Alexander Und Wilhelm Von Humboldt

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Alexander von HumboldtAlexander Freiherr von Humboldt war ein deutscher Naturforscher, Diplomat, Geograph und Forschungsreisenderund der Bruder von Wilhelm Freiherr von Humboldt. Er lebte von 1769 bis1859. Alexander von Humboldt lieferte auch viele wissenschaftliche Beitrge zur Geophysik, Meteorologie und Ozeanographie. Er wurde am 14. September 1769 in Berlin geboren. Alexander von Humboldt erhielt Privatunterricht und besuchte verschiedene Universitten sowie die Bergakademie in Freiberg. Er beschftigte sich u. a. auch mit Astronomie, Mineralogie und Anatomie. Humboldt wurde durch seine Erkundung Lateinamerikas berhmt: 1799 unternahm er von Spanien aus eine Schiffsreise, hielt sich kurz auf den Kanarischen Inseln auf und landete schlielich in Cuman (Venezuela). Humboldt erforschte den Orinoco in seiner ganzen Lnge und einen Groteil der Flsse des Amazonas. Auerdem bereiste er Kuba, das Flussgebiet des Ro Magdalena in Kolumbien und die Anden in Ecuador, wo er den Vulkan Chimborazo bestieg, der 5 800 Meter ber dem Meeresspiegel liegt. Er studierte Meeresstrmungen, relative Temperaturen (der Hhe entsprechend), die magnetische Feldstrke in Bezug auf den quator, Mineralien sowie die Pflanzen- und Tierwelt. Die letzte Zeit seiner fnfjhrigen Erforschung Lateinamerikas verbrachte er in Mexiko. 1804 kehrte Humboldt nach Europa zurck und brach 1829 zu einer wissenschaftlichen Erkundungsreise durch den Ural und den Altai (Russland) auf. In den letzten Jahren seines langen Lebens schrieb Humboldt ein fnfbndiges Werk mit dem Titel Kosmos (1845-1862), in dem er nicht nur seine umfangreichen wissenschaftlichen Kenntnisse, sondern auch einen Groteil der in der damaligen Zeit angesammelten wissenschaftlichen Kenntnisse ber Geographie und Geologie zusammenfassend darstellte. Kosmos gilt als das erste Lehrbuch der Geophysik. Humboldt starb am 6. Mai 1859 in Berlin Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt (* 14. September 1769 in Berlin; 6. Mai 1859 ebenda) war ein Naturforscher mit weit ber die Grenzen Europas hinausreichendem Wirkungsfeld. In seinem ber einen Zeitraum von mehr als sieben Jahrzehnten sich entfaltenden Gesamtwerk schuf er einen neuen Wissens- und Reflexionsstand des Wissens von der Welt[1] und wurde zum Mitbegrnder der Geographie als empirischer Wissenschaft. Seine Forschungsreisen fhrten ihn nach Lateinamerika, in die USA sowie nach Zentralasien. Wissenschaftliche Feldforschung betrieb er persnlich unter anderem in den Bereichen Physik, Chemie, Geologie, Mineralogie, Vulkanologie (berwindung des Neptunismus), Botanik (er begrndete die Pflanzengeographie), Zoologie, Klimatologie (Isothermen), Ozeanographie und Astronomie, aber auch zu Fragen der Wirtschaftsgeographie, der Ethnologie und der Demographie. Zudem korrespondierte er bei der Erstellung seines publizistischen Werkes mit ungezhlten internationalen Spezialisten der verschiedenen Fachrichtungen und schuf so ein wissenschaftliches Netzwerk eigener Prgung.

In Deutschland erlangte er vor allem mit den Ansichten der Natur und dem Kosmos auerordentliche Popularitt. Sein bereits bei Lebzeiten hohes Ansehen spiegelt sich in Bezeichnungen wie der zweite Kolumbus, wissenschaftlicher Wiederentdecker Amerikas, Wissenschaftsfrst und der neue Aristoteles (Gedenkmnze der Pariser Akademie der Wissenschaften). Er wurde in zahlreiche Akademien aufgenommen, unter anderem in die Leopoldinisch-Karolinische Akademie der Naturforscher, in die Preuische Akademie der Wissenschaften, in die Bayerische Akademie der Wissenschaften und in die Akademie gemeinntziger Wissenschaften.

Anfnge (17691790)

Berliner Gedenktafel fr den ehemaligen Standort des Geburtshauses von Alexander von Humboldt in Berlin-Mitte Alexander von Humboldts aus Pommern stammender Vater Alexander Georg war preuischer Offizier und wurde wegen seiner Verdienste im Siebenjhrigen Krieg zum Kammerherrn der Kronprinzessin ernannt. Als solcher heiratete er 1766 die Witwe Marie Elizabeth von Holwede, geb. Colomb, Tochter einer wohlhabenden Hugenottenfamilie. Aus dieser Ehe gingen zwei Shne hervor, Wilhelm (* 1767 in Potsdam) und Alexander, der am 14. September 1769 in Berlin geboren wurde. Die Stellung des Vaters begrndete ein spezifisches Verhltnis der Humboldt-Brder zum preuischen Knigshaus, zumal der Kronprinz, der nachmalige Friedrich Wilhelm II., einer der Taufpaten Alexanders war. Die Ehe des Thronfolgers aber wurde 1769 geschieden, so dass der nun seiner bisherigen Aufgaben ledige Kammerherr von Humboldt sich ins Privatleben auf Gut und Schloss Tegel zurckziehen konnte. Sein Hauptaugenmerk galt nun der bestmglichen Erziehung und Ausbildung der Shne, fr die er sich als Mitglied einer Freimaurerloge um Hauslehrer bemhte, die aufklrerischem Denken nahe standen. So hat in zwei Phasen bis 1775 der von Rousseau pdagogisch inspirierte Joachim Heinrich Campe wesentlichen erzieherischen Einfluss auf die Brder ausgebt, ab 1777 dann Gottlob Johann Christian Kunth, der alsbald zum engsten Vertrauten des Hausherrn und nach dessen pltzlichem Tod 1779 auch seiner Witwe wurde. Alexander galt seinen Erziehern lange Zeit als eher wenig befhigter, lernunwilliger Kopf. Dennoch mutete man ihm zu, denselben in zeittypischer Weise groteils abstrakt aufbereiteten Lernstoff zu verarbeiten, den sein zwei Jahre lterer Bruder Wilhelm vergleichsweise mhelos erfasste. Frh schon zeigte Alexander jedoch besonderes Interesse

an Naturgegenstnden im erreichbaren Umfeld und galt seinen Leuten da er Insekten, Steine und Pflanzen sammelte bald als der kleine Apotheker (Scurla). Diesen Interessen ging er aber zustzlich zu dem Unterricht der Hauslehrer nach, so dass er im Vergleich zu Wilhelm ein noch ausgeweitetes Stoffpensum absolvierte und damit einen in eigener Weise profilierten Horizont ausbildete. Dazu gehrte auch sein Zeichen- und Maltalent, das unter Anleitung Chodowieckis im Kupferstechen und Radieren geschult wurde und sich bereits 1786 in der ersten Kunstausstellung der Berliner Akademie mit mehreren Proben der ffentlichkeit vorstellte. Die staunenswerte Qualitt des spteren Reisewerks auch in den Illustrationen mag in dieser frhen Kenner- und Knnerschaft Alexander von Humboldts ihren Ursprung gehabt haben. Auf die optimale Ausbildung der Shne fr bedeutende Posten im Staatsdienst war der ganze Erziehungsplan der nun zweifach verwitweten Frau von Humboldt ausgerichtet, die bei verhltnismig bescheidener eigener Lebensfhrung zu diesem Zweck bedeutende Mittel aufwandte. So haben die Brder nicht allein eine grndliche Unterweisung in alten und neuen Sprachen mit oft qulenden Vokabel- und Grammatikpensen erhalten, sondern wurden unter Kunths umsichtiger Fhrung von einer ganzen Reihe Spezialisten oft bereits auf universittshnlichem Niveau unterrichtet. Dazu gehrten unter anderem Geheimrat Wilhelm von Dohm, der Nationalkonomie mit einem geographischen Schwerpunkt lehrte, Kammergerichtsrat Klein fr Naturrecht und Professor Engel fr Philosophie. Auch zu den experimentell gesttzten philosophisch-physikalischen Vortrgen des von Kant beeinflussten Arztes Marcus Herz schickte Kunth seine Schtzlinge. Infolgedessen gelangten diese auch in den Salon von Henriette Herz und traten so mit der von Moses Mendelssohn geprgten jdischen Berliner Aufklrung in engen Kontakt. Wie bereits sein Vater war Alexander Mitglied in einer Freimaurerloge[2] Mit Blick auf die vorgesehenen Karrieren im Staatsdienst schickte die Mutter 1787 ihre Shne zum Studium nach Frankfurt (Oder) an die Viadrina. Wilhelm sollte dort Jura studieren, Alexander die weniger renommierte Kameralwissenschaft (Staatswirtschaftslehre). Nebenbei hrte Alexander Altertumswissenschaften, Medizin, Physik und Mathematik. Mit dem Theologiestudenten Wilhelm Gabriel Wegener schloss er im Februar 1788 einen ewigen Freundschaftsbund. In einem Teil der Forschungsliteratur wird deshalb die Ansicht vertreten, dass Alexander von Humboldt homosexuell gewesen sei. So sieht zum Beispiel Bernd-Ulrich Hergemller Anhaltspunkte fr Liebesbeziehungen nicht nur mit Wegener, sondern auch mit Israel (Johannes) Stieglitz, Johann Carl Freiesleben, dem Offizier Reinhard von Haeften, sowie in Paris mit dem Chemiker Louis Joseph Gay-Lussac, mit dem er vier Jahre in einer Wohnung lebte, und mit dem Maler Carl von Steuben.[3] Sowohl Alexander als auch sein Bruder Wilhelm waren in Frankfurt offenbar akademisch unterfordert und verlieen die Universitt nach einem Semester wieder. Alexander ging anschlieend in Berlin hauptschlich seinen botanischen Interessen nach. Am 25. April 1789 immatrikulierte er sich, seinem Bruder folgend, an der Universitt Gttingen, dem damaligen Zentrum aufklrerischer Wissenschaft in Deutschland. Neben dem Physiker Georg Christoph Lichtenberg war hier fr Alexander vor allem der Anatom und Zoologe Johann Friedrich Blumenbach wegweisend, der die Forschungsreise als bedeutende Erkenntnisquelle fr Anthropologie und Biologie schtzte und einen interdisziplinren Kreis ambitionierter Nachwuchswissenschaftler um sich scharte. Humboldt aber drngte es nun vor allem, die Bekanntschaft Georg Forsters zu machen, der als Naturforscher mit Weltumsegelungserfahrung anscheinend den von ihm selber angestrebten Typus verkrperte. Geologische Forschungsfragen stellten den Kontakt zwischen beiden her, der dann (Humboldt hatte im Februar 1790 das Manuskript seiner ersten greren Publikation: Mineralogische

Beobachtungen ber einige Basalte am Rhein abgeschlossen) in das Projekt einer gemeinsamen Forschungsreise von Ende Mrz bis Juli 1790 mndete. Sie fhrte von Mainz ber den Niederrhein nach England und ber das in revolutionrer Grung angetroffene Paris zurck. Whrend Forster in der Folge sein Schicksal mit dem Fortgang des Revolutionsprozesses verknpfen sollte, setzte der ebenfalls beeindruckte und fortan fr die Ideale der Franzsischen Revolution und die allgemeinen Menschenrechte eintretende Humboldt seine kameralistische Ausbildung in Handelswissenschaften sowie in Volks- und Weltwirtschaft an der Hamburger Bsch-Akademie fort, die ihm auch zu Geographie und Reiseliteratur vielerlei Vertiefungsmglichkeiten bot.

Blitzkarriere im Staatsdienst und frher Abschied (17911798)

Humboldt-Haus in Bad Steben

Bste von Alexander von Humboldt im Kurpark Bad Steben Im Mai 1791 schlug Humboldt mit einem Anstellungsgesuch beim preuischen Oberberghauptmann von Heinitz den Weg in den Staatsdienst ein, dem zunchst ein Studium an der Bergakademie Freiberg vorangehen sollte. Seinem Bettigungsdrang entgegen kam der praktische Bergmannsdienst, zu dem tglich um sechs Uhr das Einfahren mit den anderen Bergleuten in die Gruben gehrte; nachmittags nahm er an bis zu sechs Studienkollegs teil. Nebenbei befasste er sich mit der Pflanzenwelt untertage (daraus entstand spter seine viel beachtete Publikation Florae Fribergensis Specimen) sowie mit aktuellen chemischen Problemen der Verbrennung. Das fr den Regelstudenten in drei Jahren zu absolvierende Pensum nahm er in acht Monaten auf. Am 6. Mrz 1792 erhielt er ein Assessor-Patent und wurde wenig spter mit der Untersuchung des gerade zu Preuen gekommenen frnkischen Bergbaus betraut. Auf seinem Weg dorthin inspizierte er den Kamsdorf-Knitzer Bergbau und revolutionierte die Abbauverfahren von Alaunschiefergestein im Schmiedefelder Vitriolwerk am Schwefelloch (das heutige Schaubergwerk Morassina). Aufgrund seines beispielhaft erhellenden Berichtes erfolgte bereits nach einem halben Dienstjahr die Befrderung zum Oberbergmeister mit dem Auftrag der Sanierung des Bergbaues im

Fichtelgebirge und Frankenwald. Binnen kurzem gelang es ihm, die jhrlichen Ertrge um ein Vielfaches zu steigern nicht zum Schaden der Bergarbeiter, im Gegenteil: Auf der Basis seiner chemischen Analysen der Grubenwetter entwickelte er einen Vorlufer der Gasmaske fr die Bergleute. Humboldts Wohnorte waren 1792 bis 1795 Steben, Arzberg und Goldkronach. Aus eigenen Mitteln grndete er ohne Rcksprache mit den vorgesetzten Behrden zuerst in Steben eine Bergschule, die erste Arbeiter-Berufsschule in Deutschland, offen fr die Altersstufen von 12 bis 30 Jahren. Gelehrt wurden nach der Schicht und bis 23 Uhr unter anderem Mineralienkunde, bergmnnisches Rechnen und Bergrecht, Maschinenund Kompasskunde. Die Lehrbcher dafr schrieb Humboldt selber.

Schiller, Wilhelm und Alexander von Humboldt und Goethe in Jena Bei der Erprobung einer von ihm entwickelten verbesserten Grubenlampe im Selbstversuch fiel er wegen giftiger Grubengase in Ohnmacht, die Lampe aber hielt durch und half, ihn zu retten. Auch seine parallel zur Dienstttigkeit fortgefhrten wissenschaftlichen Experimente fhrte er bei Bedarf als Selbstversuche durch. So machte er auf der letztlich vergeblichen Suche nach einer besonderen Lebenskraft (in diesen Zusammenhang gehrt auch seine philosophische Allegorie Die Lebenskraft, oder der rhodische Genius, 1795 fr Friedrich Schillers Zeitschrift Die Horen verfasst) zahlreiche galvanische Experimente fr seine Studie Versuche ber die gereizte Muskel- und Nervenfaser, bei denen er knstlich erzeugte Wunden auf seinem Rcken mit Metallen wie Zink und Silber in Berhrung brachte. Sein Wissensdrang war ebenso universell wie unermdlich; fr Forschung, Aufzeichnungen und Korrespondenz machte er die Nacht zum Tage und schlief selten lnger als vier Stunden. Whrend seiner Ttigkeit im Staatsdienst kam er in Kontakt mit gleichfalls in der Bergverwaltung hochrangig beschftigten und bei den spteren preuischen Reformen fhrenden Persnlichkeiten, dem Freiherrn vom Stein und Hardenberg, die seine Fhigkeiten ebenso erkannten und fr ihre Zwecke dienstbar zu machen suchten wie sein Ressortminister von Heinitz, der ihn 1794 zum Bergrat und 1795 zum Oberbergrat befrdert hat, auf die hchstmgliche Position unterhalb des Ministeriums. Doch weder dies noch ungewhnliche Gehalts- und Freistellungsangebote vermochten Humboldt im Amt zu halten. Jeder Mann hat die Pflicht, in seinem Leben den Platz zu suchen, von dem aus er seiner Generation am besten dienen kann, heit es in einem Schreiben Humboldts an den franzsischen Astronomen Delambre. Sobald Alexander von Humboldt durch den Tod der Mutter 1796 zum vermgenden Erben geworden war, schied er aus dem Staatsdienst aus, um sich als Naturforscher und Wissenschaftler ganz und gar unabhngig zu machen. Als Ziel schwebte ihm eine physique du monde vor, eine Darstellung des gesamten physischgeographischen Wissens der Zeit, zu dem er auf Forschungsreisen selber entscheidend beitragen wollte. Bereits am Jahresende 1796 entwickelte er brieflich seine, trotz mancher

Widrigkeiten, mehrfacher Anlufe und Umwege konsequent verfolgten Plne: Meine Reise ist unerschtterlich gewi. Ich prpariere mich noch einige Jahre und sammle Instrumente, ein bis anderthalb Jahr bleibe ich in Italien, um mich mit Vulkanen genau bekannt zu machen, dann geht es ber Paris nach England, wo ich leicht auch wieder ein Jahr bleiben knnte (), und dann mit englischen Schiffen nach Westindien. Das umfasste im damaligen Verstndnis den ganzen Raum von Mexiko bis zum Amazonas. Schon durch Campe war Alexander die Faszination der Welt in bersee vermittelt worden. Johann Gottfried von Herder hatte auf die kontrastierend miteinander verbundenen Naturrume der Anden und des Amazonasbeckens hingewiesen und zu deren Erforschung aufgerufen, indem unter anderem die Hhe der (damals als hchste der Welt geltenden) Berge ermittelt, die Bodenbeschaffenheit bestimmt sowie die rtlichen Abweichungen der Magnetnadel und die je lokalen Temperaturen gemessen werden sollten alles Bestandteile des dann von Humboldt noch ausgeweiteten Forschungsprogramms. In den Jahren der Vorbereitung nutzte er jede Mglichkeit zu systematischer Ausweitung und Vertiefung seiner Kenntnisse nicht nur durch das Studium der einschlgigen Reiseberichte und neuesten Forschungsergebnisse, sondern auch durch persnlichen Kontakt mit den fhrenden Zoologen, Botanikern und Astronomen der Zeit sowie durch stndige praktische Erprobung von Messinstrumenten in den verschiedenen Landschaften und Naturrumen, so z. B. in den Alpen. Zudem entwickelte er ein spezifisches Aufzeichnungsverfahren zur Erfassung seiner jeweiligen Forschungsergebnisse, die Pasigraphie, eine Schriftzeichensprache, die die geographischen Erscheinungen durch Buchstaben, Richtungspfeile, Symbole und Abkrzungen fr Formationen und Gesteine festhielt. (Sein offizielles botanisches Autorenkrzel lautet Humb.) Im Mai 1798 begab sich Alexander von Humboldt in die seinerzeitige Weltwissenschaftsmetropole Paris, wo er in Vortrgen und Debatten sein bereits beachtliches Renommee als Wissenschaftler festigte und seine Ausstattung mit Messinstrumenten vervollstndigte. Hier fand er schlielich auch in dem Botaniker Aim Bonpland jenen fachkundigen Reisegefhrten, dessen Mitarbeit ihm die Durchfhrung seiner komplexen Forschungsvorhaben erst ermglichen sollte.

Amerikanische Forschungsreise (17991804)Mehrfach whrend der Vorbereitungszeit hatte Humboldt seine Plne wegen politischer und kriegerischer Verwicklungen im Zeichen des aufstrebenden Generals Napolon Bonaparte ndern und Reiseaktivitten abbrechen mssen, zuletzt im Dezember 1798 den Versuch, von Sdfrankreich aus auf ein Schiff zu gelangen, das Bonpland und ihm den Anschluss an die gyptische Expedition Napoleons htte ermglichen sollen. Stattdessen machten sich nun beide mit smtlichen fr die Forschungsreise vorgesehenen Instrumenten auf den Weg nach Madrid meist zu Fu neben dem Wagen einhergehend , um fr das amerikanische Forschungsunternehmen womglich die Untersttzung der spanischen Krone zu erlangen. Die Vielzahl der unterwegs erhobenen Messdaten brachte erstmals geographischen Aufschluss ber die Gestalt der innerspanischen Hochebene. Sein Ruf als Wissenschaftler und Bergminenexperte (diese Privatexpedition konnte sich fr Spanien unter Umstnden lohnen; tatschlich fhrten spter seine Beschreibungen der mexikanischen Silberminen in dem Versuch ber den politischen Zustand des Knigreichs Neu-Spanien zu massiven auslndischen Investitionen), sein diplomatisches Geschick und sein von der exzellenten Beherrschung des Spanischen untersttztes Auftreten bei Hofe verschafften Alexander von Humboldt schon bald Empfehlungen und einen so privilegierten

Forscher-Reisepass, wie ihn nach seiner eigenen Einschtzung kein Auslnder je erhalten hatte. Er sicherte ihm volle Handlungsfreiheit und das Entgegenkommen aller Gouverneure und Beamten im ganzen spanischen Kolonialgebiet. Abreisedatum mit der spanischen Fregatte Pizarro von La Corua war der 5. Juni 1799. Humboldt schreibt in einem Brief vom selben Tag: Ich werde Pflanzen und Fossilien sammeln, mit vortrefflichen Instrumenten astronomische Beobachtungen machen knnen () Das alles ist aber nicht Hauptzweck meiner Reise. Und auf das Zusammenwirken der Krfte, den Einflu der unbelebten Schpfung auf die belebte Tier- und Pflanzenwelt, auf diese Harmonie sollen stets meine Augen gerichtet sein!

Verlauf der Amerikareise Die Reise Verlief insgesamt sehr gut. [4] Mit an Bord nahm Humboldt rund 50 der modernsten Instrumente, darunter Sextanten, Quadranten, Teleskope, diverse Fernrohre, eine Lngenuhr, ein Inklinatorium, ein Deklinatorium, ein Cyanometer, Eudiometer, Arometer, ein Hyetometer, Elektrometer, Hygrometer, Barometer und Thermometer. Bereits den Zwischenaufenthalt auf der Kanareninsel Teneriffa nutzten Humboldt und Bonpland zu Aktivitten, die sie dann in der Neuen Welt vielfach wiederholen sollten: Sie bestiegen den Pico del Teide, registrierten die Vegetationszonen, bernachteten in einer Hhle unterhalb des Gipfels und untersuchten tags darauf den Krater des Vulkans. Nach der anschlieenden 22tgigen berfahrt landeten sie am 16. Juli 1799 in Cuman (Venezuela). Dort beobachtete Humboldt in der Nacht vom 11. auf den 12. November 1799 einen Meteorschauer der Leoniden seine Beschreibung legte spter den Grundstein fr die Erkenntnis, dass solche Himmelsereignisse periodisch auftreten. Von Cuman aus reisten Humboldt und Bonpland nach grndlicher Erforschung der Umgebung und einer Reihe von Exkursionen weiter nach Caracas. Humboldts amerikanische Forschungsreise lsst im Ganzen drei Phasen dynamisch vorwrts gerichteter Gelndeexploration unterscheiden, die jeweils eingebettet waren in eher stationre

Phasen der Materialsichtung, -auswertung und -sicherung. Die erste groe Expedition fhrte im Februar 1800 von Caracas zum Fluss Apure und auf diesem in das Strombett des Orinoko, das stromaufwrts so weit wie mglich in sdlicher Richtung befahren, dann aber verlassen wurde, um ber den Rio Atabapo weiter sdlich zum Rio Negro, dem Amazonaszufluss, vorzustoen. Man befuhr die Flsse auf einer Piroge, einem mit Axt und Feuer ausgehhlten Baumstamm von etwa 13 Metern Lnge und knapp einem Meter Breite. Sie wurde von einem Steuermann und vier indianischen Ruderern betrieben. Im Bereich des Hecks war ein niedriges Bltterdach installiert, an dessen tragfhigen Teilen Kfige mit eingefangenen Vgeln und Affen hingen. Die mitgefhrten greren Messinstrumente schrnkten die Bewegungsfreiheit zustzlich ein. Auf dem Rio Negro konnte dann die Einmndung des nordstlich vom Orinoko direkt zuflieenden Rio Casiquiare erreicht und mit dessen Befahrung in ganzer Lnge flussaufwrts der Nachweis gefhrt werden, dass entgegen der verbreiteten Lehrmeinung, wonach zwischen den groen Stromgebieten der Erde nirgendwo natrliche Verbindungen existierten, eine solche zwischen Orinoco und Amazonas eben doch vorhanden war und ist, der Cassiquiare nmlich. Am 20. Mai 1800 erreichte die Piroge wie erwartet die Stelle, an der sich der Orinoco in zwei Arme gabelt. Damit war das wichtigste Forschungsziel dieser Expedition erreicht, und die Reisenden konnten sich fr den Rckweg nun flussabwrts auf dem Orinoco fortbewegen. Sie folgten seinem Lauf bis Angostura (Ciudad Bolvar) und schlugen sich dann in der qulenden Hitze der Llanos nordwrts zur Kstenstadt Nueva Barcelona durch, die sie am 23. Juli 1800 erreichten.

Alexander von Humboldt von Friedrich Georg Weitsch, 1806 Allein, dass sie dieses 2775 Kilometer lange Unternehmen heil berstanden haben (Bonpland war allerdings noch zuletzt in Angostura dem Fiebertod nahegekommen), war erstaunlich genug. Dazu trugen auer der glcklichen Wendung mancher Gefahrensituation ihre Entschlossenheit und strapazierfhige Physis bei. Der in jungen Jahren oft krnkelnde Alexander vermeldete nach Hause: Die Tropenwelt ist mein Element, und ich bin nie so ununterbrochen gesund gewesen als in den letzten zwei Jahren. () Am Atabapo, wo die Wilden stets am Faulfieber leiden, widerstand meine Gesundheit unbegreiflich gut. Den Gesamterfolg der amerikanischen Reise ermglichte zudem ein unerschtterliches Durchhaltevermgen stndig war Humboldt mit Ortsbestimmungen und Messungen aller Art beschftigt, Bonpland mit dem Botanisieren, beide zusammen mit Skizzen und Aufzeichnungen auch unter widrigsten Bedingungen: Vier Monate hindurch schliefen wir in Wldern, umgeben von Krokodilen, Boas und Jaguaren (), nichts genieend als Reis,

Ameisen, Manioc, Pisang, Orenocowasser und bisweilen Affen. () In Guayana, wo man wegen der Mosquiten, die die Luft verfinstern, Kopf und Hnde stets verdeckt haben mu, ist es fast unmglich am Tageslicht zu schreiben; man kann die Feder nicht ruhig halten, so wtend schmerzt das Gift der Insekten. Alle unsere Arbeit mute daher beim Feuer, in einer indianischen Htte, vorgenommen werden, wo kein Sonnenstrahl eindringt, und in welcher man auf dem Bauche kriechen mu. Hier aber erstickt man wieder von Rauch, wenn man auch weniger von den Mosquiten leidet. Die zweite groe Sdamerika-Expedition begann nach einem Zwischenaufenthalt in Havanna wo Humboldt das Material fr sein geographisches Werk ber Kuba (Essai politique sur lle de Cuba) erarbeitete am 30. Mrz 1801 in Cartagena an der kolumbianischen Karibik-Kste. Humboldt hatte erfahren, dass er sich der franzsischen Weltumsegelungsexpedition unter Kapitn Nicolas Baudin an der peruanischen Kste wrde anschlieen knnen. Auf dem Wege dahin drngte sich die Umsetzung des lang erwogenen Anden-Forschungsprojekts geradezu auf. Von Barancas Nuevas ab befuhren Humboldt und Bonpland den Rio Magdalena flussaufwrts: Unsere Magdalena-Reise bildete eine schreckliche Tragdie; von den zwanzig dunklen Ruderknechten lieen wir acht auf dem Wege zurck, ebensoviel langten gleich und mit stinkenden Geschwren in Honda an. Nach viertgigem steilen Aufstieg erreichten sie die Anden-Hochebene und konnten in Bogot in regen wissenschaftlichen Austausch mit dem sie aufwendig empfangenden Botaniker Jose Celestino Mutis (Kolumbianer) treten. Fr den spanischen Vizeknig erstellte Humboldt unter anderem ein Gutachten ber die Silbergruben und die Goldproduktion Kolumbiens. Die Fortsetzung des Weges ber die Anden gestaltete sich uerst beschwerlich: Dicke Wlder liegen zwischen Morsten; die Maultiere sinken bis auf den halben Leib ein; und man mu durch so tiefe und enge Schlchte, da man in Stollen eines Bergwerks zu kommen glaubt. Auch sind die Wege mit den Knochen der Maultiere bepflastert, die hier vor Klte oder Mattigkeit umfielen. Um von Bogot nach Quito zu gelangen, bentigten die Reisenden vom 19. September 1801 mit einem Zwischenaufenthalt in Popayn bis zum 6. Januar 1802. In Quito kamen sie im Hause des Herzogs Juan Po Montfar y Larrea unter; dessen Sohn Carlos Montfar sollte fortan an der amerikanischen Expedition Humboldts teilnehmen, um danach in Spanien die Offiziersausbildung zu vollenden. Sowohl er, als auch Simn Bolvar, den Humboldt nach seiner Rckkehr 1804 in Paris und 1805 in Rom traf, drften Humboldts kritische Haltung zu Kolonialregimen aller Art eingehend kennengelernt haben, die er offiziellen Stellen gegenber nach Lage der Dinge nicht uern konnte.

Humboldt und Aim Bonpland am Fu des Vulkans Chimborazo, Gemlde von Friedrich Georg Weitsch (1810) Zum Forschungsschwerpunkt wurden nun neuerlich Vulkane in einem Gebiet Ecuadors, das Humboldt wegen deren Vielzahl als Allee der Vulkane bezeichnete. Der Nachweis der vulkanischen Herkunft von Gestein, das bislang fr eine Unterwasserablagerung gehalten worden war, widerlegte die Hypothese des sogenannten Neptunismus. Den Pichincha bestieg

Humboldt nach einem ersten abgebrochenen Versuch gleich zweimal, zuletzt begleitet von einem heftigen Erdbeben, dessen Ste er sorgfltig protokollierte. Nicht ganz bis zum Gipfel gelangten Humboldt, Bonpland und Montfar am 23. Juni 1802 bei der Besteigung des Chimborazo (6310 Meter) wegen einer unpassierbaren Felsspalte 400 bis 800 Meter unterhalb des Kraters. Gleichwohl blieb dies auf 30 Jahre ein Hhenweltrekord fr Bergsteiger, eine in Anbetracht der Unzulnglichkeiten von Schuhwerk, Bekleidung und Ausrstung nach wie vor kaum zu glaubende Leistung. Dabei litten sie unter den Symptomen der Hhenkrankheit: Schwindel und Brechreiz, Blutungen aus Lippen und Zahnfleisch. Bald darauf erforschte die Expedition nach rasantem Abstieg den Oberlauf des Maraon im Quellgebiet des Amazonas und nach neuerlichem Aufstieg in die Anden die berreste der Inkasttten in der Umgebung von Cajamarca. Wie die Messungen ergaben, entdeckten und berquerten sie dabei den magnetischen quator. Als sie nach ihrer vierten Andenberquerung am 23. Oktober 1802 in Lima ankamen, war auch dieses zweite groe Forschungsunternehmen erfolgreich beendet. Zwischen zehn Grad nrdlicher und zehn Grad sdlicher Breite waren die Klima- und Vegetationsstufen des tropischen Hochgebirges in mannigfaltiger Weise durchmessen und erfasst worden. Indem Humboldt in Limas Hafen Callao am 9. November 1802 den Durchgang des Merkur observierte, gelang es ihm, den Lngengrad, auf dem Lima sich befindet, genauer als bis dahin zu bestimmen, in der Folge ein Richtwert fr den ganzen sdwestlichen Teil des neuen Kontinents. Auch studierte er die Dngeeigenschaften von Guano, was die Einfuhr von Guano nach Europa einleitete.

Bronzebste von Alexander von Humboldt auf dem Campus der Universitt von Havanna. Das Original schuf der Erfurter Theaterbildhauer Christian Paschold. Eine Kopie dieser Bste schenkte er dem Bergbaumuseum vom Schaubergwerk Morassina in Schmiedefeld (Landkreis Saalfeld /Rudolstadt). Bereits vor dem Aufbruch von Quito war die Information eingetroffen, dass der geplante Anschluss an die franzsische Weltumsegelungsexpedition des Kapitns Baudin wegen dessen Routennderung nicht mehr mglich war. Erneut musste also umdisponiert werden. Nach einem Zwischenaufenthalt in Guayaquil, bei dem Humboldt durch Temperaturmessungen die nach ihm benannte Meeresstrmung nachwies, begann am 23. Mrz 1803 in Acapulco der letzte groe Abschnitt von Humboldts amerikanischer Forschungsreise, whrend der er mit Bonpland und Montfar ein Jahr in Mexiko verbrachte. Dabei wurde der Reiseweg von Acapulco ber Mexiko-Stadt mit gut neunmonatigem Erkundungsaufenthalt bis Veracruz an der Atlantikkste barometrisch vermessen und so ein Hhenquerschnittsprofil Mexikos fr diesen wichtigen Bereich angelegt. In Mexiko-Stadt sammelte Humboldt Material fr sein landeskundliches Werk ber das Knigreich Neu-

Spanien (mit Beschreibungen der politischen, sozialen und konomischen Bedingungen sowie weitreichenden Bevlkerungsstatistiken), das dann ebenso zu einem Grundstein der modernen wissenschaftlichen Geographie werden sollte, wie das ber Kuba, fr das die Vorstudien im Mrz/April 1804 in Havanna zu Ende gefhrt wurden. Abgeschlossen wurde die groe Amerika-Expedition mit einem Besuch in den USA, wo Humboldt auch aufgrund seiner intensiven Reisekorrespondenz bereits hchste Anerkennung als Forscher und Wissenschaftler genoss und unter anderem drei Wochen als Gast des Prsidenten Thomas Jefferson in Washington D. C. und Philadelphia verbrachte.

Naturforscher zwischen Bilanz und neuem Aufbruch (18051828)Am 3. August 1804 betraten Humboldt und Bonpland in Bordeaux wieder europischen Boden. Dass ein Privatmann eine solche Forschungsreise gnzlich aus eigenen Mitteln bestritten hatte, war beispiellos. Humboldts Vermgen war dadurch naturgem stark angegriffen, und es sollte in den drei folgenden Jahrzehnten, in denen er sein Reisewerk in 30 Bnden verfasste und in Druck gab das grte je erschienene private Reisewerk berhaupt gnzlich aufgebraucht werden. In Paris, wo er den Anschluss an die wissenschaftliche Entwicklung der vergangenen fnf Jahre suchte und fand, wurde ihm von seinen Forscherkollegen ein grandioser Empfang bereitet und jede Untersttzung bei der Klrung fachwissenschaftlicher Probleme zugesagt. Humboldt nutzte fr die Erstellung seines Reiseberichts ein ganzes Wissensnetzwerk; denn sein Darstellungsansatz sah, wie sich nachlesen lsst, mehr vor, als nur die Schilderung eigener Erlebnisse, Eindrcke und Messergebnisse. Wo er zum Beispiel auf Getreideanbau, Kakao- und Kaffeeernte in der Ereignischronologie der Orinoco-Expedition einging, war dies meist verbunden mit einer Einordnung der angetroffenen Verhltnisse in die geographischen und wirtschaftlichen Verhltnisse der ganzen bekannten Welt, in Kenntniszusammenhnge also, die er berhaupt nur mit Hilfe anderer herstellen konnte. Dafr und auch fr die bestmgliche verlegerische Qualitt des Reisewerks war Paris der geeigneteste Ort (und deshalb auch ist es vollstndig nur in franzsischer Sprache erschienen). Obwohl Humboldt also im Grunde wenig Neigung versprte, die Trme Berlins wiederzusehen, folgte er letztlich doch den Mahnungen des Bruders, den er im Sommer 1805 in Rom besuchte, und dem werbenden Druck des preuischen Knigshauses: Bereits whrend seiner Amerika-Reise war er zum auerordentlichen Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt worden, unmittelbar nach seiner Rckkehr mit einer zu nichts verpflichtenden Pension von 2500 Talern bedacht und bald darauf zum kniglichen Kammerherrn ernannt worden, ebenfalls ohne konkrete Verwendung. Von November 1805 an setzte er seine wissenschaftliche Arbeit in Berlin fort, mitverfolgend den militrischen Zusammenbruch Preuens bei Jena und Auerstedt 1806, die nachfolgende Besetzung Berlins durch die Franzosen und die Plnderung von Schloss Tegel, das im Zuge der Erbteilung dem Bruder Wilhelm zugefallen war. Gute Kontakte zur franzsischen Seite nutzte Alexander sowohl zur Schadensbegrenzung fr eigene familire Besitzungen als auch zur Abmilderung mancher Hrten der Besatzungspolitik im ffentlichen Raum. Gleichwohl drohten die franzsischen Forderungen nach Kriegsentschdigung Preuen in den Ruin zu treiben. Der als Reformer an die Regierungsspitze berufene Freiherr vom Stein veranlasste daher im November 1807 eine diplomatische Gesandtschaft nach Paris, unter Fhrung des Prinzen Wilhelm, Bruder Friedrich Wilhelms III. Zum Berater des Prinzen bei dieser Mission wurde Alexander von Humboldt berufen, der so Gelegenheit erhielt, die Arbeit an seinem Reisewerk am bestgeeigneten Ort wieder aufzunehmen. Und er erhielt fr eben diesen Zweck nach dem endgltigen Scheitern der diplomatischen Bemhungen des Prinzen sogar die Erlaubnis, in

Paris zu bleiben, die er mit Konsequenz und Geschick ber fast 20 Jahre verteidigte. So schlug er zum Beispiel eine durch Hardenberg veranlasste Berufung zum preuischen Kultusminister 1809 aus, erhielt sich aber die Gunst des Knigs, indem er diesem als glnzender Gesellschafter und kundiger Fhrer bei Auslandsaufenthalten gelegentlich zu dienen wusste, so 1814 im Zuge eines Paris-Besuchs des Monarchen nach dem Sieg der Koalition ber Napoleon I. oder 1822 anlsslich eines Kongresses in Verona, verbunden mit Besichtigungen Venedigs und Roms. Parallel zu den Arbeiten am amerikanischen Reisewerk ventilierte Humboldt bestndig Mglichkeiten, seinen naturkundlichen Forschungen in der westlichen Hemisphre durch eine asiatische Expedition ein stliches Pendant folgen zu lassen, um dann im Vergleichen und Differenzieren ein ganzheitliches Bild aus der Vielgestaltigkeit der Erde und ihrer Bewohner zu gewinnen. Hauptschlich interessierten ihn Indien, der Himalaya und Tibet. Als er 1811 bereits das zweite Angebot zur Beteiligung an einer russischen Expedition bekam, antwortete er: Es kostet mir viel, die Hoffnung aufzugeben, die Ufer des Ganges mit ihren Bananenbumen und Palmen zu sehen; ich bin jetzt 42 Jahre alt und wnsche eine Expedition zu unternehmen, welche 78 Jahre dauert; aber um die Aequinoctialgegenden Asiens zu opfern, ist es ntig, da der Plan, den man mir vorzeichnen wird, ausgedehnt und breit sei. Der Kaukasus zieht mich weniger an, als der Baikalsee und die Vulkane der Halbinsel Kamtschatka. Kann man nach Kabul, Samarkand und Kaschmir eindringen? Napoleons Russland-Feldzug machte die Weiterverfolgung solcher Plne hinfllig. Eine neue vielversprechende Mglichkeit auf der Linie von Alexanders Primrinteressen erffnete sich 1817/18, als sein Bruder Wilhelm preuischer Gesandter in London war. Bei mehreren England-Aufenthalten erreichte Alexander die Untersttzung des Prinzregenten (des spteren Georg IV.) und der Direktoren der Ostindischen Kompanie fr seine Plne, dazu eine Finanzierungszusage Friedrich Wilhelms III. in gewnschter Grenordnung. Mehr als zweijhrige intensive Vorbereitungen schlossen sich an diese Zusagen an, ehe auch dieses Projekt scheiterte, vermutlich an Widerstnden innerhalb der britischen Ostindienkompanie, die Humboldts kritischen Blick auf die Verhltnisse frchten mochte. Unterdessen war das amerikanische Reisewerk weit ber die ursprngliche Konzeption hinaus angewachsen, vielleicht sogar wegen des Nichtzustandekommens der Asien-Expedition. Neben einer bedeutenden Anzahl Gelehrter der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, die Humboldt inhaltlich zuarbeiteten, waren an die 50 Spezialisten mit bildlichen Darstellungen (davon allein 1452 Kupferstiche) beschftigt, darunter Maler, Zeichner, Kartographen und Schriftknstler. Was seinen Qualittsansprchen nicht gengte, lie Humboldt auf eigene Kosten neu fertigen, darunter bereits vollendete Kupferplatten, fertige Textdrucke bis hin zu einem ganzen Band. 1827 schlielich, da sich die Vorarbeiten fr die Gesamtpublikation dem Ende neigten, entfiel aus Berliner Sicht der Grund fr den Daueraufenthalt Humboldts in Paris: Der Knig beorderte seinen Kammerherrn nach Berlin zurck.

Denkmal vor dem Hauptgebude der Humboldt-Universitt zu Berlin Daheim wurde er sogleich zum Motor und Kristallisationskern einer aufstrebenden Wissenschaftsszene. Seine an der Universitt begonnenen Vorlesungen im Rahmen eines sehr weit gefassten geographischen Horizonts waren so stark besucht und nachgefragt, dass er sie alsbald in der tausend Zuhrer fassenden Sing-Akademie als freie Vortrge fortsetzte. Unter seinen Hrern war hier vom Knig bis zum Handwerker ein breites gesellschaftliches Spektrum vertreten, Damenbeteiligung inklusive. Wie in seinen 20 Jahre zuvor erschienenen Ansichten der Natur gelang es ihm, sein deutsches Publikum in allgemein verstndlicher, bildreicher Sprache zu faszinieren und das Interesse fr erdkundliche und naturwissenschaftliche Fragen anzufachen. hnliche Ausstrahlung auf anderer Ebene entwickelte Humboldt als Organisator und Prsident des hochkartig zusammengesetzten Naturforscherkongresses 1828 in Berlin, der unter anderem mit seinem Tagungsmodus in Fachabteilungen fr knftige derartige Veranstaltungen Mastbe setzte.

Russlandexpedition 1829 ein sptes GegenstckNicht lange nach seiner Rckkehr aus Paris, fr das er auch knftig pro Jahr einen viermonatigen Aufenthalt bewilligt bekam, und zur Zeit seiner glnzenden Erfolge als Kommunikator der Naturforschung in Berlin ergriff Humboldt die Chance, doch noch zu seiner stlichen Forschungsreise zu kommen. Ausgangspunkt war eine Bitte des russischen Finanzministers Cancrin, Humboldt mge zur geplanten Einfhrung einer Platin-Whrung in Russland Stellung nehmen, die dann trotz Humboldts Warnung tatschlich bis zu ihrem Scheitern 1845 verwirklicht wurde. Cancrin war aber auch an dem Geognosten und Bergbauexperten Humboldt interessiert und stellte ihm eine Forschungsreise zum Ural und darber hinaus in Aussicht, um Aufschlsse ber ausbeutbare Minenvorkommen zu erhalten. Obwohl er hier Interessen der russischen Regierung zu bercksichtigen haben wrde und sich der Charakter dieser Expedition schon dadurch wesentlich von der amerikanischen unterscheiden musste, bei der Humboldt gnzlich frei hatte disponieren knnen, zgerte er nicht lange. Die Beziehungen zwischen den gekrnten Huptern Preuens und Russlands waren gerade besser denn je, und auf eigene Mittel fr eine solche Unternehmung konnte Alexander von Humboldt nicht mehr rechnen. In diese Expedition sollte sein 60. Geburtstag fallen; er war also etwa doppelt so alt wie zu Beginn der Amerika-Reise. Zu Begleitern, die fr ihre Fachdisziplin auch jeweils die wissenschaftliche Auswertung der Expedition vornehmen sollten, whlte er den Mediziner, Zoologen und Botaniker Christian Gottfried Ehrenberg und den Chemiker und Mineralogen Gustav Rose. So konnte Humboldt sich

vorwiegend geomagnetischen und astronomischen Beobachtungen widmen und die physische Geographie im berblick studieren. Am Anfang der Forschungsreise stand ein dreiwchiger Aufenthalt bei Hofe in St. Petersburg, wo Humboldt die Zarin unter anderem mit Vorhersagen ber zu erwartende und noch whrend der Reise tatschlich eingetretene Diamantfunde im Ural fesselte. Die Fortbewegung im Gelnde vom 20. Mai 1829 an fand in drei gefederten Wagen statt, die von 16 Pferden gezogen wurden. Mit von der Partie waren hier in deutlichem Kontrast zu den drei amerikanischen Erkundungsreisen ein Koch und Humboldts Diener Seifert. Die abgesprochene Expeditionsroute sollte ber Moskau, Kasan und Perm zunchst Jekaterinburg am Ural erreichen; auf einer nrdlichen Schleife sollten hier nhere Untersuchungen stattfinden, die zu einer reichhaltigen geologischen Materialsammlung fhrten. Tobolsk an der Einmndung des Tobol in den Irtysch htte nach den Vorfestlegungen der stliche Umkehrpunkt der Expedition werden sollen. Humboldt wollte aber weiter zum Altai-Gebirge und zur chinesischen Grenze. Er lie Cancrin wissen, dass die Expedition der Zeitplanung weit voraus sei und stellte ihn mit einer betrchtlichen Ausweitung der Reiseroute hier und dann spter noch einmal beim Vorsto die Wolga entlang zum Kaspischen Meer vor vollendete Tatsachen. Einen Humboldt wegen seines Forschungsdrangs zu rgen, die Ble mochte sich aber wohl auch das autoritre zaristische Regime (Humboldts inoffizieller Kommentar zu der lstigen berwachungspraxis: Kein Schritt, ohne dass man ganz wie ein Kranker unter der Achsel gefhrt wird) nicht geben. Tatschlicher Umkehrpunkt der Reise wurde daher nach Inspektion der Silbergruben im Altai und Kontaktaufnahme mit chinesischen Grenzposten der Ort Baty. Der Rckweg fhrte von Semipalatinsk ber Omsk und Miask nach Orenburg am sdlichen Ausgang des Ural-Gebirges und nach dem zweiten programmwidrigen Abstecher von Astrachan ber Woronesch und Moskau zurck nach St. Petersburg, das am 13. November 1829 erreicht wurde. Whrend eines knappen halben Jahres hatten die Forschungsreisenden mehr als 15.000 Kilometer zurckgelegt, gezogen von ber 12.000 Pferden. Zar Nikolaus I. und sein Finanzminister hatten Humboldt in diskreter Kenntnis seiner unterdessen prekren Finanzsituation fr die Expedition mit 20.000 Rubeln grozgig ausgestattet, ohne dass der darber htte Rechenschaft ablegen sollen. Gleichwohl hat Humboldt das gute Drittel dieser Mittel, das nicht verbraucht worden war, zurckgegeben und die dann auch befolgte Anregung damit verknpft, das Geld fr weitere Forschungsunternehmen zu verwenden. In die gleiche Richtung zielte der die Expeditionserfahrungen zusammenfassende Vortrag Humboldts am 28. November 1829 vor der russischen Wirtschaftselite in Gegenwart des Knigs und anderer Honoratioren, in dem er unter anderem appellierte: Ein Land, das sich ber mehr als 135 Lngengrade erstreckt, von der fruchtbaren Zone der Olivenbume bis zu den Landstrichen, wo der Boden nur noch mit flechtenartigen Pflanzen bedeckt ist, kann mehr als jedes andere das Studium der Atmosphre, die Erkenntnisse ber die durchschnittliche Jahrestemperatur und, was noch wichtiger fr den Zyklus der Vegetation ist, das Studium der Verteilung der Jahreswrme auf die verschiedenen Jahreszeiten vorantreiben. () Wenn die variierenden Isothermen oder Linien gleicher Wrme auf Grund prziser Beobachtungen aufgezeichnet werden und dies mindestens fnf Jahre lang im europischen Russland und in Sibirien fortgefhrt wird, wenn sie verlngert werden bis zu den westlichen Ksten Amerikas (), dann wird die Wissenschaft von der Verteilung der Wrme auf der Erdoberflche und in den Schichten, die unserer Forschung zugnglich sind, auf soliden Grundlagen basieren.

Tatschlich lie die russische Regierung in der Folge ein Netz von Messstationen anlegen, die unter anderem Luftdruck, Temperatur, Windrichtung und Niederschlagsmengen erfassten. Die so ermittelten Daten dienten Humboldt dann wiederum als empirische Grundlage fr die einschlgigen Betrachtungen in seinem 1843 erschienenen Werk ber Zentralasien.

Gratwanderer zwischen Hofdienst und Wissenschaftsbetrieb (1830 1859)

Alexander von Humboldt, Gemlde von H.W. Pickersgill Die Rckkehr von der russischen Expedition nach Berlin drfte Alexander von Humboldt erneut nicht leichtgefallen sein. Das Lebenswerk als reisender Feldforscher lag nun hinter ihm; vor ihm die Perspektive, neben seiner wissenschaftlichen Arbeit die hfische Gesellschaft, die Tafel des Knigs mit seinen Kenntnissen und Anekdoten geistvoll unterhalten zu sollen. Als aufklrerischer Liberaler stie er in solcher Gesellschaft auf mancherlei politisch und religis bedingte Anfeindung und Engstirnigkeit, die ihm ungeachtet seiner stets gewahrten Contenance und rhetorischen Brillanz schwer ertrglich waren. Jahrzehntelang hatte der knigliche Kammerherr diese Lage in Paris meiden knnen. 1822 hatte er dem Bruder sogar von Plnen geschrieben, seine spten Jahre in einem dann republikanisch gewordenen Mexiko als Leiter eines transamerikanischen Forschungsinstituts zu gestalten. Nun war dies alles hinfllig; Alexander von Humboldt musste sich mit Berlin abfinden, was ihm noch schwerer fiel, als 1835 der ihm doch wohl am nchsten stehende Bruder Wilhelm starb. Bei Hofe beruhte Alexanders Stellung allein darauf, dass er die Gunst sowohl Friedrich Wilhelms III. als auch Friedrich Wilhelms IV. besa. Seine politischen Ansichten wurden zwar auch von ihnen belchelt (immerhin erreichte Humboldt noch, dass auf preuischem Boden jeglicher Sklavenstatus erlosch), seine Leistungen und sein Renommee als Vorzeigewissenschaftler aber hochgeschtzt. Humboldt machte aus seiner Lage weiterhin das Beste unterdessen bereits fr die nachfolgenden Generationen , indem er nicht nur seine wissenschaftliche und publizistische Arbeit fortsetzte, sondern aufgrund seines enorm verzweigten Beziehungsgeflechts weit ber Preuen und Deutschland hinaus zum wichtigsten Koordinator wissenschaftlichen Mzenatentums und der Frderung von Nachwuchsforschern wurde; so untersttzte er zum Beispiel seinen Kollegen Hermann Burmeister auf dessen Sdamerika-Reisen finanziell. Fr diese Funktion war die Nhe des Knigs von ausschlaggebender Bedeutung. 1827 ernannte Friedrich Wilhelm III. Alexander von Humboldt zum Prsidenten einer Kommission zur Prfung der Untersttzungsgesuche von Gelehrten und Knstlern. Als Friedrich Wilhelm IV. 1842 den Orden Pour le mrite fr Kunst und Wissenschaft stiftete, machte er Humboldt zu

dessen Kanzler und folgte bei der Berufung der 30 deutschen und fnfundzwanzig auslndischen Mitglieder zumeist seinen Vorschlgen. Und so zeigte sich Humboldts frdernder Einfluss im Groen wie im Kleinen; es konnte den Anschein haben, als bekleide er das Amt eines europischen Kultusministers (Hanno Beck).

Daguerrotypie von Alexander von Humboldt aus dem Jahr 1847 Nicht nur 1807/08, sondern insgesamt achtmal bis 1848 wurde Alexander von Humboldt von seinen Knigen auch zu diplomatischen Missionen herangezogen und wre, wenn er denn gewollt und sich dadurch nicht von seinen selbstgesetzten Zielen abgelenkt gesehen htte, schon 1815 preuischer Botschafter in Paris geworden. Sein bekannt weltmnnisches und verbindliches Auftreten, seine Sprachmchtigkeit und fesselnde Erzhlkunst lieen ihn rasch zum Mittelpunkt jeder Gesellschaft werden, in die er sich begab. Sein Wissenshorizont und die Fhigkeit, ihn zu kommunizieren, mssen in hchstem Mae faszinierend gewesen sein, wenn Goethe seinem Herzog schrieb: Man knnte in 8 Tagen nicht aus Bchern herauslesen, was er einem in einer Stunde vortrgt. Dass er das Instrument seiner Schlagfertigkeit, seines phnomenalen Gedchtnisses und einer unverwstlichen Frische (Werner Rbe) nicht nur in blendenden Komplimenten spielen lie, sondern teilweise ber dieselben Personen anderwrts deftig-ironisch oder sarkastisch-abschtzig urteilte, wird nur befremdlich finden, wer seine politisch und menschlich prekre Situation bei Hofe auer Acht lsst. Nicht etwa, dass er Selbstmitleid kultiviert htte; aber Anflge von Bitterkeit ber das Los seiner spten Jahre hat er dann und wann eben doch erkennen lassen. Im Januar 1848 also kurz vor Ausbruch der Pariser Februarrevolution kehrte Humboldt von seiner letzten diplomatischen Mission aus Paris nach Berlin zurck. Hier wurde er Zeuge der Berliner Mrzrevolution und in sie involviert. Am 21. Mrz, nach den Barrikadenkmpfen und dem Ritt Friedrich Wilhelms IV. mit einer schwarz-rot-goldenen Armbinde durch die Stadt, war es nach dem Knig und einigen Ministern, deren Ansprachen blass blieben, Alexander von Humboldt, den das Volk auf dem Balkon des Schlosses zu sehen wnschte. Humboldt erschien, hielt aber keine Rede, sondern verbeugte sich nur stumm. Am Folgetag reihte sich der bald Achtzigjhrige ein in den Zug, der die 183 Mrzgefallenen vom Gendarmenmarkt am Schloss vorbei zu ihrer Begrbnissttte geleitete. Ein reichliches Jahrzehnt spter erlebte Berlin einen anderen Tag wirklicher Volkstrauer. Am 10. Mai 1859 fand im Berliner Dom ein Gottesdienst fr den vier Tage zuvor verstorbenen Alexander von Humboldt, der seit dem 24. Januar 1856 Ehrenbrger von Berlin gewesen war, statt. Die Menge, die dem Leichenzug von Humboldts letzter Wohnsttte in der Oranienburger Strae 67 zum Dom folgte, war nach zeitgenssischen Berichten nur mit der zu vergleichen, die die Mrzgefallenen begleitet hatte. Nach der Feier im Dom fand die berfhrung des Sarges in den Park von Schloss Tegel statt, wo Alexander von Humboldt am

Folgetag im Familiengrab beigesetzt wurde. Der Philologe August Bckh drfte in seiner Akademie-Gedenkrede das Bewusstsein breiter gesellschaftlicher Schichten artikuliert haben: Es ist ein glnzendes Gestirn im Reich des Geistes fr diese Welt erloschen.

Der Kosmos: Lebenssumme Epochendenkmal WegweiserDie enorme Popularitt, die Alexander von Humboldt ber den Tod hinaus auszeichnete, lag nicht zuletzt in dem Werk begrndet, dem er sich seit 1834 und in den ihm dann bleibenden zweieinhalb Jahrzehnten gewidmet hat: einer Gesamtschau der wissenschaftlichen Welterforschung, die 1845-1862 unter dem Titel Kosmos in fnf Bnden erschienen ist. Damit gelang es ihm, die Vision zu verwirklichen, die ihm von Beginn seiner NaturforscherTtigkeit an vorschwebte und als Richtschnur seines Handelns alle wichtigen Entscheidungssituationen bestimmte. An Varnhagen von Ense, der ihn bei der sprachlichen Gestaltung beraten sollte, schrieb er 1834: Ich habe den tollen Einfall, die ganze materielle Welt, alles, was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsrume und des Erdenlebens, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Mose auf den Granitfelsen wissen, alles in einem Werke darzustellen, und in einem Werke, das zugleich in lebendiger Sprache anregt und das Gemt ergtzt. Er hatte allerdings fr dieses Projekt einen so komplexen und ausgiebigen Anlauf genommen, dass z.B. der ltere Bruder Wilhelm zwar bereits frh viel von seinen Fhigkeiten hielt, ber lange Zeit aber nicht viel auf seinen Forschungsansatz gab: Man kommt der Natur darum nicht nher, wenn man aus der zivilisierten Welt herausgeht." Er lie sich aber durch Alexander eines Besseren belehren und war schlielich seinerseits uerst beeindruckt von dessen Vortrgen in der Singkademie, denen Wilhelm mit seiner Familie beiwohnte. Der Titel Kosmos fr Alexanders Bilanzierungsvorhaben entsprang dem gemeinsamen Nachdenken beider. In der komplementren Breite ihres Wirkens ohnehin, hier aber auch in innerer bereinstimmung haben sie das Jahrhundert brderlich in den Arm genommen (Rbe).

Das letzte Portrt von Alexander von Humboldt von Julius Schrader (1859). Im Hintergrund der Chimborazo. Lngst vor dem Bruder hatte Alexander bei Begegnungen in Jena und Weimar Goethe fr seine Forschungsmethode gewonnen. Der schrieb ihm 1795: Da Ihre Beobachtungen vom Element, die meinigen aber von der Gestalt ausgehen, so knnen wir nicht genug eilen, uns in der Mitte zu begegnen. Diesen Impuls hat der 20 Jahre Jngere aufgenommen und im Kosmos schlielich glnzend zur Geltung gebracht: Die Natur ist fr die denkende

Betrachtung Einheit in der Vielheit, Verbindung des Mannigfaltigen in Form und Mischung, Inbegriff der Naturdinge und Naturkrfte, als ein lebendiges Ganze. Das wichtigste Resultat des sinnigen physischen Forschens ist daher dieses: in der Mannigfaltigkeit die Einheit zu erkennen, von dem Individuellen alles zu umfassen, was die Entdeckungen der letzteren Zeitalter uns darbieten, die Einzelheiten prfend zu sondern und doch nicht ihrer Masse zu unterliegen, der erhabenen Bestimmung des Menschen eingedenk, den Geist der Natur zu ergreifen, welcher unter der Decke der Erscheinungen verhllt liegt. Auf diesem Wege reicht unser Bestreben ber die enge Sinnenwelt hinaus, und es kann uns gelingen, die Natur begreifend, den rohen Stoff empirischer Anschauung gleichsam durch Ideen zu beherrschen. Die wissenschaftliche Naturforschung wird hier zusammengefhrt mit dem Denken Goethes und des Bruders Wilhelm. Zugleich wird der Vorstellungshorizont der deutschen Klassik auf ein empirisches Fundament verwiesen: Aus unvollstndigen Beobachtungen und noch unvollstndigeren Inductionen entstehen irrige Ansichten von dem Wesen der Naturkrfte, Ansichten, die, durch bedeutsame Sprachformen gleichsam verkrpert und erstarrt, sich, wie ein Gemeingut der Phantasie, durch alle Klassen der Nation verbreiten. Neben der wissenschaftlichen Physik bildet sich dann eine andere, ein System ungeprfter, zum Theil gnzlich miverstandener Erfahrungskenntnisse. Wenige Einzelheiten umfassend ist diese Art der Empirik um so anmaender, als sie keine der Thatsachen kennt, von denen sie erschttert wird. Sie ist in sich abgeschlossen, unvernderlich in ihren Axiomen, anmaend wie alles Beschrnkte; whrend die wissenschaftliche Naturkunde, untersuchend und darum zweifelnd, das fest Ergrndete von dem blo Wahrscheinlichen trennt, und sich tglich durch Erweiterung und Berichtigung ihrer Ansichten vervollkommnet. Damit sind die methodischen Grundpfeiler des Humboldtschen Forscherlebens wie seines Sptwerkes Kosmos erfasst, das mit einer damaligen Gesamtauflage von 87.000 Exemplaren auch als Bestseller Epoche machte. Manche der Einsichten, zu denen Alexander von Humboldt in seinem Sptwerk gelangt ist, sind von geradezu dramatischer Aktualitt: Wissen und Erkennen sind die Freude und die Berechtigung der Menschheit; sie sind Theile des Nationalreichthums, oft ein Ersatz fr die Gter, welche die Natur in allzu krglichem Maae ausgetheilt hat. Diejenigen Vlker, welche an der allgemeinen industriellen Thtigkeit, in Anwendung der Mechanik und technischen Chemie, in sorgfltiger Auswahl und Bearbeitung natrlicher Stoffe zurckstehen, bei denen die Achtung einer solchen Thtigkeit nicht alle Classen durchdringt, werden unausbleiblich von ihrem Wohlstande herabsinken. Sie werden es um so mehr, wenn benachbarte Staaten, in denen Wissenschaft und industrielle Knste in regem Wechselverkehr mit einander stehen, wie in erneuerter Jugendkraft vorwrts schreiten.

WeltwissenschaftlerAlexander von Humboldts Denken war in einem umfassenden Sinn auf die Welt im Ganzen gerichtet. Dabei unterscheidet Ette drei wesentliche Bedeutungsebenen, nmlich die auf das Weltall bezogene kosmische, dazu eine planetarische, die u.a. den Welthandel einschliet, sowie eine philosophisch-abstrakte Dimension, die etwa als Weltanschauung begegnet.[5] Humboldts Forscherinteresse und Wissenschaftskonzeption waren nicht allein auf die jeweiligen Gegenstnde gerichtet, sondern wurden zur kosmopolitischen Wissenschaft aufgrund ihrer ethischen Fundierung und der an den Interessen der gesamten Menschheit ausgerichteten politischen Verantwortlichkeit.[6] Als Forscher setzte Humboldt auf weltweite Vernetzung und frderte sie nach Krften durch eigene Korrespondenz und als Organisator von Begegnung und Ergebnisaustausch unter

Wissenschaftlern. Seine vielfltigen Leistungen und Wirkungsbereiche trugen ihm hchste Anerkennung in aller Welt ein: In Frankreich, wo er jahrzehntelang an seinem Reisewerk arbeitete, erwarb er sich den Ruf, der grte Gelehrte des Jahrhunderts und der Aristoteles der Moderne zu sein; in Mexiko, wo er durch seinen Essai politique sur le Royaume de la Nouvelle-Espagne stark auf das nationale Selbstverstndnis und die Unabhngigkeit von Spanien einwirkte, wurde er (als einziger Auslnder) kurz nach seinem Tod, im Juli 1859, von Benito Jurez zum Benemrito de la Patria erklrt; und in Deutschland, wo er schon bald nach seiner Rckkehr als zweiter Entdecker Amerikas gefeiert wurde, verehrte man in ihm die wissenschaftliche Autoritt seiner Zeit. [7] Allerdings waren Wertschtzung und Rezeption Alexander von Humboldts in Deutschland schon zu Lebzeiten und so bis heute teils eingeschrnkt, teils verzerrt. Neben der langzeitigen Erbfeindschaft zwischen Deutschen und Franzosen haben dazu auch Volksausgaben der Schriften Humboldts beigetragen, die von den jeweiligen Kompilatoren sehr frei und mitunter sinnwidrig bearbeitet worden waren.[8]

ForschungshorizontZu den Wissenschaftsbereichen, zu denen Alexander von Humboldt Grundlegendes beigetragen hat, zhlt Ette Anatomie, Altertumswissenschaft, Botanik, Geologie, Geschichtswissenschaft, Mathematik, Philologie, Uranologie und Zoologie. Bezeichnend fr Humboldts Forschungsansatz sei disziplinenbergreifendes Querdenken und auf das Ganze gerichtetes Zusammendenken, das sich keineswegs im Messen und in der Datenerhebung zu statistischen Zwecken verloren habe.[9] Die Horizonte seines Denkens waren offen so offen wie nur selten in der Geschichte des abendlndischen Denkens. Wissenschaft und Bildung sollten keine Bildungsbrocken aufhufen: Wirkliche Bildung zielte fr Alexander von Humboldt vielmehr auf eine Kernkompetenz: die Fhigkeit zum Zusammendenken. Sie bildet die entscheidende Grundlage eines Zusammenlebens in wechselseitiger Achtung der Differenz. Nicht nur in der Natur ist fr Humboldt alles Wechselwirkung.[10] Sein die Natur- und Geisteswissenschaften sowohl in ihren jeweiligen Forschungsmethoden respektierender als auch gezielt untereinander vernetzender Ansatz drfte wohl am ehesten geeignet sein, wissenschaftlichem Arbeiten jene Problemlsungskompetenz und jenes ffentliche Gehr zu erschlieen, ohne die es oft fruchtlos bleibt. Humboldts Kosmos erwuchs nicht zuletzt aus dem stndigen direkten und persnlichen Austausch ber die Grenzen der Disziplinen hinweg und ermglichte ihm die Einbeziehung spezialisierter Wissensbestnde gerade auch solcher Fachrichtungen, deren Erkenntnisse ihm wichtig waren, obwohl er sie selbst nicht vertieft betreiben konnte. Bei aller Komplexitt und ganzheitlichen Orientierung seines Forschens blieb Humboldt sich jedoch der Lckenhaftigkeit und Vorlufigkeit auch der eigenen Ergebnisse bewusst. So schreibt er im zweiten Band des Kosmos: Durch den Glanz neuer Entdeckungen angeregt, mit Hoffnungen genhrt, deren Tuschung oft spt erst eintritt, whnt sich jedes Zeitalter dem Culminationspunkt im Erkennen und Verstehen der Natur nahe gelangt zu sein. [] Belebender und der groen Idee von der Bestimmung unseres Geschlechtes angemessener ist die berzeugung, da der eroberte Besitz nur ein sehr unbetrchtlicher Theil von dem ist, was bei fortschreitender Thtigkeit und

gemeinsamer Ausbildung die freie Menschheit in den kommenden Jahren erringen wird. Jedes Erforschte ist nur eine Stufe zu etwas Hherem in dem verhngnivollen Laufe der Dinge.[11]

VernetzungsprinzipWenn unser Jetztzeitalter das Netzzeitalter ist, schreibt Ette, dann ist Alexander von Humboldt gewi dessen wissenschaftlicher Vordenker.[12] Whrend der Zwanzigjhrige sich noch als Fremdling zwischen den Wissenschaften gesehen hatte[13], wurde er nach seiner Rckkehr von der Amerikareise zum unermdlichen Kommunikator von Wechselbezgen zwischen den Disziplinen. Mehr als 30 000 Briefe Alexander von Humboldts zeugen davon, dass er weltweit wissenschaftliche Korrespondenzen unterhielt, die einerseits Zugang zu den jeweiligen regionalen Wissensbestnden und Forschungsergebnissen verschafften und die andererseits dazu dienten, das Spezialwissen einzelner Wissenschaftsbereiche zu sammeln und zu den Fragehorizonten der vielfltigen eigenen Forschung in Beziehung zu setzen.[14] Humboldts Publikationen zeigen, dass dieser aus vielen Quellen gespeiste Forschungsprozess auch dazu beitrug, einmal entwickelte Sichtweisen zu berprfen und ggf. zu korrigieren: Auf diese Weise entsteht ein offenes, neue Untersuchungsergebnisse und Einsichten mglichst rasch einbeziehendes Forschungs- und Diskussionsklima, in dem Wissen nicht als statischer Besitz eines einzelnen, sondern als dynamischer Prozess einer Gemeinschaft verstanden wird. Die Vielzahl unterschiedlicher Perspektivierungen und Ansichten der dargestellten Gegenstnde wird stndig durch neue Einsichten angereichert, die durch eigene Untersuchungen oder durch die Forschungen anderer erzielt wurden.[15] Zu zeitgenssischen Sichtweisen, in denen die Kulturen der amerikanischen Vlker als primitiv herabgewrdigt wurden, entwickelte Alexander von Humboldt ein nuanciertes Gegenbild. Zwar diente neuhumanistisch-zeittypisch auch ihm die antike griechische Kultur als mastbliches, unerreichbares Vorbild, doch gelang es ihm nach Ette, das fr eine bestimmte Region Spezifische herauszuarbeiten und mit Prozessen in Verbindung zu bringen, die fr die ganze Menschheit von Bedeutung sind. [] Die kulturvergleichende Perspektivik Humboldts ist transareal, das Verstndnis der Kulturen selbst aber interkulturell geprgt.[16] Alexander von Humboldts Fhigkeit zum vernetzenden Denken und Forschen hat in seinem Schrifttum zu mancherlei berraschenden Vergleichen gefhrt, zu einer von Auenstehenden mitunter kritisierten Vergleichswut. So hat er beispielsweise Landwirtschaft und Bevlkerungsentwicklung Kubas zu den entsprechenden aber ganz anderen Bedingungen unterliegenden Daten der Mark Brandenburg in Beziehung gesetzt, um daraus Schlussfolgerungen abzuleiten. Doch auch in so scheinbar willkrlichen Vergleichen liegt fr Ette nicht ein bloer berschuss der Methode weltweiter Bezugnahmen, sondern ein rhetorisch-literarisches Mittel: Der khne Vergleich zielt auf die Aktivierung der Leserschaft und beabsichtigt, diese selbst zum stndig vergleichenden Denken zu provozieren. Das Fremde soll durch die Kategorien des Eigenen bewusst verfremdet, das Eigene durch jenes Fremde so verndert werden, da ein Art Auenblick auf das Eigene entsteht. Eigenes und Fremdes sind nicht klar voneinander geschieden: Alles ist vielmehr mit allem verbunden.[17]

Lebenswerk als offenes Buch

Charakteristisch fr Humboldts Forschen und Schreiben ist, dass es an kein Ende gelangt. Vom Reisebericht der amerikanischen Forschungsreise, der nur etwa ein Drittel des gesamten Reiseverlaufs erfasst, ber die Ansichten der Natur, deren geplanter zweiter Band nicht erschien, die Relation historique und die Asie centrale bis hin zum Kosmos hat Humboldt keines seiner Hauptwerke abgeschlossen. Mitunter hat man das nicht nur bedauert, sondern ihm angekreidet, hat aber bergeordnete Gesichtspunkte Humboldts dabei auer Acht gelassen: Das Kosmos-Projekt war frh und blieb immer das angestrebte Ziel und die ausstehende Summe aller seiner Forschungsaktivitten und wissenschaftlichen Kontakte. Manches musste er dafr liegen lassen oder abbrechen, vieles anderen bertragen. Dass er mit dem Kosmos jenseits der beiden ersten Bnde, die bereits den Umriss des Ganzen enthielten, nicht fertig wurde, hat die innere Logik fr sich, dass der Autor sich der prinzipiellen Unabschliebarkeit wissenschaftlichen Erkenntniszuwachses nur zu bewusst war. ber mehr als sieben Jahrzehnte des Bchermachens entstand ein ebenso dichtes wie mobiles Netzwerk an wechselseitigen intratextuellen Bezgen, innerhalb dessen jedem Buch eine je eigene Position, zugleich aber auch eine jeweils spezifische Machart, ein nicht selten experimentelles Verfertigtsein zukommt. Dieser ber mehrere Generationen von Wissenschaftlern hinweg entstandene Gesamttext bildet gewi so etwas wie eine intellektuelle Biographie Humboldts, zugleich aber und vor allem eine in stetiger Bewegung befindliche Gesamtheit, die nicht durch eine homogene Struktur, sondern vielmehr durch eine fraktale Strukturierung zusammengehalten wird. In jedem Bruchstck leuchtet die Gesamtheit auf.[18] Zu stilistischen Merkmalen und Absichten seines Schreibens hat Alexander von Humboldt sich gegenber Varnhagen von Ense selbst geuert: Die Hauptgebrechen meines Stils sind eine unglckliche Neigung zu allzu dichterischen Formen, eine lange Partizipial-Konstruktion und ein zu groes Konzentriren vielfacher Ansichten, Gefhle in Einen Periodenbau. Ich glaube, da diese meiner Individualitt anhangenden Radikal-bel durch eine daneben bestehende ernste Einfachheit und Verallgemeinerung (ein Schweben ber der Beobachtung, wenn ich eitel so sagen drfte) gemindert werden. Ein Buch von der Natur mu den Eindruck wie die Natur selbst hervorbringen. Worauf ich aber besonders in meinen Ansichten der Natur geachtet, [] ich habe gesucht, immer wahr beschreibend, bezeichnend, selbst scientifisch wahr zu sein, ohne in die drren Regionen des Wissens zu gelangen.[19] Das Fragmentarisch-Vorlufige seiner Forschung, die Nichtrealisierung weiterer Vorhaben und die Unabschliebarkeit der eigenen Schriften hat Humboldt selbst lebhaft empfunden und in einem wohl zwischen Genugtuung und Melancholie schwebenden Statement zur Sprache gebracht: Dies ist das Schicksal des Menschen: Man erreicht das Ende des eigenen Lebens und vergleicht, nicht ohne Traurigkeit, das Wenige, das man hervorgebracht hat, mit all jenem, was man htte unternehmen wollen, um das Reich der Wissenschaften zu erweitern.[20]

Vordenker einer globalisierten WissenschaftDas aktuelle Orientierungspotential, das von Alexander von Humboldts Art zu forschen im Zeitalter eines beschleunigten Wandels der konomie, der kosysteme und der Gesellschaften sowie einer durchgreifenden Globalisierung ausgeht, ist ebenso vielfltig wie

bedeutsam. Fr auch heute noch lngst nicht abgegolten hlt Ette die alle Einzelwissenschaften querende Wissenschaftskonzeption Alexander von Humboldts. Dessen von stndigen Bewegungen zwischen den Kontinenten und Kulturen, Sprachen und Spezialisierungen geprgter Wissenschaftsansatz sei vorbildlich geeignet zu einer berwindung unfruchtbarer Abschlieungstendenzen etwa zwischen Spezial- und Grundlagenforschung.[21] Das von Humboldt weltweit vorangetriebene Netzwerk korrespondierender Wissenschaftler und die Schnelligkeit der Umsetzung eingeholter Informationen in Humboldts Schriften zeugten von der Effektivitt dieses Forschungskonzepts. Humboldt selbst berspielt dabei die raschen Vernderungen seines (verffentlichten) Wissenstands keineswegs, sondern unterstreicht vielmehr den Charakter seines Buches als eines work in progress, das den jeweils aktuellsten Forschung- und Reflexionsstand wiederzugeben versucht. [...] Die wiederholte Betonung, ja geradezu Inszenierung der Vorlufigkeit und Unabgeschlosenheit aller Forschungsergebnisse ist bei Humboldt zweifellos ein Zeichen intellektueller Redlichkeit. Darber hinaus aber ist sie nicht zuflliger, sondern programmatischer Natur. Humboldt gibt seiner Leserschaft Einblicke in die Entstehung von Wissensbestnden, liefert gleichsam Momentaufnahmen wissenschaftlicher Erkenntnisprozesse [].[22] Popularisierung bzw. Demokratisierung wissenschaftlicher Erkenntnisweisen gehrten demnach gleichfallszu den von Humboldt in seinen Schriften verfolgten Zielen. Neben vielfltiger Differenzierung bei der Untersuchung von Multiparametersystemen wie Klima oder Gebirgbildung war Humboldt auf der Darstellungsebene stets bemht, komplexe Zusammenhnge mglichst einfach und in ihren Grundzgen berschaubar und nachvollziehbar zu machen auch dies eine Vorgehensweise, an der die aktuelle Wissenschaftspraxis noch manches zu lernen htte.[23]

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Wilhelm von Humboldt Friedrich Wilhelm Christian Carl Ferdinand von Humboldt, kurz: Wilhelm von Humboldt, (* 22. Juni 1767 in Potsdam; 8. April 1835 in Tegel) war ein deutscher Gelehrter, Staatsmann und Mitbegrnder der Universitt Berlin (heute: Humboldt-Universitt zu Berlin). Er zhlt zu den groen, fortwirkend einflussreichen Persnlichkeiten in der deutschen Kulturgeschichte. Betrachtet man ihn in der Gemeinschaft mit seinem Bruder Alexander, so wird man kaum ein zweites Geschwisterpaar finden, das die eigene geschichtliche Epoche mit solchem Forscherdrang und mit solch universeller Gelehrsamkeit durchdrungen und bereichert hat wie diese beiden. Whrend Alexander dabei aber keineswegs nur der naturwissenschaftlichen Forschung neue Horizonte erschlossen hat, lagen die Schwerpunkte fr Wilhelm in der Beschftigung mit kulturwissenschaftlichen Zusammenhngen wie der Bildungsproblematik, der Staatstheorie, der analytischen Betrachtung von Sprache, Literatur und Kunst sowie in aktiver politischer Mitgestaltung als Reformmotor im Schul- und Hochschulwesen und als preuischer Diplomat.

Herkunft und Jugend [Bearbeiten]In der vterlichen Linie waren die Humboldt-Brder Sprsslinge pommerscher Vorfahren aus dem Brgertum. Ihr Grovater wurde Offizier im preuischen Militr und wegen seiner Verdienste 1738 auf eigenes Ersuchen in den Adelsstand erhoben. Dessen Sohn Alexander Georg (1720-1779) wurde nach seinem Ausscheiden aus dem Heeresdienst auf Gehei Friedrichs des Groen Kammerherr bei der Gemahlin des Thronfolgers bis zum Scheitern dieser Ehe 1769. Bereits 1766 hatte Alexander Georg die vermgende Witwe hugenottischer Herkunft Elisabeth von Holwede, geb. Colomb, geheiratet und war durch sie in den Besitz von Schloss Tegel gelangt. An der Ausbildung der Shne Wilhelm und Alexander auf dem Tegeler Gut winters in der Berliner Stadtwohnung, da das Schloss nur schwer beheizbar war wurde nicht gespart.

Gedenkstein fr Gottlob Johann Christian Kunth, Erzieher der Humboldt-Brder Als Hauslehrer engagierten die Eltern unter anderem so renommierte Persnlichkeiten wie Joachim Heinrich Campe, ab 1777 fr mehr als 10 Jahre Gottlob Johann Christian Kunth, der den Erziehungsplan koordinierte und den Unterricht der verschiedenen Fachlehrer beaufsichtigte. In Vorbereitung auf die Universittsstudien wurden den Brdern Privatvorlesungen beispielsweise in Nationalkonomie und Statistik, Naturrecht und Philosophie gehalten. Kunth, der sich auch hinsichtlich der Gutsverwaltung eine Vertrauensstellung bei den Humboldts erworben hatte, wurde nach dem Tod seines Brotherrn 1779 zum unentbehrlichen Berater der erneut verwitweten Frau von Humboldt und dann auch zum Vermgensverwalter seiner Schtzlinge. Wilhelm von Humboldt wiederum frderte spter Kunths Aufstieg zum Mitarbeiter des Freiherrn vom Stein in der preuischen

Reformra und erfllte ihm nach seinem Tode 1829 den Wunsch, im Familiengrab der Humboldts in Tegel beigesetzt zu werden. Schon als 13-Jhriger sprach Wilhelm flieend Griechisch, Latein und Franzsisch und war mit wichtigen Autoren der jeweiligen Literatur vertraut. Sein enormer Studienflei weckte nicht selten Besorgnis bei ihm Nahestehenden. Im Zuge der von Kunth arrangierten Studien gelangten die Brder auch in das Haus des vielseitig interessierten Arztes Marcus Herz, der dort philosophische und physikalische Vorlesungen hielt, und in den Salon seiner Frau Henriette Herz, zu der Wilhelm zeitweise eine schwrmerische Zuneigung fasste. Als Mitglied in ihrem Bund der Freunde, einem von vielen damals existierenden Tugendbnden, zu dem sowohl eine Satzung als auch eine Geheimschrift gehrte, kam Wilhelm spterhin in Kontakt mit Caroline von Dacherden, die dem Bund als auswrtiges Mitglied gleichfalls angehrte. Das Ziel der anspruchsvollen Ausbildung ihrer Shne lag fr die Mutter darin, sie fr einflussreiche Staatsmter zu qualifizieren. Wilhelm war fr ein Studium der Rechtswissenschaften vorgesehen, Alexander fr Staatswirtschaftslehre, die als Kameralia firmierten. Noch unter Kunths Obhut begannen die Brder ihr jeweiliges Studium an der Universitt Frankfurt (Oder) (heute: Europa-Universitt Viadrina), die Wilhelm aber nach einem Semester verlie, um sich im Frhjahr 1788 in Gttingen zu immatrikulieren.

Im Bund mit den Weimarer Klassikern [Bearbeiten]

Wilhelm von Humboldt, Kreidezeichnung von Johann Joseph Schmeller In Gttingen lste sich Humboldt aus den vorgegebenen Bahnen und folgte fortan eigenen Impulsen, Interessen und Einsichten. Im Studium widmete er sich statt Jura nun mehr der Philosophie, der Geschichte und den alten Sprachen und hatte dabei mit Kapazitten wie Lichtenberg und Heyne zu tun. 1788 war auch das Jahr, in dem er seine Frau Caroline von Dacherden kennenlernte. Der berlieferte Briefwechsel beider lie diese Ehe zu einem durch den hohen Ton der wechselseitigen Einlassungen zum Teil idealistisch aufgeladenen Muster des Geschlechterverhltnisses fr das deutsche Brgertum im 19. und noch im 20. Jahrhundert werden.[1] Von seinem Gttinger Studienort aus unternahm Humboldt noch gegen Ende des Jahres 1788 eine Reise in die Rhein/Main-Gegend, bei der er u.a. Bekanntschaft mit dem Weltumsegler Georg Forster und mit Goethes Jugendfreund Friedrich Heinrich Jacobi schloss. Im Sommer 1789 brach er zu einer weiteren Reise auf, die ihn gemeinsam mit seinem vormaligen Lehrer Campe in das revolutionre Paris fhrte. Neben dem eigentlichen Revolutionsgeschehen interessierte ihn auch die Lage der Pariser Waisenkinder, die er in einem Findelhaus

aufsuchte. ber die Weihnachtstage 1789 hielt sich Humboldt mit seiner Verlobten in Weimar auf und hatte dort erste Begegnungen mit Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Anfang 1790 trat er nach Beendigung des viersemestrigen Studiums in den Staatsdienst und erhielt eine Anstellung im Justizdepartement, wo er fr die Richterlaufbahn ausgebildet wurde, zugleich aber die Zusatzqualifikation fr den diplomatischen Dienst erwarb. Schon im Mai 1791 suchte er mit Hinweis auf Familienumstnde um seine Entlassung nach, sei es, dass ihm die Ausbung des Richteramts zuwider war, sei es, dass seine anderweitig entwickelten Neigungen den Ausschlag gaben oder dass er die Anstellung nur betrieben hatte, um vor seiner Mutter und vor seinem Schwiegervater in spe, dem Kammerprsidenten von Dacherden, zu bestehen. Nach der Hochzeit in Erfurt am 29. Juni 1791 lebte das junge Paar whrend der darauffolgenden zweieinhalb Jahre auf den Dacherden'schen Gtern in Thringen, wo Humboldt nun mit Caroline seine Studien der altgriechischen Sprache, Kultur, Kunst und Philosophie fortsetzte und in regem Gedankenaustausch mit dem Hallenser Altphilologen Friedrich August Wolf vertiefte. Die Beschftigung mit der Antike diente ihm zu dem Zweck der philosophischen Kenntnis des Menschen berhaupt. Den griechischen Geist begriff er als Ideal desselben, was wir selbst sein und hervorbringen mchten. 1793 entstand die Schrift ber das Studium des Altertums und des Griechischen insbesondere, die seinen betonten Philhellenismus zeigt, gegen dessen Alleingltigkeitsanspruch selbst Schiller Vorbehalte hatte. Mit seiner fr die geistesgeschichtliche Epoche des Neuhumanismus charakteristischen Hochschtzung des antiken Griechentums und mit seiner weitreichenden Kenntnis kam Humboldt bereits als Juniorpartner der deutschen Klassik (Berglar), als er 1794 mit der jungen Familie an Schillers damalige Wirkungssttte nach Jena umzog. Die Rolle, die er fortan zunchst Schiller, dann auch Goethe gegenber spielen sollte, war die des scharfen Analytikers, konstruktiven Kritikers und versierten Ratgebers, der unter anderem auf Schillers Balladen und sein Wallenstein-Drama ebenso kunstverstndig einging wie auf Goethes Herrmann und Dorothea.

Wilhelm (2. v. l.) mit Schiller, seinem Bruder Alexander und Goethe in Jena ber Humboldts idealisierendes Bekenntnis zum antiken Griechenland und seinen nachfolgenden Einfluss auf das deutsche Bildungswesen urteilt Berglar: Obwohl Humboldt sich an Tiefe nicht mit Goethe, an Dynamik nicht mit Schiller und an Schpferkraft mit beiden nicht von Ferne messen konnte, hat doch gerade er vielleicht den strksten, sicher aber den lngsten Einflu auf die deutsche Entwicklung genommen. Bis 1797 whrte das enge Miteinander Humboldts mit Schiller in Jena. Es wurde 1795/96 unterbrochen und endete im Zusammenhang mit dem Tode Elisabeths von Humboldt, deren Vermgen auf die Shne

berging und diese materiell unabhngig machte. Whrend Wilhelm Schloss Tegel bernahm, kam Alexander nun zu dem Kapital, mit dem er seine amerikanische Forschungsreise finanzierte.

Preuens Gesandter in Rom [Bearbeiten]Nicht nach Tegel auf das elterliche Erbgut zog es Wilhelm und seine Familie nach dem Tode der Mutter, sondern zunchst, nachdem das eigentliche Wunschziel durch Napoleons ItalienFeldzug aus Sicherheitsgrnden entfallen war, fr vier Jahre in das noch immer von der Revolution bewegte Paris, wo Humboldt eine Reihe teils intensiver und anregender Bekanntschaften machte, wie beispielsweise die des Abb Sieys, von Mme. de Stal und des Revolutionsmalers David. Von Paris aus unternahm er dann 1799 und 1801 noch zwei lngere Reisen nach Spanien, die sich vor allem hinsichtlich der sprachwissenschaftlichen Studien des Baskischen als ertragreich erwiesen. Im Sommer 1801 kehrte Humboldt mit Frau und Kindern nach Tegel zurck, allerdings nur fr gut ein Jahr. Denn bereits im folgenden Frhjahr erffnete sich fr ihn die Chance, auf bequeme und eintrgliche Weise nach Italien zu kommen: als preuischer Resident am ppstlichen Stuhl. Nun zahlte sich aus, dass er whrend seiner Anstellung im Justizbereich zugleich eine Qualifikation fr den diplomatischen Dienst und den Titel des Legationsrats erworben hatte. Als Mann von Welt aus dem Adelsstand empfahl er sich fr diesen Posten, der mglichen Konkurrenten fr nicht sehr attraktiv galt, nachdem der Kirchenstaat unter franzsischer Vorherrschaft zusammengeschrumpft und der Inhaber des Heiligen Stuhls von Napoleons Gnaden abhngig war. Mit der Aufgabe der konsularischen Vertretung preuischer Untertanen in Rom war Humboldt zeitlich nicht gefordert, so dass er genug Gelegenheit hatte, sein reprsentatives Haus, den Palazzo Tomati nahe der Spanischen Treppe, gemeinsam mit Caroline zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt Roms zu machen. Hier verkehrten neben Kurienangehrigen als Gste beispielsweise Lucien Bonaparte, noch als Kronprinz der sptere Ludwig I. von Bayern, die Bildhauer Thorvaldsen und Christian Daniel Rauch sowie der junge Karl Friedrich Schinkel, Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in Begleitung der Frau von Stal. Die Faszination, die Rom auf Wilhelm von Humboldt ausbte und die sein sechsjhriges Wirken als preuischer Gesandter dort begrndete, erschliet sein Brief vom 23. August 1804 an Goethe: Rom ist der Ort, in dem sich fr unsere Ansicht das ganze Altertum zusammenzieht Es ist allerdings also das meiste an diesem Eindruck subjektiv, aber es ist nicht blo der empfindelnde Gedanke, zu stehen, wo jener oder dieser groe Mann stand. Es ist ein gewaltsames Hinreien in eine von uns nun einmal, sei es durch notwendige Tuschung, als edler und erhabener angesehene Vergangenheit, eine Gewalt, der selbst, wer wollte, nicht widerstehen kann, weil die de, in der die jetzigen Bewohner das Land lassen, und die unglaubliche Masse der Trmmer selbst das Auge dahin fhren Aber es ist auch nur eine Tuschung, wenn wir selbst Bewohner Athens oder Roms zu sein wnschten. Nur aus der Ferne, nur von allem Gemeinen getrennt, nur als vergangen mu das Altertum uns erscheinen. Im Sommer 1805 besuchte der von seiner Amerika-Expedition zurckgekehrte und schon damals als zweiter Kolumbus gefeierte Alexander von Humboldt fr mehr als drei Monate den Bruder und die Schwgerin in Rom, bevor er sich in Paris an die umfassende wissenschaftliche Auswertung des gesammelten Forschungsmaterials machte. Dies darf als Zeichen einer intensiven Kommunikation und herzlichen Verbundenheit der mitunter in starken Kontrast zueinander gesetzten Brder genommen werden. Ihr Verhltnis und komplementres Wirken wird gelegentlich mit dem Bild von den preuischen Dioskuren wiedergegeben.

Der Bildungsreformer [Bearbeiten]Die Liquidierung des Heiligen Rmischen Reiches, den Zusammenbruch Preuens nach der Niederlage bei Jena und Auerstedt sowie die franzsische Besetzung Berlins 1806 hat Humboldt auf seinem Posten in Rom betroffen, aber aus der Distanz mitverfolgt. An Staatsminister Hardenberg, der auch die Geschfte des Auenministers ausbte, schrieb er im Herbst 1806: Ich war niemals ehrgeizig oder interessiert und zufrieden mit dem Posten in dem Lande, das ich bewohne und das ich liebe und habe weder gesucht noch gewnscht, in eine andere Lage zu kommen, aber jetzt ist es mir peinlich, hier mig zu sein und nichts fr das bedrngte Vaterland tun zu knnen. Anderweitige Verwendung hatte man aber in Berlin offenbar nicht fr ihn, und so blieb er noch bis zum Oktober 1808 in Rom. Erst ein Urlaubsgesuch zur Regelung von Vermgensangelegenheiten und zur Schadensaufnahme im geplnderten Schloss Tegel schien ihm die Rckkehr nach Deutschland zu ermglichen. Dort angekommen erfuhr er jedoch, dass er im Zuge der von Stein auf den Weg gebrachten Preuischen Reformen die Leitung der Sektion des Kultus und des ffentlichen Unterrichts bernehmen sollte. Es hatte seinen guten Grund, dass der Freiherr vom Stein unbeirrbar daran festhielt, Humboldt sei der zu dieser Zeit an dieser Stelle ntige Mann. Denn der preuische Militrstaat, wie er von Friedrich Wilhelm I. geschaffen und von Friedrich II. auf Expansionskurs gesetzt worden war, hatte vorerst abgewirtschaftet und befand sich Napoleon gegenber in einer demtigenden Abhngigkeit. Um aus dieser Lage heraus wieder zu Krften zu kommen, bedurfte es im Sinne Steins und seiner Mitstreiter umfassender Reformen mit dem Ziel, dem mit der Franzsischen Revolution erwachten Freiheitsstreben der Brger Raum zu geben, ihre Eigenverantwortung zu frdern und auf diese Weise dem Staat und der Nation neue Ressourcen zu erschlieen. Humboldts staatstheoretische Vorstellungen lagen seit langem schon auf dieser Linie. Er gilt als Stammvater des deutschen Liberalismus und geriet mit seinem Ansatz in Gegensatz zu den monarchisch-konservativen Krften in Preuen und darber hinaus. In seiner 1792 verfassten Abhandlung Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen hatte er z. B. geschrieben: Der wahre Zweck des Menschen, nicht der, welchen die wechselnde Neigung, sondern welche die ewig unvernderliche Vernunft ihm vorschreibt, ist die hchste und proportionierlichste Bildung seiner Krfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste und unerlliche Bedingung. () Gerade die aus der Vereinigung Mehrerer entstehende Mannigfaltigkeit ist das hchste Gut, welches die Gesellschaft gibt, und diese Mannigfaltigkeit geht gewi immer in dem Grade der Einmischung des Staates verloren. Es sind nicht mehr eigentlich die Mitglieder einer Nation, die mit sich in Gemeinschaft leben, sondern einzelne Untertanen, welche mit dem Staat, d.h. dem Geiste, welcher in seiner Regierung herrscht, in Verhltnis kommen, und zwar in ein Verhltnis, in welchem schon die berlegene Macht des Staats das freie Spiel der Krfte hemmt. Gleichfrmige Ursachen haben gleichfrmige Wirkungen. Je mehr also der Staat mitwirkt, desto hnlicher ist nicht blo alles Wirkende, sondern auch alles Gewirkte. () Wer aber fr andere so rsoniert, den hat man, und nicht mit Unrecht, in Verdacht, da er die Menschheit mikennt und aus Menschen Maschinen machen will. Fr Humboldts Nominierung in dieser Umbruchsituation sprach seine Hochschtzung von Bildung fr ein menschenwrdiges Dasein: Was verlangt man von einer Nation, einem Zeitalter, von dem ganzen Menschengeschlecht, wenn man ihm seine Achtung und seine

Bewunderung schenken soll? Man verlangt, dass Bildung, Weisheit und Tugend so mchtig und allgemein verbreitet, als mglich, unter ihm herrschen, dass es seinen inneren Wert so hoch steigern, dass der Begriff der Menschheit, wenn man ihn von ihm, als dem einzigen Beispiel, abziehen msste, einen groen und wrdigen Gehalt gewnne.

Denkmal Wilhelm von Humboldts vor der Humboldt-Universitt in Berlin Als Humboldt nun mit der Berufung in das Amt konfrontiert war, zgerte er, es anzunehmen, wohl weil er nicht als Minister und damit nur dem Knig verantwortlich, sondern als Sektionschef unter Innenminister Friedrich zu Dohna-Schlobitten ttig werden sollte. In erster Linie mag er dabei gefrchtet haben, dass ihm nicht gengend freie Hand bliebe zur Neuordnung des Unterrichtswesens. Dennoch setzte Humboldt in seiner Amtsfhrung in Knigsberg eine erstaunliche Dynamik frei und reformierte, untersttzt von seinen Mitarbeitern Nicolovius, Svern und Uhden, sowohl temporeich wie umsichtig Lehrplne, Lehrerausbildung und Prfungswesen an Elementar- und Volksschulen, Gymnasien und im universitren Bereich. Den krnenden Abschluss des Reformwerks bildete die Grndung der Berliner Universitt 1810, von der Berglar sagt: Niemals wieder hatte ein deutscher Unterrichtsminister eine stolzere Berufungsliste vorzuweisen. Zu den bemerkenswertesten Lehrstuhlbesetzungen gehrten in den Anfngen Schleiermacher, Friedrich Carl von Savigny, Johann Gottlieb Fichte und Barthold Georg Niebuhr. Humboldts Universittsidee sah fr den Hochschulbetrieb und das Verhltnis zwischen Dozenten und ihren Studenten die Einheit von Forschung und Lehre vor. Beide sollten auch von staatlichen Forderungen und Auflagen einengender Art freigehalten werden. Humboldt ging davon aus, dass die Universitten in verantwortlicher Selbststeuerung auch die staatlichen Zwecke erfllen, nur sozusagen von einer hheren Warte aus und mit Mitteln, die der Staat aus eigenem Vermgen nicht hervorbringen kann. Zum Muster der deutschen Universitt wurde die Humboldtsche jedoch erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Grundlage des 1903 verffentlichten Manuskripts "ber die innere und uere Organisation der hheren wissenschaftlichen Anstalten" erhoben.[2]

Man hat mit Blick auf wirtschaftliche Zwnge und gesellschaftliche Realitten kritisiert, dass Humboldts Bildungsideal zu eng gebunden war an seine aristokratisch privilegierte Existenz. Humboldt selbst zielte aber auf eine allgemeine Bildungsreform; Belege dafr wie auch Anregungen fr die Schaffung einer Brgergesellschaft, in der lebenslanges Lernen mglich werden knnte enthlt sein Bericht an den Knig vom Dezember 1809: Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein mssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf. Jeder ist offenbar nur dann ein guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anstndiger, seinem Stande nach aufgeklrter Mensch und Brger ist. Gibt ihm der Schulunterricht, was hierzu erforderlich ist, so erwirbt er

die besondere Fhigkeit seines Berufs nachher sehr leicht und behlt immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum andern berzugehen. Humboldt wollte ein dreistufiges Schulsystem mit der Elementarschule, dem Gymnasium und der Universitt. Im Herbst 1809 legte er zwei Entwrfe fr das Schulwesen vor, den Knigsberger Schulplan und den Litauischen Schulplan, zwei zentrale Dokumente der deutschen Schulgeschichte. Sie richteten sich gegen bloe Standesbildung und sollten nur allgemeine Menschenbildung bezwecken. Das war gegen Ritterakademien, Kadettenschulen und brgerliche Realschulen gerichtet, die vielfach eine berufsbildende Ausrichtung hatten. Fr die dreijhrige Elementarschule schlug er die bernahme der Methoden Pestalozzis vor: Es ist also der Hauptgrundsatz der ganzen Methode, dass das Kind immer das volle und deutliche Bewusstsein haben muss, was es in jedem Augenblick hrt, sagt und tut, und warum so und nicht anders gehandelt wird. Fr das Gymnasium formulierte Humboldt die leitenden Ideen zum humanistischen Gymnasium, das er als Vorbereitung zum Studium verstand. Er drang im Geist des Neuhumanismus auf die Vorherrschaft der alten Sprachen als Geisteschulung. Nachwirkende Manahmen Humboldts oder seiner Mitarbeiter waren

die Einfhrung des Lehramtsexamens 1810 (examen pro facultate docendi), mit dem der Stand des Gymnasiallehrers geschaffen wurde, der Kenntnisse nachweisen musste in den alten Sprachen, in Geschichte und Mathematik; die Vereinheitlichung und Verpflichtung der Abiturprfung 1812 (die erst 1834 ohne Ausnahmen durchgesetzt wurde); der Lehrplan bzw. Plan der Unterrichtsverfassung eines 10jhrigen Gymnasialkurses 1816 (Curriculum, das nur ein Vorschlag blieb, aber wirkungsvoll war).[3]

Den Vorsatz, seine Stellung im Staatsrat aufwerten zu lassen, um unabhngig und gleichberechtigt unter Kabinettskollegen wirken zu knnen, hatte Humboldt zu keiner Zeit aufgegeben und sich Hoffnungen gemacht, den Knig von den Vorstellungen des Freiherrn vom Stein berzeugen zu knnen. Als er erkannte, dass er nichts ausgerichtet hatte, reichte er nach gut einjhriger Ttigkeit im Amt sein Rcktrittsgesuch ein. Es dauerte zweieinhalb Monate, in denen er sowohl fr die Leitung des Innen- wie des Auenministeriums im Gesprch war, bis seine Entlassung bewilligt wurde. Da er die bernahme der Sektionsleitung fr Kultus bereits mit der Bitte verknpft hatte, spter in den diplomatischen Dienst zurckkehren zu knnen, sollte die mit der Entlassung zugleich verbundene Ernennung zum auerordentlichen Gesandten und bevollmchtigten Minister in Wien seine Enttuschung wohl abmildern.

Diplomat fr Freiheit und Frieden [Bearbeiten]Caroline von Humboldt war in Rom geblieben, whrend ihr Mann als Bildungsminister amtierte. Im Herbst 1810 traf sie mit den Kindern in Wien ein, um wieder mit ihm zusammenzuleben und in dem Haus am Minoritenplatz ein reprsentatives Gesellschaftsleben zu pflegen. ber seinen in habsburgische Dienste getretenen Jugendfreund Friedrich Gentz gelang es Humboldt, die Leitvorstellungen des damaligen sterreichischen Auenministers Metternich kennenzulernen. So konnte er Hardenberg die sterreichische Haltung im Konflikt Napoleons mit Russland und im beginnenden Befreiungskrieg gegen Napoleon zuverlssig vorhersagen und den sterreichischen Beitritt zur Koalition im Hintergrund frdern. Fr seinen Biographen Scurla war es der Hhepunkt in Humboldts diplomatischer Laufbahn.

Auf dem Wiener Kongress und bei den Verhandlungen ber den Deutschen Bund fungierte Humboldt als Hardenbergs rechte Hand und trug mit zahlreichen Memoranden zur inhaltlichen Ausgestaltung der Bundesakte bei. Das in dieser wichtigen Phase der Neuordnung Europas bestehende Einvernehmen mit Hardenberg hielt jedoch nicht dauerhaft vor. Denn in dem zunehmend von Metternichs restaurativen Strebungen geprgten Klima gerieten Humboldts liberale Grundstze und Impulse mehr und mehr ins Abseits, whrend Hardenberg sich in die Entwicklung schickte. Nach Abschluss der Verhandlungen war aufgrund des deutlich gewordenen Gegensatzes zwischen Metternich und Humboldt dessen Rolle in Wien ausgespielt. Er wurde zunchst fr das ganze Jahr 1816 zu Anschlussverhandlungen ber offene Territorialfragen im Deutsche