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Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 1 von 66
Suchtforschung Suchtforschung als Ritualals Ritual
Alfred UhlAlfred Uhl
SucFoDokSucFoDokSuchtprSuchtprääventionsforschungventionsforschungund -dokumentationund -dokumentation
ANTON-PROKSCH-INSTITUT ANTON-PROKSCH-INSTITUT
K L I N I K U MK L I N I K U M
A K A D E M I EA K A D E M I E
F O R S C H U N GF O R S C H U N G
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 2 von 66
(1) Passt der Ausdruck „Ritual“ für
das, was ich kritisiere ?
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 3 von 66
Thema: Suchtforschung als Thema: Suchtforschung als RitualRitual
Balzritual(angeboren)
Zwangsritual(krankhaft)
Adrian Monk
Grußritual(sozialisiert)
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 4 von 66
Ritual (lat. für Ritus) = die für gewisse gottesdienstliche Zeremonien
vorgeschriebene Regel
mein Brockhaus - 1908mein Brockhaus - 1908
DevinoDevino
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 5 von 66
Mario ErdheimMario Erdheim - - Was ist ein Ritual?Was ist ein Ritual?
• bezeugen des Bezugs zu einer bestimmten Gemeinschaft
• etwas ritualisieren = so zu tun, als ob esdiesen Anlass schon lange gibt und er deshalb unbedingt durchgeführt werden muss
• … sollen den Glauben immer wieder bestärken, ohne, dass man darüber nachdenkt
• … beinhaltet eine gewisse Feierlichkeit• … zentral ist die Herstellung von Sinn
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 6 von 66
Meine Arbeitsdefinition vonMeine Arbeitsdefinition von Ritual? Ritual?
• mechanistischer, unreflektierter Ablauf,• spart Zeit– aber behindert Denken,• gibt Sicherheit– aber verschleiert Mehrdeutigkeit,• drückt Zugehörigkeit zu einer Gruppe aus und
wird von ihr erwartet.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 7 von 66
(2) Alltagserkenntnis vs.
wissenschaftliche Erkenntnis?
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 8 von 66
Formen eines inneren Modells der Wirklichkeit(bewusst oder intuitiv)
Behauptungen – Hypothesen – GlaubeErfahrungen – Beobachtung – Empirie
Nachdenken – Theorie – Logik
Wir verfügen über bewusste und unbewusste innere Kausalmodelle der Wirklichkeit, die es uns ermöglichen
intuitiv oder nachdenkend vorherzusagen welche Auswirkungen
Verhalten haben wird.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 9 von 66
Evidenzbasiertheit: Fokus auf Empirie ???
Glauben / Annahmen … dass Wissenschaft nicht nur Wissen schafft,
schon dass vieles an ihr auch auf Glauben beruht ...… ist nicht falsch, sondern unumgänglich.
(Kritz et al., 1990)
Kritz, J.; Lück, H. E.; Heidbrink, H. (1990): Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Leske, Opladen
Papst RatzingerPapst Ratzinger Galileo GalileiGalileo Galilei
Logik / Theoriewir beobachten jeden Tag,
dass sich die Sonne um die Erde dreht - um zu verstehen, dass das nicht so ist,
brauchen wir theoretisches Denken in Modellen
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 10 von 66
Entwicklung der Menschen
Vertrauen Zweifel Weisheit
Prä-Pubertät Pubertät Post-Pubertät
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 11 von 66
Entwicklung der Wissenschaft
Glauben in OffenbarungGlauben in Erkenntnis
Technikglauben
Skeptizismus Realismus
Prä-Moderne Moderne Postmoderne
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 12 von 66
Öffentliches Image der empirischen Forschung
Empirische Forschung wird oft in schizophrener Art so präsentiert, dass vorpositivistischer naiver Glaube in die
Gültigkeit publizierter wissenschaftlicher Ergebnisse genährt, das Odium eines positivistischen Geltungsanspruchs erzeugt und dabei auch noch mit post-positivistischem Realismus die Begrenztheit der Erkenntnismöglichkeiten anerkannt wird.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 13 von 66
(logischer) Positivismus ist tot
Karl PopperKarl Popper
Der logische Positivismus ist tot: Wer ist der Täter? Ich fürchte,
dass ich mich als Täter bekennen muss.
Popper, K. R. (1979): Ausgangspunkte. Hoffmann und Campe, Hamburg . Hoffmann und Campe, Hamburg
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 14 von 66
Wissenschaft – negativ
Brecht, B. (Brecht, B. (1948): ): Das Leben des Galilei, Suhrkamp,
Bert BrechtBert Brecht
das Höchste, was man erhoffen kann,
ein Geschlecht erfinderischer Zwerge, die für alles gemietet werden können.
Bert Brecht (1939)
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 15 von 66
Wissenschaft – positiv
Isaak NewtonIsaak Newton
Wir sind Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen. Wir können weiter sehen als unsere Ahnen und in dem Maß ist unser Wissen größer als das ihrige und doch wären wir nichts, würde uns die Summe ihres Wissens nicht
den Weg weisen!
Bernhard von Chartres (1080-1167)
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 16 von 66
Wissenschaft – positiv
Das Bild der Zwerge auf den Schultern von Riesen entspricht einem Ideal von dem wir uns immer weiter entfernen. Das Bild erfordert, dass die Zwerge auf die Schultern der Riesen klettern – also sich deren Wissen vollständig aneignen, um darauf aufbauen zu können. Für Zwerge, die durch den Wald laufen und bloß manchmal über die Schuhe
von Riesen stolpern, ist dieses Bild nicht zutreffend.
Eine Forschungsförderung allerdings, die primär Output orientiert ist und laufenden Erkenntnisgewinn sowie Austausch unter Wissenschaftlern nicht adäquat unterstützt
ermöglicht den Zwergen nicht die Schultern der Riesen zu erklimmen. Das Studium alleine reicht dazu aber sicherlich nicht aus – notwendig ist lebenslanges Dazulernen.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 17 von 66
hermeneutischer Prozess
Der hermeneutische Prozess enthält ein Paradoxon: Das, was verstanden werden soll, muss schon vorher irgendwie verstanden worden sein.
Ich bekomme bei IKEA 20%. Wieviel macht das in Euro ?
Ohne Erfahrung kann man ein Ultraschallbild von einem Embryo weder als solcher erkennen noch aus diesem Rückschlüsse ziehen. Unsinnige Fragen zeigen,
dass für weitere Erkenntnisschritte Vorwissen nötig ist.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 18 von 66
adäquates Forschungsverständnis
Puzzlelösen divergenter ZugangHermeneutische Spirale Versuch und Irrtum
Dialektik
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(3)absurde Beispiele
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Wirkung von AlkoholwerbungNichtbeachten der Validität
Messerschmidt Scharknarr
1. Kinder, die sich an Alkoholwerbung erinnern,konsumieren mehr Alkohol
2. „subjektive Erinnerung“ = „objektiver Kontakt“
3. Beweis: Werbung fördert Alkoholkonsum (?????)(Morgenstern et al., 2009)
Morgenstern et al. (2009): Jugendliche und Alkoholwerbung - Einfluss der Werbung auf Einstellung und Verhalten. IFT-Nord, Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung GmbH, Kiel ,
Ignorieren von „selektiver Wahrnehmung“&
Gleichsetzen von Unterschiedlichem
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 21 von 66
Stillen und Alkohol schlampige Analogien
Messerschmidt Scharknarr
1. Wenn Schwangere trinken ist das Kind gefährdet (FAS)
2. Daher: Alkohol beim Stillen muss auch ein Problem sein(Das Kind trinkt mit!)
3. „Wer Alkohol trinkt soll abpumpen“ (DHS, 1011)
DHS (1011) Alkohol weniger ist besser. http://www.aktionswoche-alkohol.de/hintergrund-alkohol/schwangerschaft.html Paulos, J. A. (1988): Innumeracy: Mathematical Illiteracy and its Consequences. Penguin, London
Unfähigkeit Plausibilität nachzurechnen„Zahlenblindheit“
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 22 von 66
Stillen und Alkohol
70kg Körpergewicht der Mutter 1,5% des Körpergewichts als Getränk
z.B. 1 Liter Bier (5 Vol.-% Alkohol) 1 : 50 Verdünnung
Bier : Blut ~ Muttermilch0,1 Vol.-%Alkohol in Blut (0,8 Promille)0,1 Vol.-%Alkohol in Muttermilch (0,8g / kg)
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 23 von 66
1 : 50 1 : 50
doppelte Verdünnung1 : 2500
Das Baby hat mit 0,0016 ‰ rund 5% des physiologischen Alkoholspiegels von 0,03 ‰
Uhl et al. (2009): Handbuch: Alkohol - Österreich: Zahlen, Daten, Fakten, Trends 2009. dritte überarbeitete und ergänzte Auflage. BMG, WienPfannhauser (2004): Alkohol: Freund oder Feind? Aspekte der Lebensmittelchemie, Vortrag am ÖGE - Symposium "Alkoholprävention"
am 19. September. Technische Universität Graz, Institut für Lebensmittelchemie und -technologie, Graz
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 24 von 66
Was bedeutet 0,8g Alkohol / Kilogramm?
1 x 3 x 6 Stunden: 7-8 x 3-5 x
6x 6x 6x
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 25 von 66
Ist trinken und Stillen gefährlich ?
Bildquelle: William Hogarth. Gin Lane. 1751. Engraving. The British Museum, London, UK.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 26 von 66
Jugend und Alkohol schlampige Analogien
Messerschmidt Scharknarr
Alkoholspiegel von 0,5 Promille kann tödlich sein (BZgA, 2011)
Alkoholabbau bei Kleinkindern erheblich langsamer (Feuerlein, 1979)
BZgA (2011): Alkohol kenn dein Limit. http://www.kenn-dein-limit.de/alkohol-beratung/haeufige-fragen/fragen-zu-alkohol/was-passiert-bei-wie-viel-promille
Feuerlein, W. (1979): Alkoholismus - Missbrauch und Abhängigkeit. 2. überarbeitetet und erweiterte Auflage. Thieme, Stuttgart
Keine Überprüfung der Behauptungen
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 27 von 66
Uhl et al. (2008): Alkohol und erhöhte Vulnerabilität in Kindheit und Jugend?. Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend Abteilung Jugendpolitik, Wien
Kinder sind verletzlicher
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relative Alkoholmenge(gleicher BAK)
vs.
absolute Alkoholmenge
Wer verträgt mehr Alkohol – Elefant oder Maus ?
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 29 von 66
9 Kinder zwischen 0 und 12 Jahren mit 5,5 ‰ und 12,5 ‰ kein einziger Todesfall 18 Monate alte Säuglings doppelte Abbaurate(Ragan et al., 1979)
Ragan et al. (1979): Ethanol Ingestion in Children. A Five-Year Review. The Journal of the American Medical Association, 242, 25, 2787-2788.
Behauptungen und Ergebnisse zu Mortalität und Alkoholabbau
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 30 von 66
Äquivalent von 16 Flaschen Bier
White et al. (2000)
White et al. (2000): Binge Pattern Ethanol Exposure in Adolescent and Adult Rats: Differentail Impact on Subsequent Responsiveness to Ethanol. Alcoholism: Clinical and Experimental Research, 24, 8, 1251-1256
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 31 von 66
7
erwachsene Ratten
7
adoleszente Rattennicht „Intent to Treat“
sondern
„Intent to Cheat“?
White et al. (2000)
White et al. (2000): Binge Pattern Ethanol Exposure in Adolescent and Adult Rats: Differentail Impact on Subsequent Responsiveness to Ethanol. Alcoholism: Clinical and Experimental Research, 24, 8, 1251-1256
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 32 von 66
Wenn man das Verhalten von Frauen und Kinder problematisiert
braucht man das nicht wirklich begründen !
Groucho Marx
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 33 von 66
wirtschaftliche Kosten durch Alkoholunglaubliche Milchmädchenrechnung
Messerschmidt Scharknarr
volkwirtschaftliche Kosten durch Alkohol in Deutschlandrund 24 Milliarden Euro (1% des BIP)
(besonders absurd: Hauptmann & Hübner, 2006 behaupten: Illegale Drogen kosten 13% des BIP)
Uhl, A. (2006): Darstellung und kritische Analyse von Kostenberechnungen im Bereich des Substanzmissbrauchs. Sucht, 52, 2, 121-132
Hauptmann & Hübner (2008): Soziale Kosten des Drogenmissbrauchs, Neue Juristische Monografien, Band 51. NWV Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien Graz
Unfähigkeit in Modellen zu denken und diese nachzuprüfen
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 34 von 66
Etwas anschaulicher zu den Etwas anschaulicher zu den volkswirtschaftlichen Kostenvolkswirtschaftlichen Kosten
Empfängnisverhütung
Flüchtlingspolitik
Alkohol
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 35 von 66
Spontanremission bei AlkoholabhängigkeitUnkenntnis der Regressionsartefakte
Messerschmidt Scharknarr
2/3 der Alkoholabhängigen remittieren innerhalb eines Jahres ohne Intervention
Bruijn et al. (2006): The three Year Course of Alcohol Use Disorders in the General Population: DSM-IV, ICD-10 and the Craving Withdrawal Model. Addiction, 101, 385-392
Klingemann & Carter Sobell (eds.) (2007): Promoting Self-Change from Addictive Behaviors. Springer, New York
Ein Hammer für die Therapieforschung
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 36 von 66
Regression in der Veränderungsmessung
Sir Francis Galton 1822 – 1911
In der Veränderungsmessung gibt es oft gravierende Scheinveränderungen !
Galton, F. (1886): Regression Towards Mediocrity in Hereditary Stature. The Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland, 15, 246-263
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 37 von 66
Bei einer Sensitivität und Spezifität von 90% ergibt sich ohne tatsächliche Veränderungen eine
artifizielle Spontanremission von 66%!
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 38 von 66
etc.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 39 von 66
(4)Problemfelder
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 40 von 66
Problem der Finanzierung
Finanzierung Profilierung als Experte Erkenntnisinteresse
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 41 von 66
Problem der Finanzierung
Musil, R. (1937): Über die Dummheit - (Lizenzausgabe 2004). Alexander Verlag, Berlin
ad Finanzierung:Forschungsergebnisse sind Produkte, die wie alle Güter verkauft werden müssen. Für Forscher ist es kein Hobby – sie müssen davon leben.
ad Experten:Experten sind häufig Menschen, die so oft Auskunft geben, dass sie keine Zeit mehr haben sich zu informieren. Es gibt eben kaum Experten, die, wenn sie in den Medien über ihnen unbekannte Sachverhalte befragt werden, ehrlich sagen: „Das weiß ich nicht!“ Musil spricht in diesem Zusammenhang von „höherer Dummheit“ (im Gegensatz zur „ehrlichen Dummheit“) – die sich Leistungen anmaßt, die ihr nicht zusteht.
ad Erkenntnisinteresse: Für die meisten Forscher ist echtes Erkenntnisinteresse wie eine wertvolle Perle – sie können es sich nicht leisten.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 42 von 66
Keine Forschungsfinanzierung sondern Projektfinanzierung
kontinuierliche Forschungsprogramme werden kaum finanziert.
(Exploration wird daher oft als Bestätigung präsentiert)
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 43 von 66
Erwartung - Expertentum
Freeman Dyson (2007): Many Colored Glass:, University of Virginia Press, 2007
Klaus Maria Brandauer als Mephisto
Die Öffentlichkeit hört am liebsten auf Forscher, die selbstsichere Antworten auf Fragen geben und selbstsicher Prognosen machen. … Daher tendieren Experten, die öffentlich über politisch sensible Fragen sprechen dazu weit eindeutiger zu sein als sie es eigentlich meinen.
Sie machen selbstsicher Prognosen übern die Zukunft und am Ende glauben sie ihre eigenen Prognosen. Die Vorhersagen werden zu Dogmen die nicht mehr hinterfragt werden.
Deswegen sind Häretiker nötig, die die Dogmen hinterfragen.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 44 von 66
Verhalten ist großteils unbewusst
Siegmund Freud)Burrhus Frederic Skinner )
Der Großteil unseres Verhaltens und unserer Emotionen erfolgen
unbewusst – und bauen auf etwas wie Intuition auf.
geschulte externe Beobachter
können die Motive oft eher klären als die Betreffenden
selbst.
Nisbett, RE; Wilson, TD. (1977): Telling More Than We Can Know: Verbal Reports on Mental Processes. Psychological Review, 84, 3, 231-259
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 45 von 66
Kommunikationsprobleme
Als erstes ist unwahrscheinlich, dass einer überhaupt versteht, was der andere meint, ... Sinn kann nur kontextgebunden verstanden werden, und als Kontext fungiert für jeden zunächst einmal das, was sein eigenes Gedächtnis bereitstellt.
ESPAD / WHO-Fragebögen / EU - Fragebögen
Luhmann, N. (2000): Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation. In: Pias, C.; Vogl, J.; Engell, L.; Fahle, O.; Neitzel, B.: Kursbuch Medienkultur. Die maßgeblichen Theorien von Brecht bis Baudrillard. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 46 von 66
Gestalt – Vergleich zweier Personen
• Mann• geschieden• drei Kinder• kein Maturaabschluss• hat Alkoholproblem• Beginn des problematischen Trinkens vor 10 Jahren• mehrere erfolglose Abstinenzversuche
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 47 von 66
Gestalt – Strukturerkennung
…, dass der erfahrene Autofahrer über viele «Superzeichen» verfügt: eine bestimmte Verkehrssituation ist für ihn kein Konglomerat einer Unzahl von Einzelmerkmalen,
die einzeln beachtet werden müssen, sondern eine «Gestalt», so wie das Gesicht eines Bekannten ...
Dörner, D. (2003): Die Logik des Misslingens Strategisches Denken in komplexen Situationen, erweiterte Neuausgabe. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 48 von 66
Gestalt – automatische Kausalinterpretation
Denken in Ursachenketten, ist genetisch vorprogrammiert.Riedl (1978/79)
Riedl, R. (1978/79): Über die Biologie des Ursachendenkens - ein evolutionistischer, systemkritischer Versuch. Mannheimer Forum, Boehringer
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 49 von 66
theoriefreier Empirismus
Hier sind meine Daten !Ich weiß noch nicht was sie
bedeuten.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 50 von 66
Bestätigungsbias – Rückschaubias
Wenn wir vergangene Ereignisse verstehen wollen, testen wir implizit die Hypothesen, die wir verwenden, um die Welt zu verstehen und
Ereignisse vorherzusagen. Rückblickend unterschätzen wir die Überraschungen, die uns die Vergangenheit gebracht hat, wir prüfen die Hypothesen mit sehr schwachen Tests und finden keine Gründe sie zu ändern. Das Ergebnis gibt uns das Gefühl die Vergangenheit zu verstehen und hindert uns daran irgendetwas darüber zu lernen.
Um uns gegen diesen Bias zu schützen müssen wir die psychologischen Prozesse verstehen, die diesen zugrundeliegen.
(Fischhoff, 1980 )
Fischhoff (1980): For Those Condemned to Study the Past: Reflections on Historical Judgment. New Directions for Methodology of Social and Behavioral Science, 4, 79-93
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 51 von 66
Bestätigungsbias – Rückschaubias
Üblicherweise gilt:Ganz gleich was uns an Unzusammenhängendem und Uninterpretierbarem angeboten wird,wir interpretieren es ad hoc in einer Art und Weise, die unser Weltbildstützt.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 52 von 66
naiver Empirismus vorherrschend
Kritz et al. (1990): Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Leske, Opladen
Jürgen KritzJürgen Kritz
… gerade Psychologen, in deren Wissenschaftsbereich die Abhängigkeit
kognitiver Leistungen wie Wahrnehmung und Gedächtnis von sozialen Bedingungen fällt, wenden erstaunlich wenig ihre Ergebnisse
auf den eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisprozess an, sondern sind in dem Glauben an die Objektivität ihrer Daten und
Ergebnisse gefangen.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 53 von 66
(5) Rituale
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 54 von 66
Gesundheitssektor und Wissenschaft Alkoholwirtschaft
Polarisierung, z.B. Alkoholpolitik
Konsumenten
Rothman, K. J. (1993): Conflict of Interest. The new McCarthyism in Science. JAMA, 269, 2782 - 2784
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 55 von 66
Ihre Ergebnisse sind 3 Jahre alt – das ist veraltet …
Mode oder Wissenschaft?
Aktualität
Wahrheit kann widerlegt werden – aber grundsätzlich nicht einfach veralten.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 56 von 66
• kaum jemand will darauf verzichten• jeder ist kreativ „Das müssen wir unbedingt fragen !“• kaum jemand fragt, was man damit beantworten will• viele betrachten die Daten als …
Routinedokumentationen
Golum in Herr der RingeGolum in Herr der Ringe
Schatz
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 57 von 66
Evalopathie ist die ans krankhafte grenzende Evaluiersucht, auch wo es nicht geht und
auch wo es nicht sinnvoll ist, mit untauglichen Mitteln und unsinnigen Zielen
(Uhl, 2000)
Evalopathie
Uhl (2000): Evaluation vs. Evalopathy: Support for Practical Improvement vs. Irrational Nuisance. Paper presented at the 3rd Nordic Health Promotion Research Conference, Tampere, 6-9 September, 2000. STAKES, Tampere
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 58 von 66
Schlagwort:„Evidenzbasiertheit“
Flamenco Museum Sevilla 2010Flamenco Museum Sevilla 2010
Ich kann das nicht mehr hören:Es wurde immer die –
nach Meinung des Interpretierenden – beste Evidenz verwendet.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 59 von 66
Potemkin Science – Zitieren ohne zu lesen
Katarina die Große und Fürst Potemkin
Simkin, M.V.; Roychowdhury V.P. (2003): Read before you cite!. Complex Systems, 14, 269-274Demmel, R. (2004): Potemkinsche Wissenschaft: Lesen Sie noch bevor sie zitieren?. Sucht, 50, 40, 224-225
Nur ca. 20% jener, die zitieren,
lesen das Original
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 60 von 66
• Reviewer werden nicht bezahlt• Reviewer Auswahl nicht objektiv und transparent• Zitate und Daten werden kaum geprüft• Entscheidungen sind zufällig bis willkürlich
(Junior Scientists müssen teilweise „2 Peer-Review“ Artikel pro Jahr schaffen – Publish or Perish)
* Experiment: 12 Artikel noch einmal eingereicht – 3 erkannt – 1 genommen* Experiment: 12 Artikel noch einmal eingereicht – 3 erkannt – 1 genommen* Experiment 68% erkannten nicht, dass Interpretation nicht mit Ergebnissen * Experiment 68% erkannten nicht, dass Interpretation nicht mit Ergebnissen zusammenpassten zusammenpassten
Fröhlich, G. (2002): Anonyme Kritik. Peer Review auf dem Prüfstand der empirisch-theoretischen Wissenschaftsforschung. In: Pipp. E. (Hrsg.): Drehscheibe E-Mitteleuropa. Information: Produzenten, Vermittler, Nutzer. Die gemeinsame Zukunft. Phoibos, Wien
Peer Reviewing
und Qualität
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 61 von 66
Methodismus
Fokus auf Bereich, der sich gut beherrschen lässt
(z.B. Statistik)und dabei wird vergessen worum es eigentlich geht.
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 62 von 66
inadäquater Umgang mit Signifikanzen
• Exploration wird als Hypothesenprüfen präsentiert.• unzählige Hypothesen ohne Alphaadjustierung.• insignifikante Ergebnisse werden nicht präsentiert.
Skulptur in Milano
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 63 von 66
Lakatos, I. (1978): Die Geschichte der Wissenschaft und ihre rationale Rekonstruktion. In: Diederich, W. (Hrsg.): Theorien der Wissenschaftsgeschichte - Beiträge zur diachronischen Wissenschaftstheorie. Suhrkamp, Frankfurt a.M.
Irmre LakatosIrmre Lakatos
… Wenn eine wissenschaftliche Schule zur Pseudowissenschaft degeneriert, dann mag es angebracht sein, eine
methodologische Debatte zu erzwingen …
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 64 von 66
Umdenken
• Zuerst sammeln, denken (Theorie) dann forschen(Abduktion – Induktion – Deduktion)
• divergente Hypothesen formulieren• Wechselspiel aus bestätigen und anzweifeln• Sozialpsychologie und Wahrnehmungspsychologie
beachten• systematisch Forschen (nicht unzusammenhängende
und widersprüchliche Einzelbefunde)
• Unmögliches nicht „pseudo“ lösen• Mut zur Kritik (Häresie)• Komplexität und Ökologie beachten
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 65 von 66
Umdenken
• ethische Fragen diskutieren• Annahmen explizieren• Unsicherheiten zugeben und aushalten• Quantitatives, nur wo sinnvoll und möglich• Methodismus hinterfragen• gesunde Mischung aus Intuition (Soft-Skills und Common Sense)
und kritisch methodischem Vorgehen• Für geänderte bessere Rahmenbedingungen kämpfen
(Think-Tanks, langfristig, ausreichend finanziert)
Alfred Uhl Alkohol & Ritual - Zürich, 30.9.2010 66 von 66
Danke für Ihre Aufmerksamkeit !