Alfoldy - Die Göttin Salacia

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  • 8/10/2019 Alfoldy - Die Gttin Salacia

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    DIE GTTIN SALACIAUND DIE RMISCHE RELIGION IN ILLYRICUM

    GZA ALFLDY UDK: 904:292.11(398)01/02Seminar fr Alte Geschichte und Epigraphik 904:292.11(497.5 Trogir)01/02Universitt Heidelberg 930.271(398)01/02D - Heidelberg, Marstallhof 4 Izvorni znanstveni lanak

    Primljeno: 4. II. 2011.

    Emilio Marin sexagenarioexemplo Genii Illyrici

    Die alte rmische Wassergttin Salacia ist bei den Rmern schon inder Zeit der spteren Republik und erst recht in der Kaiserzeit in Verges-senheit geraten. Desto berraschender ist es, dass wir drei Inschriften ausIllyricum kennen, die davon zeugen, dass der Kult dieser Gttin dort im3. Jahrhundert pltzlich auftauchte. Die Wiederbelebung dieses Kultes inIllyricum steht im Kontext der Erneuerung alter rmischer Gtterkulte inden donaulndischen und nordbalkanischen Provinzen im Zeitraum zwi-schen den Regierungszeiten des Septimius Severus und Diokletians. Dasrevivalder religisen Traditionen Roms zeigt sich besonders deutlich inden archaisierenden Elementen mehrerer alter Kulte. Es entsprach der Re-ligionspolitik der Severer und hauptschlich der donaulndischen Kaiservon Decius bis Diokletian, nach deren Ansicht der Fortbestand des Imperi-um Romanum nur mit Hilfe der Gtter Roms gesichert werden konnte. Diealten Kulte wurden in Illyricum vor allem von den hohen Reprsentantender kaiserlichen Verwaltung und der militrischen Fhrung propagiert. DasProgramm des Rckgriffes auf die alten religisen Traditionen Roms fiel indieser Region auf einen gnstigen Boden, wo sich das Militr und auch diemit ihm sehr eng verbundene Provinzbevlkerung als wichtigster Garantfr den Fortbestand des Rmischen Reiches und als treuester Hter derWerte Roms empfand.

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    I. EINFHRUNG

    Die altrmische Gttin Salacia ist uns bis auf ganz wenige Ausnahmennur aus literarischen Quellen bekannt.1Diese sind Werke antiquarisch in-teressierter rmischer Autoren, die sich aus unterschiedlichen Grnden mitalten Gtternamen und alten religisen Vorstellungen der Rmer beschf-tigten oder den Namen der Gttin zumindest beilufig erwhnten, so im 2.Jahrhundert v. Chr. der Tragdiendichter Pacuvius, in der Zeit der SptenRepublik Cicero und vor allem Varro in seiner Schrift ber die lateinischeSprache, im 2. Jahrhundert n. Chr. die Grammatiker Aulus Gellius und Fes-tus, auerdem auch Apuleius, an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert derHeilige Augustin und der Vergil-Kommentator Servius. In keinem dieser

    Werke ist vom lebendigen Kult der Gttin die Rede. Pacuvius erwhnteihren Namen nur metaphorisch fr die Bezeichnung des unruhigen Sees,was die Gleichsetzung der Gttin mit Amphitrite, der Personifikation desrauschenden Meeres, bedeutet.2Cicero setzte Salacia mit Thetys, einer derNereiden, gleich,3womit er sie ebenfalls als Meeresgttin ansah. Als Ne-reide und somit als Meeresgttin erscheint Salacia ebenso noch bei sp-teren Schriftstellern.4Sie wird auch von Apuleius zusammen mit Nerei-den erwhnt, der sie zugleich als Begleiterin Neptuns anfhrt.5Seit Varrointeressierten sich die Autoren zumeist hchstens fr die Etymologie desNamens der Gttin oder wiederholten die Ansicht, dass sie Neptuns Frausei. Varro und Festus leiteten den Namen aus dem Wortsalum ab, mit demdas offene, bewegte Meer bezeichnet wird.6Gellius hat Salacia mit Beru-

    1. Siehe zu diesen Quellen und zu Salacia generell bes. WISSOWA, Religion 226, vgl.222 Anm. 2 und 229 Anm. 2; F. BOEHM, RE I A 2, 1920, 1818-1819; PETERSMANN,

    Neptuns ursprngliche Rolle 255-256 und 260-261. Ausfhrlich behandelt wurde dieGttin unlngst in der Publikation des Salacia-Altars aus Tragurium in Dalmatien durchDEMICHELI, Salacia 69-80. Vgl. noch LATTE, Religionsgeschichte 55; H. KENNER,Zwei Weihungen an Neptun 319. Das Foto der Inschrift aus Tragurium (Abb. 1) stammtaus dem Beitrag von DEMICHELI, die Fotos der Altre aus Sarmizegetusa und aus Wien

    (Abb. 2-5) sind Aufnahmen von ORTOLF HARL.2. Pacuvius, Frg, 418:Hinc saevitiam Salaciae fugimus.3. Cic., Tim. 11; hnlich auch Serv., Georg. 1,31.4. Corpus Glossariorum Latinorum III 168,13:Nereides Salaciae.5. Apul., Apol. 31: Vobis auctoribus posthac Neptunus cum Salacia et Portuno et omni

    choro Nerei ad aestus amorum transferentur. Nach A. ABT,Die Apologie des Apuleiusvon Madaura und die antike Zauberei. Beitrge zur Erluterung der Schrift de magia,Gieen 1908, 204 ist diese Stelle nur Blendwerk. In Apul., Met. 4,31,4 wird Salaciaebenfalls zusammen mit den Nereiden genannt.

    6. Varro, De lingua Latina 5,72: Salacia ... ab salo; Festus 437 LINDSAY: Salaciadicta est quod salum ciet. Caesar (B. civ. 3,28,4) benutzt dieses Wort fr das Schwankendes Schiffes, das von dem unruhigen Meer verursacht wird.

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    fung auf Gebetsformeln, die er aus alten Priesterbchern kannte, als einespezielle Kraft Neptuns benannt.7Fr Augustinus war Salacia Neptuns

    Frau8 und nichts anderes als die Meereswelle (salum), die sich zum offenenMeer hin bewegt.9Servius, der Salacia in der gleichen Weise als NeptunsFrau, auerdem als Tritons Mutter anfhrte,10hat die Etymologie einmalebenso wie schon andere Autoren mit dem Wort salumerklrt,11an eineranderen Stelle hat er das Wort jedoch aussal= Salz abgeleitet.12An einerweiteren Stelle meinte er jedoch, dass der Name aus dem Adjektivsalax=geil, bespringend, zur Begattung geneigt kme, womit die Gttin zurdea meretrixwurde.13

    Wie schon die Unsicherheit der Glossarier und anderer Autoren hin-

    sichtlich der Deutung des Namens zeigt, wusste man in den Zeiten, in de-nen die genannten Schriftsteller lebten, von Salacia kaum noch etwas. Voneinem Kult der Gttin in der spteren Republik knnten hchstens zweiikonographische Denkmler zeugen. Auf dem sog. Domitius Ahenobarbus-Altar in Rom vom Ende des 2. oder vom Beginn des 1. Jahrhunderts v.Chr. erscheint Neptun zusammen mit seiner Frau auf einem von Tritonengezogenen Wagen sitzend, d. h. in einer Thiasos-Szene.14 Dieses Reliefwar Teil eines Bilderzyklus mit der Darstellung eines militrischen Cen-sus unter anderem mit einer Opferszene in einem Tempel von Mars undNeptunus. Es lsst sich allerdings nicht mit Sicherheit entscheiden, ob die

    7. Gellius, Noct. Att. 13, 23,2: Conprecationes deum immortalium, quae ritu Ro-manofiunt, expositae sunt in libris sacerdotum populi Romani et in plerisque antiquisorationibus. In his scriptum est: Luam Saturni, Salaciam Neptuni, Horam Quirini, Viri-tes Quirini, Maiam Volcani, Heriem Iunonis, Moles Martis, Nerienemque Martis.Siehedazu PETERSMANN, Neptuns ursprngliche Rolle 256.

    8. Aug., De civ. Dei 4,10: Et ne ipsi quoque sine coniugibus remanerent, additurNeptuno Salacia, Plutoni Proserpina.Siehe auch ebd. 7,22:Iam utique habebat SalaciamNeptuni uxorem.

    9. Aug. De civ. Dei 7,22: Venalia unda est, quae ad litus venit, Salacia quae in salum redit.10. Serv. Aen. 1,144: Triton deus marinus, Neptuni et Salaciaefilius.

    11. Serv. Aen. 10,76: Salacia a salo.12. Serv. Aen. 1, 144: dicta ab aqua salsa.13. Serv. Aen. 1,720: Salacia, quae proprie meretricum dea appellata est a veteribus.

    Nach F. BOEHM, RE I A 2, 1920, 1819 (mit weiterer Literatur) drfte dabei die Erinne-rung an die meerentstiegene Aphrodite mitgewirkt haben.

    14. E. SIMON, Die Gtter der Rmer, Mnchen 1971 (3. Aufl. 1998), 187-188; DIES.,LIMC VII 1 (1994), 493 Nr. 119. Die Datierung dieses Monuments ist nach wie vor um-stritten, siehe die unterschiedlichen Meinungen zuletzt bei F. COARELLI, Il Campo Mar-zio. Dalle origini alla fine della Repubblica, Roma 1997, 418-446; F. STILP, Mariage etSuovetaurilia (Rivista di Archeologia Suppl. 26), Roma 2001; vgl. ST. G. SCHMIDT, Etin consulatu sexto censum populi conlega M. Agrippa egi. Boreas 30/31, 2007/8, 41-72(mit einer Datierung in die frhaugusteische Zeit).

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    Frauengestalt neben Neptun als Salacia oder nicht vielmehr wie in dergriechischen Mythologie als Amphitrite verstanden wurde,15zumal die

    Reliefs aus dem gleichen Komplex, auch mit weiteren Meeresszenen, ei-nen starken Einfluss der griechischen Kunst verraten. Die gleiche Unge-wissheit herrscht auch bei der Deutung einer Mnze aus dem Jahre 72 v.Chr., die auf der einen Seite das Bild Neptuns, auf der anderen Seite dieFigur von Salacia oder Amphitrite zeigt.16Es ist jedenfalls kein Wunder,dass die Autoren der ausgehenden Republik und der Kaiserzeit von Salaciakaum noch etwas wussten und ihre Informationen ber diese Gttin ausalten Quellen, so aus frhen Priesterbchern, schpfen mussten, zumal vonepigraphischen Zeugnissen fr eine kultische Verehrung dieser Gttin aus

    der Zeit der Republik und aus der Kaiserzeit in Italien und in den meistenProvinzen keine Spur existiert.Lange Zeit war aus dem ganzen Rmischen Reich nur ein einziges epi-

    graphisches Denkmal mit Nennung der Gttin Salacia bekannt, nmlichein Altar aus Vindobona, im heutigen Wien in Oberpannonien, der in derbisherigen Forschung entweder in das Jahr 233 oder in die ersten Jahredes Gallienus oder in das Jahr 279 n. Chr. datiert wurde und in dessen In-schrift die Gttin in der Gesellschaft verschiedener Gottheiten, unter ande-rem Neptuns und weiterer Wassergottheiten erscheint. In der jngsten Zeitkamen indes auch zwei weitere Inschriften mit der Nennung dieser Gttin

    zutage. Im Jahre 1998 wurde ein in Sarmizegetusa, in der Hauptstadt Da-kiens gefundener Altar publiziert, dessen Inschrift die Widmung an mehre-re Gottheiten, unter ihnen an Neptunus, Salacia, die Fontes und die Aquaeenthlt und aus den Jahren zwischen 235 und 238 stammt. Schon neunJahre spter wurde ein weiterer an die Salacia mit dem Beinamen Augus-tagewidmeter Altar bekannt, der in der dalmatinischen Stadt Tragurium(Trogir) bei Salona ans Tageslicht gekommen war und anscheinend an dieWende vom 2. zum 3. Jahrhundert gehrt.

    Diese drei Altarinschriften sind in zweifacher Hinsicht miteinander ver-

    bunden. Zum einen kamen sie nicht in Italien oder in den am frhestenund am strksten romanisierten Regionen des rmischen Provinzialreicheszutage, sondern in Dalmatien, Dakien und Pannonien. Zum anderen stam-

    15. E. SIMON bezeichnet die Figur in LIMC, a.a.O. (Anm. 14) als Amphitrite, inihrem Buch ber die Gtter als Salacia. Wie auch F. STILPund die meisten Forscher,spricht F. ZEVI, in: E. M. STEINBY(Ed.), Lexicon Topographicum Urbis Romae III,Roma 1996, 228 von Amphitrite und von Poseidon.

    16. M. CRAWFORD, Roman Republican Coinage, Cambridge 1974, Nr. 399/1; E.SIMON, LIMC, a.a.O. 488 Nr. 52. Nach CRAWFORDhandelt es sich um Amphitrite,nach SIMONum Salacia.

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    men sie aus einer Zeit, in der die rmischen Autoren ber Salacia nur nochaus alten Quellen etwas wussten und offenbar keinen lebendigen Kult der

    Gttin mehr kannten. Angesichts der Konzentration dieser Inschriften aufIllyricum und ihrer spten Entstehungszeit stellt sich die Frage, wie es zuerklren ist, dass der Kult der in Italien lngst in Vergessenheit geratenenGttin in einer relativ engen Zone des Provinzialreiches in jener Epocheauftauchte, die von vielen Forschern als das Zeitalter des Niedergangesder rmischen Religion angesehen wurde. Um diese Frage zu beantworten,mssen zuerst die drei Inschriften ausfhrlich besprochen werden.

    II. SALACIA IN DALMATIEN

    Die Inschrift aus Tragurium17

    (Abb. 1) istzweifellos die frheste von diesen epigraphi-schen Dokumenten. Der Text lautet:

    SalaciaeAug(ustae) sacr(um)SalviusC(ai) l(ibertus) Panus.

    Der Gentilname des Dedikanten, der ber-all verbreitet war und in Norditalien besondershufig ist, kommt in Dalmatien mehrfach vor,unter anderem fters in der dalmatinischenHauptstadt Salona in der nchsten Nachbar-schaft von Tragurium,18das zu Salonas Terri-torium gehrt haben muss. Es ist anzunehmen,dass die Familie, deren Freigelassener derStifter des Altars war, aus Norditalien stammtewie zahlreiche dalmatinische Familien19 und

    in Salona ihren Familiensitz hatte. Der Dedikant war allerdings einheimi-scher Herkunft. Das CognomenPanusist sonst nur durch eine frhkaiser-zeitliche Inschrift aus Alba Helviorum in der Gallia Narbonensis belegt.20

    17. DEMICHELI, Salacia 69-80, von hier AE 2007, 1103.18. ALFLDY, Personennamen 117; von hier DEMICHELI, Salacia 71. Die dortige

    Liste ist durch einige neue Belege zu ergnzen: ILIug 720. 2568. 2613. 2715. 2775 undAE 2001, 1608 aus Salona, auerdem ILIug 838 aus Burnum.

    19. Vgl. G. ALFLDY, Bevlkerung und Gesellschaft der rmischen Provinz Dalma-tien, Budapest 1965, 77. 79. 109. 136 usw.

    20. AE 1971, 260.

    Abb. 1. Altar aus Tragurium

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    Wie man das Vorkommen dieses Namens in der sdgallischen Stadt erklrensollte, bleibt offen. Um einen einheimischen, d. h. keltischen Namen handelt

    es sich dort nicht, da uns keine keltischen Namen mit einem hnlichen Na-mensstamm bekannt sind. An einen Zuwanderer aus Dalmatien kann manebenfalls nicht denken, da der Namenstrger, ein C. Rutilius Panus, der inseiner Stadt ein Wasserwerk stiftete, ein reiches Mitglied der lokalen Ober-schicht war. Damit knnen wir ausschlieen, dass wir es bei ihm mit einemromanisierten Illyrier aus Dalmatien zu tun haben. In dieser Provinz ist Pa-nus jedenfalls unzweifelhaft als ein illyrischer Personenname, genauer alsein fr den Stamm der Delmaten charakteristischer Name anzusehen, derzu derselben Namengruppe gehrt wie der im Stammesgebiet der Delmaten

    recht hufi

    ge illyrische Name Panesund auch die Namen Panias, Panico,Panio, Panius undPano.21Somit mssen wir in Salvius Panus einen Del-maten erblicken, der als Sklave von der Familie der Salvii gekauft oder vondieser vielleicht als vernaoder als ausgesetztes Kind als Sklave aufgezogenwurde.22Dino Demicheli, der den Dedikanten des Altars zunchst zwar alseinen domestic resident bezeichnete, zog spter dennoch auch eine andereMglichkeit in Betracht: Salvius Panus war demnach vielleicht a foreig-ner who sailed into Tragurium or Salona from elsewhere, and he raised themonument to fulfil a vow after the fortunate outcome of his voyage, as hetook a vow to Salacia during or prior to his voyage.23 Der Name Panus

    verbietet aber, an einen nach Dalmatien eingewanderten Fremden zu denken.Als Einwohner einer adriatischen Kstenstadt, fr den das Meer zur eigenenLebenswelt gehrte, brauchte Salvius Panus gewiss keine lange Seefahrt,

    21. Siehe zu den meisten dieser Namen ALFLDY, Personennamen 258; zuPanessind nachzutragen die neuen Belege bei B. LRINCZ, Onomasticon provinciarum Lati-narum Europae Latinarum III, Wien 2000, 122. ZuPaniussiehe jetzt ILIug 662. Neu ist

    Panias, ILIug 667, ebenfalls aus dem Siedlungsgebiet der Delmaten. Vgl. auch den beiden Delmaten gleichfalls recht hufigen NamenPanto, ALFLDY, Personennamen 259,hierzu auch den Hinweis auf neue Editionen und auf einen neuen Beleg bei LRINCZ,

    a.a.O. 123. DEMICHELI, Salacia 72 meint, dass Panus in der Inschrift aus TraguriumstattPanesoderPaniusvielleicht falsch geschrieben wurde.Panusist aber sicher keinefalsche Schreibweise, sondern offenbar eine Variante vonPanes, vgl. z. B. die Varianten

    Dasas/DazasundDasesfr ein und denselben illyrischen Namen, der ebenfalls fr dasStammesgebiet der Delmaten charakteristisch ist, siehe ALFLDY, Personennamen 185.

    22. Er kann auch von seinen Eltern in die Sklaverei verkauft worden sein oder hatsich vielleicht selbst in die Sklaverei verkauft, in der Hoffnung, dass er spter freigelassenwird. Zu allen genannten Bezugsquellen von Sklaven vgl. G. ALFLDY, Die Freilassungvon Sklaven und die Struktur der Sklaverei in der rmischen Kaiserzeit. Rivista StoricadellAntichit 2, 1972, 363-367 = in: DERS., Die rmische Gesellschaft. AusgewhlteBeitrge (HABES 1), Stuttgart 1986, 313-367 mit Nachtrgen auf S. 321 und 331.

    23. DEMICHELI, Salacia 72 und 78.

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    um ein Verehrer von Salacia zu werden, zumal er auch ein Fischer oder einKaufmann gewesen sein kann, der Seefahrten unternehmen musste. Es gibt

    auch fr eine weitere Annahme Demichelis, wonach Salvius Panus die Gt-tin Salacia vielleicht als Besucher von Bordellen verehrte, keinen ersichtli-chen Grund, da die Angabe bei Servius, dass die Gttin meretricum deasei,offenbar nur auf einer alten berlieferung beruht und fr das Fortleben die-ser Vorstellung in der Kaiserzeit nichts besagt.24Dagegen ist Salacia durchdie beiden nchsten Inschriften klar als Wassergttin ausgewiesen.

    Demicheli datiert die Inschrift aus Tragurium mit Hinweis auf das Feh-len des Praenomens in der Nomenklatur des Salvius Panus, ferner auf dieSchriftform und den Gtterbeinamen Augustaan das Ende des 2. oder an

    den Anfang des 3. Jahrhunderts.

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    Der Gtterbeiname bietet allerdings ber-haupt kein Datierungskriterium,26 und die Form der ziemlich regelmiggemeielten Buchstaben erlaubt hchstens die Feststellung, dass die In-schrift in keine sptere Zeit als an den Anfang oder in die erste Hlfte des 3.Jahrhunderts zu setzen ist. Was das Fehlen des Praenomens betrifft, schreibtDemicheli irrtmlich mit Berufung auf mich, dass dieses Phnomen bereitsseit der zweiten Hlfte des 1. Jahrhunderts vorkommt, denn an der von ihmzitierten Stelle heit es, dass das Fehlen des Vornamens in den InschriftenDalmatiens wie berall im Rmischen Reich seit der zweiten Hlftedes 2. Jahrhunderts eine allgemeine Erscheinung ist.27In der Inschrift aus

    Tragurium ist die Nomenklatur allerdings ganz einzigartig, da die Nennungdes Praenomens des Freilassers in den Inschriften der Liberti allgemein mitder Angabe des eigenen Praenomens kombiniert ist. Mit Hilfe der heute zurVerfgung stehenden Datenbanken lsst sich feststellen, dass wir aus derProvinz Dalmatia insgesamt 55 Inschriften kennen, in denen die vollstndi-ge Nomenklaturform von Freigelassenen mit Praenomen Gentilnamen

    24. DEMICHELI, Salacia 78. Die Serviusstelle siehe in Anm. 13. Vgl. hierzu weiterunten auch die Diskussion ber die Inschrift aus Sarmizegetusa.

    25. DEMICHELI, Salacia 72.26. Vgl. zu diesem Gtterbeinamen S. PANCIERA, Umano, sovrumano o divino? Ledivinit augustee e limperatore a Roma, in: L. DE BLOISet al., The Representation andPerception of Roman Imperial Power. Proceedings of the Third Workshop of the Interna-tional Network of Empire, Netherlands Institute in Rome, March 20-23, 2002, Amster-dam 2003, 215-239 = in: DERS., Epigrafi, epigrafia, epigrafisti. Scritti vari editi e inediti(1956-2005) con note complementari e indici (Vetera 16), Roma 2006, I 521-540. Wie dieZusammenstellung der Belege durch PANCIERAzeigt, kommt der Gtterbeiname Au-

    gustus/Augustain den Weihinschriften Roms hauptschlich im 1. und im 2. Jahrhundert,jedoch auch im 3. und sogar auch noch im 4. Jahrhundert vor.

    27. DEMICHELI, Salacia 72 mit Hinweis mglicherweise nur mit einem Schreib-fehler auf ALFLDY, Personennamen 27.

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    Praenomen des Freilassers Cognomen bezeichnet wird. Diese Belege ge-hren offenbar ohne Ausnahme in das 1. und das 2. Jahrhundert; zumindest

    einer von ihnen stammt sicher aus der zweiten Hlfte oder noch eher vomEnde des 2. Jahrhunderts.28Eine Abweichung von diesem blichen Aufbauder Nomenklatur von Freigelassenen kommt allerdings in einer anderenForm auch in einer weiteren dalmatinischen Inschrift vor;29somit stehtdie Inschrift des Salvius C. l. Panus mit ihrer Abweichung von den Regelnder Onomastik in Dalmatien nicht ganz allein. Das Wegbleiben des Prae-nomens ist wohl kaum als Nachlssigkeit zu erklren, sondern am ehestendamit, dass der Altar in einer Zeit entstand, in der es nicht mehr blich war,in den Inschriften den Vornamen anzugeben, wobei aber Salvius Panus aus

    Loyalitt oder aus Dankbarkeit gegenber seinem Patronus dessen Praeno-men doch noch im alten Stil aufgezeichnet hat. Somit kann die Inschrift ausTragurium am ehesten wohl ungefhr an die Wende vom 2. zum 3. Jahrhun-dert, d. h. in die Severerzeit datiert werden; das entspricht, zwar mit eineranderen Argumentation als bei ihm, dem Datierungsvorschlag Demichelis.

    III. SALACIA IN DAKIEN

    Der zweite Altar, in dessen Inschrift eine Widmung an die Gttin Salaciazu lesen ist, kam in Sarmizegetusa im Praetorium der Prokuratoren der Pro-vinz Dacia Apulensis zum Vorschein.30Die Inschrift bietet folgenden Text:

    28. CIL III 3016 = ILS 7170 (vgl. ILIug 250) aus Senia. Der hier genannte L. AureliusL. l. Victor domo Aequo, Augustalis in Aequum und in Senia, wurde von einem Patro-nus freigelassen, der das Brgerrecht allem Anschein nach von dem Kaiser Lucius Veruserhalten hatte. Aurelius Secundus, der fr die Errichtung des von der plebs von Seniagestifteten Grabdenkmals sorgte, war vermutlich ein Sohn oder ein Freigelassener Victors.

    29. Siehe CIL III 1836 aus Narona. Diese Inschrift wurde im CIL mit bernahmeeiner alten Abschrift in der Form OLYBIVS AMEN / L. L. IIIIIIVIR verffentlicht. AmAnfang ist natrlich [P]olybiuszu ergnzen, wie dies schon in den Indices zu CIL III (p.2405) vermerkt wurde; siehe auch ALFLDY, Personennamen 268. Danach kann nur einweiterer Personenname stehen, wobei lediglich folgende Namen in Betracht kommen:

    Amentinus (I. KAJANTO, The Latin Cognomina [Societas Scientiarum Fennica, Com-mentationes Humanarum Litterarum 6, 2], Helsinki 1965, 281), Amentus(Inscr. It. X 1,196) oder Amenus (AE 1997, 454, CIL VIII 3231, ILAlg II 7866,), das vermutlich fr

    Amoenussteht. Der Genannte hatte offenbar zwei Cognomina. Die Inschrift, die zweifel-los auf beiden Seiten, wohl aber auch oben und unten abgebrochen war, msste korrekt solauten: [- - - P]olybius Amen[tinus (?) / - - -] L(uci) l(ibertus) IIIIIIvir [Aug(ustalis)].DasPraenomen des Freilassers stand also nicht wie blich nach dem Gentilnamen, sondern amEnde der Nomenklatur, was ebenso eine Abweichung von der normalen Nomenklaturform

    bedeutet wie der Name Salvius C. l. Panus.30. I. PISO, Inschriften von Prokuratoren aus Sarmizegetusa (II). ZPE 120, 1998,

    264-265 Nr. 12 (AE 1998, 1101) = C. C. PETOLESCU, Inscriptii latine din Dacia In-scriptiones Latinae Daciae, Bucureti 2005, 878.

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    Aesculapio, Saluti, Epionae,

    Veneri ubique Neptuno, Salaciae,5Cupidinibus, Fontibus, Aquis

    Q(uintus) Axius Aelia- nus v(ir) e(gregius) proc(urator) Aug[[g.]]

    (=Augustorum duorum)Ioni.

    Ioniuswar das Signumdes Prokurators,wie auch seines gleichnamigen Sohnes. Ererscheint in mehreren Inschriften Sarmize-getusas, wo er unter Maximinus Thrax, zwi-schen 235 und 238, Prokurator der ProvinzDacia Apulensis war, nachdem er zuvor,unter Severus Alexander, als Prokurator diealimentavon Apulia, Calabria, Lucania undBruttium, danach die ratio privata in der

    Provinz Mauretania Caesariensis und dannauch in den beiden Germanien zusammen mit der Belgica verwaltet hat-te.31Er hat whrend seiner Prokuratur in der Dacia Apulensis zweimal denStatthalter der Provinz vertreten, wohl in den Zeiten, in denen dieser ausder Provinz in den Feldzgen des Maximinus Thrax gegen die Sarmatenund Daker abwesend war, und er behielt seine Stellung als Prokurator nachder Ermordung des Maximinus eine Zeitlang auch noch unter Gordian III.

    Die Vielfalt der Gottheiten, denen Q. Axius Aelianus in SarmizegetusaWeihedenkmler widmete, ist beeindruckend. Eine Widmung an Iuppiter

    Abb. 2. Altar aus Sarmizegetusa

    31. Die vollstndige Laufbahn des Prokurators: CIL III 1456 = ILS 1371 = IDR III 2,89. Seine weiteren Inschriften aus Sarmizegetusa sind: CIL III 1422 = ILS 3636 = IGRR I546 = IDR III 2, 206; CIL III 1423 = IDR III 2, 244; CIL III 7899 = ILS 3849 = IDR III 2,158; AE 1982, 828; AE 1983, 830; AE 1998, 1100. Siehe ber den Prokurator ausfhrlich:H.-G. PFLAUM, Les carrires procuratoriennes questres sous le Haut-Empire romain II,Paris 1960, 851-854 Nr. 328; sonst noch bes. A. STEIN, Die Reichsbeamten von Dazien(Dissertationes Pannonicae I 12), Budapest 1944, 71-72 (auch mit den mauretanischenInschriften des Ritters); I. PISO, Maximinus Thrax und die Provinz Dazien. ZPE 49, 1982,233-236; DERS., Inschriften von Prokuratoren aus Sarmizegetusa (I). ZPE 50, 1983, 241-242; DERS., Fasti provinciae Daciae I. Die senatorischen Amtstrger (Antiquitas 1, 43),Bonn 1993, 202-203.

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    Optimus Maximus, Iuno Regina, Minerva und an omnes dii immortalesgalt den Gottheiten des rmischen Staates, und in diese Kategorie gehrt

    auch die Widmung an die Fortuna Redux, den Lar Vialis und die Roma Ae-terna. Mit der Dedikation an den Genius der Kolonie Sarmizegetusa invo-zierte der Prokurator die lokale Schutzgottheit. In einer weiteren Inschrifterscheinen der Unbesiegbare Mithras als Reprsentant einer Mysterienreli-gion und zugleich des Sieges, Mars als der rmische Kriegsgott, Camulussowie Mercurius in Verbindung mit Rosmerta als Gottheiten, deren KulteQ. Axius Aelianus whrend seiner Prokuratur in der Belgica und in dengermanischen Provinzen kennenlernen konnte. Sein Sohn widmete Altre,einmal ausdrcklich als Dank fr die Genesung seines Vaters von einer

    Krankheit, an die Heilgtter Apollo Grannus, Aesculapius, Hygia und andie menschenfreundlichen Gtter.Die Gottheiten in der hier behandelten Inschrift hat Ioan Piso folgen-

    dermaen erklrt:32 In eine erste Gruppe gehren die Heilgottheiten, an-gefhrt von Aesculapius, ebenso seine Tochter Salus, die der griechischenHygia entspricht, und Epione, die in Kos und in Epidauros als Gemahlindes Asklepios verehrt wurde. Im gleichen Zusammenhang sind auch dieFontes genannt, mit denen die Personifizierung bekannter und als heiliggeltender Quellen gemeint ist, whrend in den Aquae ganz allgemein diein den Gewssern waltende Heilkraft verehrt wird. Die zweite Gruppe

    enthlt die Gottheiten, die irgendwelche Beziehung zur Liebe haben. Hierfhrt Venus ubique(= quae ubique est), worunter die allwaltende und da-mit die allmchtige Liebe zu verstehen ist. In diese Gruppe ordnet Pisoauch Salacia ein, deren Namen er zwar mit Servius aus salableitet, aberim Hinblick auf die gelehrte, wenn auch verfehlte Ableitung vonsalax (=geil) ebenfalls bei demselben Autor meint, dass Salacia vom Prokuratorals Gttin dersalacitas, d. h. als dea meretricumgenannt worden sei, unddieses ist eher die Rolle, welche ihr in der Gesellschaft der Venus und dercupidines(Gelste) zukommt.33So bliebe aber die Verbindung der Gttin

    mit Neptunus, die auch bei den Autoren und in der gleich zu behandelndenWiener Inschrift erscheint, ungeklrt. Es ist zwar zu erwhnen, dass HubertPetersmann in einem im Jahre 1995 erschienenen Artikel, den Piso nichtkannte, dafr pldiert hat, dass der Name Salaciavonsalax= geil, be-

    32. I. PISO, ZPE 120, 1998, 266-267.33. Die Angabe bei Servius siehe in Anm. 13. In diesem Zusammenhang weist PISO

    auch darauf hin, dass auf dem Oberteil des Altars aus Sarmizegetusa anscheinend dasBild eines Schmetterlings erscheint, das offenbar fr Psyche steht, die von Amor nicht zutrennen ist. Mit Salacia braucht aber dieses Bild nichts zu tun, da es durch Venus und dieCupidines hinreichend erklrt ist.

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    gattend kme, das zwar mit dem Verbsalirezusammenzubringen ist, wo-bei aber dieses Wort nicht nur springen, sondern auch bespringen oder

    befruchten bedeutet, womit Salacia ursprnglich nichts anderes wre alsdie Begattungs- und Beruchtungsfreudigkeit Neptuns, der ursprnglichein Wolken- und Regengott gewesen sei, der mit seinem Regen die Erdebefruchtet.34Die Frage der richtigen Etymologie kann hier nicht errtertwerden35, aber es steht auer Zweifel, dass die antiken Autoren in Salacia,bis auf die Notiz bei Servius mit der Version der Etymologie des Namensder Gttin mit Hinweis auf das Wortsalax, mit dem er seinen eigenen an-deren etymologischen Spekulationen widerspricht,36eine Meeresgttin er-blickten, wie anscheinend auch der Dedikant der Inschrift aus Tragurium.

    Neptun haben die Rmer in den historischen Zeiten immer als Meeres- oderWassergott, nicht als Himmelsgott verehrt.37Deshalb halte ich Salacia inder Inschrift aus Sarmizegetusa nicht fr eine Liebesgttin, sondern, zumalsie dort anscheinend als Frau Neptuns aufgefasst wurde, fr eine Wasser-gttin, die in Sarmizegetusa natrlich keine Meeres- oder Flussgttin war,sondern in der Gesellschaft der Fontes und der Aquae in erster Linieeine Personifikation der Kraft der Quellen, darunter der Heilquellen.38Dasentspricht der von mehreren Forschern vertretenen Ableitung des Namensder Gttin aus dem Verbsalirein der am ehesten blichen Bedeutung desWortes als springen, wonach Salacia die Personifikation der springenden

    Kraft der Quellen wre.39Das Interesse des Q. Axius Aelianus fr Salacia ist umso bemerkens-

    werter, als er sicher nicht aus Italien stammte, wo der Kult dieser Gttinin der rmischen Frhzeit heimisch gewesen war, sondern aus dem grie-chischen Osten.40 Dafr sprechen mehrere Indizien: Zwei von seinemSohn gesetzte Inschriften sind in griechischer Sprache verfasst, die wohl

    34. PETERSMANN, Neptuns ursprngliche Rolle 261-262. hnlich schon W. W.FOWLER, The Roman Festivals of the Period of the Republic, London 1899, 186.

    35. Nach K. SALLMANN, Der Kleine Pauly, 1972, 1503-1504 ist die Etymologie desNamens ungeklrt.36. Siehe oben mit Anm. 11-12.37. WISSOWA, Religion 225-229; LATTE, Religionsgeschichte 131-132.38. Auch PETERSMANN, Neptuns ursprngliche Rolle 262 Anm. 48 betont, dass in

    der klassischen Zeit die von ihm angenommene ursprngliche Bedeutung des NamensSalacia bereits in Vergessenheit geraten sein muss.

    39. WISSOWA, Religion 226 mit weiterer Literatur; LATTE, Religionsgeschichte 55Anm. 3.

    40. Darauf hat schon I. PISO, ZPE 50, 1983, 242 richtig hingewiesen, mit Ablehnungder Ansicht von H.-G. PFLAUM, a.a.O (Anm. 31), 853-854, der den Prokurator fr einenItaliker hielt.

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    die Muttersprache der Familie war; die Gttin Epione, deren Name im r-mischen Westen in keiner einzigen Inschrift auftaucht, war in Kos und in

    Epidauros heimisch; das griechische Signum Ioniusvon Vater und Sohnist der Name des Ionischen Meeres.41Die Heimat des Prokurators drfteHellas, genauer wohl die Kste am Ionischen Meer oder eine seiner Inseln,gewesen sein. Diese Herkunft knnte auch verstndlich machen, weshalber als offenbar gebildeter Grieche kein Interesse fr den Militrdiensthatte: Im Gegensatz zu den meisten Prokuratoren hat er whrend seinerLaufbahn keine Offizierstellen bekleidet. Das Gentiliz Axius war zwarals lateinischer Name naturgem vor allem in der westlichen Hlfte desImperium Romanum verbreitet, auer in Italien am strksten in Nordafri-

    ka, aber es kommt wie viele lateinische Gentilicia auch im Kreis derBevlkerung der griechisch sprechenden Provinzen vor, so findet sich einAxios z. B. in Ephesos.42

    IV. SALACIA IN PANNONIEN

    Der Wiener Altar (Abb. 3-5) kam, offenbar unweit von der Stelle,wo er in der Rmerzeit gestanden hatte, in der Nhe der Mndung desFlusses Wien in die Donau in dessen Flussbett zum Vorschein.43Er ist

    41. I. KAJANTO, Supernomina. A Study in Latin Epigraphy (Commentationes Hu-

    manarum Litterarum 40, 1), Helsinki 1966, 70-71 und 84.42. IvEph 1227.43. Erstpublikation: F.VON KENNER, Bericht ber rmische Funde in Wien in den

    Jahren 1896 bis 1900, Wien 1900, 82-86. Weitere Editionen: A. VON DOMASZEWSKI,CIL III 14359, 27 cf. p. 2329, 195 (Lesung nach DOMASZEWSKIund W. KUBITSCHEK);von hier H. DESSAU, ILS 9268; A. NEUMANN, Inschriften aus Vindobona. Jahrbuch desVereines fr Geschichte der Stadt Wien 17/18, 1961/62, 15-16 Nr. 25; DERS., Die Skulp-turen des Stadtgebietes von Vindobona (Corpus Signorum Imperii Romani, sterreich 1,1), Wien 1967, 20-21 Nr. 18); E. WEBER, in: Vindobona. Die Rmer im Wiener Raum.52. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, Karlsplatz, 8. Dezember1977 bis 9. April 1978, Wien [1977], 184-185 Nr. 52; A. NEUMANN, Zur Militrinschrift

    CIL III 14359,27 und p. 2328, in: W. S. HANSON L. J. F. KEPPIE(Eds.), Roman Fron-tier Studies II (BAR Internat. Ser. 71 (II)), Oxford 1980, 655-658; J. FITZ, Die VerwaltungPannoniens in der Rmerzeit, Budapest 1993/95), III 1023 Nr. 1; F. HARL J. BESZDES,Ubi erat Lupa Nr. 4779(die Eintragung in der Lupa-Datenbank ist inzwischen durch meineLesung ersetzt). Aus der weiteren Literatur siehe bes. E. POLASCHEK, Die Kunst der R-merzeit in Wien, in: R. K. DONIN, Geschichte der bildenden Kunst in Wien von der Urzeitbis zurRmerzeit, Wien 1944, 109-110; A. NEUMANN, Inschriften aus Vindobona. Jahr-

    buch des Vereines fr Geschichte der Stadt Wien 17/18, 1961/62, 15 Nr. 18; H. KENNER,Nymphenverehrung der Austria Romana, in: Classica et Provincialia. Festschrift fr ErnaDiez, Graz 1978, 101-102; A. NEUMANN, Vindobona, die rmische Vergangenheit Wiens,Wien Kln Graz 1972 (2. Aufl. 1980), 46-47; H. KENNER, Zwei Weihungen an Neptun315-325. bes. 317-320; G. BAUCHHENSS, in: LIMC VII 1 (1994), 498.

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    mit Reliefs geschmckt. Auf dem Oberteil erscheinen auf der Vorderseitelinks die Figuren von drei Delfinen, rechts das Brustbild eines mit Tunika

    bekleideten Mdchens, das ein Opferkorb in den Hnden hlt. Auf derlinken Schmalseite des Mittelteiles ist Neptun mit einem Dreizack in derlinken und einem Delfin in der rechten Hand dargestellt, der auf einenKopf mit Hrnern tritt; damit ist in der griechischen Mythologie die Per-sonifikation des Flusses Acheloos in Nordwestgriechenland gemeint, derHerakles besiegt und dessen Hrner abgebrochen hat.44Auf der rechtenSchmalseite also unter dem Brustbild des Mdchens mit dem Opfer-korb steht die Figur eines Mannes in Militruniform, der auf einem Al-tar ein Opfer darbringt. Die Inschrift ist stark verwischt und sehr schwer

    zu lesen. Alle bisherigen Lesungs- und Ergnzungsversuche erweisensich, ebenso wie die bisher vorgeschlagenen Datierungen, als irrefh-rend. Erst in der jngsten Zeit ist eine hoffentlich jeden befriedigendeLesung, Ergnzung und Deutung sowie eine zuverlssige Datierung derInschrift gelungen. Dies war zunchst der ausgezeichneten Fotoaufnah-me von Ortolf Harl in der Datenbank Ubi erat lupa zu verdanken. Dieberprfung des Originals am 11.6.2011 brachte dann ber die Lesungendgltige Gewissheit. Die vollstndige Bibliographie, ein textkritischerApparat und eine ausfhrliche Begrndung der Rekonstruktion des Tex-tes werden in einem anderen Rahmen geboten.45 Hier wird das Ergebnis

    des intensiven Studiums der erhaltenen Textreste und der kritischen Pr-fung der bisherigen Publikationen prsentiert:

    [I(ovi)] O(ptimo) M(aximo), Neptuno[Aug(usto)], [S]alaceae(!), Nimph[is (!), Flu]- [v]io Acauno, dis[deab]-+ [us]q(ue) omnib(us) v[exill(arii) leg(ionis)]5 [VI]II Aug(ustae) subc[ura M(arci)?] A[u]re[l(ii)] Secun[dini (centurionis)]

    [p]r(aepositi) tralati (!) a le[g(ione) X g(emina) VII][p(ia)] V[II] f(ideli) in leg(ionem) I[I Italicam] [[[Gallienam VII p(iam) VII f(idelem)]]]

    44. Zu den zahlreichen Darstellungen des Acheloos, u. a. seines Kampfes mit Herak-les, siehe H. P. ISLER, LIMC I 1 (1981), 12-36.

    45. G. ALFLDY, Eine umstrittene Altarinschrift aus Vindobona. Tyche 26, 2011,im Druck, dort auch mit einer Rekonstruktionszeichnung des Textes. In der Wiederga-be des Textes sind die seinerzeit noch gelesenen, heute verschwundenen Buchstabenunterstrichen.

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    10 Aurel(io) Monta[no][v(ices)] a(gente) leg(ati) leg(ionis) s(upra) s(criptae) [et- - - Sa]-

    t[u]rn[i]n[o et - - -] [e]tAurel(io) [- - - et - - -]

    [.]NAVMA[- - - 77 (i. e. centurionibus) et - - - opt(ione)]15 eq(uitum) f[ec(erunt) Mariniano et]

    Paterno co(n)[s(ulibus) - - -] (vac.)Maias. (vac.)

    Demnach wurde der Altar dem obersten rmischen Staatsgott, Nep-tun, Salacia, den Nymphen, dem Fluss Acaunus, also dem Fluss Wien, so-

    wie smtlichen anderen Gttern und Gttinnen geweiht. Gestiftet wurdeer unter Frsorge des Kommandeurs Aurelius Secundinus von den Solda-ten eines Detachements der in Argentorate (Strassburg) stationierten legioVIII Augusta.Diese Vexillation war bisher in den Verband der siebenmalmit den Ehrenbeinamenpiafidelisausgezeichneten legio X geminaein-gegliedert, die zu dieser Zeit unter dem Oberbefehl von Aurelius Mon-tanus stand, der in dieser Dienststellung anstelle eines Legionslegatenfungierte. Genannt sind auch die einzelnen Offiziere der Einheit, nmlichvier Centurionen und als optio equitum der Fhrer einer Kavallerieabtei-lung. Der Altar wurde aus dem Anlass erreichtet, dass die Vexillation aus

    Vindobona versetzt und einer anderen Legion zugeteilt wurde. Diese wardie mit dem Beinamen Gallienaund ebenfalls siebenmal mit den Beina-menpiafidelisausgezeichnete legio II Italica, also die Legion von Lau-riacum in der Nachbarprovinz Noricum. Das Monument wurde whrenddes Konsulates von Marinianus und Paternus, d. h. Egnatius Victor Ma-rinianus und Aspasius Paternus, also im Jahre 268, eingeweiht, und zwarzwischen dem 14. April und dem 15. Mai. Am Ende der 11. Zeile und inden nachfolgenden zwei Zeilen war gewiss nicht von der Wiederherstel-lung einer Naumachie die Rede, was seinerzeit Friedrich von Kenner ver-

    mutet hat,46

    da von den erhaltenen ersten Buchstaben dieses Wortes keineSpur existiert.47Die heute verschwundenen Buchstaben NAVMA wurdenvon Friedrich von Kenner, dem zum Teil auch Alfred Neumann gefolgtist, allem Anschein nach unrichtig gelesen. Vllig abwegig ist auch dievon mehreren Forschern bernommene Idee von Neumann, wonach hiervon der Regulierung des Flusses Acaunus gesprochen wurde, die fr die

    46. F. VON KENNER, a.a.O. (Anm. 43), 85, wo er das von ihm angeblich geleseneWort nauma[chia]mit Wasserwerk bersetzte.

    47. Zurckgewiesen wurde diese Lesung F. VON KENNERS schon von A. VONDOMASZEWSKI, CIL III p. 2328, 195.

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    Errichtung der Inschrift den Anlass gegeben haben soll.48Fr derartigeArbeiten wren nicht die Soldaten einer Kriegsvexillation, die sich noch

    dazu gerade im Aufbruch in eine andere Provinz befand, sondern die std-tischen Behrden Vindobonas zustndig gewesen. Die Wortformen Sa-laceastatt Salacia,NimphisstattNymphisund tralatistatt translatisinddurch die Ausbreitung des Vulgarlateins zu erklren. Sie sind nicht ohneParallelen und deuten z. T. in Richtung der Herausbildung der romani-schen Sprachen, so vor allem die als Praeverbium verwendete Prpositi-on, die statt transin der Form traausgesprochen wurde, wie auch in derheutigen italienischen Sprache.

    Zu den Ergnzungen und zum Inhalt seien hier nur folgende Bemer-

    kungen gemacht. Vor dem NamenAcaunostand wederDanuviowie nachden lteren noch Geniowie nach den neueren Editionen: Fr den Namender Donau gibt es keinen hinreichenden Platz, und Genio Acauno wreschlechtes Latein, da nach Genioimmer ein Genitiv zu erwarten ist.49DieDedikanten des Altars knnen keine veterani Augustigewesen sein, wieman bisher dachte. Der Terminus veteranus Augustibezeichnet immer nureinzelne, aus der Prtorianergarde, aus weiteren stadtrmischen Elitetrup-pen und aus den italischen Kriegsflotten entlassene Soldaten. Veteranendes Kaisers knnen keine Militreinheit sein, noch dazu eine, die aus einerLegion in eine andere, jeweils in einer anderen Provinz, versetzt wurde. Es

    handelt sich zweifellos um eine Kriegsvexillation, wie blich unter demBefehl einespraepositusim Range eines Centurios. Das Detachement wur-de von einer Legion mit dem BeinamenAugustagestellt. Hier kommt nurdie in Argentorate stationierte legio VIII Augustain Betracht, da die Lckeam Anfang der 5. Zeile, anders als mit den Ziffern der britannischen legioII Augustaund der afrikanischen legio III Augusta, nur so entsprechendausgefllt ist. Wir wissen, dass eine starke Kampfabteilung der StraburgerLegion von Kaiser Gallienus im Jahre 260 noch vor der Proklamationdes Gegenkaisers Postumus im Westen im Sommer oder im Herbst dieses

    Jahres nach Illyricum abkommandiert wurde, um an den Kmpfen gegendie Usurpatoren Ingenuus und Regalianus teilzunehmen, dass sie im Jahre261 am bellum Serdicense auf den Nordbalkan gegen die Anhnger derbeiden Gegenkaiser Macrianus und seinen gleichnamigen Sohn beteiligtwar und um diese Zeit in Sirmium ihr Hauptquartier hatte, wo ihre ge-

    48. NEUMANNfolgen u. a. G. BAUCHHENSS, a.a.O. (Anm. 43) und H. KENNER,Zwei Weihungen an Neptun 317.

    49. Die hier vertretene Ergnzung [Fl/uv]iohat schon F. VON KENNER richtig vor-geschlagen, bisher ist ihm jedoch niemand gefolgt.

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    fallenen Soldaten bestattet wurden.50Von dort wurde das Detachementoffenbar sehr bald nach Vindobona versetzt: Auf dem Balkan, wo sich

    der kurze Brgerkrieg des Jahres 261 abgespielt hatte und wo es danachkeine Aufgaben mehr fr eine Kriegsvexillation gab, wurde die Truppean den pannonischen Limes abkommandiert, wo um diese Zeit immermit Barbareneinbrchen gerechnet werden musste. In Vindobona bliebdie Einheit auf Dauer, da Gallienus die Truppe eine ihm gegenber treueEinheit nicht mehr nach Argentorate zurckschicken konnte, da dort seitdem Sommer oder dem Herbst 260 der Gegenkaiser Postumus herrsch-te, und das Imperium Galliarum wurde erst von Aurelian im Jahre 274wieder in den Machtbereich der Zentralregierung eingegliedert.51Mit der

    Datierung der Wiener Inschrift in die Regierungszeit des Gallienus stehtim Einklang, dass dielegio X geminain diesem Text wie offenbar auchdie legio II Italica die Ehrenbeinamen VII pia VIIfidelisfhrt, die sienach Ausweis der in Mediolanium geprgten Legionsmnzen der Galli-enus zusammen mit allen donaulndischen und germanischen Legionenim Jahre 260 nach der Unterwerfung der Gegenkaiser Ingenuus und Re-galianus verdient hatte.52

    Zu all dem passt bestens das Konsuldatum mit dem Namen eines Paternus.In der Regierungszeit des Gallienus fhrten die consules ordinarii der Jah-

    50. ILIug 272 = Fontes V 124-135 Nr. 30 (hier ist von zwei gefallenen Centurionendie Rede, die von derschola centurionumder Legion bestattet wurden); siehe auch ILIug274. Beide Inschriften stammen aus Sirmium wie auch die Inschrift CIL III 3228 cf. p.2328, 182 = ILS 546 = M. MIRKOVI, The Inscriptions from Sirmium and ist Territory,in: Archaeological Investigation in Syrmian Pannonia, Beograd 1971, 65 Nr. 19 = Fon-tes V 125 Nr. 31, gesetzt fr das Heil der milites vexill(ationum) legg. (i. e. legionum)Germanicianar(um) [e]t Britannicin(arum), zu denen auch das Detachement der legioVIII Augustagehrt haben muss. Vgl. hierzu P. KOVCS, Fontes V 170. Zum bellumSerdicensesiehe J. AEL, Bellum Serdicense. Situla 4, 1961, 3-20 = in: DERS., OperaSelecta (Situla 30), Ljubljana 1992, 360-378.

    51. Zur Chronologie der hier erwhnten Ereignisse siehe D. KIENAST, Rmische

    Kaisertabelle, Grundzge einer rmischen Kaiserchronologie2

    , Darmstadt 1996, bes. 223-224 und 247-248, ferner P. KOVCS, Fontes V 170-172.52. Dass in der Wiener Inschrift diese Siegerbeinamen der legio X geminagenannt

    wurden, erkannte schon F. VON KENNER, nur dass er irrtmlich von der Iterationszif-fer Vausging. Fr diese Legionsbeinamen vgl. u. a. A. ALFLDI, Die Zhlung der Sie-ge des Kaisers Gallienus und der Fides seiner Legionen, in: DERS., Weltkrise 73-119,bes. 100-101, neuerdings P. KOVCS, Fontes V 75-80 mit ausfhrlicher Bibliographie.Eine epigraphische Erwhnung solcher Ehrenbeinamen ist die Inschrift CIL III 875 =ILS 4345 = J. FITZ, Honorific Titles of Roman Military Units in the 3rd Century, Bonn Budapest 1983, 199 Nr. 773 mit der Nennung der leg(io) V Mac(edonica) III piafid[elis]aus der gemeinsamen Regierungszeit von Valerianus und Gallienus vor dem Sommerdes Jahres 260.

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    re 267 und 268 diesen Namen.53Allerdings hatten sie den Konsulat jeweilsnicht an der zweiten Stelle inne, wie in der Nennung der Konsuln in unserer

    Inschrift, sondernprimo loco.54Deshalb kommen die Konsuln des Jahres 267hier schwerlich in Frage. Aber von den Konsuln des Jahres 268 wissen wir,dass die Reihenfolge ihrer Namen in den Konsuldatierungen wohl nicht seltenvertauscht wurde, offenbar deshalb, weil der zweite Konsul, Egnatius VictorMarinianus, der kaiserlichen Familie angehrte.55Man wollte ihn deshalb nichthinter Aspasius Paternus nennen, obwohl dieser sogar ein consul IIwar.56

    53. Zu den Konsulaten der Jahre 267 und 268 siehe M. CHRISTOL, Essai surlvolution des carrires snatoriales dans la 2e moiti du IIIe s. ap. J.-C. (tudes Proso-

    pographiques VI), Paris 1986, 106-109.54. Offenbar aus diesem Grund wurde bisher an die Konsuln mit dem CognomenPaternusentweder im Jahre 233 oder 279 gedacht. Die Datierung in das Jahr 233 kommtfreilich schon allein deshalb nicht in Frage, weil es damals noch keine ritterlichen Legi-onsprfekten gab, die sich in diesem Rang als legatus vices agens legati legionisbezeich-neten, denn diese Rangbezeichnung entstand erst durch die Reform der Legionskomman-dos durch Gallienus. Unter Probus in den Jahren 276-279 gab es keinen innenpolitischenAnlass, um die Legionen mit den Beinamen VII pia VIIfidelisauszuzeichnen.

    55. Vgl. dazu D. KIENAST, a.a.O. (Anm. 51), 222.56. Die richtige Reihenfolge steht in den Inschriften CIL III 3525 = TitAq 12, CIL

    VIII 551 = 18843 = ILAlg II 4546 und ILAlg II 4547, die offenbar auch in der WienerInschrift befolgte Version in CIL X 7025 und CIL VIII 5513 = 18842 = ILAlg II 4548.

    Abb. 3. Altar aus Vindobona,Inschrift.

    Abb. 5. Altar ausVindobona, rechteSeite, Opferszene.

    Abb. 4. Altar ausVindobona, linkeSeite, Neptunus.

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    Die Vexillation der legio VIII Augusta blieb somit bis zum Frhjahr268 in Vindobona. Den Marschbefehl nach Lauriacum bekam sie jeden-

    falls noch von Gallienus kurz vor dessen im September dieses Jahres er-folgten Tod.57Der Altar wurde offenbar zu dem Zeitpunkt aufgestellt, indem der Abzug der Einheit unmittelbar bevorstand. Das Monument wurdeoffensichtlich als Dank den Gttern dafr gestiftet, dass die Vexillation inVindobona eine erfolgreiche Zeit verbracht hatte. Die opfernde Gestalt aufder rechten Seite des Altars (Abb. 5) muss der praepositussein, der wei-terhin an der Spitze der Truppe stand; das Mdchen, dessen Brustbild mitOpferkorb ber seiner Gestalt erscheint, ist seine Opferdienerin (camilla).Aus dem Aufstellungsplatz des Altars in der Nhe der Mndung des Wien-fl

    usses am Ufer der Donau lsst sich erschlieen, dass die Truppe an dieserStelle einen Versuch der Barbaren zurckschlug, die Donau zu berque-ren und in die rmische Provinz Pannonien einzudringen versuchten (sieheauch weiter unten).

    Wie die Inschrift des Prokurators Q. Axius Aelianus aus Sarmizegetusa,nennt die Gttin Salacia auch die Wiener Inschrift zusammen mit anderenGottheiten. Iuppiter Optimus Maximus und die dii deaeque omnes sinddie Staatsgtter Roms und eventuell smtliche weiteren im Imperium Ro-manum verehrte Gottheiten. Die anderen invozierten Gottheiten sind aberohne Ausnahme Wassergottheiten, was schon daraus folgt, dass der Altar

    am Ufer der Donau bei der Mndung des Flusses Wien aufgestellt wurde.Neptunus, ein Gott, der fr alle Gewsser zustndig war,58ist hier konkretals der Gott der Donau zu verstehen,59wie z. B. auch in Aquincum, wodieser Gott als wichtigster Beschtzer nicht nur der Stadt, sondern auchder Provinz einen monumentalen Altar bekommen hat, den am Donauufer

    57. Dass die Einheit der legio II Italicazugeteilt wurde, ergibt sich daraus, dass siekaum in eine weit entfernt liegende Provinz (zur legio I Italica in Niedermsien oder zurlegio III Augustain Numidien usw.) geschickt wurde. Schon E. WEBER, a.a.O. (Anm.

    43), 185 hat an die legio I Italica oder an die I adiutrix gedacht; fr die Namen derLegionenI adiutrixoderII adiutrixmit den Ehrenbeinamen gibt es aber in der 8. Zeilekeinen ausreichenden Platz.

    58. Siehe bes. Serv. Georg. 1,21:Neptunusfluminibus et fontibus et aquis omnibuspraeest.

    59. Vgl. H. KENNER, Zwei Weihungen an Neptun 318. Nach G. BAUCHHENSS,a.a.O. (Anm. 43), erscheint Neptunus hier als Gott von Gewssern im Allgemeinen.hnlich auch E. WEBER, a.a.O. (Anm. 43), 184, nach dem Neptun hier der Ressorts-chef aller Angelegenheiten ist, die mit Wasser im Zusammenhang stehen. Natrlich galtNeptunus immer als ein Gott, der fr alle Gewsser zustndig ist, aber in unserem Fallist der konkrete Bezug auf die Donau unverkennbar. Wohl primr die Donau ist gemeintauch in der Wiener Neptunus-Widmung CIL III 14359, 29.

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    ein Provinzstatthalter errichten lie,60und wo Neptunus auch zusammenmit den obersten Gottheiten des rmischen Staates, Iuppiter Optimus Ma-

    ximus und Iuno Regina, verehrt wurde.61Die Darstellung Neptuns aufdem Wiener Altar (Abb. 4) spricht jedoch dafr, dass er in den Augen derSoldaten, die dieses Monument dedizierten, auch als Garant des Siegesber den Feind galt, denn er wurde in der Pose des Herakles dargestellt,der den Flussgott Acheloos besiegt. Gemeint ist offenbar die Strke derrmischen Armee, die es verhindert, dass die Barbaren die Donau ber-queren und in das Reich eindringen.62In der Tat wurde Neptunus von denRmern auch als ein Gott gefeiert, der die Rmer zumindest aus der Seezum Sieg verhalf.63Das wird schon durch das oben erwhnte Relief des

    sog. Domitius Ahenobarbus-Altars angedeutet, auf dem unter dem FuNeptuns eine Schiffsprora erscheint, die auf einen Seesieg hinweist,64und im Jahre 101 beteten die Fratres Arvales beim Aufbruch Trajans inden Krieg gegen die Daker, wofr er das Adriatische Meer berquerenmusste, fr sein Heil und seinen Sieg auch an Neptunus pater.65Die le-

    gio VII Claudia im obermsischen Viminacium verehrte Neptun unterDiokletian sogar als Conservator Augustorum et Caesarum, womit derGott von der am Donauufer stationierten Truppe zum obersten Bescht-zer der Herrscher gegen die Feinde erhoben wurde.66Mit Flumen Acau-nus ist in der Inschrift des Wiener Altars ebenfalls ein Flussgott genannt,

    der als Ortsgottheit nicht unerwhnt bleiben konnte. Die Nymphen alsPersonifikationen der Kraft der Quellen vervollstndigen die Gruppe derWassergottheiten. Salacia kann in dieser Gesellschaft ebenfalls nur eine

    60. CIL III 3486 = ILS 3281 = TitAq 288.61. CIL III 10430 = ILS 3095 = TitAq 196 und TRH 213 = TitAq 934, zum Kult des

    Neptunus in dieser Stadt siehe noch CIL III 14354 = TitAq 932. Die Donau wurde inAquincum auch unter ihrem eigenen Namen als Gott verehrt, siehe CIL III 10395 = TitAq45 und CIL III 3416 = 3473 = TitAq 46.

    62. Nach F. VON KENNER, a.a.O. (Anm. 43), 84 ist der gehrnte Kopf auf demNeptunus-Relief das Bild des Flusses Acaunus; hnlich E. WEBER,a.a. O. (Anm. 43),185. Diese Deutung macht jedoch keinen guten Sinn, denn wie htte man diesen Flusshnlich wie den Acheloos im Herakles-Mythos als einen besiegten Feind auffassen sollen?Selbst die vermeintliche Regulierung des Wien-Flussbettes (siehe oben mit Anm. 48) htteschwerlich den Grund geben knnen, Neptun als einen Sieger darzustellen.

    63. Vgl. dazu WISSOWA,Religion 227-228.64. Siehe dazu die Literatur in Anm. 14.65. J. SCHEID, Commentarii fratrum Arvalium qui supersunt. Les copies pigra-

    phiques des protocoles annuels de la confrrie arvale (21 av.-304 a. J. C.), Roma 1998,377-380 Nr. 62a.

    66. CIL III 14506, 1 = IMS II 38.

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    Wassergottheit gewesen sein.67Dass sie in den Augen der Soldaten ebensowie die Nymphen konkret als die Personifikation der springenden Kraft der

    Quellen galt,68ist durchaus denkbar. Es ist zu vermuten, dass sie, wenn siesich ber den Namen der Gttin berhaupt Gedanken machten, ihn mit demWortsalire= springen (nicht nur bespringen) in Verbindung setzten.69Salacia kann hier jedoch zugleich auch als Neptuns Frau und somit als eineGottheit aller Gewsser aufgefasst worden sein, wie auch Neptunus, der,obwohl er von der Vexillation konkret als Gott der Donau verehrt wurde,nichtsdestoweniger ein Gott aller Gewsser blieb,70 zumal die Bilder derDelphine auf dem Wiener Altar beweisen, dass er in den Augen der Dedi-kanten nicht nur als Sieg spendender Flussgott, sondern zugleich auch als

    Herr ber die Meere galt.V. WEITERE ALTRMISCHE KULTE IN ILLYRICUM

    IM 3. JAHRHUNDERT

    Die drei behandelten Inschriften aus Illyricum zeigen in berraschen-der Weise, dass in dieser Region des Imperium Romanum der Kult derGttin Salacia, die in der Kaiserzeit in Italien lngst vergessen, in an-deren Provinzen vllig unbekannt geblieben war und mit der sich sonsthchstens antiquarisch interessierte Literaten beschftigten, in Illyri-cum im Zeitraum zwischen der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert undder Herrschaft des Gallienus sozusagen aus dem Nichts auftauchte undgleich mehrere Spuren hinterlie. Dieses religionsgeschichtlich hochin-teressante Phnomen gehrt in den Kontext der erstaunlich intensivenHinwendung der Bevlkerung und vor allem des von ihr getragenenMilitrs in den illyrischen Provinzen des Imperium Romanum zu denaltrmischen Kulten whrend des 3. Jahrhunderts. Ich habe diese Ent-wicklung vor mehr als zwei Jahrzehnten in einem Aufsatz ausfhrlich

    67. PETERSMANN, Neptuns ursprngliche Rolle 255-256 meint, dass Salacia hierkeine eigentliche Gttin, sondern eine spezielle Kraft Neptuns sei wie bei Gellius (sieheAnm. 7).

    68. F. VON KENNER,a.a.O. (Anm. 43), 84 hat Salacia hier als Quellgttin be-zeichnet, was sich allerdings schwer mit seiner Idee zu vereinbaren ist, wonach die In-schrift von der Wiederherstellung eines Wasserwerkes sprechen soll. Vgl. auch E. WE-BER, a.a.O. (Anm. 43), 185, nach dem Salacia in der Wiener Inschrift die Gottheit desspringenden, sprudelnden Wassers ist. Nach H. KENNER, Zwei Weihungen an Neptun319 verstand man sie hier wahrscheinlich als Nymphe des trben, zur Zeit der Schnee-schmelze aufgewhlten Wassers des Wienflusses.

    69. Vgl. oben mit Anm. 39.70. Siehe Anm. 37.

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    behandelt, in dem mit der herkmmlichen Vorstellung ausgerumt wur-de, wonach die Religionsgeschichte des 3 Jahrhunderts als ein Sieg des

    Orients ber den Okzident betrachtet werden sollte.71In Illyricum kn-nen wir im Gegenteil von einem unverkennbaren revivalder rmischenReligion in diesem Zeitraum sprechen.72Neue epigraphische Funde undneue Beobachtungen bieten den Anlass, diese Thematik nochmals aus-fhrlich zu errtern.

    Das Interesse fr Roms alte Traditionen in Illyricum ist schon daranzu erkennen, dass auf pannonischen Grabsteinen die Bilder von Szenenaus dem trojanischen Krieg, der Flucht des Aeneas aus Troia, von Marsund Rhea Silvia und der kapitolinischen Wlfin mit Romulus und Re-

    mus vor allem in der Severerzeit hufi

    g erscheinen.

    73

    Sie zeigen, dassdie Grndungslegenden Roms im Kreis der pannonischen Bevlkerungdamals nicht nur gut bekannt waren, sondern dass es fr sie in Pan-nonien ein gesteigertes Interesse gab. Die wichtigsten Quellen fr dieReligionsgeschichte der Donau- und Balkanprovinzen whrend des 3.Jahrhunderts sind jedoch die dort gefundenen vielen Votivinschriften.Sie zeigen beraus deutlich, dass die rmischen Staatskulte in der Se-vererzeit und unter den Soldatenkaisern in den Militrprovinzen an derDonau, unter diesen vor allem in Pannonien, aber auch im dalmatini-schem Hinterland der militrischen Zonen, das mit ihnen eng verbunden

    war, also in ganz Illyricum nicht nur mit einer besonderen Hingabe ge-pflegt wurden, sondern dass dort zugleich alte, in der rmischen Kaiser-zeit anderswo kaum noch vorhandene alte Vorstellungen ber die GtterRoms wieder zum Vorschein kamen.

    Hier sei als Beispiel vor allem der pannonische Juppiterkult erwhnt.Von den nicht weniger als rund 500 inschriftlichen Zeugnissen, die derKult des obersten rmischen Staatsgottes in Pannonien hinterlie, geh-ren die meisten genauer datierbaren Belege in den Zeitraum zwischen

    71. ALFLDY, Religion Roms 343-387, ber die Entwicklung in Illyricum 372-386.Vgl. einige diesbezgliche Beobachtungen schon in G. ALFLDY, Geschichte des religi-sen Lebens in Aquincum. Acta Arch. Hung. 13, 1961, 109-124.

    72. Zustimmend unter anderem J. B. RIVES, The Decree of Decius and the Religionof Empire. JRS 89, 1999, 142; M. SCHUOL, Die paganen Religionen, in: K.-P. JOHNE U. HARTMANN TH. GERHARDT, Die Soldatenkaiser. Krise und Transformation desRmischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235-284), Berlin 2008, 633-640.

    73. ALFLDY, Religion Roms 379-380 mit Literatur; vgl. dazu u. a. E. WEBER,EineLupa Capitolina-Darstellung auf einem Grabstein in Carnuntum. Rmisches ster-reich 17/18, 1989/90 (1991), 287-291, mit weiterer Literatur.

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    Septimius Severus und Diokletian.74Zugleich weist der Kult des obers-ten Staatsgottes in Illyricum, hauptschlich in Pannonien, im 3. Jahrhun-

    dert auch ausgesprochen archaische Zge auf, die sich in Rmischen Reichin der frheren Kaiserzeit teils kaum, teils berhaupt nicht nachweisen las-sen. Iuppiter Optimus Maximus bekam im Jahre 238 in der Nhe von Sisciamit dem BeinamenNundinarius, d. h. als Beschtzer der Markttage, einenAltar, und zwar von einem Provinzialpriester der Pannonia superior mitdem Rang eines rmischen Ritters, also von dem obersten Reprsentantender rmischen Staatsreligion in der Provinz, womit alte, in der Kaiserzeitdurch Votivinschriften sonst nicht mehr nachweisbare Vorstellungen bereine Funktion dieses Gottes wieder lebendig wurden.75Auffallend hufig

    wird Juppiter in Illyricum in den Inschriften des 3. Jahrhunderts in seineralten Eigenschaft als Blitzgott, mit den BeinamenFulguratoroderFulge-rator, Fulminator, aber auch als TonitratoroderTonansgenannt.76In derfrheren Kaiserzeit kommen solche Beinamen des obersten Staatsgottesnur in den Inschriften Italiens vor; im 3. Jahrhundert erscheint aber IuppiterFulgurator den Blitz schwingend auch auf den Mnzen des Septimius Se-verus sowie der illyrischen Kaiser Claudius II und Diokletian.77Hier ist eroffenbar als der Gott gemeint, der mit seinem Blitz die Feinde des Reichesvernichtet, und es ist anzunehmen, dass er als Blitzgott auch in Illyricum

    74. ALFLDY, Religion Roms 373-375. Zur Bedeutung des Juppiterkultes in derIdeologie des Imperium Romanum vgl. J. R. FEARS, The Cult of Jupiter and Rome andImperial Ideology. ANRW II 17, 1, Berlin - New York 1981, 3-141; fr das 3. Jahrhundertvgl. ebd. 114-119 (ohne eine erschpfende Behandlung des Themas). Zur Popularitt desJuppiterkultes bei den Donaulegionen im 3. Jahrhundert auerhalb Pannoniens siehe etwaCIL III 8148 = IMS I 9 aus Singidunum in der Moesia superior. Fr den Juppiterkult inDakien siehe jetzt I. PISO, Il Capitolium, lEpulum Iovis e il Dies Iovis nella Dacia Roma-na, in: L. ZERBINI(Ed.), Roma e le province del Danubio. Atti del I Convegno Interna-zionale (Ferrara Cento, 15-17 ottobre 2009), Ferrara 2010, 269-289, mit dem Nachweiseines speziellen dakischen Juppiterfestes am 23. Mai, u. a. in der Severerzeit.

    75. CIL III 3936 = 10820 = ILS 7116 = AIJ 500 = . SZAB, Pannoniciani Sacerdo-tes. A szervezett vallsi let vezeti, Pcs 2006, 54-55 Nr. P 37. Siehe hierzu ALFLDY,Religion Roms 375 mit Anm. 98 mit Literatur zu den nundinaeals Juppiterfeste und auchzum eigenen Kult der Gttin Nundina in Pannonien (RIU 456).

    76. ALFLDY, Religion Roms 376 mit Anm. 99. Zu den dort aufgelisteten Belegensind aus Illyricum folgende neu hinzugekommene Inschriften Juppiters als Blitzgotteshinzuzufgen: aus Dalmatien ILIug 1493 und 1808 sowie AE 2006, 1005, aus PannonienILIug 3108, AE 1973, 445 und G. ALFLDY, Studia Epigraphica Pannonica 2, 2009(2010), 42-43 (Revision von RIU 1663b), aus Dakien AE 1999, 1284. Zu CIL III 1596siehe IDR III 2, 249 = AE 2004, 1211 (aus dem Jahre 237).

    77. Angaben bei ALFLDY, Religion Roms 376 Anm. 100; zu den Mnzen des Sep-timius Severus siehe auch BMC V 176 Nr. 132.

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    nicht nur als Wettergott, sondern auch als Sieger ber die Feinde der Rmerverehrt wurde.78Juppiter Stator, der alte Schutzgott des rmischen Heeres,

    erscheint im 1. und im 2. Jahrhundert auf Mnzen des Augustus, Hadri-ans und des Antoninus Pius, auerdem in Inschriften Italiens und einmalauch in Dakien. Nachdem er im Jahre 208 als besonderer Schutzgott desseverischen Kaiserhaus verehrt worden war, setzten ihm im Laufe des 3.Jahrhunderts in den Donauprovinzen und auch in Numidien hohe Offizie-re, Reichsbeamte, Soldaten und manchmal auch Angehrige der Zivilbe-vlkerung Monumente, und sein Name findet sich auf den Mnzen fastaller Kaiser dieses Jahrhunderts.79In den gleichen Zusammenhang gehrtauch der Altar, den im Jahre 196 der Tribun einer Prtorianerkohorte dem

    Praestitus Iuppiter geweiht hat, als er mit der Expeditionsarmee des Septi-mius Severus aus dem Osten ber Illyricum gegen Claudius Albinus nachGallien zog.80Juppiter, der mit dem nirgends sonst belegten Beinamen alsBeschtzer, aber auch als Vorsteher im Krieg bezeichnet wird, ist dergleiche Gott wie Iuppiter Praestes, dessen alten Tempel in Tibur nach derSage Hercules gegrndet hatte und den C. Rubellius Blandus, der Konsuldes Jahres 18 n. Chr., wiederherstellen lie; seine Bauinschrift ist auer derWidmung in Poetovio das einzige epigraphische Zeugnis fr diesen Kult.81Besonders bemerkenswert ist die Inschrift jenes Altars, den in Sirmium imJahre 260 oder 261 der Kommandeur der nach Pannonien beorderten, aus

    Abteilungen germanischer und britannischer Legionen zusammengesetztenKampftruppe zur der auch das in der oben behandelten Wiener Inschrifterwhnte Detachement der legio VIII Augustagehrte dem Iuppiter Opti-

    78. Der Dedikant der dalmatinischen Inschrift ILIug 1493 war immerhin ein Veteran.79. Siehe ausfhrlich ALFLDY, Religion Roms 377 mit den Belegen.80. CIL III 4037 = Fontes IV 64 Nr. 14 mit Literatur, dazu noch H. GRASSL, Nori-

    cum im Brgerkrieg des Jahres 196/197 n. Chr. Rmisches sterreich 2, 1975, 7-10 undALFLDY, Religion Roms, 376 Anm. 102. Die ltere Ansicht, dass der Dedikant, des-sen Name eradiert wurde, C. Fulvius Plautianus sei, ist sicher unzutreffend, da Plautian,

    der schon ab 197 Prtorianerprfekt war, zwischen 197 und 202 mit den ornamenta con-sulariaausgezeichnet wurde und im Jahre 203 bereits zum consulIIaufstieg, im Jahre197 kein Tribun einer Prtorianerkohorte gewesen sein kann; siehe zu seiner Laufbahn A.STEIN, PIR2F 554; M. CORBIER, in: Epigrafia e ordine senatorio II, Roma 1982, 722.

    81. CIL XIV 3555 = ILS 3401 = Inscr. It. IV 1, 60. Vgl. WISSOWA, Religion 273;LATTE, Religionsgeschichte 102.

    82. CIL III 3228 cf. p. 2328 = ILS 546 = J. BRUNMID, VAHD 9, 1906/7, 104Nr. 222 = J. AEL, Situla 4, 1961, 13-14 = Opera selecta (Anm. 50), 370-371 = M.MIRKOVI, a.a.O. (Anm. 50), 65 Nr. 733 = Fontes V 123 Nr. 31, mit weiterer Literatur.Am Ende des Textes steht nicht [somno mon]ituswie nach dem CIL, sondern [praepo]-

    situs, siehe J. BRUNMID, a.a.O., dem die spteren Autoren folgen; das Foto bei AELzeigt, dass diese Lesung hieb- und stichfest ist.

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    mus Maximus Monitor gewidmet hat.82Der sonst nirgends bezeugte, nochnie erklrte BeinameMonitordes obersten Staatsgottes ist kaum so zu deu-

    ten, dass der Gott ein Erinnerer oder ein Mahner des Dedikanten war,der ihn zur Widmung der Inschrift angetrieben hat, da der Offizier fr dieSetzung eines Juppiter-Altars whrend eines Krieges am Standort seinerTruppe kaum einen besonderen gttlichen Wink etwa durch einen Traumbrauchte, sondern vielmehr so, dass Juppiter selbst, hnlich wie einmal derHeerfhrer Scaurus im Zweiten Punischen Krieg bei Silius Italicus, mitdiesem Wort als Fhrer des rmischen Heeres verherrlicht wurde.83

    Im 3. Jahrhundert erscheinen in Pannonien auch andere populre r-mische Gtter als Garanten des Sieges der Armeen. Bei Hercules, der

    vielfach im 3. Jahrhundert in den Donauprovinzen, aber auch in Numi-dien hufiger als sonst mit dem BeinamenInvictusgefeiert wurde, kanndas kaum berraschen.84Auffllig ist das jedoch im Falle des Volcanus,an dessen Feiertag, am 23. August, im Jahre 214, in der pannonischenIntercisa von der dort stationierten cohors I milliaria Hemesenorum derwiederhergestellte Tempel ihres hemesanischen Schutzgottes Deus Patri-us Sol Elagabalus eingeweiht wurde, und zwar mit einer Widmung nichtnur fr diesalus, sondern auch fr die victoriades Kaisers Caracalla.85Gemeint war sein Sieg im Feldzug gegen die Alamannen ein Jahr zu-vor, an dem die hemesanische Kohorte zusammen mit anderen panno-

    nischen Militreinheiten zweifellos teilgenommen hat.86Da der Tag derDedikation in der Inschrift ausdrcklich erwhnt wird, das fast immereinen nachweisbaren besonderen Grund hat, mssen wir annehmen, dassVolcanus hier von der Truppe als Sieg bringender Gott verehrt wurde.Sonst galt er freilich als Gott der Feuer und war als solcher vor allemim Kreis von Schmieden, aber auch bei anderen arbeitenden Menschen

    populr.87Es ist wohl nicht abwegig, dass er in den Augen der Soldaten als

    83. Sil. Ital. 8, 370. Zu der Stelle vgl. W. KISSEL, Das Geschichtsbild des SiliusItalicus (Studien zur klassischen Philologie 2), Heidelberg 1979, 91.84. Zum Kult des Hercules im 3. Jahrhundert vgl. M. JACZYNOWSKA, Le

    culte dHeracle romain au temps du Haut-Empire. ANRW II 17, 2, Berlin NewYork 1981, 658-661 (ohne eine erschpfende Behandlung des Themas). Vgl. nochunten mit Anm. 168.

    85. RIU 1139 = Fontes IV 98 Nr. 56.86. Zur Teilname der pannonischen Truppen am Alamannenkrieg Caracallas siehe

    jetzt ZS. MRV K. OTTOMNYI, Specimina Nova 18, 2004, 49-98 (AE 2004,1143) und DIES., Acta Arch. Hung. 56, 2005, 177-212 (AE 2005, 1264).

    87. WISSOWA, Religion 229-232. Zum Kult des Volcanus vgl. noch LATTE,Religionsgeschichte 129-131.

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    er hufig auch auf den Mnzen der Kaiser erscheint.91Mars Gradivus wirdaber in der frheren Kaiserzeit einzig und allein in einer Inschrift aus Tus-

    culum erwhnt.92Demgegenber ist der Kult in der spteren Kaiserzeit,vor allem im 3. Jahrhundert, reichlich dokumentiert. Eine Inschrift im ita-lischen Forum Clodii aus dem Jahre 228 nennt einen rmischen Ritter, derPriester des Mars Gradivus war.93In Numidien sind als Anhnger seinesKultes Provinzstatthalter, die zugleich Kommandeure der legio III Augus-tawaren, so ein aus Dalmatien stammender Senator im Jahre 16994undein ritterlichen Statthalter in Jahre 284,95auerdem ein Untergebener einesPrfekten der genannten Legion in der Severerzeit oder unter MaximinusThrax bezeugt.96In Hispanien widmete dem Mars Gradivus ein kaiserli-

    cher Prokurator unter Septimius Severus eine Inschrift.

    97

    In Aventicum inder Germania superior findet sich ein Zeugnis fr den Kult, das an dieWende von 2. zum 3. Jahrhundert datiert wird.98In Dakien ehrten den GottHilfstruppen, so einmal schon um 160, das andere Mal unter Gordian III.99

    91. ber den Kult des Mars in der Kaiserzeit vgl. J. H. CROON, Die Ideologie desMarskultes unter dem Prinzipat und ihre Vorgeschichte. ANRW II 17, 1, Berlin NewYork 1981, 246-275, fr das 3. Jahrhundert nur mit einem kurzen Hinweis auf seine Nen-nung auf den Kaisermnzen ebd. ebd. 271. Zur starken Verbreitung des Marskultes bei denDonauarmeen siehe die Literatur bei ALFLDY, Religion Roms 377 Anm. 105.

    92. CIL XIV 2580 (2581) = ILS 3152 (CIL XIV 2582 ist dieselbe Inschrift). Zu die-sem epigraphischen Dokument siehe ausfhrlich A. PASQUALINI, Riflessioni su alcunisacerdozi tuscolani (a proposito diC.I.L. XIV 2580), in: G. PACI (Ed.), EIAAI.Miscellanea epigraphica in onore di Lidio Gasperini I-II (Ichnia. Universit degli Studidi Macerata, Collana del Dipartimento delle Scienze Storiche dellAntichit 5), Tivoli2000, II 695-710, wo die Inschrift aufgrund der Palographie in die ersten Hlfte des 2.Jahrhunderts datiert wird; m. E. gehrt sie nach der Schriftform eher in das 1. Jahrhundert.

    93. AE 1979, 216. Siehe zu dieser Inschrift ausfhrlich L. GASPERINI, a.a.O. (Anm.90), 439-458.

    94. CIL VIII 2581 = ILS 4881 = CLE 1527. Zu diesem Senator siehe bes. B. E.THOMASSON, Fasti Africani. Senatorische und ritterliche Amtstrger in den rmi-

    schen Provinzen Nordafrikas von Augustus bis Diokletian (Acta Instituti Romani RegniSueciae, Ser. in 4a, LIII), Stockholm 1996, 156-158, zu seiner Herkunft aus Risiniumin Dalmatien bes. G. ALFLDY, Senatoren in der rmischen Provinz Dalmatia. Epigr.Studien 5, 1968, 124-125.

    95. AE 1919, 27. Siehe zu diesem Ritter B. E. THOMASSON, a.a.O. (Anm. 94),192-194 mit der Auflistung der zahlreichen Weihinschriften des Statthalters mit folgen-dem Kommentar (S. 194): Eine so energische Verehrung von Kriegs- und Schutzgt-tern spiegelt deutlich die Unruhen dieser letzten Zeit des Prinzipats.

    96. CIL VIII 17625 = ILS 2399.97. AE 1911, 4 = ILS 9240.98. AE 1991, 1255.99. CIL III 1819 = 7854 = IDR III 3, 198.

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    Auerdem kennen wir aus Sarmizegetusa eine Inschrift, die wahrschein-lich unter Caracalla von Opferhandlungen fr Iuppiter Optimus Maximus,

    Iuno Regina, Minerva, Mars Gradivus und die Salus des rmischen Volkesberichtet, welche anscheinend vom dakischen Provinziallandtag unter demVorsitz seines Oberpriesters durchgefhrt wurden.100Von der Insel Kos istdie Widmungsinschrift eines Statthalters der Provincia Insularum aus derZeit Diokletians bekannt.101Besonderes Interesse verdient schlielich einAltar aus Aquileia mit der InschriftMarti Gradiv(o) T. rius Celadus sa-crum restituit.102Die Form der sehr regelmig gemeielten Buchstabendieser Inschrift entspricht in allein Einzelheiten genauestens derjenigen aufder Basis einer Statue Neptuns, die im Jahre 250 die Stadtgemeinde Aqui-

    leias auf Befehl des Kaisers Decius wiederhergestellt hat.

    103

    Die beidenInschriften wurden allem Anschein nach von demselben Steinmetzen an-gefertigt. Da Decius in einer Inschrift aus Cosa ausdrcklich als restitutorsacrorum verherrlicht wird,104kann kein Zweifel bestehen, dass auch dieAquileienser Inschrift des Mars Gradivus in die gleiche Zeit gehrt, da dassacrum,d. h. der Altar des Mars Gradivus als heiliger Gegenstand, offen-sichtlich im Rahmen des Programms von Decius restauriert wurde, das aufdie Erneuerung der alten rmischen Kulte zielte.105Aus den aufgelistetenBelegen fr den Kult des Mars Gradivus geht hervor, dass dieser Kult inder zweiten Hlfte des 2. und vor allem whrend des 3. Jahrhunderts von

    Angehrigen der Reichsaristokratie, von den Soldaten und anscheinendauch von Provinziallandtagen vor allem in Illyricum zum neuen Lebengeweckt wurde und dass seine Erneuerung unter dem pannonischen KaiserDecius als Teil des religionspolitischen Regierungsprogramms galt.

    Unter den in Illyricum in der spteren Kaiserzeit auftauchenden altr-mischen Gottheiten sei noch Pales genannt, dem in der obermsischen Ko-lonie Ratiaria ein Dekurio eine Inschrift gewidmet hat. Dass er von diesemGott nicht viel wusste, ist daran zu erkennen, dass er wie schon Varro anscheinend nicht sicher war, ob Pales eine weibliche Gottheit sei, wie nach

    100. IDR III 2, 241.101. AE 1947, 57. Vgl. PLRE I Gennadius 2.102. CIL V 8236 = ILS 3153 = InscrAq 281.103. InscrAq 326 mit dem Text Signum dei Neptuni iussu Imp(eratoris) Caes(aris)

    [[C(ai) Messi Q(uinti) Traiani Deci]] P(ii) F(elicis) Aug(usti) pont(ificis) max(imi)tr(ibunicia) pot(estate) III co(n)s(ulis) II proco(n)s(ulis) p(atris) p(atriae) res publica Aqui-leiensium restituit. Zur richtigen Lesung und zur Deutung dieser Inschrift siehe G. ALFL-DY, Rmische Statuen in Venetia et Histria. Epigraphische Studien (Abh. d. HeidelbergerAkad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl., Jg. 1994, 3. Abh.), Heidelberg 1984, 46. 72. 92 Nr. 63.

    104. AE 1973, 235.105. Siehe dazu unten mit Anm. 144.

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    den Dichtern der augusteischen Zeit, oder ein Gott mnnlichen Geschlechtes,wie nach einigen anderen Autoren, die ber diese Gottheit in der Spten Kai-

    serzeit spekulierten,106 aber auch nach einer Inschrift aus der Gegend vonMediolanium.107Es ist aufschlussreich, dass die Inschrift aus Ratiaria nebendieser Widmung das einzige epigraphische Dokument fr den Kult von Palesaus dem ganzen Imperium Romanum ist, obwohl das Fest der Gottheit, dieParilia, ursprnglich Palilia, als Roms Geburtstag allgemein gefeiert wurde.

    Betont werden soll hier, dass wir aus Illyricum auch eine Reihe von Bele-gen dafr besitzen, dass dort im 3. Jahrhundert alte rmische Gtterfeste eif-rig begangen wurden.108Das gilt schon fr das Fest am Grndungstag Romsam 21. April. Verschiedene viciauf dem Territorium von Aquincum stifteten

    im Jahre 247 einen Altar fr die Terra Mater offenbar an diesem Tag, an demdas tausendjhrige Jubilum von Rom gefeiert wurde; der fertiggestellte Al-tar wurde einige Monate spter eingeweiht.109Im dalmatinischen Bergbau-zentrum ipovo wurde dieser Feiertag unter den severischen Kaisern und inden nachfolgenden Jahrzehnten als Fest der Terra Mater offenbar regelmig

    begangen. Ein Altar aus dieser Serie weist als Datum den 21. April 248 auf,das vielleicht nicht nur als eine de regelmigen jhrlichen Dedikationenzu erklren ist, sondern so, dass der Altar am 21. April 247 gelobt und amEnde eines einjhrigen Festzyklus eingeweiht wurde.110Die Terra Mater galtals Personifikation der aurea aetasder Frhzeit und wurde als solche auch

    106. AE 1913, 186 = ILS 9513. Im Text wird offen gelassen, ob Pali sanct(o)odersanct(ae) pastoralizu verstanden sei. Zur Ambiguitt des Geschlechtes von Pales sieheWISSOWA, Religion 200.

    107. AE 1974, 349.108. Vgl. hierzu ALFLDY, Religion Roms 378-379. Inzwischen hat sich die Zahl

    der Belege fr diese Feste weiter vermehrt.109. ZS. MRV K. OTTOMNYI, Specimina Nova 19, 2005, 71-119, bes. 76-78

    (AE 2005, 1265).110. ILIug 778-781. In ipovo habe ich vor einem halben Jahrhundert die in mehreren

    Quellen erwhnte Stadt Splonum lokalisiert, siehe G. ALFLDY, Splaunon Splonum. Acta

    Ant. Hung. 10, 1962, 3-12 und Splonum. RE Suppl. XI, 1968, 1250-1253. Das ist trotz des Wi-derspruches von J. J. WILKES, Splaunon Splonum again. Acta Ant. Hung. 13, 1965, 111-125nach wie vor sehr plausibel; siehe zum heutigen Stand der Diskussion S. LOMA, Zur Frage desMunizipiums S. und seines Namens, in: Mlanges dhistoire et dpigraphie offerts FanoulaPapazoglou par ses lves loccasion de son quatre-vingtime anniversaire, Beograd 1997,193-212. Sie stellt allerdings die Frage, wie die Erwhnung eines aus Splonum stammendenMannes alsDelmatain der Inschrift CIL III 1322 = AE 1968, 443 = IDR III 3, 345 mit derTatsache zu vereinbaren sei, dass ipovo nicht im Siedlungsgebiet der Delmatae,sondern imGebiet der Sardeateslag. Die Antwort ist einfach: In der Inschrift steht die HerkunftsangabeDelmata princ(eps) adsignato (!) ex m(unicipio) Splono; derprincepsder civitas der Delmataewar kein gebrtigerDelmata, sondern wurde dieser Civitas aus Splonum zugeteilt, d. h. erwurde aus der Stadt im Nachbargebiet der Delmaten in deren Civitasaufgenommen.

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    von Augustus als Gttin seiner neuen aurea aetasherausgestellt;111ihre be-sondere Verehrung am Geburtstag Roms im 3. Jahrhundert unterstreicht die

    Rckbesinnung auf Roms lteste Traditionen.Aus dem 3. Jahrhundert gibt es in Illyricum auch fr die Abhaltung von

    Feiern an anderen religisen Festtagen eine Reihe von Zeugnissen. Ummit Juppiter zu beginnen: Im Jahre 210 setzte in Brigetio ein Centurio derlegio I adiutrixunter Mitwirkung des Statthalters von Oberpannonien demJuppiter seinen Altar112 ebenso wie noch im Jahre 303 der Tribun einerbatavischen Hilfstruppe113am 15. Oktober, der, wie alle Iden, ein FeiertagJuppiters war.114Ein weiterer Juppiteraltar in Pannonien wurde im Jahre256 an den Iden des Monats Mai dediziert.115In der Severerzeit stiftete in

    Siscia ein stdtischer Magistrat einen Hercules-Altar am 13. August, amTag der Grndung des Tempels des Hercules Invictus bei der Porta Trige-mina in Rom.116Von der Siegesfeier der Garnisonstruppe von Intercisa amTag der Volcanalia am 23. August 214 war schon oben die Rede.117DieDedikation eines Altars fr einen Genius fr das Heil des Kaisers Elagabalin Carnuntum im Jahre 219 am gleichen Tag war die Erfllung des Votumseines ritterlichen Offiziers pannonischer Abstammung, der hierfr wohlwiederum nicht zufllig den Tag der Volcanalia whlte118Die Errichtung

    111. Zum Kult der Gttin siehe T. GESZTELYI, Tellus Terra Mater in der Zeit des

    Prinzipats. ANRW II 17, 1, Berlin New York 1981, 429-456; zu den oben genanntenIdeen ber die Gttin ebd. 442-444, zu den Inschriften aus ipovo ebd. 445. Siehe auchZS. MRV K. OTTOMNYI, a.a.O. (Anm. 109), 77.

    112. AE 1944, 102 = RIU 663 = Fontes IV 85-86 Nr. 39. Die Inschrift wurde offenbaraus Brigetio nach Krnye verschleppt wie die meisten dort gefundenen Inschriften. Zu denIden alsferiae Iovissiehe WISSOWA, Religion 114.

    113. CIL III 10981 = RIU 699.114. Nicht zufllig setzten die Beneficiarier, die ihre Station hufig an den Iden verschie-

    dener Monate wechselten, ihre aus diesem Anlass dedizierten Altre in mehreren Provinzen,auch in Pannonien (AIJ 232), dem obersten Staatsgott eventuell in Verbindung mit anderenGottheiten, siehe dazu die Liste bei E. SCHALLMAYER K. EIBL J. OTT G. PREUSS

    E. WITTKOPF, Der rmische Weihebezirk von Osterburken I. Corpus der griechischenund lateinischen Beneficiarier-Inschriften des Rmischen Reiches (Forschungen und Berich-te zur Vor- und Frhgeschichte in Baden-Wrttemberg 40), Stuttgart 1990, 801-804.

    115. CIL III 10889 = RIU 949.116. CIL III 10836 = AIJ 528. Vgl. ALFLDY, Religion Roms 378.117. Siehe oben mit Anm. 85.118. AE 1968, 422, vgl. AE 1983, 766 und AE 1992, 1431. Der Streit zwischen H.-G.

    KOLBEund mir ber die Ergnzung des Gentilnamens des Ritters hat sich dank einesNeufundes aus Savaria (AE 1995, 1240 = TRH 3) definitiv zu meinen Gunsten entschie-den; siehe die Bibliographie bei . SZAB, a.a.O. (Anm. 75), 77-79 Nr. P 58 und bei G.KREMER, in: F. HUMER G. KREMER(Eds.), Gtterbilder Menschenbilder. Religi-on und Kulte in Carnuntum, Wien 2011, 332-333 Nr. 540.

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    eines Votivdenkmals durch einen Soldaten in Carnuntum anlsslich eineslustrum primi pili im Jahre 202 und die Einweihung der scholader spe-

    culatores der beiden niederpannonischen Legionen I adiutrixund II adi-utrixin Aquincum im Jahre 228 erfolgten gewiss ebenfalls nicht zuflligam alten Feiertag von Fides am 1. Oktober.119Dieser Feiertag muss frdie Soldaten eine besondere Bedeutung gehabt haben, im Einklang mit derununterbrochenen Berufung der Mnzpropaganda des 3. Jahrhunderts aufdiefidesder Militrs.120Hier sei erwhnt, dass uns aus Aquincum auch eindem Juppiter und der Fides von Veteranen dedizierter Altar bekannt ist,121das neben zwei frhen Inschriften aus Lavinium und Barcino122das einzi-ge epigraphische Zeugnis fr den Kult der Fides ist. In Aquincum wurde

    im Jahre 214 fr ein Votum fr Nemesis von den beiden Obermagistratender Stadt der alte Feiertag der Fors Fortuna am 24. Juni gewhlt,123der imNemeseum des Amphitheaters der Zivilstadt von der Stadtgemeinde allemAnschein nach jedes Jahr begangen wurde.124Eine Widmung an die glei-che Gttin ebenfalls von den Obermagistraten der Kolonie am 27. Juni259 spricht dafr, dass an diesem Tag ein dreitgiger Festzyklus zu Endeging.125Am 1. Februar 238 weihten in Virunum die summi curatoresvonzwei norischen Hilfstruppen einen Altar der Victoria Augusta.126Der An-lass war anscheinend ein Sieg ber die Sarmaten, auf den sich im Jahre237 die sechste und siebte sowie Anfang 238 die achte imperatorische Ak-

    klamation des Maximinus Thrax bezogen.127Dieser Tag war aber zugleichder Feiertag der Iuno Sospita, die als Kriegsgttin galt,128womit das Sie-gesfest einen besonderen religisen Bezug erhielt. In Inschriften erscheintIuno Sospita nur in Italien, hauptschlich in Lanuvium, das die Heimat

    119. CIL III 3524 = ILS 2375 = Fontes IV 118-110 Nr. 78 = TitAq 9.120. Vgl. dazu etwa die Liste der verschiedenen Beinamen vonfidesauf den Mnzen

    bei A. ALFLDI, Weltkrise 456-457.121. CIL III 14342, 1 = TitAq 169. Die richtige Auflsung der 3. Zeile ist m. E.

    vet(erani) i(nfra) s(cripti), der Altar stand demnach auf einem greren Sockel, auf demdie Veteranen aufgelistet wurden. Zur Tradition derfides militumsiehe die Literatur beiALFLDY, Religion Roms 379 Anm. 110.

    122. CIL XIV 3077 = EE IX 585 und CIL II 4497 = ILS 3777 = IRCat 11.123. CIL III 10439 = ILS 3741 = Fontes IV 98-99 Nr. 56 = TitAq 267.124. Anscheinend am gleichen Tag wurde in einem unbekannten Jahr auch die In-

    schrift TitAq 269 dediziert.125. CIL III 10440 = TitAq 268.126. CIL III 4812 = ILS 2525 mit add. = AE 1974, 500 (mit falscher Fundortsangabe).127. Vgl. dazu P. KOVCS, Fontes V 146. An den Kriegen des Maximinus im Kar-

    patenbecken nahmen offensichtlich auch norische Truppen teil.128. WISSOWA, Religion 188-189.

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    der spter zur Staatsgottheit erhobenen Gttin war. Im Jahre 241 dedizier-te in Ulcisia castra bei Aquincum der Fahnentrger der dort stationierten

    Kohorte dem Genius seiner Centuria und Epona am 1. Juni einen Altar.129Dieser Tag war der Grndungstag des Tempels des Kriegsgottes Mars an dePorta Capena in Rom, der als Feiertag des Gottes auch anderswo begangenwurde;130unter anderem widmete in Rom am gleichen Tag ein Prtorianerein Monument ebenso dem Genius seiner Centuria wie der Dedikant inPannonien.131 Vermutlich mit diesem Marsfest steht in Verbindung auchdie Widmung eines Altars an die Victoria des Septimius Severus und Ca-racallas sowie der legio I adiutrixin Brigetio, den dort am 9. Juni 207 einPrimus Pilus errichten lie, dessen Aufstellung aber der Statthalter der Pro-

    vinz Pannonia superior und der Kommandeur der Legion vornahmen.

    132

    Wir knnten annehmen, dass die Aufstellung des Monuments am 1. Juni,seine feierliche Einweihung jedoch erst einige Tage spter vielleicht amletzten Tag einer mehrtgigen Siegesfeier erfolgt ist, als auch der ausCarnuntum angereiste Statthalter anwesend sein konnte.

    Es ist nicht zu bezweifeln, dass die wichtigsten Feiertage des rmischenFestkalenders in Illyricum nicht erst im 3. Jahrhundert, sondern auch schonfrher wahrgenommen wurden. Aus frheren Zeiten gibt es hierfr aller-dings kaum Belege. Nur im Kult des obersten Staatsgottes auf dem Pfaf-fenberg bei Carnuntum und auf dem Gellrtberg bei Aquincum in Budapest

    erkennen wird dank der dort gefundenen Inschriften eine lange Kontinuitt.Auf dem Pfaffenberg zeigt sich mit der Widmung von Altren an IuppiterOptimus Maximus, gelegentlich mit dem BeinamenKarnuntinus, die vonden magistri montisoder von den cives Romani consistentesCarnuntiodervon Veteranen jeweils am 11. Juni, wohl alljhrlich, gestiftet wurden, eineDedikationspraxis, die nach Ausweis der frhesten und der sptesten unsbekannten Inschrift zumindest von 159 bis 319 reichte.133hnlich verhltes sich bei den Altren des Iuppiter Optimus Maximus Teutanus aus demHeiligtum auf dem Gellrtberg, die jeweils am 11. Juni die Obermagistrate

    der Stadt Aquincum zweifellos alljhrlich (z. B. hintereinander in den Jah-ren 250, 251 und 252) aufstellen lieen; hier reicht die Serie der erhaltenen

    129. Siehe demnchst G. ALFLDY P. KOVCS, CIL III2/4, Pannonia inferior (inVorbereitung) mit verbesserter Lesung von RIU 869.

    130. Siehe dazu die Belege bei P. HERZ, Untersuchungen zum Festkalender der rmi-schen Kaiserzeit nach datierten Weih- und Ehreninschriften, Diss. Mainz 1975, 218-219.

    131. CIL VI 213.132. CIL III 4364 = 11082 = RIU 249 = Fontes IV 83-84 Nr. 37.133. Siehe die musterhafte Edition von I. PISO, Das Heiligtum des Jupiter Optimus

    Maximus auf dem Pfaffenberg/Carnuntum. Die Inschriften, Wien 2003.

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    Altre von 178 bis 287/293.134Mglicherweise begann die regelmigeStiftung dieser Altre in beiden Heiligtmern im Jahre 106 anlsslich der

    Grndung der beiden Provinzen Pannonia superior und Pannonia inferiormit den Hauptstdten Carnuntum und Aquiuincum, wobei es den Anscheinhat, dass in dem in den genannten Heiligtmern gepflegten Juppiterkultauch keltische Vorstellungen fortlebten.135Die pltzliche Vermehrung derVota an die Staatsgtter im 3. Jahrhundert und die frher weder im Donau-und Balkanraum noch in den anderen Provinzen vorhandenen, aufflligenarchaisierenden Zge in diesen Kulten im Laufe des 3. Jahrhunderts lassensich jedoch nicht durch die Kontinuitt der einzelnen Kulte, sondern nur alsAnzeichen einer neuen religisen Entwicklung, mit Wiederbelebung alter

    religiser Traditionen erklren.Das Erscheinen von Salacia in Vindobona und in Sarmizegetusa in In-schriften aus der Zeit von Maximinus Thrax und Gallienus passt genau inden hier aufgezeigten Kontext und darf als eines der markanteste Zeug-nisse fr die Wiederaufnahme uralter, in der Kaiserzeit lngst vergessenerrmischer Gtterkulte in Illyricum whrend des 3. Jahrhunderts gelten.Auch die Inschrift aus Tragurium gehrt ungefhr in diese Zeit. Das Auf-tauchen der Gttin in Dakien in den Jahren 235-238 und in Pannonien imJahre 268 hngt jedenfalls offenbar mit dem in Illyricum hufigen Rckgriffauf die Traditionen der rmischen Religion zusammen. Diese Feststellung

    knnte auch fr die Widmung an Salacia in Tragurium gelten, denn aus fr-heren Epochen existieren in Dalmatien fr diesen Kult ebenso wenig Spu-ren wie auch anderswo. In Dalmatien war die Verehrung rmischer Gotthei-ten auch im 3. Jahrhundert jedenfalls besonders stark verbreitet; so warz. B. der Juppiterkult in keiner anderen Provinz des Reiches, nicht einmal in

    134. Siehe den Katalog von ZS. MRV E. TTH, in: .SZAB E. TTH(Hrsg.),Blcske. Rmische Inschriften und Funde, Budapest 2003, 103-128 und 158-164, dazunoch bes. ZS. MRV, ebd. 251-260, I. TTH, ebd. 377-384, E. TTH, ebd. 385-438.

    135. Welches Fest am 11. Juni in Pannonien gefeiert wurde und wann die beiden Se-rien von Dedikationen begannen, ist umstritten. Siehe dazu E. TTH, in: Blcske (Anm.134), 415-422. M. E. ist das plausibelste Datum, das fr die beiden Hauptstdte der Provin-zen Pannonia superior und Pannonia inferior die gleiche Bedeutung gehabt haben muss,die Zweiteilung der Provinz Pannonien im Jahre 106. Dieser Tag kann durchaus auchder Tag sein, an welchem auf dem Pfaffenberg sicher, auf dem Gellrtberg vermutlichebenfalls schon vorher bestehenden Heiligtum das erste Votum fr die damit begonneneInschriftenserie gelobt wurde. Siehe G. ALFLDY, Revidierte Inschriften aus der Gegenddes Plattensees. Specimina Nova 1990 (1992), 106-107 und Die illyrischen ProvinzenRoms: von der Vielfalt zu der Einheit, in: G. URSO (Ed.), DallAdriatico al Danubio.LIllirico nellet greca e romana. Atti del convegno internazionale Cividale del Friuli,25-27 settembre 2003 (I Convegni della Fondazione Niccol Canussio 3), Pisa 2004, 37.

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    Pannonien, in einem solchen Mae der populrste rmische Kult wi