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Algebra Sommersemester 2011 Mario Schulz 12. September 2011 C *@ @ H @ Q H *@ @ LD @ H B *@ @ @ @ Q H /@ H H * D % D LD @ H

Algebra - iaz.uni- · PDF fileVorwort Dieses Skript entstand im Rahmen der Vorlesung Algebra bei Herrn Prof. Dr. Steffen König an der Universität Stuttgart. Der Autor übernimmt

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AlgebraSommersemester 2011

Mario Schulz

12. September 2011

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis 1

Vorwort 2

Organisation 3

1 Gruppen 4Klassifikation zyklischer Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Untergruppen zyklischer Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Gruppen mit Operationen auf Mengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2 Ringe 26Ideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Primelemente und faktorielle Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

3 Körper 39Lösungen einer polynomialen Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40Beispiele für Körpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

4 Körpererweiterungen und Galoistheorie 56Zerfällungskörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56Der Hauptsatz der Galoistheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

5 Anwendungen 73Konstruktion mit Zirkel und Lineal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73Unmöglichkeitsbeweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77Polynomiale Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Stichwortverzeichnis 90

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Vorwort

Dieses Skript entstand im Rahmen der Vorlesung Algebra bei Herrn Prof. Dr. SteffenKönig an der Universität Stuttgart. Der Autor übernimmt für Schäden jeglicher Art,die durch dieses Dokument entstehen können, keine Haftung. Insbesondere kann nichtgarantiert werden, dass die Inhalte fehlerfrei sind. Es handelt sich um eine Vorlesungs-mitschrift und nicht um ein offizielles Dokument der Universität, weswegen Mitarbeitereben dieser keine Verantwortung daran tragen.

Falls Sie Fragen haben oder Fehler finden, können Sie mir gerne eine Nachricht anfolgende E-Mailadresse zukommen lassen:

[email protected]

Mein besonderer Dank gilt folgenden Personen:• Nico Stein , Sebastian Krieg und Eric Wien

für besonders sorgfältiges Korrekturlesen sowie zahlreiche wertvolle Verbesserungs-vorschläge.• Jim Magiera

dessen Werk mich beim Design der LATEX-Skriptvorlage, auf deren Basis diesesSkript geschrieben ist, inspiriert hat.

Stuttgart, im September 2011 Mario Schulz

Anmerkung: Diese Version vom 12. September 2011 ist eine Rohfassung. Gelegentliche Aktualisie-rungen können Änderungen an allen Stellen des Skripts mit sich bringen.

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Organisation

Übungen

Übungen finden Mittwochs um 8.00 Uhr und um 11.30 Uhr statt. Die Scheinbedingungensind wie gewöhnlich 50% der schriftlichen und der zu votierenden Aufgaben.

Sprechstunden

König dienstags 10 Uhr – 11 Uhr 7.519Liu donnerstags 10 Uhr – 11 Uhr 7.561

Motivation Algebra: Lösen von Gleichungen

f(x) = anxn + an−1x

n−1 + . . .+ a1x+ a0

Gibt es für n ≥ 3 eine Lösungsformel? Im Allgemeinen nein. Wie sieht der Beweis aus?Geometrische Probleme mit Zirkel und Lineal:• Winkeldreiteilung? Im Allgemeinen nicht möglich. Der Beweis wird mithilfe alge-

braischer Gleichungen geführt.• Würfelverdopplung? Im Allgemeinen nicht möglich.

Im Rahmen dieser Vorlesung werden nacheinander folgende Strukturen betrachtet:

Gruppen −→ Ringe −→ Körper (−→ Anwendungen)

Die Algebra bildet die Grundlage für algebraische Zahlentheorie, algebraische Topologie,algebraische Geometrie, Lie-Theorie, Darstellungstheorie, Kristallographie bis hin zurmathematischen Physik.

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1 GRUPPEN

1 Gruppen

Definition 1.1 GruppeEine Gruppe (G, ∗) ist eine Menge G mit einer Abbildung

∗ : G×G→ G

(g1, g2) 7→ g1 ∗ g2

sodass gilt:(G1) Assoziativität ∀g1,g2,g3∈G g1 ∗ (g2 ∗ g3) = (g1 ∗ g2) ∗ g3

(G2) Neutrales Element ∃e∈G ∀g∈G e ∗ g = g = g ∗ e

(G3) Inverses Element ∀g∈G ∃h=g−1∈G g ∗ h = e = h ∗ g

Wenn der Kontext klar ist, wird das Symbol für die Verknüpfung mitunter wegge-lassen: g1g2 := g1 ∗ g2

Definition GruppenhomomorphismusSeien (G, ∗G) und (H, ∗H) Gruppen. Eine Abbildung ϕ : G → H heißt Gruppen-homomorphismus, wenn gilt:

∀g,g′∈G ϕ(g ∗G g′) = ϕ(g) ∗H ϕ(g′)

DefinitionEine Gruppe heißt• endliche Gruppe, wenn G eine endliche Menge ist,• abelsch (oder kommutative Gruppe), wenn g1 ∗ g2 = g2 ∗ g1 ∀g1,g2∈G

• zyklisch, wenn ∃g∈G : G = {gn : n ∈ Z}. Dabei sei gn :=

g ∗ . . . ∗ g , n > 0g0 = e , n = 0g−1 ∗ . . . ∗ g−1 , n < 0wobei jeweils n-fache Verknüpfungen gemeint sind.

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1 GRUPPEN

SatzDas Neutrale Element e ist eindeutig. Zu jedem Gruppenelement ist das Inverseeindeutig.

Beweis :Seien e und e′ neutrale Elemente. ⇒ e = e ∗ e′ = e′.Seien h, h′ invers zu g. ⇒ h = eh = h′gh = h′e = h′. �

Beispiel: verschiedene Gruppen

• Die Gruppe mit einem Element: G = {e} mit ee = e.• Die leere Menge bildet keine Gruppe, da kein neutrales Element vorhanden ist.• G = (Z,+) mit e = 0 und g−1 = −g ist eine zyklische Gruppe (betrachte g = 1).

(Z, ·) bildet dagegen keine Gruppe, da 0−1 nicht existiert.• Sei X eine Menge. S(X) := {f : X → X , f bijektiv} ist eine Gruppe mit der

Komposition als Verknüpfung: f ∗ g := g ◦ f , sowie der Identität als neutralesElement e = idX . Besonders interessant ist der endliche Fall X = {1, . . . , n}.Dann bezeichnet man S(X) =: Σn als symmetrische Gruppe der Permutationenvon n Elementen.• Sei V ein Vektorraum über dem Körper K. Wir betrachten:

G = GL(V ) := {f : V → V , f linear und invertierbar}

Für dim V = n ist V ' Kn und GL(V ) ' GLn, der Menge aller invertierbarenn×n -Matritzen mit Einträgen inK. Diese Gruppe wird allgemeine lineare Gruppegenannt.• Sei ein gleichseitiges Dreieck gegeben. Seine Symmetrien (Spiegelungen, Drehun-

gen) bilden die Gruppe Σ3. Auf diese Weise kommen wir von geometrischen Situa-tionen auf Gruppen. Die Symmetriegruppe eines Quadrats ist jedoch � Σ4.

Definition 1.2 UntergruppeSei (G, ∗) eine Gruppe. Eine Teilmenge H ⊂ G heißt Untergruppe von (G, ∗),wenn (H, ∗|H ) eine Gruppe ist, wobei mit ∗|H die Einschränkung der Abbildung ∗auf H ×H → H gemeint ist. Das bedeutet h1, h2 ∈ H ⇒ h1 ∗ h2 ∈ H. Ferner iste ∈ H sowie h−1

1 ∈ H.Schreibweise: H < G.

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1 GRUPPEN

Bemerkung: Die Untergruppenbildung ist transitiv: Aus A < B und B < Cfolgt sofort A < C.

LemmaSei G eine Gruppe und H ⊂ G eine Teilmenge. Dann gilt:

H < G ⇔ H 6= ∅ ∧ ∀a,b∈H : ab−1 ∈ H

Es ist häufig effizienter dieses Kriterium statt den Gruppenaxiomen nachzuprüfen.

Beweis :Siehe Aufgabenblatt 1, Votieraufgabe (3). �

Beispiel:Sei G = (Z,+). Für festes n ∈ N betrachte H = (nZ,+). Dann gilt g ∈ H ⇔ n|g.Sei darüberhinaus a ∈ Z. Division mit Rest ergibt: a = bn+ r mit 0 ≤ |r| < n. Fürr = 0 ist a ∈ nZ. Wie man sieht, zerfällt Z disjunkt in

Z = nZ ∪ nZ+ 1 ∪ nZ+ 2 ∪ . . . ∪ nZ+ (n− 1)

Dies motiviert die folgende Definition.

Definition 1.3 NebenklasseSei H < G 3 x. Die Menge xH := {x ∗ h : h ∈ H} heißt Linksnebenklasse von x.Entsprechend werden Rechtsnebenklassen Hx := {h ∗ x : h ∈ H} definiert.

Im Fall x ∈ H ist xH = {x ∗ h : h ∈ H} = H, da h = x−1h′ gewählt werden kann.Im Fall x /∈ H gibt es eine Bijektion xH 1:1←→ H mit xh 7→ h.Für x, y ∈ G gilt entweder xH = yH oder xH ∩ yH = ∅. Dann zerfällt G disjunkt in

G =⋃

gewissexi

xiH Partition von G

Beweis :Sei xH ∩ yH 6= ∅. Wir folgern xH = yH.

xH ∩ yH 3 z = xh1 = yh2 ⇒ x = y

∈H︷ ︸︸ ︷h2h

−11 ∈ yH

⇒ xH = (yh2h−11 )H ⊂ yH

Die umgekehrte Inklusion yH ⊂ xH folgt aus Symmetriegründen. �

Definiere alternativ die Äquivalenzrelation x∼H y ⇔ xH = yH. Dann bilden die Äqui-valenzklassen bekanntlich eine Partition von G.

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1 GRUPPEN

Beispiel:Sei G = Z und H = nZ. Dann gilt x ∼H y ⇔ x− y ∈ H ⇔ x = y mod n.Z/nZ bildet wieder eine Gruppe, da (Z,+) abelsch ist. Für a = a + nZ undb = b + nZ ist (a + b) = (a + b) + nZ. An dieser Stelle wird die Kommutativitätausgenutzt.

Im Allgemeinen bilden die Linksnebenklassen aber keine Gruppe. Für H < G bietetsich (xH) ∗ (yH) := (x ∗ y)H an, ist aber nicht wohldefiniert, denn im Allgemeinen giltfür unterschiedliche Repräsentanten

((xh1) ∗ (yh2)

)H 6= (x ∗ y)H. Das nächste Beispiel

illustriert das.Beispiel:Sei G = Σ3 und H = {id, (1 2)}. Wir verwenden die von links nach rechts zulesende Zykelschreibweise. Es muss 3 Linksnebenklassen geben:

H = idH(2 3)H = {(2 3), (2 3)(1 2) = (2 3 1) = (1 2 3)}(1 3)H = {(1 3), (1 3)(1 2) = (1 3 2)}

⇒ Σ3 = idH ∪ (2 3)H ∪ (1 3)H

Was ist (2 3)H ∗(1 3)H? Nimmt man statt (2 3) den Repräsentant (1 2 3) sieht man,dass veschiedene Ergebnisse herauskommen:

(2 3)(1 3) = (1 3 2) ∈ (1 3)H

6=

(1 2 3)(1 3) = (1 2) ∈ idH

Die Multiplikation ist also nicht wohldefiniert, weshalb die Nebenklassen im All-gemeinen keine Gruppe bilden.

Definition 1.4Sei G eine Gruppe und H eine Untergruppe. H heißt normale Untergruppe oderNormalteiler, wenn die Links- und Rechtsnebenklassen das Gleiche sind:

gH = Hg ∀g∈G Schreibweise: H �G

Eine äquivalente Bedingung ist: gH = Hg ⇔ gHg−1 = H ⇔ ghg−1 ∈ H ∀h∈H

Bemerkung: Vorsicht: Im Gegensatz zu der Untergruppenbildung ist die Nor-malteilereigenschaft nicht transitiv.

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1 GRUPPEN

Proposition 1.5

(a) Sei N � G ein Normalteiler und G/N := {gN : g ∈ G} die Menge der Linksne-benklassen. Diese Menge G/N heißt Faktorgruppe oder Quotientengruppe undist eine Gruppe mit (wohldefinierter) Multiplikation g1N ∗ g2N := (g1 ∗ g2)N .

(b) Sei ϕ : G→ G′ ein surjektiver Gruppenhomomorphismus.Dann ist H := ker(ϕ) := {g : ϕ(g) = eG′} ein Normalteiler von G und G′ ' G/H.

Falls G/H eine Gruppe ist, betrachte den surjektiven Gruppenhomomorphismus

ϕ : G→ G/H

g 7→ gH

und seinen Kern kerϕ = {g ∈ G : gH = eH = H} = H. Aus Aussage (b) folgt dannsofort H �G. Also ist G/H eine Gruppe ⇔ H �G.Beweis :(a) Es ist die Wohldefiniertheit von g1N ∗ g2N = (g1g2)N zu zeigen, also, dass bei

der Wahl anderer Repräsentanten das Gleiche heraus kommt.

zu zeigen: g1N = g′1N ∧ g2N = g′2N ⇒ (g1g2)N = (g′1g′2)N

Aufgrund der Partitionseigenschaft genügt es dazu g1g2 ∈ (g′1g′2)N nachzuweisen.

g1 ∈ g1N = g′1N ⇒ g1 = g′1n1 für ein n1 ∈ Ng2 ∈ g2N = g′2N ⇒ g2 = g′2n2 für ein n2 ∈ N

Ng′2 = g′2N ⇒ g1g2 = g′1n1g′2n2 = g′1g

′2n3n2 für ein n3 ∈ N

Assoziativität sowie die Existenz von Einselement und Inversen sind klar. Damitist G/H eine Gruppe.

(b) Offensichtlich ist H := ker(ϕ) ⊂ G eine Untergruppe. Für die Normalteilereigen-schaft bleibt ghg−1 ∈ H zu zeigen. Wendet man den Homomorphismus ϕ daraufan, ist sofort ersichtlich, dass ϕ(ghg−1) = ϕ(g)ϕ(h)︸ ︷︷ ︸

=e

ϕ(g−1) = e.

Um schließlich G′ ' G/H zu zeigen, betrachte das folgende Diagramm:

g ∈ G_

�� ��

ϕ // G′

gh ∈ G/Hψ

99rrrrrrrrrrr

ψ : G/H → G′

gH 7→ ϕ(g)

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1 GRUPPEN

Es stellt sich die Frage nach der Wohldefiniertheit von ψ. Dazu ist zu zeigen, dassgH = g′H

!⇒ ϕ(g) = ϕ(g′). Da g = g′h für ein h ∈ H gilt, folgt ϕ(g) = ϕ(g′h) =ϕ(g′)ϕ(h) = ϕ(g′).Die Abbildung ψ ist injektiv, denn ψ(gH)︸ ︷︷ ︸

ϕ(g)

= e ⇒ g ∈ kerϕ = H.

Sei x ∈ G′. Da ϕ surjektiv ist, folgt zudem wegen ∃g∈G

ψ(gH)︷ ︸︸ ︷ϕ(g) = x, dass ψ surjektiv

und damit bijektiv ist. Für x ∈ G′ ergibt sich aus x = ϕ(g) = ψ(gH) die zu ψinverse Abbildung ψ−1 : x 7→ gH. Also ist G/H ' G′.Notiz: ψ ist nur dann surjektiv, wenn ϕ es ist.

Beispiel: Normalteiler

• Jede Untergruppe H < G einer abelschen Gruppe G ist ein Normalteiler H � G.Ein Beispiel ist nZ < Z.• Gibt es zu G ⊃ H genau zwei Nebenklassen, folgt mit eH = H für g, g′ ∈ G \H:

G = H ∪ gH = H ∪ Hg′ ⇒ gH = Hg′ = Hg

Diese Situation liegt im Fall |G| <∞ und |H| = |G|2 vor. Dann gilt: |H| = |gH|.

• G = Σ3 hat |G| = 3! = 6 Elemente. Sei H := {id, (1 2 3), (1 3 2)}. Dabei bedeutet(1 2 3), dass 1 7→ 2 , 2 7→ 3 , 3 7→ 1. Dann ist ordH = |H| = 3 und verbraucht dieHälfte der Elemente. |G||H| = 2 ⇒ H �G.

Ferner wird H erzeugt durch H = {g, g2, g3 = id} für g = (1 2 3). Also ist H einezyklische Gruppe.• Z/3Z ist auch zyklisch mit Ordnung 3 = |H|. Daher

stellt sich die Frage, ob diese beiden Gruppen isomorphsind. Betrachte dazu die Erzeuger und nebenstehendenGruppenhomomorphismus.

Z/3Z→ H

0 7→ id = g3

1 7→ g

1 + 1 = 2 7→ g2

Es gibt also bis auf Isomorphie anscheinend gar nicht so viele zyklische Gruppen. Imnächsten Abschnitt wird das genauer untersucht.

Klassifikation zyklischer Gruppen

Eine allgemeine zyklische Gruppe G = {gn : n ∈ Z} ist wegen gn · g` = g`+n = g` · gnimmer abelsch. Wir wollen Folgendes zeigen:

PropositionDie Ordnung |G| einer zyklischen Gruppe G bestimmt sie bis auf Isomorphie.

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1 GRUPPEN

Beweis :Fall 1: gn 6= g` für n 6= `, |G| =∞. Dann ist G isomorph zu Z vermöge:

Z→ G

0 7→ e

1 7→ g

n 7→ gn

` 7→ g`

Fall 2: ∃n` : gn = g` ⇒ gn−` = e ⇒ ∃m∈Z\{0} : gm = e.Da dann auch g−m = e, kann m natürlich gewählt werden: ∃m∈N>0 : gm = e.Wähle m ∈ N mit gm = e minimal und betrachte eine Teilmenge mit m verschie-denen Elementen {e, g, g2, . . . , gm−1} ⊂ G. Sei g` ∈ G für ` > m. Division mit Restergibt ` = km+ r mit 0 ≤ r ≤ m.

⇒ g` = gkm+r = gkm · gr = (gm)kgr = gr

⇒ G = {g, g2, . . . , gm} ⇒ |G| = m

Folgende Abbildung ist ein entsprechender Gruppenhomomorphismus:

Z/mZ→ G

j 7→ gj

1 7→ g

Also ist jede zyklische Gruppe G isomorph zu genau einer der Gruppen Z undZ/mZ, wobei m = |G|. �

Bemerkung: zyklisch ⇒ abelsch, die Umkehrung gilt nicht. Gegenbeispiel:G = Z/4Z × Z/2Z mit (g1, h1) · (g2, h2) := (g1g2, h1h2) ist nicht zyklisch. WäreG zyklisch, müsste es wegen |G| = 8 isomorph zu Z/8Z sein. Ein entsprechenderHomomorphismus erzeugt jedoch einen Widerspruch:

Z/8Z→ Z/4Z× Z/2Z0 7→ (0, 0)1 7→ (a, b)2 7→ (2a, 2b)4 7→ (4a, 4b) = (0, 0) Widerspruch

a ∈ Z/4Z ⇒ 4a = 0, b ∈ Z/2Z ⇒ 4b = 0.Z/8Z hat Elemente der Ordnung 8, aber Z/4Z× Z/2Z hat keine.

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1 GRUPPEN

Untergruppen zyklischer Gruppen

Ein Beispiel für eine Untergruppe H < G = Z ist H = nZ. In diesem Fall ist n diekleinste positive Zahl in H. Ist auch eine beliebige Untergruppe H 6= {0} von dieserForm?

PropositionAlle Untergruppen H < Z sind von der Form nZ.

Beweis :Sei n ∈ N ∩H minimal ⇒ nZ ⊂ H.Falls nZ ( H existiert ein minimales ` ∈ N ∩H \ nZ mit ` > n. Wende wieder denTrick der Division mit Rest an: Für ` = kn︸ ︷︷ ︸

∈H

+r mit 0 ≤ r < n ist r = `− kn ∈ H.

Es folgt r = 0 ⇒ ` = kn ∈ nZ, ein Widerspruch. Also ist nZ = H. �

Proposition 1.6Sei G = 〈g〉 = {gn : n ∈ Z} eine zyklische Gruppe der Ordnung |G| = n ∈ N∪{∞}.Dann gilt:

(a) |G| = n = inf{` : g` = e}

(b) |G| <∞ und s ∈ Z ⇒ ord(gs) = nggT(n,s)

(c) Jede Untergruppe H < G ist zyklisch.

(d) |G| <∞ und d|n ⇒ ∃!H < G mit |H| = d und H =⟨gnd

⟩.

Beispiel: G = Z/6Z|G| = 6 hat die Teiler 1, 2, 3, 6. Wir erhalten die Untergruppen:

Z/6Z

rrrrrrrrrr

LLLLLLLLLL{0, 1, 2, 3, 4, 5}

rrrrrrrrrr

LLLLLLLLLL

Z/2Z Z/3Z {0, 3} {0, 2, 4}

{e}

LLLLLLLLLLL

rrrrrrrrrrr{0}

LLLLLLLLLLL

rrrrrrrrrrr

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1 GRUPPEN

Beweis : Proposition 1.6

(a) Siehe oben im Beweis von „G ' Z oder G ' Z/nZ “.(b) Sei |G| <∞, sowie k := ord(gs) <∞, also (gs)k = e. Dann gilt:

sk ∈ nZ ⇒ n|sk ⇒ nggT(n,s) | k

Umgekehrt bleibt noch k | nggT(n,s) zu zeigen. Dies folgt aus:

(gs)n

ggT(n,s) = gsn

ggT(n,s) = (gn)s

ggT(n,s) = e ⇒ nggT(n,s) ∈ kZ

(c) Zu zeigen ist, dass Untergruppen H < G zyklisch von der Form H = 〈g nd 〉 für d|nsind. Wir recyclen die Idee vom Beweis, dass alle Untergruppen von Z zyklischsind.Sei gs ∈ H für gewisse s. Wenn |H| = 1 ⇒ H = {g0}. Sei also |H| > 1. Wählekleinstes positives s mit gs ∈ H ⇒ 〈gs〉 ⊂ H. Wir wollen zeigen, dass 〈gs〉 = H.Sei x ∈ H mit x = g` für ` > s. Dividiere mit Rest: ` = ks + r mit 0 ≤ r < s.Wegen g` ∈ H und gks = (gs)k ∈ H ist auch gr ∈ H. Folglich ist r = 0 und ` = ksund damit x ∈ 〈gs〉.

(d) Es gelte d|n. Dann ist H = 〈g nd 〉 tatsächlich eine Untergruppe der Ordnung|H| = d, da |G| = n. Zeige noch, dass alle Untergruppen diese Form haben.Gemäß (c) ist H < G von der Form H = 〈gk〉 für ein minimales k. Wir zeigen,dass k|n gilt. Für H 3 gk und e = gn folgt wieder per Division mit Rest:

n = `k + r mit 0 ≤ r < k ⇒ gr ∈ H ⇒ r = 0 ⇒ n = `k ⇒ k|n

Wir haben gezeigt, dass bei Untergruppen H < G zyklischer Gruppen |G| von |H| geteiltwird. Wie wir sehen werden, ist dies bei allen Gruppen der Fall.

Definition 1.7 IndexSei G eine Gruppe mit H < G als Untergruppe. Die Anzahl |G/H| der Linksne-benklassen heißt der Index von H in G und wird mit [G : H] bezeichnet.

Satz 1.8 LagrangeSei H eine Untergruppe von G. Dann ist die Elementezahl von G gleich der Ele-mentezahl von H multipliziert mit dem Index von H.

|G| = |H| · [G : H]

Daraus folgt, dass |H| ein Teiler von |G| ist.

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1 GRUPPEN

Beweis :Wir haben gesehen, dass |g1H| = |g2H| und G = ⋃

gH. Daraus folgt sofort, dass|G| = |H| · [G : H] ist. �

Anwendungen

Sei p eine Primzahl. Bekanntlich ist (G,+) = (Z/pZ ,+) eine Gruppe. Da |G| = p nur1 und p als Teiler hat, gibt es nur zwei triviale Untergruppen: G und { 0 }. Die Gruppehat erst recht keine (nichttrivialen) Normalteiler.

Definition einfache GruppeEine Gruppe ohne nichttriviale Normalteiler heißt einfache Gruppe.

(Z/nZ , ·) ist keine multiplikative Gruppe, da 0 kein Inverses hat. Wenn n = a · b, folgtsofort 0 = n = a · b, weswegen auch a und b keine Inverse haben. Betrachtet man jedochnur jene Elemente, die ein Inverses besitzen, liegt für n ≥ 2 eine multiplikative Gruppevor.

(Z/nZ)∗ := { invertierbare Elemente von Z/nZ }

Speziell gilt für eine Primzahl p:

(Z/pZ)∗ = {1, 2, . . . p− 1} ord(Z/pZ)∗ = p− 1

Die Äquivalenzklasse 0 entspricht pZ. Wenn p weder a noch b teilt, so ist p auch keinTeiler von a · b.Sei |G| <∞ und g ∈ G, sodass H := 〈g〉 < G. Dann folgt |H| teilt |G|.Wenn ord(H) = n, ist gn = e und erst recht g|G| = e. In einer endlichen Gruppe giltLetzteres immer. Mithilfe dieser Identität und nachfolgendem Satz lassen sich Inversebestimmen.

Korollar 1.9 kleiner Satz von FermatSei p ∈ N eine Primzahl, sowie x ∈ Z sodass p kein Teiler von x ist. Dann gilt:

p |xp−1 − 1 (⇔ xp−1 ≡ 1 mod p )

Die Notation a ≡ b mod p bedeutet, dass a−b ∈ pZ ist, also p|(a−b) gilt. Insbesonderefolgt aus xxp−2 = 1, dass xp−2 invers zu x ist.

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1 GRUPPEN

Beweis :(Z/pZ)∗ ist Gruppe der Ordnung p − 1. Aus g|G| = e folgt wegen e = 1, dassxp−1 = 1 und somit xp−1 ≡ 1 mod p gilt. �

Das war ein Beispiel für die Anwendung in der Zahlentheorie. Gruppen finden sich aberauch in ganz anderen Gebieten wieder, wie zum Beispiel in der Kodierungstheorie:Beispiel: ISBN a1 − a2a3a4 − a5a7a8a9 − a10

Für i ≤ 9 sind die ai ∈ {0, . . . , 9}. Die Prüfziffer a10 ∈ {0, . . . , 9, x} kann sogenann-te einfache Fehler in der Nummer aufzeigen, das heißt ISBN erkennt, wenn ein aifalsch ist und ist imstande unlesbare ai zu korrigieren.

Wie funktioniert das? Wir sollten in Z/11Z rechnen und x = 10 setzen, sodass dieai für die Restklassen stehen. Man gebe a1, . . . , a9 ein und bestimme a10, sodassfolgende Gleichung erfüllt ist:

10∑k=1

(11− k)ak ≡ 0 mod 11

mod 11=⇒ −9∑

k=1(11− k)︸ ︷︷ ︸−k

ak = (11− 10)a10 ⇒ a10 =9∑

k=1kak

Falls ein ai falsch war, ist zu zeigen, dass10∑k=1

(11− k)ak 6≡ 0.

In (Z/11Z)∗ = {1, . . . 10} existieren multiplikative Inverse. 11− k ∈ (Z/11Z)∗.Sei (das fehlerhafte) ai fest. Wegen (11 − k) =: xk ∈ (Z/11Z)∗ folgt die Existenzvon Inversen x−1

k . Diese Zahlen sind immer gleich, und müssen daher nur einmalbestimmt werden.

In10∑k=1

x−1i (11− k)ak ≡ 0 wird der Koeffizient vor ai auf 1 gesetzt.

Falls die Stelle i bekannt ist, können wir ai auf diese Weise rekonstruieren.Ebenso folgt

∑k

xkak 6≡ 0, wenn ein ai an unbekannter Stelle i falsch ist.

t7E` T Y AjU 3 14/90 Mario Schulz

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1 GRUPPEN

Gruppen mit Operationen auf Mengen

Definition 1.10Eine (Links-) Operation einer Gruppe G auf einer Menge M ist eine Abbildung

G×M →M

(g ,m) 7→ gm

mit den Eigenschaften

(g1g2)m = g1(g2m) ∀g1,g2∈G ,m∈M(O1)em = m ∀m∈M(O2)

Beispiel:Ein einfaches Beispiel ist G = M mit gm := g ∗ m der Multiplikation in derGruppe G. In diesem Fall wird (O1) zum Assoziativgesetz und (O2) zum Axiomdes Neutralen Elements.

G 3 g : M →M

m 7→ gm

Beispiel:Die Linksmultiplikation mit g ist eine Abbildung G = M → M = G, dazu inversist g−1. Wir finden eine Inklusion G ⊂ Σ|G| = {bij. Abb G→ G}.G = Σn operiert auf M = {1 . . . n}.Gruppenelemente g sind Abbildungen ϕ : {1 . . . n} → {1 . . . n} mit g ·m = g(m).

Beispiel:

Sei G = GLn(C) die Menge aller invertierbaren n × nMatrizen über C. Ferner sei M = Matn(C) die Mengealler n × n Matrizen. Ein Element m ∈ M entsprichteiner linearen Abbildung ϕm : Cn → Cn, während einElement g ∈ G einem Basiswechsel in Cn entspricht. DieOperation von G auf M schaut dann folgendermaßenaus:

M 3 m 7→ g−1mg ∈M

Cn

g

��

m // Cn

Cng−1mg

// Cn

g−1

OO

Wir definieren hier vorläufig die Bahn G · m = {g · m : g ∈ G}. In der LinearenAlgebra haben wir eine „Normalform“ m′ ∈ G ·m mit besonders einfacher Gestaltgesucht.

Mario Schulz 15/90 t7E` T Y AjU 3

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1 GRUPPEN

Beispiel:Sei M = Mat(` ×m,C) und G = GL`(C) × GLm(C). Wir betrachten also lineareAbbildungen V → U und jeweils einen Basiswechsel in U und V .Elemente (g1, g2) ∈ G operieren per (g1, g2) ·m := g1mg

−12 auf M . Die Normalform

ist die Zeilenstufenform (vgl. Gaußelimination).

Sei M eine Menge und G eine Gruppe, welche auf M operiert. In diesem Fall schreibenwir auch G y M und nennen M eine G-Menge. Eine typische Aufgabe ist es, dieBahnen G · m = {gm : g ∈ G} zu betrachten und deren Größe zu bestimmen. Zuvormüssen jedoch noch einige Begriffe und Definitionen festgehalten werden.

Definition 1.11 BahnDie Gruppe G operiere auf der Menge M . Für m ∈M heißt G ·m := {gm : g ∈ G}die Bahn von m unter der Operation von G.

DefinitionDie Operation einer Gruppe G auf eine Menge M heißt transitiv, wenn

∃m∈M : Gm = M(⇔ ∀m1,m2∈M ∃g∈G : gm1 = m2

)

Beispiel: einfachster FallIm Fall G = M mit Operation durch Linksmultiplikation heißt M linksregulärePermutationsdarstellung.Im Fall G = M mit Operation durch Konjugation, also m 7→ gmg−1 heißen dieBahnen Konjugationsklassen oder Konjugiertenklassen.

DefinitionEin m ∈M heißt Fixpunkt ⇔ Gm = {m} ⇔ gm = m∀g∈G.

Definition StabilisatorFür m ∈M ist der Stabilisator (auch Isotropiegruppe genannt) definiert als

StabG(m) = Gm := {g ∈ G : gm = m}

t7E` T Y AjU 3 16/90 Mario Schulz

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1 GRUPPEN

DefinitionEine Operation von G auf M heißt treu, wenn die Abbildung

G→ Σ|M |g 7→ (ug : m 7→ g(m))

injektiv ist. Äquivalent dazu gilt gm = m∀m∈M nur für g = e.

Beispiel:H < G operiert durch Linksmultiplikation:

H ×G→ G

(h, g) 7→ hg

Die Bahnen Hg = {hg : h ∈ H} sind Rechtsnebenklassen. Für H 6= {e} gibtes keine Fixpunkte und keine nichttrivialen Stabilisatoren. Nach dem Satz vonLagrange 1.8 gilt |G| = |H| · [G : H].

Wir wollen eine ähnliche Formel für allgemeine Gruppenoperationen finden. Uns inter-essiert, wie groß die Bahnen sind und wie man daraus auf die Gruppenordnung schließenkann.

Proposition 1.12Sei M eine G-Menge und m ∈M mit Stabilisator Gm. Dann gibt es eine Bijektion

p : G/Gm → G ·m

Insbesondere hat die Bahn gerade so viele Elemente, wie es Linksnebenklassen gibt:

|G ·m| = [G : Gm]

Korollar KlassengleichungIm Spezialfall M = G mit Konjugationsoperation gilt:

|G| = |Z(G)|+∑gi∈G

gi /∈Z(G)

[G : CG(gi)]

Mario Schulz 17/90 t7E` T Y AjU 3

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1 GRUPPEN

Bemerkung: In der Klassengleichung summieren wir über ein Repräsentanten-system der nichttrivialen Bahnen von G (Länge 6= 1). Die Notation wird in nach-folgender Definition geklärt.

DefinitionZu einer Gruppe G 3 gi definieren wir:

Z(G) := {g : gh = hg ∀h∈G} das Zentrum von GCG(gi) := {h ∈ G : hgi = gih} der Zentralisator von G

Für g ∈ Z(G) : hgh−1 = g ⇒ |Gg| = 1 einelementige Bahnen.

Beweis : Proposition 1.12Um p zu definieren, betrachte zunächst die Abbildung

G→ G ·mg 7→ g ·m

G //

""FFFF

FFFF

F G ·m

G/Gm

p

OO

Es ist g1m = g2m ⇔ g−12 g1m = m ⇔ g−1

2 g1 ∈ Gm ⇔ g1Gm = g2Gm, genaudann, wenn die Nebenklassen gleich sind. (Es kommt nicht darauf an, wo wir dasg wählen.) Daher kommutiert das angegebene Diagramm, und p ist bijektiv. �

Beweis : KlassengleichungIm Spezialfall M = G mit Konjugation ist {ghg−1 | g ∈ G} die Bahn von h ∈ G.Sie ist einelementig ⇔ ghg−1 = h∀g∈G ⇔ gh = hg ∀g∈G ⇔ h ∈ Z(G). Alsoentsprechen Elemente in Z(G) den einelementigen Bahnen und G zerfällt disjunktin G = Z(G) ∪ {alle anderen Bahnen} .Wähle daher Repräsentanten gi /∈ Z(G). Wie wir oben gesehen haben, gibt es eineBijektion zwischen der Bahn von gi und G/Ggi .Es verbleibt Ggi = CG(gi) zu zeigen. Dies folgt aus der Definition des Stabilisators:

Ggi = {g ∈ G : ggig−1 = gi} = {g ∈ G : ggi = gig} = CG(gi)

Seien p, q Primzahlen und d, e ∈ N. Wir stellen uns folgende Fragen:1. ord(G) = p ⇒ G abelsch? Ja.

2. ord(G) = p2 ⇒ G abelsch? Ja.

3. ord(G) = p · q ⇒ G abelsch? Nein.

4. ord(G) = d · e ⇒ ∃H<G ord(H) = d ? Nein.

t7E` T Y AjU 3 18/90 Mario Schulz

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1 GRUPPEN

Zur 1. Frage:

Sei ord(G) = p und g ∈ G\{e}. Sei ferner G > H = 〈g〉 zyklisch. Wegen6=1︷ ︸︸ ︷

ord(H) |=p︷ ︸︸ ︷

ord(G)folgt ord(H) = p = ord(G) und daher H = G. Also ist G zyklisch und damit abelsch.Wegen ord(g) = ord(H) = p gilt zudem G ' Z/pZ.Zur 3. Frage:Als Gegenbeispiel dient die nicht abelsche Gruppe G = Σ3, deren Ordnung dennochProdukt zweier Primzahlen ist: ord(G) = 3! = 2 · 3Zur 4. Frage: Betrachte die Teilmenge

Σ4 ⊃ A4 = {gerade Permutationen} = {σ ∈ Σ4 : sgn(σ) = 1}Es ist |A4| = 12, aber A4 hat keine Untergruppe der Ordung 6.Neue Frage: p` | ord(G) ⇒ ∃H<G mit ord(H) = p`? Dies werden wir im Rahmen desSylow-Theorems 1.18 beantworten.Die Antwort auf die 2. Frage gibt folgende Proposition:

Proposition 1.13Sei G eine Gruppe mit ord(G) ∈ {p, p2}, wobei p eine Primzahl sei.Dann ist G abelsch.

Beweis :Sei ord(G) = p2. Zu zeigen ist G = Z(G).Wegen Z(G) < G gilt ord(Z(G)) ∈ {1, p, p2}. Außerdem ist Z(G) normal in G, dafür h ∈ Z(G) und g ∈ G folgt, dass ghg−1 = hgg−1 = h ∈ Z(G). Also ist G/Z(G)eine Gruppe mit Ordnung 1, p oder p2. Die Klassengleichung besagt:|G| = |Z(G)|+

∑Repräs.gi

[G : CG(gi)︸ ︷︷ ︸{g : ggi=gig}�G

]

⇒ ord(CG(gi)) ∈ {1, p} ⇒ [G : CG(gi)] = |G||CG(gi)| ∈ {p

2, p}.

Da p sowohl |G| als auch alle [G : CG(gi)] teilt, folgt zudem p | ord(Z(G)) und damitord(Z(G)) ∈ {p, p2}. Wenn wir ord(Z(G)) = p2 folgern können, sind wir fertig.Nehmen wir also an, dass ord(G/Z(G)) = p sei. Dann ist aber G/Z(G) ' Z/pZzyklisch von Ordnung p, also G/Z(G) ' 〈g〉 für ein g ∈ G mit g = gZ(G) undord(g) = p.Seien a, b ∈ G. Wir werden ab = ba und damit einen Widerspruch zur Annahmeord(G/Z(G)) = p folgern. Nach obiger Überlegung existieren k, ` ∈ Z, sodassaZ(G) = a = gkZ(G) und bZ(G) = b = g`Z(G). Ferner gilt ab = ba, da G/Z(G)abelsch ist. Aus a ∈ aZ(G) = gkZ(G) folgt a = gkz1 für ein z1 ∈ Z(G) und analogb = g`z2 für ein z2 ∈ Z(G).

ab = (gkz1)(g`z2) = gkg`z1z2 = gk+`z1z2

ba = (g`z2)(gkz1) = gk+`z2z1�

Mario Schulz 19/90 t7E` T Y AjU 3

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1 GRUPPEN

Definition 1.14Sei G eine Gruppe mit ord(G) = pm, wobei p eine Primzahl und m ∈ N0 sei.Dann heißt G eine p-Gruppe.

Für |G| = pm · q mit ggT(p, q) = 1 (also p, q teilerfremd) stellt sich die Frage, ob einH < Gmit ord(H) = pm existiert und ob p| ord(G) die Existenz einesH < Gmit |H| = pimpliziert.

DefinitionEs sei G eine Gruppe mit |G| = pmq, wobei ggT(p, q) = 1 und H < G mit |H| = pm

gelte. Dann heißt H eine p-Sylowuntergruppe von G.

Theorem 1.15 CauchySei G eine endliche Gruppe und p eine Primzahl, welche die Gruppenordnung teilt.Dann existiert ein g ∈ G mit ord(〈g〉) = ord(g) = p.Also ist H := 〈g〉 < G eine Untergruppe mit Ordnung p und es gilt H ' Z/pZ.

Für zyklische oder abelsche Gruppen ist diese Aussage bekannt, das heißt den erstenBeweisschritt haben wir im Grunde schon gemacht. Wie oben ist auch hier der Wegüber Quotientengruppen sinnvoll. Der Beweis läuft induktiv.Beweis :1. Fall: G zyklisch, p| ord(G). Aus Proposition 1.6 folgt die Existenz einer zyklischenUntergruppe H < G mit ordH = p. Also ist H = 〈g〉 mit g ∈ G und ord(g) = p.2. Fall: G abelsch. Dann ist G ein Produkt von zyklischer Gruppen, nach derKlassifikation der endlich erzeugten abelschen Gruppen. Alternativ wird der Beweisdirekt per Induktion nach |G| geführt:Für |G| = 1 ist nichts zu zeigen, für |G| = 2 ist die Aussage trivial. Angenommen,die Behauptung gelte für Gruppen der Ordnung < |G|. Betrachte die von e 6= h ∈ Gerzeugte zyklische Untergruppe 〈h〉 < G. Falls p| ord(h) folgt gemäß dem 1. Falldie Existenz einer zyklischen Untergruppe H < 〈h〉 < G der Ordnung |H| = p.Falls p 6 | ord(h) betrachte G/〈h〉. Wegen p| |G| = |〈h〉|· [G : 〈h〉] (Satz von Lagrange1.8) gilt p| |G/〈h〉|. Da |G/〈h〉| < |G|, enthält G/〈h〉 nach Induktionsannahme einElement g = g 〈h〉 mit ord(g) = p. Wir definieren ord(g) =: n und möchten p|nzeigen, damit wieder der 1. Fall anwendbar wird. Da G abelsch ist, gilt tatsächlich

gn = (g 〈h〉)n = gn 〈h〉 = 〈h〉 = e ⇒ p|n

t7E` T Y AjU 3 20/90 Mario Schulz

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1 GRUPPEN

3. Fall: G beliebig, also nicht notwendigerweise abelsch. Falls eine echte Untergrup-pe H � G mit p| ord(H) existiert, funktioniert die Induktion analog zum 2. Fall.Falls hingegen ∀H�G : p 6 | ord(H) ist die Induktion nicht anwendbar. Wir nuztenstattdessen die Klassengleichung aus: |G| = |Z(G)|+

∑gi /∈Z(G)

[G : CG(gi)]

Falls p| ord(CG(gi)) sind wir wieder fertig, da CG(gi) � G. Es verbleibt der Fallp 6 | ord(CG(gi))∀i. Aus [G : CG(gi)] = |G|

|CG(gi)| folgt p | [G : CG(gi)]. Aus der Klas-sengleichung lesen wir ab, dass dann auch |Z(G)| von p geteilt wird. Folglich istZ(G) = G, das heißt, es liegt der oben behandelte abelsche Fall vor. �

Bemerkung: Das Interessante an diesem Satz ist, dass keine weiteren Voraus-setzungen an die Gruppe gestellt werden, als dass die Ordnung von einer Primzahlgeteilt wird.

Korollar 1.16Sei G eine endliche Gruppe und p eine Primzahl. Dann ist G ist eine p-Gruppegenau dann, wenn ∀g∈G ∃n∈N0 : ord(g) = pn.Das heißt, wir können lokal an den Elementen sehen, ob eine G eine p-Gruppe ist.

Beweis :Sei G eine p-Gruppe mit g ∈ G. Diese Richtung ist einfach: Für H := 〈g〉 istord(g) = ord(H), welche bekanntlich die Gruppenordnung ord(G) teilt.Sei umgekehrt G 6= {e} keine p-Gruppe. Dann teilt eine Primzahl q 6= p die Grup-penordnung. Aus dem Satz von Cauchy 1.15 folgt: ∃g∈G : ord(g) = q. �

Proposition 1.17Sei p eine Primzahl und G eine p-Gruppe.

(a) Wenn G auf einer endlichen Menge X operiert, gilt:∣∣∣XG

∣∣∣ ≡ |X| mod p

Dabei steht XG für die Menge aller Fixpunkte.(b) G 6= {e} ⇒ Z(G) 6= {e}. Das Zentrum nichttrivialer Gruppen ist nichttrivial.

Beweis :(a) Zu zeigen ist p |

∣∣∣X \XG∣∣∣. Ist x ∈ X \XG, existiert ein g ∈ G mit gx 6= x. Folglich

gilt [G : Gx] 6= 1 für den Stabilisator Gx � G. Nach dem Satz 1.8 von Lagrangegilt p| [G : Gx], da G eine p-Gruppe ist. Außerdem ist |G · x| = [G : Gx]. WegenX \XG = ∪ (Bahnen der Nichtfixpunkte) und p| |Bahn| folgt p |

∣∣∣X \XG∣∣∣.

(b) Sei X = G und G operiere via Konjugation. Dann gilt:XG = Z(G) ⇒ p | ord(Z(G)) ⇒ Z(G) 6= {e} �

Nun kommt das Hauptergebnis dieser Theorie.

Mario Schulz 21/90 t7E` T Y AjU 3

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1 GRUPPEN

Theorem 1.18 SylowSei G eine Gruppe und p eine Primzahl. Wir schreiben die Gruppenordnungord(G) = pm · q als Produkt mit ggT(p, q) = 1.

(a) Zu allen Teilern von pm gibt es Untergruppen entsprechender Ordnung:

∀1≤k≤m ∃H<G mit |H| = pk

(b) Sei S eine p-Sylowuntergruppe von G, das heißt |S| = pm. Ist H < G irgendeinep-Gruppe, folgt ∃g∈G : H < gSg−1 (Letzteres ist auch eine Sylowuntergruppe).

(c) Sei s0 die Anzahl aller p-Sylowuntergruppen von G. ⇒ s0|q und s0 ≡ 1 mod p.

Wieder überrascht, dass keine Voraussetzungen an die Gruppe gestellt werden, aberdennoch extrem starke Aussagen folgen. Der Beweis wird natürlich einiges an Arbeiterfordern.Beweis :Der Fall m = 0 ist uninteressant, muss aber dennoch behandelt werden. Wegenp 6 | ord(G) ist bei (a) nichts zu beweisen. Bei (b) ist die p-Sylowgruppe einelementig,folglich ist auch H = {e}. Aus s0 = 1 folgt (c). Sei im Folgenden m > 0.

(a) Beweis per Induktion nach |G|. Sei X = G mit Operation durch Konjugation.Die Klassengleichung sagt |G| = |Z(G)|+

∑gi /∈Z(G)

[G : CG(gi)].

Erster Fall: p 6 | ord(Z(G)). Dann existiert ein gi, sodass p 6 | [G : CG(gi)].

Wegen |G| = pmq und [G : CG(gi)] = |G||CG(gi)| folgt p

m| |CG(gi)| und CG(gi) � G.Es ist wieder Induktion anwendbar; die gesuchten H existieren schon in CG(gi).Zweiter Fall: p| ord(Z(G)).Der Satz 1.15 von Cauchy besagt die Existenz eines g ∈ Z(G) mit ord(g) = p.Wir betrachten die Untergruppe H := 〈g〉 < G der Ordnung p.H < Z(G) ⇒ H �G ⇒ ∀x∈G : xHx−1 = H, denn Z(G) 3 xgx−1 = g.Der surjektive Gruppenhomomorphismus π : G→ G/H hat kerπ = H. Ferner ist|G/H| = |G|

|H| = pmqp

= pm−1q. Induktiv folgt ∀k≤m−1 ∃Jk<G/H mit ord(Jk) = pk.Es gilt π−1(Jk) < G und ord(π−1(Jk)) = |kerπ|︸ ︷︷ ︸

=p

· |Jk| = pk+1, weil Jk = π(π−1(Jk))kerπ .

⇒ ∀k≤m−1 : |π−1(Jk)| = pk+1.(b) Sei S eine p-Sylowuntergruppe (deren Existenz in (a) gezeigt wurde) und H < G

eine p-Gruppe. Als Menge wähle M = G/S = {gS : g ∈ G} die Nebenklassenvon S. Die Gruppe G operiere durch Linksmultiplikation aufM . Dann kann aber(erst recht) auch H aufM operieren. Der Vorteil von H ist, dass es eine p-Gruppe

t7E` T Y AjU 3 22/90 Mario Schulz

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1 GRUPPEN

ist. Der Stabilisator ist S selbst, daher ist

|M | = [G : S] = |G||S|

= q∣∣∣MH

∣∣∣ 1.17≡ |M | mod p

p 6 | q ⇒ q 6≡ 0 mod p ⇒∣∣∣MH

∣∣∣ 6≡ 0 mod p ⇒ MH 6= ∅

Das klingt jetzt nicht aufregend, ist aber genau das, was wir brauchen. Es folgt dieExistenz eines Fixpunktes gS ∈MH mit hgS = gS ∀h∈H ⇒ g−1hgS = S ∀h∈H .Das sieht schon besser aus, denn es folgt g−1hg ∈ S ∀h∈H ⇒ h ∈ gSg−1 ∀h∈Hund damit H < gSg−1.Der wesentliche Trick war, sich obige Operation auf M = G/S auszusuchen undzu zeigen, dass es einen Fixpunkt gibt.S ist p-Sylow ⇒ gSg−1 ist auch p-Sylow.H ist p-Sylow ⇒ H = gSg−1, das heißtalle p-Sylowuntergruppen sind zueinander konjugiert und alle p-Untergruppen vonG sind in p-Sylowuntergruppen enthalten. Abschließend möchten wir noch eineFormel zum Zählen der p-Sylowuntergruppen haben.

(c) s0 := #{p-Sylowuntergruppen von G}. Sei S eine p-Sylowuntergruppe und Mdie Menge aller p-Sylowuntergruppen von G. Für H ∈ M ⇒ gHg−1 ∈ M , wirlassen G also durch Konjugation auf M operieren. Wir wissen überdies, dass esnur eine einzige Bahn gibt. Betrachte |M | = |G|

|GS |.

Der Stabilisator GS = StabG(S) = {g ∈ G : gSg−1 = S} =: NG(S) heißt (hier)Normalisator von S und ist die größte Untergruppe von G, für die S normal ist.

S �NG(S) = GS

s0 := |M | = |G||GS|

= [G : GS] Zu zeigen ist s0|q.

S < GS < G S hat pm viele Elemente, bei G sind es pmq.

[G : S] = q = [G : GS]︸ ︷︷ ︸= |G||GS |

· [GS : S]︸ ︷︷ ︸|GS ||S|

⇒ s0 = [G : GS] teilt q.

Strategie für die zweite Aussage s0 ≡ 1 mod p:Sei M die Menge aller p-Sylowuntergruppen von G. Auf M operiere die (feste)p-Sylowgruppe S durch Konjugation. S ist eine p-Gruppe (|S| = pm), also kannProposition 1.17 (a) angewendet werden: s0 = |M | ≡

∣∣∣MS∣∣∣ mod p

!= 1. Zu zeigenist also MS = {S}.Wie man sieht, ist

S ′ ∈M ⇔ ∀g∈S : gS ′g−1 = S ′ ⇒ S ⊂ NG(S ′) = {g ∈ G : gS ′g−1 = S ′}.

Wir zeigen und benutzen allgemeiner das folgende Lemma:

Mario Schulz 23/90 t7E` T Y AjU 3

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1 GRUPPEN

LemmaWenn S ′ eine p-Sylow und H eine p-Gruppe mit H ⊂ NG(S ′) ist, folgt H ⊂ S ′.

In unserem Fall setzen wir H := S ⇒ S ⊂ S ′. Wegen |S| = |S ′| folgt dann sofortS = S ′ und wir sind fertig.

Beweis : LemmaEs ist S ′ ⊂ NG(S ′) und sogar S ′ � NG(S ′). Betrachte für H ⊂ NG(S ′) die von Hund S ′ erzeugte Untergruppe

〈H,S ′〉 3 h1s1 h2s2 . . . hnsn(∗)= hs mit h, hj ∈ H und s, sj ∈ S ′

⇒ 〈H,S ′〉 = HS ′ = {hs : h ∈ H, s ∈ S ′}

Die Gleichheit (∗) gilt, da wegen H ⊂ NG(S ′) sofort hS ′ = S ′h ∀h∈H folgt. Alsoist S ′ < HS ′ ⊂ NG(S ′) ⇒ S ′ � HS ′. Aufgrund der Normalteilereigenschaft istHS ′/S ′ eine Gruppe. Wir wollen über deren Elementezahl die geforderte Aussagezeigen. Betrachte den wegen hsS ′ = hS ′ surjektiven Gruppenhomomorphismus

ϕ : H → HS ′/S ′

h 7→ hS ′

HS ′/S ′ ist Quotient von H. Der Kern des Homomorphismus ist

kerϕ = {h ∈ H : hS ′ = eS ′ ⇔ h ∈ S ′} = H ∩ S ′

Daher gilt: |〈H,S ′〉| = |HS ′|︸ ︷︷ ︸<|G|=pnq

= |S ′|︸︷︷︸pn

· |H||H ∩ S ′|︸ ︷︷ ︸

pk für ein k≥0

Da jedoch pn maximal ist, muss k = 0 sein, woraus schließlich H = H ∩ S ′ ⇒H ⊂ S ′ folgt, was zu beweisen war.

Der Beweis war sehr trickreich, hat sich aber gelohnt, wie wir gleich sehen werden.

Korollar 1.19Alle p-Sylowuntergruppen sind zueinander konjugiert.

t7E` T Y AjU 3 24/90 Mario Schulz

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1 GRUPPEN

Korollar 1.20Seien p, q Primzahlen mit p < q und p 6 | (q − 1). Sei ferner G eine Gruppe derOrdnung p · q. Dann gilt

G ' Z/pqZ ' Z/pZ× Z/qZ

G ist also insbesondere zyklisch und abelsch.

Bemerkung: Für G = Σ3 ist |G| = 2 · 3, aber G ist nicht abelsch. Daher istp 6 | (q − 1) eine nötige Voraussetzung.

Beweis :

∃P p-Sylow, |P | = p ⇒ P ' Z/pZ. s := #{p-Sylow} ⇒ s|q, s = 1 mod p

∃Q q-Sylow, |Q| = q ⇒ Q ' Z/qZ. r := #{q-Sylow} ⇒ r|p, r = 1 mod q

Zum einen gilt s ∈ {1, q} und zum anderen s ∈ {1, p+1, 2p+1, . . .}. Angenommen,q = `p + 1 ⇒ q − 1 = `p ⇒ p|(q − 1), ein Widerspruch zur Voraussetzung.⇒ s = 1.Analog gilt r ∈ {1, p} und r ∈ {1, q+1, 2q+1, . . .}. Wegen p < q folgt sofort r = 1.P eindeutige p-Sylow ⇒ gPg−1 = P ∀g∈G.Q eindeutige q-Sylow ⇒ gQg−1 = Q ∀g∈G.

Zu zeigen ist P ×Q ⊂ G und P ∩Q = {e}. Mit x := (x, 1) ∈ P ×Q 3 (1, y) =: yist also xy = yx für x ∈ P, y ∈ Q zu zeigen. Für x, y 6= e gilt:

xy =∈xQx−1=Q︷ ︸︸ ︷

xyx−1 x = yax für ein a, da die Gruppe Q zyklisch ist.xy = y y−1xy︸ ︷︷ ︸

∈y−1Py=P

= yxc für ein c

In xy = yax ist a = 1 zu zeigen.

ya = xy = yxc

⇒ yax = yxc−1

⇒ Q 3 ya−1 = xc−1 ∈ P⇒ a = 1 = c ,wegen P ∩Q = {e}⇒ xy = yx

P ×Q ⊂ G, |P ×Q| = pq = |G| ⇒ G = P ×Q.�

Wie man sieht, sind die Sylowsätze ein wesentliches Hilfsmittel.

Mario Schulz 25/90 t7E` T Y AjU 3

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2 RINGE

2 Ringe

Definition 2.1 RingEin Ring (R,+, ·) ist eine Menge R mit zwei Abbildungen

+: R×R→ R · : R×R→ R

(a, b) 7→ a+ b (a, b) 7→ a · b

sodass folgende Axiome gelten:(R1) (R,+) ist eine abelsche Gruppe mit neutralem Element 0 und Inversen −a zu a.(R2) Die Abbildung · ist assoziativ sowie distributiv bezüglich +.

Ferner existiert ein neutrales Element 1 bezüglich der Multiplikation.

∀a,b,c∈R a(bc) = (ab)c Assoziativität

∀a,b,c∈R a · (b+ c) = (a · b) + (a · c) Distributivität(a+ b) · c = (a · c) + (b · c)

∃1∈R ∀a∈R a · 1 = a = 1 · a Wir verlangen 0 6= 1.

Ein Ring R heißt kommutativ, wenn ∀a,b∈R a · b = b · a gilt.

DefinitionSeien R und S Ringe. Eine Abbildung ϕ : R → S heißt Ringhomomorphismus,wenn ϕ : (R,+)→ (S,+) ein Homomorphismus abelscher Gruppen ist.

∀a,b∈R ϕ(a · b) = ϕ(a) · ϕ(b)ϕ(1R) = 1S

Beispiel: Ringe

• {0} ist kein Ring, da kein Einselement vorhanden ist. 0 · a ist tatsächlich gleich 0,denn 0 · a = (0 + 0)a = 0 · a+ 0 · a ⇒ 0 = 0 · a.

• (Z,+, ·) , (Q,+, ·) , (R,+, ·) , (C,+, ·) und(Mat(n×n,Q),+, ·

)sind Ringe. Letzterer

ist für n ≥ 2 nicht kommutativ.

• Q[x] ={f(x) =

n∑i=1

aixi, ai ∈ Q

}ist ein Ring.

Addition und Multiplikation werden im Bild definiert. Allgemein seien für offenesU ⊂ Rn und stetiges f : U → R die Verknüpfungen definiert als:

f + g : x 7→ f(x) + g(x) f · g : x 7→ f(x)g(x)

t7E` T Y AjU 3 26/90 Mario Schulz

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2 RINGE

• Die Menge aller Gruppenhomomorphismen Hom(G,G) für eine abelsche Gruppe Gbildet einen Ring.• R = {0, 1} mit folgenden Verknüpfungen

· 0 10 0 01 0 1

+ 0 10 0 11 1 0

ist ein Ring, nämlich der Quotientenring Z/2Z von (Z,+, ·) .

Definition 2.2Sei (R,+, ·) ein Ring und I ⊂ R eine Untergruppe von (R,+).I heißt Linksideal von R ⇔ ∀x∈I,a∈R : ax ∈ I.I heißt Rechtsideal von R ⇔ ∀x∈I,a∈R : xa ∈ I.I heißt (zweiseitiges) Ideal ⇔ I ist Links- und Rechtsideal

(Analogon zum Normalteiler).

Beispiel: Ideale

• Das Nullideal I = {0} erfüllt die Idealeigenschaften trivialerweise.• I = nZ ist ein Ideal von Z.

Proposition 2.3Sei R ein Ring und I 6= R ein Ideal. Die Faktorgruppe R/I heißt Restklassenringund ist ein Ring mit (wohldefinierter) Multiplikation

(x+ I)(y + I) := xy + I

Beweis :

Es ist nur die Wohldefiniertheit zu zeigen: Für⇒ x−x′∈I︷ ︸︸ ︷

x+ I = x′ + I und⇒ y−y′∈I︷ ︸︸ ︷

y + I = y′ + Imuss xy + I = x′y′ + I folgen:

xy − x′y′ = xy − x′y′ + x′y − x′y =∈I︷ ︸︸ ︷

(x− x′) y︸ ︷︷ ︸⇒ ∈I

+x′∈I︷ ︸︸ ︷

(y − y′)︸ ︷︷ ︸⇒ ∈I

∈ I

�(R \ {0} , ·

)ist im Allgemeinen keine Gruppe. Ein Gegenbeispiel ist Z/nZ, wo n = a · b

im Allgemeinen nicht invertierbar ist.

Mario Schulz 27/90 t7E` T Y AjU 3

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2 RINGE

Definition 2.4 EinheitenSei R ein Ring. Betrachte die Menge der invertierbaren Elemente

R∗ := {x ∈ R : x invertierbar bezüglich · } = {x ∈ R : ∃y∈R : xy = 1 = yx}

Die Elemente von R∗ heißen Einheiten in R. Die Menge R∗ heißt die Einheiten-gruppe von R.

Beispiel: Einheitengruppen

Z∗ = {±1} Q∗ = Q \ {0} R∗ = R \ {0} (Z/6Z)∗ = {1, 5}

DefinitionFalls R∗ = R \ {0} ist, heißt der Ring R Schiefkörper oder Divisionsring. Einkommutativer Schiefkörper heißt Körper.

Beispiel: PolynomringBetrachte R = K[x], wobei K ein Körper ist. Was ist dann die Einheitengruppe?Für f(x) ∈ R∗ ⇒ ∃g(x) : f(x)g(x) = 1. Ausgeschrieben ist

f(x) = a0 + a1x+ . . .+ anxn an 6= 0

g(x) = b0 + b1x+ . . .+ b`x` b` 6= 0

f(x)g(x) = anb`xn+` + Terme kleineren Grades

!= 1 = 1 + 0x+ 0x2 . . .

anb` 6= 0 ⇒ n+ ` = 0 ⇒ n = ` = 0 ⇒ f(x) = a0

⇒ R∗ = K \ {0}

Wir setzen ab sofort voraus, dass R ein kommutativer Ring ist. Interessant sind dann• Körper• Polynomringe• ganze Zahlen• algebraische Geometrie: Statt y = x2 betrachte K[x, y]/ 〈y − x2〉.

t7E` T Y AjU 3 28/90 Mario Schulz

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2 RINGE

Proposition 2.5Sei R ein Ring. Dann sind äquivalent:

(a) R ist ein Körper.(b) R hat genau zwei Ideale: {0} und R.(c) Für jeden Ring S ist jeder Ringhomomorphismus R → S injektiv. (Ein solcher

ist niemals die Nullabbildung, da wir 1 6= 0 gefordert haben.)

Beweis :(a)⇒ (b) Für einen Körper R und ein Ideal {0} 6= I < R ist I = R zu zeigen.

Sei 0 6= x ∈ I. Da R ein Körper ist, findet sich ein multiplikatives Inverses x−1 ∈ R.Es folgt x−1x = 1 ∈ I. Damit gilt ∀y∈R : y · 1 = y ∈ I, also I = R.

(b)⇒ (c) Sei ϕ : R → S ein Ringhomomorphismus. Zu zeigen ist ker(ϕ) = {0}. Dakerϕ ein Ideal in R ist, folgt kerϕ ∈ {{0}, R}. Wegen ϕ(1R) = 1S ist 1R /∈ kerϕ,folglich ist kerϕ 6= R und damit gleich {0}.

(c)⇒ (a) Sei R 3 x 6= 0. Die Menge Rx = {rx : r ∈ R} = xR = RxR 6= {0} istein Ideal in R. Falls xR = R ⇒ 1 ∈ Rx ⇒ ∃r∈R : 1 = rx, also r = x−1. DieRestklassenabbildung R → R/I = S ist ein Ringhomomorpismus, wenn I 6= Rein Ideal ist. Dieser kann aber im Fall I 6= {0} nicht injektiv sein, woraus sich fürI = Rx 6= R ein Widerspruch ergibt. �

Definition 2.6 NullteilerSei R ein Ring. Ein Element a ∈ R heißt Nullteiler :⇔ ∃b∈R\{0} : ab = 0.R heißt Integritätsbereich, wenn 0 der einzige Nullteiler in R ist.

Beispiel:Für R = Z/6Z sind 0, 2, 3, 4 Nullteiler. Z, ein Körper K sowie der entsprechendePolynomring K[x] sind Beispiele für Integritätsbereiche.

Definition 2.7Sei R ein Ring und I ein Ideal in R.I heißt Hauptideal :⇔ ∃a∈R : I = Ra.R heißt Hauptidealring genau dann, wenn jedes Ideal ein Hauptideal ist.I heißt Primideal :⇔ I 6= R und ∀a,b∈R : a · b ∈ I ⇒ {a, b} ∩ I 6= ∅.I heißt maximales Ideal :⇔ I 6= R und ∀J Ideal in R mit I ⊂ J ⊂ R ⇒ J ∈ {I, R}.

Mario Schulz 29/90 t7E` T Y AjU 3

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2 RINGE

• I = {0} = R · 0 und I = R = R · 1 sind Hauptideale.• R Körper ⇒ R Hauptidealring.• R Körper ⇔ I = {0} maximal.• I maximal ⇔ R/I ist ein Körper:

Mithilfe der Quotientenabbildung R π−→ R/I lassen sich Ideale J von R auf IdealeJ/I von R/I übertragen.

I ⊂ J ⊂ R ←→{0}︷︸︸︷I/I ⊂ J/I ⊂ R/I

Nach Proposition 2.5 ist die Körpereigenschaft äquivalent dazu, dass R/I nur diebeiden Ideale {0} und R/I hat.• I ist Primideal ⇔ R/I ist Integritätsbereich. Beweis:

“⇒“ Für a, b ∈ R/I ist a · b = a·b = 0 ⇔ a · b ∈ I. Da I Primideal, ist a ∈ I oderb ∈ I. Daraus folgt a = 0 oder b = 0, also ist R/I Integritätsbereich.

“⇐“ Für a, b ∈ R folgt aus a · b ∈ I, dass a · b = 0. Da R/I Integritätsbereich ist, folgta = 0 oder b = 0, also a ∈ I oder b ∈ I und damit die Primidealeigenschaft.• I maximales Ideal ⇒ R/I Körper ⇒ R/I Integritätsbereich ⇒ I Primideal.

Die Umkehrung gilt nicht, denn I = {0} ⊂ Z ist Primideal, aber nicht maximal.

Beispiel: R = ZDie Ideale sind genau die nZ mit n ∈ N0. Dies sind alles Hauptideale. Welche sindPrimideale und welche sind maximal? Betrachte dazu I = nZ und R/I = Z/nZ.Fall 1: n = p prim. Dann ist Z/pZ ein Körper, also auch ein Integritätsbereich.(Z/pZ)∗ = Z/pZ \ {0}, also ist pZ ein Primideal und ein maximales Ideal.Fall 2: n nicht prim. ⇒ n = a · b mit a, b 6= 1. In Z/nZ gilt dann 0 = n = ab = abmit 0 6= a, b ⇒ Z/nZ ist kein Integritätsbereich und kein Körper ⇒ nZ istweder Primideal, noch maximales Ideal.Also gilt: nZ Primideal ⇔ ±n Primzahl.Fall 3: n = 0. Dann ist 0Z = {0} und Z/0Z ' Z ein Integritätsbereich, aber keinKörper. ⇒ 0Z ist Primideal aber kein maximales Ideal.

Beispiel: R = Z[x]Der Polynomring in einer Variablen über Z ist kein Hauptidealring. Betrachte dazuI = 〈2, x〉 = {a0 + a1x+ . . . : ai ∈ Z , 2|a0} und zeige, dass es kein Hauptideal ist.

Gegenannahme: ∃f(x)∈Z[X] : I = 〈f(x)〉 = Rf(x)2 ∈ I ⇒ ∃g(x)∈Z[x] : f(x)g(x) = 2

bekanntlich gilt: deg(fg) = deg(f) + deg(g)deg(2) = 0 ⇒ f(x) ∈ Z. genauer: f(x) ∈ {±1,±2}

x ∈ I ⇒ ∃h(x)∈Z[x] : f(x)h(x) = x ⇒ f(x) 6= ±2⇒ f(x) = ±1, Widerspruch zu I 6= R

t7E` T Y AjU 3 30/90 Mario Schulz

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2 RINGE

Wir möchten im Folgenden zeigen, dass K[x] ein Hauptidealring ist, wenn K ein Körperist. Dazu soll zunächst das Prinzip der Division mit Rest auf K[x] übertragen werden.

Definition 2.8Ein Integritätsbereich R heißt euklidisch :⇔ ∃ Gradabbildung λ : R \ {0} → N0,sodass ∀a∈R,b∈R\{0} : ∃q,r∈R mit a = qb+ r und r = 0 oder λ(r) < λ(b).

Theorem 2.9Sei R euklidisch. Dann ist R ein Hauptidealring.

Beweis :Sei {0} 6= I < R ein Ideal. Also gibt es ein 0 6= x ∈ I. Damit ist die Men-ge der Grade {λ(x) : x ∈ I \ {0}} nichtleer und besitzt ein minimales Element:∃x0∈I : λ(x0) = min{λ(x) : x ∈ I \ {0}}. Wir zeigen, dass I = 〈x0〉 = Rx0 = x0Rgilt, woraus folgt, dass I ein Hauptideal ist.Sei y ∈ I. Dann ist y = qx0 + r mit r = 0 oder λ(r) < λ(x0). Da aber λ(x0)minimal ist, folgt aus r = y − qx0 ∈ I, dass r = 0 und damit y = qx0 gelten muss.Daraus folgt I = Rx0. �

Beispiel: R = Z , λ(x) := |x|Division mit Rest wie üblich. Also ist Z ein euklidischer Ring, was nicht weiterüberrascht, da die Definition gerade so gewählt war, dass Z ein euklidischer Ringwird.

Proposition 2.10SeiK ein Körper. Dann ist der Polynomring in einer VariablenK[x] ein euklidischerRing, also auch ein Hauptidealring.

Um dies nachzuweisen, muss eine Gradabbildung wie oben angegeben werden. Ein Po-lynom hat aber bereits einen „Grad“, also probieren wir doch diesen.Beweis :Der Grad eines Polynoms f(x) = a0 + a1x+ . . .+ anx

n mit an 6= 0 sei deg(f(x)) =λ(f(x)) = n. Zu zeigen ist, dass die Division mit Rest (f = q ·g + r) funktioniert.Seien K[X] 3 f, g 6= 0.Falls λ(f) < λ(g), folgt r = f und damit auch λ(r) < λ(g).Falls λ(f) ≥ λ(g), wende Induktion nach λ(f) an. Der Fall λ(f) = 0 passt, da durch

Mario Schulz 31/90 t7E` T Y AjU 3

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Skalare dividiert werden kann. Es verbleibt λ(f) ≥ 1 zu behandeln. Betrachte dazu:f(x) = a0 + a1x+ . . .+ anx

n

g(x) = b0 + b1x+ . . .+ b`x` b` 6= 0

Wegen n ≥ ` hat das Polynom g(x) · xn−`anb`

den Höchstkoeffizient an im Grad n.

Daher gilt deg( h︷ ︸︸ ︷f(x)− xn−`an

b`g(x)

)< n = λ(f). Induktiv folgt h = qg + r mit

r = 0 oder λ(r) < λ(g). Damit folgt schließlich

f = xn−`anb`g + (qg + r) =

(xn−`

anb`

+ q)g + r mit r = 0 oder λ(r) < λ(g).

Also sind Ideale I 6= 0 in K[x] von der Form I = 〈f(x)〉, wobei f(x) ein (bis aufskalare Vielfache eindeutiges) Polynom kleinsten Grades in I ist. �

Beispiel: Der Ring der ganzen Gaußschen ZahlenDie Menge Z[i] = {a + bi : a, b ∈ Z} ⊂ C ist ein Ring mit den üblichen Verknüp-fungen.

(a+ bi) + (c+ di) = (a+ c) + (b+ d)i(a+ bi)(c+ di) = (ac− bd) + (ad+ bc)i

Proposition 2.11Der Ring Z[i] ist ein euklidischer Ring, also ein Hauptidealring.

Beweis :Wir können nicht einfach den (i.A. nicht ganzzahligen) Betrag der komplexen Zahlals Gradabbildung nehmen. Definiere stattdessen für z ∈ C die Norm N(z) alsN(z) = |z|2 = zz, woraus für Z[i] 3 z = a + bi folgt, dass N(z) = (a +bi)(a − bi) = a2 + b2 ∈ N0 ist. Setze also λ(z) = N(z) für z 6= 0. Wir wollendamit die Division mit Rest von z1 = a + bi und z2 = c + di 6= 0 durchführen.

C 3 z1

z2= (a+ bi)(c− di)

(c+ di)(c− di) = · · ·c2 + d2

hat rationale Koordinaten und liegt in einem Qua-drat mit Ecken in Z[i]. Es existiert also ein q ∈ Z[i],sodass

∣∣∣ z1z2− q

∣∣∣ ≤ √2

2 .Die Norm ist multiplikativ:N(z3z4) = N(z3)N(z4). 1 2 3 4

1i

2i

3i

0

z1

z2

z1 = z2q +r︷ ︸︸ ︷

(z1 − z2q)

N(z1 − z2q) = N(z2)N(z1

z2− q

)︸ ︷︷ ︸

≤ 12

< N(z2) ⇒ λ(r) = N(r) < N(z2) = λ(z2)

oder r = 0�

t7E` T Y AjU 3 32/90 Mario Schulz

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2 RINGE

Definition 2.12Sei R ein Integritätsbereich, p ∈ R, p 6= 0 und p /∈ R∗.p heißt irreduzibel: ⇔ ∀x,y∈R : p = xy ⇒ {x, y}∩R∗ 6= ∅. Sonst heißt p reduzibel.p heißt prim oder Primelement: ⇔ ∀x,y∈R : p|xy ⇒ p|x oder p|y

⇔ 〈p〉 ist ein Primideal.

LemmaIn einem Integritätsbereich gilt die Implikation p prim ⇒ p irreduzibel.Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.

Beweis :Sei p = xy, also p|xy. OBdA gelte p|x, woraus x = pc für ein c ∈ R folgt. Dann istaber p = xy = pcy und damit 0 = p− pcy = p(1− cy). Da R ein Integritätsbereichist, gibt es keine Nullteiler, woraus 1− cy = 0 also cy = 1 und schließlich c, y ∈ R∗folgt. Also ist insbesondere y eine Einheit und p damit irreduzibel. �

Proposition 2.13Sei R ein Hauptidealring (und Integritätsbereich). Sei p ∈ R, p /∈ R∗ und p 6= 0.Dann sind äquivalent:(I) p ist irreduzibel(II) p ist prim(III) 〈p〉 ist ein maximales Ideal

Beweis :Wir haben gesehen, dass 〈p〉 maximal ⇒ 〈p〉 Primideal ⇒ p prim ⇒ p irreduzibelgilt, also (III)⇒ (II)⇒ (I). Es verbleibt (I)⇒ (III) zu zeigen.Sei 〈p〉 ⊂ I ⊂ R, wobei I ein Ideal ist. Zu zeigen ist I ∈ {〈p〉 , R}. Da R einHauptidealring ist, folgt die Existenz eines a ∈ R mit I = 〈a〉 ⇒ p ∈ 〈a〉 ⇒∃b∈R : p = ab. Da p irreduzibel ist, muss einer der Faktoren eine Einheit sein. Fallsa ∈ R∗ folgt 〈a〉 = R. Falls b ∈ R∗ ⇒ a = pb−1 ⇒ a ∈ 〈p〉 folgt 〈a〉 = 〈p〉. �

Unser nächstes Ziel ist es, die Existenz und Eindeutigkeit (bis auf Reihenfolge undEinheiten) von Primfaktorzerlegungen zu zeigen.

Mario Schulz 33/90 t7E` T Y AjU 3

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2 RINGE

Lemma 2.14Sei R ein Hauptidealring. Dann ist R noethersch, das heißt für alle aufsteigendenKetten von Idealen 〈a1〉 ⊂ 〈a2〉 ⊂ . . . ⊂ 〈an〉 . . . existiert ein N ∈ N, sodass〈aN〉 = 〈aN+1〉 = . . . gilt.

Beweis :I :=

⋃n

〈an〉 ist ein Ideal in R.

⇒ ∃b∈R : I = 〈b〉 ⇒ ∃N∈N : b ∈ 〈aN〉 ⇒ I = Rb = 〈aN〉 �

Theorem 2.15Sei R ein Hauptidealring (und Integritätsbereich), a ∈ R, a 6= 0 und a /∈ R∗.Dann ist a ein Produkt von Primelementen. Diese Zerlegung ist eindeutig bis aufReihenfolge und Einheiten. Also ist R ein faktorieller Ring, das heißt, es gibt eineeindeutige Primfaktorzerlegung.

Beweis :Falls a irreduzibel, ist a prim. Falls a reduzibel, ist a = a1a2. Falls a1 und a2irreduzibel, sind wir fertig. Andernfalls ist a = a′1a

′2a′3 usw.

Nach Lemma 2.14 bricht die aufsteigende Kette 〈a〉 $⟨aa1

⟩$⟨

aa1a2

⟩$ . . .

ab. Folglich ist a ein endliches Produkt von irreduziblen Elementen, woraus dieExistenz der Primfaktorzerlegung folgt.Es verbleibt die Eindeutigkeit zu zeigen. Sei a = p1 · · · pn = q1 · · · q` mit pi, qi prim.q1|a

z.B.=⇒ q1|p1 ⇒ q1 = p1ε1 mit ε1 ∈ R∗. ⇒ p2 · · · pn = ε1q2 · · · q` usw. Es folgtn = ` und pi = εiqi mit εi ∈ R∗ bis auf Anordnung. �

Beispiel: In K[x] irreduzible Polynome

• (x− λ) ist irreduzibel in K[x].• x2 + 1 ist irreduzibel in R[x] (da x− i Primfaktor in C[x]).• x2 − 2 ist irreduzibel in Q[x] (da x−

√2 Primfaktor in R[x]).

Wie man sieht, hängt es wesentlich vom Körper ab, welche Polynome irreduzibelsind.

Beispiel:Ist in Z[i] die Zahl 5 eine Primzahl? Nein, da 5 = (1 + 2i)(1 − 2i). Sind diesPrimfaktoren? Ja, denn N(1± 2i) = 5. Da die Norm multiplikativ ist, würde eineweitere Faktorisierung von (1±2i) eine weitere Faktorisierung der Zahl 5 bedeuten.

Im Folgenden sei R immer ein kommutativer Ring und Prim(R) ein Repräsentantensys-tem von Primelementen (modulo Einheiten).

t7E` T Y AjU 3 34/90 Mario Schulz

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2 RINGE

DefinitionEin Integritätsbereich R heißt faktorieller Ring:⇔ ∀06=a∈R\R∗ a = ∏

pi mit pi prim⇔ ∀06=a∈R\R∗ a = ∏

fi eindeutig, fi irreduzibel.

Beispiel: Ist Z[√−5 ] faktoriell?

Nein, denn wir finden ein Element, welches irreduzibel aber nicht prim ist. Be-trachte dazu zuächst die Elemente 2, 3 und (1±

√−5) und deren Normen 4,

9 und 6. Angenommen 2 = ab. Wegen N(2) = 4 folgt N(a)|4 und N(b)|4. Seia = x+ y

√−5 und b = u+ v

√−5. Dann ist N(a) = x2 + 5y2 und N(b) = u2 + 5v2.

Daraus folgt y = v = 0, also ist 2 irreduzibel. Gleiches folgt auch für die ande-ren Zahlen analog. Andererseits ist 2 · 3 = 6 = (1 +

√−5)(1 −

√−5). Wäre 2

prim, würde OBdA 2|(1 +√−5) folgen. Dann existiert aber ein z ∈ Z[

√−5] sodass

2z = 1 +√−5 ⇒ z = 1

2 + 12√−5 /∈ Z[

√−5], woraus sich ein Widerspruch ergibt.

Fragen:

• Ist K[x] ein faktorieller Ring? (K sei ein Körper)• Ist K[x, y] faktoriell? Es ist kein Hauptidealring, betrachte etwa I = 〈x, y〉.• Ist Z[x] faktoriell? Auch dies ist kein Hauptidealring, betrachte etwa I = 〈2, x〉.

Alle drei Fragen werden wir bejahen.

Satz 2.16 GaußSei R ein faktorieller Ring. Dann ist R[x] ein faktorieller Ring.

Der Beweis benötigt einiges an Vorbereitung.

Definition QuotientenkörperSei R ein Integritätsbereich. Dann existiert der Körper der Brüche Q(R), welchergenauso konstruiert wird, wie Q aus Z hervorgeht.

Q(R) :={ ab

∣∣∣ a, b ∈ R, b 6= 0}

Addition und Multiplikation werden wie in Q definiert, und es gelte die „Kürzungs-relation“ a

b∼ c

d⇔ ad = bc. Dies ist eine Äquivalenzrelation, da aufgrund der

Nullteilerfreiheit ab

= acbc

gilt.

Q(R) ist ein Körper, R ⊆ Q(R) ein Teilring.

Mario Schulz 35/90 t7E` T Y AjU 3

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2 RINGE

DefinitionSei R faktoriell, a, b ∈ R und pi ∈ Prim(R). Dann ist

a = ε′ pa11 · · · pann ε′, ε′′ ∈ R∗

b = ε′′ pb11 · · · pbnn ai, bi ∈ N0

a

b= ε pc1

1 · · · pcnn ci = ai − bi ∈ Z

a

b= ε

∏p∈Prim(R)

pνp νp = νp(ab ) ∈ Z

Setze formal νp(0) =∞, da νp(ab) = νp(a) + νp(b) gelten soll.

Wir erweitern die Definition auf den Polynomring über den Quotientenkörper

Q(R)[x] 3 f =∑i

aixi mit ai ∈ Q(R) νp(f) := min(νp(ai))

Bemerkung: Für alle p ∈ Prim(R) gilt

f = 0 ⇔ νp(f) =∞ f ∈ R[x] ⇔ νp(f) ≥ 0

Proposition 2.17 Lemma von GaußSei R faktoriell, p ∈ Prim(R) und f, g ∈ Q(R)[x]. Dann gilt νp(fg) = νp(f)+νp(g).

Beweis :Für f, g ∈ R ist die Aussage klar, genauso für f, g ∈ Q(R) beziehungsweise fürf ∈ Q(R) und g ∈ Q(R)[x], da Polynome immer mit einer „ganzen Zahl“ aus Rmultipliziert werden können.Schwieriger ist der Fall f, g ∈ Q(R)[x]. Die Koeffizienten sind hier alles Brüche inQ(R). Wegen obiger Überlegung können wir mit dem Hauptnenner h der Koeffizi-enten durchmultiplizieren, weshalb OBdA f, g ∈ R[x] gilt.

νp((h1f)(h2g)) = νp((h1h2)(fg)) = νp(h1h2) + νp(fg) != νp(h1f) + νp(h2g)

Da entsprechend durchmultipliziert werden kann, gilt OBdA νp(f) = νp(g) = 0.Zu zeigen ist νp(fg) = 0. Als faktorieller Ring ist R und damit auch R/pR einIntegritätsbereich. Daraus folgt, dass auch (R/pR)[x] ein Integritätsbereich ist.Die (kanonische) Abbildung R[x]→ R[x]/pR[x] ist ein Ringhomomorphismus mitKern {h ∈ R[x] | νp(h) > 0}. Nach obiger Überlegung liegen f, g nicht im Kern.Aus f, g 6= 0 folgt (f)(g) 6= 0, da wir uns in einem Integritätsbereich aufhalten.Aus (f)(g) = f · g folgt schließlich νp(fg) = 0. �

t7E` T Y AjU 3 36/90 Mario Schulz

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2 RINGE

DefinitionDas Polynom f(x) =

n∑i=0

aixi heißt normiert, wenn an = 1.

Für normierte Polynome in R[x] ist die Primfaktorzerlegung über R[x] und Q(R)[x]identisch.

Korollar 2.18Sei R ein faktorieller Ring, h ∈ R[x] normiert und h = fg mit normiertenf, g ∈ Q(R)[x]. Dann ist f, g ∈ R[x].

Beweis :h ∈ R[x] ist normiert, also ist νp(h(x)) = 0 ∀p∈Prim(R), da mindestens einer der Ko-effizienten 1 ist. Für f, g ∈ Q(R)[x] ist νp(f), νp(g) ≤ 0, da Brüche als Koeffizientenauftreten können. Aus dem Lemma von Gauß 2.17 folgt:

0 = νp(h) = νp(fg) = νp(f) + νp(g) ⇒ νp(f) = νp(g) = 0 ⇒ f, g ∈ R[x]

DefinitionPolynome f ∈ R[x], für die νp(f) = 0 gilt, heißen primitiv.

Normierte Polynome sind automatisch primitiv. Man überlegt sich außerdem leicht,dass ein Polynom ist genau dann primitiv ist, wenn der größte gemeinsame Teiler allerKoeffizienten eins ist.

g ∈ Q(R)[x] ⇒ a =∏

p∈Prim(R)pνp(g) ∈ Q(R) und g = af mit primitivem f ∈ R[x]

Wir beweisen jetzt den bereits formulierten Satz 2.16 von Gauß, also

R faktoriell ⇒ R[x] faktoriell.

Beweis : Satz von GaußWir zeigen zunächst, dass ein Element q ∈ R[x] prim in R[x] ist, wenn eine derfolgenden Aussagen zutrifft:

(I) q ist Primelement in R(II) q ist Primelement in Q(R)[x] und q ist primitiv in R[x]

Mario Schulz 37/90 t7E` T Y AjU 3

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2 RINGE

Insbesondere gilt q ∈ R[x] primitiv, q prim in R[x] ⇔ q prim in Q(R)[x].Sei q wie in (I) ⇒ R/qR ist Integritätsbereich ⇒ R[x]/qR[x] ist Integritätsbe-reich ⇒ q prim in R[x].Sei q wie in (II), f, g ∈ R[x] ⊂ Q(R)[x] ⇒ q prim in R[x] mit q|fg ⇒ OBdA q|fin Q(R)[x] ⇒ ∃h∈Q(R)[x]f = q · h.

Aus dem Lemma von Gauß folgt: ∀p∈Prim(R)0 ≤ νp(f) ==0︷ ︸︸ ︷νp(q) +νp(h) ⇒ h ∈

R[x] ⇒ q|f in R[x] ⇒ q prim in R[x].Jetzt zeigen wir, dass wenn f ∈ R[x] ungleich Null und keine Einheit ist, es sich alsProdukt von Primelementen der Form (I) oder (II) schreiben lässt. Daraus folgt,dass es keine anderen Primelemente gibt und dass jedes Element, das nicht Nullund keine Einheit ist, in ein Produkt von Primelementen zerlegbar ist.Schreibe f = af mit a ∈ R und f ∈ R[x] primitiv (der ggT der Koeffizienten vonf ist also eine Einheit). a ∈ R hat nach Voraussetzung eine eindeutige Primfak-torzerlegung in R (vom Typ (I)). Q(R)[x] ist faktoriell (Q(R) ist ein Körper), alsohat f eine Zerlegung f = f1 · · · fn c mit c ∈ Q(R)∗, sodass die Faktoren f1 · · · fnprimitiv und in R[x] sind. Die fi sind Primelemente in Q(R)[x], also vom Typ (II).Zu zeigen ist c ∈ R∗. Berechne νp(c) für jedes Primelement p in R mithilfe desLemmas von Gauß:

νp(f) = νp(f1) + . . .+ νp(fn) + νp(c)νp(f) = 0 , da f ∈ R[x] primitivνp(fi) = 0 analog

⇒ νp(c) = 0 ⇒ p teilt weder Zähler noch Nenner von c, also c ∈ R∗

t7E` T Y AjU 3 38/90 Mario Schulz

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3 KÖRPER

3 Körper

Wir betrachten polynomiale Gleichungen über K, etwa f(x) = x2 + 1 für K = R. Dadie Primfaktorzerlegung in C[x] einerseits eindeutig ist, andererseits aber (x± i) /∈ R[x]gilt, ist f(x) irreduzibel in R[x]. Genauso ist für K = Q die Gleichung g(x) = x2 − 2irreduzibel in Q[x].

Wir konstruieren L := Q[√

2] := {a+ b√

2∣∣∣ a, b ∈ Q}. Diese Menge bildet einen Ring:

(a+ b√

2 ) + (c+ d√

2 ) = (a+ c) + (b+ d)√

2 ∈ Q[√

2](a+ b

√2 )(c+ d

√2 ) = (ac+ 2bd) + (ad+ bc)

√2 ∈ Q[

√2]

Existiert 0 6= (a+ b√

2)−1 in Q[√

2] ? In folgenden Spezialfälle ist dies klar:

a = 0 ⇒ b√

2 · 12b√

2 = 1 b = 0 ⇒ a · 1a

= 1

Allgemein muss das Inverse (c+ d√

2) = (a+ b√

2)−1 die Gleichungen ac+ 2bd = 1 undad+ bc = 0 erfüllen. Daraus folgt

c = −adb⇒ −a

2d

b+ 2bd = 1 ⇒ −a2d+ 2b2d = b ⇒ d = b

2b2 − a2 ⇒ ∃c,d∈Q.

Da wir in Q sind, ist der Nenner 2b2 − a2 6= 0, da sonst a2 = 2b2 ⇒(ab

)2= 2 .

Bemerkung:√

2 /∈ QAngenommen a

b= p

qmit p, q ∈ Z ⇒ p2 = 2q2 mit ggT(p, q) = 1. Dann gilt aber

p2 = 2q2 ⇒ 2|p2 ⇒ p gerade ⇒ 4|p2 ⇒ 4|2q2 ⇒ 2|q2 ⇒ q gerade.

Damit wird Q[√

2] zu einem Körper. Ebenso R[i] = C mit i =√−1.

Definition 3.1Sei L ein Körper.Ein Teilring K ⊂ L heißt Teilkörper von L: ⇔ ∀a∈K\{0} : a−1 ∈ K.L heißt dann Erweiterungskörper von K. Die Inklusion K ⊂ L heißt Körpererwei-terung.Ein KörperK ′ mitK ⊂ K ′ ⊂ L heißt Zwischenkörper der Körpererweiterung L/K.SeiM ⊂ L eine Teilmenge. Der kleinste Teilkörper von L, welcherM enthält, heißtder von M erzeugte Teilkörper von L und wird mit T (M) bezeichnet:

T (M) :=⋂T⊃M

T wobei T Teilkörper von L ist.

Sei M ⊂ L eine Teilmenge und K ⊂ L ein Teilkörper. Dann wird T (M ∪ K)mit K(M) bezeichnet. Man sagt, dass K(M) aus K durch Adjunktion von Mentsteht. Im FallM = {a1, . . . , an} schreiben wir K(M) = K(a1, . . . , an). Falls L =K(a1, . . . , an) für ai ∈ L ist, heißt L endlich erzeugt überK. Die KörpererweiterungL/K heißt einfach oder einfache Erweiterung:⇔ ∃a∈L : L = K(a).

Mario Schulz 39/90 t7E` T Y AjU 3

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3 KÖRPER

Es gilt die Implikation: L/K Körpererweiterung ⇒ L ist ein K-Vektorraum.

Definition 3.2Sei L/K eine Körpererweiterung. Die Vektorraum-Dimension

dimK L =: [L : K]

heißt der Grad der Körpererweiterung. Die Erweiterung L/K heißt endlich, wenn[L : K] <∞.

Beispiel:Der Grad einer Körpererweiterung bestimmt diese keineswegs eindeutig:[

Q[√

2] : Q]

= 2 =[Q[√

3] : Q]

=[C : R

]

Lemma 3.3 GradformelSeien M/L und L/K Körpererweiterungen. Dann gilt für die Grade:

[M : K] = [M : L] · [L : K]

Beweis :M ⊃ L ⊃ K

[M : L] = a M ' La als L-Vektorraum ⇒ M ' La als K-VR[L : K] = b L ' Kb als K-Vektorraum

⇒ M ' La ' (Kb)a als K-Vektorraum

Wie konstruiert man Lösungen einer polynomialen Gleichung?

Gegeben sei ein Polynom f(x) ∈ K[x]. Lässt sich eine Körpererweiterung L/K finden,sodass f(x) in L eine Nullstelle hat? Sind also polynomiale Gleichungen immer lösbar?Woher bekommen wir a im Fall L = K(a)?Die Idee ist L als Quotienten von K[x] zu produzieren. Sei α die Inklusionsabbildung.

K� _

�

� � α // L = K(a)

K[x]

ϕ

?

99 99 Wir suchen eine Abbildung ϕ(K

λ) = λ mit ϕ(x) != a. Falls ϕexistiert, ist K(a) der Quotient von K[x].

t7E` T Y AjU 3 40/90 Mario Schulz

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3 KÖRPER

Proposition 3.4Seien R und S Ringe, α : R→ S ein Ringhomomorphismus und a ∈ S. Dann gibtes genau einen Ringhomomorphismus ϕ : R[x] → S mit ϕ|R = α und ϕ(x) = a.Wir nennen ϕ Auswertungshomomorphismus.

Beweis :Falls ϕ existiert, bildet es R[x] 3 f(x) =

n∑i=0

rixi mit ri ∈ R ab auf

ϕ(f(x)

)= ϕ

( n∑i=0

rixi)

=n∑i=0

ϕ(ri)︸ ︷︷ ︸α(ri)

ϕ(x)i︸ ︷︷ ︸ai

=n∑i=0

α(ri) ai.

Ein auf diese Weise definiertes ϕ ist offensichtlich additiv und multiplikativ, dennϕ(xixj) = ai+j = ϕ(xi)ϕ(xj). Außerdem ist auch

ϕ(r) = α(r) für r ∈ R ⇒ ϕ(1) = α(1) = 1 ⇒ ϕ(x) = a

Beispiel:

Q� _

�

� � α // Q[√

2]

Q[x]∃ϕ

;; ;;

Betrachte die Ringe Q und Q[√

2] = {c + d√

2 | c, d ∈ Q}.Dann existiert nach Proposition 3.4 genau ein Auswertungs-homomorphismus:

ϕ : Q[x]→ Q[√

2]f(x) 7→ f(a) wähle a =

√2

c+ d·x 7→ c+ d·√

2 ⇒ ϕ surjektivDie wie oben definierte Abbildung ϕ ist ein surjektiver Ringhomomorphismus.Dann ist das Bild von ϕ isomorph zum Urbild modulo Kern. Nach Propositi-on 2.10 ist Q[x] ein Hauptidealring, da Q ein Körper ist. Der Kern ist ein Idealund wird daher von einem Polynom f(x) ∈ ker(ϕ) minimalen Grades erzeugt:ker(ϕ) = 〈f(x)〉. Offensichtlich liegt f(x) = x2−2 im Kern, ist irreduzibel, und er-zeugt daher den Kern von ϕ. Daraus folgt die Isomorphie Q[

√2] ∼= Q[x]/〈x2 − 2〉.

Erstaunlicherweise existiert die rechte Seite dabei „unabhängig von√

2 “. Die Zahl√2 muss aber offenbar die Restklasse x von x sein, denn x2 − 2 = 0.

Beispiel: f(x) = x2 + 1 R[i] ' C ' R[x]/〈x2 + 1〉

Beispiel: Der Auswertungshomomorphismus ist im Allgemeinen nicht surjektiv.Wähle dazu a = π in folgendem Beispiel:

Q� _

�

� � α // L = R

Q[x]ϕ

;; ϕ : ∑ ri xi 7→ ∑

ri πi ist nicht surjektiv. Wäre etwa π−1 im

Bild, würde aus π−1 = ϕ(f(x)) = ∑ni=0 riπ

i folgen, dass π dieGleichung 1 = ∑

rixi+1 über Q löst, und das stimmt nicht.

Mario Schulz 41/90 t7E` T Y AjU 3

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3 KÖRPER

Definition 3.5Sei L/K eine Körpererweiterung mit der Inklusion α : K → L und dem Auswer-tungshomomorphismus ϕ : K[x]→ L, so dass a = ϕ(x) ∈ L.Wenn ϕ injektiv ist, heißt a transzendent. Sonst heißt a algebraisch (oder algebra-isch abhängig) über K.Falls a algebraisch ist, heißt das Polynom f(x) ∈ K[x]\{0} minimalen Grades mitf(a) = 0 das Minimalpolynom von a über K und wird mit ma = ma,K bezeichnet.

Es gilt: a transzendent ⇔ a erfüllt keine algebraische Gleichung.Das Minimalpolynom ist als Erzeuger des Hauptideals ker(ϕ) = 〈ma〉 bis auf skalareVielfache eindeutig.Wir erinnern daran, dass für K ⊂ L 3 a der kleinster Teilkörper von L, der K ∪ {a}enthält, mit K(a) bezeichnet wird.Das Bild von ϕ : K[x] → L, also „Polynome ausgewertet in a“, entspricht der Mengeim(ϕ) = K[a] = {∑ ria

i | ri ∈ K}. Dies muss im Allgemeinen kein Körper sein, lässt sichaber wenigstens explizit hinschreiben.

Proposition 3.6Sei L/K eine Körpererweiterung und a ∈ L. Dann sind äquivalent:

(a) Es gilt K[a] = K(a).(b) Das Element a ∈ L ist algebraisch abhängig über K.(c) dimK K(a) <∞

In diesem Fall gilt für den Grad des Minimalpolynoms: λ(ma) = [K(a) : K]. DieseZahl heißt dann Grad von a über K. Das Minimalpolynom ma eines algebraischenElements ist irreduzibel. Das von ma erzeugte Ideal 〈ma〉 ist maximal in K[x].

Beweis :(b)⇒ (c) Sei a 6= 0 algebraisch mit Minimalpolynom ma.

ma(x) =n∑i=0

rixi n > 0 , rn = 1

⇒ r0 + r1a+ r2a2 + . . .+ rn−1a

n−1 + an = 0⇒ an = −r0 − r1a− . . .− rn−1a

n−1

⇒ an ist über K linear abhängig von {1, a, . . . , an−1}⇒ K[a] ist K-erzeugt von 1, a, . . . , an−1. Dies folgt induktiv über

an+1 = aan = a(−r0 − r1a− . . .− rn−1an−1) = −r0a− r1a

2 − . . .− rn−1an.

t7E` T Y AjU 3 42/90 Mario Schulz

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3 KÖRPER

Falls s01 + s1a + . . . + sn−1an−1 = 0 mit sj ∈ K ergibt sich, da dann g(x) =

s0 + s1x + . . . + sn−1xn−1 ein Polynom in K[x] mit Nullstelle a und kleinerem

Grad als ma ist, ein Widerspruch. Also ist {1, a, . . . , an−1} eine Basis von K[a]und dimK K[x] = λ(ma). Zusammen mit dem nächsten Beweisabschnitt folgt dieBehauptung in (c).

(b)⇒ (a) Wir zeigen zunächst, dass K[a] ein Körper ist. Dazu zeigen wir, dass 〈ma〉ein maximales Ideal ist, weil dann die Körpereigenschaft von K[a] = K[x]/〈ma〉mithilfe von Abschnitt 2.7 folgt.Das Bild im(ϕ) = K[x]/〈ma〉 ist Teilmenge des Körpers L, also ein Integritätsbe-reich. Folglich ist auch K[a] ein Integritätsbereich und damit 〈ma〉 ein Primideal.Daraus folgt, dass ma ein Primelement in K[x], also irreduzibel ist (vgl. 2.12).Um zu zeigen, dass 〈ma〉 6= 0 ein maximales Ideal ist, muss aus 〈ma〉 ⊂ I ⊂ K[x]gefolgert werden, dass I ∈ {〈ma〉 , K[x]}. Auch I = 〈f〉 wird von einem Elementerzeugt. Dann gibt es aber ein g, sodass ma = fg. Da ma irreduzibel ist, muss einerder Faktoren eine Einheit sein. Wenn f eine Einheit ist, folgt 〈f〉 = K[x]. Falls geine Einheit ist, folgt f = 1

gma und damit I = 〈ma〉.

Also ist 〈ma〉 maximal und K[a] = K[x]/〈ma〉 ein Körper.⇒ K[a] ⊃ K(a) (kleinster Körper mit dieser Bedingung)K[a] 3 {1, a, . . . , an−1} ⊂ K(a) ⇒ K[a] ⊂ K(a) ⇒ K[a] = K(a).

¬(b)⇒ ¬(a),¬(c) Sei jetzt a nicht algebraisch, sondern transzendent.BetrachteK(a) 3 a−1 und zeige, dass a−1 /∈ K[a]. Falls a−1 ∈ K[a] wäre, würde sichaus a−1 = r0+r1a+. . .+rnan ⇒ −1+r0a+r1a

2+. . .+rnan+1 = 0 ein nichttrivialesPolynom mit Nullstelle a und damit ein Widerspruch zur Transzendenz von aergeben. ⇒ a−1 /∈ K[a] ⇒ K[a] 6= K(a). Nun ist aber K[a] ⊂ K(a). ϕ injektivund K[a] = im(ϕ) ' K[x], ∞-dimensional über K, da die Elemente 1, a, a2, . . .linear unabhängig sind. �

Wir haben überdies gezeigt, dass für irreduzibles f(x) 6= 0, das Ideal 〈f(x)〉 maximalist. Der Körper K[x]/〈f(x)〉 hat als K-Vektorraum die Basis 1, x, x2, . . . , xn−1, wobein = λ(f(x)) sei. Um feststellen zu können, dass ein Polynom f(x) irreduzibel ist, schauenwir uns das folgende Kriterium an.

Theorem 3.7 Kriterium von EisensteinSei R ein faktorieller Ring, K der Quotientenkörper von R und

f(x) =n∑i=0

aixi ∈ R[x] mit n ≥ 1

Sei ferner p ∈ R irreduzibel mit p|ai für i = 0, . . . , n− 1 sowie p 6 | an und p2 6 | a0.Dann ist f(x) irreduzibel in K[x].Falls überdies f(x) primitiv ist, dann ist f(x) auch irreduzibel in R[x] (vgl. Satzvon Gauß 2.16).

Mario Schulz 43/90 t7E` T Y AjU 3

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3 KÖRPER

Beweis :Da deg(f(x)) = n ≥ 1 ist f(x) keine Einheit. Angenommen f(x) =: g(x)h(x) istreduzibel, also g, h ∈ R[x] mit 1 ≤ deg(g), deg(h) < n. Das Element p ist irreduzi-bel im faktoriellen Ring R, also auch prim, weswegen R/〈p〉 ein Integritätsbereichist. Dann hat R/〈p〉 einen Quotientenkörper L, dessen Polynomring L[x] faktoriellist (da L ein Körper ist). Reduziere die Koeffizienten modulo p. Betrachte dazu:

π : R[x]→ R/〈p〉 [x] ⊂ L[x]n∑i=0

aixi = f(x) 7→ π(f(x)) =

∑ai∈

R/〈p〉

xi = xnan da p|ai für i < n

anxn = π(f(x)) = π(g(x))π(h(x)) ∃j : π(g(x)) = bxj , π(h(x)) = cxn−j

Da L[x] faktoriell, ist die Primfaktorzerlegung (und damit j) eindeutig. Folglichwird g(0) und h(0) von p geteilt. Damit ergibt sich aus p2 | g(0)h(0)︸ ︷︷ ︸

f(0) = a0

ein Widerspruchzur Voraussetzung.

Beispiel: Direkte AnwendungEs sei f(x) = xn − pq mit Primzahl p, sodass p 6 | q. Dieses p erfüllt das Kriterium.f(x) ist normiert und damit primitiv. Folglich ist xn − pq irreduzibel in R[x].

Beispiel: Indirekte AnwendungSei p eine Primzahl und g(x) = xp−1

x−1 = xp−1 + xp−2 + . . . + 1. Angenommeng(x) =: g1(x)g2(x) ist reduzibel, also deg(g1), deg(g2) ≥ 1. Dann gilt aber auch:

g(x+ 1) = g1(x+ 1)g2(x+ 1)(∗)

g(x+ 1) = (x+ 1)p − 1x+ 1− 1 =

p∑j=0

(pj

)xj − 1

x=

p∑j=1

(pj

)xj−1

= xp−1 + pxp−2 + . . .+ p

Wegen p|(pj

)∀1≤j<p ist auf dieses Polynom das Kriterium von Eisenstein anwend-

bar. Also ist g(x + 1) irreduzibel. Nach (∗) muss g1 oder g2 eine Einheit sein.Folglich ist auch g(x) irreduzibel.

t7E` T Y AjU 3 44/90 Mario Schulz

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3 KÖRPER

Beispiele für Körpererweiterungen

Was passiert etwa bei (Q(√

2))(√

3)? Es ist√

3 /∈ Q(√

2), denn sonst wäre√

3 = a+ b√

2 mit a, b ∈ Q3 = a2 + 2b2 + 2ab

√2

⇒√

2 = (3− a2 − 2b2)2ab ⇒

√2 ∈ Q Widerspruch

⇒ ab = 0

falls a = 0 ⇒ 32 = b2 ⇒ 3

2 = p2

q2 ⇒ 3q2 = 2p2 ⇒ 2|q ⇒ 2|p

falls b = 0 ⇒ 3 = a2

Also ist√

3 /∈ Q(√

2) ⇒ 2 < dimQ(Q(√

2))(√

3) ≤ 4, da x2 − 3 das Minimalpolynomzu√

3 ist.Falls x2 − 3 über Q(

√2) Produkt von zwei Linearfaktoren ist, müssten diese, da C[x]

faktoriell ist, gleich x±√

3 sein, ein Widerspruch. Also ist x2−3 irreduzibel über Q(√

2).

Q2⊂ Q(

√2)

2⊂ (Q(

√2))(√

3)

⇒[(Q(√

2))(√

3) : Q]

= 4

Ist diese Erweiterung einfach? Probiere b :=√

2+√

3 und versuche das Minimalpolynomzu erraten.

b2 = (√

2 +√

3)2 = 5 + 2√

2√

3b2 − 5 = 2

√2√

3(b2 − 5)2 = 24

Also ist b eine Nullstelle des Polynoms x4 − 10x2 + 1 ∈ Q[x]. Falls dieses Polynomirreduzibel ist, würdeQ(

√2+√

3) = Q(√

2)(√

3) folgen. Da das Kriterium von Eisensteinleider nicht direkt anwendbar ist, versuchen wir etwas anderes. Offensichtlich gilt dieInklusion Q(

√2 +√

3) ⊂ Q(√

2)(√

3). Zu zeigen ist also√

2,√

3 ∈ Q(√

2 +√

3).

b2 = 5 + 2√

2√

3 b :=√

2 +√

3b3 = 11

√2 + 9

√3 = 2

√2 + 9b

b3 − 9b = 2√

2 ⇒√

2 ∈ Q(√

2 +√

3) ⇒√

3 ∈ Q(√

2 +√

3)⇒ Q(

√2 +√

3) = Q(√

2)(√

3)

Also ist auch x4 − 10x2 + 1 das Minimaplolynom und[(Q(√

2))(√

3) : Q]

= 4.

Definition 3.8Eine Körpererweiterng L/K heißt algebraisch genau dann, wenn alle a ∈ L alge-braisch abhängig über K sind.

Mario Schulz 45/90 t7E` T Y AjU 3

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3 KÖRPER

Proposition 3.9Seien M/L und L/K Körpererweiterungen. Dann gilt:

(a) L/K endlich ⇒ L/K algebraisch.(b) L/K endlich erzeugt und algebraisch ⇒ L/K endlich.(c) M/L und L/K algebraisch ⇒ M/K algebraisch.

Beweis :(a) Sei [L : K] <∞ und a ∈ L.Dann gilt auf jeden FallK(a) ⊂ L und [K(a) : K] <∞,

folglich können nicht alle 1, a, a2, . . . linear unabhängig über K sein. Es müssenalso nichttriviale λi ∈ K existieren, so dass ∑n

i=0 λiai = 0. Dann hat das Polynom

f(x) := ∑ni=0 λix

i ∈ K[x] die Nullstelle a, weshalb a algebraisch ist.(b) Wenn L/K endlich erzeugt und algebraisch ist, existieren algebraische a1, . . . , an ∈ L,

sodass L = K(a1, . . . , an). Wir erhalten die InklusionsketteK ⊂ K(a1) ⊂ K(a1, a2) ⊂ . . . ⊂ L = K(a1, . . . , an)

In jedem einzelnen Schritt haben wir nach Proposition 3.6 eine endliche Erweite-rung, da jedes ai algebraisch ist. Mit Lemma 3.3 folgt auch [L : K] <∞.

(c) Sei a ∈ M . Zu zeigen ist, dass a algebraisch über K ist. Nach Voraussetzung ista algebraisch über L, weshalb nach Definition ein f(x) = ∑n

i=0 bixi ∈ L[x] mit

f(a) = 0 existiert.Die Elemente b1, . . . , bn ∈ L sind nach Voraussetzung wiederum alle algebraischabhängig über K. Aus (b) ergibt sich, dass [K(b1, . . . , bn) : K] <∞.Offenbar ist f(x) ∈ K(b1, . . . , bn)[x]. Also ist [K(b1, . . . , bn, a) : K(b1, . . . , bn)] <∞nach Proposition 3.6. Zusammen mit obigem folgt nach Lemma 3.3 insgesamt[K(b1, . . . , bn, a) : K] < ∞ und damit auch auf jeden Fall [K(a) : K] < ∞,weshalb a algebraisch über K ist.

Das nächste Theorem widmet sich wieder unsererm ursprünglichen Problem algebraischeGleichungen zu lösen.

Theorem 3.10 Satz von KroneckerSei K ein Körper und f(x) ∈ K[x] ein irreduzibles Polynom. Dann existiert eineeinfache und algebraische Körpererweiterung L/K mit [L : K] = deg(f(x)), sodassf(x) in L mindestens eine Nullstelle hat.Jede polynomiale Gleichung ist lösbar!

Der Beweis verläuft konstruktiv.

t7E` T Y AjU 3 46/90 Mario Schulz

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3 KÖRPER

Beweis :Das Polynom f(x) ist irreduzibel, also nicht konstant und damit vom Grad ≥ 1.Nach Proposition 2.13 ist 〈f(x)〉 ⊂ K[x] ein maximales Ideal, also ist L := K[x]/〈f(x)〉ein Körper. Betrachte das folgende Diagramm:

K[x] π // // L = K[x]/〈f(x)〉

K?�

ι

OO

π|K : λ∈

K

7→λ

77oooooooooooooo

Sei π die Restklassenabbildung. Deren Einschrän-kung π|K auf den Körper K ist ein Ringhomomor-phismus und als solcher nach Proposition 2.5 injek-tiv. Daraus folgt die Inklusion K ⊂ L, weshalb Leine Körpererweiterung von K ist.

Nach Konstruktion gilt deg(f(x)) = [L : K]. Die Behauptung, dass f(x) =∑

aixi

in L eine Nullstelle x = π(x) hat, folgt ausf(π(x)) =

∑i

ai(π(x))i = π(∑

i

aixi)

= π(f(x)

)= 0

Aus der Unbestimmten wird also die Lösung der Gleichung. �

Vorgegeben sei ein Polynom f(x) ∈ K[x], welches wir als Produkt f(x) = f1(x) · · · fn(x)von Irreduziblen schreiben. Wir betrachten die Körpererweiterung L := K[x]/〈f1(x)〉von K. Ist f1(x) = a0 + a1x + . . . + anx

n, bildet 1, x, . . . , xn−1 eine Basis von L überK. Modulo 〈f1(x)〉 gilt xi · xj = xi+j und anx

n = −a0 − a1x − . . . − an−1xn−1. Der

Grad der Körpererweiterung ist [L : K] = n = deg(f1(x)). In L hat f1(x) die Nullstellex = x+ 〈f1(x)〉.Betrachte anschließend f1(x) über L[x] und dividiere den Linearfaktor der gefundenenNullstelle weg. Durch wiederholte Anwendung des Satzes von Kronecker und durch diedamit ggf. verbundenen Körpererweiterungen finden wir weitere Nullstellen.Gibt es nun für beliebiges K eine Körpererweiterung, in der alle polynomialen Gleichun-gen lösbar sind? Dies ist eine stärkere Frage, denn der Satz von Kronecker garantiertnur die Lösung für ein Polynom.Im Beispiel K = R ist nach dem Fundamentalsatz der Algebra C der geeignete Erwei-terungskörper.

Definition 3.11Ein Körper K heißt algebraisch abgeschlossen genau dann, wenn K eine der fol-genden äquivalenten Bedingungen erfüllt:

(a) Jedes nicht-konstante Polynom f(x) ∈ K[x] \K hat eine Nullstelle in K.(b) Jedes nicht-konstante Polynom f(x) ∈ K[x] \K zerfällt in ein Produkt von Line-

arfaktoren f = f1 · f2 · · · fn mit fi ∈ K[x] und deg(fi) = 1.(c) Jedes irreduzible normierte Polynom ist von der Form f(x) = x−a für ein a ∈ K.(d) Sei L/K eine algebraische Körpererweiterung. Dann ist L = K.

Wenn K algebraisch abgeschlossen ist, schreiben wir K = K.

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3 KÖRPER

Beweis :(a)⇒ (b) Das Polynom f(x) hat nach Voraussetzung die Nullstelle a ∈ K. Der

Polynomring ist euklidisch, weshalb Division mit Rest anwendbar ist:f(x) = q(x)(x− a) + r(x) mit f(x) = 0 oder deg(r(x)) < deg(x− a) = 1

Es folgt deg(r(x)) = 0, also r(x) = const. Setzt man die Nullstelle a ein, folgtüberdies r(x) = 0 wegen 0 = f(a) = q(a)(a−a) + r(a). Die Aussage (b) ergibt sichinduktiv.

(b)⇒ (c) ist klar.(c)⇒ (d) Sei a ∈ L. Es ist a ∈ K zu zeigen. Da a algebraisch ist, besitzt es ein

Minimalpolynom ma über K, welches irreduzibel und normiert ist. Aus (c) ergibtsich, dass ma(x) = x− b für ein b ∈ K gelten muss. Wegen ma(a) = 0 folgt b = a,also a ∈ K und damit L = K.

(d)⇒ (a) Sei f ∈ K[x] \ K Produkt von irreduziblen f = f1 · · · fn. Zu zeigen ist,dass f1(x) eine Nullstelle in K hat. Nach dem Satz von Kronecker enthält diealgebraische Körpererweiterung L := K[x]/〈f1(x)〉 eine Nullstelle von f1(x). NachAussage (d) ist L = K, wir haben also eine Nullstelle in K gefunden. �

Definition 3.12Sei K ein Körper und K ⊃ K eine algebraische Körpererweiterung, die algebraischabgeschlossen ist. Dann heißt K algebraischer Abschluss von K.

Es stellt sich die Frage nach Existenz und Eindeutigkeit eines algebraischen AbschlussesK. Wir wissen, dass R = C ist. Schon weniger klar ist der Fall Q, denn C/Q ist nichtalgebraisch. Für den Existenzbeweis wird ein Axiom der Mengenlehre gebraucht, welchesunabhängig vom gewöhnlichen Zermelo-Fraenkel-Axiomensystem ist.

AuswahlaxiomSei I 6= ∅ eine Menge und {Mi : i ∈ I} eine Familie nichtleerer Mengen,Mi 6= ∅ ∀i∈I . Dann existiert eine Funktion (Auswahlfunktion) f : I → ⋃

i∈IMi mitf(i) ∈Mi ∀i∈I . Es existiert also ein (xi)i∈I ∈×

i∈IMi.

Sei M eine Menge und ≤ eine partielle Ordnung auf M , das heißt eine Relation mit

∀x∈M x ≤ x Reflexivität∀x,y,z∈M x ≤ y ∧ y ≤ z ⇒ x ≤ z Transitivität∀x,y∈M x ≤ y ∧ y ≤ x ⇒ x = y Antisymmetrie

Es müssen aber nicht alle Elemente x und y vergleichbar sein. Ein gängiges Beispiel istdie Inklusion von Mengen.

t7E` T Y AjU 3 48/90 Mario Schulz

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3 KÖRPER

DefinitionDie Ordnungsrelation ≤ heißt Totalordnung :⇔ ∀x,y : x ≤ y ∨ y ≤ x.Sei N ⊂M . Ein Element a ∈M ist eine obere Schranke für N :⇔ ∀x∈N : x ≤ a.a ∈M ist ein maximales Element :⇔ ∀x∈M : x ≥ a ⇒ x = a.

Zornsches LemmaSei M 6= ∅ partiell geordnet durch ≤, so dass N ⊆ M total geordnet ist und eineobere Schranke a ∈M für N existiert.Dann gibt es ein maximales Element in M .

Das Zornsche Lemma ist äquivalent zum Auswahlaxiom, eignet sich aber besser für Be-weise. Das Auswahlaxiom sagt beispielsweise, dass jeder Vektorraum eine Basis besitzt,und dass es nicht messbare Mengen gibt. Auch lässt sich nur mit dem Auswahlaxiomdas Banach-Tarski-Paradoxon zeigen. In der Topologie wird es verwendet um zu bewei-sen, dass das Produkt kompakter Mengen kompakt ist. Wir werden es für die Existenzmaximaler Ideale brauchen.

Theorem 3.13Sei R ein Ring (in dem 0 6= 1 gilt). Dann existiert ein maximales Ideal I / R, alsoein Ideal I 6= R, so dass für Ideale J / R mit I ⊂ J ⊂ R entweder J = I oderJ = R folgt.

Beweis :Betrachte die Menge aller Ideale 6= R, also jene Ideale, die das Einselement nichtenthalten: X := {Mi ⊂ R : Mi /R , 1 /∈Mi}. Da 1 6= 0 ist, befindet sich zumindestdas Nullideal inX, weshalbX nichtleer ist. Diese Menge sei durch Inklusion partiellgeordnet: Mi ≤Mj ⇔ Mi ⊆Mj.Sei N ⊆ X total geordnet. Zu zeigen ist, dass eine obere Schranke für N existiert.Es bietet sich die Vereinigung M0 =

⋃Mi∈N

Mi an, denn M0 ≥Mi ∀Mi∈N .

Zu zeigen ist, dass M0 ∈ X ist, also M0 ein Ideal ungleich R ist.Um die Idealeigenschaft nachzuweisen, ist a + b, xa, ax ∈ M0 für a, b ∈ M0 undx ∈ R zu zeigen.Offenbar existiert ein i sodass a ∈ Mi und ein j sodass b ∈ Mj. Aus der totalenOrdnung in N folgt Mi ≤ Mj (oder Mj ≤ Mi), also a, b ∈ Mj. Dies ist jedoch einIdeal, weshalb a+ b ∈Mj gilt. Genauso ist xa ∈Mi und ax ∈Mi. Folglich ist auchM0 ein Ideal.

Mario Schulz 49/90 t7E` T Y AjU 3

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3 KÖRPER

Es verbleibt M0 6= R zu zeigen. Falls M0 = R 3 1 ergibt sich aus ∃Mi∈N : 1 ∈ Mi

sofort ein Widerspruch. Folglich istM0 eine obere Schranke in X für N . Wir habendamit die Voraussetzung von Zorns Lemma nachgeprüft, das heißt X ist „induktivgeordnet“. Es existiert also ein maximales Element I0 ∈ X, also ein Ideal I0 6= R,das maximal bezüglich Inklusion ist. �

Zu jedem Ring R finden wir also ein maximales Ideal I0 und damit auch einen KörperR/I0.

Theorem 3.14Jeder Körper K hat einen algebraischen Abschluss.

K = K ist nach Definition algebraisch abgeschlossen ⇔ f(x) ∈ K[x] \K Nullstelle inK hat ⇔ L/K algebraisch ⇒ L = K. Wir beweisen folgende schwächere Aussage,aus der das Theorem folgt:

Proposition (∗)Sei F ein Körper. Dann existiert eine Körpererweiterung L/F , sodass jedes nicht-konstante Polynom f(x) ∈ F [x] \ F eine Nullstelle in L hat.

Zunächst zeigen wir, dass daraus Theorem 3.14 induktiv folgt:Zu F = K = K0 existiert nach (∗) ein Erweiterungskörper L = K1, sodass alle Po-lynome in K0[x] \ K0 Nullstellen in K1 besitzen. Zu F = K1 existiert wiederum einErweiterungskörper L = K2 usw.Sei K :=

⋃n≥0

Kn. Betrachtet man K0 ⊂ K1 ⊂ K2 ⊂ . . . , ergibt sich für Elemente

a ∈ Ki, b ∈ Kj mit i ≤ j, dass a, b ∈ Kj 3 a+ b, a · b, weshalb K ein Körper ist.Sei f(x) = ∑n

i=0 aixi ∈ K[x] \K. Da es nur endlich viele Koeffizienten sind, existiert ein

Kj 3 a1, . . . , an. Also ist f(x) ∈ Kj[x] \Kj und hat eine Nullstelle in Kj+1 ⊂ K.Der Beweis dieser Aussage wird wesentlich weniger konstriktiv sein und das ZornscheLemma benötigen.Beweis : (∗)Betrachte I := F [x] \F als Indexmenge und mit R := F [xi : i ∈ I] einen Polynom-ring in I-vielen Variablen. Elemente in I sind Polynome f(x) ∈ F [x]. Es könnenbeliebige Variablen eingesetzt werden, weshalb wir f(xi) und damit auch f(xf )bilden können.Betrachte ferner das in R erzeugte Ideal A := 〈f(xf ) : f ∈ F [x] \ F 〉. Die Be-hauptung ist, dass A 6= R, also 1 /∈ A gilt und bildet den zentralen Aspektdes Beweises. Gegenannahme: 1 ∈ A, also 1 = ∑

i∈J gifi(xfi) mit gi ∈ R und|J | < ∞. Nach dem Satz von Kronecker existiert eine algebraische Körperer-weiterung F ′/F , sodass in F ′ jedes fi für i ∈ J eine Nullstelle hat. SortiereR = F [xi : i ∈ I] =

(F [xi : i /∈ J ]︸ ︷︷ ︸

Grundring

)[xi : i ∈ J ]︸ ︷︷ ︸

endl. viele Variablen

. Dies ist möglich, da J endlich

t7E` T Y AjU 3 50/90 Mario Schulz

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3 KÖRPER

ist. Aus Proposition 3.4 folgt die Existenz eines Auswertungshomomorphismus

ϕ : R =(F [xi : i /∈ J ]

)[xj : j ∈ J ]→ F ′[xi : i /∈ J ] ⊂ F ′[xi : i ∈ I]

fj = xj 7→ aj Nullstelle von fj in F ′

Betrachte 1 =∑j∈J

gjfj(xj). Da ϕ ein Ringhomomorphismus ist, ergibt sich aus

1 = ϕ(1) =∑j∈J

ϕ(gj)ϕ(fj(xj)

)=∑j∈J

ϕ(gj)0︷ ︸︸ ︷

fj(ϕ(xj)︸ ︷︷ ︸aj

) = 0

ein Widerspruch zu 1 6= 0.Also ist A 6= R. Wir betrachten den Quotientenring R/A (der nach obiger Überle-gung ein echter Ring ist). Aus Theorem 3.13 folgt, dass R/A ein maximales IdealM hat. An dieser Stelle ist der Beweis nicht mehr konstruktiv, denn es fließt ZornsLemma ein. Sei π : R→ R/A die Restklassenabbildung. Dann ist π−1(M) = H einmaximales Ideal in R und enthält A. Es gilt also A ⊂ H ⊂ R. Aus der Maximalitätvon H folgt, dass L := R/H ein Körper ist.Wir zeigen, dass L der in (∗) postulierte Erweiterungskörper ist.

L ist eine Körpererweiterung von F , denn F

injektiv nach 2.5

77⊂ R // // R/H = L

Sei f ∈ F [x] \ F . Zu zeigen ist, dass f eine Nullstelle in L hat. Aus xf ∈ A ⊂ Hfolgt f(xf ) = 0 in L, denn f(x) = ∑

aixi impliziert formal

f(π(xj)) =∑

ai=

π(ai)

(π(xf ))i = π(f(xf )︸ ︷︷ ︸∈A

) = 0.

Sozusagen ist xf die Nullstelle von f in A. Der Satz stellt damit eine naheliegendeErweiterung des Satzes von Kronecker dar.

Also existiert zu jedem Körper ein algebraischer Abschluss. Es stellt sich die Frage nachder Eindeutigkeit. Das Beispiel

Q ⊂ Q[√

2] α' Q[x]/〈x2 − 2〉 ⊃ Q α|Q = id |Qlegt es nahe zu verlangen, dass Isomorphismen von Körpererweiterungen den Grundkör-per elementweise festhalten.

Definition 3.15Seien L1/K und L2/K Körpererweiterungen von K. Ein Ringhomomorphismusϕ : L1 → L2 heißt K-Homomorphismus, wenn ∀x∈K ϕ(x) = x gilt.Falls ϕ zusätzlich bijektiv ist, heißt es K-Isomorphismus, und im Fall L1 = L2K-Automorphismus.

Mario Schulz 51/90 t7E` T Y AjU 3

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3 KÖRPER

Beispiel:Die komplexe Konjugation ist offenbar additiv und mul-tiplikativ (letzteres sieht man leicht an der Polardarstel-lung) und ist damit ein R-Automorphismus von C.

Analog kann man einen Q-Automorphismus von Q[√

2]konstruieren. (a, b ∈ Q)

ϕ : C→ Ca+ bi 7→ a− bi

z = reiα 7→ z = re−iα

ϕ : Q[√

2]→ Q[√

2]a+ b

√2 7→ a− b

√2

In beiden Fällen bilden die Automorphismen Nullstellen des Minimalpolynoms aufNullstellen ab:

mi,R(x) = x2 + 1 ⇒ mi,R(ϕ(i)

)= mi,R

(−i)

= 0

m√2,Q(x) = x2 − 2 ⇒ m√2,Q

(ϕ(√

2))

= m√2,Q

(−√

2)

= 0

Lemma (Nullstellen)Sei L/K eine Körpererweiterung und α : L→ L ein K-Automorphismus. Sei fernerf ∈ K[x] ein Polynom mit Nullstelle x0 ∈ L. Dann ist auch α(x0) eine Nullstelle.

Beweis :α(x0) erfüllt die Gleichung f(x) = ∑

λjxj = 0, denn

0 = α(0) = α(∑

λjxj0

)=∑

α(λj)︸ ︷︷ ︸=λj

(α(x0))j

Im Spezialfall einer einfachen Körpererweiterung L = K(a) bildet einK-AutomorphismusNullstellen des Minimalpolynoms von a auf Nullstellen desselben ab.

Proposition 3.16Seien K und K ′ Körper und σ : K → K ′ ein Isomorphismus. Es sei

σ∗ : K[x]→ K ′[x]∑λix

i 7→∑

σ(λi)xi

der induzierte Isomorphismus. Seien L/K und L′/K ′ Körpererweiterungen.(a) Für a ∈ L und a′ ∈ L′ mit ma′,K′ = σ∗(ma,K) gibt es genau einen Isomorphismus

ϕ : K(a)→ K ′(a′) mit ϕ(a) = a′ und ϕ|K = σ.(b) Für a ∈ L gilt: #{ϕ : K(a)→ L′ mit ϕ|K = σ} = #{x ∈ L′ : σ∗(ma,K)(x) = 0}

t7E` T Y AjU 3 52/90 Mario Schulz

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3 KÖRPER

Beispiel:Sei K = K ′ = Q und σ = id sowie ma,K(x) = x3−2 für beispielsweise a = 3

√2 ∈ R.

3√

2ei 2π3 ,

3√

2ei 4π3 /∈ Q( 3

√2) ⊂ R

σ∗(ma,K) = x3 − 2L′ = C{

x ∈ L′ : σ∗(ma,K)(x) = 0}

={

3√

2 , 3√

2eiπ3 , 3√

2ei 2π3}

Aus (b) folgt, dass es drei Abbildungen der Gestalt

1

i

3√

2

3√

2ei 2π3

3√

2ei 4π3

ϕ : Q(

3√

2)→ C mit ϕ|Q = id gibt. Im Fall L′ = R gibt es nur noch ein solches ϕ.

Beweis : Proposition 3.16

(a) Sei f := ma,K das Minimalpolynom von a. Es ist insbesondere irreduzibel. Be-trachte die folgenden Isomorphismen

K(a) ψ' K[x]/〈f〉 K ′(a′) ψ′

' K ′[x]/〈σ∗f〉a 7→x a′ 7→x

K[x] σ∗' K ′[x] ⇒ K[x]/〈f〉 σ∗

' K ′[x]/〈σ∗f〉〈f〉 → 〈σ∗f〉f 7→ σ∗f

und definiere die gesuchte Abbildung ϕ : K(a) ∼−→ K ′(a′) als Komposition der dreiIsomorphismen ψ′ ◦ σ∗ ◦ ψ−1 =: ϕ. Als solche ist ϕ selbst ein Isomorphismus.Nach Konstruktion gilt tatsächlich ϕ|K = σ und ϕ : a ψ−1

7−→ xσ∗7−→ x

ψ′7−→ a′. Damitist ϕ nach Proposition 3.4 zudem eindeutig.

(b) „≥“ Sei a′ ∈ L′ Nullstelle von σ∗(ma,K). Nach (a) existiert ein ϕ : K(a)→ K ′(a′)mit ϕ|K = σ. Wir nutzen K ′(a′) ⊂ L′ aus und komponieren mit der Inklusions-abbildung K(a) → K ′(a′) ↪→ L′ um eine Abbildung φ : K(a) → L′ mit φ|K = σzu erhalten.„≤“ Sei ϕ : K(a) → L′ mit ϕ|K = σ gegeben. Dann gilt ϕ∗ : ma,K 7→ σ∗(ma,K).Dabei wird eine Nullstelle vonma,K , etwa a selbst, auf eine Nullstelle von σ∗(ma,K)abgebildet, denn:

ma,K(x) =∑

λjxj︸ ︷︷ ︸

=0

7→∑ ϕ(λj)︷ ︸︸ ︷

σ(λj)xj︸ ︷︷ ︸=0

= σ∗(ma,K)(x)⇔

Wählt man diese Nullstelle als x ∈ L′ ergibt sich die umgekehrte Inklusion.�

Mario Schulz 53/90 t7E` T Y AjU 3

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3 KÖRPER

Theorem 3.17

(a) Sei L/K eine algebraische Erweiterung, M = Mund σ : K → M ein Homomorphismus. Dannexistiert ein Homomorphismus ϕ : L → M mitϕ|K = σ, das heißt ϕ setzt σ fort.

Kσ //

⊂ M = M

L

∃ϕ

::uuuuuuuuuu

(b) Sei K σ' K ′ und sei K bzw. K ′ der algebraischeAbschluss von K bzw. K ′. Dann existiert ein Iso-morphismus ϕ : K ∼→ K ′ mit ϕ|K = σ.

Kσ //

⊂ K ′⊂

K ∃ϕ∼ // K ′

(c) Seien L1 und L2 algebraische Abschlüsse von K.Dann existiert ein K-Isomorphismus L1 ' L2.

K⊂ ⊂L1 ∃ϕ

∼ // L2

Beweis :(a) Im Falle einer einfachen Körpererweiterung L = K(a) existiert nach Proposition

3.16 eine Abbildung ϕ der gewünschten Form. (Nullstellen von σ∗(ma,K) existierenin M = M .)Für beliebiges algebraisches L ⊃ K verwendenwir Zorns Lemma. Wir betrachten dazu

X := {(K ′, τ ′) : K ⊂ K ′ ⊂ L, τ ′|K = σ}

also die in Diagramm (1) illustrierte Situa-tion. Auf X kann eine partielle Ordnung(K ′, τ ′) ≤ (K ′′, τ ′′) definiert werden, falls Dia-gramm (2) und τ ′′|K′ = τ ′ gilt.Zu zeigen ist, dass jede total geordnete Teilmen-ge von X eine obere Schranke in X hat.

Diagramm (1)

K⊂

σ // M

K ′⊂

τ ′

==||||||||

L

Diagramm (2)

K⊂

σ // M

K ′⊂

τ ′

=={{{{{{{{

K ′′⊂

τ ′′

NN

L

Sei {(Ki, τi)}i∈I ⊂ X total geordnet. Für i, j ∈ I gelte also (Ki, τi) ⊆ (Kj, τj)oder umgekehrt. Betrachte

( ⋃i∈IKi ,

⋃i∈Iτi

)als Kandidat einer oberen Schranke.

⋃i∈IKi ist ein Körper, denn für a, b ∈ ⋃

i∈I Ki existieren i1, i2 mit a ∈ Ki1 und

b ∈ Ki2 . Für oBdA i1 ≤ i2 ⇒ a, b ∈ Ki2 3 a+ b, a · b, 1a

Von der Vereinigung ⋃i∈I τi können wir reden, wenn wir die Funktion f als Rela-tion {(x, f(x))} schreiben. Für i ≤ j ergibt sich, da τj Fortsetzung von τi ist, aus(x, τi(x)) = (x, τj(x)) die Wohldefiniertheit.

t7E` T Y AjU 3 54/90 Mario Schulz

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3 KÖRPER

Die Voraussetzungen von Zorns Lemma sind damit erfüllt. Folglich existiert in Xein maximales Element (L′, τ ′). Wir behaupten, dass L′ = L.

Aus der Gegenannahme L′ $ L folgt die Existenz ei-nes a ∈ L \ L′. Da L/K algebraisch ist, muss diesesa algebraisch sein. Aus Proposition 3.16 ergibt sich ne-benstehendes Diagramm und damit ein Widerspruch zurMaximalität von (L′, τ ′). Also gilt L′ = L.

K⊂

σ // M = M

L′ = Lτ ′=:ϕ

<<xxxxxxxx

K⊂

σ // M = M

L′⊂τ ′

;;wwwwwwwww

L′(a)

⊂∃τ ′′ �

LL

L

(b) Schreiben wir das Diagramm aus Teil (b) etwas um, können wir aus Teil (a) dieExistenz eines Homomorphismus ϕ : K → K ′ mit ϕ|K = σ folgern:

K

σ∼

// K ′ ⊂ K ′ =: M = M

K∃ϕ nach Teil (a)

::

Da K ein Körper ist, muss ϕ nach Propositin 2.5 injektiv sein. Wir zeigen nochdessen Surjektivität. Aus der Injektivität können wir zunächst ϕ(K) ' K folgern.Gleichzeitig gilt ϕ(K) ⊃ ϕ(K) = σ(K) = K ′, woraus K ′ ⊂ ϕ(K) ⊂ K ′ folgt. Indieser Inklusionskette handelt es sich ausschließlich um algebraische Erweiterun-gen. ϕ(K) ist bereits algebraisch abgeschlossen, weswegen gemäß Definition 3.11(d) die Gleichheit ϕ(K) = K ′ folgt. Also ist ϕ ein Isomorphismus.

(c) Dieser Teil ist ein Spezialfall von Teil (b) für K = K ′

K⊂

σ=id // K⊂

L1 ∃ϕ// L2

⇒ ϕ ist ein K-Isomorphismus.Wir haben damit gezeigt, dass der algebraische Abschluss K eindeutig bis aufK-Isomorphie ist. Alle algebraische Erweiterungen L/K finden also (bis auf K-Isomorphie) in K statt.

Mario Schulz 55/90 t7E` T Y AjU 3

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

4 Körpererweiterungen und Galoistheorie

Wir stellen uns zunächst konkrete Fragen:• Zu einfachen Erweiterungen: Wir haben

(Q(√

2))(√

3) = Q(√

2 +√

3) gesehen.Gilt auch allgemein

(Q(a1)

)(a2) ?= Q(a3) für ein a3?

• Der Satz von Kronecker sagt, dass ein irreduzibles f(x) mindestens eine Lösung inK[x]/〈f(x)〉 hat. Er liefert uns also einen Körper, der eine Nullstelle enthält. Gibtes auch einen Körper, der alle Nullstellen enthält?• Zu endlichen Körpern: Z/pZ ist ein endlicher Körper, falls p eine Primzahl ist.

Andernfalls liegt kein Körper vor, da dann Nullteiler enthalten sind. Wie sehenKörpererweiterungen von Z/pZ aus?

Definition 4.1 ZerfällungskörperSei K ein Körper und f(x) ∈ K[x] ein Polynom vom Grad n ≥ 1. Sei ferner L/Keine Körpererweiterung. Dann heißt L Zerfällungskörper von f(x) genau dann,wenn a1, . . . , an ∈ L und c ∈ K existieren, sodass

f(x) = cn∏i=1

(x− ai)(1)

L = K(a1, . . . , an)(2)

Also wird L erzeugt (über K) von den Nullstellen ai von f(x).

Ein Zerfällungskörper L existiert, da K einen algebraischen Abschluss K besitzt, derentsprechende Elemente a1, . . . , an enthält.

Der Satz von Kronecker liefert nicht immer einen Zerfäl-lungskörper. Betrachten wir Q[x] 3 f(x) = x3 − 2, gilt

Q[x]/〈x3 − 2〉 ' Q( 3√

2) ⊂ R

Das Polynom f hat aber auch Nullstellen im Komplexen,wie nebenstehende Abbildung zeigt.

1

i

3√

2

3√

2ei 2π3

3√

2ei 4π3

Wie lässt sich die Dimension des Zerfällungskörper beschreiben?

dimQ( 3√

2) = deg(x3 − 2) = 3dim(Zerfällungskörper) > 3

Zur Eindeutigkeit des Zerfällungskörpers: In K existiert ein Zerfällungskörper L. Wirerhalten also die Inklusionskette K ⊂ L ⊂ K ⊂ L. Andererseits ist L/K algebraisch.K ⊂ L ⊂ L sind alles algebraische Erweiterungen, weswegen nach Proposition 3.9 (c)folgt, dass L/K algebraisch ist. Also ist auch L/K algebraisch, woraus L = K folgt

t7E` T Y AjU 3 56/90 Mario Schulz

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

(vgl. 3.11). Der algebraische Abschluss K = L ist eindeutig bis auf Isomorphie. Fürden Zerfällungskörper L gilt damit das Gleiche. Dagegen ist zu einem vorgegebenenZerfällungskörper L das entsprechende Polynom f(x) nicht eindeutig.Beispiel:Das Polynom f1(x) = x2 + 1 hat über K = R den Zerfällungskörper L = C.Gleiches gilt auch für f2(x) = (x2 +1)(x−5), das Polynom f muss schließlich nichtirreduzibel sein.Aber auch f3(x) = (x− (1 + i))(x− (1− i)) = x2 − 2x+ 2 ∈ R[x] hat über R denZerfällungskörper C und ist nach Eisenstein irreduzibel.

Definition 4.2Sei L/K eine Körpererweiterung und Λ eine Menge von nichtkonstanten Polynomenin K[x]. Dann heißt L Zerfällungskörper von Λ über K, wenn über L alle Polynomein Λ in Produkte von Linearfaktoren zerfallen und L minimal bezüglich dieserEigenschaft ist. Minimalität bedeutet hier, dass für alle L0 mit K ⊂ L0 ⊂ L undder Eigenschaft, dass über L0 alle Polynome in Λ in Produkte von Linearfaktorenzerfallen, L0 = L gilt.Eine Körpererweiterung L/K heißt normal, wenn es eine Menge Λ von nichtkon-stanten Polynomen in K[x] gibt, sodass L der Zerfällungskörper von Λ ist.

Proposition 4.3Für K ⊂ L ⊂ K sind äquivalent:

(a) Alle über K irreduziblen f ∈ K[x] mit Nullstelle in L lassen sich über L alsProdukt von Linearfaktoren schreiben.

(b) L/K ist normal.(c) Ein K-Homomorphismus ϕ : L→ K erfüllt ϕ(L) = L.

Beweis :(b)⇒ (c) Sei L normal über K. Also existiert ein Λ ⊂ K[x], sodass L = K(N),

wobei N = {Nullstellen von allen f ∈ Λ}. Für einen K-Homomorphismus ϕ istϕ(L) = L zu zeigen. Es gilt ϕ|K = id, also ϕ(K) = K. Da ϕ nach Proposition 2.5überdies injektiv ist, genügt es, die Implikation a ∈ N ⇒ ϕ(a) ∈ N zu zeigen:

a ∈ N ⇒ ∃f∈Λ : f(a) = 0 ϕ∗(f) = f ⇒ f(ϕ(a)) = 0 ⇒ ϕ(a) ∈ N

(c)⇒ (a),(b) Sei a ∈ L und ma,K das Minimalpolynom. Wir zeigen über L, dassma,K Produkt von Linearfaktoren ist. In K zerfällt ma,K bereits in Linearfaktoren.Sei b eine weitere Nullstelle von ma,K . Es gelten die Isomorphien

K[x]/〈ma,K〉 ' K(a) σ' K(b) ' K[x]/〈mb,K〉 wobei σ(a) = b.

Mario Schulz 57/90 t7E` T Y AjU 3

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

Wir betrachten ein kommutatives Diagrammwie in Theorem 3.17 (a). Nach Voraussetzungist ϕ(L) = L. Aus ϕ(a) = σ(a) = b folgt, dassb ∈ L ist. Alle Nullstellen von ma,K liegenalso in L, woraus Aussage (a) folgt.

K(a)

σ∼

// K(b) � � // K

L

∃ϕ K-Homomorphismus

55

Desweiteren ist L der Zerfällungskörper von {ma,K : a ∈ L}. Es folgt Aussage (b).(a)⇒ (c) Sei ϕ : L→ K ein K-Homomorphismus. Zu zeigen ist ϕ(L) = L.

Sei a ∈ L. Wir zeigen, dass dann ϕ(a) ∈ L ist. Das Minimalpolynom ma,K ∈ K[x]ist irreduzibel und hat eine Nullstelle in L. Nach Aussage (a) liegen daher alle seineNullstellen in L. Sei x0 eine solche Nullstelle, also ma,K(x0) = ∑

λixi0 = 0.

Da ϕ ein K-Homomorphismus ist, ergibt sich vermöge

0 = ϕ(0) = ϕ(∑

λixi0

)=∑

ϕ(λi)︸ ︷︷ ︸λi

(ϕ(x0)i) =∑

λi(ϕ(x0)i) ,

dass ϕ(x0) auch eine Nullstelle ist und daher in L liegt: x0 := a ⇒ ϕ(a) ∈ L. �

Irreduzible Polynome können dennoch mehrfache Nullstellen haben. Dieses Problem wirdim Folgenden wegdefiniert.

Definition 4.4

(a) Sei K ⊂ L ⊂ K. Der Separabilitätsgrad [L : K]s ist definiert als Anzahl derverschiedenen K-Homomorphismen L→ K.

(b) Sei L/K endlich. L/K heißt separabel ⇔ [L : K]s = [L : K].(c) Ein Element a ∈ K heißt separabel über K genau dann, wenn ma,K in K nur

einfache Nullstellen hat.

Falls L/K normal ist, gilt [L : K]s=

= |AutK(L)|

=

|{K-Hom : L→ K}| = |{K-Isom : L→ L}|

Ist ϕ : L→ K ein K-Homomorphismus, folgt ϕ(L) = L ⇒ ϕ ∈ AutK(L).AutK(L) kann somit als „Symmetriegruppe“ von L/K verstanden werden.

LemmaDer Grad einer Körpererweiterung ist obere Schranke des Separabilitätsgrad.

[L : K] ≥ [L : K]s

t7E` T Y AjU 3 58/90 Mario Schulz

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

Beweis :

Ist L/K endlich, also L = K(a1, . . . , an) definiere schrittweise:L0 := K und Li := Li−1(ai). Dann ist [L : K] = ∏[Li : Li−1].Ebenso gilt [L : K]s = ∏[Li : Li−1]s nach Theorem 3.17.Für die einfache Körpererweiterung Li = Li−1(ai) ist:

Li−1 //

��

K

Li

=={{{{{{{{

Li = Li−1[x]/〈mai,Li−1〉

[Li : Li−1] = deg(mai,Li−1) ≥ #{Nullstellen von mai,Li−1}3.16 (b)= [Li : Li−1]s

Folglich gilt immer [L : K] ≥ [L : K]s. �

Beispiel:Sei f(x) ∈ Q[x] mit Nullstelle a der Vielfachheit `. Wir werden damit etwas Unal-gebraisches machen, nämlich ableiten:

Q[x] 3 f(x) = (x− a)`g(x)f ′(x) = `(x− a)`−1g(x) + (x− a)`g′(x)

` > 1 ⇒ f ′(a) = 0` = 1 ⇒ f ′(a) = g(a)︸ ︷︷ ︸

6=0

+ 0

Wir erkennen, dass f(x) die Nullstelle a mit Vielfachheit ` > 1 hat ⇔ f ′(a) = 0.In beliebigem K[x] haben wir keine Grenzwerte. Wir definieren daher f ′(x) überdie „Ableitungen“ der Monome (xn)′ := nxn−1, wobei n = 1 + . . . + 1 als n-fache Summe des Einselements zu verstehen ist. Die so definierte Ableitung einesPolynoms ist additiv und es gelten Produkt- und Kettenregel. Damit funktioniertobiges Argument.Man beachte allerdings, dass für K = Fp := Z/pZ und f(x) = xp gilt, dassf ′(x) = pxp−1 = 0 ist, da p = 0 ist, daraus aber nicht folgt, dass f(x) konstant ist.

Lemma 4.5Sei a ∈ K. Dann ist a separabel über K genau dann, wenn m′a,K 6= 0 ist.

Beweis :Aus der Gegenannahme m′a,K = 0 folgt mit m′a,K(a) = 0, dass a eine mehrfacheNullstelle von ma,K und damit nicht separabel ist.Sei umgekehrt m′a,K 6= 0, woraus zu folgern ist, dass ma,K nur einfache Nullstellenhat. Das Minimalpolynom ma,K ist irreduzibel, weswegen m′a,K kein Teiler dessel-ben sein kann. Da wegen degm′a,K < degma,K auch ma,K 6 |m′a,K gilt, sind ma,K

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undm′a,K teilerfremd. Es existieren also Polynome α, β, sodass 1 = αma,K+βm′a,K .Sei ma,K(b) = 0. Wir zeigen m′a,K(b) 6= 0. Einsetzen von b ergibt tatsächlich:

1 = α(b)ma,K(b)︸ ︷︷ ︸=0

+β(b)m′a,K(b) = β(b)m′a,K(b) ⇒ m′a,K(b) 6= 0

Nach obigem Beispiel ist b dann eine einfache Nullstelle. �

Bemerkung: pxp−1 = 0 passiert über Fp, aber nicht über Q.

Definition 4.6Sei K ein Körper. Die Charakteristik char(K) von K definieren wir als minimalesn ∈ N, sodass ∑n

i=1 1 = 0 in K gilt. Falls kein solches n ∈ N existiert, setzen wirchar(K) = 0.

Beispiel:

char(Fp) = p char(Q) = 0 char(K) = n ∈ N

Falls n = ab mit a, b ∈ N \ {1} gilt, folgt zum einen, dass ∑ni=1 1 = 0 ist und zum

anderen, dass Elemente αβ ∈ K \ {0} existieren, mit

K 3 α :=a∑i=1

1 6= 0 6=b∑i=1

1 = β ∈ K αβ =ab∑i=1

1 = 0

Letzteres ist ein Widerspruch zur Nullteilerfreiheit von K.

Proposition 4.7

(a) L/K separabel ⇔ ∀a∈L : a separabel über K(b) L/K separabel ⇔ es existieren über K separable a1, . . . , an mit L = K(a1, . . . , an)(c) char(K) = 0 und L/K endlich ⇒ L/K separabel(d) char(K) = p 6= 0 und L/K endlich, sowie p 6 | [L : K] ⇒ L/K separabel(e) Ist K ⊂M ⊂ L, gilt: L/K separabel ⇔ L/M und M/K separabel

Beweis :(e) Die Gradformeln besagen

[L : K] = [L : M ] · [M : K] [L : K]s = [L : M ]s · [M : K]s

Also ist [L : K] = [L : K]s ⇔ [M : K] = [M : K]s und [L : M ] = [L : M ]s

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

(a),(b) Wir zeigen die Implikationen im Uhrzeigersinn.„⇒“ Sei L/K separabel und a ∈ L. Zu zeigen ist, dass a separabel ist.Aus K ⊂ K(a) ⊂ L folgt mit (e), dass K(a) separabel über K ist.

deg(ma,K) = [K(a) : K] = [K(a) : K]s 3.16= #{Nullstellen von ma,K}

Folglich hat ma,K nur einfache Nullstellen, weshalb a separabel ist.„⇓“ Falls alle a ∈ L separabel sind, existieren separable a1, . . . , an, sodass L =K(a1, . . . , an), da eine endliche Körpererweiterung vorliegt.„⇐“ Sei L = K(a1, . . . , an) mit separablen ai. Zu zeigen ist, dass L/K separabelist. Wir betrachten L0 := K sowie Li := Li−1(ai). Wegen (e) reicht es zu zeigen,dass Li separabel über Li−1 für alle i ist.Da ai separabel überK ist, hatmai,K nur einfache Nullstellen. Wegenmai,Li−1 |mai,K

hat auch mai,Li−1 nur einfache Nullstellen. Es folgt (insbesondere die zweite Gleichheit):

[Li : Li−1] = deg(mai,Li−1) = #{Nullstellen von mai,Li−1}3.16= [Li : Li−1]s

(c) Sei char(K) = 0. Zu zeigen ist, dass L/K separabel ist. Wir können uns eineder bereits gezeigten Bedingungen aussuchen, zum Beispiel (a). Wir zeigen also,dass alle a ∈ L separabel sind, indem wir nachweisen, dass ma,K nur einfacheNullstellen hat. Dazu ist m′a,K 6= 0 zu zeigen. Da char(K) = 0, gilt degma,K =n ⇒ degm′a,K = n − 1. Daher gilt immer, dass m′a,K 6= 0 ist, da entweder derGrad zu groß ist, oder die Ableitung konstant Eins wird.

(d) Es gilt (xn)′ = nxn−1 = 0 ⇔ p|n. Sei a ∈ L. Zu zeigen ist, dass a separabel ist.Über die Gradformel angewendet auf die Inklusionskette K ⊂ K(a) ⊂ L folgt:

p 6 | [L : K] = [L : K(a)] · [K(a) : K]

⇒ p 6 | [K(a) : K] = deg(ma,K) ⇒ m′a,K 6= 0; ⇒ a ist separabel

Theorem 4.8 Satz vom primitiven ElementSei L/K endlich und separabel. Dann existiert ein a ∈ L mit L = K(a), das heißt,L ist eine einfache Körpererweiterung.

Im Beweis unterscheiden wir die beiden Fälle |K| <∞ und |K| =∞.Im ersten Fall gilt |K| < ∞ ⇒ |L| < ∞ ⇒ L∗ = L \ {0} ist eine endlichemultiplikative Gruppe. Wie wir sehen werden, erzwingen die Körperaxiome eine ganzspezielle Gruppenstruktur: L∗ wird sich als zyklisch herausstellen. Wir zeigen sogarallgemeiner folgendes Lemma:

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

LemmaSei L irgendein Körper und G ⊂ L∗ eine endliche Gruppe. Dann ist G zyklisch.

Beweis :Wegen G ⊂ L∗ muss G abelsch sein. Daher sind die p-Sylowuntergruppen von Geindeutig. Wir betrachten das Produkt ∏p Sylp(G) ⊂ G.

|G| = pn11 p

n22 . . . =

∣∣∣Sylp1(G)∣∣∣ · ∣∣∣Sylp2(G)

∣∣∣ · · · ⇒ G =∏p

Sylp(G)

Zu zeigen ist, dass Sylp(G) für alle p zyklisch ist. Die Gruppe ist abelsch und es gilt∣∣∣Sylp(G)∣∣∣ = pn. Zu zeigen ist daher, dass ein x ∈ Sylp(G) mit ord(x) = pn existiert.

Falls kein solches x existiert, gilt ∀y∈Sylp(G) : ord(y) | pn−1, also ypn−1 = 1. Folglichsind alle (pn-viele!) Elemente Nullstellen von ypn−1 − 1 = 0. Dies widerspricht derTatsache, dass im Körper L ein Polynom nicht mehr Nullstellen als sein Gradhaben kann. Sylp(G) muss also zyklisch sein.

∀p | |G| ⇒ G '∏p | |G|

Z/npZ︸ ︷︷ ︸p−Syl

, wobei np Potenz von p ist

⇒ ggT(np, np′) = 1 für p 6= p′ ⇒ G ' Z/∏npZ (chinesischer Restsatz)

Beweis : Satz vom primitiven Element1. Fall: |K| <∞. Nach obigem Lemma ist

L∗ = 〈a〉 = {an : n ∈ Z} ⇒ L = {an : n ∈ Z} ∪ {0} ⇒ L = K(a)

2. Fall: |K| =∞. Hier verwenden wir, dass L/K separabel ist.L/K endlich ⇒ L = K(a1, . . . , an) ⊃ K(a1, . . . , an−1) ⊃ . . .Mit Induktion genügtes zu zeigen, dass L = K(a, b) ⇒ ∃c : L = K(c).Wir betrachten die KörperK ⊂ L ⊂ K und die verschiedenenK-Homomorphismenϕ1, . . . , ϕm : L→ K, wobei m = [L : K]s = [L : K] gilt, da L/K separabel ist. Sei

g(x) :=∏i<j

((ϕi(a)− ϕj(a))x+ ϕi(b)− ϕj(b)

)Die Faktoren sind alle ungleich Null, da wegen ϕi 6= ϕj aus ϕi(a) = ϕj(a) folgt,dass ϕi(b) 6= ϕj(b) ist. g ist also nicht das Nullpolynom. Da |K| =∞ vorausgesetztist, existieren folglich unendlich viele λ ∈ K mit g(λ) 6= 0. Man beachte, dassϕi(λ) = λ = ϕj(λ) gilt, da ϕi|K = id ist. Wir erhalten

0 6= g(λ) =∏i<j

((ϕi(a)− ϕj(a))λ+ ϕi(b)− ϕj(b)

)=∏i<j

(ϕi(λa+ b)− ϕj(λa+ b)

)⇒ ϕi(λa+ b) 6= ϕj(λa+ b) für i 6= j

t7E` T Y AjU 3 62/90 Mario Schulz

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Wir zeigen, dass λa+ b das gesuchte c mit K(c) = L = K(a, b) ist.Das Minimalpolynom mλa+b,K ∈ K[x] hat unter anderem die Nullstelle λa+ b. Daϕi ein K-Homomorphismus ist, gilt ϕ∗imλa+b,K = mλa+b,K . Folglich bildet ϕi Null-stellen des Minimalpolynoms auf ihresgleichen ab. ϕi(λa+b) sind also verschiedeneNullstellen für i = 1, . . . ,m. Wir folgern, dass mλa+b,K mindestens vom Grad m istund erhalten:

m ≤ deg(mλa+b,K) = [K(λa+ b) : K]m = [L : K]s = [L : K] = [L : K(λa+ b)] · [K(λa+ b) : K]

⇒ [L : K(λa+ b)] = 1 ⇒ L = K(λa+ b), das heißt, c = λa+ b funktioniert. �

Theorem 4.9

(a) Sei n ∈ N und p eine Primzahl. Dann ist der Zerfällungskörper L vonf(x) = xp

n − x ein Erweiterungskörper von Fp = Z/pZ mit [L : Fp] = n. Esgilt |L| = pn und L = {Nullstellen von f(x)}. Außerdem ist L/Fp algebraisch,separabel und normal.Bezeichnung: L =: Fq für q = pn. Man beachte aber, dass L 6∼= Z/pnZ, da letzteresfür n > 1 kein Körper ist.

(b) Fq ist bis auf Isomorphie der einzige Körper mit q = pn Elementen. Jeder endlicheKörper ist zu genau einem Fq isomorph.

(c) Die Gruppe AutFp(Fq) ist zyklisch von Ordnung n und erzeugt von Fr : x 7→ xp,dem Frobenius-Automorphismus.

Das Theorem behauptet also, dass es für alle Primzahlen p und alle n ∈ N bis aufIsomorphie genau einen Körper Fq der Ordnung q := pn gibt. Dieses Fq ist algebraischüber Fp = Z/pZ, separabel und normal. Ferner ist Fq gleich der Menge aller Nullstellenvon f(x) = xp

n − x. Außer diesen gibt es keine anderen endlichen Körper.Beweis :

(a),(b) Sei K ein endlicher Körper der Charakteristik char(K) = p für eine Primzahl p.Fp = {0, 1, . . . , p−1} ⊂ K ⇒ K ist Erweiterung von Fp vom Grad [K : Fp] =: n.Das bedeutet, dass K ein Fp Vektorraum der Dimension n ist. Wir wissen dannüber die Anzahl seiner Elemente, dass |K| = pn = q sowie |K \ {0}| = |K∗| = q−1gilt. Wir folgern:

∀x∈K∗ xpn−1 = x|K

∗| = 1 ⇒ ∀x∈K xpn − x = 0

Alle Elemente vonK sind also Nullstellen des Polynoms f(x) = xpn−x. Sein Grad

ist deg(f(x)) = pn = |K| und wir erhalten K = {Nullstellen von f(x)}. Da derenAnzahl gleich dem Grad des Polynoms ist, müssen es lauter einfache Nullstellensein. Folglich ist K/Fp separabel. Offensichtlich ist K der Zerfällungskörper vonf(x), also auch normal und eindeutig bis auf Isomorphie.

Mario Schulz 63/90 t7E` T Y AjU 3

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Es verbleibt die Existenz von K zu zeigen. Zu gegebenen p und n betrachten wirf(x) = xp

n−x über Fp. In Fp zerfällt f(x), weshalb wir die Menge aller Nullstellenvon f(x) als Teilmenge von Fp betrachten können. Wir zeigen, dass es sich dabeium einen Körper handelt, indem wir die Körperaxiome verifizieren. Offensichtlichsind 0 und 1 Nullstellen von f(x). Sind a und b weitere Nullstellen, gilt:

(a+ b)q − (a+ b) = aq +

≡ 0 mod p︷ ︸︸ ︷∑. . .+ bq − a− b = 0

(ab)q − ab = (aq − a)︸ ︷︷ ︸=0

bq + a (bq − b)︸ ︷︷ ︸=0

= 0

(a−1)q − a−1 = (aq=

a

)−1 − a−1 = 0

Die Menge aller Nullstellen von f(x) ist damit tatsächlich ein Körper über Fp, alsoder Zerfällungskörper von f(x). Zu zeigen ist noch, dass alle Nullstellen einfachsind. Dazu leiten wir ab:

f(x) = xq − x f ′(x) =pn≡ 0 mod p

=

qxq−1 − 1 ≡0

6=

−1 mod p

Jede Nullstelle ist einfach, folglich ist deren Anzahl gleich pn = q. Die Menge allerNullstellen von f(x) ist algebraisch, separabel und normal über Fp.

(c) Der Frobeniusautomorphismus Fr : x 7→ xp ist ein Körperautomorphismus (vgl.Übungspergament 5). Dieser ist injektiv, da Fp ein Körper ist, also surjektiv. Wirzeigen, dass tatsächlich 〈Fr〉 = AutFp(Fq) gilt.Sei s := ord(Fr), also Frs = id. Wegen q = pn zeigen wir, dass n = s gilt.

Frn(a) = (ap)p ··· = apn = a ⇒ s|n

Frs(a) = a ⇒ aps = a ⇒ ap

s − a = 0

Alle a sind also Nullstellen von xps − x. Folglich hat dieses Polynom mindestenspn Nullstellen woraus s ≥ n und damit s = n beziehungsweise ord(Fr) = n folgt.

n = |〈Fr〉| ≤∣∣∣AutFp(Fq)

∣∣∣ = [Fq : Fp]s ≤ [Fq : Fp] = n

Es gelten also lauter Gleichheiten, woraus die Behauptung 〈Fr〉 = AutFp(Fq) folgt.�

Unser Ziel ist es, Körpererweiterungen L/K mit entsprechenden Automorphismengrup-pen AutK(L) (den „Symmetrien“) in Verbindung zu bringen. Allerdings kann das nichtimmer funktionieren.

Als Gegenbeispiel dient wieder K = Q und L = Q( 3√

2).Das Polynom x3 − 2 hat eine relle Nullstelle. Es giltQ( 3√

2) ⊂ R und AutQ(Q( 3√

2)) = {id}, weil der Automor-phismus 3

√2 auf sich selbst abbilden muss. Um solche Fälle

zu vermeiden, werden wir fordern, dass die Körpererweite-rung normal sein muss.

1

i

3√

2

3√

2ei 2π3

3√

2ei 4π3

t7E` T Y AjU 3 64/90 Mario Schulz

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Definition 4.10 GaloisEine Körpererweiterung L/K heißt Galoiserweiterung oder galoissche Erweiterung,wenn L/K normal und separabel ist.Die Gruppe AutK(L) heißt dann Galoisgruppe von L/K und wird mit Gal(L/K)oder G(L/K) bezeichnet.

(nach Evariste Galois, 1811-1832)

Ist L/K normal und separabel, gilt gemäß Definition 4.4:

|AutK(L)| = [L : K] = [L : K]s = #{K-Hom : L→ K}

Beispiel: Zerfällungskörper L von f(x) = x3 − 2 über Q = K

Das Polynom f(x) ist vom Grad 3.

L>1⊃ Q( 3

√2)

3⊃ Q

L 33√

2ei 2π3

3√

2= ei

2π3

Folglich ist L = Q( 3√

2, ei 2π3 ).

1

i

3√

2

3√

2ei 2π3

3√

2ei 4π3

ei2π3 /∈ Q ist Nullstelle von x3− 1 = (x− 1)(x2 + x+ 1). Sein Minimalpolynom hat

Grad > 1, folglich muss es x2 + x+ 1 vom Grad 2 sein.

[Q(ei 2π3 ) : Q] = 2 L = Q

(3√

2 , ei 2π3) 2⊃ Q( 3

√2)

⇒ [L : Q] = 2 · 3 = 66 = [L : Q] = |AutQ(L)|

Also gibt es 6 Automorphismen. Ein solches σ muss die Nullstellen von x3 − 2permutieren.

x3 − 2 { 3√

2} →{

3√

2, 3√

2ei 2π3 ,

3√

2ei 4π3}

x2 + x+ 1 {ei2π3 } →

{ei

2π3 , ei

4π3 = ei

2π3}

σ : L = Q( 3√

2 , ei 2π3 )→ L ist durch die Bilder von 3

√2 und ei 2π

3 festgelegt. Folglichgibt es für jede (unabhängige) Wahl der Bilder einen Autormorphismus.⇒ AutK(L) = Gruppe der Permutationen von

{3√

2 , 3√

2ei 2π3 , 3√

2ei 4π3}und damit

isomorph zu Σ3. Ein Beispiel istσ : z 7→ z

3√

2 7→ 3√

2ei

2π3 7→ ei

4π3

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

σ : Q( 3√

2) → Q( 3√

2) mit a 7→ a bleibt fest, Q( 3√

2) sind genau die Fixpunkte vonσ bzw. von 〈σ〉 = {σ, id}. Der Zwischenkörper Q( 3

√2) ist die Menge der Fixpunkte

einer Untergruppe von Gal(L/K).

Definition 4.11 FixkörperSei L ein Körper und G ⊂ Aut(L) eine Untergruppe der Automorphismengruppevon L. Dann ist LG := {a ∈ L : ϕ(a) = a∀ϕ∈G} ein Körper und heißt Fixkörpervon G.

Beweis :Es muss verifiziert werden, dass LG tatsächlich ein Körper ist:

ϕ(0) = 0 ϕ(ab) = ϕ(a)ϕ(b)ϕ(1) = 1 ϕ(a+ b) = ϕ(a) + ϕ(b)

ϕ(a−1) = ϕ(a)−1 ⇒ LG ist ein Körper.

Proposition 4.12Sei L/K eine Galoiserweiterung mit Galoisgruppe G = Gal(L/K).Dann gilt LG = K, das heißt, K ist der Fixkörper der ganzen Galoisgruppe.(Natürlich ist L{id} = L)

Beweis :Wegen G = AutK(L) gilt nach Definition 3.15 ∀ϕ∈G : ϕ|K = id und wir erhaltensofort die Inklusion K ⊂ LG. Wir zeigen daher für ein a ∈ L \ K, dass a /∈ LGgilt, also ein G 3 ϕ : a 7→ ϕ(a) 6= a existiert. Wegen a ∈ K(a) ) K ist das Mini-malpolynom ma,K vom Grad ≥ 2 und hat damit dank Separabilität eine weitereNullstelle b 6= a.Aus Proposition 3.16 folgt, dass ein K-Automorphismus von K(a) die Nullstellenvon ma,K permutiert. Es existiert also ein ϕ : a 7→ b 6= a. Aus Theorem 3.17 folgtdie Existenz einer Fortsetzung ϕ : L → K mit a 7→ b. Nach Propositon 4.3 giltdank Normalität im(ϕ) = L ⇒ G 3 ϕ : a 7→ b 6= a . �

Proposition 4.13Sei L ein Körper und H ⊂ Aut(L) eine endliche Untergruppe. Dann ist L/LH eineGaloiserweiterung mit Galoisgruppe Gal(L/LH) = H und es gilt [L : LH ] = |H|.

t7E` T Y AjU 3 66/90 Mario Schulz

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Beweis :Wir betrachten den Fixkörper LH = {a ∈ L : ϕ(a) = a∀ϕ∈H}. Zu zeigen ist, dassL/LH normal, separabel und endlich ist. Ersteres bedeutet, dass L Zerfällungskör-per von Polynomen in LH [x] ist. Falls das stimmt, können wir das Minimalpolynomma,LH ∈ LH [x] eines Elements a ∈ L betrachten. a ist eine Nullstelle, außerdemauch ϕ(a) für ϕ ∈ H. Dies sind endlich viele, da H endlich ist. Eventuell gibt esnoch mehr Nullstellen. Ist L/LH zudem separabel, ist jede Nullstelle einfach. Wirdefinieren

{a = a1, a2, . . . , an} := {ϕ(a) : ϕ ∈ H} fa(x) :=n∏i=1

(x− ai) ∈ L[x]

als Kandidaten für das Minimalpolynom von a. Wendet man ϕ∗ auf fa an, werdendie Faktoren (x−ai) permutiert, denn ϕ∗(x−ai) = x−ϕ(ai) = x−aj. Folglich istϕ∗fa = fa, das heißt fa ∈ LH [x]. Also ist L ist der Zerfällungskörper über LH derMenge {fa : a ∈ L}. Damit ist L/LH normal. Die fa haben einfache Nullstellen,folglich ist L/LH auch separabel. Wir haben damit gezeigt, dass L/LH tatsächlicheine Galoiserweiterung ist, falls sie endlich ist. Letzteres verbleibt noch zu zeigen.L ist zudem algebraisch über LH , da a ∈ L Nullstelle von fa ∈ LH [x] ist.Für a ∈ L mit fa(a) = 0 folgt ma,LH | fa. Angenommen, es gelte |H| � [L : LH ].Falls [L : LH ] < ∞ ist, existiert eine endliche Menge S ⊂ L, sodass L = LH(S).Falls [L : LH ] = ∞ ist, existiert auch ein endliches S ⊂ L, sodass L ⊃ LH(S)und [LH(S) : LH ] > |H|. Im Weiteren nennen wir M := LH(S) und betrachtenM/LH sowie LH ⊂ M ⊂ L, wobei der Grad der ersten Erweiterung bereits > |H|ist. Wegen M ⊂ L haben Minimalpolynome über LH nur einfache Nullstellen,woraus folgt, dass M/LH separabel ist. Nach Theorem 4.8 existiert ein primitivesElement c mit M = LH(c). Dieses c hat ein Minimalpolynom mc,LH | fc. DessenGrad ist [M : LH ] = deg(mc,LH ) ≤ deg(fc) ≤ |H|. Ein Widerspruch erwächst aus[M : LH ] ≤ |H| < [M : LH ], weshalb |H| ≥ [L : LH ] gelten muss und L/LH

endlich ist. Zuletzt zeigen wir die Gleichheit in dieser Ungleichung. |H| darf wegenH ⊂ Aut(L) nicht zu groß sein. Nach Definition lässt H den Fixkörper LH fest.

⇒ H ⊂ AutLH (L) = Gal(L/LH)⇒ |H| ≤ |AutLH (L)| = [L : LH ] (normal, separabel)⇒ |H| = [L : LH ] = |AutLH (L)| (wegen |H| ≥ [L : LH ], s.o.)⇒ H = AutLH (L) = Gal(L/LH)

Damit folgt auch fa = ma,LH =∏

ϕ∈Gal(L/LH)(x− ϕ(a)). �

Wir sind nun soweit den Hauptsatz der Galoistheorie formulieren zu können.

Mario Schulz 67/90 t7E` T Y AjU 3

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

Theorem 4.14 Hauptsatz der GaloistheorieSei L/K eine Galoiserweiterung und U := {H < Gal(L/K)} die Menge aller Unter-gruppen der Galoisgruppe. Sei ferner Z := {M : K ⊂M ⊂ L ,M Zwischenkörper}.Dann gibt es zwei zueinander inverse Bijektionen

α : Z → U β : U → Z

M 7→ Gal(L/M) H 7→ LH

wobei L/M galoissch ist. α und β kehren Inklusionen um:

M ⊂M ′ ⇒ α(M) ⊃ α(M ′) H ⊂ H ′ ⇒ β(H) ⊃ β(H ′)

Für H ∈ U und ϕ ∈ Gal(L/K) gilt ϕ(LH) = LϕHϕ−1 .

Insbesondere entspricht eine normale Untergruppe einer normalen Körpererweite-rung: Für einen Zwischenkörper M ∈ Z ist die Erweiterung M/K normal genaudann, wenn Gal(L/M) /Gal(L/K). In diesem Fall gibt es einen surjektiven Grup-penhomomorphismus

γ : Gal(L/K)→ Gal(M/K) mit ker(γ) = Gal(L/M)

und es gilt die Kürzungsregel Gal(M/K) ' Gal(L/K)/

Gal(L/M).

Wir erhalten also eine komplette Übersetzung zwischen Gruppentheorie und Körper-erweiterungstheorie. Bevor wir den Hauptsatz beweisen, wollen wir ein größeres Beispielbetrachten, das uns eine Weile beschäftigen wird.

Gegeben sei f(x) := x4− 2 ∈ Q[x] mit Zerfällungskörper L.In L ⊂ C liegen die vier Nullstellen von f :

± 4√

2 ∈ R ±i 4√

2 /∈ R

Es gilt Q( 4√

2) ⊂ R und [Q( 4√

2) : Q] = 4, da x4 − 2irreduzibel und damit Minimalpolynom von 4

√2 ist. Aus

±i ∈ L ⊃ Q( 4√

2 , i) ⊃ L folgt L = Q( 4√

2 , i). Ferner ist

1

i

−i 4√

2

i 4√

2

− 4√

24√

2

mi,Q(x) = x2 + 1 ⇒ mi,Q(4√2) |x2 + 1

i /∈ Q( 4√

2) ⊂ R ⇒ deg(mi,Q(4√2)

)= 2 ⇒ mi,Q(4√2) = x2 + 1

L = Q( 4√

2 , i)2⊃ Q( 4

√2)

4⊃ Q ⇒ [L : Q] = 8 ⇒ |Gal(L/Q)| = 8

Von Proposition 4.7 (c) wissen wir zudem, dass L/Q wegen charQ = 0 separabel ist.Wie sehen nun die acht Automorphismen aus?

t7E` T Y AjU 3 68/90 Mario Schulz

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

Betrachte dazu Q( 4√

2) und einen Automorphismus ϕ : Q( 4√

2) → Q( 4√

2). Dieser muss4√

2 auf eine Nullstelle von x4 − 2 in Q( 4√

2) abbilden, also auf ± 4√

2.Betrachte analog Q(i) und einen Automorphismus ψ : Q(i)→ Q(i), der wiederum i aufNullstellen von x2 + 1 abbilden muss, also auf ±i.Allerdings bekommen wir damit noch keine 8 Abbildungen zusammen.

Für die Grade der Erweiterungen gilt L4⊃ Q(i)

2⊃ Q und L

2⊃ Q( 4

√2)

4⊃ Q.

Wegen AutQ(i)(L) ⊂ AutQ(L) betrachten wir zunächst die Körpererweiterung L/Q(i).Dann ist L = Q(i)( 4

√2) vom Grad 4, weshalb x4 − 2 irreduzibel über Q(i) bleibt.

L/Q(i) ist normal (Zerfällungskörper von f(x) = x4 − 2), separabel, endlich, einfach.Wir betrachten eine Abbildung aus Gal(L/Q(i)). Eine solche bildet eine Nullstelle von fauf eine beliebige Nullstelle von f ab. Ein Beispiel ist etwa σ ∈ Gal(L/Q(i)) ⊂ Gal(L/Q)mit σ : 4

√2 7→ i 4

√2.

Ebenso bleibt x2 + 1 wegen [L : Q( 4√

2)] = 2 irreduzibel über Q( 4√

2) und es liegt eineGaloiserweiterung vor.

∣∣∣Gal(L/Q( 4√

2))∣∣∣ = 2 ⇒ ∃τ ∈ Gal(L/Q( 4

√2)) ⊂ Gal(L/Q) mit

τ : i 7→ −iObiges σ muss i auf i abbilden, da es in Gal(L/Q(i)) liegt. Analog gilt τ : 4

√2 7→ 4

√2.

Folglich sind σ, τ ∈ Gal(L/Q) und durch die Bilder von 4√

2 und i bestimmt. Bilden wirKompositionen von σ und τ , ergibt sich zunächst:

σ : 4√

2 7→ i4√

2 i 7→ i

σ2 : 4√

2 7→ σ(i)σ( 4√

2) = − 4√

2 i 7→ i

σ3 : 4√

2 7→ −i 4√

2 i 7→ i

σ4 = id i 7→ i

Es gilt also |〈σ〉| = 4. Folglich ist H1 := 〈σ〉 ein Normalteiler von Gal(L/Q), da derIndex von H1 in G gleich 8

4 = 2 ist (vgl. Beispiel: Normalteiler).Weitere Elemente sind τ ◦H1 = {τ , τ ◦ σ , τ ◦ σ2 , τ ◦ σ3}:

τ : 4√

2 7→ 4√

2 i 7→ −iτ ◦ σ = σ3 ◦ τ : 4

√2 7→ −i 4

√2 i 7→ −i

τ ◦ σ2 = σ2 ◦ τ : 4√

2 7→ − 4√

2 i 7→ −iτ ◦ σ3 = σ ◦ τ : 4

√2 7→ i

4√

2 i 7→ −i

Damit haben wir die 8 Elemente von Gal(L/K) gefunden. Wir haben oben gesehen,dass Gal(L/K) = H1 ∪ (τ ◦H1) in zwei Nebenklassen zerfällt. Diese Gruppe kennen wirbereits: Es handelt sich um die Diedergruppe, also die Symmetriegruppe eines Quadrats.Dabei entspricht σ der Drehung und τ der Spiegelung. Von dieser Gruppe können wirdie Untergruppen leicht bestimmen. Wegen |Gal(L/K)| = 8 gibt es Untergruppen mit1, 2, 4 und 8 Elementen.|H| = 2: Die zweielementigen Untergruppen sind von der Gestalt H = {id, g} mitg2 = id. Offenbar hat die Identität Ordnung 1. Die Elemente σ und σ3 haben beide die

Mario Schulz 69/90 t7E` T Y AjU 3

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

Ordnung 4. Alle anderen Elemente sind von der Ordnung 2 und kommen daher für g inFrage. Exemplarisch bestätigen wir: (τ ◦ σ)2 = τ ◦ σ ◦ τ︸ ︷︷ ︸

τ◦σ3

◦σ = τ 2 ◦ σ4 = id

|H| = 4: Wir kennen bereits H1 = 〈σ〉 = 〈σ3〉 mit |H1| = 4. Diese Untergruppe istzyklisch der Ordnung 4. Gemäß Proposition 1.13 impliziert |G| = p2 mit Primzahl p,dass G abelsch ist. Folglich sind alle weiteren Untergruppen der Ordnung 4 isomorphzu Z/2Z × Z/2Z und werden von kommutierenden Elementen der Ordnung 2 erzeugt.Wir haben nachgerechnet, dass σ2, τ sowie σ2, τ ◦ σ kommutieren. Insgesamt erhaltenwir drei Untergruppen mit 4 Elementen.

Gal(L/Q)

ooooooooooo

OOOOOOOOOOO

H2 ={id, σ2, τ, σ2 ◦ τ}

rrrrrrrrrr

LLLLLLLLLLL

H1 ={id, σ, σ2, σ3}

H3 ={id, σ2, σ ◦ τ, σ3 ◦ τ}

rrrrrrrrrrr

LLLLLLLLLL

J4 ={id, σ2 ◦ τ}

WWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWJ2 ={id, τ}

OOOOOOOOOOOOOO

J1 ={id, σ2}

J3 ={id, σ ◦ τ}

oooooooooooo

J5 ={id, σ3 ◦ τ}

gggggggggggggggggggggggggggggg

{id}

LG = Q

ooooooooooooo

OOOOOOOOOOOO

LH2

= Q(√

2)

rrrrrrrrrrr

LLLLLLLLLLL

LH1

= Q(i)LH3

= Q(i√

2)

rrrrrrrrrrr

LLLLLLLLLLL

LJ4

= Q(i 4√

2)

WWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWWLJ2

= Q( 4√

2)

OOOOOOOOOOOOO

LJ1

= Q(i,√

2)LJ3

= Q((1 + i) 4√

2)

ooooooooooo

LJ5

= Q((1− i) 4√

2)

gggggggggggggggggggggggggg

L{id} = L

Zuerst soll LH1 bestimmt werden. |H1| = 4 ⇒ [LH1 : LG] = 2. Nach Proposition 4.13ist [L : LH ] = |H|. Wegen H1 = 〈σ〉 und σ(i) = i ist i ∈ LH1 . Es folgt LH1 = Q(i).Bei H2 = 〈τ, σ2〉 sehen wir nicht wie oben sofort was LH2 sein muss. Daher wird es überGleichungen bestimmt. {1, i, 4

√2, i 4√

2,√

2, i√

2, 4√

8, i 4√

8} bildet eine Basis von L/K. EinElement in L ist daher von der Form λ1 · 1 + λ2 · i+ λ3 · 4

√2 + . . .+ λ8 · i 4

√8.

Wir wenden τ und σ an und vergleichen die Koeffizienten:√

2 bleibt unter τ : 4√

2 7→ 4√

2und unter σ2 : 4

√2 7→ − 4

√2 fest. Daraus erhalten wir LH2 = Q(

√2).

Das Element i√

2 wird von H3 = 〈σ2, σ ◦ τ〉 festgehalten und ist wegen (i√

2)2 = −2 vonder Ordnung 2. Wir erhalten LH3 = Q(i

√2).

t7E` T Y AjU 3 70/90 Mario Schulz

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

In allen LJi muss Q( 4√

2) vorkommen. Über die Inklusionsbedingung erhält man sofortLJ1 = Q(i,

√2). Genauso muss Q( 4

√2) entweder LJ2 oder LJ4 sein. Wegen J2 = 〈τ〉 und

τ( 4√

2) = 4√

2 gilt Q( 4√

2) ⊂ LJ2 und damit Q( 4√

2) = LJ2 . Es verbleibt LJ4 = Q(i 4√

2).

Untersucht man J3 = {id, σ ◦ τ = τ ◦ σ3} genauer,erkennt man, dass 4

√2 + i 4√

2 festgehalten wird. Zuzeigen ist, dass es von der Ordnung 4 ist. Dies folgtaus ((1+i) 4

√2)2 = 2i

√2 und (2i

√2)2 ∈ Q. Folglich

ist LJ3 = Q((1 + i) 4√

2).Damit sind alle Zwischenkörper von L bestimmt.

σ ◦ τ : i 7→ −i4√

2 7→ i4√

2i

4√

2 7→ 4√

2⇒ 4√

2 + i4√

2 7→ 4√

2 + i4√

2

Beweis : Hauptsatz der GaloistheorieZu zeigen ist, dass L/M galoisch, also normal und separabel ist.

// Zαoo α : M 7→ Gal(L/M) β : H 7→ LH

Aus Proposition 4.7 (e) folgt mit K ⊃M ⊃ L, dass L/K separabel ist genau dann,wenn L/M undM/K separabel sind. Hier ist L/K separabel, woraus wir schließen,dass auch L/M separabel ist. L/K ist normal, weshalb L = K(S) gilt, wobei Seine Menge von Nullstellen von irgendwelchen Polynomen über K sei. DieselbenPolynome über M haben dieselben Nullstellen.Wir können also L = M(S) folgern.L/M ist also auch normal und damit eine Galoiserweiterung.Wir zeigen, dass α und β zueinander inverse Bijektionen sind. Dazu betrachten wirzunächst einen Zwischenkörper M ∈ Z. Wir erhalten:

Mα7−→ Gal(L/M) = H

β7−→ LH = LGal(L/M)

Da L/M galoissch ist, folgt LGal(L/M) = M gemäß Proposition 4.12. Umgekehrt seiH ∈ U . Dann erhalten wir

Hβ7−→ LH =: M α7−→ Gal(L/M)

Im Proposition 4.13 haben wir bereits gezeigt, dass dann H = Gal(L/LH) gilt.Also sind α und β zueinander inverse Bijektionen. Es verbleibt der Beweis derZusatzeigenschaften.Wir zeigen zuerst, dass α und β Inklusionen umkehren. Für M1 ⊂ M2 folgtα(M1) ⊃ α(M2) aus

α(M1) = Gal(L/M1) = {τ : L→ L, τ |M1 = id}α(M2) = Gal(L/M2) = {σ : L→ L, σ|M2 = id}

Für H1 ⊂ H2 folgt β(H1) ⊃ β(H2) über

β(H1) = LH1 = {x ∈ L : h(x) = x ∀h∈H1}β(H2) = LH2 = {y ∈ L : g(y) = y ∀g∈H2}

{x ∈ L : h(x) = x∀h∈H1} ⊃ {y ∈ L : g(y) = y ∀g∈H2}

Mario Schulz 71/90 t7E` T Y AjU 3

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4 KÖRPERERWEITERUNGEN UND GALOISTHEORIE

Als nächstes ist für H ∈ U und ϕ ∈ Gal(L/K) die Gleichheit ϕ(LH) = LϕHϕ−1 zu

zeigen. Sei a ∈ L.

a ∈ LH ⇔ σ(a) = a∀σ∈H ⇔ (ϕ ◦ σ)(a) = ϕ(a)∀σ∈H (ϕ ist Isomorphismus)

⇔ (ϕ ◦ σ ◦ ϕ−1)(ϕ(a)) = ϕ(a)∀σ∈H⇔ ϕ(a) fix unter ϕHϕ−1

Nun zeigen wir fürM ∈ Z die Äquivalenz M/K normal ⇔ Gal(L/M)/Gal(L/K).„⇒“ SeiM ∈ Z, alsoM = LH für einH ∈ U undM/K normal. Nach Proposition4.3 (c) bedeutet dies, dass ∀ϕ : M→K ϕ(M) = M gilt. Wir erhalten damit:

LH = M = ϕ(M) = ϕ(LH) = LϕHϕ−1 ⇒ LH = LϕHϕ

−1 ∀ϕ⇒ H = ϕHϕ−1 ∀ϕ∈Gal(M/K) ⇒ H ist normal

„⇐“ Sei H := Gal(L/M) / Gal(L/K), also M = LH und L/M = L/LH . NachProposition 4.13 hat L/LH die Galoisgruppe H. Diese ist normal. Das bedeutet,dass G/H eine Gruppe ist, welche auf LH wie folgt operiert: für a ∈ LH definiere(gH)(a) := g(a). Es muss die Wohldefiniertheit überprüft werden. Da H normalist, zeigen wir dazu für g(a) ∈ LH und h, h ∈ H, dass hg(a) = gh(a) = g(a) gilt.Wegen gH = ghH gilt tatsächlich g(a) = gh(a). Also operiert die Gruppe G/Hauf LH . Wir erhalten die Identitäten:

MG/H = (LH)G/H = LG = K

Propostion 4.13 besagt: M/MG/H ist galoisch mit Galoisgruppe

Gal(M/MG/H) = G/H = Gal(LH/K) = Gal(L/K)/

Gal(L/LH)

t7E` T Y AjU 3 72/90 Mario Schulz

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5 ANWENDUNGEN

5 Anwendungen

Wir betrachten zwei Klassen von Anwendungen: Zum einen geometrische Konstruktio-nen und zum anderen polynomiale Gleichungen.

Konstruktion mit Zirkel und Lineal

Geometrische Konstruktionen können durch Körpererweiterungen modelliert werden.Gegeben sei ein M ⊂ R2 = C, sowie ein Lineal ohne Markierung nebst einem Zirkel.Ziel ist es, die Unlösbarkeit von klassischen Problemen wie der Würfelverdopplung oderWinkeldreiteilung zu zeigen. Erlaubt sind drei elementare Konstruktionen zu folgendenDaten:

DefinitionFür p, q ∈M mit p 6= q sei p ∨ q die Gerade durch p und q.Für p, q1, q2 ∈M sei K(p, ρ) der Kreis um p mit Radius ρ = |q1 − q2|.

Konstruktion ISchnittpunkt zweier GeradenGegeben seien Punkte p1 6= p2 und q1 6= q2 mit

(p1∨p2) 6= (q1∨q2) ⇒ p := (p1∨p2)∩ (q1∨q2)

Falls existent, ist der Schnittpunkt „konstruiert“.

Konstruktion IISchnitt einer Geraden mit einem KreisGegeben seien p1 6= p2, ein Punkt p, sowie q1 6= q2.Dann ist

(p1 ∨ p2) ∩K(p, |q1 − q2|

)=: {r, s}

Konstruktion IIISchnitt von zwei KreisenGegeben seien p und p1 6= p2 sowie q und q1 6= q2.Dann ist

K(p, |p1 − p2|

)∩K

(q, |q1 − q2|

)=: {r, s}

p1

p2q1

q2

p

p1

p2

q1q2

pr

s

p1

p2

q1

q2

pq

s

r

Mario Schulz 73/90 t7E` T Y AjU 3

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5 ANWENDUNGEN

Definition 5.1Sei M ⊂ R2 = C. Ein Punkt p ∈ C heißt (aus M mit Zirkel und Lineal)konstruierbar genau dann, wenn eine natürliche Zahl n ∈ N und eine KetteM = M0 ⊂M1 ⊂ . . . ⊂Mn existieren, sodass p ∈Mn und jedesMi ausMi−1 durcheinen der obigen Konstruktionsschritte I bis III entsteht. Wir bezeichnen:

Kon(M) := {p ∈ R2 : p aus M konstruierbar}

Beispiel: WürfelverdopplungGegeben sei ein Würfel mit Volumen beziehungsweise Kantenlänge 1. Ist darausein Würfel mit Volumen 2 beziehungsweise eine Würfelkante der Länge 3

√2 kon-

struierbar? In anderen Worten: Liegt 3√

2 ∈ Kon(0, 1)?

Wir nehmen generell an, dass |M | ≥ 2, genauer M ⊃ {0 = (0, 0) , 1 = (1, 0)} gilt.

Theorem 5.2Sei 0, 1 ∈M ⊂ C. Dann gilt:

(a) Kon(M) ist ein Teilkörper von C.(b) Kon(M) = Kon(M) = {z : z ∈ Kon(M)} (hier bezeichne z das komplexe Konjugat)

(c) Q(M ∪M) ist ein Teilkörper von Kon(M)(d) Für b ∈ C gilt: b2 ∈ Kon(M) ⇒ b ∈ Kon(M), das heißt Kon(M) ist quadratisch

abgeschlossen (vgl. Übungsblatt 8).

Also kann man mit Zirkel und Lineal addieren, subtrahieren, multiplizieren, dividieren,und Quadratwurzeln ziehen.Beweis :(a) Offensichtlich ist −b zu gegebenem b konstruierbar. Ferner ist klar, dass betrags-

mäßig beliebig große Zahlen konstruierbar sind.

0 |a| a 2a 3a

· · ·

0 b−b

t7E` T Y AjU 3 74/90 Mario Schulz

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5 ANWENDUNGEN

Addition: Die Konstruktion derSumme a + b zweier komplexer Zahlen aund b wird über ein Parallelogramm reali-siert. Dazu sei zunächst die Konstruktioneiner Senkrechten durch einen Punkt zueiner Geraden gezeigt:Gegeben seien die Punkte 0, b und a.Ein großer Kreis um a schneide dieGerade (0 ∨ b) in c und d. Kreise um c, dmit Radius > |a− c| schneiden sich ine 6= a. Durch die Wahl des Radius ist derFall a ∈ (0 ∨ b) nicht ausgeschlossen.Aus der Schule wissen wir, dass dieGerade (a ∨ e) senkrecht zu (0 ∨ b) steht.Zu gegebenem a ist also eine Senkrechtezu (0 ∨ b) durch a konstruierbar. Dannkann aber auch über zwei Senkrechteeine Parallele durch a zu (0 ∨ b) konstru-iert werden. Genauso konstruieren wireine Parallele zu (0 ∨ a) durch b. Dieseschneidet die vorige Parallele in a+ b.Multiplikation: Die Multiplikationkomplexer Zahlen entspricht der Additionvon Winkeln und der Multiplikation vonBeträgen.Gegeben seien zwei Winkel α und β, diees zu addieren gilt. Die x-Achse ist als Ge-rade bekannt. Man zeichne einen großenKreis K um 0. Dann ist der Winkel β be-züglich K durch die Streckenlänge d(β)bestimmt. Ein Kreis mit Radius d(β) umden Punkt (0 ∨ z1) ∩ K schneide K in s.Dann schließt (0∨ s) mit der x-Achse denWinkel α + β ein.Es sollen Beträge |r| , |s| ∈ R+ multipli-ziert werden. OBdA liege r ∈ (0 ∨ 1) unds /∈ (0 ∨ r). Die Konstruktion parallelerGeraden ermöglicht die Anwendung desStrahlensatzes.Division/Inverse werden über Sub-traktion von Winkeln und Division posi-tiver reeller Zahlen verwirklicht. Letzteresgelingt wieder mithilfe des Strahlensatzes,wobei die Rollen der Punkte vertauschtwerden.⇒ Kon(M) ist ein Teilkörper von C.

0 bc d

e

a

0

a

b

a+b

0α ββ

z2

z1

Kd(β)

d(β)

s

0 1 r

s

x|x||s| = |r|

1

⇒ |x| = |r| |s|

0 1 r

x

s|s||x| = |r|

1

⇒ |x| = |s||r|

Mario Schulz 75/90 t7E` T Y AjU 3

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5 ANWENDUNGEN

(b) komplexe Konjugation:Zu einer komplexen Zahl a kann über eineSenkrechte stets die komplex konjugierteZahl a konstruiert werden.

0

a

a

(d) Das Argument α einer komplexen Zahl w = |w| eiα soll halbiert und√|w| in R

konstruiert werden. Über eine Mittelsenkrechte durch 0 und 1 ist 12 und damit

auch α · 12 konstruierbar.

reelle Quadratwurzel: Die Mittelsenkrechte von −r und 1 schneidet diex-Achse im Punkt 1−r

2 . Nach dem Satz von Thales schneidet der Kreis um 1−r2

durch 1 (und −r) die y-Achse in der Spize eines rechtwinkligen Dreiecks. Vielfa-che Anwendung des Satzes von Pythagoras ergibt:

y2 = x2 + 12

z2 = x2 + r2

(r + 1)2 = z2 + y2

= r2 + 2r + 1z2 − y2 = r2 − 1z2 + y2 = r2 + 2r + 1⇒ 2z2 = 2r2 + 2r⇒ z2 = r2 + r ⇒ z =

√r2 + r

⇒ y =√r + 1 ⇒ x =

√r

z

yx

0 1−r 1−r2

Folglich sind reelle Quadratwurzeln konstruierbar.�

0, 1 ∈ Kon(M) ⇒ Q ⊂ Kon(M) Teilkörper ⇒ Kon({0, 1}) = Kon(Q)Kon(Q) ist echt kleiner als C, hat aber unendlichen Grad über Q 63

√2, 4√

2, 8√

2, . . .

Theorem 5.3Sei 0, 1 ∈M ⊂ C. Dann gilt:

(a) Kon(M)/Q(M ∪M) ist eine algebraische Körpererweiterung.

(b) Ein z ∈ C ist genau dann aus M konstruierbar, wenn eine Kette

Q(M ∪M) = L0 ⊂ L1 ⊂ . . . ⊂ Lr

existiert, sodass z ∈ Lr und ∀j : [Lj : Lj−1] ≤ 2.

Den Beweis des Theorems folgt im Anschluss an einige Anwendungen. Wir können näm-lich folgern: Falls z ∈ Kon(M ∪ M), ist [L0(z) : L0] eine Zweierpotenz. Wenn also[L0(z) : L0] keine Potenz von 2 ist, kann z nicht konstruktiv sein.

t7E` T Y AjU 3 76/90 Mario Schulz

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5 ANWENDUNGEN

Unmöglichkeitsbeweise

1. Delisches Problem (Würfelverdopplung): Es ist unmöglich die Seitenlängeeines Würfels vom Volumen 2 zu konstruieren. [Q( 3

√2) : Q] = 3 ⇒ 3

√2 ist nicht aus

{0, 1} konstruierbar.2. Dreiteilung eines Winkels: Zu gegebenem z = eiα soll eiα3 konstruiert werden.Wir wählen α = 2π

3 = 120◦. Also ist z = ei2π3 = −1

2 + i2

√3. Zu konstruieren ist ξ = ei

2π9 ,

das heißt ξ3 = z. Wir bestimmen die Grade in Q ⊂ Q(z) ⊂ Q(z, ξ) = Q(ξ).z ist Nullstelle von x3−1

x−1 = x2 + x+ 1 letzteres ist irreduzibel, folglich gilt

2 = [Q(z) : Q]∣∣∣ [Q(ξ) : Q] (Anwendung der Gradformel)

ξ ist Nullstelle von x9−1. Das Minimalpolynom von ξ teilt x9−1, sogar x9−1x3−1 = x6+x3+1.

Wir erhalten 2 < [Q(ξ) : Q] ≤ 6 und möchten die Gleichheit [Q(ξ) : Q] = 6 zeigen. Dannfolgt über [Q(ξ) : Q(z)] = 3, dass ξ nicht aus z konstruierbar ist.

Wir betrachten einen Q-Automorphismus σ : Q(ξ) → Q(ξ). Dieser schickt ξ = ei2π9 auf

eine Nullstelle ei 2π`9 von x9−1, sogar von x6 +x3 + 1, das heißt 36 | `. Ferner ist er bereits

durch das Bild σ(ξ) = ei2π`

9 bestimmt, das heißt durch die Zahl ` ∈ (Z/9Z)∗. DieseZuordnung definiert einen injektiven Gruppenhomomorphismus

AutQ(Q(ξ))→ (Z/9Z)∗

σ 7→ `

Also ist AutQ(Q(ξ)) bis auf Isomorphie eine Untergruppe von (Z/9Z)∗. Daher teilt|AutQ(Q(ξ))| die Zahl 6.Q(ξ)/Q ist separabel (wegen charQ = 0) und normal (Zerfällungskörper von x9 − 1).

⇒ Gal(Q(ξ)/Q) = AutQ(Q(ξ))

[Q(ξ) : Q] 4.13= |AutQ(Q(ξ))|∣∣∣ 6

Zusammenfassend gilt:2 | [Q(ξ) : Q]

2 < [Q(ξ) : Q] ≤ 6[Q(ξ) : Q] | 6

⇒ [Q(ξ) : Q] = 6

Beweis : Theorem 5.3Wir zeigen, dass die Konstruktionen I, II und III in jedem Schritt Elemente imvorgegebenen Körper liefern, oder in einem quadratischen Erweiterungskörper. DaRealteil Re(z) = 1

2(z+z) und Imaginärteil Im(z) = 22i(z−z) einer komplexen Zahl

C 3 z = a+ bi aus z konstruierbar sind, dürfen wir in R2 statt in C rechnen.

I. Der Schnitt zweier Geraden gibt ein inhomogenes Gleichungssystem in λ und µ:(p1p2

)+ λ

(q1q2

)=(p′1p′2

)+ µ

(q′1q′2

)Falls existent, liegen die Lösungen im gegebenen Körper (in dem die Koeffizientenliegen). Eine entsprechende Körpererweiterung ist vom Grad 1.

Mario Schulz 77/90 t7E` T Y AjU 3

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5 ANWENDUNGEN

II. Der Schnitt von Gerade und Kreis(p1p2

)+ λ

(q1q2

)=(xy

) ∣∣∣∣∣(xy

)−(m1m2

)∣∣∣∣∣ != r

ergibt eine quadratische Gleichung für λ, die in einer quadratischen Körpererwei-terung lösbar ist. (Grad ≤ 2).

III. Der Schnitt zweier Kreise mit Mittelpunkten p und q sowie Radien r1 und r2 ergibtsich aus den Gleichungen∣∣∣∣∣

(xy

)−(p1p2

)∣∣∣∣∣ = r1

∣∣∣∣∣(xy

)−(q1q2

)∣∣∣∣∣ = r2

(x− p1)2 + (y − p2)2 = r21 (x− q1)2 + (y − q2)2 = r2

2

Die Differenz ist linear in x und y und liefert die Gleichung der Geraden durchdie beiden Schnittpunkte. Die Koeffizeinten liegen im vorgegebenen Körper. Diegesuchten Schnittpunkte sind die Schnittpunkte dieser Geraden mit einem Kreis,wie in II. Also ist die entsprechende Körpererweiterung vom Grad ≤ 2.Eine Kette solcher Konstruktionen ergibt eine Kette von Körpererweiterungen vomGrad≤ 2. Wegen L0 ⊂ L0(z) ⊂ Lr teilt [L0(z) : L0] mit [Lr : L0] eine Zweierpotenz.

Weitere Konstruktionsaufgaben:

Zur Quadratur des Kreises: Gegeben sei der Einheitskreis. Gesucht ist ein Quadrat mitderselben Fläche. Zu konstruieren ist also

√π oder π. Aus der Zahlentheorie wissen wir,

dass π transzendent, also nicht konstruierbar ist.Zur Konstruktion von regelmäßigen n-Ecken: Zu konstruieren sind also n-te Einheits-wurzeln ξ = ei

2πn . Das Minimalpolynom von ξ ist ein Teiler von xn − 1 und vom Grad

ϕ(n) = |(Z/nZ)∗| (eulersche ϕ-Funktion). Wenn ξ konstruierbar ist, bedeutet dies,dass ϕ(n) eine Zweierpotenz ist. Die Zahlentheorie besagt, dass dies äquivalent ist zun = 2` · p1p2 · · · pr, wobei pj = 22aj + 1 paarweise verschiedene Fermatsche Primzahlensind. Die Zahlentheoretiker kennen fünf davon:

aj 0 1 2 3 4pj 3 5 17 267 65337

Für a = 5 erhält man wegen 641|4294967297 keine Primzahl.

t7E` T Y AjU 3 78/90 Mario Schulz

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5 ANWENDUNGEN

Polynomiale Gleichungen

Sei K ein Körper und f(x) ein Polynom vom Grad n. Gesucht ist eine Formel für dessenNullstellen. Für n = 2 und char(K) 6= 2 sowie für n = 3 und char(K) 6= 2, 3 kann mansolche Formeln aufschreiben:

f(x) = x2 + ax+ b ; − a

2 ±√a2

4 − b

f(x) = x3 + ax2 + bx+ c

= x3 + px+ q ;3

√√√√−q2 +√(

p

3

)3+(q

2

)2+ 3

√√√√−q2 −√(

p

3

)3+(q

2

)2

Es werden also verschiedene (iterierte) Wurzeln benötigt. Unser Ziel ist es zu zeigen,dass es für n ≥ 5 keine solche allgemeine Formel gibt, die Lösungen aus Koeffizientenmithilfe von {+,−, ·, /} und beliebigen Wurzeln berechnet. Strategie: Wir vergrößernKörpererweiterungen K( n

√a)/K zu Galoiserweiterungen und zeigen, dass die zugehörige

Galoisgruppen spezielle Eigenschaften haben. Anschließend werden wir ein f(x) finden,dessen Zerfällungskörper diese Eigenschaft nicht hat. Generell gelte char(K) = 0 (bzw.sogar K = Q). Dann ist Separabilität automatisch erfüllt.

Definition 5.4 RadikalSei K ein Körper (Q ⊂ K), n ∈ N und a ∈ K. Sei ferner E/K eine Körpererwei-terung, sodass ein b ∈ E existiert mit bn = a. Dann heißt b ein Radikal von a überK und wird mit b = n

√a bezeichnet. Das Radikal ist bis auf Multiplikation mit

Einheitswurzeln eindeutig.Eine Körpererweiterung L/K heißt durch Radikale auflösbar genau dann, wenneine Kette von Körpererweiterungen K0 = K ⊂ K1 ⊂ . . . ⊂ K` mit L ⊂ K`, ` ∈ Nund Kj+1 = Kj(bj) existiert, wobei bj = nj

√aj für ein aj ∈ Kj ∀j.

Ein Polynom heißt durch Radikale auflösbar genau dann, wenn sein Zerfällungs-körper L über K durch Radikale auflösbar ist, also K0 ⊂ . . . ⊂ K` existierten, mitL ⊂ K`, wobei K` durch iterierte Adjunktion von Radikalen aus K0 = K entsteht.

Wir betrachten die Galoisgruppe Gal(L/K) und zeigen, dass sie spezielle Eigenschaf-ten hat, wenn f(x) durch Radikale auflösbar ist. Dies erfolgt in zwei Schritten: Wirbetrachten zunächst die Galoisgruppe von K(n

√1) =: Kn und dann die von Kn( n

√a).

Sei Kn also der Zerfällungskörper von xn − 1 über K. Es gilt Q ⊂ K und C ⊃ Q ⊂ K,das heißt, die Einheitswurzeln n

√1 sind komplexe Zahlen ei 2πj

n für j = 1, . . . , n.

Lemma 5.5Es gibt einen injektiven Gruppenhomomorphismus Gal(Kn/K) ↪→ (Z/nZ)∗.Das bedeutet insbesondere, dass Gal(Kn/K) isomorph zu einer Untergruppe dermultiplikativen Gruppe (Z/nZ)∗, also abelsch ist.

Mario Schulz 79/90 t7E` T Y AjU 3

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5 ANWENDUNGEN

Beweis :Betrachte eine Abbildung Gal(Kn/K) 3 σ : Kn = K(ei 2π

n ) → Kn. Diese ist be-stimmt durch σ(ei 2π

n ). Ferner bildet σ Nullstellen von xn − 1 = σ∗(xn − 1) aufNullstellen von xn − 1 ab. Analoges gilt einem zweitem Homomorphismus τ . Wirerhalten:

σ : ei 2πn 7→ ei

2π`n τ : ei 2π

n 7→ ei2πmn `,m ∈ Z/nZ

Wir betrachten τ ◦ σ : ei 2πn 7→ τ(ei 2π`

n ) = τ(ei 2πn )` = (ei 2πm

n )` = ei2π(m`)n und erken-

nen einen multiplikativen Gruppenhomomorphismus

Gal(Kn/K)→ Z/nZσ 7→ `

id = σ ◦ σ−1 7→ 1σ−1 7→ `′ ⇒ ` · `′ = 1 ⇒ ` ∈ (Z/nZ)∗

⇒ Gal(Kn/K)→ (Z/nZ)∗

Dieser Gruppenhomomorphismus ist injektiv, da σ durch σ(ei 2πn ) bestimmt ist. �

Es sei an |(Z/nZ)∗| = ϕ(n) = |{j : 1 ≤ j ≤ n, ggT(j, n) = 1}| < n erinnert. Ein Beispielist x9 − 1 mit ϕ(9) = 6. Der nächste Schritt ist Kn( n

√a) zu untersuchen.

Lemma 5.6Sei ei 2π

n ∈ K und L = K( n√a) für ein a ∈ K. Dann ist L/K eine Galoiserweiterung

und Gal(L/K) ist zyklisch mit ord(Gal(L/K)

)|n.

Bemerkung: Es gilt auch die folgende Umkehrung (ohne Beweis):Sei L/K eine endliche Galoiserweiterung mit [L : K] = n und zyklischem Gal(L/K).Dann ist L der Zerfällungskörper eines Polynoms xn − a für ein a ∈ K.

Beweis :Wir zeigen zunächst, dass L/K eine Galoiserweiterung ist. Separabilität gilt, dachar(K) = 0 vorausgesetzt war. Betrachtet man die n Nullstellen von xn − a,erkennt man, dass alle in L liegen:

n√a , n√a ei

2πn︸︷︷︸∈K

, n√a ei

2π2n︸ ︷︷ ︸∈K

, . . . ∈ L

Folglich ist L ist der Zerfällunskörper von xn − a über K und L/K ist auch einenormale Körpererweiterung.

t7E` T Y AjU 3 80/90 Mario Schulz

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5 ANWENDUNGEN

σ ∈ Gal(L/K) schickt wie immer Nullstellen von xn−a wieder auf solche Nullstel-len. Die Zuordnungen sehen genauso aus wie vorher:

σ : n√a 7→ n

√a ei

2π`n τ : n

√a 7→ n

√a ei

2πmn `,m ∈ Z/nZ

⇒ Gal(L/K)→ Z/nZ injektivσ 7→ `

τ 7→ m

Betrachtet man wieder die Verkettung, ergibt sich

τ ◦ σ : n√a

σ7−→ n√a · ei

2π`n

τ7−→ τ( n√a) ei 2π`

n =(n√a ei

2πmn

)ei

2π`n = n

√a ei

2π(`+m)n

⇒ τ ◦ σ 7→ `+m

Folglich definiert Gal(L/K) ↪→ Z/nZ einen additiven Gruppenhomomorphismus.Gal(L/K) ist damit eine Untergruppe von (Z/nZ,+) und als solche gemäß Propo-sition 1.6 (c) zyklisch. Außerdem folgt aus Proposition 1.6 die Behauptung, dass|Gal(L/K)| ein Teiler von n ist.

Also erhalten wir in beiden Fällen abelsche Gruppen. Was passiert, wenn wir iterieren?Beispiel: Zerfällungskörper L von x3 − 2

1

i

3√

2

3√

2ei 2π3

3√

2ei 4π3

x3 − 1x− 1 = x2 + x+ 1

K0

G

G1

⊂ K1

G2

⊂ K2

Es ist G1 = Z/2Z. Im Gegensatz dazu permutiert G = Σ3 die drei Nullstellenvon x3 − 2 beliebig und ist damit nicht abelsch. Dieses Beispiel zeigt, dass beimIterieren die Eigenschaft „abelsch“ verloren geht.

Definition 5.7 NormalreiheSei G eine Gruppe und G0 = {1} � G1 � G2 � . . . � Gn = G eine endliche Kettevon Untergruppen mit Gj �Gj+1 ∀j=0,...,n−1. Eine solche Kette heißt Normalreihe.Eine Normalreihe heißt abelsch: ⇔ ∀j=0,...,n−1 : Gj+1/Gj ist abelsch.G heißt auflösbar, wenn G eine abelsche Normalreihe besitzt.

Unser nächstes Ziel ist es, zu zeigen, dass ein Polynom genau dann durch Radikaleauflösbar ist, wenn sein Zerfällungskörper eine auflösbare Galoisgruppe hat. Um dieBedeutung dieser Eigenschaft zu unterstreichen, werden wir außerdem Galoisgruppenangeben, die nicht auflösbar sind.

Mario Schulz 81/90 t7E` T Y AjU 3

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5 ANWENDUNGEN

Beispiel: auflösbare Gruppen

• Abelsche Gruppen sind auflösbar.• Die symmetrische Gruppe Σ3 ist auflösbar. Eine Normalreihe erhalten wir über

Σ3 ⊃ H = 〈(1 2 3)〉. Wegen |H| = 3, |Σ3| = 6 und [G : H] = 2 ist H normal.Wegen |G/H| = 2 bekommen wir die abelsche Normalreihe {(1)}/ 〈(1 2 3)〉/Σ3.• p-Gruppen sind auflösbar. Sei |G| = pn mit Primzahl p. Nach Proposition 1.17

(b) ist für n > 0 das Zentrum {e} 6= Z(G)�G nichttrivial. Es ist |G/Z(G)| = p`

für ein ` < n. Induktiv folgt, dass G auflösbar ist.

Definition 5.8Sei G eine Gruppe und a, b ∈ G. Dann heißt [a, b] := aba−1b−1 der Kommutatorvon a und b.Ferner ist die Kommutatoruntergruppe oder derivierte Gruppe von G definiert alsdie von allen Kommutatoren erzeugte Untergruppe D(G) := 〈[a, b] : a, b ∈ G〉.

Es gilt [a, b] = 1 ⇔ ab = ba. Die Menge {[a, b] : a, b ∈ G} muss keine Gruppe sein.D(G) ist normal in G, denn

g[a, b]g−1 = gaba−1b−1g−1 = (gag−1)(gbg−1)(ga−1g−1)(gb−1g−1) ist ein Kommutator.

Offenbar ist G abelsch ⇔ D(G) = {1}.Wir versuchen eine Normalreihe G > D(G) > D(D(G)). Betrachten wir Elemente a, b ∈G ist [a, b] ∈ D(G). In der Quotientengruppe G/D(G) ist 1 = [a, b] = aba−1b

−1. Folglichgilt ab = ba für a, b ∈ G/D(G), weshalb G/D(G) abelsch ist.Demnach sind G � D(G) � D2(G) � D3(G) � . . . lauter abelsche Quotienten, wobeiD2(G) = D(D(G)) sei. Es liegt eine abelsche Normalreihe vor, falls ∃n∈N : Dn(G) = {1}.Wenn G einfach und nicht abelsch ist, hat G keine Normalteiler außer G und {1}. Fürnicht-abelsches G ist D(G) 6= {1}, aber D(G)�G. Also folgt G = D(G) = D2(G) = . . .

Es kann also passieren, dass die Reihe bei Di(G) = Di+1(G) = . . . stehen bleibt. Wirzeigen im Folgenden, dass G dann nicht auflösbar ist. Diese Reihe eignet sich also tat-sächlich als Test: entweder sie liefert die abelsche Normalreihe, oder es gibt keine.

Proposition 5.9G ist auflösbar ⇔ ∃n∈N : Dn(G) = {1}

t7E` T Y AjU 3 82/90 Mario Schulz

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5 ANWENDUNGEN

Beweis :„⇐“ gilt nach Definition.„⇒“ Sei G auflösbar und {1} = G0 � G1 � G1 � . . . � Gn = G eine abelscheNormalreihe, also Gi+1/Gi abelsch für jedes i. Wir zeigen mit Induktion nach i,dass Di(G) ⊆ Gn−i ∀i. Insbesondere folgt dann über Dn(G) ⊆ G0 = {1} dieBehauptung.Der Induktionsanfang n = 0 ist mit D0(G) = G ⊆ Gn−0 = G trivial. Zusätzlichweisen wir für n = 1 explizit D1(G) = D(G) ⊆ Gn−1 nach:Da Gn/Gn−1 abelsch ist, gilt ab = ba in Gn/Gn−1 für Elemente a, b ∈ G. Folglichist [a, b] = [a, b] = 1 in Gn/Gn−1. Daraus folgt über [a, b] ∈ Gn−1 die BehauptungD(G) = 〈[a, b]〉 ⊂ Gn−1.Induktionsschritt: Es gelte Di(G) ⊆ Gn−i und Di+1(G) ⊆ Gn−i−1 ist zu zeigen.

Di+1(G) =⟨[Di(G), Di(G)]

⟩⊆⟨[Gn−i, Gn−i

]⟩⊆ Gn−i−1

denn Gn−i/Gn−i−1 ist abelsch. �

Wir haben gezeigt, dass G auflösbar ist, also eine auflösbare Normalreihe hat genaudann, wenn

G ⊃ D(G)

=〈ghg−1h−1〉

⊃ D2(G) ⊃ . . . ⊃ Dn(G) = {e} für ein n ∈ N

Damit zeigen wir, dass beispielsweise Σn für n ≥ 5 nicht auflösbar ist.

Proposition 5.10Sei n ≥ 5. Dann gilt D(Σn) = D(An) = An (Menge aller geraden Permutationen).Also sind Σn und An nicht auflösbar. (An ist für n ≥ 5 sogar einfach.)

Beweis :Wir betrachten das Vorzeichen

sgn : Σn → {±1}σ 7→ (−1)k k = #{Fehlstände in σ} = |{i < j : σ(i) > σ(j)}|An = ker(sgn) = {gerade Permutationen}

An hat Index 2 in Σn, also ist An / Σn ein Normalteiler.Elemente der Gestalt (a b) ◦ (c d) ∈ An erzeugen An. Wir sollten solche Elementeals Produkte von Kommutatoren schreiben. Wir zeigen zunächst, dass (a b) ◦ (c d)Produkt von 3-Zyklen (e f g) ist und anschließend, dass 3-Zyklen Produkte vonKommutatoren (für n ≥ 5) sind. Dann folgt An ⊂ D(An), also An = D(An).

Mario Schulz 83/90 t7E` T Y AjU 3

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5 ANWENDUNGEN

Um (a b) ◦ (c d) als Produkt von 3-Zyklen zu schreiben, unterscheiden wir die Fälle

{a, b} = {c, d} ⇒ (a b) ◦ (c d) = id{a, b} ∩ {c, d} = {a} = {c} ⇒ (a b) ◦ (c d) = (a d b){a, b} ∩ {c, d} = ∅ ⇒ (a b) ◦ (c d) = (a c b) ◦ (a c d)

Wegen n ≥ 5 finden sich paarweise verschiedene a, b, c, d.Dann ist (a b c) = (a b d) ◦ (a c e) ◦ (a d b)−1 ◦ (a c e)−1 ein Kommutator. Also istAn = D(An). Aus An ⊂ Σn folgt D(An)

=

An

⊂ D(Σn)

Σn

.

Kommutatoren sind von der Form ghg−1h−1. Genau dann, wenn g gerade ist,ist auch g−1 gerade. Folglich sind Kommutatoren [g, h] immer gerade. Es folgtD(Σn) ⊂ An und damit D(Σn) = An. �

Theorem 5.11Sei L/K eine endliche Körpererweiterung und char(K) = 0. Dann sind äquivalent:

(a) L/K ist durch Radikale auflösbar(b) Es existiert eine endliche Galoiserweiterung M/K mit M ⊃ L, sodass Gal(M/K)

auflösbar ist.

Wir benötigen (und zeigen weiter unten) lediglich die Implikation (a)⇒ (b). Der Beweisder umgekehrten Implikation benötigt die Umkehrung von Lemma 5.6.Wie wendet man Theorem 5.11 bei unbekanntem M an? Gegeben seien f(x) ∈ K[x]und sein Zerfällungskörper L ⊂ K. Wegen char(K) = 0 ist L/K separabel. Ferner istL/K normal, da L Zerfällungskörper ist. L/K ist also eine Galoiserweiterung. Gemäßdem Hauptsatz ist Gal(L/K) = Gal(M/K)

/Gal(M/L). Wenn Gal(M/K) auflösbar ist,

ist auch Gal(L/K) auflösbar. Allgemein gilt die Implikation

G auflösbar und G� G ⇒ G auflösbar (wobei G die Restklassengruppe sei)

[g, h] = [g, h] ⇒ Dn(G) = {e} ⇒ Dn(G) = {e}Wenn also L/K durch Radikale auflösbar ist, muss Gal(L/K) eine auflösbare Gruppesein. Das heißt eine Gleichung mit nicht auflösbarer Galoisgruppe kann nicht durchRadikale auflösbar sein.Beispiel: nicht auflösbares Polynom über QDas Polynom f(x) = x5 − 4x + 2 ∈ Q[x] ist nach Eisenstein (p = 2) irreduzibel.Ferner besitzt f(x) − 2 = x5 − 4x = x(x4 − 4) = x(x2 − 2)(x2 + 2) drei reelleNullstellen 0 und ±

√2. Folgende Graphen veranschaulichen die Situation, wobei

zu beachten ist, dass die Achsen hier im Verhältnis 1 : 2 skaliert sind.

t7E` T Y AjU 3 84/90 Mario Schulz

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5 ANWENDUNGEN

x

f(x)− 2

√2−

√2

x

f(x)

2

Wir zeigen, dass f(x) auch drei relle (und zwei komplexe) Nullstellen besitzt, indemwir die Position der lokalen Extrema abschätzen.

f ′(x) = 5x4 − 4 = 0 ⇔ 5x4 − 4 = 0 ⇔ x = ± 4√

45

Grob geschätzt liegen die Extrema von f(x)− 2 bei ±3, sodass f(x) ebenfalls dreireelle Nullstellen hat.

Proposition 5.12Sei f(x) ∈ Q[x] irreduzibel vom Grad 5, sodass f(x) in C genau drei reelle Null-stellen hat. Dann ist die Galoisgruppe von f , das heißt die Galoisgruppe des Zer-fällungskörpers von f über Q, nicht auflösbar. Also ist f nicht durch Radikaleauflösbar.

Beweis :Wir zeigen, dass Gal(f) ∼= Σ5, also nicht auflösbar ist. Hier ist Gal(f) = Gal(L/Q),wobei L der Zerfällungskörper von f ist. Wegen Separabilität hat das irreduzibelePolynom f fünf einfache Nullstellen x1, x2, x3 ∈ R \Q und x4, x5 ∈ C \ R.Es ist R ⊃ Q(x1) ⊂ L. Das Minimalpolynom mx1(x) = f(x) hat Grad 5. Folglichist [Q(x1) : Q] = 5 | [L : Q].Komplexe Konjugation lässt f(x) fest, da es rationale Koeffizienten hat. Ebensolässt sie die reellen x1, x2, x3 fest, vertauscht aber x4 6= x4 und x5 = x4. Folglichexistiert ein τ ∈ Gal(L/Q), das wie die komplexe Konjugation eingeschränkt aufL wirkt, also x4 und x5 vertauscht.Es ist Gal(L/Q) ⊂ Σ5 (Automorphismen permutieren die 5 Wurzeln). Ferner istτ = (4, 5) ∈ Gal(L/Q) ⊃ Gal(Q(x1)/Q) von der Ordnung 5 und in Σ5 eine Trans-position. Folgendes allgemeineres Lemma zeigt, dass dann Gal(L/Q) = Σ5 gilt.Also sind die Nullstellen von f(x) nicht durch (iterierte) Radikale beschreibbar. �

Mario Schulz 85/90 t7E` T Y AjU 3

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5 ANWENDUNGEN

LemmaSei p eine Primzahl. Sei ferner G < Σp, sodass p | ord(G) und eine TranspositionΣp 3 τ in G enthalten ist.Dann ist G = Σp.

Beweis :Gemäß des Satzes von Cauchy 1.15 folgt aus p | ord(G) die Existenz eines g ∈ Gmit ord(g) = p. Zunächst soll gezeigt werden, dass dieses g ein p-Zyklus ist.g ∈ Σp operiert auf {1, . . . , p} =: X. Angenommen, X = X1 ∪X2 zerfällt in zweinichtleere Bahnen X1 und X2 von g. Dann ist g|X1 ∈ Σ|X1| und g|X2 ∈ Σ|X2|. Es seian |Σ|x1|| = |X1|! erinnert. Aus X1 ( X folgt |X1| < p und damit p 6 | |X1|! bezie-hungsweise analog p 6 | |X2|!. Da andererseits |Σ|X1|| von ord(g|X1) geteilt wird, folgtp 6 | ord(g|X1) sowie analog p 6 | ord(g|X2). Wegen ord(g) = kgV{ord(g1), ord(g2)} er-wächst aus der Folgerung p 6 | ord(g) ein Widerspruch. Es gilt also X1 = X oderX2 = X, das heißt g hat nur eine Bahn auf X nämlich X selbst.Folglich ist X = {1, g(1), g2(1), . . . , gp−1(1)}, weshalb g ein p-Zyklus ist, der oBdAals g = (1 2 3 . . . p) geschrieben werden kann.Die Untergruppe G enthält also einen p-Zyklus g = (1 2 . . . p) = (2 3 . . . p 1) undnach Voraussetzung eine Transposition τ , die oBdA von der Form τ = (1 a) für eina ∈ {2, . . . , p} ist.

Da p eine Primzahl ist, können wir g durch ga−1 = (1 a . . .)ersetzen. Wegen ga−1(1) = a genügt es schließlich oBdA denFall g = (1 2 . . . p) und τ = (1 2) zu betrachten.Wegen τ, g ∈ G sind auch Verkettungen g ◦ τ ◦ g−1 ∈ G.

Iterativ folgt: (2 3) = g ◦ (1 2) ◦ g−1 ∈ G(3 4) = g ◦ (2 3) ◦ g−1 ∈ G

. . . ⇒ (i, i+ 1) ∈ G∀i

Desweiteren ist: (1 3) = (1 2) ◦ (2 3) ◦ (1 2) ∈ G(1 4) = (1 3) ◦ (3 4) ◦ (1 3) ∈ G(i j) = (1 i) ◦ (1 j) ◦ (1 i) ∈ G

⇒ (x1 x2 . . . xm) = (x1 xm) ◦ (x1 xm−1) ◦ . . . ◦ (x1 x2) ∈ G

g : 1 7→ 2g2 : 1 7→ 3g3 : 1 7→ 4

...ga−1 : 1 7→ a

Folglich ist G = Σp. �

t7E` T Y AjU 3 86/90 Mario Schulz

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5 ANWENDUNGEN

Beweis : Theorem 5.11 (a)⇒ (b)Wir zeigen zuerst, dass es eine Erweiterung M ′ ⊃ L ⊃ K gibt, sodass M ′/Kgaloissch ist und gleichzeitig M ′ durch Radikale auflösbar ist. Nach Voraussetzungexistiert gemäß Definition 5.4 (Auflösbarkeit durch Radikale) ein M ⊃ L ⊃ K,wobei dieses M durch iterierte Adjunktion von Radikalen entsteht. Das Problemist, dass M vielleicht nicht normal ist, also gegebenfalls vergrößert werden mussund dabei auflösbar bleiben soll.Wir wenden Induktion nach [M : K] an. Der Induktionsanfang [M : K] = 1impliziert M = K und ist damit klar (Zerfällungskörper eines linearen Polynoms).Im Fall [M : K] > 1, gilt:M = K(a1, . . . , a`︸ ︷︷ ︸

Radikale

) ⊃ K M % K(a1, . . . , a`−1) = M0 M = M0(a`)

Nach Induktionsannahme existiert zu M0/K ein nor-males und durch Radikale auflösbares M ′

0 ⊃ M0. Wirmöchten ein normales und durch Radikale auflösbaresM ′ ⊃M konstruieren.

M ′ ⊂

M ′0

M

M0

K

Sei m der Exponent, sodass am` ∈ M0. Wir schreiben im Folgenden kurz a := a`und definieren

f(x) =∏

ϕ∈Gal(M ′0/K)(xm − ϕ(am))

Alle Nullstellen von f sind Radikale. Folglich ist der Zerfällungskörper von f eineRadikalerweiterung. Es ist f ∈ K[x], da

ϕ∗f(x) = f(x), denn ϕ∗ permutiert die Faktoren:ϕ∗(xm − ψ(am)) =

(xm − (ϕ∗ψ)(am)

)beachte: ϕ∗ψ ∈ Gal(M ′

0/L)

Nach Induktionsannahme ist M ′0 Zerfällungskörper eines Polynoms g(x) ∈ K[x],

sodass alle Nullstellen Radikale sind. Wir definieren M ′ als den Zerfällungskörpervon f ·g ∈ K[x]. Alle Nullstellen sind Radikale. Es giltM ′ ⊃M ⊃ L wie gefordert.Es verbleibt damit die Behauptung des Theorems zu zeigen, nämlich dass die Ga-loisgruppe Gal(M ′/K) auflösbar ist. Wir haben eine KörperketteK = K0 ⊂ K1 ⊂ . . . ⊂ Kr = M ′ Kj+1 = Kj(uj+1) u

mj+1j+1 ∈ Kj

Wir definieren m := kgV(m1, . . . ,mr) und ξ als primitive m-te Einheitswurzel,beispielsweise ei 2π

m . Nach Lemma 5.5 ist K0 ⊂ K0(ξ) galoissch mit abelscher Ga-loisgruppe. Wir betrachten

M ′′ := M ′(ξ) K = K0 ⊂ K0(ξ) ⊂ K1(ξ) ⊂ . . . ⊂ Kr(ξ) = M ′′

Die mi-te Einheitswurzel ist überall enthalten, also ist Lemma 5.6 anwendbar.Kj(ξ) ist separabel und normal nach Konstruktion. Gemäß dem Hauptsatz derGaloistheorie haben wir normale Untergruppen von Gal(M ′/K) und QuotientenGal(Kj+1(ξ)/Kj(ξ)). Diese sind nach den Lemmata 5.5 und 5.6 abelsch. (Das, waszu zeigen war, bekommt man am Schluss sozusagen geschenkt.) �

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5 ANWENDUNGEN

Theorem 5.13 Fundamentalsatz der AlgebraDer Körper C der komplexen Zahlen ist algebraisch abgeschlossen.

Beweis :Wir definieren C = R[i] und verwenden die Definition von R (über Cauchy-Folgen)aus der Analysis. Außerdem benötigen wir folgende Folgerungen aus dem Zwischen-wertsatz:

(1) f(x) ∈ R[x] mit ungeradem Grad hat eine Nullstelle in R (Vollständigkeit von R).(2) Jede Positive reelle Zahl hat eine Quadratwurzel: Das Bild von f(x) = x2 ist R≥0.

Zu zeigen ist die Implikation L/C algebraisch ⇒ L = C oder äquivalent dazuL/C endlich ⇒ L = C. Wir können annehmen, dass L normal ist, ansonstenvergrößern wir es entsprechend. Wir schreiben:

[L : C] = 2`m mit ungeradem m

[L : R] = 2km mit ungeradem m und k ≥ 1G := Gal(L/R) mit |G| = 2km

Nach den Sylowsätzen existiert eine Untergruppe H < G mit |H| = 2k. Die Ga-loiskorrespondenz schickt H auf den Fixkörper LH mit R ⊂ LH ⊂ L.

[L : LH ] = |H| = 2k [LH : R] = m

Wegen char(LH) = 0 ist LH separabel. Gemäß Satz 4.8 vom primitiven Elementexistiert dann ein a, sodass LH = R(a). Sei f(x) := ma,R(x) das Minimalpolynomvon a. Es ist von ungeradem Grad m = [LH : R] = deg(f) und irreduzibel. Nach(1) hat f dann eine Nullstelle in R und ist folglich linear. Also ist m = 1 undLH = R.

Es verbleibt k = 1 in Rm=1⊂ LH

2k⊂ L zu zeigen. Wir beweisen mithilfe von (2), dass

in CQuadratwurzeln a+bimit a, b ∈ R existieren, also eine beliebige komplexe Zahlz = x+ iy mit x, y ∈ R geschrieben werden kann als z = (a+ bi)2 = a2− b2 + 2abi.Die Forderungen x

!= a2 − b2 und y!= 2ab ergeben Gleichungen für die reellen

Zahlen a und b. Diese sind demnach Lösungen von

a2 = 12x±

12

√x2 + y2 b2 = −1

2 ±12

√x2 + y2

Nach (2) existieren die Wurzeln. Dann ist x = a2 − b2 und y2 = 4a2b2 Folglichexistieren in C Quadratwurzeln. Es gibt also keine Grad 2-Erweiterungen von C.Aus [M : C] ≤ 2 folgt M = C, denn falls [M : C] = 2, ist das Minimalpolynomma,C(x) von a ∈ M \ C vom Grad 2, hat aber nach obiger Überlegung Nullstellenin C – ein Widerspruch zu seiner Irreduzibilität. Wir erinnern an

[L : R] = 2k L ⊃ C ⊃ R [L : C] = 2k−1

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5 ANWENDUNGEN

Nach dem Satz von Sylow 1.18 existiert für jeden Teiler von 2k−1 eine Untergruppedieser Ordung (Primzahlpotenz). Für 2k−2 | 2k−1 findet sich also einH ′ < Gal(L/C)mit |H ′| = 2k−2. Wir betrachten folgende Körperkette mit eingezeichneten Graden:

R2⊂ C

d⊂ LH

′ 2k−2

⊂ L

Da insgesamt der Grad [L : R] = 2k vorliegt, muss in der Mitte Grad d = 2herrschen. Es folgt also [LH′ : C] = 2. Ein solches LH′ kann es aber nicht geben,da C keine Erweiterungen vom Grad 2 hat.Folglich ist C/C die einzige endliche Körpererweiterung von C. Daraus folgt dieBehauptung C = C.

Damit haben wir den Fundamentalsatz der Algebra mit einem Minimum an Analysisund einem Maximum an Algebra bewiesen.

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Stichwortverzeichnisabelsch, 4Adjunktion, 39algebraisch, 42algebraischer Abschluss, 48auflösbar, 81Auswahlaxiom, 48Auswertungshomomorphismus, 41

Bahn, 16

Charakteristik, 60

einfache Erweiterung, 39einfache Gruppe, 13Einheiten, 28euklidisch, 31

Faktorgruppe, 8faktorieller Ring, 35Fixkörper, 66Fixpunkt, 16Frobenius-Automorphismus, 63

Galois, 65Grad, 40, 42Gruppe, 4

Hauptideal, 29

Ideal, 27Index, 12Integritätsbereich, 29

Körper, 28, 39Körpererweiterung, 39Kommutator, 82Konjugation, 16konstruierbar, 74

LemmaGauß, 36Gradformel, 40

maximales Ideal, 29Minimalpolynom, 42

Nebenklasse, 6

noethersch, 34Normalreihe, 81Normalteiler, 7Nullteiler, 29

Operation, 15

Permutation, 5Primelement, 33Primideal, 29primitives Polynom, 37

Quotientengruppe, 8Quotientenkörper, 35

Radikal, 79Restklassenring, 27Ring, 26

SatzCauchy, 20Eisenstein, 43Fundamentalsatz der Algebra, 88Hauptsatz der Galoistheorie, 68Klassengleichung, 17kleiner Fermat, 13Kronecker, 46Lagrange, 12Sylow, 22vom primitiven Element, 61

Schiefkörper, 28Separabilitätsgrad, 58Stabilisator, 16Sylowuntergruppe, 20

Teilkörper, 39transzendent, 42

Untergruppe, 5

Zentralisator, 18Zentrum, 18Zerfällungskörper, 56Zornsches Lemma, 49Zwischenkörper, 39Zykel, 7zyklisch, 4

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