenen Dichtungen, die äußere Natur und seine Erinnerungen. Ihre Inter-pretation des Gedichts Vor dem Ende beschließt die Verfasserin z.B. mit der Bemerkung:

Ähnlich wie in diesem Gedicht, so entfernt sich der Dichter auch in anderen Gedich-ten aus seiner letzten Lebenszeit immer mehr vom politischen Geschehen, und in seinen Versen erklingen immer häufi ger existenzielle Töne. Die Motive der Vergänglichkeit und des Todes, die in seinem Schaffen ein Problemkontinuum darstellen, gewinnen in der Emigrationszeit neue – persönliche und autobiographische – Akzente. Der Tod ist nicht mehr ein abstrakter Begriff noch ein Gegenstand metaphysischer Visionen, sondern er-scheint immer häufi ger als reales und in den Gedanken des alternden Menschen, der sein nahes Lebensende spürt, als gegenwärtiges Phänomen (S. 185f.).

Auf diese und ähnliche Weise wird dem polnischen Leser so die Bedeutung des Au-tors und seines Werkes nachvollziehbar erschlossen und verständlich vermittelt, ohne da-bei die kritischen Aspekte auszublenden. Dazu ist ebenso vorzüglich geeignet der umfang-reiche Anhang mit Verzeichnissen über noch nicht publizierte Texte, Dokumente und Briefe einerseits und bereits veröffentlichter Texte von MHN selbst andererseits mit prä-zisen Angaben der Werke, Zeitschriften und Zeitungen sowohl in deutscher wie auch in polnischer Sprache. Verzeichnet sind ebenso publizierte und noch nicht veröffentlichte Texte und Korrespondenzen anderer Autoren sowie ein nahezu lückenloses Verzeichnis der wissenschaftlichen Literatur einschließlich der Internetquellen. Ein Verzeichnis mit 44 Schwarz-Weiß-Illustrationen, zu denen im Textkorpus der Monographie entsprechende Zitate aus den Werken MHNs beigegeben sind, und ein akribisch erfaßtes Namenregister beschließen den gewichtigen Band, zu dessen Erscheinen man die Verfasserin beglück-wünschen darf. Besonders hervorzuheben sind die zahlreichen und vorzüglichen wie auch teilweise sehr umfänglichen Übersetzungen von Texten MHNs ins Polnische, die zum überwiegenden Teil von der Verfasserin selbst wie auch von Wojciech Kunicki stammen und nicht nur inhaltlich und sinngemäß, sondern auch der Form nach rhythmisch und metrisch treu bzw. angemessen der polnischen Sprache anverwandelt sind und so ein adä-quates Erlebnis der deutschen Texte auch beim polnischen Leser auszulösen vermögen.

Selbstverständlich sind auch hier, wie bei jeder wissenschaftlichen Publikation, wenn auch nur wenige computerbedingte Verschreibungen und teilweise Wiederholungen oder gar nicht zutreffend verifi zierte, manchmal einander widersprechende Daten, Titel und Namen unvermeidbar, aber in einer Neuausgabe leicht zu korrigieren und zu ergänzen, was hier nicht einzeln aufgelistet werden soll.

Desiderate, die mit dieser Monographie noch nicht eingelöst scheinen, sowie offen gebliebene Lücken und Wünsche sind wohl auch der Verfasserin selbst am besten bekannt und werden sicherlich von ihr wie von der Forschung in weiteren Beiträgen erkannt, be-nannt, ausgefüllt bzw. erfüllt und ergänzt. Auf ein mir wesentlich erscheinendes Desiderat sei jedoch schon jetzt hingewiesen, nämlich auf die Erforschung und Darstellung der Fra-ge nach dem Einkommen von MHN und seiner Frau, mit dem er seinen und ihren Lebens-unterhalt materiell zu bestreiten und zu sichern suchte und aus welchen Quellen privater

der Zeit mehr und mehr und erblickt in jener eine Art Asyl seiner literarischen Kreativität.“ Beata Giblak: Wygnaniec i jego ojczyzny, S. 183f.

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wie institutioneller Art er dabei schöpfen konnte oder durfte, um ein so voluminöses Ge-samtwerk zu schaffen, wie es uns nun bekannt ist. Denn die von den Verlegern gezahlten Honorare dürften wohl kaum hinreichend gewesen sein, zumal er „ein Hirnmensch mit einem Zug zur Lebensgier, ein Dichter auf dem schmalen Grat zwischen Ohnmacht und Vitalität, Melancholie und Wollust, Verzagen und Rebellion“ war.2 Die Erforschung dieser Frage wäre auch zu sehen und gewinnt an Bedeutung im Kontrast zu den von Wojciech Kunicki erforschten Förderungen schlesischer Autoren, wie er sie in seinem verdienstvol-len wie umfangreichen und quellenkritisch fundierten Werk „...auf dem Weg in dieses Reich“. NS-Kulturpolitik und Literatur in Schlesien 1933 bis 1945“ (Leipzig 2006) darge-stellt hat. Die Erörterung und Darstellung dieses Aspektes wäre eine ebenso wichtige wie hilfreiche Deutung und Ergänzung zum Verständnis und zur Profi lierung des Kontrastes zwischen der Emigration MHNs einerseits und jener „inneren Emigration“ seiner schle-sischen und deutschen Dichter- und Schriftstellerkollegen andererseits.

Ernst Josef Krzywon

Regina Hartmann (Hrsg.): Grenzen auf der Landkarte – Grenzen im Kopf? Kulturräume der östlichen Ostsee in der Literatur vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bielefeld 2010.

Die Publikation Grenzen auf der Landkarte – Grenzen im Kopf? Kulturräume der östlichen Ostsee in der Literatur vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart wurde von Regina Hart-mann anschließend an die gleichnamige internationale Tagung herausgegeben, die vom 25.–28. September 2008 in Szczecin stattfand und vom Institut für Germanistik der Univer-sität Szczecin und Institut für Fremdsprachliche Philologien der Universität Greifswald organisiert wurde. Der Sammelband versucht den Begriff der Grenze zu ergründen. In vie-len Beiträgen wird betont, dass nicht nur die politischen Grenzen, sondern auch die litera-rische Topographie von Bedeutung ist. Die Geschichte der Völker, die um den Ostseeraum lebten und leben, zeigt die Vielfalt von Kulturen und deren ständige Suche nach eigener Identität. Der Band wurde in zwei Blöcke eingeteilt. Zu dem ersten ERINNERUNG – SPU-REN IN DER LITERATUR gehört Halb Polnisch, halb Deutsch – Zur polnischen Literatur eines Grenzraumes. Michael Düring deutet hier auf den Paradigmenwechsel hin. Er stellt aber gleichzeitig Gegenpositionen zu dieser Erscheinung vor. Im weiteren Verlauf des Bei-trags konzentriert sich der Autor auf den Roman Hanemann von Stefan Chwin, wo sensib-le Grenzraumthemen behandelt werden, in dem aber am Ende die deutsche und polnische Geschichte nebeneinander existiert und Hoffnung auf bessere Zeiten gibt.

Der Artikel Die versunkene Stadt wiedergelesen: Zur „Stadtsemiotik“ in Artur Lisko-wackis Roman „Sonate für S“ von Dorota Sośnicka thematisiert die Geschichte der sog. wiedergewonnen Gebiete in der Literatur. Für die deutsche Bevölkerung bedeutete es das Ende ihrer Existenz und für die polnische den Anfang. Aber keinem war das Gefühl des Heimatverlustes fremd, was in der Literatur zum Ausdruck kommt. Erst nach dem Para-digmenwechsel 1989 wird die deutsche Geschichte, Kultur und Tradition neu entdeckt,

2 Ralf Schnell: Mir bleibt mein Lied, was auch geschieht. Max Herrmann-Neiße: Sein heute fast vergessenes Werk. In: Die Zeit 1987, 6. November.

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zum Beispiel im Roman Sonate für S., wo das multikulturelle Stettin zum Motiv wird, was vor allem mit dem wiederentdeckten Regionalbewusstsein zusammenhängt.

Im Beitrag von Joanna Bednarska-Kociołek Die mythologisierte Stadt Danzig/Gdańsk bei Günter Grass und Stefan Chwin spielt eine große Rolle der Danzig/Gdańsk-Mythos. Die Stadt wurde ein doppelter Erinnerungsort für zwei Völker, die von Grass und Chwin repräsentiert werden. Das, was diese zwei Sichtweisen verbindet, ist die Ostsee. „Die Ostsee ist ein Element, das die verschiedenen Sprachen miteinander versöhnt, denn die Sprache der Ostsee bleibt immer die gleiche“ (S. 58). Hier wird auch die Frage nach der Beständigkeit eines Mythos gestellt, nämlich: „Wie lange kann der Mythos die Stadt Dan-zig/Gdańsk überleben?“ (S. 70).

Bürgerliches Idyll – das Szenario einer vergangenen Welt bei Autoren aus dem Raum Danzig/Gdańsk und Stettin/Szczecin von Ewelina Kamińska befasst sich dagegen mit der Literatur der Nordstädte des heutigen Polens und mit wichtigsten Autoren dieser Region. Es gibt eine Vielzahl von Autoren, die vor allem mit Danzig/Gdańsk verbunden sind und die deutsche Vergangenheit thematisieren. Die Autorin betont auch, dass die polnische Prosa nach 1989 bürgerlich orientiert ist. Die besprochenen Werke zeigen das familiäre Leben und persönliche Schicksale. Mit der Interpretation einer Reihe von gegenwärtigen Texten weist die Autorin auf die Veränderungen der Identität hin. Die Stereotypen gelten nicht mehr, was am Beispiel des Begriffs poniemiecki/postdeutsch erläutert wird.

Sowohl Ewelina Kamińska als auch Ewa Hendryk thematisieren in ihren Texten die Regionalität. Ewa Hendryk konzentriert sich in ihrem Beitrag Bublitz als Primärraum der Erfahrung in dem Gedichtzyklus „Gozelquelle“ und den autobiographischen Stationen „Die Zeit kriegt Zifferblatt und Zeiger“ von Hans-Jürgen Heise auf noch lebende Gefühle der Zugehörigkeit der deutschen Bevölkerung, die in der Umgebung von Bublitz ansässig war. Die Sehnensucht und die verlorene Heimat werden durch die Heimatgruppe Bublitz in deren Erinnerung am Leben erhalten. Nicht unbedeutend ist für diese Stadt die dichte-rische Arbeit von Hans-Jürgen Heise, die hier zum Hauptthema wird. „Heise nimmt die Geschichte der Stadt sehr sachlich und objektiv wahr“ (S. 94). Er betont, dass gerade die-se kleine Heimat sein Schaffen stark beeinfl usst hat. Immer wieder wird in seiner Dichtung ein Kerngedanke thematisiert, nämlich die eingebrannten Merkmale seiner Herkunft. Die Auseinandersetzung der Autorin mit seinen Werken gibt dem Leser den ersten einführen-den Überblick über die regional verwurzelte Dichtung von Hans-Jürgen Heise.

Das Eigene und das Fremde. Kollektive Bilder in den Erinnerungsschriften des deut-schen Adels aus Hinterpommern und Ostpreußen nach 1945 von Miroslawa Borzyszkows-ka-Szewczyk stellt die autobiographischen Schriften der Nachkommen hochadliger Fami-lien in den Vordergrund. Die in 1980er Jahren veröffentlichten Schriften werden zur Vertreibungsliteratur gezählt, die über die Erinnerungen aus Hinterpommern und Ostpreu-ßen berichten. Die Autoren der nichtfi ktionalen Literatur werden im Laufe des Artikels von Mirosława Borzyszkowska-Szewczyk charakterisiert. Es wird auf die Charakteristik der Gruppe, des ostpreußischen und pommerischen Adels, sowie auf die Erfahrungen des Grenzraumes näher eingegangen. Die Erinnerungsschriften, betont die Autorin, können als Märchen, Erinnerungen der vergangenen Welt, Zeitungsdokumente angenommen werden. Viel wichtiger ist jedoch die Auseinandersetzung zwischen dem Gedächtnis und der Ge-schichte, die zur Bereicherung des Kollektivgedächtnisses von den ehemaligen und heu-tigen Bewohnern dieser Regionen führt.

Der Beitrag von Mirosław Ossowski knüpft an die Autoren aus Ostpreußen an, die im Das Eigene und das Fremde angesprochen wurden. Ostpreußen in der deutschen Gegen-

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Rezensionen und Berichte 261

wartsliteratur (nach 1995) zeigt wie das Interesse an dieser Literatur gestiegen ist. Der Autor berichtet von vielen Reiseberichten und Reportagen über Ostpreußen in den 1990er Jahren. Aber nicht immer stand das Gebiet des Ostpreußens für alle offen. Die Wiederkehr begann für die Deutschen mit der Erkundung der zu Polen gehörenden Masuren. Erst nach 1991 durfte man sich in das litauische Memelland und russische Gebiete des nördlichen Ostpreußens begeben. Aus diesen Begegnungen entstanden unter anderem folgende Werke: Ostpreußen ade. Reise durch ein melancholisches Land von Ralph Giordano, Begegnung mit Ostpreußen von Christian Graf von Krockow, Fernes nahes Land. Begegnungen in Ostpreußen von Klaus Bednarz und Namen, die man wieder nennt von Rene Nehring.

Der zweite Teil des Bandes präsentiert Beiträge zum Thema LITERARISCHE BE-GEGNUNGEN IM MULTIETHNISCHEN RAUM. Innere Grenzen. Die Pruzzen als Pa-limpsest preußischer Literatur von Jürgen Joachimsthaler ist eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der „Säuberung“ der Kultur, die nicht nur im 20. Jahrhundert stattfand, als man zunächst polnische Namen germanisieren und dann deutsche polonisieren ließ. Die Pruzzen wurden auch im Laufe der Geschichte assimiliert, ihre Kultur und Sprache ver-schwanden. Geblieben sind nur die Rezeptionen dieser Vergangenheit, Rezeptionen auf der Suche nach eigener Identität, die bis in das 20. Jahrhundert reichen.

Im Beitrag von Regina Hartmann Slawischer Naturmythos als Zivilisationskritik – der Königsberger Autor Alfred Brust wird das Schaffen des Autors geschildert. Seine Werke sind besonders durch die Multikulturalität seiner Heimatregion gekennzeichnet. Man fi ndet dort auch rezipierte slawisch-baltische Mythen und die „archaische Weltsicht der alten Völker dieser Region“ (S. 193). Damit steht er in der Opposition zu seinen Zeitgenossen, dessen Gedanken um den Polnischen Korridor und die Insellage von Preußen kreisen. Es ist die Rede von den Grenzen, „Grenzen im Kopf“, die von dem Dichter außer Kraft gesetzt werden. Im Weiteren wird auf die einzelnen Werke von Brust eingegangen und schließlich ein Versuch unternommen, sein literarisches Schaffen der Strömung zuzuordnen.

Johannes Bobrowski, der nächste deutsche grenzüberschreitende Autor, wird im Bei-trag von Barbara Breysach Traditionale und nationale Perspektiven in Johannes Bobrows-kis Poetik dem Leser näher gebracht. Vor allem die transnationale sarmatische Konzeption, die der ostpreußischen Privinzionalität gegenübergestellt wird, ist für seine Poetik von Bedeutung. „[…] er war sich der Bedeutung dieser […] Kulturenvielfalt bewusst, was sich in der räumlich-visuellen, aber eben auch der strukturellen Offenheit spiegelt“ (S. 218). Die Hauptaussagen seiner Dichtung wurden am Beispiel von Die sarmatische Ebene, An Klopstock und Der lettische Herbst zum Vorschein gebracht.

Stephan Krause behandelt in seinem Beitrag Michel Tourniers „Le Roi des Aulnes“ und die ostpreußische Topographie des Abel Tiffauges einen Roman des französischen Schriftstellers, der trotz großem Interesse an der deutschen Sprache und Kultur, keine di-rekten Beziehungen zu Ostpreußen hatte. Im Unterschied zu deutschen Autoren ist Ost-preußen kein Land der Erinnerung und kein Schauplatz der erlebten Geschichte. Diesmal wird die Perspektive eines außenstehenden Autors gezeigt, für den Ostpreußen eigentlich eine literarische Fiktion sei. Die wichtigste Rolle spielt hier nicht die Zuordnung des Ro-mans der ostpreußischen oder der Regionalliteratur, viel bedeutsamer ist „die eigentliche Fremdheit des Textes“ (S. 229). Nicht Ostpreußen wird zum Kern der Interpretation, son-dern dessen Beschreibungen, dessen Topographie.

Die Zeitschrift „Auszra“ – ein echter Grenzfall von Stephan Kessler beschreibt den historischen Hintergrund, die Entstehungsgeschichte der litauischen Zeitschrift und ihre Bedeutung für die Etablierung der Nationalsprache und des Nationalstaates. Ihre Zielgrup-

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pe waren die Litauer im Russischen Reich. Die Zeitschrift wurde in Ostpreußen gedruckt, weil Publikationen in litauischer Sprache in Russland verboten waren.

Anna Gajdis geht im Beitrag Der Rombinusberg. Seine Präsenzformen und Wahrneh-mung im kollektiven Gedächtnis der ostpreußischen Literatur bei ihrer Auslegung des Bergmotivs von dem kollektiven Gedächtnisbegriff nach Jan Assmann aus. Angelehnt an die Arbeiten von Mirosław Orłowski lassen sich typische Landschaftstereotypen unter-scheiden, die immer wieder mit der Meeresnähe oder dem Tiefl and zusammenhängen. Der Rombinusberg spielt jedoch eine wesentliche Rolle in der Literatur Ostpreußens. Die Au-torin untersucht an Beispielen die symbolische Funktion dieses Berges im kollektiven Gedächtnis. Die Symbolik greift eine Bedeutungsspanne von dem Heidentum, über die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Erwachen des Nationalbewusstseins, bis zur litauischen Gegenwart.

Lou Andreas-Salomé und Rainer Maria Rilke oder Über die Entstehung und den Zerfall einer poetischen Landschaft von Gertrude Cepl-Kaufmann präsentiert dem Leser die Wechselbeziehung zwischen Lou und Rilke und ihre Auswirkung auf ihr poetisches Schaffen. Die Autorin versucht dabei ihre These zu beweisen, nämlich „Das Motiv Ostsee macht im Werk des Autors so etwas wie das Antipodische aus“, indem sie die Ostsee-Pro-blematik und den Norden-Begriff in Werken von Rilke unter die Lupe nimmt.

Werner H. Preuß schließt den Sammelband mit seinem Beitrag Frank Thiess – eine deutschbaltische Führerpersönlichkeit? Er schildert kurz die Biographie des Schriftstel-lers und erläutert Ausschnitte aus seinen Werken. Der deutschbaltische Autor wird heute nur noch mit dem Begriff „der inneren Emigration“ verbunden. Obwohl er gegen die Na-tionalsozialisten war, tauchen in seinen Werken Begriffe, wie Führer, Volk und Rasse auf, was „den Boden für nationalsozialistischen Terror und Krieg“ (S. 315) vorbereitet hat.

Nach dem Kriegsende wurde ein Stück europäischer Kulturgeschichte zum Mythos. Die deutsch geprägte Kultur des östlichen Ostseeraumes blieb als ein literarisches und sentimentales Erinnerungsstück erhalten. Die Beiträge in dem oben beschriebenen Sam-melband geben einen weitgefächerten Überblick über die Thematik des östlichen Ostsee-raumes und wecken das Interesse an dieser verlorenen Welt. Die Vielseitigkeit der Themen reicht geographisch von Stettin/Szczecin, über Danzig/Gdańsk, bis St. Petersburg und zeit-lich vom Mittelalter bis zur Gegenwart.

Katarzyna Możuch

Volker Struckmeier: Attribute im Deutschen. Zu ihren Eigenschaften und ihrer Position im grammatischen System. Berlin 2007, 143 S.

Die vorliegende Arbeit ist eine leicht überarbeitete Fassung der Dissertation, die von der Philologischen Fakultät der Universität zu Köln angenommen wurde. Gegenstand der Ar-beit ist „die Untersuchung attributiver Ausdrücke im Deutschen“ (S. IX). Relevant für die in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagenen Analyse der Attribute sind „die als »komplexe Attribute« bezeichneten attributiven APen (Adjektivphrasen – M.U-E), Partizipialstruktu-ren sowie Relativsätze“ (S. IX). Im Rahmen der Analyse können aber auch andere Attri-

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butionstypen behandelt werden, d.h. Genitivphrasen und Präpositionalattribute. Die Appo-sition wird hingegen vom Autor nicht berücksichtigt, weil sie sich nicht mit der Vorstellung des Autors von Attribution deckt (vgl. S. 1). Anzumerken ist, dass es auch nicht Absicht dieser Arbeit ist die Stellung der verschiedenen attributiven Ausdrücke innerhalb einer deutschen Phrase zu untersuchen (vgl. S. IX).

Der Autor mutmaßt in Anlehnung an Fanselow, dass „nicht nur Relativsätze, sondern auch pränominale Attribute des Deutschen satzwertige Konstruktionen darstellen“ (S. IX). Demzufolge wird auf die Frage eingegangen, ob sich eine Struktur fi nden lässt, die „die gemeinsamen morphosyntaktischen Eigenschaften aller drei Attributionsausdrücke ver-bindet und so der gemeinsamen Funktion der Attribution auch eine gemeinsame Struktur gegenüber zu stellen in der Lage ist“ (S. IX).

Aus dieser Zielsetzung ergibt sich die Gliederung der Arbeit in zwei Teile. Der erste Teil der Arbeit ist der Analyse attributiver Ausdrücke im Deutschen gewidmet. Der Autor befasst sich in diesem mit „den Eigenschaften komplexer attributiver Ausdrücke, d.h. hauptsächlich mit Adjektiven, Partizipien und Relativsätzen“ (S. 1). In Kapitel 1 Empi-rische Eigenschaften attributiver Ausdrücke im Deutschen werden attributive Ausdrücke im Deutschen hinsichtlich ihrer empirischen Eigenschaften zusammengetragen. Der Autor geht davon aus, dass pränominale Attributionsausdrücke des Deutschen stets Kasus-, Ge-nus- und Numerusfl exion aufweisen. Daraus folgt die Annahme des Autors, dass „Ausdrü-cke, die in pränominaler Position auftreten, nur genau dann attributiv interpretiert [wer-den], wenn sie KGN tragen: alle anderen Elemente müssen, auch in dieser Position, adverbial interpretiert werden“ (S. 2). Darüber hinaus weist der Autor auf eine syntaktische Konsequenz der KGN-Flexion hin. „Im Deutschen sind […] die KGN-markierten präno-minalen Adjektive […] syntaktisch absolut unbeweglich […]. Relativsätze und adverbiale Ausdrücke, die keine Kongruenz mit dem Kopfnomen aufweisen, sind hingegen in gewis-sen Grenzen vom Nomen trennbar“ (S. 4). Das Unterkapitel 1.1. stellt die Gemeinsam-keiten der attributiven Ausdrücke dar. Dem Autor nach „erfüllen sie ganz offensichtlich einen ähnlichen Zweck – sie schreiben dem Kopfnomen diejenigen Eigenschaften zu, die jeweils durch die Adjektive, Partizipien oder Relativsätze ausgedrückt werden“ (S. 5). Überdies besteht eine morphologische Gemeinsamkeit in der Kongruenzfl exion, „die Ad-jektive und Partizipien sowie Relativpronomen an das modifi zierte Kopfnomen bindet“ (S. X). Die KGN-Kongruenz fi ndet jedoch nur dann statt, wenn das jeweilige Adjektiv oder Partizip vor dem Kopfnomen steht (vgl. S. 7). Syntaktisch hingegen konstituieren alle komplexen attributiven Strukturen „Bindungsdomänen“ (S. X), stellen „Inseln für Bewe-gungsprozesse“ dar (S. 5). Dieses Unterkapitel stellt zusammenfassend fest, dass „die Attributionsausdrücke des Deutschen syntaktisch insgesamt satzwertig sind“ (S. 5) und antwortet damit auf die in der vorliegenden Arbeit zentral gestellte Frage bejahend. Im Unterkapitel 1.2. wird auf die Unterschiede verschiedener „Realisationsformen der Attri-bution“ (S. X) hingewiesen. Die pränominalen Attribute sind „syntaktisch inert, sie lassen sich z.B. nicht wie die postnominalen Relativsätze extraponieren“ (S. X). Darüber hinaus erlauben nur Relativsätze ein beliebiges Argument zu relativieren. In pränominalen Aus-drücken können nur bestimmte Argumente mit dem Kopfnomen realisiert werden (vgl. S. X). Nominativische Ausdrücke können weder den Adjektiven noch den Partizipien zugewiesen werden. Akkusativische Argumente hingegen sind nur Partizipien I vorbehal-ten (vgl. S. 7). Der Autor deutet darauf hin, dass „Adjektive, mit Ausnahme einer eng umrissenen lexikalischen Klasse, keinen Akkusativ regieren“ (S. 9). Im Anschluss daran

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wird auf weitere Eigenschaften der Partizipien hingewiesen, die sie klar von den Adjek-tiven unterscheiden. Attributive Partizipien weisen im Gegensatz zu Adjektiven eine kom-plexe Argumentstruktur auf. Weiterhin zeigen Partizipien eine strenge Abfolge innerhalb der Phrase, denn „sie müssen allen syntaktischen Ergänzungen stets folgen“ (11) und sind daher immer die letzten Glieder der komplexen Phrase. Morphologisch liegen ebenfalls Differenzen vor. „Nur Relativsätze enthalten Verben, die nach Tempus, Person und Nume-rus fl ektieren. […] Partizipien hingegen verfügen über ein einfaches Aspektsystem, Adjek-tive über keine dieser Kategorien“ (S. X). Am Schluss dieses Kapitels stellt der Autor fest, dass „Partizipialausdrücke komplementär mit Relativsätzen [sind]: Erstere stehen nur vor dem Kopfnomen, letztere dahinter. Morphologisch betrachtet fi nden sich also Ausdrücke, die fi nite Verben, aber keine KGN-Formen enthalten, hinter dem Kopfnomen – Ausdrücke, die keine fi niten Verben, wohl aber KGN-Formen aufweisen, fi nden sich als Attribute immer vor dem Kopfnomen“ (S. 12). Im darauf folgenden Unterkapitel wird eine genaue Analyse der attributiven Partizipien durchgeführt, deren Ergebnisse in tabellarischer Form zusammengefasst sind.

Im Kapitel 2 Analyse attributiver Ausdrücke im Deutschen wird eine Analyse vorge-schlagen, die sich zum Ziel setzt, „allen attributiven Ausdrücken eine gemeinsame Struk-tur zuzuordnen und die Unterschiede zwischen den drei verschiedenen Formen der Attri-bution zu erklären“ (S. X). Der Ausgangspunkt der Analyse bildet die Kasus-, Genus- und Numeruskongruenz des attributiven Ausdrucks mit dem regierenden Nomen. In den Mit-telpunkt der Analyse wurden jedoch nur Partizipien gestellt. Der Autor fokussiert das Problem des verbalen und adjektivischen Status der Partizipien und stellt zusammenfas-send fest, dass Partizipien nicht als Mischkategorie gelten, sondern dass es zwei Katego-rien von Partizipien gibt, die sich deutlich voneinander unterscheiden (vgl. S. 23). Der Autor begründet seine Auffassung mit der Tatsache, dass „Partizipien nicht gleichzeitig Eigenschaften von Adjektiven und Verben auf[weisen], sondern entweder als Adjektive oder aber als Verben [fungieren]: Eine eindeutig adjektivische Flexion (wie Komparativ und Superlativ) macht eindeutig verbale Eigenschaften (d.h. die komplexe Argument-struktur) unmöglich“ (23). Im Unterkapitel 2.1. werden verschiedene theoretische Rah-men und ältere Analyseansätze für attributive Partizipien gezeigt. Im folgenden Unterka-pitel 2.2. defi niert der Autor eingangs die Desiderata der vorliegenden Analyse ausführlich, um dann zunächst zum morphologischen und weiter zum syntaktischen Teil der Analyse überzugehen.

Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit entwickelt die Konsequenzen der im ersten Teil vorgeschlagenen Analyse der attributiven Ausdrücke im Deutschen und stellt sie in einen universalgrammatischen Rahmen (vgl. S. XV), der gemäß dem Autor „über diese Arbeit hinaus diachron und typologisch ausgewertet werden kann“ (S. XV).

Das Verdienst der vorliegenden Arbeit besteht besonders darin, dass mittels der in ihr entwickelten Analysemethode „plausible, wenngleich tentative Annahmen über einige bis-her problematische Fälle“ (S. 134), wie z.B. Partizipien des Deutschen erstellt werden können. Darüber hinaus führt die in der Arbeit vorgeschlagene Analyse der Attribute im Deutschen zu interessanten Vergleichen zwischen deren verschiedenen Arten, allerdings ausschließlich zwischen Partizipien, Adjektiven und Relativsätzen, weil der Autor die an-deren möglichen Gestalten adnominaler Attribute des Deutschen nicht berücksichtigt.

Magdalena Urbaniak-Elkholy

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Paweł Bąk / Małgorzata Sieradzka / Zdzisław Wawrzyniak (Hrsg.): Texte und Translation (= Danziger Beiträge zur Germanistik, hrsg. v. Andrzej Kątny, Bd. 29). Frankfurt am Main 2010, 300 S.

Dieser durch die an der Universität Rzeszów wirkenden hervorragenden Germanisten her-ausgegebene und in der bekannten und anerkannten Reihe „Danziger Beiträge zur Germa-nistik“ erschienene Band ist im Ganzen der translatorischen Problematik gewidmet. Den Herausgebern verdanken wir ein breites Panorama translatorischer Fragen, das dem Leser ermöglichen sollte, sich in die Lektüre interessanter Texte von überwiegend polnischen Germanisten zu vertiefen, die verschiedene Zentren der translatorischen Forschung in Po-len vertreten, wie die Universitäten Warszawa, Kraków, Poznań, Łódź, Rzeszów, Wrocław, Lublin und Katowice.

In der Einleitung zu diesem Band lesen wir, dass die Absicht der Herausgeber war, auch das, was an der translatorischen Problematik als strittig oder kontrovers gilt, anzu-sprechen. Eine solche Einstellung zum präsentierten wissenschaftlichen Material lässt feststellen, und die Lektüre des Bandes bestätigt diese These, dass hier nicht nur die zum Kanon der translatorischen Forschung und Praxis zugezählten Themen erörtert werden, sondern auch solche, die sich am heute geführten wissenschaftlichen Diskurs beteiligen möchten.

Die in dem Band veröffentlichten Texte werden in fünf Kapitel geteilt:1. Literarische Übersetzung,2. Mehrdimensionalität und Einzelphänomene der Translation,3. Fachtext und Translation,4. Sprach- und translationstheoretische Refl exion,5. Translationsdidaktik, übersetzerische Praxis und Dolmetschen.Den ersten Teil eröffnet der Text von Paweł Bąk: Waldemar Kania auf Deutsch. Zum

interlingualen Transfer von Kürze und Prägnanz aus der übersetzerischer Feder von Krzysztof Lipiński. Aphorismen sind ohne Zweifel Produkte literarischen Schaffens, die sich durch Lakonik, Prägnanz und gleichzeitig durch semantische Besonderheiten von anderen Formen des literarischen Ausdrucks unterscheiden lassen. Sie sind gleichzeitig eine Herausforderung für den Übersetzer. Eine eingehende Analyse Lipińskis Überset-zungen der Aphorismen von Kania, die Bąk unter Beachtung der stilistischen, formalen und semantischen Textdimensionen durchführt, ermöglicht dem Leser sich exemplarisch den Einblick in die Problematik der literarischen Übersetzung zu verschaffen, die im nächsten Artikel von Alena Petrova, Literarische Texte aus translatologischer Sicht, eine interessante Ergänzung bekommt. Die beiden hier besprochenen Beiträge bestätigen es, dass sich für den Prozess des literarischen Übersetzens keine festen und allgemein gelten-den Regeln formulieren lassen und obwohl diese Feststellung Forschern und Praktikern mehr als ausreichend gut bekannt zu sein scheint, ist sie ohne Zweifel aus wenigstens drei Gründen von ganz besonderer Bedeutung:

− Sie deutet darauf hin, dass es im Prozess der Translation einen nur engen Platz für Routine gibt. So ist jedes Mal die Einzigartigkeit dieses Prozesses seine einzige sichere Konstante.

− Sie liefert wichtige Argumente den Befürwortern der These, dass bei Versuchen, die Qualität der Translate zu bestimmen, die Rolle eines mechanistisch profi lierten Instru-

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mentariums überbewertet wird. Es werden dabei solche Fälle gemeint, in welchen unter dem Begriff der Norm ausschließlich die grammatische Norm begriffen wird und alles, was einer so konzipierten Norm nicht entspricht als Abweichung davon bezeichnet wird.

− Sie versucht uns zu zeigen, dass es unentbehrlich ist, sich die Reihenfolge der Schritte zu überlegen, die unternommen werden sollten, wenn wir vorhaben Translate zu analysieren. Petrova betont dabei die Rolle sowohl der primären sprachlichen als auch der sekundären poetischen Textstruktur, die im Originaltext zusammenspielen (S. 42). So fängt man nach diesem Modell mit der Analyse der Bauelemente eines Konstrukts an und das tut man aus dem einfachen Grund, dass sich diese relativ einfach fi nden und beschrei-ben lassen. In einem aber der durch die Autorin durchgeführten Experimente vertreten die russischsprachigen Probanden die Meinung, dass trotz der Äquivalenz im Bereich der primären Textstruktur das Translat nicht „gut genug“ sei. Und das eben scheint der Kern der Sache zu sein.

Petrova beruft sich auf die in der traditionellen Linguistik ziemlich verbreitete Mei-nung, dass das Poetische an literarischen Texten, also das, was einerseits aus einem Sprach-benutzer einen Künstler macht und andererseits einen Text als literarisch bezeichnen lässt, in einem wenig exakt beschriebenen Bereich der Abweichungen vom „normalen“ Sprach-gebrauch zu fi nden ist. Im Bereich der Poetik, Stilistik bzw. Pragmatik des Sprachge-brauchs, die ungeachtet der durch manche Linguisten produzierten und verbreiteten Vor-urteile auch ihre Taxonomien haben, gibt es Parameter, die sich mit mechanistischen Methoden schwierig beschreiben lassen, wie etwa Intuition, Erfahrung, Sensibilität, Sprachgefühl und Kreativität. Diese eben ermöglichen uns etwas Vernünftiges über den gar nicht winzigen Unterschied zu erzählen, der zwischen einer Berghütte und dem Dom in Barcelona besteht, wobei die beiden Bauten aus formal und materiell relativ äquiva-lenten Elementen errichtet wurden.

Zdzisław Wawrzyniak, Linguist, Dichter und Übersetzer, beschreibt in seinem sehr wichtigen Beitrag Texte und Stile Translation als Prozess, an dem sich der Künstler und Übersetzer, wobei der letztgenannte insbesondere im Fall der literarischen Texte auch Künstler sein sollte, auf eine ihnen eigene Art und Weise beteiligen. Das harmonische Mitwirken des Dichters oder Schriftstellers und des Translators bringt erst dann positive Effekte, wenn der Übersetzer sich der Art und Rolle der Idiostile im Ausgangs- und Ziel-text bewusst ist. Dieser Prozess wird in diesem Artikel an zahlreichen Beispielen ge-schildert. Wie kommt es dazu, dass der Künstler und der Übersetzer harmonisch mitwir-ken, so dass der Originaltext und das Translat als äquivalente Kunstwerke empfunden werden? Aus den oben erwähnten Gründen ist es sehr gefährlich und sogar nicht ehrlich schnelle und fertige Antworten zu erteilen. Intuition, Erfahrung, Sensibilität, Sprachgefühl und Kreativität lassen sich doch nicht von heute auf morgen ausbilden.

So haben wir es mit zwei Bereichen zu tun, dem der Sprache bzw. der Sprachdeskrip-tion und dem der Poetik. Beide Bereiche sind komplementär. Es gibt keine fertigen Re-zepte, nach welchen sich translatorische Probleme vermeiden bzw. schnell und einfach lösen lassen. Der Prozess der Translation wird von einem Gefüge bestimmter Parameter determiniert, wobei dem potentiellen Leser der Übersetzung auch eine ganz besondere Rolle zuteil geworden ist. Verschiedene Probleme, die dabei auftauchen, werden durch Małgorzata Sieradzka in dem aufschlussreichen Artikel „Hrabina Cosel. Powieść history-czna“ von Józef Ignacy Kraszewski in zwei Übersetzungen ins Deutsche: historisch kor-rekt, realitätsnah oder leserfreundlich? anschaulich gemacht.

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Lucyna Wille schließt mit ihrem Text Der Stellenwert der Übersetzerentscheidung für die Werkinterpretation. Zur deutschen und amerikanischen Fassung des Romans „Andere Lüste“ von Jerzy Pilch diesen Teil des hier besprochenen Buches ab, in dem die für Trans-latorik fundamentalen Probleme erörtert werden. Es wird hier die Wichtigkeit der Überset-zungskritik gezeigt, die die Übersetzungsforschung in dem Sinn ergänzt, dass sie die Fra-ge zu beantworten versucht, was Individuelles und Subjektives der Translator als eigenen Beitrag zum kreativen Prozess der Translation liefert.

Im zweiten Kapitel dieses Buches werden bestimmte Elemente der translatorischen Praxis an aufschlussreichen Belegen dargestellt. Karolina Kęsicka ist Autorin des Textes Textmodifi kationen in der Filmübersetzung. Untersucht am Beispiel der deutschen Syn-chronfassung von „All Quiet on the Western Front“ Lewis Milestones. Kęsicka betont das immer größere Interesse an der Filmübersetzung im Rahmen der Übersetzungswissen-schaft. Die übersetzten Filmtexte haben einen ziemlich breiten Empfängerkreis. Die Trans-late müssen nicht nur die Bedingung der sprachlich-pragmatischen Adäquatheit erfüllen, sondern auch die Spezifi k der Filmhandlung beachten. Die übersetzten Dialoge müssen authentisch wirken und mit dem Bild und Kontext zeitlich und stilistisch übereinstimmen. Kęsicka zeigt, welche wichtigen, praktischen Entscheidungen der Translator des o.g. Films getroffen hat und versucht, die im Translat gebrauchten Übersetzungsstrategien aufzuzäh-len. Dabei erfahren wir, dass im Fall des analysierten Films ein zusätzliches Parameter die Form der Übersetzung determiniert hat: Es handelt sich um die Zensur.

Joanna Kubaszczyk untersucht am Beispiel von Übersetzungen des Romans von El-friede Jelinek Die Klavierspielerin und des Romans von Günter Grass Die Rättin die „Ad-jektivischen Vergleichsbildungen im Polnischen und im Deutschen […]“. Den Text eröff-net eine gründliche Einführung in die Problematik der adjektivischen Vergleichsbildungen im Deutschen und im Polnischen, im Rahmen welcher entsprechende Wortbildungsmodel-le geschildert wurden und dann analysierte die Autorin Beispiele aus den beiden Büchern, um am Ende des Aufsatzes dem Leser eine sehr interessante Interpretation der Forschungs-ergebnisse anzubieten.

Ryszard Lipczuk beschäftigt sich in seinem Text Tautonyme bei der Übersetzung von polnischen Sporttexten ins Deutsche mit einer Gruppe von translatorischen Fehlern, die verschiedene Subklassen von den sog. „Falschen Freunden“, die in den ins Polnische bzw. ins Deutsche übersetzten Sporttexten auftreten. Der Autor zeigt an entsprechenden Bei-spielen unterschiedlicher Art falsche Analogien, die Interferenzfehler verursachen. Das ist bei Fremdwörtern zu erwarten, die im Deutschen und im Polnischen ungleiche Formen bzw. verschiedene Bezugsbereiche bekommen haben. Es handelt sich in diesem Fall um einen sehr interessanten und aus praktischen Gründen sehr wichtigen Text, der Übersetzer für potentiell in Frage kommende Probleme, die Autor Übersetzungsfallen nennt, sensibi-lisieren sollte.

Anna Małgorzewicz beschäftigt sich in ihrem Artikel Bilder menschlicher Gefühle in der polnischen und deutschen Phraseologie und ihre Übersetzbarkeit, dargestellt am Bei-spiel der Herz-Metapher in „Pan Tadeusz“ von Adam Mickiewicz mit der Problematik der Relation zwischen der Sprache und Gefühlen. Die Autorin analysiert diese Stellen des ins Deutsche übersetzten Werkes von Mickiewicz, an welchen das Lexem Herz erscheint, das in unserem Kulturkreis symbolisch als Sitz der Gefühle, vor allem der Liebe und als Träger der moralischen Werte bzw. der ethischen Qualitäten des Menschen begriffen wird. Im Rahmen der Analyse wurden die entsprechenden Textpassagen im Originaltext mit ihren

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Entsprechungen in drei Translaten von verschiedenen Autoren zusammengestellt. Das ana-lysierte Material wird thematisch nach den dem Lexem „Herz“ zugeschrieben, methapho-rischen Interpretationen gruppiert. Im Fazit zeigt Małgorzewicz eine breite Palette der Verwendungsmöglichkeiten des Lexems „Herz“ in der Phraseologie des polnischen Epos Pan Tadeusz.

Marta Smykała (Lässt sich Urlaub wie Persil verkaufen? Zu spezifi schen Aspekten des Übersetzens von Werbetexten anhand polnischer und österreichischer Reiseaspekte) zeigt in ihrem Artikel, dass Translate nicht nur adäquat, sondern auch angemessen formu-liert werden sollen, wobei die Prinzipien der Angemessenheit anders sind als in anderen deutschsprachigen Ländern. Im Falle der Reiseprospekte, die kommerziellen Zielen die-nen, müssen sich die Übersetzer außerdem noch an der Person des potentiellen Rezipienten orientieren, seine Emotionalität, Erwartungen, sein Vorwissen, Interesse, Formen der sprachlichen Höfl ichkeit und andere speziellen Ausdrucksformen berücksichtigen, wenn sie den kommerziellen Erfolg erzielen.

Im nächsten Text: Zur grammatischen Kategorie des Tempus im deutschen und im polnischen Gesetztext von Rafał Szubert wird das Problem spezifi scher Ausdrucksmög-lichkeiten des Tempus in der deutschen und polnischen juristischen Fachsprache angespro-chen. Es lassen sich dabei bestimmte Regelmäßigkeiten feststellen, wozu u.a. der beträcht-lich große Gebrauch von Präsens in den beiden Sprache gehört.

Die zwei letzten Texte in diesem Kapitel werden einigen schwierigen Elementen der Textstruktur gewidmet. Janusz Taborek befasst sich in seinem Artikel Verweiswörter und Textverweismittel mit Verweiswörtern im Deutschen und im Polnischen. Darunter werden solche Einheiten der Sprache begriffen, die hinsichtlich ihrer Art eine Wortklasse bilden und hinsichtlich ihrer Funktion auf andere sprachliche Mittel im Text verweisen. Der Autor dieses Beitrags zeigt im Weiteren die mit Verweiswörtern verwandten sprachlichen Ein-heiten, die auch zu Textverweismitteln gehören, wozu Deixis, Konnektoren, Abtönungsp-artikeln, unbestimmte Proformen, Vagheitsformen, lexikalische Proformen, Ellipsen und attributive Proformen zugezählt werden. Sie erfüllen beim Gestalten des Textes ihre eige-nen Aufgaben. An Beispielen werden die einzelnen Gruppen der sprachlichen Textver-weismittel geschildert was sie von dem eigentlichen Objekt der vorliegenden Analyse abgrenzen hilft.

Mariola Wierzbicka konzentriert ihre Aufmerksamkeit auf den „[…] Besonderheiten von weiterführenden Sätzen im deutsch-polnischen Sprachvergleich“. Es handelt sich hier um einen Versuch, am Beispiel der in literarischen Texten gebrauchten Sätze dieser Art und ihrer polnischen bzw. deutschen Translate das für sie formal, funktional und seman-tisch Signifi kante nachzuweisen. Die Ergebnisse der Analyse sind beachtenswert und es werden dabei alle in Frage kommenden Aspekte der weiterführenden Sätze in den beiden analysierten Sprachen angesprochen und an zahlreichen Belegen geschildert.

Der dritte Teil des rezensierten Buches wird mit dem sehr aufschlussreichen Artikel von Zofi a Bilut-Homplewicz Produktion, produzieren… und Küchenzettel. Nicht nur zu Fachtermini in der Übersetzung von textlinguistischen Aufsätzen eröffnet. Es werden hier die eigenen Erfahrungen der Autorin dargestellt, die sie als Herausgeberin eines nicht nur aus der textlinguistischen Perspektive sehr wichtigen Sammelbandes Lingwistyka tekstu w Niemczech. Pojęcia, problemy, perspektywy (Mitherausgeber: Waldemar Czachur, Marta Smykała; Wrocław 2009) gemacht hat. Im Rahmen dieses Projekts wurden 17 für die deutsche Textlinguistik besonders wichtige Veröffentlichungen ins Polnische übersetzt.

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Die Probleme, die sich im Übersetzungsprozess dieser Texte ins Polnische erkennen lie-ßen, werden durch die Autorin eingehend besprochen.

Sambor Grucza ist Autor des nächsten Beitrags: Zur Stratifi kation von Bedeutungen des Ausdrucks „Fachtext“ und ihren Implikationen für die Translatorik. Es werden hier die für den angesprochen Bereich der Fachsprachen-Problematik relevanten Begriffe mit Sorgfalt zusammengestellt und in Relation zur Gemeinsprache und zur alltagssprachlichen Kommunikation geschildert. Es wird in diesem Aufsatz zum einen die Rolle der Sprach-gemeinschaft beim Bestimmen der distinktiven Texteigenschaften aufgewertet und zum anderen die Rolle des äußeren Kontextes beim Interpretieren des Einzeltextes betont. Den allgemeinen Prozessen der Textbestimmung und der Textrezeption unterliegen nach Gru-cza alle Texte, einschließlich der Fachtexte.

Die Problematik des Fachtextes, aber dieses Mal am Beispiel des Bürgerlichen Ge-setzbuches, wird im Artikel von Zenon Weigt Bürgerliches Gesetzbuch – Einblick in den Fachtext des Rechts angesprochen. Der Autor zeigt es an zahlreichen Beispielen, wo die Grenze zwischen der Allgemeinsprache und der Rechtssprache liegt und auch das, wo sich diese zwei Ebenen der Sprachverwendung überschneiden. Im zentralen Teil dieses Bei-trags werden die relevanten, systemimmanenten Merkmale der Rechtssprache und des Rechtstextes besprochen, was dem Autor anschließend wichtige Bemerkungen zur Fach-sprachendidaktik und insbesondere zum Didaktisieren der Rechtstexte zu machen er-möglicht.

Im vierten Teil des hier besprochenen Sammelbandes fi ndet der Leser drei Artikel, die sprachtheoretische und translationstheoretische Aspekte des Textes. Diese Gruppe von Artikeln eröffnet der Beitrag von Krzysztof Lipiński Textsorte und Translation, in dem der Autor es sehr bedauert, dass alle Versuche, klare Parameter der Textsortendefi nition zu bestimmen, es unausweichlich verursachen, dass das Individuelle und gleichzeitig das Besondere an jedem Text, und das trifft auf eine ganz besondere Art und Weise die litera-rischen Texte zu, getilgt wird. Damit stimmt Lipiński Aristoteles zu, der behauptete, dass das gesamte Wissen allgemein, dagegen das jegliche Sein einzelartig sei.

Anna Pieczyńska-Sulik beschreibt in ihrem Aufsatz „Zieltext als Zeichen“ das Trans-lat (hier literarischen Text) aus der semiotischen Perspektive, wobei hier der Begriff der Semiotranslation gebraucht wird. Die Autorin versucht in ihrem Beitrag zu erklären, wie es aus semiotischer Sicht zu begründen ist, dass gewisse Diskrepanzen, die zwischen dem literarischen Ausgangs- und dem Zieltext bestehen. Diese Unterschiede zeugen davon, dass der Prozess der Translation der Interpretationsoperation unterliegt, die das Bestehen der Texte und der Kontexte voraussetzt und die die Rolle des Übersetzers aufwertet, der den Zieltext als indexalisches, ikonisches und symbolisches Zeichen begreift.

Ewa Żebrowska unternimmt in ihrem Artikel Auf dem Wege zur linguistischen Ana-lyse von literarischen Texten den Versuch zu zeigen, welche linguistischen Interpretations-verfahren der literarischen Texte erarbeitet und verwendet werden. Die am Anfang des Artikels angeführte Meinung von Siegfried Grosse, dass die germanistische Linguistik sich immer noch scheue literarische Texte zu analysieren, klingt provokativ. Es wurde dabei die sog. strukturbezogene Linguistik gemeint, die jeweilige Produkte des mensch-lichen Handelns mit einem abstrakten, synthetischen Bild der Sprache oder besser gesagt, mit dem versteinerten Bild der Sprache, das man sprachliche Norm nennt, zu konfrontieren pfl egt. Literarische Texte aber auch andere fallen aus diesem Rahmen und müssten als Konstrukte betrachtet werden, in denen „Abweichungen“ von einer so begriffenen Norm

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normal sind. Rein sprachliche und im traditionellen Sinn rein linguistische Analyse solcher Texte reicht dazu nicht aus.

Das letzte Kapitel des rezensierten Buches eröffnet der Artikel von Andrzej S. Feret Überaltet, zeitgemäß, zukunftsweisend? Zum Übersetzen im gegenwärtigen Fremdspra-chenunterricht. Der Autor versucht hier die Rolle und die Vorteile des Übersetzens im modernen Fremdspracheunterricht zu bestimmen.

Magdalena Jurewicz („Lachen in gedolmetschten Gesprächen“) wollte in ihrem Bei-trag die gesichtsbedrohende Rolle des nicht intendierten Lachens in der Relation zwischen den Interaktanten zeigen, wobei auch der Dolmetscher als einer der Interaktanten fungiert. Es ist wichtig hinzuzufügen, dass es sich um offi zielle Situationen handelt, in welchen solche emotionalen Reaktionen der Gesprächspartner, die Höfl ichkeitsnorm überschreiten, wozu das Lachen ohne Zweifel gehört, als gewisse Verletzung der sprachlichen Hand-lungsnorm interpretiert werden. Es wird hier am Beispiel gezeigt, dass das Dolmetschen ein komplexer Prozess ist, in dem der kommunikative Erfolg der Interaktanten auch davon abhängt, wie sie ihre Rollen in diesem Spiel verstehen und realisieren.

Artur Dariusz Kubacki versucht in seinem Aufsatz Zum Beruf eines vereidigten Über-setzers in Polen den Status des Berufs eines vereidigten Übersetzers darzustellen. In dem Artikel werden aus der Perspektive eines an der Problematik interessierten Lesers viele wichtige Informationen, Daten und Hinweise angegeben.

Zygmunt Tęcza schließt an die in diesem Kapitel veröffentlichten Beiträge und den ganzen Band mit seinem sehr interessantem Text Errara translatoris est? Übesetzerfehlern auf der Spur an. Es werden hier Ergebnisse einer umfassenden Analyse der studentischen Übersetzungsversuche und der dabei begangenen Fehler eingehend besprochen.

Das von Paweł Bąk, Małgorzata Sieradzka und Zdzisław Wawrzyniak herausgege-bene Buch ist mit Nachdruck allen Lesern zu empfehlen, denen die Problematik der vor allen Dingen germanistischen Übersetzungstheorie und -praxis nicht fremd ist. Das in diesem Sammelband geschilderte, breite Panorama konkreter Standpunkte, Zugänge, Er-fahrungen, Ansätze und Postulate ließ ein sehr inspirierendes Ganzes entstehen, das uns allen, die diese auch editorisch mit Sorgfalt vorbereitete Veröffentlichung aufschlagen, begeistern kann.

Iwona Bartoszewicz

Joanna Szczęk: Auf der Suche nach der phraseologischen Motiviertheit im Deutschen (am lexikographischen Material). Dresden-Wrocław 2010, 420 S.

Das Buch, das in der Reihe „Dissertationes Inaugurales Selectae“ erschienen ist, umfasst die Dissertation, die am Institut für Germanistik der Universität Wrocław 2004 erfolgreich verteidigt wurde. Die Autorin nimmt sich vor, die Gesamtheit aller Probleme, die mit der phraseologischen Motiviertheit zusammenhängen, darzustellen und das ermittelte lexiko-graphische Material genau zu analysieren und zu systematisieren.

Das Buch besteht aus elf Kapiteln, die mit dem Literaturverzeichnis ergänzt wurden.

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Den ersten Teil bildet eine eingehende theoretische Einführung in die Probleme der modernen Phraseologie. Am Anfang werden die Kriterien besprochen, die es ermöglichen, die festen Wortverbindungen von den freien zu unterscheiden. Die Autorin präsentiert auch in einer übersichtlichen Tabelle die gültigen Defi nitionen der phraseologischen Ein-heiten.

Da die Phraseologie sehr heterogene Wortverbindungen umfasst, hat die Autorin auch die phraseologischen Einheiten in Bezug auf ihre kennzeichnenden Merkmale beschrie-ben. Es wurden demnach die Typen der Phraseologismen und ihre Klassifi kation darge-stellt. Ein Kapitel wurde der mehrdimensionalen Problematik der Bedeutung der Phraseo-logismen gewidmet. Die Autorin weist auch auf die Notwendigkeit hin, die Sprache und – was daraus folgt – die Phraseologismen in einen situativen Kontext einbetten zu müssen, da die außersprachlichen Faktoren nicht aus der linguistischen Untersuchung wegzuden-ken seien. Es handelt sich natürlich um einen größeren, kulturellen Kontext. Es werden die engen Beziehungen „zwischen den Menschen, der Sprache, der Kultur und der Wirklich-keit“ (S. 131) hervorgehoben. Es wird auch festgestellt, „dass sich enge Beziehungen zwischen Sprache und Kultur ohne Zweifel nachweisen lassen und dass beide Größen voneinander nicht zu trennen sind” (S. 132). Demnach erwägt die Autorin auch den Ein-fl uss der Kultur auf die Phraseologie, der sich in der starken Verankerung der Bedeutung der Phraseologismen in der jeweiligen Kultur manifestiert. J. Szczęk meint, dass die Phra-seologismen „als eine Vermittlungsinstanz der Kultur betrachtet werden“ (S. 136) können und sich als solche aus den unterschiedlichen Elementen der sprachlichen und außer-sprachlichen Realität der jeweiligen Sprachgemeinschaft ergeben. Zur Stützung dieser These wurde der Vergleich der Referenz von Farbbezeichnungen im Deutschen und im Polnischen herangezogen.

Im Folgenden behandelt die Autorin die Fragen der Phraseologisierung und Idioma-tisierung sowie der Motiviertheit der phraseologischen Bedeutung, wobei sie auf die wich-tige Position der Kultur als Grundlage für die Entstehung der Phraseologismen hinweist. Hier nennt sie zwei Gruppen von Phraseologismen, diejenigen, die eine gemeinsame Quel-le der Motiviertheit haben, z.B. Antike, Bibel usw. und diejenigen, deren Quelle der Mo-tiviertheit kulturspezifi sch, innerkulturell sei.

Im nächsten Kapitel fi nden wir einen umfangreichen Überblick über die Motivations-quellen deutscher Phraseologismen. Die Autorin gibt drei große Motivationsbereiche an, nämlich interkulturelle und innerkulturelle Quellen sowie Entlehnungen, die sprachlicher und außersprachlicher Natur sein können. Unter den interkulturellen Quellen fi nden wir u.a. Internationalismen oder literarische Werke, die eine besondere Rolle im Hinblick auf die Kultur mehrerer Sprachen ausgeübt hatten, wie die antike Literatur, die Bibel sowie die neuzeitliche Weltliteratur. Die Autorin nennt auch viele außersprachliche Quellen, wie den menschlichen Körper, Tier- und Pfl anzenwelt, Farbbezeichnungen, Zahlen, Handwerk u.v.m. Nicht unbeachtet bleiben auch die innerkulturellen Quellen, die oft nur im Rahmen der jeweiligen Sprachgemeinschaft begreifl ich sind und sich nicht übersetzen lassen. Die theoretische Abhandlung schließt J. Szczęk mit dem Kapitel ab, in dem die Entlehnungen besprochen werden.

Im folgenden Teil der Publikation fi nden wir eine ausführliche Analyse der Motivati-onsquellen der deutschen Phraseologismen. Die Autorin hat sich auch vorgenommen den Einfl uss der Motiviertheit auf den Phraseologisierungsprozess darzulegen. Dem analy-tischen Teil gehen die kurze theoretische Einführung sowie die Liste der Nachschlage-

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272 Rezensionen und Berichte

werke voran. J. Szczęk unterscheidet in ihrer Arbeit zwei Typen der phraseologischen Motivation: „1. Motivation, deren Quelle nachweisbar ist: Literatur, Geschichte, Tierwelt u.a.; 2. Motivation, die sich aus dem Komponentenbestand der Phraseologismen ergibt“ (S. 266). Die Autorin schildert folglich dreiundsechzig festgestellten „Inspirationsbe-reiche“, die alphabetisch geordnet werden. Aus der Erörterung ist ersichtlich, dass sich die Quellen voneinander quantitativ unterscheiden. Zu den besonders produktiven Bereichen gehören u.a. Antike Kultur, Bibel, Essen und Trinken, Farbbezeichnungen, Körperteile, Literatur, Kampf und Tierwelt. Nach der Untersuchung der Motivationsquellen systemati-siert J. Szczęk eingehend die Ergebnisse der Analyse. Hingewiesen wird auf den Einfl uss der außersprachlichen Wirklichkeit, des Menschen sowie der Gesellschaft auf den Verlauf der Phraseologisierung. Die Autorin stellt auch die Typen der phraseologischen Motiviert-heit dar. Die Schlussfolgerungen werden durch Bemerkungen ergänzt, die Verbreitungs- und Bekanntheitsgrad, Form, stilistische Aspekte und Funktionen der phraseologischen Einheiten betreffen. Das Buch ist ohne Zweifel ein gelungener Beitrag zur sprachwissen-schaftlichen Untersuchung der Motivationsquellen im Bereich der deutschen Phraseolo-gie. Die eingehende Analyse von 6190 Phraseologismen ermöglicht der Autorin ein breites Spektrum von „Inspirationen“ festzustellen sowie ihren Einfl uss auf den Phraseologisie-rungsprozess darzulegen. Die Publikation, der ein umfangreiches empirisches Material zugrunde liegt, füllt eine Lücke in den bisherigen Forschungen über die Aspekte der Mo-tiviertheit. Es fehlte nämlich eine komplexe Untersuchung, die den Gesamtbereich der Phraseologie umfassen würde. Außerdem können die Resultate der Untersuchung als eine Inspirationsquelle für weitere Forschungsarbeit betrachtet werden, z.B. für den konfronta-tiven/kontrastiven Sprachvergleich. Der umfangreiche und gut durchdachte theoretische Teil des Buches sowie das reichhaltige Literaturverzeichnis lassen das Buch auch zu di-daktischen Zwecken verwenden. Alles in allem wurde mit dem Beitrag ein Stück guter linguistischer Arbeit geleistet.

Anna Gondek

Marlene Hastenplug: Langenscheidt Praktisches Lehrbuch Dänisch. Der Standardkurs für Selbstlerner. Berlin 2010, 256 S.

Ein Sprachkurs für Selbstlerner ist immer eine Herausforderung sowohl für die Autoren als auch für die Lerner, besonders, wenn es sich um ein Lehrbuch für Anfänger handelt und die Grundkenntnisse ohne Lehrer erworben werden sollen. Den Charakter und das Kon-zept in der Neubearbeitung von Langenscheidt Praktisches Lehrbuch Dänisch verrät das Navigationssystem, das übrigens teilweise die Rolle des Lehrers übernimmt und leicht zu beherrschen ist. Es informiert über die Lerninhalte in jedem Kapitel, leitet den Benutzer über die Lernphasen und steuert den Lernprozess. Ein weiteres viel sagendes Indiz, das das Vorhaben der Autorin entschleiert, sind die muttersprachlichen Fassungen der Titelseiten aller Kapitel sowie der Teil mit den Übersetzungen von Dialogen und Lösungen aller Auf-gaben sowohl dieser in den Übungsteilen in jedem Kapitel als auch dieser aus den drei Kontrolltests. Dem Benutzer steht zusätzlich eine Liste der grammatischen Fachausdrücke

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zur Verfügung (S. 222–224). All das bildet ein durchaus pragmatisches und benutzer-freundliches Gestaltungskonzept, das sich seit Jahren in ähnlichen Veröffentlichungen be-stätigt hatte.

Das besprochene Lehrbuch besteht aus 15 Lektionen und das Sprachniveau orientiert sich an B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens. Die feste Struktur jeder Lektion, übersichtlicher Aufbau der kleineren Einheiten, eine bescheidene Dynamik in der graphischen Gestaltung machen einen positiven Eindruck und ermuntern zur tieferen Ana-lyse. Jede Einheit eröffnet ein Lesetext und seine deutsche Übersetzung. Danach folgen grammatische Erklärungen, belegt mit den Beispielen aus dem Lesetext. Anschließend fi ndet man einen, gewöhnlich sehr ausgebauten, Dialog, nach dem eine Vokabelliste, Grammatik und lexikalische Kommentare (Sprogbrug, Nyttige ord og udtryk) kommen.

Die Liste der grammatischen Fragen, die in dem Praktischen Lehrbuch behandelt wurden, umfasst die rudimentären Probleme und vermittelt das Basiswissen im Bereich der dänischen Morphologie und zum Teil auch Syntax, aber in einem ziemlich angekur-belten Tempo. Die Wahl der lexikalischen Einheiten wurde konsequent dem formulierten Ziel untergeordnet, daher überwiegt der meist typische Wortschatz für ausgewählte Pro-blematik. Dem Lernenden werden im Laufe des Kurses – nach Angaben der Autorin (Weg-weiser, S.3.) – rund 1700 Wörter vermittelt, worunter ein ansehnlicher Teil in Form von gängigsten Phraseologismen der Alltagssprache. Sie werden in der Regel in den Abschnit-ten (Sprogbrug) mit der vollständigen pragmatischen Charakteristik eingeführt.

Auch landeskundlich hat der Dänischkurs viel zu bieten. Die Kulturkompetenz wird mehrspurig entwickelt. Die Begebenheiten in den Texten fi nden immer in einer der dä-nischen Städte oder Ortschaften mit einer zielgerichteten Heranziehung von Realien statt. Eine andere Strategie für die Annäherung der Zielkultur setzt die Behandlung der kultur-spezifi schen Thematik in den Dialogen voraus, wie es in der Lektion 4 (in dem Text Øl eller bål) der Fall ist. Einen bemerkenswerten Beitrag leisten die in die Kapitel Nyttige ord og utryk integrierten Abschnitte, die mit dem Piktogramm Information markiert wurden. Hier vermittelt man in der Muttersprache des Lerners das Grundswissen über Dänemark, dessen Einwohner und Kultur. Die Liste ist für so ein einbändiges Lehrbuch von 256 Sei-ten recht imposant und die Wahl der Thematik lobenswert: Namensgebung (Lektion 1), Zahlungsmittel (Lektion 3), Mahlzeiten (Lektion 4), Bibliothekwesen (Lektion 6), Ferien (Lektion 7), Theater in Dänemark (Lektion 8), Gastronomie (Lektion 9), Feiertage (Lekti-on 10), Verkehr (Lektion 11), Berufsleben (Lektion 12), Sport (Lektion 13), Weihnachtstra-ditionen (Lektion 15) usw. Die Autorin verschafft exemplarische Einblicke in das tägliche Leben der Dänen und vermittelt dem Benutzer den Basiswortschatz mit Berücksichtigung der kulturspezifi schen Lexik.

Ein besonders wertvolles Element ist der Abschnitt Sprogbrug, in dem die Besonder-heiten und Unterschiede im Sprachgebrauch anschaulich erläutert werden, wodurch die Interferenzgefahr abgebaut werden kann. Das Lehrbuch setzt einen bewussten, gut durch-dachten Lernprozess voraus, in dem Lernenden allerseits geholfen wird.

Ein weiteres Lob an die Autorin gilt für die Authentizität des Lernstoffes, die nicht in Frage gestellt werden kann. Von der ersten Lerneinheit an wird die zu erlernende Sprache mit Hilfe von vielfältigen authentischen Texten und Materialien vermittelt. Dies geschieht durch den Einsatz von Sach- und Gebrauchstexten (die letzteren werden gewöhnlich mit einem Bildimpuls dargestellt). Neben den Internettexten und geographischen Karten bilden die Texte von den Printmedien den Kern jeder Lektion. Die Liste umfasst solche Textsorten

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wie: Zeitungsanzeige, Kalendernotizen, Einkaufszettel, Postkarte, Privatbrief, Einladung, Theaterprogramm, Zeitungsrezension, Kurzinterview (Umfrage), Lebenslauf, Steckbrief, Kochrezept, Werbetext und Touristeninformation. Es fehlen zwar typische literarische (ly-rische) Texte aber diese sind in die Materialien für Anfänger schwer einsetzbar.

Als besonders hilfreich fi nde ich die Vokabellisten in jedem Kapitel. Sie markieren den lexikalischen Umfang von jeder Lektion, ermöglichen bessere Orientierung in der Thematik, sind behilfl ich bei den Wiederholungen und liefern ein volles Programm von morphologischen Informationen der dänischen Wortarten. Hier sind alle Flexionsendungen der Substantive zu fi nden, sowie Angaben zur Bildung der Vergangenheitsformen bei den Verben. In die Listen wurden Abkürzungen (AGF-Brøndby), Phraseologismen (hold da kæft), Phrasen aus den Texten (på arbejdet), onymische Einheiten (Oddervej), Rektions-verben (spille mod nogen) und sogar Sprichwörter (Rom blev ikke bygget på en dag) auf-genommen. Kurz: das vollständige lexikalische Material, mit dem der Lernende in den Texten konfrontiert wird. Ein kleines Minus der Vokabellisten ist der Mangel von gram-matischen Angaben zur Steigerung der Adjektive und die Verdoppelung der Auslautskon-sonanten im Wortstamm (z.B. smuk → smukke, smukkere u.s.w.). Die besprochenen Lis-ten können auch als kostbare Informationsquelle für die Beherrschung der ungeheuer komplizierten dänischen Aussprache gelten. Schade nur, dass die Transkription den Ler-nenden nur in den ersten 5 Kapiteln begleitet. Dieses Manko wurde aber in dem Glossar, das das Lehrbuch schließt, behoben, indem alle aufgelisteten Einträge mit der Lautschrift versehen wurden. Die Autorin bediente sich bis auf kleine Ausnahmen der Transkriptions-zeichen, die üblich in den dänischen professionellen Lehrmaterialien verwendet werden. Dies garantiert dem Lernenden einen schmerzlosen Übergang zu anderen Lehrwerken bzw. wissenschaftlichen oder populärwissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der lautlichen Seite des modernen Dänisch.

Bekanntlich werden die Sprachfertigkeiten durch ein entsprechendes Repertoire von lexikalisch-grammatischen Übungen mit integriertem landeskundlichem Wissen erworben.

Die Autorin gab sich Mühe den Erwerb der Sprach- und Kulturkompetenz möglichst abwechslungsreich und spannend zu gestalten. Neben den klassischen Substitutionü-bungen und Zuordnungsübungen gibt es Texte mit Lücken, Ergänzungsübungen, Frage-Antwort- und Richtig-Falsch-Aufgaben. Die Memorisierung der neuen Lexik unterstützen zusätzlich Einsetzübungen, Kreuz-Wort-Rätsel und Multiple-Choice-Aufgaben sowie bildgestützte Übungen. Der Festigung der syntaktischen Strukturen dienen gewöhnlich Transformationsübungen und Übersetzungsübungen. Die inhaltliche Struktur der Übungs-teile entspricht vollständig den vorangehenden Abschnitten mit grammatisch-lexikalischen Erläuterungen. Dies bildet eine logische Realisierung der Lernphasen: Neulernen – Vertie-fen – Automatisieren – Anwenden. Vereinzelt werden die Übungen durch Zeichnungen visuell unterstützt, was das Interesse der Lernenden wecken und der Eintönigkeit vorbeu-gen soll.

Jede Lektion enthält 8 bis 10 Übungen auf 3–4 Seiten, was ungefähr ein Viertel der Einheit ausmacht. Alle Aufgabenfragen wurden in der Muttersprache des Lernenden ver-fasst. Es fehlt die Entwicklung der kommunikativen Kompetenz. Kommunikative bzw. interaktive Fertigkeiten wie dialogisches Sprechen werden nicht oder kaum entwickelt, denn der Kurs für Selbstlerner setzt per defi nitionem keinen Gesprächspartner voraus.

Das dezente Layout begleitet den Benutzer auf dem Weg zum Lernerfolg. Zweifar-bige blau-gelbe Zeichnungen stehen gewöhnlich im engen Zusammenhang mit den ange-

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Rezensionen und Berichte 275

botenen Inhalten. Sie stellen eine visuelle Unterstützung oder Ergänzung der Texte (S. 95) dar, manchmal begleiten sie die landeskundlichen Erläuterungen (S. 91), ab und zu er-scheinen sie neben dem grammatischen Kommentar, indem sie eine Situation aus den angeführten Beispielen wiedergeben. Die Zeichnung scheint dann nur eine lose oder gar keine Verknüpfung mit dem gesamten grammatischen Abschnitt zu haben und deswegen überfl üssig oder irreführend zu sein. Viel wertvoller sind Abbildungen der architekto-nischen Werke (der Turm auf Himmelbjerget, S. 182 oder das Rathaus in Århus, S. 180) und der typischen für den dänischen Alltag Artefakte (wie die PH-Lampe, S. 142 oder das Christiania-Fahrrad, S. 153) sowie der Situationen, die das Lifestyle der Vertreter der Ziel-kultur prägen (S. 57, 68, 103).

Deutsch und Dänisch sind historisch eng verwandt und aus diesem Grund weisen sie nicht nur im Wortschatz, sondern auch im grammatischen Regelsystem Ähnlichkeiten auf, was die Autorin in einem der Abschnitte mit den grammatischen Erläuterungen anmerkt. Deswegen ermöglichen die Deutschkenntnisse den schnellen und effi zienten Zugang zum Dänischen. Es fehlen jedoch Übungen, die einerseits die unterstützende Wirkung der Mut-tersprache verstärken und andererseits für das Vorkommen der zwischensprachlichen Homonyme (falsche Freunde) sensibilisieren würden.

Die Kompendien für Selbstlerner haben es an sich, dass in relativ wenigen Lektionen möglichst viel Material angeboten wird. Wenn man davon ausgeht, dass das ganze Mate-rial selbständig von dem Benutzer angeeignet werden soll, lässt es manchmal zweifeln, ob es überhaupt machbar ist, ob der Lernende nach dem Sprachkurs die meisten Situationen bewältigen kann, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet (= Niveau B1). Mir scheint doch, dass das Ziel mit dem Lehrbuch das Niveau B1 zu erreichen, ein bisschen übertrieben ist.

Der Verlag Langenscheidt lieferte ein durchaus modernes und interessantes Lehr-werk, in dem die Klarheit und Einfachheit in der Darstellung sowie attraktive und über-zeugende Verbindung zwischen Theorie und Praxis zu unbestrittenen Vorteilen zählen. Die besprochene Neuerscheinung freut mich auch aus anderen Gründen. Angesichts der Situ-ation in Polen, wo kein einziges Lehrbuch für Dänisch vorliegt, ist Langenscheidt Prak-tisches Lehrbuch Dänisch eine Alternative für polnische Germanistikstudenten, die Dä-nisch lernen möchten.

Józef Jarosz

Lech Zieliński: Ideologie und Lexikographie. Die Ideologisierung des „Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache“ von Ruth Klappenbach und Wolfgang Steinitz (= Danziger Beiträge zur Germanistik, Bd. 31). Frankfurt am Main 2010, 180 S.

Wenn man Fremdsprachen lernt, greift man nolens volens sehr oft nach einem Wörterbuch und sucht bestimmte Informationen, seien es Bedeutungserklärungen oder Beispiele. In vielen Fällen weiß man gar nicht, welche Entstehungsgeschichte sich hinter dem fertigen Produkt, das man in der Hand hält, versteckt. In den meisten Fällen würde man auch nicht glauben, dass ein Wörterbuch zu einem Instrument der Ideologisierung werden kann.

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276 Rezensionen und Berichte

Dieses seltene Thema greift in seiner Monographie Ideologie und Lexikographie Lech Zieliński auf, indem er auf das Problem der Ideologisierung des Wörterbuchs der deutschen Gegenwartssprache von Ruth Klappenbach und Wolfgang Steinitz eingeht und die Mechanismen beschreibt, mit deren Hilfe Lexikographie zum Werkzeug der Ideologie geworden ist.

Wie es der Autor selbst unterstreicht, ist das Thema der Ideologien in den Wörterbü-chern metalexikographisch kaum erforscht (S. 11). Die Grundlage seiner Untersuchung stellt das Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (= WDG) von Ruth Klappenbach und Wolfgang Steinitz dar, das laut Autor „als ein Sonderfall in der Geschichte der Lexi-kographie“ gelte, und dies aus dem Grunde, dass dessen Autoren in der Produktionsphase des Nachschlagewerks aufgezwungen wurden die Konzeption des Wörterbuchs zu über-arbeiten und dem Wörterbuch ein marxistisch-leninistisches Gepräge zu verleihen.

Die Monographie ist als Fortsetzung und Krönung einer Beitragsreihe gedacht. Der Autor veröffentlichte nämlich zu diesem Thema neun Beiträge, in denen er das Verhältnis zwischen der sozialistischen Ideologie der DDR und der Lexikographie thematisiert. Eine direkte Anregung zur Abfassung der Monographie kam von den Koautoren des Wörter-buchs, denen diese neue ideologisierende Konzeption aufgezwungen wurde, und die die einzelnen Lemmata geändert haben.

Das Werk ist in sechs Kapiteln gegliedert. Der Autor beginnt mit der Besprechung des bisherigen Forschungsstands zu seinem Thema und konzentriert sich dabei strikt auf die Forschungsarbeiten, die in einem engen Zusammenhang mit der Ideologie der DDR ste-hen. Der Verfasser verweist hier auf zahlreiche Publikationen zu der Sprache der DRR, die an sich ein Phänomen und Gegenstand mehrerer Studien war. Detailliert werden in der Studie Beiträge von Malige-Klappenbach, Ludwig, Kempcke, Hellmann, Herberg, Henry und Renée Kahane besprochen, da die meisten der Forscher am WDG direkt mitgewirkt haben und über internes Wissen zu den angewandten Verfahren verfügten.

Die ersten Studien stammten von Malige-Klappenbach, die die Entstehung des WDG miterlebte. In ihren Beiträgen sollte die den Autoren des Wörterbuchs aufgezwungene Konzeption präsentiert werden. Aus derselben Perspektive sollen die Beiträge von Ludwig die angesprochene Problematik behandeln. Einen tieferen Einblick in die Ideologisierung des WDG soll Hellmann mit seiner Arbeitsgruppe in seinen Beiträgen ermöglicht haben. In diese Gruppe der Beiträge reiht sich auch das Werk von Günter Kempcke ein.

Im Weiteren präsentiert der Autor auch eigene Beiträge, die er zu dieser Problematik verfasst hat. Sie lassen sich zwei Themenkreisen zuordnen: Texte, in denen das Schicksal des WDG geschichtlich-kulturell dargestellt wird, und solche Abhandlungen, in denen die Ideologisierung des WDG systematisch und empirisch untersucht wird.

Im darauf folgenden Kapitel werden Forschungsmethoden beschrieben, deren sich der Autor bediente. Es werden hier Methoden diskutiert, die bei der Untersuchung des Wörterbuchs unter geschichtlich-kulturellen Aspekt anwendbar sind. Grundsätzlich wer-den von dem Autor wörterbuchexterne Methode in Bezug auf die Wörterbuchgeschichte und wörterbuchinterne Methode in Bezug auf die Untersuchung der Wörtebuchlemmata angewendet. Am Beispiel der Wörter Sozialismus und sozialistisch als Bestandteil von Defi nitionen im WDG wird gezeigt, welche Strategien bei der Ideologisierung des WDG ihre Anwendung fanden.

Bevor der Autor zu der empirischen Analyse übergeht, werden im Kapitel 4 die Me-chanismen der Ideologisierung des WDG nach der Konzeptionsänderung beschrieben. Das

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Rezensionen und Berichte 277

Kapitel beginnt mit der Aufteilung der Geschichte des WDG (1952–1977) in zwei Phasen: in eine ideologiefreie Phase (bis 1969) und die Phase, in der ideologiesierende Änderungen am Inhalt der Wörterbucheinträge vorgenommen wurden. Des Weiteren werden auch Me-chanismen präsentiert, mit deren Hilfe man den Inhalt des Wörterbuchs ideologisieren wollte. Hierzu gehörten: Gründung eines Beirats, ideologischer Einfl uss der Institutsdirek-toren, Begutachtungsaufträge.

Im Kapitel 5 wird eine empirische Untersuchung des Gebrauchs des Adjektivs sozia-listisch im WDG vor und nach seiner Ideologisierung präsentiert. Der Autor wertet die Verwendung des Adjektivs quantitativ und qualitativ aus. Es wird auch die Untersuchung der Verwendung des Adjektivs in den Zitaten angestrebt. Es handelt sich v.a. um Zitate im Dienste der marxistisch-leninistischen Ideologie, solche, in denen ideologischer Kampf aufgenommen wurde, und auch diese, die als Werkzeug zur ideologischen Verschönerung der DDR und des Sozialismus dienten.

Im Kapitel 6 wird die Analyse der Verwendung des Substantivs Sozialismus im WDG vor und nach seiner Ideologisierung dargestellt.

Im abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse der Forschung resümiert. Der Au-tor weist darauf hin, dass die sprachlichen Folgen der Durchsetzung der Ideologisierung des WDG v.a. in den Bedeutungsangaben, Zitaten und Verwendungsbeispielen zu fi nden seien. Es wurden dann bestimmte Strategien angewendet, das WDG der Ideologie anzu-passen, z.B.: Beseitigung des kompletten Stichwortes, Tilgung eines Wortes aus den Defi -nitionen, Tilgung eines Syntagmas, eines ganzen Beispiels, eines Zitats oder Ersatz des getilgten Teils durch etwas anderes (S. 161).

Die Studie endet mit einem Postulat des Autors, die Entideologisierung des WDG notwendig vorzunehmen.

Die besprochene Monographie ist als eine lexikographische Studie zu verstehen, in der die Mechanismen präsentiert wurden, wie und unter welchen Einfl üssen ein Wörter-buch entstehen kann. Der Autor zeigt an vielen Beispielen klar und deutlich, dass sogar Wörterbücher, die heutzutage oft richtige Sprachdenkmäler sind, als Instrument der Ideo-logisierung eingesetzt werden konnten. Daher macht es auch darauf aufmerksam, dass die Entstehung eines Wörterbuchs auch ein Zeugnis der früheren Vorkommnisse ist. Es kann als ein kulturhistorischer Beitrag zur Wörterbuchgeschichte verstanden werden, da es auch ein Dokument seiner Zeit ist. Aus dem Grunde ist die Studie von Lech Zieliński nicht nur den Philologen und Lexikographen, sondern auch Historikern und allen, die an der Ge-schichte der letzten Jahre interessiert sind, zu empfehlen.

Joanna Szczęk

Geert Brône: Bedeutungskonstitution in verbalem Humor. Ein kognitiv-lingu-istischer und diskurssemantischer Ansatz. Frankfurt am Main 2010, 458 S.

Allgegenwärtig, explizit oder implizit vorhanden, emotional geladen, fast jeder Kommu-nikationsart eigen, in allen Lebensbereichen präsent – Humor und seine unterschiedlich-sten Erscheinungsformen. Dieses Phänomen macht seit Jahrhunderten Vertretern aller möglichen wissenschaftlichen Disziplinen zu schaffen, denn „bereits seit mehr als 2000

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Jahren gilt Humor als ein beliebtes Objekt des kritischen Denkens“ (S. 122). Wie die For-schung zeigt, entstammen die Untersuchungen auf dem Gebiet Humor grauen Vorzeiten und wecken bis heute ein unaufhörliches, sogar ständig zunehmendes Interesse. Dieses anspruchsvolle Forschungsobjekt verdient eine eingehende wissenschaftliche Behandlung nicht nur deshalb, weil es hochfrequent ist, sondern vor allem deswegen, weil „Humor als Datentypus zur Veranschaulichung bzw. Überprüfung allgemein geltender Prinzipien der semantischen bzw. kognitiven Organisation [gilt]. Zum anderen befi ndet sich Humor auf der Schnittstelle zwischen sprachstrukturellen, kognitiven, soziokulturellen und emotiona-len Faktoren, was dieses Phänomen zu einer besonderen Herausforderung [...] macht“ (S. 392). Eine rege Bewegung auf diesem „unseriösen“ Untersuchungsfeld ist in den letz-ten Jahren nicht nur auf dem amerikanischen, sondern insbesondere auf dem europäischen (deutsch-polnischen) Boden festzustellen. Davon zeugen nicht nur Monographien, die nach dem Jahre 2000 erschienen sind, sondern vor allem die immer ansteigende Anzahl von Sammelbänden, die nach zahlreichen, zum Thema Humor abgehaltenen Konferenzen oder Tagungen herausgegeben wurden.3 Der seit Jahrhunderten andauernde Diskurs im genannten Themenbereich hat bisher wohl alle möglichen Fragestellungen, Theorien und Ansätze in Betracht gezogen, ohne aber eine einheitliche Humortheorie ausgearbeitet zu haben. Begonnen wurde mit den philosophischen Konzeptionen, die den Ursprung des Humors sowie seine Beschaffenheit zu ergründen versuchten. Heutzutage neigen die Hu-morforscher zu sprachwissenschaftlichen, stilistisch und interkulturell ausgerichteten Ana-lysen, die die Erklärbarkeit der kognitiv-logischen Mechanismen in den Mittelpunkt stel-len, um schließlich die kommunikativen Aspekte der Komik hervorzuheben. Die umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen haben die Tatsache bewiesen, dass in solch ausgerichteten Untersuchungen Eigenschaften und Reize zu berücksichtigen sind, die einerseits als Quelle der potentiellen Humor Entstehung anzusehen, andererseits als die auf ihre Rezeption Einfl uss nehmenden Persönlichkeitsmerkmale sowie eine spezielle Ge-formtheit komischer Texte nicht zu übersehen sind.

Die zu besprechende Publikation von Brône leistet einen weiteren interessanten Bei-trag in das skizzierte und immer noch nicht zufriedenstellend erforschte Diskussionsfeld. Das Buch von Brône setzt sich aus 7 Kapiteln unterschiedlichen Umfangs zusammen, die zum einen die wichtigsten theoretischen Aspekte im Bereich der linguistisch-kognitiven Diskursanalyse und Humorforschung aufgreifen (Kapitel 2–3), zum anderen Analysen von Fallstudien heranführen, die auf die aktiven und interaktiven Dimensionen der Bedeu-tungskonstitution und Aushandlung hinweisen (Kapitel 5–6). Im ersten Kapitel stellt der Autor das Humorphänomen als Forschungsobjekt und seine Relevanz für die linguistische Theorie und Praxis kurz dar, um dann den Inhaltsüberblick zu geben sowie die Vorgehens-weise seiner Forschung darzustellen. Im nächsten Kapitel präsentiert er Anforderungen,

3 Es sind Publikationen gemeint, die in den letzten Jahren im Rahmen des polnischen und deutschen komischen Diskurses erschienen sind, darunter: Jolanta Tomczuk-Wasilewska: Psycholo-gia humoru. Lublin 2009; Adam Kucharski: Struktura i treść jako wyznaczniki tekstów humorysty-cznych. Lublin 2009; Antje Wilton: Lachen ohne Grenzen. München 2009; Dorota Brzozowska: Polski dowcip etniczny. Opole 2008 ; Dorota Brzozowska: O dowcipach polskich i angielskich. Opole 2000 und viele andere. Als Beispiele von den dem Humor gewidmeten Sammelbänden sind Jan Mazur / Magdalena Rumińska (Hrsg.): Humor i karnawalizacja we współczesnej komunikacji językowej. Lublin 2007; Viara Maldijeva (Hrsg.): Gra językowa. Toruń 2005 oder Stanisław Gajda / Dorota Brzozowska (Hrsg.): Świat humoru. Opole 2000 zu erwähnen.

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die die Humorforschung an linguistische Beschreibungsmodelle stellt. Zu diesen werden gezählt: der fl exible dynamische und interdisziplinäre Charakter des Beschreibungsmo-dells, die Sprengung der Grenzen der traditionellen Semantik sowie der Einsatz von sprachlich-semantischen Mechanismen, die als „Instanzierungen übergeordneter kogni-tiver Operationen“ betrachtet werden sollen (S. 28). Darüber hinaus kann dieses eklek-tische Diskursmodell die für Humor typischen Faktoren wie die inhärente Kontextbasiert-heit, Konstruierung kreativer Neubedeutungen, formale Innovationen, expressive Effekte und Interpretationsverschiebungen nicht als Rand- oder Ausnahmeerscheinungen abstu-fen, sondern sie eher als erfahrungsgesteuerte und auch steuernde, im Sprachgebrauch stark verankerte Entitäten erfassen. Im weiteren Verlauf des zweiten Kapitels werden Ba-sishypothesen der kognitiven Linguistik dargestellt, darunter die wichtigsten Prinzipien der konstruktivistischen Semantiktheorie, die sogenannten Konstruierungsoperationen (Aufmerksamkeit/Salienz, Urteilskraft/Vergleich, Perspektive/Situiertheit und Strukturie-rung/Gestalt), die fl exible Konzeptualisierungen von Erfahrungen zustande kommen las-sen, sowie Grundlagen für den Beschreibungsapparat zur empirischen Analyse von verbalem Humor. Den Ausgangspunkt für dieses Modell bildet das Current-Discourse-Space-Modell von Langacker, das von dem Autor um die interaktiven Elemente der Kon-versationsanalyse, Diskurspsychologie (die Joint-Action-Hypothese von Clark) und der Theorie der mentalen Bereiche (theory of mind) erweitert wird. Zum Schluss des zweiten Kapitels weist Brône auf die neuesten Möglichkeiten der kognitiven Humor- und Ironie-forschung hin, die sich aus den Erkenntnissen einer jungen, aber sich dynamisch entwi-ckelnden Disziplin ergeben, nämlich aus dem Bereich der kognitiven Poetik, die sich ins Zentrum ihrer Untersuchungen die Suche nach Wechselbeziehungen zwischen literarischen Interpretationen und sprachlichen Mechanismen sowie kognitiven Prozessen stellt. Die Quelle der neuen Impulse, die sich daraus für die Beschreibung von humoristischen Be-deutungen ergeben, ist darin zu suchen, dass „Humor sowie Literatur [...] keineswegs als inhärent abweichend zu kategorisieren [sind], da sie in denselben Mustern der kognitiven Konstruierung gründen“ (S. 114). Die Positionierung der (kognitiven) Linguistik (insbe-sondere der semantisch ausgerichteten Untersuchungen) und die Perspektiven des kogni-tiv-linguistischen Ansatzes für die weitere Humorerforschung bilden den Hauptgegenstand des dritten Kapitels. Hier wird auf die alternativen Beschreibungsmöglichkeiten des breit-gefächerten Humorphänomens eingegangen, also vor allem auf die Inkongruenztheorien (SSTH von Raskin und GTVH von Attardo4), Superioritäts- sowie Entladungstheorien, die in ihren Schwerpunkten auch kurz präsentiert werden. Die von ihnen als Grund der Humo-rentstehung postulierte Inkompatibilität von Skripts oder von zwei kontrastierenden Ebe-nen (Verschiebung von Szenarien), die skriptsemantische Bedeutungsauffassung und –be-schreibung, die Unterbeleuchtung der sozialen Dimension und kommunikativen Situation werden von dem Autor in Frage gestellt. Diese kritische Würdigung fokussiert einige Man-kos, nämlich, dass sich „die semantische Beschreibung [...] grundsätzlich auf die Identifi -zierung des lokalen Antagonismus zwischen zwei Skripts [beschränkt]. Auf semantische Konstruierungsmechanismen, die die unterschiedlichen Rahmungen steuern, wie auf den weiteren Kontext, in dem humoristische Äußerungen eingebettet sind, wird kaum Rekurs genommen“ (S. 395). Diese Erkenntnis bringt den Autor dann zu der Feststellung, dass ein so angelegter Analyseversuch ausschließlich zu der schematischen Vorgehensweise führt,

4 SSTH – Semantic Script Theory of Humor, GTVH – General Theory of Verbal Humor.

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die viele Faktoren (prosodische, syntaktische, diskursorganisatorische) einfach außer Acht lässt, was eine unvollständige Beschreibung von Humorerscheinungen zur Folge haben mag. Darüber hinaus bezweifelt Brône die von Attardo vorgeschlagene Klassifi zierung von logischen Mechanismen, die seiner Auffassung nach einige Unzulänglichkeiten auf-weist. Einerseits seien allzu vage Bezeichungungen in der vorgeschlagenen Typologie verwendet worden und es fehle eine systematische Betrachtung des Gebrauchskontextes bei der Beschreibung von Humorprozessen, andererseits würden sich einige der logischen Mechanismen auf unterschiedliche Ebenen der kommunikativen Interaktion beziehen, was die Differenzierungsversuche zwischen Denkfehlern, Missverständnissen oder Holzweg-effekten ein wenig verunklärt. Das Kapitel endet mit dem Forschungsüberblick über füh-rende kognitiv-linguistische Ansätze oder Beschreibungsmodelle, die einen weiteren Ein-blick in das Phänomen Humor ermöglichen. Dargestellt und genauer besprochen werden die Ansätze von Coulson, Antonopoulou, Giora und Ritchie. Das vierte Kapitel ist als eine Übergangszone von den theoretischen Darlegungen zu dem empirischen Teil der Arbeit anzusehen, in dem bestimmte Humorkategorien für die Zwecke des analytischen Teils selektiert und Grundsteine für die empirische Studie gelegt werden. Im Rahmen des fünf-ten Kapitels beschäftigt sich der Autor mit der Darstellung und genaueren Untersuchung eines klar abgrenzbaren Subtypus von Humor, der metaphorischen Doppelerdung. Mit Hilfe der konzeptuellen Integrationstheorie führt er eine detaillierte semantische Kleinkor-pusanalyse von Schlagzeilen durch, die „eine interessante Interaktion zwischen zwei pro-minenten semantisch-konzeptuellen Konstruierungskategorien (Metapher und Metony-mie)“ (S. 222f.) enthüllt. Im weiteren Verlauf dieses empirischen Kapitels präsentiert er die prototypische Struktur, kommunikative Funktion und metaphorische Ambiguität von Schlagzeilen, um dann den kognitiven Aufwand bei ihrer Verarbeitung zu überprüfen. Die Ergebnisse der Studie weisen auf die Tatsache hin, dass erstens ambiguierte Metaphern witziger als die unzweideutigen eingeschätzt werden, obwohl die Ambiguierung bei Dop-pelerdung einen erhöhten Verarbeitungsaufwand verlangt. Und zweitens entsteht ihre Be-deutungskonstitution nicht nur auf Grund der metaphorischen Bedeutung eines Schlüssel-elements, sondern vor allem auf Grund der kontextuellen Einbettung. Darüber hinaus kommt es zu der Figur/Grund-Rekonfi gurierung oder Reprofi lierung „über eine metony-misch motivierte Assoziation zwischen dem Referenten der wörtlichen Interpretation des Schlüsselelements und dem thematischen Element der Schlagzeile“ (S. 277). Die aktive Bedeutungskonstitution, ihre interaktive Aushandlung sowie das Aufzeigen der Ebenen sprachlicher Organisation, dargestellt am Beispiel des konversationell verankerten Hu-mors (konversationelles Hyperverständnis und Missverständnis), ist das Hauptanliegen des sechsten Kapitels. Anhand des zur Analyse herangezogenen zweisprachigen Korpus (Englisch und Deutsch) unternimmt der Autor den Versuch, die sprachlich-konzeptuellen Mechanismen zu exzerpieren und zu klassifi zieren, die der Entstehung von beiden Ver-ständnisarten zugrunde liegen (struktureller Parallelismus, Polysemie, Vorgeformtheit, Figur/Grund-Umkehrung, Deautomatisierung, Zerlegung der Gesamtkonzeptualisierung u.a.). Es wird auch der Weg gezeigt, auf dem die Rezipienten humoristische Bedeutungen konstruieren und ganz bewusst gegen die Regeln der Bedeutungskoordination verstoßen und unterschiedliche Diskursrepräsentationen (re-)konstruieren. In seinen Darlegungen geht der Autor auch auf die Rolle der bei der kognitiven Verarbeitung von komischen Fehlinterpretationen interagierenden Perspektiven und Mentalisierungsfähigkeit des Rezi-pienten ein und weist erneut darauf hin, dass eben diese Dimensionen in der bisherigen

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Humoransätzen weitgehend fehlen. Das siebte Kapitel beinhaltet die wichtigsten Schluss-folgerungen und Informationen, die die linguistische Humorforschung aus der kognitiven Sicht überblicken sowie die Perspektiven der weiteren Forschungsmöglichkeiten skizzie-ren lassen.

Um aus den gemachten Bemerkungen ein Resümee zu ziehen, muss vor allem fest-gestellt werden, dass die zu rezensierende Publikation von Brône ein sehr interessantes Studium des Humorphänomens darstellt. Sie ist auch als eine sehr interessante Anregung sowie als ein neuer Beitrag zur weiteren, empirisch angelegten Erforschung des Nicht-Ernsthaften aus der kognitiv-linguistischen Perspektive anzusehen, weil, wie es sich er-weist, die linguistische Humorforschung in ihrer theoretischen Ausrichtung bisher auf ei-ner relativ schmalen empirischen Basis gegründet hat, sowie die aktiven und interaktiven Komponenten bei der Bedeutungskonstitution und Bedeutungskoordination in einem ge-brauchsorientierten Modell nicht zu berücksichtigen und den dynamischen Kontext ihrer Entstehung nicht zu veranschaulichen vermochte. Wie der Autor schreibt, situiert sein Hauptanliegen, ein kognitiv-linguistisches Beschreibungsmodell herauszuarbeiten, diese Arbeit einerseits „in der empirischen Überprüfung kognitiver Hypothesen mittels psycho-linguistischer Testmethoden“, andererseits „in der systematischen korpusbasierten Analy-se der Variationsmöglichkeiten einer Subkategorie“ (S. 407). Das Ziel seines Vorhabens ist, eine linguistische Analyse „unterschiedlicher Humorphänomene zu bieten, in der ge-zeigt wird, dass unterschiedliche Ebenen der sprachlichen Organisation zu dem humorspe-zifi schen Erwartungsbruch bzw. Kontrast führen können“ (S. 138). Dem Autor sind daher große Anerkennung und Respekt zu zollen, die in der Humorforschung existente For-schungslücke zu Recht erkannt und zugleich teilweise gefüllt zu haben. Seine Untersu-chungen zu den auf die Bedeutungskonstitution und –koordination einwirkenden Prozes-sen erfüllen dieses Forschungsdesiderat hervorragend und fokussieren die Tatsache, dass der prozessuale Charakter der Bedeutungskonstitution zu der Weiterentwicklung und sogar Dynamisierung vieler theoretischer Ansätze sicherlich beitragen kann. Das einzige, was an diesem Humorstudium ausgesetzt werden kann, ist m.E. die Tatsache, dass der Autor auf die Darstellung des Humorphänomens als solches aus philosophischer, physiologischer oder soziologischer Sicht nicht eingegangen ist. Der Verzicht, die einzelnen Konzeptionen zu besprechen, scheint aber durchaus legitim zu sein, weil das Gesamtunternehmen dieser Studie die Analyse des verbalen Humors aus der kognitiv-linguistischen Perspektive unter Zuhilfenahme der konstruktivistischen Semantiktheorie ist, die die Erkenntnisse der ko-gnitiven Linguistik, sowie die Beschreibungsmodelle von Langacker, Raskin (SSTH), At-tardo (GTVH), Giora und Coulson in den Vordergrund stellt und daher ohne Darstellung von Ansätzen anderer Art ganz gut auskommen und vor jeglicher Kritik bestehen kann. Die Akribie des Autors in der Darstellung der führenden kognitiv-linguistischen Konzeptionen sowie ihre interessante Diskussion verdient übrigens eine besondere Beachtung und Wür-digung. Der von Brône eingeschlagene Weg der Humorforschung kann als eine hervorra-gende Ergänzung im Bereich der empirischen Untersuchungen des Humors gelten sowie allen empfohlen werden, die sich mit dem breiten und immer noch nicht genug erforschten Humorspektrum beschäftigen. Diese Publikation zeigt auch unterschiedliche Verzwei-gungen dieses Phänomens auf, die in viele Wissenschaftsbereiche hineingreift (kognitive Linguistik, Literaturwissenschaft, Semiotik, Semantik, Pragmatik, Soziologie, Elemente der Gesprächsanalyse u.a.) und leistet einen weiteren Beitrag zur empirisch-methodolo-gischen Weiterentwicklung der linguistischen Humorforschung. Durch diesen interdiszip-

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linären Charakter eröffnet sie neue Forschungswege und –aspekte, die mit dem Humor zusammenhängen, aber immer noch auf eingehende Analysen warten. Wünschenswert wären also datenunterstützte sprachwissenschaftliche Untersuchungen, die die humoristi-sche Kreativität in anderen sprachlichen Phänomenen (literarische Sprache, Rhetorik) ana-lysieren, die Unterschiede zwischen der Bedeutungskonstitution der alltäglichen sprach-lichen Kreativität von der des Wortspiels aufweisen oder kognitiv-linguistische Aspekte zwischen verbalem und referentiellem Humor beleuchten würden. Alles in allem ist diese Publikation allen wärmstens zu empfehlen, die Kenntnisse im Bereich des verbalen Hu-mors und seiner Forschungsmöglichkeiten gewinnen oder vertiefen möchten, aber auch für diejenigen lesenswert, die die besondere Anziehungskraft erkannt haben, die sprachliche Irrationalitäten komischer Art ausüben und sich zur „Sinn-im-Unsinn-Suche“ verpfl ichtet oder inspiriert fühlen.

Iwona Wowro

Der Diskurs im Spannungsfeld von System- und angewandter Linguistik, Pobierowo 15.–18.09.2009. Tagungsbericht.

Vom 15. bis 18. September 2009 fand in Pobierowo an der Ostsee eine polnisch-deutsche Tagung zum Thema Der Diskurs im Spannungsfeld von System- und angewandter Lingu-istik statt, die vom Institut für Germanistik der Universität Szczecin und vom Institut für Deutsche Philologie der Universität Greifswald veranstaltet wurde. Die genannten Partne-runiversitäten organisieren seit 2003 in Pobierowo sprachwissenschaftliche Konferenzen, die alle zwei Jahre jeweils im September stattfi nden. Als Veranstalter traten diesmal die Professoren Ryszard Lipczuk, Werner Westphal (Szczecin) und Jürgen Schiewe (Greifs-wald) auf. Für alle organisatorischen Angelegenheiten war allerdings Dorota Misiek zu-ständig, die auch vor der Tagung den ganzen Briefverkehr mit den Teilnehmern abwickel-te. Da die Diskurslinguistik an sich in Polen (unter den polnischen Germanisten) weniger bekannt und populär ist als in Deutschland, war das Tagungsthema besonders für die pol-nischen Teilnehmer aufschlussreich. Es ist zu betonen, dass es den Veranstaltern gelungen ist, namhafte Vertreter der Diskurslinguistik, die ihre unterschiedlichen Strömungen ver-treten, für die Konferenz zu gewinnen, was einen Einblick in die gegenwärtigen Diskurs-methoden ermöglichte. Genannt seien hier vor allem: Margarete Jäger (Duisburg), Martin Wengeler (Düsseldorf) sowie Jürgen Spitzmüller (Zürich). Es wurden insgesamt 39 Refe-rate gehalten, von denen die meisten (33) in einer der beiden Sektionen präsentiert wurden. Den Rest bildeten 6 Plenarvorträge, die von den 3 erwähnten Diskurslinguisten sowie von: Elizaveta G. Kotorova (Zielona Góra), Winfried Ulrich (Kiel) und Lech Zieliński (Toruń) gehalten wurden.

Margarete Jäger, Vertreterin von Siegfried Jäger, ging in ihrem Referat der Frage nach, wie kritisch die kritische Diskursanalyse ist. Jürgen Spitzmüller thematisierte die Wege zum Diskurs und besprach ein methodologisch ausgerichtetes Mehrebenen-Analy-semodell (DIMEAN), mit dem die Vielfalt und Problematik der diskursanalytischen For-schungen plausibel gemacht wurde. Martin Wengeler unternahm in seinem Beitrag den

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Versuch die verschiedenen methodologischen Ansätze, die in der Diskurslinguistik ange-wandt werden, zu präsentieren sowie ihre Anwendbarkeit zu überprüfen. Er zeigte auch an einigen Beispielen, wie sein eigener diskursanalytischer Ansatz praktisch umgesetzt wird. Alle drei Referenten beleuchteten die Problematik der Diskurslinguistik aus unterschied-lichen Blickwinkeln, so dass diejenigen Tagungsteilnehmer, die in ihren bisherigen For-schungen keine diskursanalytischen Ansätze verfolgten, das Gefühl haben konnten an einem Schnupperkurs zum Thema „Diskurslinguistik“ teilgenommen zu haben.

Die meisten Teilnehmer vertraten die beiden Universitäten, deren Institute die Tagung veranstalteten, die Universität Szczecin (8 Teilnehmer) und die Universität Greifswald (7 Teilnehmer). Von der ersteren Universität waren an der Tagung: Ulrich Drechsel, Anna Porchawka-Mulicka, Magdalena Zyga, Katarzyna Kausa, Dorota Misiek, Emil Lesner, Przemysław Jackowski, Andrzej Krajewski und Werner Westphal beteiligt, von der letzte-ren Gisela Ros, Birte Arendt, Christina Gansel, Jürgen Schiewe, Philipp Dreesen, Sonja Baláž und Pavla Matějková. Eine starke Vertretung hatte ebenso die Universität Zielona Góra, die durch Ilona Andrejańczyk, Marek Laskowski, Elizaveta G. Kotorova und Marek Biszczanik vertreten war. Von den sonstigen polnischen Hochschulen waren bei der Ta-gung noch zugegen:

– Nikolaus-Kopernikus-Universität (Lech Zieliński, Margit Eberharter und Patryk Mączyński),

– Katholische Universität Lublin (Barbara Baj, Monika Grzeszczak), – Universität Wrocław (Janusz Stopyra, Roman Opiłowski, Józef Jarosz),– Universität Rzeszów (Paweł Bąk),– Universität Gdańsk (Adam Szeluga), – Kasimir-der-große-Universität Bydgoszcz (Hanna Stypa),– Universität Warschau (Małgorzata Guławska-Gawkowska).Angemerkt sei hier, dass es nicht nur die Universität Greifswald war, die auf der zu

besprechenden Tagung die deutsche Seite vertrat, denn von den anderen deutschen Hoch-schulen waren auch noch vertreten: die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Martin Wengeler, Łukasz Kumięga), die Universität Duisburger-Essen (Margarete Jäger), sowie die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Winfried Ulrich).

Zwei ausgewiesene Teilnehmer (Jürgen Spitzmüller – Universität Zürich, Hermann Bluhme – Antwerpen) verliehen der polnisch-deutschen Tagung ein leicht internationales Flair. Um die Vielfalt der angegriffenen Themen zu veranschaulichen seien hier einige Referatstitel angeführt:

– Sprachkritik und (kritische) Diskursanalyse (Jürgen Schiewe),– „Versuchen ist nicht so übel als Verfi nden“. Kreative Wortbildung zwischen Sprach-

system und Pointenbildung im Text (Winfried Ulrich),– Warum hassen die Polen sie? Argumentationsmuster im Diskurs über Das Vertrie-

benen-Zentrum und Erika Steinbach in der deutschen und polnischen Presse (Dorota Mi-siek),

– Interkulturelle Kommunikation zwischen den Deutschen und Polen – Sprachsystem – Diskurse (Lech Zieliński),

– Vom Text zum Diskurs – Zur Geschichte eines Paradigmenwechsels (Werner West-phal),

– „Die Erschaffung Adams“ im Diskurs. Zur ästhetischen Ausprägung eines Bilddis-kurses (Roman Opiłowski),

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– Partikeln im Diskurs – ein Beitrag zur Steuerung der Einstellung (Marek Las-kowski),

– Weblogs – eine neue Qualität im öffentlichen Diskurs (Józef Jarosz),– Euphemismen der deutschen Sprache in öffentlichen Diskursen (Paweł Bąk).Den Veranstaltern ist es gelungen, Fördermittel für die Tagung aufzutreiben. Daher

gab es gar keine Tagungsgebühr, was zurzeit sowohl polenweit als auch europaweit äußerst selten vorkommt. Dafür, als auch für die nette, freundliche Atmosphäre, die auf der Tagung herrschte, ist den Veranstaltern zu danken. Erwähnt sei hier noch die Tatsache, dass die Veranstalter die gelieferten Tagungsbeiträge innerhalb von vier Monaten zu redigieren und herauszugeben vermochten. Der Tagungsband ist unter dem Titel Diskurslinguistik – Sys-temlinguistik, Theorien – Texte – Fallstudien in der Reihe „Stettiner Beiträge zur Sprach-wissenschaft“ erschienen. Der Band wurde von Ryszard Lipczuk, Dorota Misiek, Jürgen Schiewe und Werner Westphal im Hamburger Wissenschaftsverlag Dr Kovač im Jahre 2010 herausgegeben. Für die Redaktion waren in erster Linie die polnischen Veranstalter zuständig.

Patryk Mączyński

Uferdasein. Quellen und Strömungen germanistischer Forschung. Bericht über eine internationale Konferenz am Lehrstuhl für Germanistik in Ústí nad Labem (Tschechien).

Aus Anlass des 20. Gründungsjubiläums des Lehrstuhls für Germanistik an der Jan-Evan-gelista-Purkyně-Universität in Ústí nad Labem wurde vom 3.–4.12.2010 eine internatio-nale Konferenz unter dem Titel Uferdasein. Quellen und Strömungen germanistischer Forschung veranstaltet. Das Ziel der Tagung war, den grundlegenden Wandlungsprozess zu refl ektieren, den die Hochschulgermanistik, insbesondere die Auslandsgermanistik, in den vergangenen zwei Jahrzehnten durchlief. Dieser Prozess ging mit einschneidenden Veränderungen in allen Bereichen einher. Dies wirkt sich zwangsläufi g auf die Perspekti-ven, Profi le und Inhalte des Faches aus, die heute neu überdacht und gewichtet werden müssen. Das bewusst offen gehaltene Thema der Tagung sollte den Forschenden und Leh-renden auf dem Gebiet der germanistischen Literatur- und Sprachwissenschaft sowie der Didaktik des Deutschen als Fremdsprache und nicht zuletzt auch Kulturhistoriker[inne]n mit Bezug auf den mitteleuropäischen Kulturraum die Möglichkeit bieten, sich mit dem Erreichten kritisch auseinanderzusetzen, den Blick auf das bis jetzt Unerreichte, aber des Erreichens werte zu richten, neue Perspektiven germanistischer Forschung aufzudecken sowie innovative Wege aufzuzeigen, die die (Auslands-)Germanistik zu Beginn des 21. Jahrhunderts gehen sollte, um das Fach erfahrungsgeleitet und zukunftsorientiert weiter zu entfalten.

Der Einladung der Organisatoren folgten nicht nur Germanist[inn]en von anderen tschechischen Universitäten sowie aus Deutschland (Dortmund, Leipzig, Hamburg), Ös-terreich (Wien), Polen (Wrocław), Ungarn (Szombathély) und der Slowakei (Nitra), son-dern auch der Direktor des Goethe-Instituts Prag Herr Dr. Blömecke und der Leiter des Referats Mittel- und Osteuropa beim DAAD Herr Dr. Golombek. Bedauerlicherweise hin-

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derte das Schnee- und Verkehrschaos einige der eingeladenen Gäste kurzfristig an der Teilnahme, sodass das Programm zwar etwas schlanker wurde, jedoch nicht minder an-spruchsvoll, facettenreich und anregend. Der gemütlichen Atmosphäre der Festveranstal-tung konnte das Schneetreiben ohnehin nichts anhaben.

Die Konferenz wurde durch zwei Plenarvorträge eröffnet, die aus unterschiedlicher, sich komplementär ergänzender Perspektive die Zukunft der Auslandgermanistik im All-gemeinen sowie der tschechischen Germanistik im Besonderen thematisierten. Georg Schuppener (Leipzig) fragte, was angesichts des immer deutlicher spürbar werdenden Rückgangs der Bewerberzahlen infolge (nicht nur) des demografi schen Wandels aus der Germanistik in Tschechien, stellvertretend auch für andere Staaten Mittel- und Osteuropas, wird. Ingeborg Fiala-Fürst (Olomouc) stellte die provokante Frage: Wozu noch (germa-nistische) Bildung? Erwartungsgemäß folgte den beiden Vorträgen eine lebhafte Dis-kussion über die Gegenwart und insbesondere die Zukunft der Auslandsgermanistik. Diese wurde in Sektionen fortgesetzt.

Die Themenbreite der Vorträge war beachtlich, denn die Teilnehmer[innen] ha-ben im Einklang mit dem Titel der Konferenz auf verschiedene Quellen und Strö-mungen germanistischer Forschung Bezug genommen und nicht selten das germani-stische Ufer überschritten. So wurde neben den Themen Hymnodia catholica – die böhmische Peripherie des deutschen geistlichen Gesangs?, Kunstgespräch um 1800 oder Literatur und Wissen – und/oder Philologie auch über die Genderforschung und Queer Studies in der germanistischen Literaturwissenschaft oder den literaturwissenschaftlichen Blick auf die Evolutionsbiologie referiert, um nur einige Gegenstände der literaturwissen-schaftlichen Sektion zu nennen. In der sprachwissenschaftlichen Sektion wurde zum Bei-spiel über Desiderata und Perspektiven auf dem Gebiet zweisprachiger phraseologischer Lernwörterbücher, über Probleme bei der Vermittlung von interlexikalischen Bedeutungs-beziehungen und über die Relevanz der Erforschung hundertjähriger Zeitungen für die (Auslands-)Germanistik diskutiert. Die DaF-Didaktik war durch einen Vortrag über Er-wartungen und Vorstellungen der angehenden Deutschlehrer[innen] im Hinblick auf ihre sprachdidaktische Ausbildung vertreten. Die Teilnehmer[innen] hatten außerdem die Mög-lichkeit, über das Gestern und Heute der Germanistik an der Universität Wroclaw zu er-fahren. Zu Beginn des zweiten Konferenztages widmete sich Hartmut Riemenschneider (Dortmund) in seinem Plenarvortrag dem Wandel von der Kunstsynopse zum „cultural turn“ und Marie Maroušková (Ústí nad Labem) fasste in ihrem Beitrag mit dem Titel Uferdasein der Ausspracheschulung an der Elbe. Viel erreicht – viel zu tun die Tra-ditionen und Perspektiven des heimischen Lehrstuhls auf dem Gebiet der DaF-Ausspra-cheschulung zusammen. Im abschließenden Vortrag der Konferenz mit dem Titel Von „Austria Polyglota“ zu Europa Polyglotta? stellte Mirek Němec (Ústí nad Labem) die heute beinahe vergessene Schrift Austria Polyglotta von Jan Evangelista Purkyně vor. Der Namenspatron der Alma Mater in Ústí nad Labem veröffentlichte sie 1867 quasi als seinen Beitrag zur damaligen Diskussion über die Rolle der Sprache im sich konstituierenden Vielvölkerreich Österreich-Ungarn. Der Vortragende stellte sich die Frage, ob Purkyněs theoretische Ausführungen bezüglich der Sprachenproblematik auch im sich vereinigen-den Europa des 21. Jahrhunderts ihre Plausibilität beibehalten haben. Wie dieser unvoll-ständigen Themenübersicht entnommen werden kann, refl ektierte die Konferenz in der Tat sehr unterschiedliche Quellen und Strömungen germanistischer Forschung und zeigte neue innovative Wege künftiger Forschungen auf.

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286 Rezensionen und Berichte

Der Lehrstuhl für Germanistik in Ústí nad Labem kann auf erfolgreiche 20 Jahre zurückblicken. Während dieser Zeit konnte er sich nicht nur im Rahmen der tschechischen Germanistik etablieren, sondern auch im Ausland für einige Aufmerksamkeit sorgen, nicht zuletzt dank der von ihm herausgegebenen Fachzeitschrift Aussiger Beiträge. Obgleich die Zeitschrift erst seit 2007 das Spektrum germanistischer Periodika bereichert, ist sie doch sowohl national wie international auf ein breites Echo gestoßen. Dies alles lässt hoffen, dass die Aussiger Germanistik trotz des demografi schen Wandels und anderer im Verlauf der Diskussionen angesprochener Probleme mitteleuropäischer Auslandsgermanistiken auf eine erfolgreiche Zukunft blicken kann.

Hana Bergerová

Heinz Vater: Linguistik und deutsche Grammatik im Fokus. Ausgewählte Schriften (= Studia Germanica Gedanensia 20, Sonderband 4). Gdańsk 2010.

Der Band beginnt mit der von Martin Neef im Juli 1997 gehaltenen Laudatio auf Professor Heinz Vater anlässlich seiner Emeritierung. Es folgt ein vom Laureaten selbst verfasster Lebenslauf. Tief beeindruckend ist in beiden Texten die Schilderung der Kindheit als „Gel-tungsjude“ (Sohn einer Jüdin und eines Deutschen) im Nazideutschland, mit Repressalien, deren Ausmaß mir persönlich bisher nicht bewusst war (Ausschluss vom Schulbesuch, Judensternpfl icht, Radioverbot, Isolierung unter Gleichaltrigen, Tod der Großmutter in Auschwitz). Beeindruckend ist auch (gerade vor diesem Hintergrund) die daraus anschlie-ßende spektakuläre wissenschaftliche Laufbahn, zuerst in der SBZ und der daraus hervor-gegangenen DDR und später (nach einer unter Lebensgefahr vorgenommenen Republik-fl ucht) in Westdeutschland: Assistentenstelle an der Deutschen Akademie der Wissenschaften (Arbeitsstelle für Strukturelle Grammatik) gleich nach dem Germanistikstudium, die her-ausragende Dissertation Das System der Artikelformen im heutigen Deutsch (1961–1962), eine Stelle als Associate Professor an der Indiana University, die sogar zwei Jahre unbe-setzt blieb, damit Heinz Vater zuerst seine Habilitation Dänische Subjekt- und Objektsätze (1969) beenden konnte, schließlich eine Professur an der Universität zu Köln, der er bis zu seiner Emeritierung treu blieb.

Die eigentliche Schriftensammlung gliedert sich in fünf Teile: 1. Allgemeines/Kon-trastive Studien, 2. Phonologie, 3. Determination, 4. Tempora, 5. Valenz. Der Band schließt mit einem Verzeichnis der Schriften von Heinz Vater.

Der erste Aufsatz (Toward a Generative Dependency Grammar) ist zugleich der älte-ste in dem Band – er wurde 1975 publiziert. Darin schlägt der Autor eine dependenzbasier-te generative Grammatik vor, in der V-Dependentien mit auf Fillmores cases zurückgehen-den semantischen Spezifi kationen versehen werden. In Raum und Zeitreferenz in der Sprache wird zuerst vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft der Begriff Referenz besprochen. Innerhalb der Raumreferenz wird zwischen Positionie-rung und Direktionalisierung unterschieden. Topologische Raumausdrücke spezifi zieren eine auf einen Referenten (genannt „Lokalisator“) bezogene Raumregion, in der sich das

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lokalisierte Objekt befi ndet (z.B. neben dem Buch). Topologisch defi nierte Räume spielen in der positionalen Deixis eine Rolle (etwa bei der Bedeutungsbeschreibung der drei deut-schen Deiktika hier, da und dort), während bei der dimensionalen Deixis zusätzlich die Orientierung des Sprechers eine Rolle spielt. Hat ein Gegenstand selbst eine Orientierung, spricht man von der intrinsischen Perspektive, die mit der deiktischen unter Umständen in Konfl ikt geraten und die Kommunikation beeinträchtigen kann. In der Zeitreferenz spielen grammatikalisierte Ausdrücke – Tempora und Aspekte – eine zentrale Rolle. Nach einer kurzen Übersicht der Zeitlokalisierungsansätze (Reichenbach und Nachfolger, Bull, Klein) wird das deutsche Tempussystem anhand des Ansatzes von Klein5 beschrieben, in dem die Tempusbedeutung als Relation zwischen TT (topic time), TU (time of utterance) und TS (time of situation) dargestellt wird. Wie bereits in dem einfl ussreichen Aufsatz Vaters6 Werden als Modalverb, werden die sog. Futurtempora des Deutschen als Modalverbkon-struktionen betrachtet. Allerdings könne werden „wie andere Modalverben, »entomodali-siert« für Zukunftsbezeichnung verwendet werden“ (S. 67). Relativ ausführlich wird die in The Perfect in English and German erarbeitete Bedeutungsspezifi zierung des deutschen Perfekt dargelegt.7 Auch das sog. Doppelperfekt und Doppelplusquamperfekt rechnet der Autor zum deutschen Tempussystem. In dem Aufsatz Polnisch und Deutsch in kontrastiver Sicht wird, nach einer einleitenden Schilderung der deutsch-polnischen Sprachkontakte im Laufe der Geschichte, die kontrastive Linguistik defi niert und innerhalb der Linguistik positioniert. Es folgt eine Übersicht der kontrastiven Untersuchungen zu beiden Sprachen, in der einerseits grammatische andererseits pragmatische Fragestellungen in den Vorder-grund treten. Die besprochenen Arbeiten decken nahezu alle Bereiche der Grammatik ab: Morphologie (Tempus- und Aspektsysteme), Phonologie (Phonemsysteme, Inferenzen), Syntax (Valenz). Die Deutsch-polnische Grammatik8 fi ndet die ihr gebührende ausführli-che Besprechung. Im pragmatischen Bereich werden insbesondere Arbeiten zum Anrede-system und sprachlichem Ausdruck der Höfl ichkeit hervorgehoben. Zwei weitere Aufsätze haben metalinguistischen Charakter. In Autonomy and interdisciplinarity in different areas of linguistics wird dafür argumentiert, dass einige Bereiche der Kernlinguistik (insbeson-dere Syntax) als autonom betrachtet werden können, während andere – sog. Bindestrich-Linguistiken (wie Sozio-, Psycho-, Neurolinguistik, Textlinguistik und Sprachphiloso-phie), aber auch Phonologie, Morphologie und Semantik – interdisziplinär sind. Selbst eine typisch interdisziplinäre Domäne wie Psycholinguistik besitzt jedoch autonome Ana-lysemethoden. Ferner sei es grundsätzlich falsch, Autonomie und Interdisziplinarität in Opposition zueinander zu sehen. In Wort und Begriff – eine terminologische Klärung setzt sich der Autor für eine strikte Unterscheidung zwischen Begriff als kognitiver Einheit und Wort als sprachlicher Einheit ein.

Das Phonologie-Kapitel enthält zwei Aufsätze zu Einzelfragen der deutschen Pho-nologie (Silbenstruktur, Diphthonge) sowie zwei weitere, in denen aktuelle phonolo-gische Ansätze und ihre Anwendung auf verschiedene Forschungsgegenstände in didak-

5 Wolfgang Klein: Time in Language. London-New York 1994.6 Heinz Vater: Werden als Modalverb. In: Joseph Calbert / Heinz Vater (Hrsg.): Aspekte der

Modalität. Tübingen 1975, S. 71–148.7 Wolfgang Klein / Heinz Vater: The Perfect in English and German. In: Leonid Kulikov /

Heinz Vater (Hrsg.): Typology of Verbal Categories. Papers presented to Vladimir Nedjalkov on the occasion of his 70th birthday. Tübingen 1998, S. 215–235.

8 Ulrich Engel et al.: Deutsch-polnische Grammatik. Heidelberg-Warszawa 1999.

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tisch ansprechender Weise präsentiert werden. Für in der Phonologie weniger bewanderte Leser empfi ehlt es sich, mit diesen beiden die Lektüre zu beginnen. Der Aufsatz Neuere Entwicklungen in der Phonologie fokussiert die letzten drei Dekaden. Einleitend werden die Grundideen der auf The Sound Pattern of English9 gründenden generativen Phonolo-gie mit ihrer stark derivationellen Ausrichtung und Beschränkung auf segmentale Struk-turen präsentiert. Anschließend führt der Autor in die beiden Hauptrichtungen der nicht linearen Phonologie ein – die autosegmentale Phonologie und die metrische Phonologie. Sie gehen von hierarchischen Strukturen aus und ermöglichen dadurch vor allem die Beschreibung prosodischer Phänomene. Die erstere beschäftigt sich insbesondere mit Tonkonturen, der Vokalharmonie und der Silbenstruktur, die letztere – mit der Akzent- und der Silbenstruktur. Die Prosodie beeinfl usst sogar die Merkmale von Segmenten und ist Gegenstand der sog. Merkmalgeometrie. Unter der Überschrift „Andere Richtungen“ werden schließlich die Dependenz-Phonologie, die Optimalitätstheorie, die Silbentheorie von Pike und Vennemann sowie Eisenbergs Akzenttheorie erklärt. So wird der theore-tische Rahmen für die im anschließenden Aufsatz (Neuere Phonologie-Theorien und ihre Anwendung aufs Deutsche) diskutierten suprasegmentalen Phänomene, aber auch für Analysen von Affrikaten und Diphthongen, geschaffen. Die Intonation analysiert der Au-tor im Rahmen der autosegmentalen und der metrischen Phonologie, die Akzentvertei-lung im Rahmen der Optimalitätstheorie10 und des eigenständigen Ansatzes von Eisen-berg.11 Für die Beschreibung der Silbenstruktur des Deutschen ist die autosegmentale Phonologie am besten geeignet, wobei sich die Annahme eines obligatorischen binären Nukleus als unhaltbar erweist (vgl. auch On the syllable structure of German). In Wie viele Diphthonge hat das Deutsche? wird dafür plädiert, die Produkte der /r/-Glidisierung zu den Diphthongen zu rechnen.

Vier weitere Aufsätze (in der Sektion Determination) führen – wieder auf didaktisch meisterhafte Weise – in die Beschreibung von Funktionswörtern im theoretischen Rahmen des DP-Ansatzes ein. Die Wortklasse „Artikel” der traditionellen Grammatik wurde in der strukturalistischen Linguistik um Demonstrativ-, Possesiv- und Indefi nitpronomina (die den Artikeln in syntagmatischer und paradigmatischer Hinsicht gleichen) erweitert und als „Determinantien“ bezeichnet. Die Government-and-Binding-Theorie behandelt Determi-nantien als Realisierungen einer funktionalen Kategorie D(et), die Köpfe von Phrasen (genannt DP) bilden. In The word class „Article“ verwendet Heinz Vater die Bezeichnung Determinans nur für Ausdrücke, die die betreffende Phrase als defi nit markieren, d.h. ihre Referenten in einer Sprecher und Hörer zugleich bekannten Menge lokalisieren. Dies kann geschehen mittels der (assoziativen) Anapher, der Deixis oder im sog. abstrakt-situativen Gebrauch (z.B. Fritz ist in der Kneipe), der im Aufsatz L’article défi ni et les noms institu-tionnels ausführlicher abgehandelt wird. Der Aufsatz „Pronominantien” – oder: Pronomi-na sind Determinantien ist dagegen insbesondere den Pronomina gewidmet, die im DP-Ansatz als intransitive (eine ganze DP füllende) Determinantien analysiert werden. Während Personalpronomina der dritten Person nur intransitiv vorkommen, können ande-re sowohl transitiv als auch intransitiv gebraucht werden. Flexive wie dessen, deren sind dagegen als aus -er/-es + -en zusammengesetzt aufzufassen. Das erstere Element markiert

9 Vgl. Noam Chomsky / Morris Halle: The Sound Pattern of English. New York 1968.10 Vgl. Caroline Féry: German Foot and Word Stress in OT. In: Nordlyd 24,1996, S. 63–96.11 Vgl. Peter Eisenberg: Syllabische Struktur und Wortakzent. In: Karl Heinz Ramers / Richard

Wiese (Hrsg.): Prosodische Phonologie. Göttingen 1991.

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den Genitiv, das letztere die Position der von dem Determinans regierten NP. In dem Auf-satz The magical number one werden die sog. indefi niten Artikel der traditionellen Gram-matik als Quantoren (Numeralien) analysiert. Determinantien und Quantoren bilden zwei separate Wortklassen. Quantoren indizieren nicht Indefi nitheit, sondern „quantitative Merkmale des NP-Denotats […] (Zählbarkeit, Anzahl der abgezählten Elemente usw.)“ (S. 270), deshalb können sie mit Determinantien kombiniert werden (vgl. der eine (Stu-dent)). Als Numerale kommt ein, anders als Determinantien, nur mit zählbaren Nomen vor. Die defi nite vs. quantifi zierende Bedeutung wird auch vom generischen Gebrauch nicht tangiert.

Den Tempora sind im vorliegenden Band fünf Aufsätze gewidmet. Einführend (in Zu den Tempora des Deutschen) werden sie als grammatikalisierte Mittel der Zeitreferenz defi niert, die Ereignisse i.w.S. in Relation zu anderen Ereignissen lokalisieren. Es wird auf morphologische, syntaktische und semantische Aspekte der Abgrenzung des deutschen Tempussystems eingegangen, bevor die Bedeutungen der einzelnen Tempora umrissen wird. Die Ergebnisse einer Korpusuntersuchung an kurzen Zeitungstexten zeigen, dass sich von diesen wörtlichen (zeitreferentiellen) Bedeutungen auch textuelle Funktionen von Tempora ableiten lassen (vgl. den gleichnamigen Aufsatz). Mit dem Text Hat das Deutsche Futurtempora? meldet sich Heinz Vater mal wieder in der Diskussion zu Wort, die er Jah-re zuvor wesentlich vorangetrieben hatte: Er erklärt sich mit der These von Leiss12 einver-standen, wonach das ursprünglich inchoative werden bei sog. „additiven Verben“ Zu-kunftsbedeutung erhielt – jedoch nur in der schriftlichen Standardsprache. Eine andere große Frage der germanistischen Tempusforschung – die nach den Bedeutungsrelationen zwischen Präteritum und Perfekt im Deutschen (so der Aufsatztitel) – wird auf der Basis der vom Autor mitformulierten Komplexitätshypothese13 beantwortet, wobei neuere Er-gebnisse14 und eigene textlinguistische Befunde hinzugezogen werden. Im letzten Aufsatz dieses Kapitels (Sein + participle constructions in German) werden die Konstruktionen sein + Partizip Perfekt in zwei disjunkte Klassen der perfektischen und der nicht perfek-tischen Ausdrücke unterteilt. Die perfektische Bedeutung fasst Vater als prozedural auf. Bei den nicht perfektischen Konstruktionen hat das Partizip vorwiegend adjektivischen Charakter.

In den beiden letzten der ausgewählten Schriften (Valency and Diathesis, Eine neue-re Valenztheorie und ihre Anwendung auf Valenzwörterbücher) wird die Unterscheidung zwischen Valenzpotenz (inhärenter Bestandteil eines Lexikoneintrags) und Valenzrealisie-rung (Ergebnis der Interaktion von Valenzpotenz, Satzstruktur und kommunikativen Fak-toren) auf die Beschreibung deutscher Verben im Rahmen der Konstituentensyntax ange-wandt. Im ersten der beiden Aufsätze werden unter diesem Gesichtspunkt Diathese-Alternationen betrachtet. Ein Zwei-Ebenen-Valenzwörterbuch des Deutschen wird vorgeschlagen. Der Autor verweist auf Probleme, die für das Wörterbuch z.B. das Auftreten des sog. Modalisierers in Mittelkonstruktionen bereitet.

12 Elisabeth Leiss: Die Verbalkategorien des Deutschen. Ein Beitrag zur Theorie der sprach-lichen Kategorisierung (= Studia Linguistica Germanica 31). Berlin-New York 1992.

13 Veronika Ehrich / Heinz Vater: Das Perfekt im Dänischen und Deutschen. In: Werner Abra-ham / Theo Janssen (Hrsg.): Tempus – Aspekt – Modus. Die lexikalischen und grammatischen For-men in den germanischen Sprachen. Tübingen 1989, S. 103–132.

14 Insbesondere vgl. Wolfgang Klein: Time...

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Das Schriftenverzeichnis Heinz Vaters, mit dem der Band schließt, umfasst 167 Ein-träge (15 Monographien, 118 Aufsätze, 23 Rezensionen und Berichte, 11 Sammelbände). Die im vorliegenden Band präsentierte kleine Auswahl von 20 Aufsätzen gewährt dennoch einen Einblick in die beeindruckende Breite wissenschaftlicher Interessen und die exzel-lenten didaktischen Fähigkeiten, dank deren Heinz Vater seine Studenten und Doktoranden (darunter auch mich) mit seiner Leidenschaft für die Linguistik anstecken konnte.

Der Band ist sorgfältig editiert, mit Fotos und Abbildungen von Buchcovern verse-hen. Auf dem vorderem Vorsatzblatt ist ein altes Panorama von Köln, auf dem hinteren eins von Danzig abgebildet.

Anna Socka

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