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Algebra und Zahlentheorie Walter Gubler 4. Februar 2010

Algebra und Zahlentheorie - Universität Regensburg · 1Vergleiche hierzu S.Landau, " Grundlagen der Analysis\ 1.1. NATURLICHE UND GANZE ZAHLEN 9 Beweis: Auch dieser Beweis gliedert

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Algebra und Zahlentheorie

Walter Gubler

4. Februar 2010

Vorwort

Dies ist ein Skript zu meiner Vorlesung “Algebra und Zahlentheorie furLehramt” im Sommersemester 2007 an der Universitat Dortmund. Furdie Erstellung des Skriptes danke ich Raphael Bolinger. Wir mochtenden Leser bitten, allfallige Druckfehler oder mathematische Irrtumer [email protected] oder [email protected] melden.Walter Gubler

Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen der Zahlentheorie 51.1 Naturliche und ganze Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . 51.2 Teiler und Primzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.3 Der euklidische Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . 161.4 Primfaktorzerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211.5 Der Primzahlsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2 Gruppentheorie 292.1 Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292.2 Nebenklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352.3 Faktorgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422.4 Endliche Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

3 Ringtheorie 493.1 Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493.2 Ideale und Restklassenringe . . . . . . . . . . . . . . . . 543.3 Hauptideale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613.4 Euklidische und faktorielle Ringe . . . . . . . . . . . . . 66

4 Arithmetik modulo n 734.1 Der Ring Z/mZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734.2 Die Eulersche Phi-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . 784.3 Mult. zahlentheoretische Funktionen . . . . . . . . . . . 844.4 Potenzreste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 914.5 Quadratische Reste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

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4 INHALTSVERZEICHNIS

5 Korper 1115.1 Polynome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115.2 Korpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1155.3 Algebraische Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1205.4 Zerfallungskorper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1245.5 Eisenstein-Irreduzibilitatskriterium . . . . . . . . . . . . 131

6 Galois-Theorie 1356.1 Normale Korpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . 1356.2 Separable Korpererweiterungen . . . . . . . . . . . . . . 1386.3 Galois-Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1416.4 Auflosbare Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1486.5 Zyklotomische Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1506.6 Konstruktion mit Zirkel und Lineal . . . . . . . . . . . . 1536.7 Auflosung algebraischer Gleichungen . . . . . . . . . . . 161

7 Ubungen 171

Index 181

Literatur 185

Kapitel 1

Grundlagen derZahlentheorie

1.1 Naturliche und ganze Zahlen

Man kann die naturlichen Zahlen mit Hilfe der folgenden funf Peano-Axiome aufbauen. Wir wollen dies in diesem Abschnitt bis zu einemgewissen Punkt pedantisch durchfuhren und dann fur die weiteren Ei-genschaften auf die Literatur hinweisen.

1.1.1. Die funf Peano-Axiome sind im Einzelnen:

(P1) 0 ∈ N0

(P2) Fur alle n ∈ N0 gibt es genau ein n∗ ∈ N0, den Nachfolger von n

(P3) 0 ist kein Nachfolger, d.h. es gibt kein n ∈ N0 mit n∗ = 0

(P4) Ist n∗1 = n∗2, so ist n1 = n2

(P5) Fur T ⊆ N0 gilt das Induktionsprinzip, d.h. aus

– 0 ∈ T (Induktionsanfang) und

– t ∈ T ⇒ t∗ ∈ T (Induktionsschritt)

folgt T = N0

5

6 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

Wie konnen wir nun nach den obigen Axiomen ”1” definieren? Die Ant-wort ist recht einfach: Wir setzen sie schlicht und ergreifend als denNachfolger von ”0”. Analog konnen wir uns so induktiv jede weitereZahl n ∈ N0 erschließen, also:

1 := 0∗, 2 := 1∗, 3 := 2∗, . . .

Damit erhalten wir insgesamt N0 := {0, 1, 2, 3, . . . }.

Proposition 1.1.2. Fur alle n ∈ N := N0\{0} gibt es ein m ∈ N0 so,dass n = m∗

Beweis: Sei T := {m∗|m ∈ N0}∪{0} die Menge der Nachfolger vereinigtmit der Null. Zu zeigen ist, dass T = N0.Wir argumentieren hier mit vollstandiger Induktion, d.h. mit (P5).

� Der Induktionsanfang 0 ∈ T ist trivialerweise erfullt.

� Sei fur den Induktionsschritt nun t ∈ T . Zu zeigen ist, dass dannauch t∗ ∈ T . Dies folgt sofort aus der Definition von T .

Dies bedeutet aber die Surjektivitat der Nachfolgerabbildung N : N0 →N, n 7→ n∗. Mit (P4) haben wir zudem die Injektivitat gegeben. Damitist N also insbesondere bijektiv.

1.1.3. Die Addition zweier Zahlen n,m ∈ N0 verankern wir mit n +0 := n und definieren sie induktiv nach m. Sei also n+m definiert. Wirsetzen im Induktionsschritt n+m∗ := (n+m)∗

Damit haben wir n + m fur ein festes n definiert und durch Induktionnach n erhalten wir die Addition.

Proposition 1.1.4. Die Addition ist kommutativ und assoziativ.

Beweis: Wir zeigen die Kommutativitat mit vollstandiger Induktion.Hierbei gehen wir in drei Schritten vor:

i) Zu zeigen ist: (m+ n)∗ = m∗ + nBeweis durch vollstandige Induktion nach n bei festem m ∈ N0

1.1. NATURLICHE UND GANZE ZAHLEN 7

I.A.) Als Induktionsanfang ist (m + 0)∗ = m∗ = m∗ + 0 erfulltnach Definition der Addition.

I.S.) Fur den Induktionsschritt gelte nun die Induktionsannahme(m + n)∗ = m∗ + n fur ein n ∈ N0. Zu zeigen ist, dass(m+ n∗)∗ = m∗ + n∗. Wir erhalten:

(m+ n∗)∗ = ((m+ n)∗)∗ = (m∗ + n)∗ = m∗ + n∗

Die erste und dritte Gleichheit gelten hier nach Definitionder Addition; die zweite folgt aus der Induktionsannahme.

ii) Wir zeigen m+ 0 = 0 +m wiederum mit vollstandiger Induktion,diesmal nach m.

I.A.) Fur m = 0 ist die Aussage trivialerweise in jedem Fall erfullt.

I.S.) Im Induktionsschritt gelte nun m+0 = 0+m fur ein m ∈ N0.Zu zeigen ist also m∗+0 = 0+m∗. Zusammen mit dem erstenSchritt erhalten wir hier:

m∗ + 0 = (m+ 0)∗ = (0 +m)∗ = 0 +m∗

iii) Im dritten und letzten Schritt ist nun nur noch die eigentlicheBehauptung nachzuweisen, also m+n = n+m. Auch hier arbeitenwir wieder mit der vollstandigen Induktion.

I.A.) Nach dem zweiten Schritt wissen wir, dass m + 0 = 0 + merfullt ist.

I.S.) Gelte also nun m + n = n + m fur ein n ∈ N0. Wir zeigen,dass m+ n∗ = n∗ +m und sind damit fertig:

m+ n∗ = (m+ n)∗ = (n+m)∗ = n∗ +m

Die Kommutativitat ware damit also gezeigt. Die Assoziativitat bleibtzur Ubung.

Definition 1.1.5. Eine Relation ”≥“ heißt Ordnung auf einer MengeM , wenn sie folgende Bedingungen erfullt:

8 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

i) Reflexivitat, d.h. ∀n ∈M : n ≥ n

ii) Antisymmetrie, d.h. ∀m,n ∈M : m ≥ n ∧ n ≥ m⇒ m = n

iii) Transitivitat, d.h. ∀n,m, p ∈M : m ≥ n ∧ n ≥ p⇒ m ≥ p

Eine Ordnung heißt total, wenn ∀n,m ∈M : m ≥ n ∨ n ≥ m.

Beispiel 1.1.6. ”=“ stellt auf jeder mindestens zweielementigen Mengekeine Totalordnung dar.

Beispiel 1.1.7. Die Teilmengenrelation ”⊆“ stellt auf der PotenzmengeP (X) einer beliebigen Menge X eine Ordnung dar, sofern |X| ≥ 2.Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine Totalordnung, denn furx1, x2 ∈ X mit x1 6= x2 gilt {x1}, {x2} ∈ X, aber {x1} 6⊆ {x2} und{x1} 6⊇ {x2}.

Definition 1.1.8. Wir wollen nun noch explizit eine Ordnung auf N0

definieren. Fur m,n ∈ N0 sagen wir ”m ist großer gleich n“ (m ≥ n)genau dann, wenn es ein k ∈ N0 gibt mit m = k + n.

Proposition 1.1.9. ”≥“ ist eine Totalordnung auf N0.

Beweis: Der Beweis sei hier zur Ubung gegeben.

1.1.10. Fur N0 definieren wir die Multiplikation wiederum induktivnach n mit festem m. Fur den Induktionsanfang wahlen wir analog zurAddition m · 0 := 0.Falls m · n schon fur ein n ∈ N0 definiert ist, so setzen wir weiterm · n∗ := m · n+m

Ab jetzt wollen wir wie gewohnt ”n+ 1” statt ”n∗” schreiben.Die Multiplikation ist kommutativ und assoziativ auf N0. Hinzu kommt,dass sie mit der Addition die Distributivgesetze erfullt.Sowohl dieses als auch die Vertraglichkeit der Addition und Multiplika-tion mit ”≥” kann man einzig mit den Peanoaxiomen herleiten.1

Satz 1.1.11 (Satz vom kleinsten Element). Ist T ⊆ N0, T 6= ∅, so hatT ein kleinstes Element.

1Vergleiche hierzu S.Landau,”Grundlagen der Analysis“

1.1. NATURLICHE UND GANZE ZAHLEN 9

Beweis: Auch dieser Beweis gliedert sich in mehrere Schritte. Zunachstzeigen wir die Behauptung fur endliche Teilmengen von N0. Im zweitenSchritt weiten wir die Aussage dann aus.

i) Zunachst zeigen wir also mittels vollstandiger Induktion nach n :=|T |, dass jede endliche Teilmenge von T ein minimales Elementhat.Fur n = 1 ist T = {t} und t somit kleinstes Element.Gelte fur den Induktionsschritt die Aussage nun fur ein n ∈ N0.Zu zeigen ist, dass eine Teilmenge T mit |T | = n + 1 auch einkleinstes Element hat.Wir wahlen ein festes t1 ∈ T und definieren T ′ := T\{t1}. Da-mit ist |T ′| = n und T ′ besitzt nach Induktionsvoraussetzung einkleinstes Element t′min. Da ”≥“ nach Proposition 1.1.9 eine Total-ordnung auf N0 darstellt, gilt fur dieses nun entweder t′min < t1,womit tmin auch das kleinste Element von T ist, oder aber es gilttmin > t1, was dazu fuhrt, dass t1 das kleinste Element von T ist.In jedem Fall besitzt T ein kleinstes Element, womit der ersteSchritt gezeigt ware.

ii) Zu zeigen ist nun, dass auch unendliche Teilmengen T von N0 einkleinstes Element besitzen.Wir wahlen hierzu t0 ∈ T und T0 := {t ∈ T |t ≤ t0}. Beachte, dasshier insbesondere T0 endlich ist2 und aus t0 ∈ T0 folgt T0 6= ∅.Nach dem ersten Schritt besitzt T0 nun ein kleinstes Element tmin

und dieses ist damit auch kleinstes Element von T , denn ist t ∈ T ,so gilt entweder t ≤ t0 oder t > t0 wegen der Totalordnung aufN0.Im ersten Fall folgt:

t ∈ T0 ⇒ tmin ≤ t

Fur den zweiten Fall erhalten wir:

tmin ≤ t0 < t⇒ tmin < t

2Nach Definition von endlich

10 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

In jedem Fall ist also tmin ≤ t und somit minimal in T . Und ebendies war zu zeigen.

1.1.12. Im Folgenden wird eine verbesserte Version der vollstandi-gen Induktion eingefuhrt. Sie unterscheidet sich nicht wesentlich vonder bisher bekannten, vereinfacht allerdings den einen oder anderen Be-weis ungemein. Sei in diesem Sinne eine Aussage A(n) fur jedes n ∈ N0

gegeben, so gilt, dass aus

i) A(0) ist wahr (Induktionsanfang)

ii) Wenn A(m) wahr ist fur alle m < n, so gilt auch A(n) (Indukti-onsschritt)

die Gultigkeit von A(n) fur alle n ∈ N0 folgt.

Beweis: Wir fuhren den Beweis durch Widerspruch. Sei hierzu T :={n ∈ N0|A(n) falsch}. Zu zeigen ist, dass T = ∅.Angenommen, T 6= ∅. Nach Satz 1.1.11 hat T ein kleinstes Element inn0 ∈ N0. Somit ist nach Definition von T die Aussage wahr fur allem < n0.Nach dem Induktionschritt ist aber A(n0) wahr. Dies ist ein Wider-spruch zu n0 ∈ T . Es folgt die Behauptung.

Definition 1.1.13. Wir definieren die ganzen Zahlen Z durch

Z := N0 ∪ −N = {0,±1,±2,±3, . . . }

Wir setzen wie ublich die Addition ”+” und die Multiplikation ”·” aufZ fort. Damit gelten insbesondere die Assoziativitat und die Kommu-tativitat fur ”+” und ”·”, sowie die Distributivitatsgesetze.

1.2. TEILER UND PRIMZAHLEN 11

1.2 Teiler und Primzahlen

In diesem Abschnitt wollen wir die multiplikative Struktur der ganzenZahlen naher untersuchen. Die Bausteine dazu sind die Primzahlen,wie spater aus der Primfaktorisierung klar wird. Obwohl die Primzahlenganz einfach definiert werden konnen, verbergen sie zahlreiche ungelosteRatsel.

Definition 1.2.1. Wir sagen, eine ganze Zahl b teilt eine andere ganzeZahl a, falls ein c ∈ Z existiert so, dass a = b · c.In diesem Fall heißt b Teiler von a und a heißt Vielfaches von b. Wirschreiben in diesem Falle b|a.

Es folgen einige leicht verstandliche Regeln fur die Teilbarkeit:

Satz 1.2.2. Seien a, b, c, d ∈ Z, so gilt:

i) d|a⇒ d|a · b

ii) d|c und c|b⇒ d|b

iii) d|a und d|b⇒ d|xa+ yb, ∀x, y ∈ Z

iv) d|a und d|b⇔ d|a und d|a+ b

Beweis: i) und ii) sind im Grunde genommen trivial und verbleiben zurUbung.

iii) Seien a, b, d, k, l ∈ Z und a = kd, b = ld. Wir erhalten

xa+ yb = xkd+ yld = d (xk + yl)︸ ︷︷ ︸∈Z

Es folgt die Behauptung.

iv) Es sind zwei Richtungen zu zeigen. Wir werden sie separat be-trachten:

”⇒“: Sei zunachst d|a und a|b gegeben. Zu zeigen bleibt noch,dass d|a+ b. Dies ergibt sich aber einfach aus iii). Setze hierx = y = 1.

12 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

”⇐“: Seien nun d|a und d|a + b gegeben. Zu zeigen ist d|b. Auchhier argumentieren wir einfach wieder mit iii). Setze

b = 1 · (a+ b) + (−1) · a

Die Behauptung folgt unmittelbar.

1.2.3. Ordnungseigenschaften. Seien d, a ∈ Z, so gilt

d|a⇒ |d| ≤ |a| oder a = 0.

Es sei angemerkt, dass sich hieraus explizit

d|a und a|d⇒ a = ±d

folgern laßt. Das heißt ”|” ist eine Ordnung auf N0. Da allerdings bei-spielsweise 5 6 |3 und 3 6 |5, ist sie nicht fur alle n,m ∈ N0 gegeben, alsokeine Totalordnung.Wir halten weiter fest:

Bemerkung 1.2.4. ±1 ist ein Teiler von jeder ganzen Zahl. Jede ganzeZahl ist ein Teiler von 0.

Definition 1.2.5. p ∈ N heißt genau dann Primzahl, wenn p genauzwei Teiler in N hat.Damit ist ”1” insbesondere keine Primzahl ist.

Definition 1.2.6. Fur n ∈ N0 sei T (n) := {m ∈ N| m|n} die Teiler-menge von n.

Nach 1.2.3 besitzt T (n) fur n 6= 0 hochstens n Elemente. Weiterhin istbemerkenswert, dass T (0) = N.Betrachten wir das 2-Tupel (m,n) ∈ N2, wobei m und n nicht beidegleich 0 sein sollen, so ist T (m) ∩ T (n) eine endliche Menge in N, be-sitzt damit also ein großtes Element. Diesem geben wir einen Namen infolgender

1.2. TEILER UND PRIMZAHLEN 13

Definition 1.2.7. Das großte Element von T (m) ∩ T (n) heißt dergroßte gemeinsame Teiler von m und n und wird mit ggT(m,n)bezeichnet.

Dieses Konzept sollte recht einfach verstandlich sein. Bevor wir aller-dings beginnen, uns weiter mit dem ggT auseinander zu setzen, setzenwir noch ggT(0, 0) := 0. Aus obiger Definition folgt ubrigens immerggT(m, 0) = m.Ein weiteres nahezu analoges und wahrscheinlich auch bereits bekanntesKonzept wird im Folgenden Zentrum unserer Aufmerksamkeit sein:

Definition 1.2.8. Seien m,n ∈ N0. V (n) := {k · n|k ∈ N} heißt dieVielfachmenge von n. Das kleinste gemeinsame Vielfache von mund n definieren wir somit als

kgV(m,n) := min(V (n) ∩ V (m))

Seine Existenz ergibt sich nach dem Satz 1.1.11.

Mit dem bisher gesagtem konnen wir damit beginnen, uns weiter mitden Primzahlen auseinander zu setzen. Es ist in diesem Zusammenhangselbstverstandlich interessant, sie explizit bestimmen zu konnen. Wirwerden uns dazu im Folgenden einen Algorithmus anschauen, welcherschon mehrere hundert Jahre alt ist:

1.2.9. Das Sieb des Eratosthenes stellt einen recht einfachen Algo-rithmus zur Bestimmung von Primzahlen dar.Das dahinterstehende Prinzip ist simpel. Wollen wir die Primzahlen klei-ner oder gleich einer Schranke n ∈ N bestimmen, so schreiben wir allenaturlichen Zahlen 2, . . . , n in ein rechteckiges Schema. Dann beginnenwir damit, alle echten Vielfachen von 2 herauszustreichen. Nachdem wirdies getan haben, gehen wir zur nachsten nicht gestrichenen Zahl (indiesem Fall also 3). Nun streichen wir auch all ihre echten Vielfachenund so weiter und so fort. Ubrig bleiben alle Primzahlen bis n. In denUbungen zeigen wir, dass wir nur die echten Vielfachen von Zahlen kmit k ≤

√n streichen mussen. Wir veranschaulichen das Verfahren am

Beispiel n = 99:

14 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

2 3 6 4 5 6 6 76 8 6 9 6 10 11 6 12 136 14 6 15 6 16 17 6 18 196 20 6 21 6 22 23 6 24 6 256 26 6 27 6 28 29 6 30 316 32 6 33 6 34 6 35 6 36 376 38 6 39 6 40 41 6 42 436 44 6 45 6 46 47 6 48 6 496 50 6 51 6 52 53 6 54 6 556 56 6 57 6 58 59 6 60 616 62 6 63 6 64 6 65 6 66 676 68 6 69 6 70 71 6 72 736 74 6 75 6 76 6 77 6 78 796 80 6 81 6 82 83 6 84 6 856 86 6 87 6 88 89 6 90 6 916 92 6 93 6 94 6 95 6 96 976 98 6 99

1.2.10. Wir werden in 1.5.1 beweisen, dass es unendlich viele Primzah-len gibt. Der Beweis dieses Satzes ist noch recht einfach. Bei anderenAussagen und Vermutungen sieht es da schon anders aus. Gerade inder Primzahlentheorie gibt es offene Fragen, bei denen sich Mathema-tiker auf der ganzen Welt schon seit hunderten von Jahren die Zahneausbeissen. Es seien an dieser Stelle nur einige genannt:

Vermutung 1.2.11. Es gibt unendlich viele Primzahlzwillinge, d.h. esgibt unendlich viele Paare von Primzahlen (p, q) mit p− q = 2

Vermutung 1.2.12 (Goldbachsche Vermutung). Fur alle geraden Zah-len n ≥ 4 existieren Primzahlen p und q so, dass n = p+ q.

Bemerkung 1.2.13. Fur kleinere naturliche Zahlen laßt sich dieseUberlegung leicht verifizieren. So ist z.B.

94 = 41 + 53 = 71 + 23 = 47 + 47

Ein allgemein gultiger Beweis ist bisher allerdings noch nicht erbrachtworden. Falls jemand Interesse daran haben sollte, sein Leben lang aus-

1.2. TEILER UND PRIMZAHLEN 15

gesorgt zu haben, so ist nichts einfacher als das. Man muß nur diesekleine, unscheinbare Vermutung beweisen.

16 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

1.3 Der euklidische Algorithmus

Wir beginnen diesen Abschnitt mit der Division mit Rest. Diese Eigen-schaft der ganzen Zahlen ist der Schlussel zur Bestimmung des gross-ten gemeinsamen Teilers und zur Losung von linearen diophantischenGleichungen. Im nachsten Abschnitt werden wir das benutzen um diePrimfaktorisierung zu beweisen.

Satz 1.3.1 (Division mit Rest). Seien a ∈ Z und b ∈ Z\{0}, so gibt esgenau ein q ∈ Z und genau ein r ∈ {0, 1, . . . , |b| − 1} mit a = qb+ r

Beweis: Definiere T := {a− kb|k ∈ Z} ∩ N0.Nach 1.1.11 hat T ein kleinstes Element r = a−qb. Es gilt r < |b|, dennsonst ware

0 ≤ r − |b| = a− qb− |b| = a− (q ± 1)b ∈ T

Weil r−|b| < r ware, ist dies ein Widerspruch dazu, dass r das kleinsteElement von T ist.Wegen a = qb+ r folgt die Existenz.Die Eindeutigkeit erhalten wir recht einfach. Sei angenommen, dass

qb+ r = a = q′b+ r′, r′ ∈ {0, 1, . . . , |b| − 1} und oBdA r′ ≥ r⇒ (q − q′)b = r′ − r⇒ (q − q′)b ∈ {0, 1, . . . , r′} ⊆ {0, 1, . . . , |b| − 1}⇒ 0 = (q − q′)b⇒ q = q′

⇒ r = r′

1.3.2. Wir geben nun den euklidischen Algorithmus zur Bestim-mung des großten gemeinsamen Teilers zweier naturlicher Zahlen mund n an. Seine einzelnen Schritte sind im Folgenden:

� 1.Schritt: Setze zunachst m0 := m und n0 := n

1.3. DER EUKLIDISCHE ALGORITHMUS 17

� 2.Schritt: Fuhre nun eine Division mit Rest m0 = q0n0 + r0 mitr0 ∈ {0, . . . , n0 − 1} durch.

� 3.Schritt: Setze jetzt m1 := n0 und n1 := r0 und bestimme wiederden großten gemeinsamen Teiler, diesmal von m1 und n1

� 4.Schritt:Mache weiter wie in Schritt zwei; diesmal mit m1 undn1 statt m0 und n0.

...

Fahren wir hiermit fort, so erhalten wir die Paare

(m0, n0)→ (m1, n1)→ (m2, n2), . . .

Beachte, dass nach Konstruktion

n0 > r0 = n1 > r1 = n2 > . . .

gilt. Diese Folge nicht negativer Zahlen muß allerdings irgendwann ab-brechen. Daraus folgt unmittelbar, dass es ein nj gibt so, dass der Restrj = nj+1 = 0 ist. Hierbei geht die Division mit Rest also zum erstenMal auf.Beachte, dass nach der Summenregel 1.2.2 (iv). gilt, dass

ggT(m0, n0) = ggT(m1, n1) = · · · = ggT(mj , nj).

Dies bedeutet allerdings, dass (da rj = 0)

mj = qjnj + rj = qjnj ⇒ ggT(m,n) = nj .

Bemerkung 1.3.3. Man kann den euklidischen Algorithmus analogauch fur ganze Zahlen m 6= 0 6= n durchfuhren um den großten gemein-samen Teiler zu finden. Wenn man Wert auf ggT(m,n) ∈ N legt, dannmuss man ggT(m,n) = |nj | benutzen.

1.3.4. Gegeben sei eine lineare diophantische Gleichung

ax+ by = c (1.1)

18 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

fur gegebene a, b ∈ Z \ 0. Diophantisch bedeutet hier, dass wir die Glei-chung innerhalb von Z losen wollen, d.h. gesucht sind alle (x, y) ∈ Z2,welche die obige Gleichung erfullen.Die Idee ist hier ein zum euklidischen Algorithmus analoges Losungs-verfahren. Division mit Rest liefert a = qb + r mit r ∈ {0, . . . , |b| − 1}.Damit ist

ax+ by = c ⇔ b(qx+ y) + rx = c

⇔ bx1 + ry1 = c,

wobei in der zweiten Umformung x1 := qx + y und y1 := x gesetztworden sind. Man beachte, dass es sich hierbei in der Tat um eine Aqui-valenzumformung handelt, da sich die Variablensubstitution innerhalbvon Z durch x = y1 und y = x1 − qy1 ruckgangig machen laßt.Setze m0 := a und n0 := b. Dann ist die alte Gleichung m0x+ n0y = cund die neue Gleichung m1x+n1y = c mit den Bezeichnungen aus demeuklidischen Algorithmus.Wir wiederholen das Verfahren parallel zum euklidischen Algorithmus,also

m0x+ n0y = c ⇔ m1x1 + n1y1 = c

⇔ m2x2 + n2y2 = c

⇔ . . ....⇔ mjxj + njyj = c

Die letzte Gleichung ist hierbei beim Abbrechen des euklidischen Algo-rithmus erreicht und hat die Form

nj(kjxj + yj) = c. (1.2)

Da nj |mj folgt mj = kjnj , was die Gleichheit im letzten Schritt erklart.Da nach 1.3.2 nj = ggT(a, b) folgt, als Fazit:

i) Falls ggT(a, b) kein Teiler von c ist, so hat die Gleichung (1.2) undsomit auch (1.1) keine Losung (x, y) ∈ Z.

1.3. DER EUKLIDISCHE ALGORITHMUS 19

ii) Falls c von ggT(a, b) geteilt wird, so bestimmen wir die allgemeineLosung von (1.1), indem wir die Gleichung (1.2) losen und dieErgebnisse dann ”ruckwarts einsetzen“.Genauer bedeutet dies, dass wir xj ∈ Z beliebig wahlen und yj :=cnj− kjxj setzen. Dies ist dann die allgemeine Losung von (1.2)

und durch Rucktransformation erhalten wir die allgemeine Losungder Ausgangsgleichung (1.1) in Abhangigkeit des Parameters xj .

Beispiel 1.3.5. Wollen wir uns einmal den obigen Algorithmus inseiner Anwendung betrachten. Sei hierzu die diophantische Gleichung10098x + 1485y = 594 gegeben. Fur den euklidischen Algorithmus er-halten wir

10098 = 6 · 1485 + 1188

Mit x1 = 6x+ y und y1 = x folgt weiter

1485x1 + 1188y1 = 594→ 1485 = 1 · 1188 + 297

Damit setzen wir x2 = x1 + y1 und y2 = x1 und erhalten:

1188x2 + 297y2 = 594→ 1188 = 4 · 297 + 0

Somit ist 297(4x2 + y2) = 594 unsere letzte Gleichung und es gilt furden grossten gemeinsamen Teiler ggT(10098, 1485) = 297.Da 297 ein Teiler von c = 594 ist, konnen wir die diophantische Glei-chung losen. Nach Kurzen erhalten wir die allgemeine Losung diesesAusdrucks aus 4x2 + y2 = 2 mit beliebigem x2 ∈ Z und somit y2 =2 − 4x2. Es geht weiter mit der Umkehrung der Substitution. Wir er-halten:

� x1 = y2 = 2− 4x2 und y1 = x2 − x1 = x2 − (2− 4x2) = 5x2 − 2

� x = y1 = 5x2 − 2 und y = x1 − 6x = −34x2 + 14

Und eben diese letzten Werte x und y sind unsere allgemeine Losungfur beliebiges x2 ∈ Z.

Korollar 1.3.6. Seien m,n ∈ Z. Dann teilt jeder gemeinsame Teilervon m und n den großten gemeinsamen Teiler von m und n

20 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

Beweis: Nach 1.3.4 lasst sich die diophantische Gleichung

mx+ ny = ggT(m,n)

losen. Damit gilt nach 1.2.2 weiter

d|mx+ ny = ggT(m,n)

und eben dies war zu zeigen.

Wir haben bei dem obigen Korollar das nun folgende Lemma im Grundebereits bewiesen:

Korollar 1.3.7 (Lemma von Bezout). Fur alle m,n ∈ Z gibt es x, y ∈ Zso, dass ggT(m,n) = mx+ ny.

Beweis: Siehe den Beweis von 1.3.6

1.4. PRIMFAKTORZERLEGUNG 21

1.4 Primfaktorzerlegung

Wir beginnen mit einer aquivalenten Charakterisierung von Primzahlen.Sie wird mit Hilfe des letzten Abschnitts bewiesen und folgt somit ausder Division mit Rest. Wir werden diese Charakterisierung benutzen,um die Eindeutigkeit der Primfaktorisierung zu zeigen. Die Eindeutig-keit ist genauso wichtig wie die Existenz, welche mit einem leichtenInduktionsargument folgt.

Lemma 1.4.1. Seien a, b, c ∈ Z und ggT(a, b) = 1. Dann gilt:

a|bc⇔ a|c

Beweis: Nach dem Lemma von Bezout 1.3.7 wissen wir, dass es x, y ∈ Zgibt mit ax+ by = 1. Multiplikation mit c ergibt acx+ bcy = c. Wennnun a|c gilt, so folgt unmittelbar a|bc.Auf der anderen Seite folgt aus a|bc mit der Summenregel, dass a|bcx+bcy und hieraus wieder mit dem obigen: a|c.

1.4.2. Charakterisierung von Primzahlen. Fur p ∈ N, p ≥ 2 sindfolgende Aussagen aquivalent:

i) p ist eine Primzahl.

ii) Fur alle a, b ∈ Z mit p|ab folgt p|a oder p|b.

Beweis: Zu zeigen sind an dieser Stelle wiederum zwei Richtungen.“⇒”: Sei also zunachst p|ab. Zu zeigen ist, dass p|a oder p|b. Sei oBdAa, b ∈ N angenommen. Wir konnen weiter annehmen, dass p 6 |a.Da p Primzahl ist, gilt ggT(a, p) = 1 und zusammen mit 1.4.1 erhaltenwir p|b.“⇐”: Weiter sei d|p angenommen. Zu zeigen ist, dass unter den gege-benen Voraussetzungen d = 1 oder d = p.Aus der Annahme erhalten wir, dass p = k · d und damit aus (ii) p|koder p|d. Da aber p ≥ k (bzw. p ≥ d), folgt p = k (bzw. p = d) unddamit d = 1 (bzw. d = p).

22 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

Satz 1.4.3 (Fundamentalsatz der Zahlentheorie). Sei a ∈ Z\{0}, sogibt es eine Primfaktorzerlegung

a = εpk11 · · · pkrr , (1.3)

wobei p1, . . . , pr paarweise verschiedene Primzahlen sind, ε ∈ {±1} undk1, . . . , kr ∈ N. Bis auf die Reihenfolge ist die Primfaktorzerlegung ein-deutig.

Bemerkung 1.4.4. Falls a ∈ {±1}, benutzen wir die Konvention, dasswir r = 0 wahlen konnen und damit a = ε mit ε ∈ {±1} schon diePrimfaktorzerlegung ist.

Beweis (von 1.4.3): Sei oBdA a ∈ N. Wir betrachten hier also denpositiven Fall. Andernfalls korrigieren wir einfach das Vorzeichen mitε = −1.Wir beweisen die Existenz der Primfaktorzerlegung mit vollstandigerInduktion nach a.

I.A.) Fur a = 1 haben wir nach 1.4.4 die Primfaktorzerlegung bereitsgegeben. Damit ist der Induktionsanfang gesetzt.

I.S.) Sei nun a > 1. Nach der verbesserten Version der vollstandigen In-duktion 1.1.12 konnen wir annehmen, dass jedes n ∈ {1, 2, . . . , a−1} schon eine Primfaktorzerlegung besitzt. Nun gilt es zu zeigen,dass auch a eine solche hat. Wir unterscheiden zwei Falle:

1.Fall: Ist a Primzahl, so ist die Primfaktorzerlegung durch a = punmittelbar gegeben.

2.Fall: Sei a nun keine Primzahl. Damit ist a = bc mit 1 < b, c <a. Nach Induktionsvoraussetzung besitzen b und c nun einePrimfaktorzerlegung derart:

b = pk11 · · · pkrrc = ql11 · · · qlss

und es ist damit weiter:

a = pk11 · · · pkrr · q

l11 · · · q

lss

die Primfaktorzerlegung von a.

1.4. PRIMFAKTORZERLEGUNG 23

Fur die Eindeutigkeit gilt es nun zu zeigen, dass die Primfaktorzerle-gung bis auf die Reihenfolge der Faktoren eindeutig bestimmt ist. DenBeweis fuhren wir durch Widerspruch.Nehmen wir also an, dass es naturliche Zahlen gibt, fur welche die Prim-faktorzerlegung nicht eindeutig ist. Sei T die Menge dieser Zahlen. NachSatz 1.1.11 gibt es ein kleinstes Element tmin ∈ T . Damit besitzt tmin

mindestens zwei verschiedene Primfaktorzerlegungen:

tmin = pk11 · · · pkrr = ql11 · · · q

lss .

Da p1|tmin = ql11 · · · qlss , teilt p1 somit qj fur ein j ∈ {1, . . . , s}. Dies folgtunmittelbar aus der induktiven Anwendung von 1.4.2. Beachte hierbei,dass qj eine Primzahl ist und damit insbesondere p1 = qj gilt. Dividierenwir nun hierdurch, so erhalten wir

tmin

p= pk1−1

1 · pk22 · · · pkrr = ql11 · · · q

lj−1j · · · qlss

Insbesondere ist aber tp < t, besitzt aber nach oben zwei Primfaktorzer-

legungen und ist damit widerspruchlich zu tmin minimal. Es folgt dieBehauptung.

Und da wir den Fundamentalsatz schon einmal bewiesen haben, solltenwir ihn auch direkt ausnutzen:

1.4.5. Fur eine beliebige Primzahl p und a ∈ Z\{0} sei

vp(a) :={kj , falls p = pj in der Primfaktorzerlegung von (1.3)0, falls p 6= p1, . . . , pr.

vp(a) ist damit der Exponent von p in der Primfaktorzerlegung.Damit lasst sich die Primfaktorzerlegung schreiben als

a = ε ·∏p prim

pvp(a)

Fur a, b ∈ Z\{0} ist damit a = ε∏

p primpvp(a) und b = ε′

∏p prim

pvp(b). Fur

die Multiplikation erhalten wir somit:

a · b = ε · ε′∏p prim

pvp(a)+vp(b)

24 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

Wegen der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung folgt somit die zen-trale Eigenschaft

vp(ab) = vp(a) + vp(b). (1.4)

Proposition 1.4.6. Seien m,n ∈ N. Dann gilt:

i) ggT(m,n) =∏

p primpmin(vp(m),vp(n))

ii) kgV(m,n) =∏

p primpmax(vp(m),vp(n))

Beweis: i) Sei a := ggT(m,n) mit a =∏

p primpvp(a). Insbesondere

schliessen wir daraus, dass∏

p primpmin(vp(m),vp(n)) ein Teiler von

m und n und somit auch von a ist. Damit liefert der Vergleichder Primfaktorisierung min(vp(m), vp(n)) ≤ vp(a), wobei wir hier(1.4) verwenden. Umgekehrt gilt a | n,m ⇒ min(vp(m), vp(n)) ≥vp(a). Es folgt min(vp(m), vp(n)) = vp(a) und eben dies zeigt dieAussage.

ii) Folgt ahnlich, verbleibt aber zur Ubung.

1.5. DER PRIMZAHLSATZ 25

1.5 Der Primzahlsatz

Zu Beginn dieses Kapitels werden wir beweisen, dass es unendlich vielePrimzahlen gibt. Beachte, dass es hierzu durchaus mehrere Beweise gibt.Explizit sollen an dieser Stelle zwei von ihnen gegeben werden.Der erste wird Euklid (ca.300 v.Chr.) zugeschrieben. Der zweite stammtaus dem 18ten Jahrhundert und beruht auf Leonhard Euler (1707-1783).Sie unterscheiden sich wesentlich voneinander, implizieren aber jeder fursich eine eigene Eleganz, die dem Leser nicht vorenthalten werden soll.Wir werden am Ende andeuten, dass die Verteilung der Primzahlennoch viele ungeloste Fragen in der Mathematik beinhaltet.

Satz 1.5.1. Es gibt unendlich viele Primzahlen.

Beweis von Euklid: Seien p1 = 2 < p2 = 3 < · · · < pN die ersten NPrimzahlen. Es genugt zu zeigen, dass es dann auch mindestens eineweitere Primzahl geben muß.Betrachte hierzu t := p1 · · · pN + 1. Nach dem Fundamentalsatz derelementaren Zahlentheorie 1.4.3 hat t einen Primteiler p. Es gilt p 6=pj ∀j ∈ {1, . . . , N}, da sonst nach der Summenregel damit

p|t− p1 · · · pN = 1

folgen wurde. Dies ware aber ein Widerspruch. Damit haben wir eineneue Primzahl gefunden.

Beweis von Euler: Den eulerschen Beweis zeigen wir mittels Wider-spruch. Sei hierzu angenommen, dass die Menge aller Primzahlen Pendlich ist, also P = {p1, . . . , pr}. Damit gilt:

∞ >∏p∈P

(1− 1p

)−1 =∏p∈P

∑n∈N0

(1p

)n=

∞∑n1,...,nr=0

p−n11 · · · p−nrr =

∞∑n=1

1n.

Die erste Gleichheit ergibt sich hierbei aus der geometrischen Reihe, diezweite durch einfaches Ausmultiplizieren. Der Fundamentalsatz liefertuns die dritte Gleichheit. Da die harmonische Reihe gegen unendlichkonvergiert, ist dies ein Widerspruch.

26 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

1.5.2. Von großem Interesse in der Zahlentheorie ist die Frage, wievielePrimzahlen p ≤ x es fur x→∞ gibt. Fur x ∈ R+ interessiert uns also

π(x) := |{p ∈ N|p prim, p ≤ x}|

Beispielsweise erhalten wir π(10) = |{2, 3, 5, 7}| = 4 oder aber π(30) =|{2, 3, 5, 7, 11, 13, 17, 19, 23, 29}| = 10.Wie sieht dies nun aber allgemein aus? Hierzu gibt es einen Satz, der1896 von Hadamard und de la Vallee Poussin bewiesen wurde. Es seihier angemerkt, dass sie den Satz nicht zusammen gezeigt haben, son-dern dass dies vollkommen unabhangig voneinander geschehen ist. Obdie beiden uber diesen ”Zufall” amusiert waren, bleibt fraglich. Ausfor-muliert besagt der Primzahlsatz:

limx→∞

π(x)x/ log(x)

= 1

Der Beweis ist an dieser Stelle leider zu umfangreich, als dass er ex-plizit aufgefuhrt werden konnte. Selbst wenn alle notigen Grundlagenschon geklart waren, so wurde seine Besprechung mehr als einen Monateinnehmen.

1.5.3. Eine vermutete Verscharfung des Primzahlsatzes besagt,dass es eine Konstante c > 0 gibt so, dass

|π(x)− Li(x)| ≤ c√

x log(x)

gilt. Dabei ist Li(x) :=∫ x

2dt

log(t) der Integralalgorithmus, der die Vertei-lung der Primzahlen noch besser beschreibt als x

log(x) .Diese Vermutung ist allerdings noch nicht bewiesen. Falls sich jemandhieran versuchen mochte, so ist der nachste Punkt gegebenenfalls vonInteresse.

1.5.4. Fur s ∈ C, Re(s) > 1, sei die Riemannsche Zeta-Funktiongegeben durch

ζ(s) :=∞∑n=1

n−s

1.5. DER PRIMZAHLSATZ 27

Man kann zeigen, dass ζ eine eindeutige Fortsetzung zu einer differen-zierbaren Funktion auf C\{1} hat. Es ist seit langem bekannt, dass dienegativen geraden Zahlen Nullstellen von ζ sind. Sie heissen die trivialenNullstellen.

Vermutung 1.5.5 (Riemann). Die nicht trivialen Nullstellen der Rie-mannschen Zeta-Funktion liegen auf der Geraden {s ∈ C | Re(s) = 1

2}.

Bemerkung 1.5.6. Es ist bereits bekannt, dass die Riemannsche Ver-mutung aquivalent zur Vermutung 1.5.3 ist. Im Jahr 2000 hat Clayfur die Losung der Riemannschen Vermutung eine Belohnung von 106

Dollar ausgesetzt. Allerdings nur fur einen Beweis der Vermutung, einGegenbeispiel wird nicht honoriert. Vom finanziellen Standpunkt lohntsich also die Losung der Riemannschen Vermutung noch mehr als dieGoldbachsche Vermutung. Fur mehr Hintergrunde zur RiemannschenVermutung verweisen wir den Leser auf die offizielle Problembeschrei-bung in www.claymath.org/millennium/Riemann_Hypothesis/

28 KAPITEL 1. GRUNDLAGEN DER ZAHLENTHEORIE

Kapitel 2

Gruppentheorie

2.1 Gruppen

Den Begriff einer Gruppe lernt man schon in der linearen Algebra ken-nen. Wir wollen das Wesentliche in diesem Abschnitt wiederholen undauch ein paar neue Begriffe einfuhren. Die Gruppen spielen praktischin allen Bereichen der Mathematik eine wichtige Rolle. In den Ubungenwerden sehen, dass in der Geometrie Gruppen durch Betrachten vonSymmetrien entstehen.

2.1.1. Eine Gruppe ist eine Menge G versehen mit einer inneren Ver-knupfung G×G→ G, (a, b)→ a · b, die folgenden Axiomen genugt:

(G1) (a · b) · c = a · (b · c) (Assoziativitat)

(G2) Es gibt ein e ∈ G mit a · e = e · a = a (neutrales Element)

(G3) Fur alle a ∈ G gibt es ein a−1 ∈ G mit a · a−1 = a−1 · a = e(inverses Element)

Beachte, dass eine Gruppe insbesondere abgeschlossen ist bezuglich derMultiplikation, d.h. fur alle a, b ∈ G gilt auch a · b ∈ G. Weiter nen-nen wir eine Gruppe kommutativ, wenn sie zudem noch das folgendeAxiom erfullt:

(G4) Fur alle a, b ∈ G gilt: a · b = b · a

29

30 KAPITEL 2. GRUPPENTHEORIE

Statt kommutative Gruppe sagt man auch haufig abelsche Gruppe.

2.1.2. Interessant ist nun insbesondere die Frage nach den Eigenschaf-ten einer Gruppe. Sie lassen sich einfach aus den oben dargestelltenGruppenaxiomen herleiten und sind zentral. Wir wollen an dieser Stellevier von ihnen beweisen:

i) Das neutrale Element e einer Gruppe G ist eindeutig bestimmt.

ii) Das inverse Element zu a ∈ G ist eindeutig bestimmt.

iii) Es gilt: (a · b)−1 = b−1 · a−1

iv) ax = b hat eine eindeutige Losung in G, namlich x = a−1b ∈ Gya = b hat eine eindeutige Losung in G, namlich y = ba−1 ∈ G

Beweis: i) Angenommen es gibt ausser a noch ein weiteres neutralesElement e′ ∈ G mit ae′ = e′a = a fur alle a ∈ G. Damit erhaltenwir:

e = e · e′ = e′

ii) Auch hier sei angenommen, dass es neben a−1 ein weiteres inversesElement a′ ∈ G gibt mit a · a′ = a′ · a = e. Mit der Assozitativitaterhalten wir folglich:

a−1 = a−1 · e = a−1 · (a · a′) = (a−1 · a) · a′ = e · a′ = a′

iii) Der Beweis geht einfach. Betrachte:

(ab)−1 = (ab)−1aa−1 = (ab)−1abb−1a−1 = (ab)−1(ab)b−1a−1

und dies ist b−1a−1 wie gewunscht.

iv) Wir betrachten hier nur die Gleichung ax = b. Fur die andereGleichung wird der Beweis vollstandig analog durchgefuhrt. Zuzeigen sind hier explizit die Existenz und die Eindeutigkeit.

a) Da G abgeschlossen ist bzg. Multiplikation, folgt mit (G3),dass x = a−1 · b ∈ G erfullt ist. Dies ist eine Losung wegen

a(a−1b) = (aa−1)b = eb = b

2.1. GRUPPEN 31

b) Fur den Nachweis der Eindeutigkeit nehmen wir zunachst an,dass es x, x′ ∈ G gibt, die beide Losungen darstellen. Damitfolgt insbespndere ax = b = ax′.Durch Multiplikation mit a−1 von links erhalten wir:

a−1ax = a−1ax′ ⇒ ex = ex′ ⇒ x = x′

2.1.3. In der Mathematik definiert man Homomorphismen allgemeinals strukturerhaltende Abbildungen. Diesen Begriff wollen auch wireinfuhren:Eine Abbildung ϕ : G1 → G2 zwischen zwei (nicht notwendigerweiseverschiedenen) Gruppen (G1, ·) und (G2, ∗) heißt genau dann Grup-penhomomorphismus, wenn fur alle a, b ∈ G1 gilt:

ϕ(a · b) = ϕ(a) ∗ ϕ(b)

Weiter heißt H ⊆ G genau dann Untergruppe der Gruppe G, wenn Hmit der von G induzierten Verknupfung ”·” eine Gruppe ist. Dies istaquivalent zu folgenden Axiomen:

(U1) a, b ∈ H ⇒ a · b ∈ H (Abgeschlossenheit)

(U2) e ∈ H

(U3) a ∈ H ⇒ a−1 ∈ H

Man beachte, dass sich in der Literatur auch zuweilen an Stelle von(U2) das folgende Axiom finden laßt:

(U2)’ H 6= ∅

Dies ist insbesondere aquivalent zu dem hier gegebenen, da auf der einenSeite

e ∈ H ⇒ H 6= ∅

gilt und auf der anderen Seite zusammen mit (U1) und (U3) folgt:

H 6= ∅ ⇒ ∃a ∈ H (U3)⇒ a−1 ∈ H (U1)⇒ e ∈ H

32 KAPITEL 2. GRUPPENTHEORIE

2.1.4. Wir betrachten nun einige Eigenschaften von Gruppenho-momorphismen. Seien also ϕ : G1 → G2 und ψ : G2 → G3 Gruppen-homomorphismen. Es gilt:

i) ϕ(e1) = e2, wobei e1 das neutrale Element von G1 und e2 analogdas neutrale Element von G2 sind.

ii) ϕ(a−1) = ϕ(a)−1

iii) ψ ◦ ϕ ist Gruppenhomomorphismus.

Beweis: Auch diese Beweise sind verhaltnismaßig leicht. Ein paar ein-fache Uberlegungen liefern uns jeweils den Ansatz.

i) Wir erhalten hier:

ϕ(a) = ϕ(e1 · a) = ϕ(e1) · ϕ(a)

Aufgrund der Eindeutigkeit des neutralen Elementes von G2 mußdamit aber ϕ(e1) = e2 erfullt sein.

ii) Aus dem Obigen wissen wir:

e2 = ϕ(e1) = ϕ(a · a−1) = ϕ(a) · ϕ(a−1)

Hier folgt die Behauptung aus der Eindeutigkeit des inversen Ele-mentes.

iii) Wir erhalten einfach mit den Homomorphieeigenschaften von ϕund ψ fur a, b ∈ G1:

ψ ◦ ϕ(a · b) = ψ(ϕ(a) · ϕ(b)) = ψ(ϕ(a)) · ψ(ϕ(b))

und damit die Behauptung.

2.1.5. Seien ϕ : G1 → G2 ein Gruppenhomomorphismus und e2 dasneutrale Element von G2. Wir definieren den Kern von ϕ durch

ker(ϕ) := ϕ−1(e2) := {a ∈ G1 | ϕ(a) = e2}

2.1. GRUPPEN 33

Der Kern ist also das Urbild des neutralen Elementes von G2. Wiein der linearen Algebra beweist man, dass der Kern von ϕ eine Unter-gruppe von G1 und ϕ(G1) eine Untergruppe von G2 ist. Ebenso beweistman

ϕ injektiv ⇔ ker(ϕ) = {e1}.

Beispiel 2.1.6. i) Bezuglich ”+” ist N0 keine Gruppe. Zwar giltdas Assoziativitatsgesetz und mit 0 ∈ N0 ist auch ein neutralesElement gegeben. Allerdings gibt es hier kein inverses Element furalle n ∈ N0\{0}.

ii) Z, Q, R und C sind Gruppen bezuglich der Addition, aber nichtbezuglich der Multiplikation. Hier fehlt ihnen jeweils ein inversesElement zu 0.

Es gibt also Mengen, die eine gewisse Ahnlichkeit mit Gruppen haben,auf die unsere bisherige Definition allerdings nicht ganz zutreffen will.Der folgende Punkt wird sich noch einmal explizit mit ihnen auseinandersetzen.

2.1.7. Eine Menge M mit einer Verknupfung ”·” heißt genau dann Mo-noid, wenn sie assoziativ ist und ein neutrales Element besitzt.Anders ausgedruckt ist ein Monoid somit nichts anderes als eine ”Grup-pe ohne inverse Elemente”.Beispielsweise sind Z, Q, R und C, wenn auch keine Gruppen (vgl.oben), so doch Monoide bezuglich der Multiplikation.Im folgenden definieren wir nun die Menge der invertierbaren Elementein M durch:

M∗ := {a ∈M | ∃a−1 ∈M, a · a−1 = a−1 · a = e}

Ist M ein Monoid, so erhalten wir bezuglich ”·” hierdurch eine Gruppe.Explizit bekommen wir damit fur die oben angefuhrten Monoide:

Z∗ = {−1, 1}, Q∗ = Q\{0}, R∗ = R\{0} und C∗ = C\{0}

Weiter nennen wir M genau dann Halbgruppe, wenn M mit der Ver-knupfung ”·” assoziativ ist. Es sei bemerkt, dass der Begriff der Halb-gruppe seine Anwendung speziell in der Informatik findet. Fur uns wirder im Folgenden eher von geringem Interesse sein.

34 KAPITEL 2. GRUPPENTHEORIE

Beispiel 2.1.8. Sei X eine beliebige Menge. Wir definieren

M(X) := {f : X → X | f Abbildung}die Menge der Selbstabbildungen. Sie bildet einen Monoid bezuglich derVerknupfung von Abbildungen. Verwenden wir nun die Uberlegung aus2.1.7, so erhalten wir mit

M(X)∗ = {f ∈M(X) | f bijektiv}eine Gruppe. Sie heißt die symmetrische Gruppe auf X, bzw. diePermutationsgruppe und wird mit S(X) bezeichnet.

2.1.9. Sei nun V ein Vektorraum uber einem Korper K. Wir betrachten

GL(V ) := {ϕ : V → V | ϕ Vektorraumisomorphismus}Aus der linearen Algebra wissen wir, dass GL(V ) eine Untergruppe vonS(V ) ist.Dazu ist uns -ebenfalls aus der linearen Algebra- die Determinan-te bekannt. Fur einen endlichdimensionalen Vektorraum V ist sie einGruppenhomomorphismus det : GL(V )→ K∗.Im Fall V = Kn identifiziert man die linearen Selbstabbildungen mitn×n-Matrizen. Damit entspricht GL(V ) der Gruppe GL(n,K) der re-gularen n×n-Matrizen mit Eintragen in K. Die Determinante ist damitein Gruppenhomomorphismus GL(n,K)→ K∗.Daraus hervor geht, dass SL(n,K) := ker(det) zwangslaufig ein Nor-malteiler von GL(n,K) ist. SL(n,K) nennen wir die spezielle lineareGruppe . Beachte, dass SL(n,K) fur n ≥ 2 und damit auch GL(n,K)nicht abelsch ist.

Definition 2.1.10. Ein Gruppenhomomorphismus ϕ : G1 → G2 heißtgenau dann Isomorphismus, wenn es einen Gruppenhomomorphismusψ : G2 → G1 gibt so, dass ϕ ◦ ψ = idG2 und ψ ◦ ϕ = idG1 erfullt sind.

2.1.11. Es sei hier noch einmal explizit erwahnt, dass die Bijektivitateines Isomorphismus in der obigen Definition nicht erwahnt wird. Zwartrifft es zu, dass ein Gruppenhomomorphismus genau dann ein Isomor-phismus ist, wenn er bijektiv ist (in der Tat wird er in der Literaturteilweise uber diese Eigenschaft definiert). Die obige Definition lasstsich aber problemlos auf andere mathematische Strukturen ubertragen.

2.2. NEBENKLASSEN 35

2.2 Nebenklassen

Seien in diesem Abschnitt G eine Gruppe und H ⊆ G eine Untergruppe.Zur Motivation des Folgenden wollen wir zunachst das Beispiel G = Zund H = mZ mit m ≥ 1 betrachten. Man lernt bereits in der linearenAlgebra das Rechnen modulo m. Hierbei bilden die Kongruenzklassenmodulo m den Ring1 Z/mZ. Wir sagen ”a ∈ Z ist kongruent zu b ∈ Zmodulo mZ” genau dann, wenn gilt:

a ≡ b (mod m) :⇔ m|a− b⇔ a− b ∈ mZ⇔ −b+ a ∈ mZ

Das Ziel der beiden folgenden Abschnitte ist es, dies fur beliebige Hund G zu verallgemeinern. Wir wollen also ganz allgemein lernen in ”Gmodulo H” zu rechnen.

2.2.1. Wir lassen uns durch das Obige leiten und definieren analog:

a ∼ b (mod H) :⇔ b−1 · a ∈ H

fur a, b ∈ G. Alternativ hatte man an dieser Stelle auch die Definition

a ∼′ b (mod H) :⇔ a · b−1 ∈ H

ableiten konnen. Falls G nicht kommutativ ist, stimmen die beiden De-finitionen nicht uberein!Wir entscheiden uns hier fur die erste Definition (und studieren diezweite in den Ubungen).Da wir hier H fixiert haben, lassen wir kunftig ”(mod H)” wegfallen.

Definition 2.2.2. Eine Relation ”∼∗” heißt Aquivalenzrelation aufeiner Menge M , falls sie folgende Bedingungen erfullt:

i) Reflexivitat, d.h. ∀n ∈M : n ∼∗ n

ii) Symmetrie, d.h. ∀n,m ∈M : n ∼∗ m⇒ m ∼∗ n

iii) Transitivitat, d.h. ∀n,m, p ∈M : n ∼∗ m ∧m ∼∗ p⇒ n ∼∗ p1vgl. Kapitel 3

36 KAPITEL 2. GRUPPENTHEORIE

Diese Definition ahnelt der aus 1.1.5. Man beachte, dass sich eine Ord-nungs- und eine Aquivalenzrelation einzig durch den Tausch der Anti-symmetrie zu Gunsten der Symmetrie unterscheiden. Allerdings solltendiese Definitionen dem Leser bereits bekannt sein.

2.2.3. ”∼” ist eine Aquivalenzrelation auf G.

Beweis: Wir weisen die in 2.2.2 gegebenen Axiome separat nach.

i) Zunachst zeigen wir die Reflexivitat. Sei hier fur a ∈ G. Damit ista−1a = e ∈ H und es gilt somit a ∼ a.

ii) Zum Nachweis der Symmetrie sei a ∼ b gegeben. Es folgt:

b−1a ∈ H ⇒ (b−1a)−1 = a−1b ∈ H ⇒ a ∼ b

iii) Zu guter Letzt mussen wir noch den Nachweis uber die Transi-tivitat fuhren. Seien also a ∼ b und b ∼ c gegeben. Damit giltb−1a, c−1b ∈ H und es folgt nun:

c−1a = (c−1b)︸ ︷︷ ︸∈H

· (b−1a)︸ ︷︷ ︸∈H

∈ H ⇒ a ∼ c

und eben dies war zu zeigen.

Die Frage ist nun, wie die Aquivalenzklasse [g] von g in G aussieht.Nach dem obigen Ansatz gilt:

[g] = {g′ ∈ G | g′ ∼ g}= {g′ ∈ G | g−1g′ ∈ H}= {g′ ∈ G | ∃h ∈ H mit g′ = gh}

Fur die letztere Menge schreiben wir auch gH und bezeichnen sie alsLinksnebenklasse von H.

2.2. NEBENKLASSEN 37

2.2.4. Nun wollen wir diese Produktnotation auf beliebige Teilmengenvon G ausdehnen. Seien hierzu also Y,Z ⊆ G gegeben. Wir setzen

Y · Z := {y · z | y ∈ Y und z ∈ Z}

Dies definiert eine Verknupfung auf der Potenzmenge Pot(G) von G.Die Frage ist, ob sie damit auch zu einer Gruppe wird.Die Assoziativitat vererbt sich trivialerweise von G und ist damit erfullt.Auch ein neutrales Element ist mit {e} gegeben, da

{e}Y = {ye | y ∈ Y } = Y = Y {e}

Die Uberlegung scheitert allerdings leider an dem inversen Element.Fur Teilmengen Y,Z zeigt man leicht, dass |Y · Z| ≥ |Y | und analog|Y ·Z| ≥ |Z| gilt. Also ist Y ·Z = {e} unmoglich, falls |Y | ≥ 2. Folglichbildet Pot(G) zusammen mit ”·” als Verknupfung nur ein Monoid.

2.2.5. Die Aquivalenzklassen einer Aquivalenzrelation auf einer MengeM zerlegen M in disjunkte Teile. Bei unserer Betrachtung erhalten wirdamit eine Zerlegung von G in Linksnebenklassen.Genauer bedeutet dies, dass wir ein Reprasentantensystem R von ∼bestimmen konnen. Das heißt, dass aus jeder Linksnebenklasse genauein Element gewahlt wird um damit R zu bilden. Es ist somit

G =•⋃

g∈RgH (2.1)

2.2.6. Wir betrachten nun die Linkstranslation

Tg : G→ G, x 7→ gx

mit einem festen Element g ∈ G. Mit Tg−1 haben wir eine Umkehrab-bildung gegeben, da

(Tg ◦ Tg−1)(x) = gg−1x = x = g−1gx = (Tg−1 ◦ Tg)(x).

Damit ist Tg also insbesondere bijektiv. Da aber Tg(e) = g gilt, handeltes sich hierbei um keinen Gruppenhomomorphismus fur g 6= e.Beachte, dass wegen der Bijektivitat insbesondere |gH| = |H| folgt,denn es ist gH = Tg(H) erfullt.

38 KAPITEL 2. GRUPPENTHEORIE

Definition 2.2.7. Die Anzahl der Linksnebenklassen heißt der Indexvon H in G und wird mit (G : H) bezeichnet. Falls |G| =∞, setzen wir(G : H) =∞.Weiter definieren wir die Ordnung einer Gruppe G als die Anzahl derElemente von G und schreiben hierfur ord(G) := |G|Auch dieser Begriff solllte bereits bekannt sein. Beachte, dass wir bis-her nur mit |G|, der Anzahl der Elemente einer Gruppe G, gearbeitethaben. Letztendlich handelt es sich bei dieser Definition also einzig umeine Umbenennung.Der Indexbegriff erscheint auf den ersten Blick noch nicht unmittelbarspannend. Interessant wird es hier allerdings, wenn wir uns einige Fol-gerungen betrachten, die wir aus ihm erhalten. Die nun folgende stellteinen der zentralen Satze des Kapitels dar:

Satz 2.2.8 (Satz von Lagrange). Fur eine Untergruppe H von G gilt

ord(G) = ord(H) · (G : H)

Beweis: Nach (2.1) in 2.2.5 folgt:

ord(G) =∑g∈R|gH| =

∑g∈R

ord(H) = |R| · ord(H)

Da wir aus jeder Aquivalenzklasse genau ein Element auswahlen gilt|R| = (G : H).

Man sollte sich diesen Satz noch einmal in aller Ruhe zu Gemute fuhren.Seine Anwendungsmoglichkeiten sind manigfaltig. Da insbesondere (G :H) ∈ N ist, muss damit die Gruppenordnung eine Vielfaches der Ord-nung der Untergruppe. Dies fassen wir noch einmal zusammen in fol-gendem

Korollar 2.2.9. Ist G eine Gruppe und H ⊆ G eine Untergruppe, sogilt ord(H)| ord(G).

2.2.10. Fur Y ⊆ G sei < Y > die kleinste Untergruppe von G die Yenthalt. Wir sagen in diesem Fall auch, dass < Y > die von Y erzeugteUntergruppe ist. Man weist einfach nach, dass der Durchschnitt von

2.2. NEBENKLASSEN 39

beliebigen Untergruppen H einer Gruppe G wiederum eine Untergruppevon G ist. Daher muß gelten:

< Y >=⋂Y⊆H

H,

wobei H diejenigen Untergruppen von G durchlauft, welche Y enthal-ten. Weiterhin gilt:

< Y >= {gδ11 · · · gδrr | r ∈ N0, gj ∈ Y, δj ∈ {−1, 1}}

Im Gegensatz zur vorangegangenen Behauptung muß dies allerdingsnoch separat nachgewiesen werden.

Beweis: Jede Untergruppe H mit Y ⊆ H muß die rechte Seite R derBehauptung enthalten. Es bleibt zu zeigen, dass R eine Untergruppe ist,denn Y ⊆ R gilt ja bereits und damit ware R die kleinste Untergrupp-pe, die Y enthalt. Insbesondere zeigt dies dann nochmals die Existenzvon < Y >.Zu zeigen ist also, dass R eine Untergruppe ist. Wir weisen die Grup-penaxiome separat nach:

i) Das neutrale Element ist mit e = gg−1 ∈ R fur beliebiges g ∈ Ygegeben. Der Purist lasst auch die leere Menge fur Y zu und sagt,dass man ja in der Definition von R auch r = 0 zulasst und mitdem leeren Produkt einfach e meint. Dies ist allerdings nur einesinnvolle Konvention.

ii) Zu zeigen ist die Abgeschlossenheit. Seien hierzu g, h ∈ R gege-ben. Damit ist insbesondere g = gδ11 · · · gδrr und h = hε11 · · ·hεss furgi, hj ∈ Y, δi, εj ∈ {−1, 1}. Weiter folgt somit auch

g · h = gδ11 · · · gδrr · h

ε11 · · ·h

εss ∈ R

und eben dies war zu zeigen.

iii) Das inverse Element fur ein beliebiges g ∈ R konnen wir direktangeben. Sei also g = gδ11 · · · gδrr wie oben. Dann rechnet man mitder Assoziativitat leicht nach, dass g−1 = g−δrr · · · g−δ11 ∈ R.

40 KAPITEL 2. GRUPPENTHEORIE

Insgesamt folgt die Behauptung.

2.2.11. Eine Gruppe, die von einem Element erzeugt wird, heißt zy-klisch.Sei also G zyklisch. Damit gibt es ein g ∈ G mit G =< g >= {gn | n ∈Z}, denn nach obiger Behauptung folgt zusammen mit Y = {g}:

< Y >= {gδ1 · · · gδr | r ∈ N, δj ∈ {−1, 1}} = {gn | n ∈ Z}

Insbesondere ist jede zyklische Gruppe abelsch, da fur beliebigea, b ∈< g > gilt a = gn und b = gm fur n,m ∈ Z. Damit ist weiter:

a · b = gn · gm = gn+m = gm · gn = b · a

2.2.12. Fur g ∈ G definiert man die Ordnung von g als

ord(g) := min{n ∈ N | gn = e}

Weiter treffen wir als Konvention, dass wir, sollte kein solches n exis-tieren, ord(g) :=∞ setzen.

Lemma 2.2.13. Es gilt: ord(g) = ord(< g >).

Beweis: Nach Definition gilt ord(< g >) = | < g > |. Sei nun gn = gm.Damit ist gn−m = e. Insbesondere sind die Elemente gn mit 0 ≤ n <ord(g) alle verschieden. Ware dies nicht der Fall, so wurde es 0 ≤ m <n < ord(g) geben mit gn = gm, womit wie oben gn−m = e folgen wurde.Damit ist dann aber ord(g) ≤ n−m ≤ n und dies ist ein Widerspruch.Wir nehmen zuerst an, dass ord(g) <∞. Zu zeigen bleibt:

{e, g, . . . , gord(g)−1} =< g >

Sei hierzu gn ∈< g > mit n ∈ Z. Haben wir gezeigt, dass gn ∈{e, g, . . . , gord(g)−1}, so sind wir fertig. Nach der Division mit Rest in1.3.1 gibt es q, r ∈ Z so, dass

n = q · ord(g) + r und 0 ≤ r < ord(g).

Damit ist:

gn = gq ord(g)+r = (gord(g))q · gr = eq · gr = gr ∈ {e, g, . . . , gord(g)−1}

2.2. NEBENKLASSEN 41

Den Fall einer endlichen Ordnung haben wir damit also gezeigt.Zu prufen ist nun nur noch der Fall ord(g) =∞. Nach unserer anfang-lichen Uberlegung folgt aus gn = gm immer gn−m = e und damit, daord(g) =∞, in diesem Fall n = m. Damit gibt es in < g > ebensovieleElemente wie in Z, d.h. unendlich viele und die Behauptung ist somitgezeigt.

Bemerkung 2.2.14. Aus dem obigen Beweis folgt unmittelbar:

{n ∈ Z | gn = e} ={

ord(g) · Z, falls ord(g) <∞{0}, falls ord(g) =∞

Satz 2.2.15 (Satz von Euler). Seien ord(G) <∞ und g ∈ G. Dann istgord(G) = e.

Beweis: Nach dem Satz von Lagrange 2.2.8 folgt ord(< g >)| ord(G).Weiter folgt aus 2.2.13, dass ord(g) = ord(< g >). Damit gibt es eink ∈ N mit k · ord(g) = ord(G), so dass

gord(G) = gk·ord(g) = (gord(g))k = ek = e

gilt. Und eben dies war zu zeigen.

42 KAPITEL 2. GRUPPENTHEORIE

2.3 Faktorgruppen

In diesem Abschnitt sei wieder H eine Untergruppe der Gruppe G unswir bezeichnen die Menge der Linksnebenklassen mit G/H. Wunschens-wert ware es nun, dass G/H mit der reprasentantenweise definiertenMultiplikation wieder eine Grupppe bildet, das heißt wir wahlen x ∈g1H und y ∈ g2H und definieren eine Verknupfung (g1H) · (g2H) :=xy ·H. Anders formuliert heißt dies

[x] · [y] := [x · y] (2.2)

Wir mussen zeigen, dass dies wohldefiniert, also unabhangig von derWahl der Reprasentanten ist. Dies ist aber leider nicht zwangslaufig furalle Untergruppen H ⊆ G richtig, denn es ist notwendig, dass

[g]︸︷︷︸gH

· [g−1]︸ ︷︷ ︸g−1H

= [e] = eH = H

gilt. Damit ist gHg−1{e} ⊆ H fur alle g ∈ G und somit

gHg−1 ⊆ H (2.3)

Auf der anderen Seite ergibt dies angewendet fur g−1 statt g:

g−1Hg ⊆ H ⇒ H ⊆ gHg−1 (2.4)

Falls (2.2) eine wohldefinierte Gruppe ergibt, so muß damit also folgen:

H = gHg−1 ∀g ∈ G (2.5)

Leider gibt es aber Untergruppen, die dies nicht erfullen und deshalbmachen wir folgende

Definition 2.3.1. Eine Untergruppe N von G heißt genau dann Nor-malteiler von G, wenn N = gNg−1 fur alle g ∈ G gilt. Wir schreibenin diesem Fall N / G.

2.3. FAKTORGRUPPEN 43

2.3.2. Sei G eine abelsche Gruppe und N eine Untergruppe von G. Wirwahlen zudem g ∈ G beliebig. Damit ist aufgrund der Kommutativitat:

gNg−1 = gg−1N = eN = N

Jede Untergruppe einer abelschen Gruppe ist somit ein Normalteiler.

Proposition 2.3.3. Sei N / G. Dann ist G/N eine Gruppe bezuglichder in (2.2) reprasentantenweise gegebenen Multiplikation.

Beweis: Seien x, x′ ∈ g1N und y ∈ g2N .Zu zeigen ist zunachst, dass xy ∼ x′y. Aus der Definition von x ∼ x′

folgt (x′)−1x ∈ N . Wir mussen (x′y)−1xy ∈ N beweisen. Dies folgt aus

(x′y)−1xy = y−1(x′)−1xy ∈ N

mit Hilfe der Normalteilereigenschaft (2.5). Analog zeigt man yx ∼yx′. Also ist (2.2) wohldefiniert. Da man reprasentantenweise vorgeht,vererben sich die Gruppenaxiome von G auf G/N .

Definition 2.3.4. G/N heißt Faktorgruppe .

2.3.5. Es gibt eine kanonische Projektion mit

π : G→ G/N, x 7→ x := π(x) := xN = [x]

Da wir in G/N reprasentantenweise rechnen, folgt unmittelbar, dass πein surjektiver Gruppenhomomorphismus ist.Weiterhin ist ker(π) = N . Dies muß allerdings noch separat bewiesenwerden.

Beweis: g ∈ ker(π)⇔ gN = g = e = eN = N . Damit ist g = g · e ∈ N .Umgekehrt folgt aus g ∈ N aber auch gN = N .

Proposition 2.3.6. Sei ϕ : G1 → G2 ein Gruppenhomomorphismus.Dann ist ker(ϕ) / G1.

Beweis: In 2.1.5 haben wir gesehen, dass ker(ϕ) eine Untergruppe vonG1 ist. Zu zeigen bleibt also noch, dass g · ker(ϕ) · g−1 = ker(ϕ) fur alleg ∈ G1 ist. Wir fuhren den Nachweis in zwei Schritten durch:

44 KAPITEL 2. GRUPPENTHEORIE

”⊆“) Sei x ∈ ker(ϕ). Dann ist gxg−1 ein typisches Element der linkenSeite. Haben wir gxg−1 ∈ ker(ϕ) gezeigt, so sind wir fertig. Es giltnun:

ϕ(gxg−1) = ϕ(g)ϕ(x)ϕ(g)−1 = ϕ(g)e2ϕ(g)−1 = e2

Die erste Gleichheit folgt aus den Homomorphieeigenschaften, diezweite ergibt sich, da x ∈ ker(ϕ) ist. Die letzte ist trivial und dieszeigt die Inklusion.

”⊇“) Folgt vollstandig analog. Eigentlich ist dieser Schritt auch unnotig,denn wir haben in der Einleitung gesehen, dass aus (2.3) immer(2.5) folgt.

Bemerkung 2.3.7. Allgemein sei hier noch einmal festgehalten, dassfalls wir nachweisen wollen, dass eine Menge N ein Normalteiler einerGruppe G ist, dann genugt es zu zeigen, dass N eine Untergruppe vonG ist und gNg−1 ⊆ N fur alle g ∈ G erfullt ist.

Satz 2.3.8 (Homomorphiesatz). Sei ϕ : G1 → G2 ein Gruppenho-momorphismus. Dann gibt es genau einen Gruppenisomorphismus ϕ :G1/ ker(ϕ)→ ϕ(G1) mit ϕ([x]) = ϕ(x) fur alle x ∈ G.

Beweis: Definiere ϕ([x]) := ϕ(x) wie gewunscht. Zu zeigen ist die Wohl-definiertheit, d.h. die Unabhangigkeit von der Wahl des Reprasentantenx.Sei also [x] = [y] ∈ G1/ ker(ϕ), d.h. y−1x ∈ ker(ϕ). Es gilt damit:

e2 = ϕ(y−1x) = ϕ(y)−1ϕ(x)

Damit ist ϕ(x) = ϕ(y) wie gewunscht und ϕ somit wohldefiniert.Weil ϕ ein Gruppenhomomorphismus ist und wir in G1/ ker(ϕ) re-prasentantenweise rechenen durfen, muss es sich auch bei ϕ um einenGruppenhomomorphismus handelt.Um zu zeigen, dass ϕ ein Isomorphismus ist, genugt es, die Bijektivitatzu zeigen.

2.3. FAKTORGRUPPEN 45

Da ϕ surjektiv auf ϕ(G1) abbildet, folgt die Surjektivitat von ϕ ausder Konstruktion. Es bleibt also nur noch zu zeigen, dass ϕ injektiv ist.Nach 2.1.5 genugt aber der Nachweis, dass ker(ϕ) = {[e]}.Sei also [x] ∈ ker(ϕ). Damit ist e2 = ϕ([x]) = ϕ(x) nach Definition vonϕ([x]) und folglich x ∈ ker(ϕ). Damit ist:

x = x · ker(ϕ) = ker(ϕ) = e · ker(ϕ) = [e]

Die theoretisch noch zu zeigende Eindeutigkeit von ϕ ist bereits auf-grund der Konstruktion klar.

Beispiel 2.3.9. Sei n ∈ Z. Da Z abelsch ist, muss nZ ein Normal-teiler von Z sein. Wir bezeichnen mit (Z/nZ,+) die Gruppe der Rest-klassen modulo n. Fur n ≥ 1 erhalten wir ein ReprasentantensystemR = {0, . . . , n− 1}, woraus folgt, dass

ord(Z/nZ) = (Z : nZ) = n

Proposition 2.3.10. Eine Gruppe G ist genau dann zyklisch, wennG ∼= Z/nZ fur ein n ∈ Z.

Beweis: Wir zeigen wie gewohnt beide Richtungen separat:

”⇐“: Fur ein n ∈ Z wird Z/nZ durch 1 + nZ erzeugt. Damit ist dieisomorphe Gruppe G zyklisch.

”⇒“: Es ist leicht zu sehen, dass die Abbildung

ϕ : Z→ G =< g >, n→ gn

ein Gruppenhomomorphismus ist. Dabei ist g ein fest gewahlteserzeugendes Element der zyklischen Gruppe G. Die Homomorphiefolgt sofort aus den Potenzgesetzen. Die Surjektivitat erhalten wiraus G = {gn | n ∈ Z}, da nach 2.2.11 die Elemente von G immerPotenzen sind. Nach dem Beweis von 2.2.13 existiert ein m ∈ Zmit ker(ϕ) = mZ. Aus dem Homomorphiesatz folgt somit:

Z/ ker(ϕ)︸ ︷︷ ︸=Z/mZ

∼= ϕ(Z)︸ ︷︷ ︸=G

und eben dies war zu zeigen.

46 KAPITEL 2. GRUPPENTHEORIE

2.3.11. Sei Sn die Gruppe der Permutationen auf {1, . . . , n}. EineTransposition vertauscht zwei Elemente i 6= j und laßt die anderenfest. Wir schreiben hierfur τij . In der linearen Algebra beweist man fastimmer folgenden Satz:Jede Permutation π laßt sich als Produkt von endlich vielen Transposi-tionen schreiben und die Anzahl der benotigten Faktoren ist entwederimmer gerade oder immer ungerade.Wir definieren nun die Signatur einer Permutation π ∈ Sn durch

sig(π) :={

1, falls die Anzahl der Transpositionen gerade ist−1, falls die Anzahl der Transpositionen ungerade ist

Fur zwei Permutationen π, ρ ∈ Sn gilt damit sofort:

sig(π ◦ ρ) = sig(π) · sig(ρ),

da fur Faktorisierungen π = τ1 · · · τr und ρ = τ ′1 · · · τ ′s in Transpositio-nen folgt, dass sig(π ◦ ρ) = (−1)n+s = sig(π) · sig(ρ).Damit ist also sig : Sn → {−1, 1} ein surjektiver Gruppenhomomor-phismus. Mit dem Homomorphiesatz folgt, dass Sn/ ker(sig) ∼= {−1, 1}.Wir definieren die alternierende Gruppe als An := ker(sig) . AusAn = ker(sig) folgt, dass An ein Normalteiler von Sn ist. Weiter konnenwir den Index berechnen durch

2 = ord({−1, 1}) = ord(Sn/An) = ord(Sn)/ ord(An) = (Sn : An)

Insbesondere gilt ord(An) = n!2 .

2.4. ENDLICHE GRUPPEN 47

2.4 Endliche Gruppen

In diesem Abschnitt wollen wir die wichtigsten Satze uber endlicheGruppen kennenlernen ohne auf die Beweise einzugehen. Zur Motivati-on wiederholen wir aber erst einmal einige unsere bisherigen Ergebnisse.Der Satz von Lagrange besagt, dass fur jede Untergruppe H einer Grup-pe G gilt: ord(H)| ord(G).Gibt es umgekehrt zu jedem Teiler d der Gruppenordnung ord(G) eineUntergruppe H von G mit d = ord(G)? Im allgemeinen stimmt dies lei-der nicht. Man kann in diesem Zusammenhang aber folgende Aussagebetrachten:

Satz 2.4.1. Sei G eine endliche Gruppe und p eine Primzahl so, dasspk| ord(G). Dann gibt es eine Untergruppe H von G so, dass ord(H) =pk.

Beweis: s. [4], Satz 2.24.

2.4.2. Besonders wichtig sind die Untergruppen H zu den maximalenPrimpotenzteilern von ord(G), d.h. ord(G) = pm · n mit ggT(p, n) = 1.So eine Untergruppe heißt p-Sylow–Untergruppe von G.Man kann zeigen, dass zu gegebener Primzahl p die p-Sylow-Unter-gruppen von G bis auf Konjugation eindeutig sind, d.h. sind H und H ′

p-Sylow-Untergruppen, so gibt es ein g ∈ G mit H ′ = g · g−1 (siehe [4],Satz 2.25)

Korollar 2.4.3. Sei G eine endliche Gruppe und p ein Primteiler vonord(G), dann gibt es ein g ∈ G mit ord(g) = p.

Beweis: Nach Satz 2.4.1 existiert eine p-Sylow-Untergruppe H von G.Sei h ∈ H\{c}. Damit gilt:

ord(h) = ord(< h >)| ord(H) = pm

Die erste Gleichheit folgt aus Lemma 2.2.13, die Teilbarkeit aus demSatz von Lagrange 2.2.8. Damit ist ord(h) = pl fur ein l ∈ {1, . . . ,m}und hieraus konnen wir weiterhin folgern, dass g := hp

l−1 6= e und esgilt gp = (hp

l−1)p = hp

l= e. Damit folgt ord(g)|p (siehe Bemerkung

2.2.14). Weil p eine Primzahl ist, muss ord(g) = p gelten.

48 KAPITEL 2. GRUPPENTHEORIE

2.4.4. Seien nun G1, .., Gr Gruppen. Auf G1 × · · · × Gr definieren wireine Gruppenstruktur durch

(g1, . . . , gr) · (g′1, . . . , g′r) := (g1 · g′1, . . . , gr · g′r).

Der Beweis bleibt zur Ubung. Die entstehende Gruppe heißt das direk-te Produkt von G1, . . . , Gr.

Satz 2.4.5. Jede endliche abelsche Guppe ist isomorph zum direktenProdukt zyklischer Untergruppen.

Beweis: Siehe [4], Satz 2.37

Korollar 2.4.6. Sei A eine endliche abelsche Gruppe, so ist A ∼=Z/m1Z× · · · × Z/mrZ

Beweis: Folgt aus Satz 2.4.5 und Proposition 2.3.10.

Bemerkung 2.4.7. Man kann auch die endlichen abelschen Gruppenbis auf Isomorphie klassifizieren, wenn man m1|m2| . . . |mr verlangt (sie-he [4], Satz 2.38). Fur nicht-abelsche Gruppen ist die Klassifikationbis auf Isomorphie eine unlosbare Aufgabe. Mit viel Hirn- und Com-puterarbeit wurde die Klassifikation der endlichen einfachen Gruppenerreicht. Eine einfache Gruppe heißt einfach, wenn sie nur sich selberund {e} als Normalteiler hat. Fur eine Ubersicht verweisen wir den aufhttp://de.wikipedia.org/wiki/Endliche einfache Gruppen und ihre Klas-sifikation .

Kapitel 3

Ringtheorie

3.1 Ringe

In der Schule lernt man schon fruh den Ring Z kennen. Als weiteresLeitbeispiel fur dieses Kapitel soll man sich den Ring der Polynome ineiner Variablen mit Koeffizienten in einem Korper vor Augen halten.Vieles wird zwar vollkommen von diesen Beispielen abstrahiert, aberdann spater wieder in diesen Fallen angewendet, wie das in der moder-nen Mathematik halt so ublich ist. In diesem Abschnitt werden wir dieGrundlagen der Ringtheorie bereitstellen.

3.1.1. Ein Ring ist eine Menge R mit zwei inneren Verknupfungen +und · so, dass (R,+) eine abelsche Gruppe und (R, ·) ein Monoid ist.Weiter verlangen wir, dass die Distributivgesetze gelten, dass also furalle a, b, c ∈ R erfullt ist:

(D1) a · (b+ c) = a · b+ a · c und

(D2) (b+ c) · a = b · a+ c · a

Beachte, dass wir bei einem Monoid insbesondere ein neutrales Elementbezuglich der Multiplikation verlangen, das wir bei Ringen immer mit1 bezeichnen wollen.

3.1.2. Ein Ring heißt kommutativ, wenn er bezuglich · kommutativ ist.

49

50 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

3.1.3. Wir wollen im weiteren Verlauf das Inverse zu einem beliebigenElement a ∈ R bezuglich + mit −a bezeichnen. Weiterhin definierenwir die Subtraktion − als die Addition mit dem inversen Element.Fur a, b ∈ R ist damit:

a− b := a+ (−b)

Hiermit und mit dem Vorangegangenen erhalten wir somit als Rechen-regeln in einem Ring R:

i) a · 0 = 0 = 0 · a

ii) Das Einselement 1 ist eindeutig festgelegt. Es gilt 1 = 0 genaudann, wenn R = 0.

iii) −a = (−1)a

iv) a(b− c) = ab− ac und (b− c)a = ba− ca

Beweis: Verbleibt zur Ubung.

3.1.4. Ein Korper ist ein kommutativer Ring K so, dass K \ {0} eineGruppe ist.

Beispiel 3.1.5. Beispiele fur kommutative Ringe sind ohne weiteres zufinden. Das bekannteste Beispiel ist naturlich Z. Bei Korpern kennenwir Q, R und C.Wie sieht es aber mit Ringen aus, die nicht kommutativ sind? Als Bei-spiel hierfur wollen wir Mn×n(K), den Ring der n×n-Matrizen mit Ein-tragen im Korper K anfuhren. Die Ringeigenschaften lassen sich rechteinfach nachweisen. Allerdings wissen wir aus der linearen Algebra, dassdas Kommutativgesetz nicht erfullt ist, falls n ≥ 2.

3.1.6. Sei R ein kommutativer Ring. a ∈ R heißt genau dann Nulltei-ler, wenn es ein b ∈ R\{0} gibt mit a · b = 0.Ein Integritatsbereich R ist ein nullteilerfreier kommutativer Ringmit 0 6= 1, d.h. es gibt in R keine von 0 verschiedenen Nullteiler.Fur einen Integritatsbereich konnen wir nun die Teilbarkeitstheorie von

3.1. RINGE 51

Z wieder aufnehmen und verallgemeinern. Analog zu dem bereits Be-kannten wollen wir fur a, b ∈ R sagen, dass a genau dann b teilt (inZeichen: a|b; vgl. auch 1.2.1), wenn es ein c ∈ R gibt mit a · c = b. Indiesem Fall nennen wir a den Teiler von b und b heißt das Vielfachevon a. Die Teiler von 1 heißen Einheiten und sind per definitionemgleich den invertierbaren Elementen im Monoid (R, ·) Sie bilden alsoeine Gruppe, die wir wie gewohnt mit R∗ bezeichnen.

Beispiel 3.1.7. i) Fur Z haben wir Z∗ = {1,−1}.

ii) Betrachten wir einen beliebigen KorperK, dann giltK∗ = K\{0}.

iii) Wollen wir nun noch einen etwas abstrakteren und nicht so gelaufi-gen Sachverhalt betrachten, namlich R := {f : {0, 1} → R}, dieMenge der Abbildungen von {0, 1} nach R. Hierbei handelt essich um einen kommutativen Ring bezuglich der Addition undder Multplikation reeller Funktionen.Im Gegensatz zu Z und K ist dieser Ring R kein Integritats-bereich, denn wir haben mit f festgelegt durch f(0) = 1 undf(1) = 0 einen nichttrivialen Nullteiler, weil fg = 0 gilt fur g ∈ Rgegeben durch g(1) = 1 und g(0) = 0.

3.1.8. Bekanntlich ist Q der kleinste Korper der Z enthalt. Diese Uber-legung kennen wir schon aus der Schule. Bezuglich der Addition ist Z jabereits eine kommutative Gruppe. Bezuglich der Multiplikation habenwir gesehen, dass Z ein Monoid ist. Um also aus Z einen Korper zumachen, benotigen wir also noch die jeweils inversen Elemente. Dazufuhrt man Bruche ein und erhalt so Q.Diesen Ansatz verallgemeinern wir im Folgenden. Zunachst aber wollenwir noch einen Gedanken aufgreifen, den die meisten Leser bereits soverinnerlicht haben, dass man ihn vollends intuitiv gebraucht. Expli-zit wollen wir an dieser Stelle noch einmal darauf eingehen, was dennnun unter konkret mathematischen Gesichtspunkten ein Bruch ist. Se-hen wir uns die Bruche aus der jetzigen Perspektive an, so konnenwir sagen, dass ein Bruch a

b ∈ Q eine Aquivalenzklasse von Paaren(a, b) ∈ Z× (Z\{0}) ist. Hierbei definiert (a, b) ∼ (c, d) :⇔ ad = bc eineAquivalenzrelation.

52 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

Damit konnen wir vollkommen analog hierzu auf R × (R\{0}) durch(a, b) ∼ (c, d) :⇔ ad = bc eine Relation definieren und es wird inden Ubungen nachgewiesen, dass ∼ eine Aquivalenzrelation ist. Wirschreiben nun die Aquivalenzklassen von (a, b) wieder als a

b und be-zeichnen ihren Raum mit Quot(R). Weiterhin definieren wir die beidenVerknupfungen:

i) ab + c

d := ad+bcbd und

ii) ab ·

cd := ac

bd

auf Quot(R). Wir werden in den Ubungen zeigen, dass diese Verknupun-gen wohldefiniert sind, d.h. unabhangig von der Wahl der Reprasen-tanten (a, b) bzw. (c, d). Weiter werden wir zeigen, dass Quot(R) einKorper ist. Wir nennen Quot(R) den Quotientenkorper von R. Wirkonnen R als einen Teilring von Quot(R) ansehen, indem wir a ∈ R mita1 ∈ Quot(R) identifizieren, was ebenfalls in den Ubungen ausgefuhrtwird.

3.1.9. Auch dieser Punkt erinnert uns an das vorangegangene Kapitel;insbesondere an 2.1.3, wo wir bereits Homomorphismen zwischen Grup-pen untersucht haben. Seien hier nun R1 und R2 Ringe und ϕ : R1 → R2

eine Abbildung. ϕ heißt genau dann Ringhomomorphimus, wenn fol-gende Bedingungen erfullt sind:

i) ϕ(a+ b) = ϕ(a) + ϕ(b),

ii) ϕ(ab) = ϕ(a)ϕ(b) und

iii) ϕ(1) = 1

Ein Ringisomorphismus ist ein Ringhomomorphismus ϕ wie oben so,dass es einen Ringhomomorphsmus ψ : R2 → R1 gibt mit ψ ◦ϕ = idR1 ,ϕ ◦ ψ = idR2 .

Bemerkung 3.1.10. Auch hier ist, analog zu den Gruppen, die Bijek-tivitat eines Ringisomorphismus nicht in der Definition vermerkt. Aller-dings ist ein Ringhomomorphismus genau dann ein Ringisomorphismus,wenn er bijektiv ist. Der Beweis verlauft hier vollstandig analog zu dem

3.1. RINGE 53

aus der Gruppentheorie, weshalb er an dieser Stelle zur Ubung verblei-ben soll.

3.1.11. Fur Ringe R1, . . . , Rr definieren wir das Produkt R1 × · · · ×Rr als direktes Produkt der unterliegenden abelschen Guppen und mitder Multiplikation (a1, . . . , ar) · (b1, .., br) = (a1 · b1, .., ar · br). Damiterhalten wir wieder einen Ring. Falls r ≥ 2 ist, erhalten wir immereinen Nullteiler (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0) ∈ R1 × · · · ×Rr.

54 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

3.2 Ideale und Restklassenringe

Im Folgenden sei R ein kommutativer Ring. Das Ziel dieses Abschnittswird es sein, die Konstruktion Z→ Z/mZ zu verallgemeinern, d.h. wirwollen nun in beliebigen Ringen Restklassen einfuhren.

3.2.1. Sei H eine additive Untergruppe von R. Weil (R,+) abelschist, folgt, dass H ein Normalteiler von (R,+) und damit R/H mit derreprasentantenweise definierten Addition eine abelsche Gruppe ist (vgl.2.3)Wann aber ist R/H mit der in R/H reprasentantenweise definiertenMultiplikation

[a] · [b] := [a · b] (3.1)

ein Ring? Dem werden wir im Folgenden nachgehen. Insbesondere stelltsich uns dabei zunachst die Frage, ob die auf diese Weise gegebeneMultiplikation uberhaupt wohldefiniert, d.h. unabhangig von der Wahlder Reprasentanten a und b, ist. Wir kommen schnell zu der Erkenntnis,dass dies nicht allgemein erfullt sein muss. Ware dies namlich der Fall,so musste notwendiger Weise gelten:

H = 0 +H = [0] = [a · 0] = [a] · [0] = [a] · [h] = [a · h]

Woraus folgt:a · h ∈ H,∀a ∈ R,∀h ∈ H (3.2)

Definition 3.2.2. Ein Ideal in R ist eine Teilmenge I ⊆ R mit

i) I ist eine additive Untergruppe von R

ii) a · I ⊆ I fur alle a ∈ R.

Beachte dass die zweite Bedingung aquivalent ist zu (3.2). Somit aus3.2.1 folgt, dass fur die Wohldefiniertheit der oben definierten Multi-plikation H notwendigerweise ein Ideal sein muss. Umgekehrt ist dieseEigenschaft auch hinreichend. Dies zeigen wir in folgender

Proposition 3.2.3. Sei I ein Ideal von R, so bildet R/I mit der in3.2.1 reprasentantenweise definierten Multiplikation und Addition einenkommutativen Ring.

3.2. IDEALE UND RESTKLASSENRINGE 55

Beweis: Wir mussen zeigen, dass die Multiplikation durch (3.1) wohl-definiert ist, d.h. dass [a · b] = [a′ · b] fur [a] = [a′] erfullt ist. Wegen[a] = [a′] folgt, dass a− a′ ∈ I und damit

a · b− a′ · b = (a− a′) · b ∈ I

gemaß (ii) aus 3.2.2. Nach Definition der Restklassen ist damit [a · b] =[a′ · b].Analog hierzu bzw. mit dem Argument der Kommutativitat ist die Mul-tiplikation in (3.1) auch unabhangig von der Wahl des Reprasentanten bdefiniert. Also ist die Multiplikation hiermit wohldefiniert auf R/I. Dasich die Ringaxiome reprasentantenweise nachprufen lassen, folgt dieBehauptung.

Definition 3.2.4. Sei I ein Ideal von R. Oft schreiben wir dafur analogzu den Normalteilern nur I / R.Damit heißt R/I mit der obigen Ringstruktur Faktorring . Seine Ele-mente heißen Restklassen.Mit a ≡ b (mod I) (”a kongruent b modulo I”) meinen wir a − b ∈ I.Insbesondere sind die Kongruenzklassen die Restklassen in R/I.

3.2.5. Beachte, dass wir durch

π : R→ R/I, x 7→ [x] = x+ I

einen Ringhomomorphismus gegeben haben. Es ist hierbei offensicht-lich, dass π surjektiv ist.

3.2.6. Sei ϕ : R1 → R2 ein Ringhomomorphismus von kommutativenRingen. Dann heißt ker(ϕ) := ϕ−1(0) der Kern von ϕ. Bei ihm handeltes sich um ein Ideal in R1.

Beweis: Ist ϕ ein Ringhomomorphismus, so handelt es sich hierbei ins-besondere auch um einen Homomorphismus fur die unterliegenden ad-ditiven Gruppen. Hierauf konnen wir nun unsere Betrachtungen aus derGruppentheorie verwenden und es folgt, dass ker(ϕ) eine additive Un-tergruppe von R1 ist.Sei a ∈ R. Zu zeigen ist nun, dass a · ker(ϕ) ⊆ ker(ϕ) erfullt ist. Hierfur

56 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

wahlen wir x ∈ ker(ϕ) und zeigen, dass a · x ∈ ker(ϕ), woraus unmit-telbar folgt, dass es sich bei ker(ϕ) um ein Ideal handelt. Es gilt nun:

ϕ(a · x) = ϕ(a) · ϕ(x) = ϕ(a) · 0 = 0

Damit ist also a · x ∈ ker(ϕ) und wir sind fertig.

Zu bemerken ist noch, dass es zu jedem I von R einen Homomorphismusgibt, dessen Kern gleich I ist. Hierfur konnte man beispielsweise π aus3.2.5 wahlen.

Satz 3.2.7 (Homomorphiesatz). Sei ϕ : R1 → R2 ein Homomorphismuszwischen kommutativen Ringen, so gibt es genau einen Ringisomorphis-mus

ϕ : R1/ ker(ϕ)→ϕ(R1) mit ϕ([x]) = ϕ(x).

Beweis: Zunachst ist zu bemerken, dass es sich bei ϕ(R1) wieder umeinen Ring handelt. Wenden wir nun den Homomorphiesatz auf dieunterliegenden additiven Gruppen an, so erhalten wir die Eindeutigkeit.Weiter folgt die Existenz von ϕ als additiver Gruppenhomomorphismus.Es gilt somit nur noch zu zeigen, dass es sich bei ϕ tatsachlich um einenRinghomomorphismus handelt, d.h., dass

ϕ([a] · [b]) = ϕ([a]) · ϕ([b])

fur alle [a], [b] ∈ R1/ ker(ϕ) erfullt ist. Dies gilt aber, da:

ϕ([a] · [b]) = ϕ([a · b]) = ϕ(a · b) = ϕ(a) · ϕ(b) = ϕ([a]) · ϕ([b])

Da ϕ([1]) = ϕ(1) = 1 offensichtlich gilt, ist ϕ damit ein Ringhomomor-phismus und der Beweis ist erbracht.

Proposition 3.2.8. Sei I / R, so gilt I = R genau dann, wenn I eineEinheit enthalt.

Beweis: ”⇒” Sei I = R. Damit ist ”1” eine Einheit in I.

3.2. IDEALE UND RESTKLASSENRINGE 57

”⇐” I enthalte die Einheit u, d.h. es gibt ein v ∈ R mit u ·v = v ·u = 1und u ∈ I. Sei weiterhin a ∈ R. Zu zeigen ist damit, dass a ∈ I.Dies ergibt sich aber aus:

a = a · 1 = (a · v︸︷︷︸∈R

) u︸︷︷︸∈I

⇒ a ∈ I

Korollar 3.2.9. Ist K ein Korper, so sind die Nullmenge {0} und Kselbst die einzigen Ideale in K.

Beweis: Sei I / K und I 6= {0}. Zu zeigen ist, dass I = K. Dies ergibtsich, da I 6= {0} und es somit ein a ∈ I\{0} gibt. Da K aber ein Korperist, folgt somit, dass a eine Einheit sein muss und zusammen mit 3.2.8unmittelbar, dass I = K.

Korollar 3.2.10. Sei ϕ : K → R ein Ringhomomorphismus, K einKorper und 0 6= 1 ∈ R, so ist ϕ injektiv.

Beweis: Wie wir in der Gruppentheorie in 2.1.5 gesehen haben, ist dieInjektivitat aquivalent zu ker(ϕ) = {0}. Nach 3.2.6 ist ker(ϕ) ein Idealim Korper K und mit 3.2.9 folgt ker(ϕ) = {0} oder ker(ϕ) = K. Wegenϕ(1) 6= 0 ist 1 ∈ ker(ϕ), womit der zweite Fall ausgeschlossen ist undsomit ker(ϕ) = {0} gilt.

3.2.11. Ein Ideal I von R heißt genau dann Maximalideal von R,wenn I 6= R und es kein Ideal J gibt mit I ⊂ J ⊂ R.Ein Ideal I von R heißt Primideal genau dann, wenn es die beidenfolgenden Bedingungen erfullt:

i) Ist a · b ∈ I fur a, b ∈ R, so ist a ∈ I oder b ∈ I.

ii) I 6= R

Proposition 3.2.12. Es gilt:

i) I ist genau dann Primideal, wenn R/I ein Integritatsbereich ist.

ii) I ist genau dann ein Maximalideal, wenn R/I ein Korper ist.

58 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

Beweis: i) folgt einfach aus der Definition und wird in der Ubungbewiesen.

ii) Wir zeigen die beiden Richtungen separat.

”⇒” Sei I ein Maximalideal. Aus 3.2.3 wissen wir, dass R/I einkommutativer Ring ist. Da jedes Maximalideal insbesondereungleich R ist, folgt dass R/I 6= {[0]} und damit [1] 6= [0].Es bleibt also nur noch zu zeigen, dass jedes [a] 6= [0] einmultiplikatives Inveres hat. Da [a] 6= [0] = 0 + I = I, folgta 6∈ I. Sei nun J := I +R · a. Weil R · a ein Ideal ist und dieSumme zweier Ideale wieder ein Ideal ist (siehe 3.2.14), folgtauch, dass J ein Ideal ist. Es gilt:

I = I + 0 · a ⊆ J und a = 0 + 1 · a ∈ I +R · a = J

Damit gilt I ⊂ J . Da I ein Maximalideal ist, folgt J = R.Insbesondere gilt 1 ∈ J . d.h. es gibt ein x ∈ I und ein y ∈ Rmit 1 = x+ y · a. Damit ist

[1] = [x] + [y] · [a] = [y] · [a] = [a] · [y]

in R/I und wir konnen sehen, dass [y] die multiplikative In-verse zu [a] in R/I ist. Damit muss R/I aber ein Koper sein.

”⇐” Seien jetzt R/I ein Korper und J / R mit I ⊂ J . Es bleibtzu zeigen, dass J = R.Hierzu wahlen wir x ∈ J\I. Damit ist [x] 6= [0] und weiter,da K ein Koper ist, [x] invertierbar in R/I, d.h. es gibt einy ∈ R mit [x ·y] = [x] · [y] = [1]. Da [x ·y] = x ·y+I, erhaltenwir 1 ∈ x · y + I. Nach 3.2.8 folgt J = R wie gewunscht.

Korollar 3.2.13. Jedes Maximalideal ist ein Primideal.

Beweis: Sei I ein Maximalideal. Nach 3.2.12 wissen wir, dass R/I so-mit auch ein Korper ist. Jeder Korper ist aber nullteilerfrei, und damitinsbesondere ein Integritatsbereich. Also ist auch R/I ein Integritats-bereich und nach 3.2.12 muss I damit ein Primideal sein.

3.2. IDEALE UND RESTKLASSENRINGE 59

3.2.14. Sind I und J Ideale in R, so auch

i) I + J := {a+ b | a ∈ I, b ∈ J} und

ii) I ∩ J

Beweis: Der Beweis ist im Grunde genommen recht einfach. Er ergibtsich durch simples Nachrechnen der Idealeigenschaften und verbleibtdementsprechend zur Ubung.

Wir wollen uns diese neue Erkenntnis zu Nutzen machen und verwen-den sie im Folgenden fur den chinesischen Restsatz. Er geht zuruck aufden chinesischen Mathematiker und Astronom Sun Zi, der im drittenJahrhundert nach Christus gelebt hat. Er hat ihn fur die astronomischeBerechnung eines Kalenders benotigt.

Satz 3.2.15 (Chinesischer Restsatz). Seien I, J / R mit I + J = R.Dann haben wir mit

ϕ : R/(I ∩ J)→(R/I)× (R/J), a+ (I ∩ J) 7→ (a+ I, a+ J)

einen kanonischen Isomorphismus gegeben.

Beweis: Aus I∩J ⊂ I, J folgt, dass a+I∩J ⊆ a+I bzw. a+I∩J ⊆ a+J .Damit ist die Abbildung ϕ wohldefiniert. Da wir reprasentantenweiserechnen durfen, muss ϕ ein Homomorphismus von Ringen sein.Um einzusehen, dass ϕ ein Isomorphismus ist, genugt es nach 3.1.10 ana-log zur Gruppentheorie zu zeigen, dass ϕ bijektiv ist. Hierfur beweisenwir zunachst die Injektivitat indem wir nachweisen, dass ker(ϕ) = {0}gilt. Wahle dazu [a] ∈ ker(ϕ). Wir erhalten:

(0 + I, 0 + J) = ϕ([a]) = (a+ I, a+ J)⇒ a ∈ I, a ∈ J⇒ a ∈ (I ∩ J)⇒ [a] = [0] ∈ R/(I ∩ J)

und haben somit die Injektivitat gezeigt. Bleibt also noch die Surjekti-vitat nachzuweisen. Mit beliebigem (b+ I, c+J) ∈ (R/I)× (R/J) folgt

60 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

aus I+J = R, dass es ein x ∈ I und ein y ∈ J gibt so, dass b−c = x+y.Sei nun a := c+ y. Es gilt damit:

a+ I = c+ y + I = b− x+ Ix∈I= b+ I (3.3)

und weiter:a+ J = c+ y + J

y∈J= c+ J (3.4)

Somit folgt:

ϕ(a+ I ∩ J) = (a+ I, a+ J) = (b+ I, c+ J)

Die erste Gleichheit gilt hierbei nach Definition von ϕ, die zweite folgtunmittelbar aus (3.3) und (3.4) von oben. Insgesamt ist ϕ also auchsurjektiv. Es folgt die Behauptung.

3.3. HAUPTIDEALE 61

3.3 Hauptideale

Als einfaches und wohlbekanntes Beispiel eines Ideals in Z kann mandie Vielfachen einer gegebenen ganzen Zahl m betrachten. Dieses Idealist besonders einfach strukturiert, weil es von einem einzigen Elementm erzeugt wird. In diesem Abschnitt wollen wir solche Ideale in einembeliebigen kommutativen Ring R betrachten. Wir werden sehen, dassman mit ihnen rechnen kann wie mit Zahlen.

3.3.1. Seien g1, .., gr ∈ R, dann ist < g1, . . . , gr >:= Rg1 + · · · + Rgrdas kleinste Ideal, das g1, . . . , gr enthalt.

Beweis: Es ist trivial zu zeigen, dass R · gj ein Ideal ist. Nach 3.2.14wissen wir, dass die Summe zweier Ideale wiederum ein Ideal ist unddamit insbesondere auch < g1, . . . , gr >. Beachte, dass dieser Ausdruckauch g1, . . . , gr enthalt, da wir

gj = 0 · g1 + · · ·+ 0 · gj−1 + 1 · gj + 0 · gj+1 + · · ·+ 0 · gr

schreiben konnen. Es bleibt also nur noch zu zeigen, dass < g1, . . . , gr >das kleinste Ideal ist, das g1, . . . , gr enthalt. Sei fur den Nachweis I / Rund g1, . . . , gr ∈ I. Fur a ∈< g, . . . , gr > folgt a = a1g1 + · · ·+ argr mitai ∈ R. Weil gj ∈ I, erhalten wir zusammen mit der Idealeigenschaft (ii)ajgj ∈ I und somit a = a1g1 + · · ·+ argr ∈ I. Damit ist < g1, .., gr >⊆I

Beachte, dass dieser Beweis insbesondere die Existenz eines minimalenIdeals zeigt, das g1, . . . , gr enthalt.

Definition 3.3.2. Die Elemente g1, . . . , gr werden genau dann Erzeu-gende eines Ideals I genannt, wenn I =< g1, . . . , gr > erfullt ist.

Definition 3.3.3. Ein Ideal I /R heißt genau dann Hauptideal, wennes ein g ∈ I gibt so, dass I =< g >, also I = Rg.Weiter heißt ein Ring R genau dann Hauptidealbereich, wenn R einIntegritatsbereich und jedes Ideal von R ein Hauptideal ist.

Beispiel 3.3.4. Z ist ein Hauptidealbereich.

62 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

Beweis: Dass es sich bei Z um einen Integritatsbereich handelt ist be-reits bekannt. Sei nun I ein Ideal in Z. Fur den endgultigen Nachweismussen wir nun zeigen, dass es dann ein g ∈ Z gibt so, dass I = Z · g.Ist I = {0}, so wahlen wir einfach g = 0 und sind fertig. Sei also im Fol-genden I 6= {0}. Wir bemerken zuerst, dass dann I∩N 6= ∅, denn es gibtein a ∈ I\{0}. Falls a negativ sein sollte, so gilt −a ∈ N ∩ I. Nach demSatz vom kleinsten Element gibt es ein minimales amin ∈ I∩N. Wir stel-len nun die Behauptung auf, dass I =< amin >, d.h. I = Zamin. Sei zumNachweis a ∈ I. Konnen wir zeigen, dass a ∈ Zamin, so sind wir fertig.Nach der Division mit Rest gibt es nun q ∈ Z und r ∈ {0, . . . , amin− 1}so, dass a = qamin+r. Da nun a, amin ∈ I gilt, ist auch r = a−qamin ∈ Ierfullt. Da aber amin minimal ist in I ∩ N mit dieser Eigenschaft, mussr = 0 gelten und somit a = q · amin ∈ R · amin.

Lemma 3.3.5. Seien g, g′ ∈ R. Ist R ein Integritatsbereich, so gilt:

i) < g >⊆< g′ >⇔ g′|g

ii) < g >=< g′ >⇔ g′ ∈ R∗ · g

Beweis: Anhand einiger einfacher Uberlegungen erhalten wir:

gR ⊆< g′ > ⇔ g ∈ R · g′

⇔ ∃a ∈ R : g = ag′

⇔ g′|g

Dies zeigt insbesondere (i). Fur den zweiten Punkt weisen wir wie ge-wohnt die beiden Seiten der Aquivalenz separat nach.

”⇒” Sei also < g >=< g′ >. Nach oben ist also g′ = ug und g = vg′

fur geeignete u, v ∈ R. Es folgt:

g′ = ug = uvg′ ⇒ (1− uv)g′ = 0

Falls g′ = 0, so folgt, < g >=< g′ >= {0} und damit g = 0.Ist g′ 6= 0, so erhalten wir aufgrund der Eigenschaften eines Inte-gritatsbereichs, dass 1 = uv und damit u ∈ R∗. In jedem Fall istg′ ∈ R∗ · g klar.

3.3. HAUPTIDEALE 63

”⇐” Trivial.

3.3.6. Ist R ein Integritatsbereich, so kann man die bereits bekannteTeilbarkeitlehre verallgemeinern. Wir definieren hierfur analog zu denbereits bekannten Fallen folgende Begiffe:a ∈ R heißt genau dann irreduzibel, wenn a /∈ R∗ ∪{0} erfullt ist undzudem a = bc⇒ b ∈ R∗ ∨ c ∈ R∗ gilt.a ∈ R heißt genau dann prim, wenn a /∈ R∗ ∪ {0} und a|bc⇒ a|b ∨ a|cerfullt ist.Seien a, b ∈ R. Dann heißt d der großte gemeinsame Teiler von aund b, wenn d|a und d|b sowie c|a ∧ c|b⇒ c|d erfullt ist.Der grosste gemeinsame Teiler muss nicht existieren. Falls doch, dannwird er mit ggT(a, b) bezeichnet. Er ist dann eindeutig bis auf Multi-plikation mit Einheiten, was aus 3.3.5 folgt.Analog definiert man das kleinste gemeinsame Vielfache d von aund b durch die beiden Eigenschaften

i) a|d und b|d;

ii) a|c und b|c ⇒ d|c.

Falls so ein d existiert, dann ist es eindeutig bis auf Multiplikation mitEinheiten und wird mit kgV(a, b) bezeichnet. Nach Korollar 1.3.6 stim-men diese Begriffe fur R = Z mit den alten Definitionen uberein.

Proposition 3.3.7. Sei R ein Integritatsbereich und I =< g >, g 6= 0.Dann ist I genau dann ein Primideal, wenn g prim ist.

Beweis: ”⇒”: Sei also I ein Primideal. Zu zeigen ist, dass dann g primist. Nach Voraussetzung ist g 6= 0. Falls g ∈ R∗ ware, so wurdenach 3.2.8 I = R gelten, was allerdings einen Widerspruch dazudarstellt, dass I ein Primideal ist. Damit ist die erste Voraus-setzung aus der obigen Definition von prim schon einmal erfullt.Bleibt also noch die zweite zu prufen.Sei g|bc. Wir weisen nach, dass nun g|b oder g|c gilt. Nach der Vor-aussetzung ist bc ∈ R·g = I und da I ein Primideal ist, muss b ∈ I

64 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

oder c ∈ I gelten. Aus I = Rg erhalten wir damit unmittelbar g|boder g|c. Insgesamt folgt also die Behauptung.

”⇐”: Sei nun g prim. Zu zeigen ist, dass I =< g > ein Primideal ist.Ware I = R, so folgt mit 3.2.8 g ∈ R∗. Dies ist aber ein Wider-spruch zu g prim. Also gilt I 6= R.Es bleibt noch nachzuweisen, dass ab ∈ I ⇒ a ∈ I ∨ b ∈ I. Dieserhalten wir mit ab ∈ I = Rg:

g|ab g prim⇒ g|a ∨ g|b⇒ a ∈ I = Rg ∨ b ∈ I

Proposition 3.3.8. Seien R ein Hauptidealbereich und a, b ∈ R, sogilt:

i) Der großte gemeinsame Teiler ggT(a, b) von a und b existiert undes gilt < ggT(a, b) >=< a, b >.

ii) Das kleinste gemeinsame Vielfache kgV(a, b) von a und b existiertund es gilt < kgV(a, b) >=< a > ∩ < b >.

Beweis: Wir zeigen hier explizit (i). Der Nachweis fur den zweitenPunkt geht nahezu analog und verbleibt zur Ubung.Sei < d >=< a, b > gegeben. Dies ist moglich, da es sich bei R um einenHauptidealbereich handelt. Folglich ist d|a und d|b erfullt. Wir nehmennun ein c, das ebenfalls a und b teilt. Weil d ∈< a, b > ist, existierenx, y ∈ R so, dass d = xa + yb. Nach der Summenregel teilt c damitauch d und somit ist bis auf Multiplikation mit Einheiten d = ggT(a, b)erfullt.

Proposition 3.3.9. Sei R ein Integritatsbereich und a ∈ R mit a 6= 0,so gilt:

i) Ist a prim, so ist a auch irreduzibel.

ii) Falls R ein Hauptidealbereich ist und a irreduzibel, so ist a prim.

3.3. HAUPTIDEALE 65

Beweis: i) Ist a = bc, so gilt entweder a|b oder a|c. Sei nun oBdAb = da gesetzt. Damit ist a(1 − cd) = 0 und, da a 6= 0, c eineEinheit. Folglich ist a irreduzibel.

ii) Sei a|bc und wir nehmen an, dass a kein Teiler von b ist. Damit istggT(a, b) = 1, da a irreduzibel. Nach 3.3.8 gilt somit xa+ yb = 1fur x, y ∈ R und es ist folglich c = xac + ybc erfullt. Wenn wirnoch a|bc ausnutzen, folgt aus der Summenregel a|c.

Bemerkung 3.3.10. FallsR ein Hauptidealbereich und I ein Primidealin R ist, so ist entweder I = {0} oder I ist ein Maximalideal. Beachtehierbei insbesondere, dass wir in Korollar 3.2.13 gesehen haben, dassjedes Maximalideal ein Primideal ist.

Beweis: Der Beweis bleibt zur Ubung.

Beispiel 3.3.11. Sei R = Z. Bereits aus Beispiel 3.3.4 wissen wir, dassZ ein Hauptidealbereich ist. Somit hat jedes Ideal die Form Z · n furn ∈ N0. Diese Ideale sind insbesondere alle verschieden. Nach 3.3.7 und3.3.10 ist das Ideal Z · n genau dann maximal, wenn n eine Primzahlist.

66 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

3.4 Euklidische und faktorielle Ringe

Die Frage, die diesem Abschnitt vorangeht ist, in welchen Ringen eseine eindeutige Primfaktorisierung wie in Z gibt. Bei den folgendenBetrachtungen sei R ein Integritatsbereich und K ein beliebiger Korper.

3.4.1. Ab jetzt bezeichnen wir mit x eine Unbestimmte. Ein Polynommit Koeffizienten in K ist ein Ausdruck der Form

p(x) = anxn + an−1x

n−1 + · · ·+ a0

mit Koeffizienten ai ∈ K. Der Grad eines Polynoms ist definiert als

grad(p) := max{n | an 6= 0}

Fur p(x) = 0 wollen wir die Konvention grad(0) := −∞ benutzen. ZweiPolynome heißen genau dann gleich, wenn alle ihre Koeffizienten gleichsind. Dabei setzt man in p(x) =

∑∞n=0 anx

n die Koeffizienten an = 0fur n > grad(p).Mit dem bisher Gesagtem konnen wir die Addition zweier Polynomep(x) =

∑nj=0 ajx

j und q(x) =∑m

k=0 akxk sinnvoll definieren durch:

p(x) + q(x) :=∞∑i=0

(ai + bi)xi

Die Multiplikation erhalten wir wie folgt:

p(x) · q(x) :=m+n∑i=0

(∑j+k=i

ajbk)xi

Die Menge der Polynome in der Unbestimmten x mit Koeffizienten in Kwird mit K[x] bezeichnet. Beachte, dass K[x] mit der oben definiertenAddition und Multiplikation zu einem kommutativen Ring wird.

3.4.2. Fur α ∈ K gibt es den Einsetzhomomorphismus

ϕα : K[x]→ K, p(x) 7→ p(α) =n∑j=0

ajαj

3.4. EUKLIDISCHE UND FAKTORIELLE RINGE 67

Es ist trivial nachzurechnen, dass ϕα tatsachlich ein Ringhomomorphis-mus ist. Insbesondere ist ϕα surjektiv. Darauf wollen wir an dieser Stellenoch einmal kurz eingehen. Sei also hier zum Nachweis β ∈ K gegeben.Gesucht ist p(x) mit p(α) = β. Wahlen wir nun fur p(x) das Polynomp(x) = β, so folgt p(α) = β und die Behauptung ist gezeigt.

Bemerkung 3.4.3. Wir haben die Polynome als formale Linearkom-binationen von {xn | n ∈ N0} definiert. Beachte, dass dies allerdingsentgegen der Anschauung, die man im Regelfall aus der Schule mit-bringt, ausdrucklich verschieden ist von den zugehorigen Funktionen.Beispielsweise sind fur K := {0, 1} = Z/2Z die durch p(x) = x2 undq(x) = x definierten Ausdrucke verschieden als Polynome aber gleichals Funktionen Z/pZ→ Z/pZ, denn es gilt:

p(0) = 0 = q(0) und p(1) = 1 = q(1).

Proposition 3.4.4 (Gradformel). Seien p(x) und q(x) zwei Polynomeuber demselben Korper K, so gilt:

grad(p(x) · q(x)) = grad(p(x)) + grad(q(x))

Beweis: Falls p(x) oder q(x) gleich 0 ist, dann ist p(x) · q(x) = 0 undes steht −∞ = −∞ in der Behauptung, womit der Nachweis in diesemFall erbracht ist.Sei also angenommen, dass sowohl p(x) 6= 0 als auch q(x) 6= 0 erfulltist. Seien des Weiteren:

p(x) = anxn + · · ·+ a0 und q(x) = bmx

m + · · ·+ b0

mit an 6= 0 6= bm. Somit gilt n = grad(p(x)) und m = grad(q(x)). NachDefinition der Multiplikation ist damit:

p(x) · q(x) = (anxn + · · ·+ a0)(bmxm + · · ·+ b0) = anbmxn+m + r(x),

wobei r(x) ein Polynom vom Grad < nm ist. Da aus an, bm 6= 0 folgt,dass grad(p(x) · q(x)) = n+m, ist der Beweis erbracht.

Korollar 3.4.5. K[x] ist ein Integritatsbereich.

68 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

Beweis: Wir haben im Beweis von 3.4.4 gesehen, dass p(x) · q(x) 6= 0,falls p(x) 6= 0 und q(x) 6= 0. Hieraus folgt unmittelbar die Behauptung.

3.4.6 (Division mit Rest). Seien a(x), b(x) ∈ K[x] und b(x) 6= 0, sogibt es eindeutig bestimmte Polynome q(x), r(x) ∈ K[x] so, dass a(x) =q(x) · b(x) + r(x) erfullt ist und grad(r(x)) < grad(b(x)) gilt.

Beweis. Dieser Divisionsalgorithmus sollte noch aus der Schule bekanntsein. Der Beweis folgt anaolog zu 1.3.1.

3.4.7. Die wichtigste Gemeinsamkeit von Z und K[x] ist die Divisionmit Rest. Allgemein wollen wir nun einen Integritatsbereich R genaudann einen euklidischen Ring nennen, wenn es eine Gradfunktiond : R\{0} → N0 gibt so, dass fur alle a, b ∈ R, b 6= 0 folgt, dass esq, r ∈ R gibt mit a = qb+ r und r = 0 oder d(r) < d(b).Heuristisch betrachtet konnen wir an dieser Stelle also sagen, dass es ineuklidischen Ringen die Division mit Rest gibt.

Beispiel 3.4.8. Als Beispiele fur euklidische Ringe seien hier die fol-genden angefuhrt:

i) R = K[x] mit d(p(x)) := grad(p(x)). Vergleiche hierzu auch 3.4.6.

ii) R = Z mit d(m) := |m|.

iii) R = K mit d : K\{0} → N0 beliebig.

Einen weiteren Punkt, der euklidische Ringe derart interessant macht,gibt der nun folgende Satz an.

Satz 3.4.9. Jeder euklidische Ring ist ein Hauptidealbereich.

Beweis: Sei R ein euklidischer Ring mit Gradfunktion d. Wir wahlenein Ideal I aus R und mussen also zeigen, dass es sich bei I um einHauptideal handelt.Falls I = {0}, so gilt I =< 0 >und es folgt unmittelbar die Behauptung.Sei also I 6= {0} angenommen. Als Kandidaten fur den Erzeuger vonI wahlen wir b ∈ I mit d(b) = min{d(a) | a ∈ I\{0}}. Hier haben wir

3.4. EUKLIDISCHE UND FAKTORIELLE RINGE 69

den Satz vom kleinsten Element 1.1.11 benutzt, der die Existenz desMinimums einer Teilmenge aus N0 sichert. Zu zeigen ist, dass I = R · b.Sei also a ∈ I. Dann existieren q, r ∈ R so, dass a = qb + r mit r = 0oder d(r) < d(b) nach der Division mit Rest 3.4.6.Aus b ∈ I folgt auch q · b ∈ I, da I ein Ideal ist. Ebenso ist wegena ∈ I auch r = a − qb ∈ I. Aber r ∈ I ist nur fur r = 0 moglich,denn sonst ware d(r) < d(b) im Widerspruch zur Minimalitat von b.Damit ist a = qb ∈ Rb =< b > und somit gilt I =< b >, womit R einHauptidealbereich ist.

Definition 3.4.10. Ein Integritatsbereich heißt genau dann faktori-ell, wenn fur alle a ∈ R\(R∗ ∪ {0}) gilt, dass a = p1 · · · pr mit in Rirreduziblen und bis auf Multiplikation mit Einheiten und Reihenfolgeeindeutigen p1, . . . , pr.In anderen Worten heißt R damit genau dann faktoriell, falls es eine”eindeutige” Faktorisierung in irreduzible Elemente gibt.

Theorem 3.4.11. Jeder Hauptidealbereich ist faktoriell

Beweis: Wir zeigen zunachst die Existenz der Faktorisierung in irredu-zible Element durch Widerspruch. Hierzu nehmen wir an, dass es eina ∈ R\(R∗∪{0}) gibt, das keine Faktorisierung in irreduzible Elementehat. Setze weiter a0 := a.Da a0 nicht irreduzibel sein kann (denn sonst ware a0 = a0 eine Faktori-sierung) folgt, dass a0 = b0 ·c0 mit b0, c0 /∈ R∗. Man beachte hierbei, dassb0 oder c0 insbesondere keine Faktorisierung in irreduzible Elemente hat,da sonst das Produkt der beiden Faktorisierungen eine Faktorisierungvon a0 in irreduzible Elemente ware.Setze a1 als diesen Teiler ohne Faktorisierung. Dies ist der erste Schrittin einen Algorithmus, der a2, a3, .. liefert mit an ohne Faktorisierung inirreduzible Elemente und mit einem an+1 so, dass an+1 ein echter Tei-ler von an ist, d.h. an+1 /∈ R∗an. Wir erhalten damit eine aufsteigendeKette von Idealen

< a0 >⊂< a1 >⊂< a2 >⊂ . . .

Nach 3.3.6 sind all diese Ideale verschieden. Aus den Ubungen wissen wirnun, dass I =

⋃n∈N0

< an > ein Ideal ist. Da es sich bei R insbesondere

70 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

um einen Hauptidealbereich handelt, folgt, dass ein a ∈ R existiert mitI =< a >. Es gibt insbesondere ein n ∈ N0 mit a ∈< an >. Damitfolgt, dass < an+1 >⊂< a >⊆< an >, da a ∈< an >.Dies ist aber ein Widerspruch zu < an >⊂< an+1 >. Hieraus folgt dieExistenz.Zu zeigen bleibt noch die Eindeutigkeit. Sei hierzu a ∈ R\({0} ∪ R∗).Wir mussen nachweisen, dass wenn

a = p1 · · · pr = q1 · · · qs (3.5)

fur irreduzible Elemente pi, qj gilt, somit r = s erfullt ist und es insbe-sondere π ∈ Sr so gibt, dass pπ(i) ∈ R∗qi fur alle i = 1, . . . , r.Auch hier fuhren wir den Beweis wieder, wie auch oben schon, durchWiderspruch. Sei dazu r(a) die minimale Anzahl der Faktoren, die esin einer Faktorisierung von a in irreduzible Faktoren braucht. In derobigen Faktorisierung konnen wir r = r(a) annehmen. Es gilt nunpr|a = q1, . . . , qs. Nach 3.3.9 ist pr prim in R und somit pr|qj fur einj ∈ {1, . . . , s} erfullt. Durch Umnummerierung der q’s konnen wir an-nehmen, dass j = s gilt. Somit gibt es ein u ∈ R so, dass upr = qs.Weil qs irreduzibel ist und da pr /∈ R∗ erhalten wir weiter u ∈ R∗, d.h.pr ∈ R∗qs. Nun dividieren wir (3.5) durch pr und erhalten

p1 · · · pr−1 = uq1 · · · qs−1 = q′1 · q2 · .. · qs−1 (3.6)

wobei q′1 := uq1. Beachte, dass diese Division in einem Integritatsbereichausdrucklich erlaubt ist. Da q1 irreduzibel ist und u ∈ R∗, muss auch q′1irreduzibel sein. Wir argumentieren nun mt Induktion nach r = r(a).Sei fur den Induktionsanfang nun r = 1. Damit liefert (3.6) die Glei-chung 1 = q′1 · q2 · · · qs−1. Dies muss aber aus R∗ sein, was aber nurmoglich ist, wenn s = 1. Dann ist aber in (3.5) p1 = q1 und damitinsbesondere u = 1, womit der Induktionsanfang gegeben ware.Fur den Induktionsschritt nehmen wir r > 1 an und dass die Faktori-sierung in irreduzible Faktoren eindeutig bis auf Vertauschen und Mul-tiplikation mit Einheiten fur alle b ∈ R\({0} ∪R∗) mit r(b) < r (r > 1)ist. An dieser Stelle wollen wir die verbesserte Form der vollstandigenInduktion aus 1.1.12 benutzen.Wir setzen b := p1 · · · pr−1 = q′1 · · · qs−1 in (2). Damit ist r(b) ≤ r − 1.

3.4. EUKLIDISCHE UND FAKTORIELLE RINGE 71

Nach Induktionannahme folgt, dass r−1 = s−1 und die Faktorisierungin (3.6) insbesondere eindeutig ist bis auf Reihenfolge und Multiplika-tion mit Einheiten. Es folgt, dass r = s. Insbesondere gilt diese ”Ein-deutigkeit’ auch in (3.5), denn pr ∈ R∗qs = R∗qr, womit der Beweiserbracht ist.

Korollar 3.4.12. Jeder euklidische Ring ist faktoriell.

Beweis: Folgt aus Satz 3.4.9 und Theorem 3.4.11

Beispiel 3.4.13. Sei K ein Korper. Wir definieren den Ring der Po-lynome in den Variablen x und y mit Koeffizienten in K durch

K[x, y] := {m∑i=0

n∑j=0

aijxiyj | m,n ∈ N0, aij ∈ K}

bezuglich der folgenden Verkupfungen:

(n∑i=0

m∑j=0

aijxiyj) + (

n∑i=0

m∑j=0

bijxiyj) =

n∑i=0

m∑j=0

(aij + bij)xiyj und

(n∑i=0

m∑j=0

aijxiyj) · (

N∑k=0

M∑l=0

bklxkyl) =

n+N∑g=0

m+M∑h=0

(∑i+k=g

∑j+l=h

aijbkl)xgyh

Beachte, dass K[x, y] analog zu dem Polynomring in einer Variablenein Integritatsbereich, aber kein Hauptidealbereich ist. Zum Nachweiszeigen wir hier, dass das Ideal < x, y > kein Hauptideal ist. Denn ware< g(x, y) >=< x, y >, so wurde g|x und damit die Existenz einesa ∈ K[x, y] mit ag = x folgen. Hiermit erhalten wir dann

grady(a) + grady(g) = grady(x) = 0

und somit grady(g) = 0. Analog folgt ebenso gradx(g) = 0, wobeigradx(f) allgemein den partiellen Grad des Polynoms f bezuglich xbezeichnet. Also kommt in g weder x noch y vor, d.h. g(x, y) = a00 ∈K\{0}.Jedes Element aus < x, y > hat die Form p(x, y)x + q(x, y)y, weshalb

72 KAPITEL 3. RINGTHEORIE

auch a00 diese Form hat. Setze nun (0, 0) in diese Formel ein. Damiterhalten wir a00 = p(x, y)0+q(x, y)0 = 0. Dies ist aber ein Widerspruchzu x ∈< g >=< a00 >=< 0 >= {0}

Bemerkung 3.4.14. Analog kann man den Polynomring K[x1, . . . , xn]einfuhren. Man kann beweisen, dass dieser Ring faktoriell ist (vgl. denAppendix im Skript zur Vorlesung algebraische Geometrie unter www.matha.mathematik.uni-dortmund.de/~gubler/EAG/eag.pdf). Somithaben wir Beispiele fur faktorielle Ringe fur n ≥ 2 gefunden, die keineHauptidealbereiche bilden.

Kapitel 4

Arithmetik modulo n

4.1 Der Ring Z/mZ

Wir wollen jetzt die Ringtheorie explizit auf Z anwenden um das Rech-nen mit Restklassen zu begrunden. Aus dem vorangegangenen Kapitelwissen wir hierzu, dass Ideale von Z Hauptideale der Form mZ sind,wobei m ∈ Z gilt. Wir beginnen zunachst mit folgender

Definition 4.1.1. Wir schreiben a ≡ b (mod m) genau dann, wennm|a − b erfullt ist. In diesem Fall heißt a kongruent zu b modulo m.Versuchen wir dies mit der Ringtheorie zu interpretieren, so erhaltenwir:

a ≡ b (mod m)⇔ a− b ∈ mZ⇔ [a] = [b] ∈ Z/mZ

4.1.2. Es ist uns bereits bekannt, dass es sich bei Z/mZ um einenkommutativen Ring handelt. Fur die Addition und die Multiplikationgilt:

� [a+ b] = [a] + [b] und

� [a · b] = [a] · [b]

4.1.3. Ist m > 0, so ist die Abbildung {0, 1, . . . ,m − 1} → Z/mZ,mit a 7→ [a] bijektiv. Dies bedeutet insbesondere, dass es sich bei{0, 1, . . . ,m− 1} um ein Reprasentantensystem fur Z/mZ handelt.

73

74 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

Beispiel 4.1.4. Die theoretischen Grundlagen sind an dieser Stelle alsogegeben. Nun wollen wir uns aber auch ihre ”praktische” Umsetzunganschauen. Dies machen wir, indem wir exemplarisch einige einfacheOperationen in Z/4Z = {[0], [1], [2], [3]} durchfuhren. Mit den oben ge-gebenen Rechenregeln gilt hier explizit:

[1]+[2] = [3], [2]+[3] = [5] = [1], [2]·[3] = [6] = [2] und [2]·[2] = [4] = [0]

Beachte, dass Z/4Z damit insbesondere nicht nullteilerfrei ist.

4.1.5 (Teilbarkeit der 3). Man lernt bereits in der Unterstufe die Re-geln, nach denen man die Teilbarkeit einer naturlichen Zahl durch eineandere bestimmen kann. So sind beispielsweise genau die Zahlen durchFunf teilbar, deren letzte Ziffer eine Null oder eine Funf ist. Wir wollenfolgend analog dazu eine dementsprechende Regel fur die drei angebenund sie mit den uns bekannten Methoden aus der Zahlentheorie nach-weisen.Sei hierzu a = an10n+an−110n−1 + · · ·+a0 im Dezimalsystem gegeben,d.h. ai ∈ {0, . . . , 9}. Die Behauptung ist an dieser Stelle, dass eine Zahla genau dann durch 3 teilbar ist, wenn ihre Quersumme

∑ni=1 ai durch

3 teilbar ist.Der Beweis gestaltet sich hier recht einfach. Ist 3|a gegeben, so ist diesaquivalent zu a ≡ 0 (mod 3). Dies ist aber wiederum aquivalent zu:

n∑i=0

ai10i ≡ 0 (mod 3)

⇔n∑i=0

ai1i ≡ 0 (mod 3)

⇔n∑i=0

ai ≡ 0 (mod 3)

⇔ 3|n∑i=0

ai

4.1.6 (Teilbarkeit der 11). Wir konnen auch eine zu 4.1.5 analoge Aus-

sage fur die Elf herleiten: Eine Zahl a :=n∑i=0

ai10i, gegeben wie oben

4.1. DER RING Z/MZ 75

im Dezimalsystem, ist genau dann durch Elf teilbar, wenn ihre alternie-

rende Quersummen∑i=0

(−1)iai durch Elf teilbar ist. Die Argumentation

ahnelt der obigen. Auch hier machen wir uns wieder zu Nutzen, dasswir die Zahlen, wenn wir modulo 11 rechnen, durch ihre Reprasentantendarstellen konnen. Wir erhalten:

11|a ⇔ a ≡ 0 (mod 11)

⇔n∑i=0

ai10i ≡ 0 (mod 11)

⇔n∑i=0

ai(−1)i ≡ 0 (mod 11)

⇔ 11|n∑i=0

(−1)iai

Proposition 4.1.7. Seien a, c,m ∈ Z und weiterhin d := ggT(a,m).Damit gilt:

i) Die Kongruenz ax ≡ c (mod m) hat genau dann eine Losung inZ, wenn ggT(a,m)|c erfullt ist.

ii) Gibt es eine Losung x, so bilden die Restklassen

[x], [x+m

d], . . . , [x+ (d− 1)

m

d]

alle Losungen modulo n.

Beweis: i) Wir wissen, dass ax ≡ c (mod m) genau dann erfullt ist,wenn es x, z ∈ Z gibt mit ax− c = z ·m und dies ist genau dannerfullt, wenn es x, y ∈ Z gibt mit

ax+my = c (4.1)

Da es sich hierbei um eine lineare diophantische Gleichung han-delt, wissen wir nach 1.3.4, dass sie genau denn losbar ist, wennggT(a,m)|c gilt, womit (i) gezeigt ware.

76 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

Eine kleine Bemerkung sei hier noch hinzugefugt. Und zwar hattenwir damals ebenfalls gesehen, dass wir die allgemeine Losung mitdem euklidischen Algorithmus finden konnen. Damit kann mandie Kongruenzgleichungen explizit losen, indem man (4.1) lost.

ii) Setze k := md ∈ Z. Sei jetzt x ∈ Z mit ax ≡ c (mod m). Wir

nehmen an, dass x′ ∈ Z mit x′ ≡ x (mod k). Zu zeigen ist nun,dass auch x′ eine Losung des Obigen ist. Haben wir dies gezeigt,so folgt unmittelbar, dass auch alle anderen in (ii) aufgelistetenZahlen Losungen der Kongruenz ax ≡ c (mod m) sind.Ist x′ ≡ x (mod k), so folgt per definitionem k|x − x′. Hiermiterhalten wir:

m = (d · k)|(a · k)|(a · (x− x′))⇒ ax′ ≡ ax ≡ c (mod m)

Also ist x′ eine Losung. Es bleibt zu zeigen, dass eine beliebigeLosung x′ von ax′ ≡ c (mod m) kongruent zu einer der aufgelis-teten Losungen ist. Dies erhalten wir einfach aus ax ≡ c (mod m)und ax′ ≡ c (mod m), da hieraus folgt:

a(x− x′) ≡ 0 (mod m)⇒ m|a(x− x′)⇒ m

d|(ad

(x− x′))

Da ggT(a,m) = d gilt, erhalten wir weiter:

ggT(a

d,m

d) = 1 1.4.1⇒ k =

m

d|x− x′ ⇔ x ≡ x′ (mod k)

Damit ist insbesondere x′ auch in der Liste aus (ii) und der Beweisist abgeschlossen.

4.1.8 (Chinesischer Restsatz). Seien m1, . . . ,mr paarweise teilerfremdin Z. Dann ist die Abbildung

Z/m1 · · ·mrZ → (Z/m1Z)× · · · × (Z/mrZ)[x]m1···mr 7→ ([x]m1 , . . . , [x]mr)

ein Ringisomorphismus.

4.1. DER RING Z/MZ 77

Beweis: Fur r = 2 folgt die Behauptung aus der uns bereits aus derRingtheorie bekannten Version des chinesischen Restsatzes 3.2.15, dadie dortige Bedingung

Zm1 + Zm2 = Z ggT(m1,m2) = Z

erfullt ist und weil Zm1 ∩ Zm2 = Z kgV(m1,m2) = Zm1m2 gilt. Dabeihaben wir zweimal Proposition 3.3.8 benutzt.Dies setzen wir als Induktionsanfang. Fur r > 2 erhalten wir hiermit:

Z/m1Z× · · · ×Z/mrZI.V.= Z/m1 · · ·mr−1Z×Z/mrZ

r=2= Z/m1 · · ·mrZ,

womit die Aussage also insbesondere fur alle r ∈ N gezeigt ist.

4.1.9 (Simultane Kongruenzen). Seien m1, . . . ,mr ∈ Z paarweise tei-lerfremd und a1, . . . , ar ∈ Z. Dann haben

x ≡ a1 (mod m1), . . . , x ≡ ar (mod mr)

eine gemeinsame Losung x0 ∈ Z. Die Losungsmenge der simultanenKongruenzen ist gleich x0 + Zm1 · · ·mr.

Beweis: Bei x0 handelt es sich genau dann um eine gemeinsame Losung,wenn

([x0]m1 , . . . , [x0]mr) = ([a1]m1 , . . . , [ar]mr) ∈ Z/m1Z× · · · × Z/mrZ

Nach dem chinesischen Restsatz gibt es nun genau ein [x]m1···mr ∈Z/m1 · · ·mr mit ([x]m1 , . . . , [x]mr) = ([a1]m1 , . . . , [ar]mr) ∈ Z/m1Z ×· · · ×Z/mrZ. Damit existiert eine gemeinsame Losung x0 und die Zah-len der Form x0 + Zm1 · · ·mr bilden die gesuchte Losungsmenge.

78 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

4.2 Die Eulersche Phi-Funktion

Die Eulersche Phi-Funktion enthalt Informationen uber die Teiler einergegebenen Zahl. In diesem Abschnitt werden wir sie einfuhren und einpaar unmittelbare Folgerungen und Anwendungen fur die Zahlentheo-rie machen. Spater werden wir sehen, dass die Eulersche Phi-FunktionAnwendungen hat in der Theorie der zyklotomischen Korper und damitfur die Konstruktionen mit Zirkel und Lineal.

Satz 4.2.1. Sei m ∈ Z\{0} mit Primfaktorzerlegung m = ±pν11 · · · pνrr ,wobei insbesondere alle pi voneinander verschieden sind. Dann gilt:

i) Wir konnen einen Isomorphismus definieren durch:

Z/mZ → Z/pν11 Z× · · · × Z/pνrr Z[x]m 7→ ([x]p1 , . . . , [x]pr)

ii) (Z/mZ)∗→(Z/pν11 Z)∗ × · · · × (Z/pνrr Z)∗

iii) (Z/mZ)∗ = {[a]m | ggT(a,m) = 1}

Beweis: i) folgt aus dem chinesischen Restsatz 4.1.8

ii) folgt direkt aus (i), da sich zum Einen bei einem Ringisomor-phismus die Einheiten entsprechen und weil auf der anderen Seite(R1 × · · · ×Rr)∗ = R∗1 × · · · ×R∗r erfullt ist.

iii) Wir erhalten hier zusammen mit 4.1.7:

[a]m ∈ (Z/mZ)∗ ⇔ a · x ≡ 1 (mod m) losbar in x ∈ Z⇔ ggT(a,m) = 1

und eben dies war zu zeigen.

Satz 4.2.2. Z/mZ ist genau dann ein Korper, wenn m eine Primzahlist.

4.2. DIE EULERSCHE PHI-FUNKTION 79

Beweis: Wir werden an dieser Stelle zwei Beweise anfuhren. Der erstevon ihnen wird sich auf zahlentheoretische Kenntnisse berufen, der zwei-te wird unsere Erkenntnisse aus der Ringtheorie verwenden und damitkurzer ausfallen.

1. ”⇒” Handelt es sich bei Z/mZ um einen Korper, so muss in 4.2.1r = 1 gelten, da es hiernach sonst einen Nullteiler ungleichNull geben wurde, z.B. das Urbild von ([1]p1 , [0]p2 , . . . , [0]pr).Damit ist Z/mZ = Z/pν11 Z. Falls nun ν > 1 erfullt ware,so wurde es sich bei [p1] um einen Nullteiler von Z/pν11 Zhandeln. Dies ist aber ein Widerspruch.

”⇐” Ist m prim, so gilt (Z/mZ)∗ = (Z/mZ)\{[0]m} nach 4.2.1und somit ist Z/mZ ein Korper.

2. Nach 3.2.12 ist Z/mZ genau dann ein Korper, wenn mZ ein Ma-ximalideal ist und dies ist nach 3.3.11 genau dann erfullt, wennm prim ist.

Definition 4.2.3. Fur n ∈ N sei ϕ(n) := ord((Z/nZ)∗) definiert alsdie Eulersche ϕ-Funktion.

Proposition 4.2.4. Seien m,n ∈ N teilerfremd, so gilt:

ϕ(m · n) = ϕ(m) · ϕ(n)

Beweis: Nach dem chinesischen Restsatz 4.1.8 wissen wir, dass

(Z/mnZ)∗ ∼= (Z/mZ)∗ × (Z/nZ)∗

gilt. Da nun ord(G1 × G2) = ord(G1) · ord(G2) fur Gruppen Gi erfulltist, folgt die Behauptung unmittelbar.

4.2.5. Wir wollen uns an dieser Stelle einmal explizit anschauen, wie wirϕ(n) berechnen konnen. Hierzu sei zunachst angenommen, dass n = pν

fur eine Primzahl p gegeben ist. Damit ist nach 4.2.1

(Z/pνZ)∗ = {[1], . . . , [pν ]}\{[p], [2p], [3p], . . . , [pν ]}

80 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

Es ist nunϕ(pν) = pν − pν−1 (4.2)

Fur allgemeines n ∈ N mit Primfaktorisierung n = pν11 · · · pνrr gilt nunzusammen mit 4.2.4:

ϕ(n) = ϕ(pν11 ) · · ·ϕ(pνrr ) = (pν11 − pν1−11 ) · · · (pνrr − pνr−1

r )

⇒ ϕ(n) = pν11 · · · pνrr (1− 1

p1) · · · (1− 1

pr)

⇒ ϕ(n) = n(1− 1p1

) · · · (1− 1pr

)

Wobei die letzte Folgerung somit eine einfache Methode der Berechnungder Eulerschen ϕ-Funktion ergibt.

Satz 4.2.6 (Satz von Euler). Wir nehmen an, dass die Zahlen a ∈ Zund 1 < m ∈ N teilerfremd sind. Dann gilt

aϕ(m) ≡ 1 (mod m)

Beweis: (Z/mZ)∗ ist bezuglich der ublichen Multiplikation eine Grup-pe der Ordnung ϕ(m). Nach dem uns aus der Gruppentheorie bereitsbekannten Satz von Euler 2.2.15 gilt [a]ord((Z/mZ)∗) = [1], woraus auchdirekt die Behauptung folgt.

Satz 4.2.7 (Kleiner Satz von Fermat). Sei p eine Primzahl, so gilt furjede nicht durch p teilbare ganze Zahl a:

ap−1 ≡ 1 (mod p)

Beweis: Folgt unmittelbar aus dem Satz von Euler, da nach diesemϕ(p) = p− 1 gilt.

Satz 4.2.8 (Satz von Wilson). Sei p prim. Dann gilt

(p− 1)! ≡ −1 (mod p)

4.2. DIE EULERSCHE PHI-FUNKTION 81

Beweis: Wir mussen zeigen, dass

[1] · [2] · · · [p− 1] = [−1] ∈ Z/pZ

erfullt ist. Hierfur muss zunachst bemerkt werden, dass die obigen Fak-toren (Z/pZ)∗ durchlaufen. Zu jedem Faktor [a] kommt also insbeson-dere ein Faktor [a]−1 vor, da (Z/pZ)∗ eine Gruppe ist. Falls [a] 6= [a]−1

ist, so konnen wir diese Faktoren wegkurzen. Es bleiben also nur nochdiejenigen Faktoren [a] mit [a] = [a]−1 stehen. Hier gilt nun:

[a] = [a]−1 ⇔ [a]2 = [1]⇔ [a]2 − [1] = [0]⇔ ([a]− 1)([a] + 1) = [0]

Da Z/pZ nach 4.2.2 ein Korper ist, gibt es hier insbesondere keine von[0] verschiedenen Nullteiler. Also ist [a] = [a]−1 genau dann erfullt, wenn[a] = [1] oder [a] = [−1]. Damit erhalten wir:

[1] · · · [p− 1] ={

[1] · [−1] = [−1] falls p ungerade[1] = [−1] falls p = 2

4.2.9. Eine interessante Anwendung des Bisherigen wird von der nunfolgenden Betrachtung widergespiegelt. Es soll hier explizit die Peri-odenlange von ganzzahligen Bruchen bestimmt werden. Sei hierzu einbeliebiger Bruch 0 < a

b ∈ Q gegeben.Wir schreiben b in der Form b = 2ν2(b) · 5ν5(b) · b′ mit ggT(10, b′) = 1.Zunachst bemerkt man hier, dass die Faktoren 2ν2(b) · 5ν5(b) keinen Ein-fluss auf die Periodenlange haben. Um dies einzusehen, durfen wir mit10max{ν2(b),ν5(b)} multiplizieren, ohne dass sich die Periodenlange andert.Nun kann man mit 2ν2(b) ·5ν5(b) kurzen und es bleibt ein Bruch mit demNenner b′ mit derselben Periodenlange wie a

b stehen. Dies zeigt unsereBehauptung.Insbesondere bricht die Dezimalbruchentwicklung ab, wenn b = 2ν2(b) ·5ν5(b) gilt. Nach unserer Vorbetrachtung durfen wir also ggT(b, 10) =1 annehmen. Weiter durfen wir annehmen, dass a

b gekurzt ist, d.h.

82 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

ggT(a, b) = 1. Durch Division mit Rest finden wir nun die Dezimal-bruchentwicklung a = q0b + r0 mit 0 ≤ r0 < b. Damit ist a

b = q0 + r0b

und folglich ist q0 der ganze Teil von ab . Beachte, dass aus der Summen-

regel und ggT(a, b) = 1 folgt, dass ggT(b, r0) = 1 gilt. Man findet dieerste Nachkommastelle q1von a

b durch erneute Division mit Rest:

10r0 = q1 b+ r1, 0 ≤ r1 < b

Die zweite Nachkommastelle wird analog durch

10r1 = q2 b+ r2, 0 ≤ r2 < b

gefunden. Es gilt nun [r1] = [10] · [r0] ∈ Z/bZ und weiter

[r2] = [10] · [r1] = [10]2 · [r0] ∈ Z/bZ

Verfahren wir auf diese Weise weiter, so lasst sich erkennen, dass wirhieraus induktiv

[rn] = [10]n · [r0] ∈ (Z/bZ)∗ (4.3)

erhalten, da aufgrund von 4.2.1 aus ggT(r0, b) = 1 folgt, dass [r0] ∈(Z/bZ)∗ erfullt ist. Analog folgt auch aus ggT(10, b) = 1, dass [10] ∈(Z/bZ)∗.Die Periode findet man nun dadurch, dass sich der Rest ri zum erstenMal wiederholt. Nach (4.3) ist die Periodenlange also gleich der Ordnungvon [10] in (Z/bZ)∗. Es gilt also:

Periodenlange = ord([10]) in (Z/bZ)∗

Mit dem obigen einhergehend konnen wir an dieser Stelle zudem fol-gende Aussagen festhalten:

� die Periodenlange eines gekurzten Bruches ab hangt nur von b ab,

allerdings nicht von a.

� Die Dezimalbruchentwicklung bricht genau dann ab, wenn 2 und5 die einzigen Primteiler von b sind.

4.2. DIE EULERSCHE PHI-FUNKTION 83

� Im Allgemeinen darf man die 2- und die 5-Teiler aus dem Nennerb heraus kurzen, ohne dass sich die Periodenlange andert. Danachbestimmt man das kleinste n ∈ N so, dass 10n ≡ 1 mod b ist.Dieses n ist dann die Periodenlange. Insbesondere ist die Peri-odenlange nach dem Satz von Euler immer ein Teiler von ϕ(b).

84 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

4.3 Mult. zahlentheoretische Funktionen

Wir haben im letzten Abschnitt gesehen, dass die Eulersche Phi-Funk-tion sich multiplikativ verhalt bezuglich teilerfremden Zahlen. In diesemAbschnitt werden wir andere Funktionen kennenlernen mit dieser Ei-genschaft. Wir werden sehen, dass die Menge all dieser multiplikativenFunktionen eine ausserst interessante Gruppe bildet. Als Anwendungwerden wir die Mobiussche Umkehrformel beweisen, die in der Mathe-matik oft gebraucht wird.

4.3.1. Eine Funktion f : N → C heißt zahlentheoretische Funkti-on. Eine zahlentheoretische Funktion heißt multiplikativ genau dann,wenn f(1) = 1 und f(n·m) = f(n)·f(m) fur alle teilerfremden n,m ∈ Ngilt.Wir geben zur Verdeutlichung des Sachverhalts folgend einige zum Teilbereits bekannte Beispiele an.

Beispiel 4.3.2. Die Eulersche ϕ-Funktion ist nach 4.2.4 multiplikativ.

Beispiel 4.3.3. Eine weitere multiplikative Funktion ist gegeben durch:

ε(n) :={

1, falls n = 10, falls n 6= 1

Beispiel 4.3.4. Ein allseits bekanntes und im Grunde genommen tri-viales Beispiel sei an dieser Stelle auch noch erwahnt. Dies ist die Iden-titat id : N→ C mit n 7→ n. Auch sie ist multiplikativ.

Beispiel 4.3.5. Die Mobiussche µ-Funktion ist gegeben durch

µ(n) :=

1 fur n = 1,(−1)r fur n = p1 . . . pr,

0 falls n einen Teiler p2 hat mit p prim,

wobei p1, . . . , pr paarweise verschiedene Primzahlen sein sollen. Auchsie ist multiplikativ. Dies gilt es im Folgenden nachzuweisen.

4.3. MULT. ZAHLENTHEORETISCHE FUNKTIONEN 85

Beweis: µ(1) = 1 ist nach Definition schon einmal erfullt. Seien alson,m ∈ N mit ggT(n,m) = 1. Zu zeigen ist nun, dass dann auch

µ(n ·m) = µ(n) · µ(m)

gilt. Da nach oben µ(1) = 1 gilt, folgt die Behauptung, falls n = 1 oderm = 1. Seien also im Folgenden n,m ≥ 2. Falls n oder m einen Teilerp2 haben, dann ebenso n ·m und es folgt unmittelbar:

µ(n ·m) = 0 = µ(n) · µ(m)

nach der Definition von µ. Es bleibt also nur noch der Fall zu zeigen, dassn und m Produkte von verschiedenen Primzahlen sind. In diesem Sinnesei n = p1 · · · pr und m = q1 · · · qs. Da nach Voraussetzung ggT(n,m) =1 gilt, ist insbesondere pi 6= qj fur alle i, j ∈ N und somit

n ·m = p1 · · · pr · q1 · · · · qs

ein Produkt von paarweise verschiedenen Primzahlen. Insgesamt folgtdamit:

µ(n ·m) = (−1)r+s = (−1)r(−1)s = µ(n) · µ(m)

und eben dies war zu zeigen.

4.3.6. Seien f und g zwei zahlentheoretische Funktionen. Wir definierendie Faltung durch

f ∗ g : N→ C, n 7→ (f ∗ g)(n) :=∑d|n

f(d) · g(n

d)

Satz 4.3.7. Die multiplikativen zahlentheoretischen Funktionen bildeneine abelsche Gruppe bezuglich der Faltung ∗.

Beweis: Zunachst ist zu zeigen, dass es sich bei ∗ uberhaupt um eineinnere Verknupfung handelt. Seien also f, g multiplikative zahlentheo-retische Funktionen. Die Multiplikativitat von f ∗ g erhalten wir durcheinige wenige Uberlegungen. Zunachst betrachten wir:

(f ∗ g)(1) =∑d|1

f(d)g(1d

) = f(1)g(11

) = 1

86 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

Seien nun n,m ∈ N mit ggT(n,m) = 1. Wir erhalten

(f ∗ g)(n ·m) =∑d|n·m

f(d)g(n ·md

)

Weil n und m teilerfremd sind, kann man d auf genau eine Art undWeise als d = d1 · d2 schreiben mit d1|n und d2|m. Damit folgt:

(f ∗ g)(n ·m) =∑d1|n

∑d2|n

f(d1d2)g(n

d1· md2

)

Da nach Voraussetzung f und g multiplikativ sind und ggT( nd1md2

) = 1sowie ggT(d1, d2) = 1 gilt, folgt:

f(d1 · d2) = f(d1)f(d2) und g(n

d1

m

d2) = g(

n

d1)g(

m

d2)

Setzen wir dies ein, erhalten wir somit:

(f ∗ g)(n ·m) =∑d1|n

∑d2|n

f(d1d2)g(n

d1· md2

)

= (∑d1|n

f(d1)g(n

d1))(∑d2|m

f(d2)g(m

d2))

= (f ∗ g)(n)(f ∗ g)(m)

und folglich die Multiplikativitat von f ∗ g. Die Assoziativitat erhaltenwir nun mittels

((f ∗ g) ∗ h)(n) =∑d|n

(f ∗ g)(d)h(n

d)

=∑d|n

∑d1|d

f(d1)g(d

d1)h(

n

d)

Die Menge {(d1, d) | d1|d|n} ist bijektiv zu {(d1, d2, d3) | d1d2d3 = n}mittels der durch (d1, d) 7→ d1, d2 := d

d1und d3 := n

d definierten Ab-bildung mit der Umkehrabbildung (d1, d2, d3) 7→ (d1, d = d1d2). Damitist

((f ∗ g) ∗ h)(n) =∑

d1d2d3=n

f(d1)g(d2)h(d3).

4.3. MULT. ZAHLENTHEORETISCHE FUNKTIONEN 87

Analog zeigt man

(f ∗ (g ∗ h))(n) =∑

d1d2d3=n

f(d1)g(d2)h(d3).

und somit ist die Assoziativitat erfullt. Fur den Nachweis der Kommu-tativitat betrachten wir

(f ∗ g)(n) =∑d|n

f(d)g(n

d)

Wenn d alle Teiler von n durchlauft, dann muss e := nd dies auch erfullen.

Damit ist

(f ∗ g)(n) =∑e|n

f(n

e)g(e) =

∑e|n

g(e)f(n

e) = (g ∗ f)(n)

In den Ubungen wird insbesondere gezeigt, dass ε aus 4.3.3 das neutraleElement ist. Die Inverse werden wir an dieser Stelle allerdings nochnachweisen. Sei hierzu f : N → C multiplikativ. Wir definieren alsKandidaten fur die Inverse eine Funkion f : N→ C rekursiv durch:

f(1) := 1,

f(n) := −∑

d|n,d>1

f(d)f(n

d)

Zunachst ist zu zeigen, dass f multiplikativ ist. Dabei ist f(1) = 1 nachder obigen Definition bereits erfullt. Fur n,m ∈ N und ggT(n,m) = 1mussen wir weiterhin nachweisen, dass f(n,m) = f(n) · f(m) gilt. Diesgeschieht mittels vollstandiger Induktion nach n ·m. Wenn n ·m = 1gilt, muss folglich insbesondere n = m = 1 erfullt sein und somit giltdirekt f(1) = 1 = f(1)f(1).Sei fur den Induktionsschritt also n ·m > 1. Damit erhalten wir zusam-men mit der Definition:

f(n ·m) = −∑

d|n·m, d>1

f(d)f(n ·md

)

= −∑

d1|n,d2|md1·d2>1

f(d1d2)f(n

d1· md2

)

88 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

Nach der Induktionsvoraussetzung gilt hier nun f( nd1md2

) = f( nd1 )f(md2 ).Damit ergibt sich insgesamt:

f(n ·m) = −∑

d1|n,d2|md1·d2>1

f(d1)f(d2)f(n

d1)f(

m

d2)

= −∑

d1|n,d1>1

∑d2|m,d2>1

f(d1)f(d2)f(n

d1)f(

m

d2)

−∑

d1|m, d2>1

f(1)f(d2)f(n)f(m

d2)

−∑

d1|n,d1>1

f(d1)f(1)f(n

d1)f(m)

= −∑

d1|n, d1>1

f(d1)f(n

d1)

︸ ︷︷ ︸=−f(n)

·∑

d2|m, d2>1

f(d1)(m

d2)

︸ ︷︷ ︸=−f(m)

−f(n)∑

d2|m, d1>1

f(d1)f(m

d2)

︸ ︷︷ ︸=−f(m)

−f(m)∑

d1|n, d1>1

f(d1)f(n

d1)

︸ ︷︷ ︸=−f(n)

= −f(n)f(m) + f(n)f(m) + f(m)f(n)= f(n)f(m)

Hieraus lasst sich erkennen, dass f multiplikativ ist. In den Ubungenwerden wir explizit sehen, dass es sich hierbei um die Inverse von fbezuglich ∗ handelt. Mit den obigen Ausfuhrungen erhalten wir also ins-gesamt, dass es sich bei den multiplikativen zahlentheoretischen Funk-tionen um eine Gruppe handelt. Und eben dies war zu zeigen.

Definition 4.3.8. Sei f eine multiplikative zahlentheoretische Funkti-

4.3. MULT. ZAHLENTHEORETISCHE FUNKTIONEN 89

on. Dann heißtF (n) :=

∑d|n

f(d)

die summatorische Funktion von f . Wir bemerken, dass

F = f ∗ 1

gilt und mit Satz 4.3.7 ist die summatorische Funktion multiplikativ.

Proposition 4.3.9. Die summatorische Funktion von µ ist ε, d.h.

µ ∗ 1 = ε

Beweis: Wir nehmen p prim und prufen die Behauptung zuerst in ps

mit s ∈ N nach. Hier erhalten wir:

(µ∗1)(ps) =∑d|ps

µ(d) = µ(1)+µ(p)+µ(p2)+· · ·+µ(ps) = 1−1+0+· · ·+0

und dies ist wie auch ε(ps) gleich 0. Nun betrachten wir noch die Be-hauptung fur n ∈ N nach. Der Fall n = 1 ist trivial. Sei also n > 1mit einer Faktorisierung n = pν11 · · · pνrr in unterschiedliche Primfakto-ren p1, . . . , pr. Da µ ∗ 1 und ε beide multiplikativ sind, folgt aus demersten Fall:

(µ ∗ 1)(n) = (µ ∗ 1)(pν11 · · · pνrr )

= (µ ∗ 1)(pν11 ) · · · (µ ∗ 1)(pνrr )= ε(pν11 ) · · · ε(pνrr )= ε(pν11 · · · p

νrr )

= ε(n)

Und damit sind wir auch direkt fertig.

Satz 4.3.10 (Mobiussche Umkehrformel). Sei f eine multiplikative zah-lentheoretische Funktion mit summatorischer Funktion F . Dann ist

f(n) =∑d|n

F (d)µ(n

d)

90 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

Beweis: Der Beweis gestaltet sich mit unserer bisherigen Vorarbeit ein-facher als man annehmen mag. Zusammen mit 4.3.7 erhalten wir hier:

F ∗ µ = (f ∗ 1) ∗ µ = f ∗ (µ ∗ 1) = f ∗ ε = f,

womit wir direkt fertig sind.

4.4. POTENZRESTE 91

4.4 Potenzreste

In diesem Abschnitt werden wir uns mit der Frage beschaftigen, wannzu gegebenen naturlichen Zahlen n,m ≥ 2 eine ganze Zahl kongruentzu einer n-ten Potenz ist modulo m. Im nachsten Abschnitt werdenwir dann den Spezialfall n = 2 naher untersuchen. Wir beginnen mitdem Satz von Kummer, der uber die Primteilerpotenzen von Binomi-alkoeffizienten Auskunft gibt. Dann rekapitulieren wir die wichtigstenEigenschaften der Ordnung eines Elementes in einer endlichen Gruppe.Danach beweisen wir den wichtigen Satz, dass die Anzahl Nullstelleneines Polynoms beschrankt ist durch seinen Grad. Wir wenden dieseResultate an um zu zeigen, dass gewisse Gruppen zyklisch sind. Dar-aus leiten wir dann das entscheidende Kriterium ab, wann eine Zahlkongruent zu einer n-ten Potenz ist modulo einer Primzahlpotenz. ZuBeginn von 4.5 werden wir sehen, dass sich damit auch die Eingangs-frage bezuglich beliebigem Modul m klart.

Satz 4.4.1 (Satz von Kummer). Seien m, r ∈ N und p eine Primzahl.Sei weiterhin ep der maximale Exponent so, dass

pep |(m+ r

m

).

Dann ist ep gleich der Anzahl der Ubertrage bei der schriftlichen Addi-tion m+ r im p-System.

Beweis: Der Beweis ist elementar, benotigt allerdings in etwa einein-halb Seiten, wozu an dieser Stelle bedauerlicherweise die Zeit fehlt. Deninteressierten Leserverweisen wir auf das Buch von Ribbenboim [3], Ka-pitel 2, II.D.

Beispiel 4.4.2. Sei p = 3. Gesucht ist der maximale 3-Teiler von(

3410

).

Dies bedeutet mit den obigen Notationen, dass m = 24 und r = 10ist. Wir stellen hier die Rechnung im Zehnersystem der Rechnung imDreiersystem gegenuber. Damit erhalten wir:

92 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

10er-System 3er-System24 22010 101

—— ——–34 1021

Womit in diesem Falle ep = 1 ist. Die Kontrollrechnung fuhren wir hierwie folgt durch: (

3410

)=

34!10! · 24!

=34 · 33 · · · 25

10 · · · 1

= a · 3 · 3 · 33

32 · 3 · 3= 3a,

wobei a eine zu 3 teilerfremde Zahl ist.

Beispiel 4.4.3. Wir behalten auch hier p = 3 bei. Diesmal wollen wir(2710

)=(

17+1010

)berechnen. Analog zum Vorangegangenen erhalten wir:

10er-System 3er-System17 12210 101—– ———27 1000

Bei der Berechnung konnen wir sehen, dass es an dieser Stelle insgesamtdrei Ubertrage gibt, d.h. es ist hier e3 = 3. Wiederum fuhren wir eineKontrollrechnung durch:(

2710

)=

27!17! · 10!

=27 · 26 · · · 18

10 · · · 1

= a · 33 · 3 · 3 · 32

32 · 3 · 3= 33a

fur eine zu 3 teilerfremde Zahl a.

Korollar 4.4.4. Seien p eine Primzahl, m ∈ N, ggT(m, p) = 1 undm < pd. Dann ist der maximale p-Exponent ep von

(pd

m

)gleich d.

4.4. POTENZRESTE 93

Beweis: Wir setzen r := pd −m und stellen m und r im p-System dar.Die Addition liefert an dieser Stelle:

m md md−1 . . . m0

r rd rd−1 . . . r0

pd 1 0 . . . 0

Dabei gilt naturlich md = rd = 0. Da p kein Teiler von m ist, muss m0 6=0 gelten, weshalb es bei m0 + r0 und damit bei jeder weiteren Additionder Stellen einen Ubertrag geben muss. Somit gibt es d Ubertrage. DieBehauptung folgt aus dem Satz von Kummer.

Korollar 4.4.5. Sei p prim, m ≤ pd und m = pkm′ mit p 6 |m′. Dann

ist der maximale p-Exponent ep von(pd

m

)gleich d− k.

Beweis: Die Aussage folgt mit demselben Argument wie in 4.4.4, dahier die Ubertrage an der (k + 1)-ten Stelle beginnen.

Lemma 4.4.6. Seien d ≥ 2, p eine ungerade Primzahl und a ∈ Z.Dann gilt:

(1 + ap)pd−2 ≡ 1 + apd−1 (mod pd)

Beweis: Wir formen den obigen Term zunachst mit der binomischenFormel um. Damit erhalten wir:

(1 + ap)pd−2

= 1 +(pd−2

1

)ap︸ ︷︷ ︸

(ap)d−1

+ · · ·+(pd−2

pd−2

)(ap)p

d−2

︸ ︷︷ ︸(ap)pd−2

, (4.4)

wobei der allgemeine Summand hier also(pd−2

m

)(ap)m ist. Nach 4.4.5

und mit m = pkm′ wird dieser geteilt von pd−2−k+m. Wir schatzen nunk nach oben ab. Es gilt:

log(m) = k log(p) + log(m′) ≥ k log(p)

⇒ k ≤ log(m)log(p)

≤ log(m)log(3)

94 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

Fur m ≥ 4 folgt hier mit elementaren Kenntnissen aus der Analysis,dass m ≥ 2 + k gilt und damit ist fur den Summanden(

pd−2

m

)(ap)m ≡ 0 (mod pd)

erfullt, da d− 2− k +m ≥ d− 2− k + 2 + k ≥ d. Um die Behauptungzu beweisen mussen wir also in (4.4) nur noch(

pd−2

2

)(ap)2 ≡ 0 (mod pd) und

(pd−2

3

)(ap)3 ≡ 0 (mod pd)

zeigen. Da hier insbesondere nach Voraussetzung p 6= 2 ist, gilt nach

4.4.4 oder mit einem einfachen direkten Argument pd−2|(pd−2

2

), wo-

mit schon einmal die erste Kongruenz gilt. Die zweite Kongruenz folgtfur p > 3 analog. Es bleibt also nur noch p = 3 zu betrachten. NachKorollar 4.4.5 gilt hier:

3d−3|(

3d−2

3

),

woraus die zweite Kongruenz auch fur p = 3 folgt.

Satz 4.4.7. Sei G eine endliche Gruppe und g ∈ G. Dann gilt:

i) ord(g)| ord(G)

ii) ord(g) = ord(G)⇔< g >= G

iii) gk = e⇔ ord(g)|k

Beweis: Wir wissen nach Lemma 2.2.13, dass ord(g) = ord(< g >)erfullt ist. Dabei ist < g >= {gm|m ∈ Z} die von g erzeugte Unter-gruppe in G gewesen. Nach dem Satz von Lagrange ist damit auchord(< g >)| ord(G) erfullt und es folgt unmittelbar die Aussage i).Wir haben oben schon benutzt, dass die Untergruppe < g > genauord(g) Elemente hat und damit folgt die Behauptung ii). Weiter folgtiii) aus Bemerkung 2.2.14.

4.4. POTENZRESTE 95

Satz 4.4.8. Sei p(x) ∈ K[x]\{0} vom Grad n fur einen beliebigenKorper K. Dann hat p(x) maximal n Nullstellen in K.

Beweis: Wir fuhren den Beweis durch Induktion nach n. Fur n = 0 istp hierbei konstant und insbesondere ungleich Null, womit auch keineNullstelle vorhanden ist.Sei also nun fur den Induktionsschritt n > 0 und die Behauptung furn − 1 bewiesen. Wir durfen ferner annehmen, dass p eine Nullstelleα ∈ K besitzt, da sonst nichts weiter nachzuweisen ware. Wie auchschon so haufig zuvor hilft uns die Division mit Rest an dieser Stelleweiter. Hiermit erhalten wir:

p(x) = q(x)(x− α) + r(x)

mit grad(r(x)) < grad(x − α) = 1. Somit ist r(x) = r ∈ K. Ersetzenvon α liefert:

0 = p(α) = q(α)(α− α) + r = r

Da grad(q(x)) = n−1 ist, hat q(x) nach Induktionsvoraussetzung hochs-tens n− 1 Nullstellen in K¿ Wegen p(x) = q(x)(x−α), muss eine Null-stelle von p(x) eine Nullstelle von q(x) oder gleich α sein. Damit hataber p(x) hochstens n Nullstellen in K und wir sind fertig.

Korollar 4.4.9. Ist G eine endliche Untergruppe von K∗, so ist Gzyklisch.

Beweis: Wir zeigen an dieser Stelle nur den Fall ord(G) = pd fur einePrimzahl p. Der allgemeine Fall folgt aus dem Struktursatz fur endlicheabelsche Gruppen und dem chinesischen Restsatz 4.1.8 aus dem Spezi-alfall und wird in der Ubung nachzuweisen sein. Sei also ord(G) = pd.Wir argumentieren indirekt und nehmen an, dass G nicht zyklisch ist.Dann ist fur alle g ∈ G nach 4.4.7 ord(g)|pd−1 erfullt. Somit hat das Po-lynom xp

d−1 − 1 als Nullstellen alle Elemente aus G. Mit 4.4.8 erhaltenwir den Widerspruch ord(G) ≤ pd−1. Es folgt die Behauptung.

Satz 4.4.10. Sei p eine ungerade Primzahl und d ∈ N. Dann ist(Z/pdZ)∗ zyklisch.

96 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

Beweis: Wir betrachten zunachst den Fall d = 1. Hier ist Z/pZ einKorper und damit (Z/pZ)∗ eine endliche Untergruppe von K∗ fur K :=Z/pZ. Mit 4.4.9 folgt die Behauptung.Sei nun d ≥ 2. Nach dem Spezialfall d = 1 gibt es ein g ∈ Z so, dass[g] die Gruppe (Z/pZ)∗ erzeugt. Insbesondere ist g teilerfremd zu p. Esgilt:

gp−1 ≡ 1 + ap (mod p2), (4.5)

da gp−1 ≡ 1 (mod p) nach dem kleinen Satz von Fermat 4.2.7 gilt.Wir behaupten nun, dass es so ein g gibt mit p teilerfremd zu a undnehmen hierfur zunachst an, dass p|a erfullt ist, um im Nachhinein g soabzuandern, dass das neue a teilerfremd zu p ist. Wir durfen g ersetzendurch g′ := g + p. Damit erhalten wir:

(g′)p−1 = (g + p)p−1 ≡ gp−1 + (p− 1)gp−1︸ ︷︷ ︸=:a′

p (mod p2)

Zu zeigen ist nun, dass p 6 |a′ := (p− 1)gp−1. Dies folgt aus p 6 |p− 1 undp 6 |g. Also konnen wir fur unser ursprungliches g annehmen, dass p 6 |afur a aus (4.5) gilt. Damit erhalten wir:

g(p−1)pd−2 (4.5)≡ (1 + ap)p

d−2 4.4.6≡ 1 + apd−1 6≡ 1 (mod pd), (4.6)

da ja a teilerfremd zu p ist. Weiterhin konnen wir schließen:

ord([g])| ord((Z/pdZ)∗) = ϕ(pd) = pd−1(p− 1) (4.7)

Somit folgt aus (4.6) und (4.7), dass ord([g]) = pd−1(p − 1) erfullt ist.Zusammen mit 4.4.7 erhalten wir damit:

< [g] >= (Z/pdZ)∗

Satz 4.4.11. Sei p eine Primzahl, b 6≡ 0 (mod p) und n ∈ N. Dann ist

xn ≡ b (mod p) genau dann losbar in Z, wenn bp−1

ggT(n,p−1) ≡ 1 (mod p)erfullt ist.

4.4. POTENZRESTE 97

Beweis: Wir wollen zunachst den Fall betrachten, dass es p = 2 ist.Damit gilt b ≡ 1 (mod 2) und die Kongruenz ist folglich immer mit

x ≡ 1 (mod p) erfullt. Weiter gilt hierbei insbesondere bp−1

ggT(n,p−1) ≡ 1(mod 2). Die Behauptung ist fur diesen Fall somit also gezeigt.Im Folgenden konnen wir also voraussetzen, dass es sich bei p um eineungerade Primzahl handelt. Nach Satz 4.4.10 wissen wir, dass (Z/pZ)∗

zyklisch ist und von einer bestimmten Restklasse [g] erzeugt wird. Wei-ter gibt es damit ein m ∈ Z so, dass b ≡ gm (mod p) erfullt ist. Diesgilt damit allerdings auch fur b, d.h. es gibt ein n ∈ Z mit [x] ≡ [g]n

(mod p). Fur die Losung x konnen wir ebenso den Ansatz x ≡ gy

(mod p) machen fur ein y ∈ Z. Die Kongruenz xn ≡ b (mod p) istgenau dann losbar, wenn es ein y ∈ Z gibt so, dass gny ≡ gm (mod p),was wiederum aquivalent zu gny−m ≡ 1 (mod p) ist.Da [g] die Gruppe (Z/pZ)∗ erzeugt, gilt nach Satz 4.4.7 zum ersten:

ord([g]) = ord((Z/pZ)∗) = ϕ(p) = p− 1

Auf der anderen Seite folgt hieraus ebenso, dass [g]l ≡ 1 genau dannerfullt ist, wenn ord([g]) ein Teiler von l ist. Somit ist xn ≡ b (mod p)genau dann losbar, wenn (p − 1)|(ny −m) erfullt ist. Hierfur erhaltenwir:

(p− 1)|(ny −m) ⇔ ∃y ∈ Z : ny ≡ m (mod p− 1)4.1.7⇔ ggT(n, p− 1)|m⇔ ggT(n, p− 1)| ggT(m, p− 1)

⇔ p− 1ggT(m, p− 1)

| p− 1ggT(n, p− 1)

Das bisherige Ergebnis wollen wir an dieser Stelle zunachst einmal fest-halten. Bevor wir hiermit jedoch weiter arbeiten, wollen wir in einemZwischenschritt zeigen, dass ord([b]) = p−1

ggT(m,p−1) gilt. Wofur dies notigist, werden wir dann im Folgenden sehen. Der Nachweis erweist sich alsrecht einfach. Zunachst konnen wir aus

[b]p−1

ggT(m,p−1) = [gm]p−1

ggT(m,p−1) = [g]m(p−1)

ggT(m,p−1) = ([g]p−1)m

ggT(m,p−1) = [1]

98 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

folgern, dass b hoch dem besagten Bruch in der Tat das neutrale Ele-ment ist. Weiter sei k ∈ N mit [b]k = [1] gegeben. Wir weisen fur dieMinimalitat des obigen Ausdrucks nach, dass k in der Tat ein Vielfachesvon p−1

ggT(m,p−1) ist. Dies erhalten wir aus

[1] = [b]k = [g]mk

Da ord([g]) = p− 1 nach Voraussetzung, folgt mit 4.4.7 an dieser Stellep−1|mk und eben damit ist p−1

ggT(m,p−1) |m

ggT(m,p−1) ·k. Da aber p−1ggT(m,p−1)

und mggT(m,p−1) teilerfremd sind, ist folglich p−1

ggT(m,p−1) |k erfullt (nach1.4.1), womit der Zwischenschritt gezeigt ist.Knupfen wir nun an Obigem weiter an, so konnen wir hiermit sehen,dass xn ≡ b (mod p) genau dann losbar ist, wenn gilt:

p− 1ggT(m, p− 1)

| p− 1ggT(n, p− 1)

⇔ ord([b])| p− 1ggT(n, p− 1)

⇔ [b]p−1

ggT(n,p−1) = [1]

wobei wir im letzten Schritt wieder Satz 4.4.7 benutzt haben.

Satz 4.4.12. Sei p eine ungerade Primzahl, n, b ∈ Z, d ∈ N mit p 6 |bund p 6 |n. Dann besitzt xn ≡ b (mod pd) genau dann eine ganzzahligeLosung, wenn auch xn ≡ b (mod p) losbar in Z ist.

Beweis: Nach Satz 4.4.10 ist (Z/pdZ)∗ =< g >. Es gilt auch hier b ≡gm (mod pd) und wir benutzen wiederum den Ansatz [x] = [g]y furein y ∈ Z. Ab dieser Stelle wird der Beweis vollkommen analog zudem von Satz 4.4.11 gefuhrt mit dem einzigen Unterschied, dass manden Ausdruck ϕ(p) = p − 1 immer durch ϕ(pd) = pd−1(p − 1) ersetzt.Dies liefert, dass xn ≡ b (mod pd) genau dann losbar in Z ist, wennggT(n, ϕ(pd))| ggT(m,ϕ(pd)) erfullt ist. Es gilt nun:

ggT(m,ϕ(pd)) = ggT(m, pd−1(p− 1)) = pk ggT(m, p− 1),

4.4. POTENZRESTE 99

wobei pk die maximale p-Potenz ist, die sowohl in m als auch in pd−1

vorkommt. Da p und n nach Voraussetzung teilerfremd sind, erhaltenwir analog:

ggT(n, ϕ(pd)) = ggT(n, p− 1).

Damit spielen die p-Potenzen fur die Frage, ob ggT(n, ϕ(pd)) ein Teilervon ggT(m,ϕ(pd)) ist, keine Rolle. Folglich ist xn ≡ b (mod pd) genaudann losbar in Z, wenn ggT(n, p− 1)| ggT(m, p− 1) erfullt ist. Dies giltaber nach dem Beweis von 4.4.11 genau dann, wenn xn ≡ b (mod p)losbar in Z ist, und eben dies war zu zeigen.

100 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

4.5 Quadratische Reste

In diesem Abschnitt werden wir uns um die quadratischen Reste mo-dulo einer Zahl m kummern. Zuerst werden wir zeigen, dass es genugt,die quadratischen Reste modulo einer ungeraden Primzahl p zu unter-suchen. Dann fuhren wir das Legendre-Symbol ein, das angibt, ob eineZahl ein quadratischer Rest ist oder nicht. Wir werden dann verschiede-ne Resultate uber das Legendre-Symbol und seine Verallgemeinerung,das Jacobi-Symbol, beweisen. Das erlaubt es uns zum Schluss, dieseSymbole effizient zu berechnen. Wir wenden diese Theorie an um dieLosbarkeit von quadratischen Kongruenzgleichungen zu untersuchen.

Definition 4.5.1. Sei b ∈ Z teilerfremd zu m ∈ N. Dann heißt b genaudann quadratischer Rest modulo m, wenn x2 ≡ b (mod m) losbar inZ ist.

4.5.2. Beachte, dass es sich hierbei um den Spezialfall n = 2 der im vor-angegangenen Abschnitte untersuchten Potenzreste handelt. Mit Hilfeder Primfaktorisierung m = pν11 · · · pνrr versuchen wir nun, die Frage derLosbarkeit auf Primzahlmoduln zuruckzufuhren. Nach dem chinesischenRestsatz 4.1.8 gilt hierbei:

Z/mZ ≡ Z/pν11 Z× · · · × Z/pνrr Z.

Somit ist b genau dann ein quadratischer Rest (oder allgemeiner einn-ter Potenzrest) modulo m, wenn es ebenfalls ein quadratischer Rest(bzw. n-ter Potenzrest) modulo pνjj fur alle j = 1, . . . , r ist.

Satz 4.5.3. Sei p eine ungerade Primzahl, d ∈ N und b teilerfremd zup. Dann gilt:

i) b ist genau dann quadratischer Rest modulo p, wenn bp−12 ≡ 1

(mod p) ist.

ii) Die quadratischen Restklassen bilden eine Untergruppe vom Index2 in (Z/pZ)∗, d.h. es gibt sowohl p−1

2 quadratische als auch ebensoviele nicht quadratische Restklassen in (Z/pZ)∗.

4.5. QUADRATISCHE RESTE 101

iii) b ist genau dann ein quadratischer Rest modulo pd, wenn b einquadratischer Rest modulo p ist.

Es sei an dieser Stelle insbesondere angemerkt, dass es nach diesem Satzund 4.5.2 genugt, quadratische Reste modulo Primzahlen zu betrachten.

Beweis: i) Folgt unmittelbar aus dem Fall n = 2 in Satz 4.4.11.

ii) Wir betrachten die Abbildung

ϕ : (Z/pZ)∗ → (Z/pZ)∗, [b] 7→ [b]p−12 .

Wegen der Potenzgesetze handelt es sich hierbei um einen Grup-penhomomorphismus. Weil nach dem kleinen Satz von Fermat4.2.7 [b]p−1 = [1] gilt, muss jedes Element [c] aus dem Bild von ϕdie Gleichung [c]2 = [1] erfullen. Damit ist aber [c] ∈ {[1], [−1]},da das Polynom x2− [1] maximal zwei Losungen im Korper Z/pZhat (vergleiche hierzu auch 4.4.8). Damit gilt insbesondere schoneinmal Bild(ϕ) ⊆ {[1], [−1]}.Die Gleichheit erhalten wir durch einige einfache Uberlegungen.Wir wissen, dass [1] = ϕ([1]) gilt und damit im Bild liegt. Wei-ter sei angenommen, dass [−1] /∈ Bild(ϕ) erfullt ist. Damit hattexp−12 − [1] mindestens p−1 Nullstellen, namlich alle Elemente aus

(Z/pZ)∗. Dies widerspricht aber Satz 4.4.8, womit also insgesamtBild(ϕ) = {[1], [−1]} gilt.Nach (i) ist ker(ϕ) gleich der Menge der quadratischen Reste. Be-achte, dass der Kern insbesondere eine Untergruppe ist. Es bleibtzu zeigen, dass

[(Z/pZ)∗ : ker(ϕ)] = ord((Z/pZ)∗/ ker(ϕ)) = 2.

An dieser Stelle hilft uns der Homomorphiesatz 3.2.7 weiter. Hier-nach gilt:

(Z/pZ)∗/ ker(ϕ) ∼= Bild(ϕ) = {[1], [−1]}

Da dies aber die Ordnung 2 hat, folgt unmittelbar die Behaup-tung.

102 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

iii) Folgt aus Satz 4.4.12 mit n = 2

Definition 4.5.4. Sei p eine ungerade Primzahl und b ∈ Z. Wir defi-nieren das Legendre-Symbol durch folgende Vorschriften: Falls p keinTeiler von b ist, dann definieren wir(

b

p

)=

{+1 falls b ein quadratischer Rest modulo p,−1 falls b kein quadratischer Rest modulo p.

Wenn p|b, dann definieren wir(bp

)= 0.

4.5.5. Das Legendre-Symbol hangt nur von der Restklasse [b] ∈ Z/pZab. Es gilt hierbei insbesondere das Eulersche Kriterium:(

b

p

)≡ b

p−12 (mod p)

Seine Gultigkeit weisen wir im Folgenden nach.

Beweis: Wir haben im Beweis von 4.5.3 gesehen, dass [b] 7→ [b]p−12 ein

Gruppenhomomorphismus von (Z/pZ)∗ auf {[1], [−1]}, dessen Kern dieMenge der quadratischen Reste ist. Dies zeigt unmittelbar die Behaup-tung.

Korollar 4.5.6. Fur das Legendre-Symbol gilt mit b, c ∈ Z und einerungeraden Primzahl p: (

bc

p

)=(b

p

)(c

p

)Beweis: Die Behauptung folgt aus dem Eulerschen Kriterium und sei-nem Beweis.

Wir haben an dieser Stelle nun die Grundlagen gegeben. Im Folgendenwerden wir diese ausnutzen, um die Legendre-Symbole zu berechnen.

Satz 4.5.7 (Erster Erganzungssatz). Sei p eine ungerade Primzahl.Dann gilt (−1

p ) = (−1)p−12 , d.h. −1 ist genau dann quadratischer Rest,

wenn p ≡ 1 (mod 4).

4.5. QUADRATISCHE RESTE 103

Beweis: Nach dem Eulerschen Kriterium wissen wir, dass

(−1p

) ≡ (−1)p−12 (mod p)

erfullt ist. Hierbei sind sowohl (−1p ) als auch (−1)

p−12 in {−1, 1} und

gleich modulo p. Da aber nun [−1] 6= [1], folgt schon unmittelbar, dass(−1p ) = (−1)

p−12 . Es gilt:

(−1)p−12 = 1⇔ p− 1

2gerade⇔ ∃m ∈ Z mit

p− 12

= 2m

und letzteres ist aquivalent zu p ≡ 1 (mod 4).

4.5.8 (Gaußsches Kriterium). Sei p eine ungerade Primzahl und keinTeiler von a ∈ Z. Weiterhin definieren wir :

S := {[1], . . . , [p− 1

2]} ⊆ (Z/pZ)∗ und µ := |(−S) ∩ (S · [a])|.

Dann gilt (ap ) = (−1)µ.

Beweis: Beachte zuerst, dass S ∪ (−S) eine disjunkte Zerlegung von(Z/pZ)∗ liefert, da aus der Definition unmittelbar folgt:

−S = {[−1], . . . , [−p− 12

]}′′+p′′= {[p− 1], . . . , [

p+ 12

]}

Fur [k] ∈ S gibt es nun genau ein [mk] ∈ S mit

[a · k] ∈ {−[mk], [mk]} (4.8)

Beachte, dass hier µ die Anzahl der [k] ∈ S ist, die ein Minus in (4.8)liefern. Fur [k], [l] ∈ S sei nun [mk] = [ml]. Wir behaupten, dass dann[k] = [l] gilt. Fur den Nachweis unterscheiden wir im Folgenden zweiFalle:Im ersten Fall sei [a·k] = [a·l]. Da nach Voraussetzung p 6 |a ist, erhaltenwir [a] ∈ (Z/pZ)∗ und somit

[a] · [k] = [a · k] = [a · l] = [a] · [l] ·[a]−1

⇒ [k] = [l]

104 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

Im zweiten Fall sei nun [a · k] = −[a · l]. Analog zu oben folgt damitalso [k] = [−l]. Da [k] ∈ S und −[1] ∈ −S ist, widerspricht dies aberS ∩ (−S) = ∅.Aus diesem Zwischenschritt konnen wir nun folgern, dass die Abbil-dung S → S, gegeben durch [k] 7→ [mk], bijektiv ist. Also gilt S ={[m1], . . . , [m p−1

2]}. Multiplizieren wir nun alle Identitaten [a · k] =

±[mk] aus (4.8), so erhalten wir

[a]p−12 [

p− 12

!] =∏k∈S

[a · k] =∏k∈S±[mk] = (−1)µ[

p− 12

!].

Durch Kurzen erhalten wir [a]p−12 = (−1)µ und die Behauptung folgt

mit dem Eulerschen Kriterium 4.5.5.

Satz 4.5.9 (Zweiter Erganzungssatz). Sei p eine ungerade Primzahl,

so ist(

2p

)= (−1)

p2−18 , d.h. 2 ist genau dann ein quadratischer Rest

modulo p, wenn p ≡ ±1 (mod 8) erfullt ist.

Beweis: Die Behauptung folgt aus der Anwendung des Gaußschen Kri-teriums und der Fallunterscheidung p ≡ 1,−1, 3,−3 (mod 8). Die Aus-formulierung verbleibt zur Ubung.

Theorem 4.5.10 (Quadratisches Reziprozitatsgesetz). Seien p und qzwei voneinander verschiedene ungerade Primzahlen. Dann gilt(

p

q

)= (−1)

p−12· q−1

2

(q

p

).

Beweis: Der Beweis ist an dieser Stelle leider zu umfangreich. Siehehierzu [4], 4.4.

Definition 4.5.11. Sei a ∈ Z und b eine ungerade naturliche Zahl.Wir benutzen die Primfaktorzerlegung b = pν11 · · · pνrr in verschiedenePrimzahlen pi. Dann definieren wir das Jacobi-Symbol durch(a

b

):=(a

p1

)ν1· · ·(a

pr

)νr.

4.5. QUADRATISCHE RESTE 105

Beachte, dass fur den Fall, dass es sich bei b um eine Primzahl handelt,das Legendre- und das Jacobi-Symbol ubereinstimmen.

Proposition 4.5.12. Es gilt:

i)(ab

)hangt nur von der Restklasse von a modulo b ab.

ii)(a1·a2b

)=(a1b

)·(a2b

)iii)

(a

b1·b2

)=(ab1

)·(ab2

)iv)

(ab

)= 0⇔ ggT(a, b) 6= 1

Beweis: Die ersten beiden Punkt sind klar, da sie fur jedes Legendre-Symbol ( apj ) gelten. Zu zeigen bleiben noch die anderen beiden Punkte.Wir werden die Nachweise separat fuhren: Sei b1 = pνr1 · · · pνrr und b2 =qµ1

1 · · · qµss . Wir erhalten hier einfach:(

a

b1 · b2

)=(a

p1

)ν1· · ·(a

pr

)νr ( a

q1

)µ1

· · ·(a

qs

)µs=(a

b1

)·(a

b2

),

womit die Behauptung iii) gezeigt ist.Wir wissen, dass (ab ) = 0 genau dann erfullt ist, wenn es ein j ∈{1, . . . , r} gibt mit ( apj ) = 0. Dies ist aber genau dann erfullt, wennes ein j ∈ {1, . . . , r} mit pj |a gilt, was aquivalent ist zu ggT(a, b) 6= 1,womit die Behauptung iv) gezeigt ist.

Bemerkung 4.5.13. Die quadratischen Reste a ∈ Z modulo b mitggT(a, b) = 1 erfullen (ab ) = 1, da sie nach dem chinesischen Restsatzauch quadratische Reste modulo jedem pj sind (vgl. auch 4.5.2 und4.5.3(iii)).Der Leser sei an dieser Stelle gewarnt, dass wenn b keine Primzahl ist,dass dann die Umkehrung nicht gelten muss! In den Ubungen werdenwir sehen, dass es auch nicht quadratische Reste a modulo m gibt mit(ab ) = 1.

Lemma 4.5.14. Seien r1, . . . , rm jeweils ungerade. Damit gilt:

106 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

i) r1···rm−12 ≡

m∑i=1

ri−12 (mod 2)

ii) (r1···rm)2−18 ≡

m∑i=1

r2i−18 (mod 2)

Beweis: i) Zum Nachweis beachte zuerst, dass rj−12 ganz ist, da rj

nach Voraussetzung ungerade ist. Damit folgt nun:

(r1 − 1)(r2 − 1) ≡ 0 (mod 4)⇒ r1r2 ≡ r1 + r2 − 1 ≡ (r1 − 1) + (r2 − 1) + 1 (mod 4)⇒ r1r2 − 1 ≡ (r1 − 1) + (r2 − 1) (mod 4)

⇒ r1r2 − 12

≡ r1 − 12

+r2 − 1

2(mod 2)

Dies zeigt die Behauptung fur den Fall m = 2. Der allgemeine Fallfolgt leicht mittels vollstandiger Induktion.

ii) Beachte zunachst, dass fur eine ungerade Zahl r gilt, dass r2 ≡ 1(mod 8), da

r = 2n+ 1⇒ r2 = (2n+ 1)2 = 4n2 + 4n+ 1 = 4n(n+ 1) + 1

und entweder n oder n+ 1 gerade sein muss. Damit erhalten wirdurch einige einfache Umformungen:

r21 − 1 ≡ 0 ≡ r2

2 − 1 (mod 4)⇒ (r2

1 − 1)(r22 − 1) ≡ 0 (mod 16)

⇒ (r1r2)2 − r21 − r2

2 + 1 ≡ 0 (mod 16)⇒ (r1r2)2 − 1 ≡ (r2

1 − 1) + (r22 − 1) (mod 16)

⇒ (r1r2)2 − 18

≡ r21 − 1

8+r2

2 − 18

(mod 2)

Dies zeigt die Behauptung ii) fur n = 2. Der allgemeine Fall folgteinfach mittels Induktion.

4.5. QUADRATISCHE RESTE 107

Wir weisen die weiter oben fur das Legendre-Symbol erhaltenen Resul-tate nun auch fur das Jacobi-Symbol nach.

Satz 4.5.15 (Erster Erganzungssatz). Fur eine ungerade naturlicheZahl b gilt (

−1b

)= (−1)

b−12 .

Beweis: Sei b = p1 · · · pr die Primfaktorzerlegung in nicht notwendiger-weise verschiedene ungerade Primzahlen. Damit erhalten wir:(

−1p

)=

(−1p1

)· · ·(−1pr

)= (−1)

p1−12 · · · (−1)

pr−12

= (−1)

rPi=1

pi−1

2

= (−1)p1···pr−1

2

= (−1)b−12 ,

wobei wir im zweitletzten Schritt 4.5.14 verwendet haben.

Satz 4.5.16 (Zweiter Erganzungssatz). Fur eine ungerade naturlicheZahl b gilt (

2b

)= (−1)

b2−18 .

Beweis: Sei b = p1 · · · pr wie in 4.5.15. Dann gilt:(2b

)4.5.12=

(2p1

). . .

(2pr

)4.5.9= (−1)

p21−1

8 . . . (−1)p2r−1

8

= (−1)Pri=1

p2i−1

8

4.5.14= (−1)(p1...pr)

2−18

108 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

Theorem 4.5.17 (Quadratisches Reziprozitatsgesetz). Seien a, b ∈ Nungerade mit ggT(a, b) = 1. Dann gilt:(a

b

)( ba

)= (−1)

a−12· b−1

2

Beweis: Seien a = p1 · · · pr und b = q1 · · · qs gewahlt wie oben. Damitist insbesondere pj 6= qi, da a und b teilerfremd sind. Wir erhalten hier:(a

b

)( ba

)=

∏i,j

(qipj

)·∏i,j

(pjqi

)

=∏i,j

(qipj

)(pjqi

)4.5.10=

∏i,j

(−1)pj−1

2· qi−1

2

Im letzten Schritt haben wir insbesondere benutzt, dass(pq

)−1=(pq

)gilt, da die Werte fur

(pq

)aus {−1, 1} kommen. Wegen

∑i

∑j

qi − 12· pj − 1

2= (

∑i

qi − 12

)(∑j

pj − 12

)

4.5.14≡ q1 . . . qs − 12

· p1 . . . pr − 12

≡ a− 12· b− 1

2(mod 2)

folgt die Behauptung.

4.5.18. Wir werden nun einen Algorithmus zur Berechnung des Jacobi-Symbols angeben. Seien hierzu a ∈ Z und b ∈ N, wobei b ungerade ist.Explizit ist es hier das Ziel,

(ab

)zu berechnen. Wir gehen dazu in vier

Schritten vor.Im ersten Schritt fuhren wir eine Division mit Rest durch, d.h. wirerhalten

a = qb+ r mit 0 ≤ r < b

4.5. QUADRATISCHE RESTE 109

Aus 4.5.12 erhalten wir damit(ab

)=(rb

), wir konnen also im Folgenden

oBdA 0 ≤ a < r annehmen.Im zweiten Schritt betrachten wir den Fall, dass b

2 < a gilt. Ist dieserfullt, so erhalten wir mit 4.5.12 und 4.5.15:(a

b

)=

(a− bb

)=

(−1b

)(b− ab

)= (−1)

b−12

(b− ab

)womit wir im Folgenden ebenso oBdA a ≤ b

2 annehmen konnen.Fur den dritten Schritt sei a gerade angenommen, also a = 2ka′ mit2 6 |a′. Mit dem zweiten Erganzungssatz 4.5.16 erhalten wir:(a

b

)=(

2b

)k (a′b

)= (−1)k

b2−18

(a′

b

)Damit konnen wir zu der obigen Bedingung zusatzlich noch a als unge-rade annehmen.Im vierten und letzten Schritt berechnen wir(a

b

)= (−1)

a−12· b−1

2

(b

a

).

Dies stimmt auch falls a und b nicht teilerfremd sind, weil dann 0 = 0gilt. Jetzt beginnen wieder mit dem ersten Schritt. Das Verfahren brichtmit a = 0 oder a = 1 ab. Dies folgt daraus, dass nach dem viertenSchritt das neue b kleiner als b

2 ist, es allerdings in den anderen Schrittenkonstant bleibt, wahrend a ≤ b und spater auch a < b

2 gilt.

Beispiel 4.5.19. Es stellt sich nun die Frage, ob

x2 + 5x ≡ 37 (mod 41)

in Z losbar ist? Da [2] ∈ (Z/41Z)∗, konnen wir [5][2] berechnen. Wir

erhalten hier:[5][2]

=[46][2]

= [23].

110 KAPITEL 4. ARITHMETIK MODULO N

Also ist die Kongruenzgleichung aquivalent zu

x2 + 2 · 23x ≡ 37 (mod 41)⇔ (x+ 23)2 ≡ 232 + 37 ≡ 33 (mod 41)

Somit ist die Kongruenzgleichung genau dann losbar, wenn 33 ein qua-dratischer Rest modulo 41 ist. Da es sich bei 41 aber um eine Primzahlhandelt, ist dies aquivalent dazu, dass das Legendre-Symbol

(3341

)gleich

+1 ist. Mit dem in 4.5.18 gegebenen Algorithmus berechnet man leicht:(3341

)= (−1)

41−12

(841

)=(

841

)= (−1)3· 41

2−18 = (−1)

92−18 = +1,

woraus sich die Losbarkeit der ursprunglichen Kongruenzgleichung x2 +5x ≡ 37 (mod 41) ablesen lasst. Bedauerlicherweise gibt dieses Verfah-ren uber das Finden der Losungen keine Auskunft.

Kapitel 5

Korper

5.1 Polynome

Ziel dieses Abschnitts wird es sein, die Ringtheorie auf den PolynomringK[x] anzuwenden, wobei K ein Korper sein soll. Wir werden sehen,welche Resultate uns dies liefert.

Proposition 5.1.1. Ist K ein Korper, so gilt:

i) K[x] ist ein Integritatsbereich.

ii) K[x]∗ = K∗

Beweis: Wir weisen die beiden Punkte separat nach:

i) Nach 3.4.4 gilt die Gradformel

grad(p(x)q(x)) = grad(p(x)) + grad(q(x)) (5.1)

Gilt p(x)q(x) = 0, so ist grad(p(x)q(x)) = −∞. Damit ist

grad(p(x)) = −∞ oder grad(q(x)) = −∞

erfullt und somit p(x) = 0 oder aber q(x) = 0, womit (i) gezeigtist.

111

112 KAPITEL 5. KORPER

ii) Falls p(x) ∈ K[x]∗, so gibt es ein q(x) ∈ K[x] mit p(x)q(x) = 1.Zusammen mit (5.1) erhalten wir hieraus

0 = grad(p(x) · q(x)) = grad(p(x)) + grad(q(x))⇔ grad(p(x)) = − grad(q(x))⇔ grad(p(x)) = grad(q(x)) = 0⇔ p(x) ∈ K∗

Also sind alle p(x) ∈ K[x]∗ auch aus K∗ und umgekehrt, womitdie Behauptung folgt.

Proposition 5.1.2 (Division mit Rest). Seien a(x), b(x) ∈ K[x] undb(x) 6= 0. Dann gibt es eindeutig festgelegte q(x), r(x) ∈ K[x] mit

a(x) = q(x)b(x) + r(x), wobei grad(r(x)) < grad(b(x))

Beweis: Der Beweis fuhrt uber den Divisionsalgorithmus aus der Schuleund kann an dieser Stelle als bekannt vorausgesetzt werden.

Als Folgerung hieraus erhalten wir das unten stehende Korollar, welcheses uns ermoglicht, Nullstellen von Polynomen abzuspalten.

Korollar 5.1.3. Sei α eine Nullstelle von p(x) ∈ K[x] in K, d.h.p(α) = 0. Dann gibt es genau ein q(x) ∈ K[x] mit p(x) = (x− α)q(x).

Beweis: Wir fuhren die Division mit Rest fur

a(x) := p(x) und b(x) := x− α

durch und erhalten damit eindeutig festgelegte q(x), r(x) ∈ K[x] mitp(x) = q(x)(x−α) + r(x) und grad(r(x)) < 1. Damit ist r(x) = β ∈ K.Wir setzen nun α ein und erhalten

0 = p(α) = q(α)(α− α) + β = β

Damit ist p(x) = q(x)(x− α) + 0 und die Behauptung ist gezeigt.

5.1. POLYNOME 113

Korollar 5.1.4. Sei p(x) ∈ K[x]\{0} vom Grad n. Dann hat p(x)maximal n verschiedene Nullstellen.

Beweis: Der Beweis folgt mit vollstandiger Induktion und nach 5.1.3.Nach oben ist

p(x) = q(x)(x− α)⇒ grad(p(x)) = grad(q(x)) + 1⇒ grad(q(x)) = grad(p(x))− 1,

Hieraus folgt unmittelbar die Behauptung. Dies hatten wir schon inSatz 4.4.8 eingesehen.

5.1.5. p(x) ist nach dem Vorangegangenen also genau dann irreduzibel,wenn grad(p(x)) ≥ 1 gilt und falls aus p(x) = p1(x)p2(x) ∈ K[x] folgt,dass p1(x) ∈ K oder p2(x) ∈ K.

Satz 5.1.6. Sei p(x) ∈ K[x]\K und n := grad(p(x)) erfullt. Sei weiter-hin p(x) = anx

n+ · · ·+a1x1 +a0, wobei an der fuhrende Koeffizient

heißt.Dann gibt es verschiedene irreduzible Polynome q1(x), . . . , qr(x) mitfuhrenden Koeffizienten gleich 1 so, dass

p(x) = an · q1(x)ν1 · · · qr(x)νr

fur geeignete ν1, . . . , νr ∈ N gilt. Diese Faktorisierung in irreduzibleElemente ist bis auf Vertauschung eindeutig.

Beweis: Nach 5.1.2 ist K[x] ein euklidischer Ring und somit nach 3.4.9insbesondere ein Hauptidealbereich. Nach 3.4.11 ist er damit aber auchfaktoriell und eben dies war zu zeigen.

5.1.7. Falls in der Primfaktorisierung von 5.1.6 alle qi(x) den Grad1 haben, so sagen wir, dass p(x) in ein Produkt von Linearfaktorenzerfallt. Damit hat qi(x) die Form qi(x) = x − αi fur ein αi ∈ K,womit αi insbesondere eine Nullstelle von p(x) ist. νj heißt dann dieMultiplizitat der Nullstelle αj .

114 KAPITEL 5. KORPER

Proposition 5.1.8. Zerfallt p(x) in ein Produkt von Linearfaktoren, sohat p(x) genau grad(p(x)) viele mit Multiplizitaten gezahlte Nullstellen.

Beweis: Nach Voraussetzung gilt, dass p(x) = an(x−α1)ν1 · · · (x−αr)νr .Fur paarweise verschiedene α1, . . . , αr ∈ K ist somit

grad(p(x)) = ν1 + · · ·+ νr

Wir mussen nun noch zeigen, dass es außer α1, . . . , αr keine weiterenNullstellen gibt. Sei hierfur angenommen, dass es noch ein weiteres α ∈K[x] gibt mit p(α) = 0. Hiermit erhalten wir:

0 = p(α) = an(α− α1)ν1 · · · (α− αr)νr ⇒ ∃j : α− αj = 0⇒ α = αj

Damit ist α ∈ {α1, . . . , αr} und wir sind an dieser Stelle fertig.

Proposition 5.1.9. p(x) ∈ K[x] ist genau dann irreduzibel, wennK[x]/ < p(x) > ein Korper ist.

Beweis: Nach 3.3.7 ist p(x) genau dann irreduzibel, wenn < p(x) >ein Primideal ungleich Null ist. Dies ist aber nach 3.3.10 genau dannerfullt, wenn < p(x) > ein Maximalideal ist. Zusammen mit 3.2.12 istdies aquivalent dazu, dass es sich bei K[x]/ < p(x) > um einen Korperhandelt.

Hilfssatz 5.1.10. Sei ϕ : R1 → R2 ein Ringhomomorphismus und R2

ein Integritatsbereich. Dann ist ker(ϕ) ein Primideal.

Beweis: Aus der Ringtheorie wissen wir, dass ker(ϕ) ein Ideal ist. Dain einem Integritatsbereich ϕ(1) = 1 6= 0 gilt, ist damit insbesondereker(ϕ) 6= R1. Es bleibt also nur noch zu zeigen, dass aus a · b ∈ ker(ϕ)folgt, dass dann auch a oder b in ker(ϕ) liegen.Aus ab ∈ ker(ϕ) erhalten wir 0 = ϕ(ab) = ϕ(a) · ϕ(b). Da R2 einIntegritatsbereich ist, erhalten wir hier, dass ϕ(a) = 0 oder aber ϕ(b) =0. D.h. insbesondere a ∈ ker(ϕ) oder b ∈ ker(ϕ) und eben dies war zuzeigen.

5.2. KORPERERWEITERUNGEN 115

5.2 Korpererweiterungen

Auch in diesem Abschnitt bezeichnet K einen Korper. Fur das weite-re Verstandnis der Vorlesung ist der Begriff der Korpererweiterung un-erlasslich. Oft ist man mit den Eigenschaften des Grundkorpers K nichtzufrieden und man geht zu einem grosseren Korper uber, der bessereEigenschaften hat. Im Laufe der Ausbildung hat man diesen Prozessbeim Ubergang von Q zu R gesehen. Da kann man dann Wurzeln auspositiven Zahlen ziehen und jede Caucyfolge konvergiert. Spater hatman dann auch noch die Korpererweiterung C kennengelernt, uber dernach dem Fundamentalsatz der Algebra jedes Polynom in Linearfakto-ren zerfallt. In diesem Abschnitt werden wir Korpererweiterung von Kganz abstrakt behandeln.

Definition 5.2.1. Eine Korpererweiterung L/K ist ein Korper L ⊇K so, dass die Addition und die Multiplikation auf K ubereinstimmen.L heißt dann der Oberkorper von K und K ist ein Teilkorper vonL.Beachte, dass L/K nichts mit einem Faktorring oder einem Quotientenzu tun hat, sondern eben nur Notation ist.

5.2.2. Sei L/K eine Korpererweiterung. Dann ist L ein K-Vektorraummit der Addition von L und der skalaren Multiplikation, die durch dieEinschrankung der Multiplikation auf L gegeben ist und damit definiertdurch:

K × L→ L, (α, β) 7→ α · β

Weiter ist der Grad von L/K definiert als die Dimension von L alsK-Vektorraum und wird mit

[L : K] := dimK(L)

bezeichnet. Beachte, dass es insbesondere sein kann, dass die Dimensiongleich ∞ ist.

Beispiel 5.2.3. Wir beginnen an dieser Stelle mit einem einfachen Bei-spiel. Hiernach ist R eine Korpererweiterung von Q. Insbesondere gilt,dass [R : Q] =∞ erfullt ist. Dies gilt es nachzuweisen.

116 KAPITEL 5. KORPER

Beweis: Wir wissen, dass Q abzahlbar ist und damit nach dem kan-torschen Diagonalargument auch Qn. Falls [R : Q] = n < ∞ ware, soware insbesondere R ∼= Qn als ein Q-Vektorraum. Damit ware R aberabzahlbar und eben dies ist ein Widerspruch.

Beispiel 5.2.4. C ist eine Korpererweiterung von R. Hierbei gilt [C :R] = 2, da 1 und i eine R-Basis von C bilden.

Bemerkung 5.2.5. Nach Satz 4.2.2 ist Z/mZ genau dann ein Korper,wenn m eine Primzahl ist. Im nachsten Satz werden wir sehen, dassdiese Korper zusammen mit Q die minimalen Korper bilden.

Satz 5.2.6. Jeder Korper K hat einen eindeutig bestimmten kleinstenTeilkorper K0. Er ist entweder isomorph zu Q oder aber zu Z/pZ furgenau eine Primzahl p.

Beweis: Wir betrachten die Abbildung

ϕ : Z→ K, ϕ(n) =

1 + · · ·+ 1︸ ︷︷ ︸n-mal

falls n ∈ N

0 falls n = 0− (1 + · · ·+ 1)︸ ︷︷ ︸

|n|-mal

falls − n ∈ N

Man zeigt zunachst einfach, dass es sich bei ϕ um einen Ringhomo-morphismus handelt. Weiter ist nach Hilfssatz 5.1.10 der Kern von ϕein Primideal. Da es sich bei Z um einen Hauptarbeitsbereich handelt,gibt es ein m ∈ Z mit ker(ϕ) = m. Nach 3.3.7 wissen wir aber, dassentweder m = 0 oder aber m prim ist. Weiter durfen wir annehmen,dass m ≥ 0 erfullt ist. Die beiden oben genannten Falle wollen wir nunim Folgenden unterscheiden:

1. Fall: Sei zunachst angenommen, dass m = 0 erfullt ist. Damit istker(ϕ) =< 0 >= {0} und somit ϕ injektiv. Wir identifizierennun Z mit ϕ(Z) ⊆ K. Weil der Quotientenkorper Q von Z derkleinste Korper ist, der Z enthalt, ist damit aber auch Q ⊆ Kerfullt, da insbesondere Z ⊆ K gilt. Damit gibt es einen kleinstenTeilkorper in K, der insbesondere isomorph zu Q ist.

5.2. KORPERERWEITERUNGEN 117

1. Fall Ist m = p eine Primzahl, so wissen wir nach dem Homomorphie-satz 3.2.7, dass

Z/ ker(ϕ)→ϕ(Z) ⊆ Kgilt. Da nun ker(ϕ) = Z · p gilt, ist nach 5.2.5 aber K0 := ϕ(Z)ein Korper. Insbesondere handelt es sich hierbei zudem um denkleinsten Teilkorper, denn er wird aus 1 konstruiert.

Wir mussen jetzt nur noch zeigen, dass K0 nur zu einem der KorperQ,Z/2Z,Z/3Z,Z/5Z, ... isomorph sein kann. Dies ergibt sich allerdingseinfach, indem wir annehmen, dass K0 isomorph zu zwei verschiedenendieser Korper ist. Ware dies aber erfullt, so musste sich die Ordnungdieser beiden Korper aber entsprechen, was allerdings unmoglich ist,womit wir einen Widerspruch haben. Insgesamt folgt die Behauptung.

5.2.7. In der obigen Notation definieren wir die Charakteristik einesKorpers K durch:

char(K) :=

{0, falls K0

∼= Qp, falls K0

∼= Z/pZ

Proposition 5.2.8 (Gradformel). Seien K ⊆ L ⊆ M Korpererweite-rungen, so gilt

[M : K] = [M : L][L : K]

Beweis: Seien β1, . . . , βl K-linear unabhangige Elemente aus L undebenso γ1, . . . , γm L-linear unabhangige Elemente aus M . Wir zeigen,dass (βiγi) 1≤i≤l

1≤j≤mK-linear unabhangig in M sind. Seien hierzu λij ∈ K

mitl∑

i=1

m∑j=1

λijβiγj = 0

Zu zeigen ist hier nun, dass alle λij = 0 sind. Aus Obigem erhalten wir:

0 =m∑j=1

(l∑

i=1

λijβi)︸ ︷︷ ︸∈L

γj

118 KAPITEL 5. KORPER

Da die γj L-linear unabhangig sind, folgt weiter:

l∑i=1

λij︸︷︷︸∈K

βi = 0 ∀j = 1, . . . ,m

Da die βi K-linear unabhangig sind, ist damit analog zum oberen Schrittaber auch λij = 0 fur alle i, j gegeben. Wir fuhren nun eine Fallunter-scheidung durch.Fur den ersten Fall sei angenommen, dass [L : K] =∞. Ist dies erfullt,so konnen wir mit dem obigen Argument l beliebig großwahlen und dadann [M : K] ≥ l ·m gilt, folgt unmittelbar [M : K] = ∞ und damiteben [M : K] =∞ = [M : L][L : K]Im zweiten Fall sei [M : L] =∞. Hier folgt die Gradformel analog zumersten Fall.Im dritten Fall nun nehmen wir [L : K] < ∞ und [M : L] < ∞ an.Dann wahlen wir im einleitenden Argument β1, . . . , βl bzw. γ1, . . . , γmals Basen. Damit ist (βiγj) 1≤i≤l

1≤j≤mK-linear unabhangig. Wir wollen zei-

gen, dass diese Familie auch ein K-Erzeugendensystem in M ist. Dieserhalten wir wie folgt. Sei α ∈ M . Damit gibt es µj ∈ L so, dass

α =m∑j=1

µjγj gilt. Dies ist erfullt, da (γ1, . . . , γm) eine L-Basis von M

ist. Da β1, . . . , βl eine K-Basis von L, gibt es ρij ∈ K mit µj =l∑

i=1ρijβi.

Einfaches Einsetzen liefert nun:

α =m∑j=1

(l∑

i=1

ρijβi)γj =l∑

i=1

m∑j=1

ρijβiγj

Damit ist (βiγj) 1≤i≤l1≤j≤m

K-erzeugend und somit sogar eine K-Basis von

M . Es folgt unmittelbar:

[M : K] = l ·m = [L : K][M : L],

5.2. KORPERERWEITERUNGEN 119

Beispiel 5.2.9. Wir werden nun ein Verfahren kennenlernen, das haufigbenutzt wird, um Korpererweiterungen zu konstruieren. Man geht hier-bei von einem irreduziblen Polynom p(x) ∈ L[x] von Grad d aus. NachProposition 5.1.9 ist damit:

L := K[x]/ < p(x) >

ein Korper. Wir haben eine naturliche Abbildung gegeben durch

K → L, α 7→ [α]

Es ist sofort klar, dass dies ein Ringhomomorphismus ist. Er ist injektivwie jeder Ringhomomorphismus, der von einem Korper ausgeht injektiv(vgl. 3.2.10). Wir durfen somit K mit seinem Bild in L identifizieren,und erhalten so L als Korpererweiterung von K. Es gilt nun:

[L : K] = d

Diese letzte Aussage wird in den Ubungen wird gezeigt, in dem manpruft, dass [1], [x], . . . , [xd−1] eine K-Basis von L ist.

Beispiel 5.2.10. p(x) = x2+1 ist irreduzibel in R[x], denn sonst wurdeeine reelle Nullstelle existieren. Wir bilden wie in 5.2.9 die Korpererwei-terung L := R[x]/ < x2 + 1 > von R. In den Ubungen zeigen wir, dassL ∼= C gilt.

120 KAPITEL 5. KORPER

5.3 Algebraische Zahlen

Auch in diesem Abschnitt sei K ein Korper. Wir studieren hier dieNullstellen von nichttrivialen Polynomen mit Koeffizienten aus K. Sieheißen algebraische Zahlen uber K. Es sind genau diese Zahlen und dievon ihnen erzeugten Korpererweiterungen, die man mit den Methodender Algebra untersuchen kann.

5.3.1. Wir betrachten eine Korpererweiterung L/K. Dann heißt β ∈ Lgenau dann K-algebraisch, wenn es ein Polynom p(x) ∈ K[x]\{0}gibt so, dass p(β) = 0 gilt. Ist β ∈ L nicht K-algebraisch, so heißt βK-transzendent

Beispiel 5.3.2. i ∈ C ist R-algebraisch, denn es gilt p(i) = 0 fur p(x) :=x2 + 1. Da p(x) sogar in Q[x] liegt, ist i zudem Q-algebraisch. Beachte,dass man in diesem Fall Q weglaßt und einfach nur von algebraischenbzw. transzendenten Zahlen spricht.Weiter sind auch die Zahlen e und π transzendent. Der Beweis ist andieser Stelle allerdings zu umfangreich. Betrachte hierzu [4], §7.10.Fur alle m,n ∈ N ist insbesondere auch n

√m algebraisch uber Q, da es

sich hierbei um eine Nullstelle von xn −m handelt.

Lemma 5.3.3. Ist β ∈ L, so ist β genau dann K-algebraisch, wennder Einsetzhomomorphismus K[x] → L mit p(x) 7→ p(β) nicht injektivist.

Beweis: Der Einsetzhomomorphismus ist aufgrund der Definition derMultiplikation von Polynomen ein Ringhomomorphismus. Sein Kern be-steht aus allen Polynomen p(x) mit p(β) = 0. Damit ist β genau dannK-algebraisch, wenn sein Kern ungleich {0} ist. Dies ist aber genaudann erfullt, wenn der Einsetzhomomorphismus nicht injektiv ist.

5.3.4. Sei jetzt β ∈ L K-algebraisch. Dann gibt es p(x) ∈ K[x]\{0} vonminimalem Grad und fuhrendem Koeffizienten 1 so, dass p(β) = 0 gilt.Wir behaupten, dass das Polynom p(x) damit eindeutig bestimmt ist.Zum Nachweis sei hierzu ein weiteres Polynom q(x) mit den verlangten

5.3. ALGEBRAISCHE ZAHLEN 121

Eigenschaften gewahlt. Damit gilt:

p(x) = xd + ad−1xd−1 + · · ·+ ao

q(x) = xd + bd−1xd−1 + · · ·+ bo

Jeder dieser Ausdrucke hat β als Nullstelle, womit β insbesondere aucheine Nullstelle von

p(x)− q(x) = (ad−1 − bd−1)xd−1 + · · ·+ (a0 − b0).

ist. Da es sich aber bei d um den minimalen Grad handelt, folgt hieraus,dass p(x)− q(x) = 0, also insbesondere p(x) = q(x).

Definition 5.3.5. p(x) heißt das Minimalpolynom von β uber K.

Proposition 5.3.6. Sei β ∈ L K-algebraisch. Dann gilt:

i) Das Minimalpolynom von β uber K ist irreduzibel in K[x].

ii) Dieses Minimalpolynom teilt jedes f(x) ∈ K[x] mit f(β) = 0.

Beweis: Die Menge {f(x) ∈ K[x] | f(β) = 0} ist gleich dem Kern des in5.3.3 betrachteten Einsetzhomomorphismus. Nach 5.1.10 ist der Kernaber ein Primideal. Wir wissen aus dem Kapitel uber Ringe, dass K[x]ein Hauptidealbereich ist, womit es ein p(x) ∈ K[x] gibt mit

{f(x) ∈ K[x] | f(β) = 0} =< p(x) >

Habe nun oBdA p(x) den fuhrenden Koeffizienten 1. Da alle anderenf(x) mit f(β) = 0 Vielfache von p(x) sind, hat p(x) minimalen Gradund ist somit das Minimalpolynom von β uber K. Es folgt also (ii). Denersten Punkt erhalten wir, da < p(x) > ein Primideal ungleich {0} istund damit p(x) irreduzibel nach 3.3.7.

5.3.7. Fur beliebiges β ∈ L sei

K[β] := {p(β) | p(x) ∈ K[x]}.

Beachte, dass K[β] das Bild von K[x] unter dem Einsetzhomomorphis-mus ist, womit K[β] ein Teilring von L sein muss. Offensichtlich handeltes sich hierbei um den kleinsten Teilring, der K und β enthalt.

122 KAPITEL 5. KORPER

Proposition 5.3.8. K[β] ist genau dann ein Teilkorper von L, wennβ K-algebraisch ist.

Beweis: ”⇐” Sei β K-algebraisch. Nach dem Homomorphiesatz 3.2.7gilt, dassK[β] isomorph ist zuK[x] modulo dem Kern des Einsetz-homomorphismus. In 5.3.3 haben wir gesehen, dass dieser Kernvom Minimalpolynom p(x) von β erzeugt wird und dass p(x) ir-reduzibel ist. Nach 5.1.9 ist dann K[x]/ < p(x) > ein Korper unddamit auch das isomorphe K[β].

”⇒” Sei nun β K-transzendent. Wir mussen zeigen, dass dann K[β]kein Korper ist. Wie oben folgt dies aus dem Homomorphiesatz.Wir erhalten hier:

K[β] ∼= K[x]/”Kern des Einsetzhomomorphismus” 5.3.3= K[x]

Da K[x]∗ = K∗ gilt (siehe 5.1.1), kann K[x] kein Korper sein undsomit ist auch K[β] kein Korper.

Aus dem obigen Beweis konnen wir dieses interessante Korollar folgern.

Korollar 5.3.9. Sei β ∈ L K-algebraisch mit Minimalpolynom p(x)uber K. Dann gilt:

K[x]/ < p(x) >Einsetzhom.−→ K[β]

Bemerkung 5.3.10. Der Grad der Korpererweiterung K[β]/K in 5.3.9ist gleich dem Grad des Minimalpolynoms p(x). Dies folgt aus 5.2.9.

Beispiel 5.3.11. Sei m ∈ Z, wobei es sich bei m insbesondere um keineQuadratzahl handeln soll. Da

√m algebraisch ist, ist damit nach 5.3.8

auch Q[√m] ein Korper. Weiter hat β :=

√m das Minimalpolynom x2−

m, da sonst m ein Quadrat ware. Zusammen mit 5.3.10 folgt [Q[√m] :

Q] = 2

Proposition 5.3.12. β ∈ L ist genau dann K-algebraisch, wenn eseinen Zwischenkorper K ⊆ F ⊆ L mit β ∈ F und [F : K] <∞ gibt.

5.3. ALGEBRAISCHE ZAHLEN 123

Beweis: ”⇒” Bei F := K[β] handelt es sich nach 5.3.8 um einen Teil-korper von L mit β ∈ F . Da weiter [F : K] gleich dem Grad desMinimalpolynoms von β ist, folgt damit [F : K] <∞.

”⇐” Sei n := [F : K] < ∞. Dann sind 1, β, β2, . . . , βn K-linear un-abhangig, da die Dimension von L als K-Vektorraum gleich nist. Somit gibt es a0, . . . , an ∈ K, nicht alle 0, mit der linearenRelation

a0 + a1β + a2β2 + · · ·+ anβ

n = 0,

womit β K-algebraisch ist.

Satz 5.3.13. Ist L/K eine Korpererweiterung, so ist die Menge

{β ∈ L | β K − algebraisch}

ein Teilkorper von L, der K enthalt.

Beweis: Sei α ∈ K. Dann ist α eine Nullstelle von x − α und damitK-algebraisch. Somit enthalt die Menge M der K-algebraischen Zahlenin L den Korper K. Seien nun β, γ ∈ M . Nach dem Beweis von 5.3.12ist K[β] ein Teilkorper von L mit

[K[β] : K] <∞.

Da weiter γ K-algebraisch ist, ist damit auch γ K[β]-algebraisch. Folg-lich wissen wir wieder aus dem Beweis von 5.3.12, dass F := (K[β])[γ]ein Teilkorper von L mit [F : K[β]] <∞ ist. Nach der Gradformel giltdann auch [F : K] < ∞. Nach 5.3.12 gilt β ± γ, β · γ, β/γ ∈ M , wobeiletzteres nur Sinn macht fur γ 6= 0. Also ist M ein Teilkorper von L.

124 KAPITEL 5. KORPER

5.4 Zerfallungskorper

Das Ziel ist es hier, zu einem gegebenen Polynom p(x) mit Koeffizien-ten im Korper K eine Korpererweiterung zu finden, die alle Nullstellenvon p(x) enthalt. Zunachst verlangen wir, dass die Korpererweiterungminimal ist und erhalten so den Zerfallungskorper von p(x). Wenn wirdie Minimalitat fallen lassen und dafur verlangen, dass die Korperer-weiterung die Nullstellen jedes Polynoms in K[x] enthalt, kommen wirzu algebraisch abgeschlossenen Korpern wie zum Beispiel C.

Definition 5.4.1. Seien L/K und L′/K zwei Korpererweiterungen undϕ : L→ L′. Dann heißt ϕ ein K-Homomorphismus von Korperer-weiterungen, falls ϕ ein Korperhomomorphismus, also ein Ringhomo-morphismus zwischen Korpern, ist mit der Eigenschaft ϕ|K = idK .

Proposition 5.4.2. Seien p(x) ∈ K[x] und ϕ : L → L′ ein K-Homo-morphismus von Korpererweiterungen, dann gilt:

p(ϕ(β)) = ϕ(p(β))

fur alle β ∈ L. Insbesondere werden die Nullstellen von p(x) in L unterϕ in Nullstellen von p(x) in L′ abgebildet.

Beweis: Sei p(x) = anxn+an−1x

n−1 + · · ·+a0 mit ai ∈ K. Damit folgt:

ϕ(p(β)) = ϕ(anβn + an−1βn−1 + · · ·+ a0)

= ϕ(an)ϕ(β)n + ϕ(an−1)ϕ(β)n−1 + · · ·+ ϕ(a0)ϕ|K=id

= anϕ(β)n + an−1ϕ(β)n−1 + · · ·+ a0

= p(ϕ(β))

5.4.3. Sei p(x) ∈ K[x]\{0}. Wir suchen eine Korpererweiterung, diegrad(p(x)) mit Multiplizitaten gezahlte Nullstellen von p(x) enthalt. Inanderen Worten ist dies eine Korpererweiterung L/K so, dass p(x) inL[x] in Linearfaktoren zerfallt. Dazu wollen wir in einem ersten Schritteine Korpererweiterung L/K konstruieren, die uberhaupt eine Nullstelle

5.4. ZERFALLUNGSKORPER 125

von p(x) enthalt. Nach dem Faktorisierungssatz in irreduzible Polynome5.1.6 durfen wir oBdA annehmen, dass p(x) irreduzibel ist. In diesemZusammenhang betrachten wir die folgende

Proposition 5.4.4. Sei p(x) ∈ K[x] irreduzibel. Dann gilt:

i) Es gibt eine Korpererweiterung L/K mit einer Nullstelle β vonp(x) in L so, dass L = K[β].

ii) Falls L′/K eine Korpererweiterung mit einer Nullstelle β′ ∈ L′

von p(x) ist, dann gibt es genau einen Korperhomomorphismusϕ : L→ L′ von Korpererweiterungen so, dass ϕ(β) = β′.

Beweis: Nach Beispiel 5.2.9 ist L := K[x]/ < p(x) > eine Korperer-weiterung von K. Setze nun β := [x]. Nach Definition gilt damit hierL = K[β]. Weiter erhalten wir:

p(β) = p([x]) = [p(x)] = [0].

Also ist β eine Nullstelle von p(x) in L, womit (i) folgt. Fur den Nach-weis von (ii) betrachten wir den folgenden Einsetzhomomorphismusbezuglich β′:

ϕ′ : K[x]→ L′, f(x) 7→ f(β′)

Wir wissen bereits, dass ϕ′ ein Ringhomomorphismus ist und es giltϕ′(x) = β′. Da β′ eine Nullstelle des irreduziblen Polynoms p(x) ∈ K[x]ist, muss p(x) das Minimalpolynom von β′ sein. Nach 5.3.9 erhalten wirdie Existenz von ϕ. Weiterhin folgt aus 5.4.2, dass ϕ durch das Bild vonβ bestimmt ist und damit eindeutig.

Satz 5.4.5. Sei p(x) ∈ K[x] vom Grad n ≥ 1. Dann gibt es eineKorpererweiterung L/K vom Grad [L : K] ≤ n! so, dass p(x) in einProdukt von Linearfaktoren aus L[x] zerfallt.

Beweis: Wir fuhren den Beweis mit Induktion nach n. Fur den Induk-tionsanfang erhalten wir fur n = 1:

p(x) = a1x+ a0 mit a1 6= 0,

126 KAPITEL 5. KORPER

womit −a0a1

eine Nullstelle von p(x) in K ist. Also genugt L = K denAnforderungen.Sei nun n > 1. Nach Proposition 5.4.4 wissen wir, dass es eine Korperer-weiterung L′/K gibt, die eine Nullstelle β von p(x) enthalt und fur dieL′ = K[β] gilt. Nach Bemerkung 5.3.10 ist [L′ : K] gleich dem Grad desMinimalpolynoms pmin(x) von β uber K. Da p(β) = 0 ist, folgt zusam-men mit Proposition 5.3.6, dass pmin(x)|p(x) gilt. Also haben wir:

[L′ : K] ≤ n. (5.2)

Wir spalten die Nullstelle von β von p(x) nach 5.1.3 ab, d.h. es gibtq(x) ∈ L′[x] vom Grad n− 1 so, dass

p(x) = (x− β)q(x) (5.3)

gilt. Nun wenden wir die Induktionsvoraussetzung fur q(x) ∈ L′[x] anund erhalten eine Korpererweiterung L/L′ und β1, . . . , βn−1 ∈ L so,dass

a(x) = an(x− β1) · · · (x− βn−1) (5.4)

erfullt ist. Weiter durfen wir annehmen, dass

[L : L′] ≤ (n− 1)! (5.5)

gilt. Setzen wir (5.4) in (5.3) ein, dann folgt schon, dass p(x) in Li-nearfaktoren aus L[x] zerfallt. Wenn wir nun (5.2) und (5.5) in derGradformel 5.2.8 benutzen, erhalten wir schlussendlich:

[L : K] = [L · L′][L′ : K] ≤ (n− 1)! · n = n!

5.4.6. Sei L/K eine Korpererweiterung und β1, . . . , βn ∈ L. Dann set-zen wir

K[β1, . . . , βn] := {p(β1, . . . , βn)|p ∈ K[x1, . . . , xn]}

Anders gesagt ist dies das Bild des Polynomrings K[x1, . . . , xn] unterdem Einsetzhomomorphismus bezuglich (β1, . . . , βn). Insbesondere istK[β1, . . . , βn] ein Teilring von L. Es handelt sich hierbei um den kleins-ten Teilring von L, der K und β1, . . . , βn enthalt. Fur n = 1 erhaltenwir den uns bereits bekannten Spezialfall K[β1].

5.4. ZERFALLUNGSKORPER 127

Definition 5.4.7. L heißt genau dann der Zerfallungskorper vonp(x) ∈ K[x], wenn L/K eine Korpererweiterung ist so, dass

p(x) = an(x− β1) · · · (x− βn)

mit geeigneten β1, . . . , βn ∈ L und L = K[β1, . . . , βn]. Man kann ins-besondere zeigen, dass der Zerfallungskorper bis auf K-Isomorphie vonKorpererweiterungen eindeutig ist. Wir verweisen dazu auf [4], Satz 6.8.

Definition 5.4.8. Ein Korper K heißt genau dann algebraisch abge-schlossen, wenn jedes nicht konstante Polynom aus K[x] mindestenseine Nullstelle in K hat.

Proposition 5.4.9. Es sei K ein algebraisch abgeschlossener Korper.Dann zerfallt jedes Polynom in K[x] vom Grad ≥ 1in ein Produkt vonLinearfaktoren aus K[x].

Beweis: Sei p(x) ∈ K[x] vom Grad n ≥ 1. Wir argumentieren mitInduktion nach n. Der Fall n = 1 ist trivial. Sei also n > 1. Da Kalgebraisch abgeschlossen ist, muss p(x) eine Nullstelle β ∈ K besitzen.Wir spalten sie nach 5.1.3 ab. Damit erhalten wir

p(x) = (x− β)q(x) (5.6)

fur ein Polynom q(x) ∈ K[x] vom Grad n− 1. Nach Induktionsvoraus-setzung gibt es β1, . . . , βn−1 ∈ K so, dass

q(x) = an(x− β1) · · · (x− βn−1) (5.7)

gilt. Wir setzen nun nur noch (5.7) in (5.6) ein und erhalten die Be-hauptung.

Satz 5.4.10 (Fundamentalsatz der Algebra). C ist algebraisch abge-schlossen.

Beweis: Sei p(x) ∈ C[x] vom Grad n ≥ 1 von der folgenden Form:

p(z) = anzn + an−1z

n−1 + · · ·+ a0. (5.8)

128 KAPITEL 5. KORPER

Zu zeigen ist, dass p(x) eine Nullstelle in C hat. Sei hierzu oBdA an = 1angenommen. Man zeigt einfach, dass fur alle a, b ∈ C die sogenanntelinke Seite der Dreiecksungleichung

|a| − |b| ≤ |a− b|

gilt. Wir wenden dies in (5.8) an und erhalten:

|p(z)| ≥ |z|n − |an−1zn−1 + · · ·+ a0|

≥ |z|n − |an−1| · |z|n−1 − · · · − |a0|≥ |z|n − |an−1|max(1, |z|)n−1 − |an−2|max(1, |z|)n−2

− . . .− |a0|≥ |z|n − |an−1|max(1, |z|)n−1 − |an−2|max(1, |z|)n−1

− · · · − |a0|max(1, z0|)n−1

= |z|n − (n−1∑j=0

|aj |) ·max(1, |z|)n−1

Wir nehmen jetzt an, dass |z| ≥ 1 +n−1∑j=0|aj | sei. Dann gilt max(1, |z|) =

|z| und aus der obigen Gleichungskette folgt somit weiter

|p(z)| ≥ |z|n−1(|z| −n−1∑j=0

|aj |) ≥ |z|n−1 |z|≥1= |z| (5.9)

Weil auch |z| ≥ a0 gilt, folgt damit:

|p(z)| ≥ |a0| (5.10)

Nun kummern wir uns um diejenigen z mit |z| ≤ 1 +n−1∑j=0|aj |. Aus der

Analysis ist bekannt, dass eine stetige reelle Funktion auf einem kom-pakten Raum ein Minimum hat. Wir wenden das an fur die Funktion|p(z)| auf dem kompakten Kreis

{z ∈ C | |z| ≤ 1 +n−1∑j=0

|aj |}

5.4. ZERFALLUNGSKORPER 129

Also hat |p(z)| ein Minimum fur |z| ≤ 1 +∑n−1

j=0 |aj | in einem Punkt z0.Aus

|p(z0)| ≤ |p(0)| = |a0|

und (5.10) folgt, dass z0 das Minimum von |p(z)| fur alle z ∈ C ist.Indem man zum Polynom p(z + z0) ubergeht, darf man annehmen,dass z0 = 0 ist. Also hat |p| oBdA das Minimum in 0. Wir mussen imFolgenden zeigen, dass |p(0)| = 0 ist. Dazu argumentieren wir indirektund nehmen an, dass

a0 = p(0) 6= 0 (5.11)

gilt. Es sei k ≥ 1 minimal gewahlt so, dass ak 6= 0 ist. Damit folgt:

p(x) = a0 + akxk + q(x)xk+1 (5.12)

fur ein geeignetes q(x) ∈ C[x]. Weil das Wurzelzeichen in C elementarist (mit Hilfe der Polardarstellung), gibt es ein w ∈ C mit

wk = −a0

ak(5.13)

Aufgrund der Stetigkeit von Polynomen folgt

limt→0

twk+1q(tw) = 0

Also existiert ein (genugend kleines) 0 < t < 1 mit

t|wk+1q(tw)| < |a0|(5.11)

6= 0 (5.14)

Aus

p(tw)(5.12)

= a0 + ak(tw)k + q(tw)(tw)k+1

(5.13)= a0(1− tk) + tk+1wk+1q(tw)

folgt zusammen mit der Dreiecksungleichung:

|p(tw)| ≤ |a0|(1− tk) + tk+1|w|k+1|q(tw)|(5.14)< |a0|(1− tk) + tk|a0|= |a0|,

130 KAPITEL 5. KORPER

womit insbesondere |p(tw)| < |a0| gilt. Da aber |p(0)| = |a0| ist, wider-spricht das der Voraussetzung, dass 0 das Minimum ist.

5.5. EISENSTEIN-IRREDUZIBILITATSKRITERIUM 131

5.5 Eisenstein-Irreduzibilitatskriterium

Es ist sehr schwierig zu sehen, ob ein Polynom irreduzibel ist oder nicht.Ziel dieses Abschnitts wird es sein, fur den Fall K = Q hierfur ein nutz-liches Kriterium zu finden. Wie es die Uberschrift bereits andeutet wirdes sich dabei um das Irreduzibilitatskriterium von Eisenstein handeln.

Definition 5.5.1. Sei f(x) ∈ Z[x]. Wir bezeichnen den großten ge-meinsamen Teiler der Koeffizienten von f(x) mit µ(f). In diesem Sinneheißt µ(f) der Inhalt von f .

Lemma 5.5.2 (Gauß-Lemma). Sind f(x), g(x) ∈ Z[x], so gilt:

µ(fg) = µ(f)µ(g)

Beweis: Indem wir f (bzw. g) durch f/µ(f) (bzw. g/µ(g)) ersetzen,konnen wir oBdA annehmen, dass µ(f) = µ(g) = 1. Zu zeigen istdementsprechend, dass dann auch µ(fg) = 1 erfullt ist.Sei hierzu p eine Primzahl. Wir konnen nun die Polynome mit Koeffi-zienten in Z reduzieren modulo p und erhalten eine Abbildung

Z[x]→ (Z/pZ), h(x) =n∑i=0

aixi 7→ [h](x) :=

n∑i=0

[ai]xi

Wegen den Rechenregeln fur Restklassen folgt hier sofort, dass dies einRinghomomorphismus ist. Weil wir nach oben µ(f) = 1 voraussetzenkonnen, wissen wir, dass p nicht alle Koeffizienten von f teilt. Damitist insbesondere [f ] 6= [0] und vollkommen analog hierzu auch [g] 6= [0].Hieraus folgt:

[fg] = [f ][g] 6= [0] in (Z/pZ)[x]

Somit gilt auch p 6 |µ(fg). Da nun p aber eine beliebige Primzahl war,erhalten wir µ(fg) = 1 und sind fertig.

5.5.3. Wir lernen nun ein wichtiges Verfahren fur den Umgang mit derIrreduzibilitat in Q[x] kennen. Sei hierzu f(x) ∈ Q[x]. Durch Multipli-kation mit dem Hauptnenner N der Koeffizienten von f(x) erhalten wirNf(x) ∈ Z[x]. Wir setzen nun

f ′(x) := Nf(x)/µ(Nf(x))

132 KAPITEL 5. KORPER

und erhalten ein Polynom f ′(x) ∈ Z[x] mit µ(f ′) = 1 und f ′(x) = αf(x)fur ein geeignetes α ∈ Q. Dieses Polynom ist bis auf das Vorzeicheneindeutig bestimmt durch f(x). Trivialerweise ist f(x) genau dann irre-duzibel in Q[x], wenn f ′(x) irreduzibel in Q[x] ist. Sei also im FolgendenoBdA f(x) ∈ Z[x] mit µ(f) = 1 angenommen.Behauptet wird an dieser Stelle, dass f(x) genau dann irreduzibel inZ[x] ist, wenn f(x) auch irreduzibel in Q[x] ist. Dies gilt es zu bewei-sen:

Beweis: ′′ ⇐′′ Ist f(x) ∈ Z[x] nicht irreduzibel, so ist f(x) insbeson-dere in der Form f(x) = g(x)h(x) mit g(x), h(x) ∈ Z[x]\Z[x]∗

darstellbar. Wegen 5.5.2 ist hiermit µ(g) = µ(h) = 1. Also gilt:

grad(h(x)) ≥ 1 und grad(g(x)) ≥ 1,

denn sonst ware das Polynom konstant ±1 und somit eine Einheitin Z[x]. Nach 5.1.5 ist f(x) nicht irreduzibel in Q[x].

”⇒” Sei jetzt f(x) nicht irreduzibel in Q[x] angenommen. Damit istf(x) = g(x)h(x) mit h(x), g(x) ∈ Q(x) jeweils vom Grad großeroder gleich 1 erfullt. Wie in 5.5.3 ersetzen wir g und h durch g′ undh′, womit wir wissen, dass es ein γ = a

b ∈ Q mit f(x) = γg′(x)h′(x)gibt. Damit ist

bf(x) = ag′(x)h′(x)

als Gleichung in Z[x]. Wegen µ(f) = µ(g′) = µ(h′) = 1 und demGauß-Lemma 5.5.2 folgt weiter

b = µ(bf(x)) = µ(ag′(x)h′(x)) = a

und somitf(x) = g′(x)µ′(x).

Damit ist f(x) nicht irreduzibel in Z[x], da Z[x]∗ = Z∗ = {−1, 1}erfullt ist. Letzteres sieht man daraus, dass Polynome vom Grad≥ 1 wegen der Gradformel nicht invertierbar sein konnen.

5.5. EISENSTEIN-IRREDUZIBILITATSKRITERIUM 133

Theorem 5.5.4 (Eisenstein-Kriterium). Seien f(x) = anxn+· · ·+a0 ∈

Z[x], p eine Primzahl mit p 6 |an, p|an−1, . . . , p|a0 so, dass p2 kein Teilervon a0 ist. Dann ist f(x) irreduzibel in Q[x]:

Beweis: Es kann sein, dass der Inhalt µ(f) von f verschieden von 1 ist.Die Voraussetzungen implizieren aber, dass p kein Teiler von µ(f) istund somit konnen wir f durch f/µ(f) ersetzen, ohne dass sich an denVoraussetzungen oder an der Irreduzibilitat etwas andert. Also konnenwir annehmen, dass µ(f) = 1 gilt.Wir fuhren den Beweis jetzt indirekt. Sei also f(x) als nicht irreduzibelin Q[x] angenommen. Nach 5.5.3 ist dann f(x) auch nicht irreduzibelin Z[x]. Damit gibt es g(x), h(x) ∈ Z[x] vom Grad ≥ 1 so, dass

f(x) = g(x)h(x). (5.15)

Wir reduzieren die Gleichung (5.15) modulo p wie in 5.5.2 und erhalten

[f ] = [g][h]. (5.16)

Nach den Voraussetzungen des Theorems gilt [f ] = [an]xn mit [an] 6= [0].Dabei ist x der einzige irreduzible Faktor von [f ]. Es folgt zusammenmit (5.16) und der eindeutigen Faktorisierung in irreduzible Polynome:

[g] = [bk]xk, [h] = [cl]xl.

Es gilt nun k 6= 0 und l 6= 0, denn ware z.B. k = 0, so wurde der hochsteKoeffizient von g(x) von p geteilt und damit auch der hochste Koeffizientvon f(x). Somit gilt nach (5.16) p|b0 und p|c0. Da aber a0 = b0c0, folgtp2|a0 im Widerspruch zu den Voraussetzungen.

134 KAPITEL 5. KORPER

Kapitel 6

Galois-Theorie

6.1 Normale Korpererweiterungen

Auch in diesem Abschnitt sei K ein Korper und L/K eine endlicheKorpererweiterung. Wir werden in diesem Abschnitt normale Korperer-weiterungen untersuchen und am Schluss zeigen, dass sie genau dieZerfallungskorper von Polynomen aus K[x] sind.

Definition 6.1.1. L/K heißt genau dann normal, falls gilt: Hat einirreduzibles Polynom in K[x] eine Nullstelle in L, so zerfallt es in einProdukt von Linearfaktoren aus L[x].

Lemma 6.1.2. Seien L1 und L2 endliche Korpererweiterungen von Kmit L1 = K[α1] und L2 = K[α2]. Falls α1 und α2 dasselbe Minimal-polynom in K[x] haben, dann gibt es genau einen K-Isomorphismusf : L1 → L2 mit f(α1) = α2.

Beweis: Sei p(x) das gemeinsame Minimalpolynom. Nach 5.3.9 gilt:

K[α1]ϕ1

←− K[x]/ < p(x) >ϕ2

−→ K[α2]

Dabei gilt ϕi([x]) = αi und somit erfullt f := ϕ2 ◦ϕ−11 das Gewunschte.

Weil ein Korperhomomorphismus (von K[α1] ausgehend) bestimmt istdurch das Bild des Generators α1, folgt die Eindeutigkeit.

135

136 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

Lemma 6.1.3. Sei f : L1 → L2 ein Korperhomomorphismus vonKorpererweiterungen uber K und p(x) ∈ K[x]. Dann werden die Null-stellen von p(x) in L1 injektiv in die Nullstellen von p(x) in L2 ab-gebildet. Ist L1 = L2, so werden die Nullstellen von p(x) in L1 = L2

permutiert.

Beweis: Den Beweis haben wir im vorangegangenen Kapitel bereits er-bracht. Siehe hierzu 5.4.2.

Proposition 6.1.4. L/K ist genau dann eine normale Korpererweite-rung, wenn L der Zerfallungskorper von f(x) ∈ K[x] ist.

Beweis: ”⇒” Falls L 6= K erfullt ist, so wahle α1 ∈ L\K. Setze dannL1 := K[α1]. Ist L 6= L1, so wahle α2 ∈ L\L1 und verfahre ebenauf diese Weise weiter. Da die Li alle Teilkorper von L sind (siehehierzu auch 5.3.8 und 5.3.1), ist damit:

1 < [L1 : K] < [L2 : K] < ...

Weil diese Zahlen aber durch [L : K] beschrankt sind, gibt esdamit zwangslaufig ein n ∈ N mit Ln = L. Damit ist dann L =K[α1, ..., αn].

Sei nun fj das Minimalpolynom von αj uber K und f = f1 · · · fn.Da L/K normal und fj irreduzibel mit Nullstelle αj ist, folgtweiter, dass fj in ein Produkt von Linearfaktoren aus L[x] zerfalltund somit ebenfalls f . Da L schon erzeugt wird von den Nullstellenα1, ..., αn, konnen wir weiter schließen, dass L der Zerfallungskor-per von f(x) ist.

”⇐” Sei nun L der Zerfallungskorper von f(x). Weiter sei p(x) ∈ K[x]irreduzibel mit Nullstelle α ∈ L. Um zu zeigen, dass L/K nor-mal ist, mussen wir nachweisen, dass p(x) in ein Produkt vonLinearfaktoren aus L[x] zerfallt. Hierzu benutzen wir Satz 5.4.5fur p(x) betrachtet als Polynom in L[x]. Demnach existiert derZerfallungskorper F von p(x), d.h. F ist eine Korpererweiterung

6.1. NORMALE KORPERERWEITERUNGEN 137

von L. Weiter hat hiernach F/L endlichen Grad. Sei nun β eineNullstelle von p(x) in F . Es ist zu zeigen, dass dann β ∈ L gilt.

Nach Lemma 6.1.2 gibt es nun einenK-Isomorphismus ϕ : K[α]→K[β] mit ϕ(α) = β. Seien γ1, . . . , γr die Nullstellen von f(x). DaL/K der Zerfallungskorper von f(x) ist, folgt L = K[γ1, . . . , γr].Also existiert ein Polynom q ∈ K[x1, . . . , xr] mit α = q(γ1, . . . , γr)und damit gilt ϕ(α) = q(ϕ(γ1), . . . , ϕ(γr)) wie in 5.4.2. Nach6.1.3 ist nun ϕ(γj) eine Nullstelle von f und somit erhalten in{γ1, . . . , γr} ⊆ L. Folglich ist β = ϕ(α) ∈ L und eben dies war zuzeigen.

Korollar 6.1.5. Es gibt eine Korpererweiterung F/L so, dass F/Keine normale Korpererweiterung ist.

Beweis: Wie im Beweis von 6.1.4 gibt es α1, . . . , αr, die L/K erzeu-gen, d.h. L = K[α1, . . . , αr]. Seien f1, . . . , fr die Minimalpolynomevon α1, . . . , αr uber K und sei F der Zerfallungskorper von f(x) :=f1(x) · · · fr(x). Das Polynom f(x) ist zwar in K[x], aber wir betrachtenes als Polynom in L[x] um den Zerfallungskorper F zu konstruieren. Da-mit erhalten wir F ⊇ L. Weil aber F erzeugt wird von den Nullstellenα1, . . . , αr, αr+1, . . . , αs von f(x), folgt daraus:

F = L[α1, . . . , αs] = (K[α1, ..., αr])[α1, . . . , αs] = K[α1, . . . , αs]

und somit ist F auch der Zerfallungskorper von f(x) als Polynom inK[x]. Zusammen mir 6.1.4 erhalten wir, dass F/K normal ist.

Lemma 6.1.6. Sei L/K normal und K ⊆ F ⊆ L Zwischenkorper.Dann ist L/F normal.

Beweis: Mit 6.1.4 wissen wir, dass es ein f(x) ∈ K[x] gibt so, dass L derZerfallungskorper von f(x) ist. Dann ist aber auch L der Zerfallungs-korper von f(x) betrachtet als Polynom in F [x] und nach 6.1.4 erhaltenwir sofort, dass L/F normal ist.

138 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

6.2 Separable Korpererweiterungen

In diesem Abschnitt untersuchen wir endliche Korpererweiterungen mitder Eigenschaft, dass die auftretenden Minimalpolynome lauter einfa-che Nullstellen haben im Zerfallungskorper. Wir werden zeigen, dass inCharakteristik 0 dies immer der Fall ist.In diesem Abschnitt sei L/K wieder eine endliche Korpererweiterung.

Definition 6.2.1. L/K heißt genau dann separabel, wenn fur alleα ∈ L folgt, dass das Minimalpolynom von α nur einfache Nullstellenim Zerfallungskorper besitzt.

Satz 6.2.2. Sei char(K) = 0, so ist jede endliche Korpererweiterungseparabel.

Beweis: Sei L/K eine endliche Korpererweiterung und char(K) = 0vorausgesetzt. Seien zudem α ∈ L und p(x) als das Minimalpolynomvon α gegeben. Wir argumentieren indirekt und nehmen an, dass p(x)eine mehrfache Nullstelle β im Zerfallungskorper F hat. Ist dies erfullt,so konnen wir daraus schließen:

p(x) = (x− β)2q(x) ∈ F [x]

Leiten wir dies ab, so erhalten wir weiter:

p′(x) = 2(x− β)q(x) + (x− β)2q′(x)

Also ist (x− β) auch ein Teiler von p′(x) in F [x]. Falls

p(x) = anxn + an−1x

n−1 + ...+ a0

erfullt ist, dann ist die Ableitung definiert durch:

p′(x) = nanxn−1 + (n− 1)an−1x

n−2 + ...+ a1

Da char(K) = 0, muss Q ein Teilkorper von K sein, d.h. n 6= 0 inK und damit ist der hochste Koeffizient nan von p′(x) ungleich 0. AlsMinimalpolynom ist p(x) irreduzibel, womit gilt:

6.2. SEPARABLE KORPERERWEITERUNGEN 139

ggT(p(x), p′(x)) = 1

in K[x]. Damit ist auch der ggT(p(x), p′(x)) im Ring F [x] gleich 1 ist.Um dies einzusehen benutzen wir:

< p(x), p′(x) >=< ggT(p(x), p′(x)) >=< 1 >

nach 3.3.8. Also existieren a(x), b(x) ∈ K[x] so, dass

1 = a(x)p(x) + b(x)p′(x)

erfullt ist. Damit folgt aber, dass das Ideal erzeugt von p(x) und p′(x)im Ring F [x] das Element 1 enthalt. Also ist dieses Ideal gleich F [x],woraus wiederum mit 3.3.8 folgt, dass

ggT(p(x), p′(x)) = 1 in F [x]

An dieser Stelle sind wir aber bei einem Widerspruch angelangt, dennx− β ist ein gemeinsamer Teiler von p(x) und p′(x) in F [x].

Satz 6.2.3 (Satz vom primitiven Element). Sei L/K separabel. Danngibt es ein α ∈ L mit L = K[α].

Beweis: Dieser Beweis ist im Grunde genommen nicht schwierig, wurdean dieser Stelle aber einfach zu viel Zeit kosten. Es sei dementsprechendverwiesen auf [4], Satz 6.24..

Korollar 6.2.4. Sei L/K separabel und F/L eine Korpererweiterungso, dass F/K normal ist, also K ⊆ L ⊆ F . Dann gibt es genau [L : K]K-Homomorphismen ϕ : L→ F von Korpererweiterungen.

Beweis: Nach 6.2.3 gilt zunachst L = K[α]. Sei nun p(x) das Minimal-polynom von α uber K. Es sei n der Grad von p(x). Nach 5.3.10 giltn = [L : K]. Weil F/K normal ist und α ∈ F , folgt aus der Separabi-litat von L/K, dass p(x) n verschiedene Nullstellen α1 = α, α2, ..., αn in

140 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

F hat. Nach Lemma 6.1.2 gibt es mindestens n verschiedene Korperho-momorphismen ϕ : L→ F . Auf der anderen Seite wissen wir aber auchnach Lemma 6.1.3, dass es hochstens n verschiedene solcher Korperho-momorphismen gibt. Insgesamt folgt also die Behauptung.

Proposition 6.2.5. Seien L/K separabel und K ⊆ F ⊆ L ein Zwi-schenkorper. Dann ist auch L/F separabel.

Beweis: Sei α ∈ L und f(x) das Minimalpolynom von α uber F . Weitersei g(x) das Minimalpolynom von α uber K. Nach 5.3.6 wissen wir, dassf(x)|g(x) erfullt ist. Weil g(x) aufgrund der Separabilitat von L/Knur einfache Nullstellen hat, gilt dies auch fur f(x). Damit ist aberinsbesondere L/F separabel.

6.3. GALOIS-ERWEITERUNGEN 141

6.3 Galois-Erweiterungen

Wiederum sei L/K eine endliche Korpererweiterung. Wenn die in denbeiden letzten Abschnitten eingefuhrten Begriffe normal und separabelgleichzeitig erfullt sind, dann spricht man von einer Galoiserweiterung.Fur solche Erweiterungen hat der geniale franzosische MathematikerEvariste Galois, der in jungen Jahren bei einem Duell ums Leben gekom-men ist, eine Korrespondenz der Zwischenkorper zu den Untergruppender Automorphismengruppe angegeben. Wie oft in der Mathematik,wenn man zwei verschiedene Gebiete miteinander verbindet, ergebensich daraus schone Anwendungen. Dies werden wir in den folgendenAbschnitten ausarbeiten.

6.3.1. Wir definieren die Automorphismengruppe einer endlichenKorpererweiterung L/K durch:

Aut(L/K) := {ϕ : L→ L | ϕ ist K-Isomorphismus von Korpererw.}

Wir erinnern daran, dass ein K-Isomorphismus von Korpererweiterun-gen definiert ist als ein Isomorphismus ϕ der Oberkorper so, dass ϕ|K =id. Es folgt sofort aus der Definition, dass Aut(L/K) tatsachlich ei-ne Gruppe bezuglich der Verknupfung von Abbildungen ist. Fur S ⊆Aut(L/K) sei

LS := {α ∈ L | σ(α) = α fur alle σ ∈ S}

Wegen σ|K = id folgt hiermit, dass K ⊆ LS . Aus der Definition erhaltenwir sofort, dass LS ein Unterkorper von L ist. Er heißt deshalb derFixkorper von S.

Lemma 6.3.2. Ist L/K separabel, so gilt:

ord(Aut(L/K)) ≤ [L : K]

Beweis: Nach Korollar 6.1.5 wissen wir, dass es eine KorpererweiterungF/L gibt so, dass F/K normal ist. Weiter erhalten wir zusammen mitKorollar 6.2.4, dass es genau [L : K] K-Homomorphismen ϕ : L → F

142 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

gibt. Weil jeder K-Automorphismus von L so einen Korperhomomor-phismus induziert (da L ⊆ F ), gibt es maximal [L : K] Elemente in derAutomorphismengruppe von L/K.

Lemma 6.3.3. Sei L/K separabel. Dann sind die folgenden Aussagenaquivalent:

i) L/K ist normal

ii) ord(Aut(L/K)) = [L : K]

iii) LAut(L/K) = K

Beweis:i)⇒ii) Folgt aus Korollar 6.2.4, wenn wir F := L setzen.

ii)⇒iii) Sei F := LAut(L/K) der Fixkorper. Dann wissen wir nach 6.3.1,dass K ⊆ F gilt. Trivialerweise gilt Aut(L/F ) ⊆ Aut(L/K). Um-gekehrt sei σ ∈ Aut(L/K) und α ∈ F . Nach Definition von Fgilt σ(α) = α und damit σ|F = id. Hiermit wissen wir, dassσ ∈ Aut(L/F ) gilt. Zusammengefasst folgt also:

Aut(L/F ) = Aut(L/K)

Nun wenden wir Lemma 6.3.2 mit F statt K an. Beachte, dassnach Proposition 6.2.5 die Voraussetzung L/F separabel erfulltist. Es folgt damit:

ord(Aut(L/K)) = ord(Aut(L/F ))6.3.2≤ [L : F ]

Nach Voraussetzung ii) gilt, dass [L : K] = ord(Aut(L/K)) unddamit [L : K] ≤ [L : F ]. Weil K ⊆ F gilt, erhalten wir hiermitweiter:

[L : K] = [L : F ]

und dies zeigt eben wie gewunscht K = F .

6.3. GALOIS-ERWEITERUNGEN 143

iii)⇒i) Nach dem Satz vom primitiven Element gilt nun L = K[α]. SeiG := Aut(L/K). Betrachte nun folgendes Polynom:

q(x) :=∏σ∈G

(x− σ(α)) (6.1)

Es ist leicht ersichtlich, dass dies gleich ist zu:

x|G| −∑σ∈G

σ(α)x|G|−1 +∑

1≤i<j≤nσi(α)σj(α)x|G|−2 − . . . (6.2)

Dies folgt auch aus dem bekannten Satz von Vieta, wobei wirElemente von G nummerieren mit σ1, . . . , σn := |G|.Wir behaupten, dass sogar q(x) ∈ LG[x] gilt. Um dies zu beweisen,betrachten wir ϕ ∈ G. Es gilt

ϕ

(∑σ∈G

σ(α)

)=∑σ∈G

(ϕ ◦ σ)(α)

Wenn σ ganz G durchlauft, dann auch ϕ ◦ σ. Also erhalten wirweiter:

ϕ

(∑σ∈G

σ(α)

)=∑σ∈G

σ(α)

Somit ist der Koeffizient von x|G|−1 in (6.2) im Fixkorper LG.Analog zeigt man dies fur die anderen Koeffizienten und es folgtq(x) ∈ LG[x]. Wegen der Voraussetzung LG = K aus iii) gilt jetztq(x) ∈ K[x]. Weil α aber eine Nullstelle von q(x) ist, wissen wirweiter, dass das Minimalpolynom p(x) von α uberK nach 5.3.6 einTeiler von q(x) ist. Nach (6.1) zerfallt somit p(x) in ein Produktvon Linearfaktoren aus L[x]. Weil L schon erzeugt wird von derNullstelle α von p(x), ist L damit aber der Zerfallungskorper vonp(x) und nach 6.1.4 somit L/K normal.

144 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

Definition 6.3.4. Eine normale und separable Korpererweiterung L/Kheißt Galoiserweiterung. Falls L/K eine Galoiserweiterung ist, sobezeichnen wir die Automorphismengruppe Aut(L/K) mit Gal(L/K)und nennen sie die Galoisgruppe.

Satz 6.3.5. Sei L/K separabel und H eine Untergruppe von Aut(L/K).Dann ist L/LH die Galoiserweiterung mit Gal(L/LH) = H.

Beweis: L = K[α] gilt nach dem Satz vom primitiven Element Nach6.2.5 ist L/LH separabel. Betrachte nun

q(x) :=∏σ∈H

(x− σ(α))

A priori gilt hier q(x) ∈ L[x], aber mit demselben Argument wie bei(6.2) gilt q(x) ∈ LH [x]. Mit 5.3.10 erhalten wir weiter wegen L =K[α] = LH [α], dass

[L : LH ] 5.3.10= (Grad des Minimalpolynoms von αLH) (6.3)≤ grad(q(x)) = ord(H) (6.4)

erfullt ist. Auf der anderen Seite ist H ⊆ Aut(L/LH), denn jedes σ ∈ Hlasst per definitionem die Elemente von LH fest und ist damit ein LH -Automorphismus. Nach 6.3.2 gilt nun:

ord(H) ≤ [L : LH ] (6.5)

Aus (6.4) und (6.5) folgt nun ord(H) = [L : LH ]. Wegen

ord(H) ≤ ord(Aut(L/LH))6.3.2≤ [L : LH ]

gilt nun uberall Gleichheit und damit insbesondere H = Aut(L/LH).Es bleibt zu zeigen, dass L/LH normal ist. Dies folgt aber unmittelbaraus 6.3.3.

6.3. GALOIS-ERWEITERUNGEN 145

Satz 6.3.6 (Hauptsatz der Galoistheorie). Sei L/K eine Galoiserwei-terung, so gibt die durch H 7→ F := LH definierte Abbildung eine Bijek-tion zwischen der Menge der Untergruppen H von Gal(L/K) und derMenge der Zwischenkorper F von K und L an mit UmkehrabbildungF 7→ H := Aut(L/F )

Beweis: Sei H eine Untergruppe von Gal(L/K) und F := LH der zu-gehorige Fixkorper. Nach 6.3.5 gilt H = Aut(L/F ). Also ist die Ver-knupfung der beiden folgenden Abbildungen

H 7→ F := LH 7→ Aut(L/F )

die Identitat. Umgekehrt sei F Zwischenkorper. Nach 6.1.6 und 6.2.5 istL/F eine Galoiserweiterung. Zusammen mit 6.3.5 folgt hier nun sofortF = LAut(L/F ), womit F 7→ H = Aut(L/F ) 7→ LH auch die Identitatist.

6.3.7. Wir werden an dieser Stelle einige Folgerungen aus dem Haupt-satz der Galoistheorie angeben. Ihr Beweis wird allerdings in den Ubun-gen durchgefuhrt werden. Es sei L/K eine Galoiserweiterung mit Ga-loisgruppe G := Gal(L/K).

i) H1 ⊆ H2 ⇔ LH1 ⊇ LH2

ii) ord(H) = [L : LH ] und [G : H] = [LH : K]

iii) L/F ist eine Galoiserweiterung.

iv) Ist σ ∈ Gal(L/K), so gilt Gal(L/σ(F )) = σGal(L/F )σ−1. Unterderselben Voraussetzung folgt des weiteren LσHσ

−1= σ(LH)

v) H ist genau dann Normalteiler, wenn LH eine normale Korperer-weiterung von K ist. Unter dieser Voraussetzung gilt:

Gal(LH/K) ∼= Gal(L/K)/H

146 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

Bemerkung 6.3.8. Sei L = K[α1, ..., αr] fur (nicht zwangslaufig alle)Nullstellen α1, . . . , αr von p(x) ∈ K[x] und es sei Z die Menge allerNullstellen von p(x) in L. Dann ist die Abbildung

Aut(L/K) −→ S(Z), σ 7→ σ|Z

ein injektiver Gruppenhomomorphismus von Aut(L/K) in die Permu-tationsgruppe S(Z) von Z.

Beweis: Jeder K-Automorphismus ist durch die Bilder der erzeugendenα1, ..., αr bestimmt. Zusammen mit Lemma 6.1.3 folgt die Behauptung.

Beispiel 6.3.9. Sei L der Zerfallungskorper des Polynoms x3 − 2 uberK = Q. Sei des weiteren ζ3 := e

2πi3 . In den Ubungen haben wir gesehen,

dass L von den Nullstellen α1 := 3√

2, α2 := ζ33√

2 und α3 := ζ23

3√

2erzeugt wird und dass gilt:

Q ⊂ Q[ 3√

2] ⊂ Q[ 3√

2, ζ3] = L

mit [L : Q] = 6. Nach 6.3.8 ist Gal(L/Q) eine Untergruppe von

S({α1, α2, α3}) ∼= S3.

Das Ziel ist es an dieser Stelle, alle Zwischenkorper von Q ⊆ F ⊆ Lzu bestimmen. Nach dem Hauptsatz der Galoistheorie mussen wir dazualle Untergruppen H von S({α1, α2, α3}) bestimmen. Es ist

6 = [L : Q] = |Gal(L/Q)| ≤ |S3| = 3! = 6.

Damit wissen wir aber, dass die Galoisgruppe mit Ordnung 6 eine Unter-gruppe der S3, ebenfalls mit der Ordnung 6, ist. Es bleibt damit nichtsweiter ubrig, als dass Gal(L/Q) ∼= S3 gilt. Wir wollen nun die Unter-gruppen H und ihre zugehorigen Fixkorper F = LH explizit angeben.Wenn H die Ordnung 1 hat, dann gilt F = LH = L. Wir betrachtennun die Untergruppen der Ordnung 2:

6.3. GALOIS-ERWEITERUNGEN 147

H = {id, τα1α2} = {id, (12)} ⇒ α3 ∈ LH(∗)⇒ F = LH = Q[α3]

H = {id τα1α3} = {id, (13)} ⇒ α2 ∈ LH(∗)⇒ F = LH = Q[α2]

H = {id, τα2α3} = {id, (23)} ⇒ α1 ∈ LH(∗)⇒ F = LH = Q[α1]

Wir mussen nun noch die Gultigkeit der oben mit (*) gekennzeichnetenImplikationen nachweisen. Dies machen wir explizit fur den ersten Fall.Die restlichen Falle folgen analog. Es gilt zunachst [Q[α3] : Q] = 3, dax3 − 2 das Minimalpolynom ist von α3 ist. Es gilt nun mit 6.3.7:

[LH : Q] = [Gal(L/Q) : H] =|Gal(L/Q)||H|

=62

= 3

Es folgt LH = Q[α3].Es gibt nur eine Untergruppe H der Ordnung 3 und sie entspricht derUntergruppe {id, (123), (132)} von S3. Wir wissen nun weiter:

ζ3 =α2

α1=α3

α2= σ(

α2

α1) = σ(ζ3)⇒ ζ3 ∈ LH ⇒ F = LH = Q[ζ3],

wobei die letzte Implikation analog zu (*) im Fall ord(H) = 2 folgt.Beachte, dass [Q[ζ3] : Q] = 2 ist, denn das Minimalpolynom ist x2+x+1.Nach dem Satz von Lagrange 2.2.8 gibt es keine Untergruppe der Ord-nung 4 oder 5. Schlussendlich erhalten wir hier noch als Untergruppemit Ordnung 6:

H = S({α1, α2, α3})⇒ F = LH = Q.

Nachdem Hauptsatz der Galoistheorie gibt es also genau 6 Zwischen-korper.

148 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

6.4 Auflosbare Gruppen

Im Hauptsatz der Galoistheorie haben wir gesehen, dass die Untergrup-pen der Galoisgruppe eine zentrale Rolle fur die Korpertheorie spie-len. Deshalb kommen wir in diesem Abschnitt auf die Gruppentheoriezuruck und untersuchen auflosbare Gruppen. Man kann sagen, dass diein einem gewissen Sinn aus zyklischen Gruppen aufgebaut werden. Wiewir am Schluss der Vorlesung sehen werden, spielen diese Gruppen beider Auflosung von algebraischen Gleichungen die entscheidende Rolle.In diesem Abschnitt sei G eine Gruppe.

Definition 6.4.1. Eine Gruppe G heißt genau dann auflosbar, wennes Untergruppen G0, G1, ..., Gn gibt mit

{e} = G0 / G1 / ... / Gn−1 / Gn = G (6.6)

so, dass Gi+1/Gi eine zyklische Gruppe ist. In diesem Fall heißt (6.6)Normalreihe von G.

Proposition 6.4.2. Sei H eine Untergruppe von G und N ein Nor-malteiler von G. Dann gilt:

i) Ist G auflosbar, so ist auch H auflosbar.

ii) G ist genau dann auflosbar, wenn N und G/N auflosbar sind.

Beweis: Fur diesen technischen Beweis verweisen wir auf [1], §5.4.

Wir erinnern daran, dass eine endliche Gruppe der Ordnung pk fur eink ∈ N als p-Gruppe bezeichnet wird. Weiter heißt Z := {g ∈ G | gh =hg ∀h ∈ G} das Zentrum von G. Man sieht sofort, dass das Zentrumein abelscher Normalteiler von G ist.

Satz 6.4.3. Sei G eine endliche p-Gruppe, dann gilt Z 6= {e} fur dasZentrum Z von G.

Beweis: Der Beweis folgt aus den Sylowsatzen. Vergleiche hierzu [4],2.26.

6.4. AUFLOSBARE GRUPPEN 149

Korollar 6.4.4. Jede endliche p-Gruppe ist auflosbar.

Beweis: Wir machen fur den Beweis eine vollstandiger Induktion nachord(G). Nach 6.4.3 gilt Z 6= {e}. Falls Z 6= G, so sind Z undG/Z auch p-Gruppen und damit nach der Induktionsvoraussetzung auflosbar. Nach6.4.2 ist dann auch G auflosbar. Falls Z = G, so ist G eine abelschep-Gruppe und entweder zyklisch oder es existiert eine nicht triviale Un-tergruppe H, die dann Normalteiler ist. Von hier geht es analog zumanderen Fall weiter.

Beispiel 6.4.5. Fur n ≤ 4 ist Sn auflosbar, aber S5 ist nicht auflosbar.Da es sich dabei um kleine Gruppen der Ordnung ≤ 120 handelt, kannman das einfach mit einem Computer entscheiden. Fur einen mathema-tischen Beweisen verweisen wir auf [1], Bemerkung 5.4.5. Weil S5 eineUntergruppe von Sn ist fur alle n ≥ 6, sind diese Gruppen aufgrundvon 6.4.2 auch nicht auflosbar.

150 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

6.5 Zyklotomische Korper

Die zyklotomischen Korper erhalt man aus Q durch adjungieren einerEinheitswurzel. Sie sind besonders einfach und spielen spater bei denKonstruktionen mit Zirkel und Lineal eine wichtige Rolle.

6.5.1. Fur ζn := e2πin wollen wir im Folgenden

Fn(x) :=∏

k∈(Z/nZ)∗

(x− ζkn)

als das n-te Kreisteilungspolynom bezeichnen.

6.5.2. Wir erhalten mit der obigen Notation:

F1(x) = x− 1 (nach Konvention)F2(x) = x+ 1

F3(x) = (x− ζ3)(x− ζ23 ) =

x3 − 1x− 1

= x2 + x+ 1

F4(x) = (x− ζ4)(x− ζ34 ) = (x− i)(x+ i) = x2 + 1

Proposition 6.5.3. Fk(x) ist irreduzibel in Q[x] fur alle k ∈ N.

Beweis: Siehe [4], 7.2.2..

Korollar 6.5.4. xn − 1 =∏m|n

Fm(x) ist die Zerlegung in irreduzible

Faktoren in Q[x]:

Beweis: Wir erhalten:

6.5. ZYKLOTOMISCHE KORPER 151

xn − 1 =n−1∏l=0

(x− ζ ln)

(∗)=

∏d|n

∏k∈(Z/n

dZ)∗

(x− ζdkn )

(∗∗)=

∏m|n

∏k∈(Z/mZ)∗

(x− ζkm)

︸ ︷︷ ︸Fm(x)

wobei wir in (*) die eindeutige Zerlegung l = dk benutzt haben mitd|n und ggT(k, n) = 1). In (**) wechseln wir vom Teiler d von n aufm = n

d .

Satz 6.5.5. Der zyklotomische Korper Q[ζn] (mit n ∈ N, ζn = e2πin

oder sonstigen primitiven n-te Einheitswurzeln, d.h. ζkn mit ggT(k, n) =1) ist eine Galoiserweiterung von Q vom Grad ϕ(n), wobei ϕ(n) hierdie Eulersche ϕ-Funktion bezeichnen soll. Wir erhalten einen Isomor-phismus durch:

(Z/nZ)∗ → Gal(Q[ζn]/Q)k 7→ eind. K-Automorphismus bestimmt durch σk(ζn) = ζkn

Beweis: Per definitionem gilt ζn ∈ Q[ζn]. Nach 6.5.3 ist Fn(x) das Mini-malpolynom von ζn uber Q: Damit ist Q[ζn] der Zerfallungskorper vonFn(x) und weiter zusammen mit 6.1.4 und 6.2.2 eine Galoiserweiterung.

[Q[ζn] : Q] = deg(Fn) = ord(Z/nZ)∗ = ϕ(n)

Jeder Automorphismus von Q[ζn]/Q ist eindeutig bestimmt durch dasBild von ζn, welches nach 6.1.3 wieder Nullstelle von Fn(x) sein muss.Da es ϕ(n) Nullstellen gibt und ord(Gal(Q[ζn]/Q)) = ϕ(n) gilt nach6.3.7, mussen sie alle als Bild vorkommen. Es folgt also sofort, dass

152 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

die Galoisgruppe isomorph ist zu der Gruppe {ζkn | k ∈ (Z/nZ)∗} derprimitiven n-ten Einheitswurzeln. Aus dem Isomorphismus

(Z/nZ)∗ → {primitive n-te Einheitswurzeln}k 7→ ζkn

folgt die Behauptung.

6.6. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 153

6.6 Konstruktion mit Zirkel und Lineal

In diesem Abschnitt geben wir mit Hilfe der Galoistheorie eine absch-liessende Antwort, was sich alles mit Zirkel und Lineal konstruierenlasst. Wir werden das dann anwenden auf die klassischen Probleme beider Konstruktion von Zirkel und Lineal.

6.6.1. Zuerst wollen wir uns mit der Frage beschatigen, was sich auseiner gegebenen Strecke mit Zirkel und Lineal konstruieren lasst. Seihierbei oBdA als Ebene C und als Strecke [0, 1] angenommen. Sei desweiteren Z := {z ∈ C | z konstruierbar aus [0, 1]}. Es fallen unmittelbareinige Trivialitaten ins Auge:

� Zunachst ist festzuhalten, dass sich die gesamten ganzen Zahlenkonstruieren lassen, d.h. Z ⊆ Z

� Des weiteren ist i ∈ Z, da man die Mittelsenkrechte von −1 und1 zeichnen kann.

Abbildung 6.1: Thaleskreis

z ∈ C ist genau dann konstruierbar,wenn sowohl der Realteil als auch derImaginarteil konstruierbar sind. Diesergibt sich zum Einen daraus, dass wir,sollte z ∈ Z sein, einfach ein Lot fallenkonnen bzw. den Thaleskreis zeichnenund auf der anderen Seite einfach dieSenkrechte in <z,=z errichten.

Lemma 6.6.2. Z ⊆ C ist ein Korper.

Beweis: Der Nachweis bezuglich der Addition gestaltet sich an dieserStelle als recht einfach. Seien z1, z2 ∈ Z. Addiere nun die Imaginar- unddie Realteile durch abtragen und benutze 6.6.1Bezuglich der Multiplikation seien z1, z2 ∈ Z. Zu zeigen ist, dass dannauch z1 · z2 ∈ Z ist. Es gilt hierbei:

<(z1 · z2) = <(z1) · <(z2)−=(z1) · =(z2)

154 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

und

=(z1 · z2) = <(z1) · =(z2) + <(z2) · =(z1)

Damit genugt es zu zeigen, dass das Produkt zweier reeller Zahlen ausZ wiederum in Z liegt. Dies erhalten wir mit Hilfe des Strahlensatzes.Mit den Notationen aus Abbildung (6.2) gilt:

b

a=d

c⇔ ad = bc

fur a, c 6= 0. Seien also b, c ∈ Z ∩ R. Wahle a = 1 und konstruiere ddurch Parallelenbildung. Damit ist d = bc und Z ein Unterring von C.

Abbildung 6.2: Strahlensatz (l) und Parallelenkonstruktion (r)

Nun ist noch zu zeigen, dass fur z ∈ Z\{0} auch fur die Inverse 1z ∈ Z

gilt. Wir erhalten hier zunachst:

1z

=z

z · z=<(z)|z|2

− i=(z)|z|2

Nach 6.6.1 und dem Obigen gilt hier zunachst <z,=z, |z|2 ∈ Z. Manmuss also dividieren konnen in Z ∩ R. Dies folgt nun wieder aus demStrahlensatz:Seien a, b ∈ Z ∩R, verschieden von 0. Wahle d = 1 in der Strahlensatz-figur und konstruiere wieder c = a

b durch Parallelenbildung.

6.6. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 155

Satz 6.6.3. Sei z ∈ C. Dann ist z genau dann mit Zirkel und Lineal ausden gegebenen Punkten 0, 1 konstruierbar, wenn es eine Korpererweite-rung L von Q gibt mit z ∈ L ⊆ C so, dass L/Q eine Galoiserweiterungvom Grad 2k fur ein k ∈ N0 ist.

Beweis: Wir wollen zunachst zeigen, dass aus der Bedingung ”y kon-struierbar” auch ”

√y konstruierbar” folgt. Dies weisen wir zuerst fur

positive y nach.

Abbildung 6.3: Hohensatz

Hierfur benutzen wir den Hohen-satz, der besagt, dass innerhalb ei-nes rechtwinkeligen Dreiecks dasQuadrat der Hohe gleich dem Pro-dukt der beiden Hypothenusen-abschnitte ist. Mit den Notatio-nen aus der nebenstehenden Ab-bildung heißt dies also, dass h2 =p·q gilt. Wahlen wir an dieser Stel-le p = 1 und q = y, so konnen wir

sehen, dass wir auf diese Weise h =√y konstruieren konnen. Fur be-

liebige y ∈ C ist√y = ±

√R · e

iϕ2 , wobei y = Reiϕ die Polardarstellung

ist. Wenn y konstruierbar ist, dann auch R und nach dem Spezialfalldamit auch

√R. Somit ist

√y konstruierbar, denn wir konnen auch den

Winkel halbieren. Dies zeigt die einleitende Behauptung uber√y.

”⇒” Sei z also konstruierbar. Wir uberlegen uns nun, was eine Kon-struktion mit Zirkel und Lineal analytisch ist. Dabei schneidetman Kreise mit schon konstruiertem Radius und Mittelpunkt oderGeraden durch schon konstruierte Punkte. Man darf naturlichauch solche Kreise mit solchen Geraden schneiden. Die so entste-henden Schnittpunkte sind dann neue Punkte, die man mit Zirkelund Lineal konstruieren kann. Wir behandeln den ”schwierigsten”Fall, wenn man zwei Kreise

(x− xi)2 + (y − yi)2 = R2i (i = 1, 2)

miteinander schneidet. Man darf annehmen, dass sich die Kreisein einem oder zwei Punkten schneiden, denn sonst macht die Kon-

156 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

struktion keinen Sinn. Hier sind die xi und die Ri konstruierbar,also insbesondere bekannt und wir losen nach x und y auf. Wirdurfen weiterhin annehmen, dass x1 6= x2 gilt. Dies ist moglich,da die Mittelpunkte verschieden sein mussen. Der Fall y1 6= y2

verlauft analog. Wir erhalten

x2 + (y − yi)2 = R2i + 2xix− x2

i (i = 1, 2) (6.7)

Subtraktion dieser beiden Gleichungen liefert:

(y − y1)2 − (y − y2)2 = R21 −R2

2 + 2x1x− 2x2x− x21 + x2

2

Also gilt:

2(x1 − x2)x = y21 − y2

2 + 2(y2 − y1)y +R22 −R2

1 + x21 − x2

2 (6.8)

Damit erhalten wir x in Funktion von y und Einsetzen in eine derGleichungen in (6.7) ergibt eine quadratische Gleichung in y. DieDiskreminante m1 dieser quadratischen Gleichung ist großer odergleich Null, da sich die Kreise nach Voraussetzung in einem oderzwei Punkten schneiden und es deshalb eine reelle Losung gebenmuss. Also ist

y ∈ Q(x1, x2, y1, y2, R1, R2)[√m1]

Mit Hilfe von (6.8) folgt auch

x ∈ Q(x1, x2, y1, y2, R1, R2)[√m1]

Da z nach Voraussetzung mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist,muss es also eine Folge von Korpererweiterungen

Q ⊂ K1 = Q[√m1] ⊂ K2 = K1[

√m2] ⊂ K3 = K2[

√m3] ⊂ . . .

. . . ⊂ Kn = Kn−1[√mn]

in C gegeben mit z ∈ Kn und mi ∈ Ki−1. Fur j = 1, . . . , n gilt:

[Kj : Kj−1] = 2,

6.6. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 157

wie wir fruher gesehen haben. Mit der Gradformel fur den obigenKorperturm folgt:

[Kn : Q] = 2n

Die Korpererweiterung Kn/Q muss aber keine Galoiserweiterungsein, sonst konnten wir einfach L = Kn wahlen. Die Konstruktioneiner geeigneten Galoiserweiterung L/Q von Kn vom Grad [L :Q] = 2k ist technisch und wir verweisen auf [1], Satz 6.4.1. Fur dieAnwendungen brauchen wir die Eigenschaft der Galoiserweiterunggar nicht.

”⇐” Sei z ∈ L ⊂ C so, dass L/Q eine Galoiserweiterung vom Grad 2k

ist. Stellen wir uns nun die Frage, wie groß die Galoisgruppe ist,so wissen wir nach 6.3.3, dass

ord(Gal(L/K)) = 2k

gilt, sie also eine 2-Gruppe ist. Nach 6.4.4 ist somit G = Gal(L/K)auflosbar, d.h. es gibt eine Normalreihe

{e} = G0 / G1 / G2 / . . . / Gn = G (6.9)

mit zyklischen Faktoren Gj/Gj−1. Nach Proposition 2.3.10 gilt:

Gj/Gj−1∼= Z/2kjZ (6.10)

In Mj = Z/2kjZ nun gibt es eine Normalreihe

[0] = [2kj ]Mj / [2kj−1]Mj / . . . / [21]Mj / Mj (6.11)

mit Faktoren [2kj−i−1]Mj/[2kj−i]Mj∼= Z/2Z. Transferiert man

die Normalreihe (6.11) nach Gj/Gj−1 mit Hilfe von (6.10) undnimmt die Urbilder bezuglich der Quotientenabbildung Gj →Gj/Gj−1, dann erhalt man eine Normalreihe zwischen Gj−1 undGj mit Faktoren isomorph zu Z/2Z. Dazu muss man den drit-ten Isomorphiesatz (vgl. hierzu Aufgabe 17 aus den Ubungen)benutzen. Wir konnen also (6.9) ersetzen durch die verfeinerteNormalreihe und somit oBdA annehmen, dass

Gj/Gj−1∼= Z/2Z

158 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

gilt. Wie im Hauptsatz der Galoistheorie betrachten wir die Fix-korper Kj := LGj . Wir erhalten einen Korperturm

L = K0 ⊃ K1 ⊃ K2 ⊃ · · · ⊃ Kn = Q

nach 6.3.6 und 6.3.7. Weiterhin gilt nach 6.3.7:

[Kj−1 : Kj ] = [Gj : Gj−1] = ord(Gj/Gj−1) = 2

Sei αj ∈ Kj−1\Kj . Das Minimalpolynom von αj uber Kj hatsomit Grad 2. Sei ∆ die zugehorige Diskriminante. Dann gilt:

Kj−1 = Kj [√

∆], (6.12)

denn αj ist nach der Losungsformel fur quadratische Gleichun-gen in Kj [

√∆] und weil [Kj−1 : Kj ] = 2, folgt sofort (6.12). Wir

wissen, dass alle Zahlen auf Q konstruierbar sind. Weil die kon-struierbaren Zahlen einen Korper bilden, muss Kn−1 = Q[

√∆]

auch konstruierbar sein (siehe einleitende Bemerkung). Analogzeigt man auch, dass Kn−1,Kn−2, . . . ,K0 = L aus konstruierba-ren Zahlen bestehen. Damit ist z ∈ L konstruierbar und eben dieswar zu zeigen.

Satz 6.6.4. Seien z1, . . . , zr ∈ C. Dann ist z ∈ C genau dann mitZirkel und Lineal aus {0, 1, z1 . . . , zr} konstruierbar, wenn es eine Ga-loiserweiterung L/Q(z1, . . . , zr, z1, . . . , zr) vom Grad 2n fur n ∈ N mitz ∈ L gibt.

Beweis: Analog zu 6.6.3, siehe auch [1], Satz 6.4.1.

Bemerkung 6.6.5. Q(z1, . . . , zr) ist der kleinste Korper, der z1, . . . , zrund Q enthalt, d.h.

Q(z1, . . . , zr) ={p(z1, . . . , zr)q(z1, . . . , zr)

| p, q ∈ Q[x1, . . . , xr], q(z1, . . . , zr) 6= 0}

6.6. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 159

Beispiel 6.6.6 (Das Delische Problem). Lasst sich die Kantenlangeeines Wurfels mit Volumen 2 mit Zirkel und Lineal konstruieren? DieseFrage konnen wir in obiger Terminologie umformulieren dahingehend,ob 3√

2 ∈ Z erfullt ist? Verwenden wir dann Satz 6.6.3, so kommen wirals Antwort zu einem ”Nein”, welches darin begrundet ist, dass [Q[ 3

√2] :

Q] = 3, da das Minimalpolynom hier x3− 2 ist. Jede GaloiserweiterungL mit 3

√2 ∈ L enthalt Q[ 3

√2] und damit folgt:

3 | [L : Q]⇒ [L : Q] 6= 2n ⇒ 3√

2 /∈ Z.

Beispiel 6.6.7 (Quadratur des Kreises). Eine weitere Frage ist, ob sichaus einem Kreis mit Radius 1 ein flachengleiches Quadrat konstruierenlasst. Wiederum formulieren wir diese Frage um so, dass wir sie mitHilfe der Galoistheorie beantworten konnen. Dies bedeutet, dass wirherausfinden mussen, ob

√π ∈ Z gilt. Auch an dieser Stelle mussen wir

allerdings die Antwort verneinen, da π nach dem Satz von Lindemanntranszendent ist (siehe 5.3.2). Damit ist auch

√π transzendent, denn

die algebraischen Zahlen bilden einen Korper (siehe 5.3.13). Nach Satz6.6.3 sind die konstruierbaren Zahlen alle algebraisch (benutze 5.3.12)und damit ist

√π 6∈ Z.

Beispiel 6.6.8 (Winkelteilung). Ist es moglich, einen beliebigen Winkelmit Zirkel und Lineal zu dritteln? Auch hier lautet die Antwort ”nein”,denn sei hierzu ζ ∈ C mit |ζ| = 1. Zu zeigen ist, dass ein ζ existiert so,dass ζ

13 nicht konstruierbar ist aus 1, ζ. Es gilt nun

[Q(ζ)[ζ13 ] : Q(ζ)] = [Q(ζ)[ζ

13 ] : Q]/[Q(ζ) : Q] = ϕ(9)/ϕ(3) = 6/2 = 3

fur ζ = e2πi3 , wobei wir Satz 6.5.5 benutzt haben. Analog zu oben folgt,

dass es kein L mit [L : Q(ζ)] = 2n gibt. Nach Satz 6.6.4 ist ζ13 nicht

konstruierbar aus dem gegebenen ζ.

Beispiel 6.6.9 (Regelmaßiges n-Eck). Wir konnen nun auch beant-worten, welche regelmaßigen n-Ecke sich konstruieren lassen. Dies istaquivalent zu der Frage, ob ζn = e

2πin ∈ Z ist. Da Q[ζn] nach 6.5.5 eine

Galoiserweiterung vom Grad ϕ(n) ist, wird ζn genau dann in Z liegen,

160 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

wenn ϕ(n) = 2k fur ein k ∈ N0 gilt (wieder mit Satz 6.6.3). Sei alson = pν11 · · · pνrr die Primfaktorzerlegung. Damit ist:

ϕ(n) := (p1 − 1)pν1−11 · · · (pr − 1)pνr−1

r .

Es lasst sich an dieser Stelle somit als Fazit festhalten, dass ein n-Eckgenau dann konstruierbar ist, wenn n = 2kq1 · · · qs gilt, wobei q1, . . . , qspaarweise verschiedene Fermatsche Primzahlen sind, d.h. Primzah-len der Form 22k + 1 fur ein k ∈ N0. Die einzigen bekannten Fermat-Primzahlen sind 3, 5, 17, 257, 65537.

6.7. AUFLOSUNG ALGEBRAISCHER GLEICHUNGEN 161

6.7 Auflosung algebraischer Gleichungen

In diesem Abschnitt sei K ein Korper mit charK = 0. Wir untersu-chen in diesem Abschnitt, ob es eine “algebraische” Formel gibt fur dieNullstellen eines Polynoms in Abhangigkeit der Koeffizienten.

Satz 6.7.1. Sei n ∈ N und K enthalte alle n-ten Einheitswurzeln.Weiter sei n

√a eine beliebige n-te Wurzel im Zerfallungskorper von

xn − a mit a ∈ K. Dann ist K[ n√a] eine Galoiserweiterung von K

und Gal(K[ n√a]/K) ist isomorph zu einer Untergruppe von Z/mZ. Ins-

besondere ist die Galoisgruppe zyklisch.

Beweis: Die Nullstellen von xn − a im Zerfallungskorper F sind gleichζ n√a, wobei ζ alle n-ten Einheitswurzeln durchlauft. Weil alle ζ nach

Voraussetzung in K liegen, mussen alle Nullstellen in K[ n√a] liegen,

womit auch direkt F = K[ n√a] gilt. Damit ist F/K nach 6.1.4 normal

und da char(K) = 0, muss F/K auch separabel sein. Damit ist F/Keine Galoiserweiterung. Sei nun σ ∈ Gal(K[ n

√a])/K). Da σ( n

√a) wieder

eine Nullstelle von xn − a sein muss (siehe 6.1.3), existiert genau einen-te Einheitswurzel ζσ mit

σ( n√a) = ζσ

n√a.

Sei Un die Gruppe der n-ten Einheitswurzeln. In C hat Un die Form{e2πki/n | k = 0, . . . , n − 1} und ist deshalb isomorph zu Z/nZ. Wirdefinieren eine Abbildung

Gal(K[ n√a]/K)→ Un, σ 7→ ζσ. (6.13)

Es ist ganz leicht zu sehen, dass dies ein Gruppenhomomorphismus ist.Da n√a die Korpererweiterung K[ n

√a]/K erzeugt, ist σ bestimmt durch

σ( n√a) und damit auch ζσ. Also ist (6.13) ein injektiver Gruppenhomo-

morphismus und es folgt die Behauptung.

Satz 6.7.2 (Satz von Vieta). Wenn wir in K[x] die Zerlegung

(x− α1) · · · (x− αn) = xn + an−1xn−1 + · · ·+ a0

162 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

haben, dann gilt fur alle k = 0, . . . , n:

an−k = (−1)k∑

j1<···<jk

αj1 · · ·αjk

Beweis: Dies folgt einfach durch Ausmultiplizieren der linken Seite.

6.7.3. Lassen sich die Nullstellen eines Polynoms n-ten Grades miteiner Formel aus den Koeffizienten angeben? Diese Frage wird uns andieser Stelle beschaftigen. Wir wollen in der Formel nur die allgemeinenOperationen +,−, ·, : und k-tes Wurzelziehen fur alle k ∈ N zulassen.

Beispiel 6.7.4. Fur n = 2 ist dies moglich, wie es schon aus der Schulebekannt sein sollte. Die Nullstellen von x2 + a1x+ a0 sind dementspre-

chend α1/2 = −a1±√a21−4a0

2 .

Konvention 6.7.5. Wir wollen in diesem Abschnitt mit n√β irgendeine

Nullstelle des Polynoms xn − β verstehen. Bekanntlich gibt es genau nsolche Wurzeln falls β 6= 0. Vergleiche hierzu auch den Beweis von Satz6.7.1. Wir verstehen unter

√4 also entweder −2 oder 2.

6.7.6. Es sei noch einmal daran erinnert, dass K[x1, . . . , xn] der Ringder Polynome in den Variablen x1, ..., xn mit Koeffizienten in K ist. Wirbezeichnen mit K(x1, . . . , xn) den Quotientenkorper von K[x1, . . . , xn],d.h.

K(x1, . . . , xn) ={a(x1, . . . , xn)b(x1, . . . , xn)

| a, b ∈ K[x1, . . . , xn], b 6= 0}.

6.7.7. Es K[y0, . . . , yn−1] ein zweiter Polynomring in den Variableny0, . . . , yn−1. Wir bilden ihn ab in den Polynomring K[x1, . . . , xn] mitdem Ringhomomorphismus

K[y0, . . . , yn−1]→ K[x1, . . . , xn], yn−k 7→ (−1)k∑

j1<···<jk

xj1 · · ·xjk .

In anderen Worten bedeutet dies, dass wir die Variable yn−k durch(−1)k

∑j1<···<jk

xj1 · · ·xjk substituieren und so einen Ringhomomorphis-

mus erhalten. Es ist ein wichtiges Resultat aus der Algebra, dass dieser

6.7. AUFLOSUNG ALGEBRAISCHER GLEICHUNGEN 163

Homomorphismus injektiv ist (siehe [1], §4.3). Wenden wir diesen Ho-momorphismus auf Zahler und Nenner an, erhalten wir einen Korper-homomorphismus K(y0, . . . , yn−1)→ K(x1, . . . , xn). Wie jeder Korper-homomorphismus ist diese Abbildung injektiv und wir identifizierenK(y0, . . . , yn−1) mit dem Bild in K(x1, . . . , xn). Hierbei erhalten wireine Korpererweiterung

K(x1, . . . , xn)/K(y0, ..., yn−1).

Betrachte nun das Polynom

xn + yn−1xn−1 + · · ·+ y0 ∈ (K(y0, . . . , yn−1))[x]

Nach dem Satz von Vieta 6.7.1 gilt:

(x− x1) · · · (x− xn) = xn + yn−1xn−1 + y0 ∈ (K(x1, . . . , xn))[x]

Dabei betrachtet man y0, . . . , yn−1 als unbestimmte Parameter des Po-lynoms.

Proposition 6.7.8. K(x1, . . . , xn)/K(y0, . . . , yn−1) ist eine Galoiser-weiterung vom Grad n! und die Galoisgruppe

Gal(K(x1, . . . , xn)/K(y0, . . . , yn−1))

ist isomorph zur symmetrischen Gruppe Sn.

Beweis: Nach 6.7.7 ist K(x1, . . . , xn) der Zerfallungskorper des Poly-noms xn+yn−1x

n−1 + · · ·+y0, womit die Korpererweiterung normal ist(vgl. 6.1.4). Da charK = 0, ist die Korpererweiterung auch separabel(siehe 6.2.2). Also ist K(x1, . . . , xn)/K(y0, . . . , yn−1) eine Galoiserweite-rung. Sei σ ∈ Gal(K(x1, . . . , xn)/K(y0, . . . , yn−1)). Da σ die Nullstellenvon xn + yn−1x

n−1 + · · ·+ y0 permutiert (siehe hierzu auch 6.1.3), gibtes also eine Permutation πσ ∈ Sn so, dass

σ(xi) = xπσ(i)

fur alle i = 1, . . . , n. Somit konnen wir eine Abbildung

164 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

Gal(K(x1, . . . , xn)/K(y0, . . . , yn−1))→ Sn, σ 7→ πσ (6.14)

definieren. Es ist leicht zu sehen, dass dies ein Gruppenhomomorphis-mus ist. Weil σ bestimmt ist durch die Bilder (σ(xi))i=1,...,n der Erzeu-genden x1, . . . , xn der Korpererweiterung, muss diese Abbildung injek-tiv sein. Andererseits definiert jede Permutation π einen Automorphis-mus σπ ∈ Gal(K(x1, . . . , xn)/K(y0, . . . , yn−1)) durch

σπ(a(x1, . . . , xn)b(x1, . . . , xn)

) =a(xπ(1), . . . , xπ(n))b(xπ(1), . . . , xπ(n))

. (6.15)

Es ist dabei klar, dass σπ ein Korperautomorphismus von K(x1, . . . , xn)ist. Wir mussen noch einsehen, dass σπ |K(y0,...,yn−1)= id gilt. Dazugenugt es, σπ(yn−k) = yn−k zu beweisen fur alle k = 1, . . . , n. Das folgtsofort aus der Formel:

yn−k = (−1)k∑

j1<···<jk

xj1 · · ·xjk .

Also ergibt sich damit σπ ∈ Gal(K(x1, . . . , xn)/K(y0, . . . , yn−1)). Ausder Konstruktion folgt, dass beim Homomorphismus (6.14) σπ auf πabgebildet wird. Somit ist (6.14) surjektiv und die Umkehrabbildungwird mit (6.15) gebildet. Also ist damit (6.14) insbesondere ein Grup-penisomorphismus. Damit hat die Galoisgruppe Ordnung n! und nach6.3.7 folgt, dass [K(x1, . . . , xn) : K(y0, . . . , yn−1)] = n!.

Definition 6.7.9. Wir nennen xn+yn−1xn−1 + · · ·+y1x+y0 das allge-

meine Polynom n-ten Grades. Wir sagen genau dann, dass es sichdurch Radikale auflosen lasst, wenn sich die Nullstellen x1, . . . , xnaus K aus den Koeffizienten y0, . . . , yn−1 mit Hilfe der Operationen+,−, ·, : und k

√ mit k ∈ N ausdrucken lassen.

Fur konkrete Koeffizienten aus K erhalten wir dann die Nullstellendurch einsetzen.

6.7. AUFLOSUNG ALGEBRAISCHER GLEICHUNGEN 165

Lemma 6.7.10. Das allgemeine Polynom n-ten Grades ist genau danndurch Radikale auflosbar, wenn es einen Korperturm

K0 = K(y0, . . . , yn−1) ⊆ K1 ⊆ · · · ⊆ Kr (6.16)

gibt so, dass Kj+1 = Kj( nj√βj) fur geeignete nj ∈ N und βj ∈ Kj und

mit Kr/K0 eine Galoiserweiterung, die x1, . . . , xn enthalt.

Beweis: ”⇒” Sei also xn+yn−1xn−1+· · ·+y0 durch Radikale auflosbar.

Damit kann man die Nullstellen x1, . . . , xn durch die Operationen+,−, ·, : und n

√ ausdrucken. Wir nehmen also so eine Formelfur xi und gehen ”von innen nach außen”. Bei den Operationen+,−, ·, : ist keine Korpererweiterung notig. Bei jeder Wurzel n

ist eine Korpererweiterung der Form Kj+1 = Kj( nj√βj) notig mit

βj ∈ Kj . So erhalten wir unseren Korperturm (6.16). Das einzigeProblem ist, dass Kr/K0 keine Galoiserweiterung sein muss. Wiebeim Beweis von Satz 6.6.3 verzichten wir auf die Einzelheiten, wieman diesen Korperturm erganzt so, dass eine Galoiserweiterungentsteht. Damit ergibt sich die Hinrichtung. Fur eine vollstandigeDarstellung verweisen wir auf [1], 6.1.

”⇐” Wir haben also einen Korperturm wie in (6.16) gegeben. Wegenxj ∈ Kr = Kr−1( nr−1

√βr−1) folgt, dass es a0, . . . , anr−1−1 ∈ Kr−1

gibt mit

xj = a0 + a1nr−1√βr−1 + · · ·+ anr−1−1( nr−1

√βr−1)nr−1−1 (6.17)

Mit Induktion nach r durfen wir annehmen, dass a0, . . . , anr−1 sichmit Hilfe der Operationen +,−, ·, : und n-tes Wurzelziehen aus Kund den Koeffizienten y0, . . . , yn−1 berechnen lassen und ebensoβr−1. Mit Formel (6.17) folgt dies auch fur jedes xj und damit istdas allgemeine Polynom n-ten Grades durch Radikale auflosbar.

Lemma 6.7.11 (Artinsches Lemma). Seien L und M Korper undσ1, . . . , σn verschiedene Korperhomomorphismen L → M . Dann sind

166 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

σ1, . . . , σn M -linear unabhangige Abbildungen, d.h. falls µ1σ1 + · · · +µnσn die Nullabbildung ist fur µ1, . . . µn ∈ L, dann gilt µ1 = · · · = µn.

Beweis: Siehe [4], Hilfssatz 7.31.

Satz 6.7.12. Sei n ∈ N, K enthalte alle n-ten Einheitswurzeln, L/Ksei eine Galoiserweiterung und Gal(L/K) sei zyklisch der Ordnung n.Dann gibt es ein a ∈ K mit L = K[ n

√a].

Beweis: Sei ζ eine primitive n-te Einheitswurzel, d.h. ζ = e2πi/n ∈ C.Damit erzeugt ζ die Gruppe der n-ten Einheitswurzeln. Weiter sei σ einErzeugendes von Gal(L/K). Fur α ∈ L sei

Θ := α+ ζσ(α) + ζ2σ2(α) + · · ·+ σn−1σn−1(α).

Es gilt Gal(L/K) = {σ0 = id, σ1, σ2, . . . , σn−1} und wir wenden dasArtinsche Lemma fur diese n Automorphismen an. Damit gibt es α ∈ Lmit zugehorigem Θ 6= 0. Dann gilt

σ(Θ) = σ(α) + ζσ2(α) + ζ2σ3(α) + · · ·+ ζn−1︸︷︷︸1ζ

σn(α)︸ ︷︷ ︸α

⇒ σ(Θ) =1ζ

Θ.

Wir wenden darauf noch einmal σ an. Damit erhalten wir:

σ2(Θ) = σ(1ζ

Θ) =1ζσ(Θ) =

1ζ2

Θ.

Mit Induktion beweist man:

σj = ζ−jΘ ∀j ∈ N0. (6.18)

Insbesondere gilt, da ζ eine primitive n-te Einheitswurzel ist:

σj(Θ) 6= Θ fur j = 1, · · · , n− 1. (6.19)

Es folgt, dass Gal(L/K(Θ)) = {id}, denn Gal(L/K(Θ)) ist eine Unter-gruppe von Gal(L/K), aber nach (6.19) bleibt Θ unter keinem Element

6.7. AUFLOSUNG ALGEBRAISCHER GLEICHUNGEN 167

aus Gal(L/K)\{id} fest. Nach der bijektiven Korrespondenz zwischenUntergruppen und Zwischenkorpern im Hauptsatz der Galoistheoriemuss der trivialen Untergruppen {id} der Zwischenkorper L entspre-chen, d.h. L = K(Θ). Setze a := Θn. Es gilt fur alle j ∈ N0:

σj(a) = σj(Θn) = (σj(Θ))n(6.18)

= (ζ−jΘ)nζn=1= Θn = a,

d.h. a ist im Fixkorper von L bzg. Gal(L/K). Dieser Fixkorper ist abergleich K (wiederum nach 6.3.1), womit a ∈ K gilt und L = K(Θ) =K( n√a) erfullt ist.

Lemma 6.7.13. Das allgemeine Polynom n-ten Grades

xn + yn−1xn−1 + · · ·+ y0 ∈ K(y0, . . . yn−1)[x]

ist genau dann durch Radikale auflosbar, wenn

Gal(K(x1, . . . , xn)/K(y0, . . . , yn−1))

auflosbar ist.

Beweis: Wir fuhren den Beweis fur den Fall K = C. Diese Vorausset-zung benotigen wir, damit die Einheitswurzeln inK liegen. Im Allgemei-nen erreicht man diese Voraussetzung unter erheblichem technischemAufwand. Siehe hierzu [1], Algebra, §6.1. Mit dieser Voraussetzung er-halten wir:

”⇒” Es sei also xn+ yn−1xn−1 + · · ·+ y0 = 0 durch Radikale auflosbar.

Nach Lemma 6.7.10 gibt es damit einen Korperturm

K0 = K(y0, . . . , yn−1) ⊆ K1 ⊆ · · · ⊆ Kr

so, dass Kj+1 = Kj( nj√βj) fur ein βj ∈ Kj gilt und Kr eine

Galoiserweiterung von K0 ist, die x1, . . . , xn enthalt. Betrachtedie zugehorigen Galoisgruppen

{e} = Gal(Kr/Kr) ⊆ Gal(Kr/Kr−1) ⊆ Gal(Kr/Kr−2). . . ⊆ Gal(Kr/K1) ⊆ (Kr/K0)

168 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

Nach 6.7.1 ist Kj+1/Kj eine Galoiserweiterung mit zyklischer Ga-loisgruppe. Hierbei benutzen wir, dass die nj-ten Einheitswurzelnin Kj liegen, was wegen K = C ⊆ Kj sicherlich der Fall ist. Mit6.3.7 folgt, dass Gal(Kr/Kj+1) ein Normalteiler in Gal(Kr/Kj)ist. Weiter gilt ebenfalls mit 6.3.7, dass

Gal(Kj+1/Kj) ∼= Gal(Kr/Kj)/Gal(Kr/Kj+1).

Somit ist der obige Korperturm eine Normalreihe mit zyklischenFaktoren, d.h. Gal(Kr/K0) ist auflosbar. WeilK(x1, . . . , xn) ⊆ Kr

und K(x1, . . . xn) eine Galoiserweiterung ist von K(y0, . . . , yn−1))(siehe 6.7.8) mit Galoisgruppe isomorph ist zu

Gal(Kr/K(y0, . . . , yn−1))/Gal(Kr/K(x1, . . . , xn))

durch erneute Anwendung von 6.3.7, muss diese Galoisgruppeauch auflosbar (siehe 6.4.2).

”⇐” Angenommen, es gibt eine Normalreihe

G0 = {e} / G1 / . . . / Gr = Gal(K(x1, . . . , xn)/K(y0, . . . , yn−1))(6.20)

mit zyklischen Faktoren Gal(Kj−1/Kj). Betrachte zugehorige Fix-korper wie im Hauptsatz der Galoistheorie und erhalte mit L :=K(x1, . . . , xn) den Korperturm

Kr = LGr ⊆ Kr−1 = LGr−1 ⊆ · · · ⊆ K0 = LG0 = L. (6.21)

Wir wenden 6.3.7 in der umgekehrten Richtung an und erhalten,dass Kj−1/Kj eine Galoisgruppe ist mit

Gal(Kj−1/Kj) ∼= Gj/Gj−1

zyklisch. Nach Satz 6.7.12 erhalten wir weiter, dass es ein βj ∈ Kj

gibt mit Kj−1 = Kj( nj√βj) mit βj ∈ Kj . Hier benutzen wir wie-

der, dass die nj-ten Einheitswurzeln in Kj ⊇ C sind. Wegen demKorperturm (6.21) und Lemma 6.7.10 ist die allgemeine Gleichungn-ten Grades auflosbar.

6.7. AUFLOSUNG ALGEBRAISCHER GLEICHUNGEN 169

Satz 6.7.14. Das allgemeine Polynom n-ten Grades ist genau dannauflosbar durch Radikale, wenn n ≤ 4 gilt.

Beweis: Das Polynom ist nach 6.7.13 genau dann auflosbar durch Ra-dikale, wenn Gal(K(x1, . . . , xn)/K(y0, . . . , yn−1))auflosbar ist. Die Galoisgruppe ist nach 6.7.8 isomorph zu Sn und damitgenau dann auflosbar, wenn n ≤ 4 (siehe 6.4.5).

6.7.15. Fur n = 2 gilt die bereits bekannte Losungsformel aus 6.7.4.Fur n = 3, 4 gibt es komplizierte Formeln von Cardano. Siehe hierzu[1], §6.2.

170 KAPITEL 6. GALOIS-THEORIE

Kapitel 7

Ubungen

Aufgabe 1Zeigen Sie mit Hilfe der Peano-Axiome die Assoziativitat der Additionauf N0.

Aufgabe 2Beweisen Sie, dass jede endliche Teilmenge von N0 ein großtes Elementhat.

Aufgabe 3Um die Primzahlen bis n zu bestimmen, benutzen wir das Sieb desEratosthenes. Begrunden Sie, warum es genugt, nur echte Vielfache derZahlen ≤

√n zu streichen.

Aufgabe 4Seien r und s naturliche Zahlen > 1. Zeigen Sie:

a) Ist rs + 1 eine Primzahl, so ist s eine Potenz von 2.

b) Ist rs − 1 eine Primzahl, so ist r = 2 und s eine Primzahl.

(Tipp: Machen Sie einen indirekten Beweis. Nehmen Sie bei a) an, dasss keine Potenz von 2 und bei b) dass es keine Primzahl ist.)

171

172 KAPITEL 7. UBUNGEN

Aufgabe 5Beweisen Sie, dass eine Zahl genau dann durch 11 teilbar ist, wenn ihrealternierende Quersumme durch 11 teilbar ist.

Aufgabe 6Bestimmen Sie den großten gemeinsamen Teiler von 11413 und 3636.

Aufgabe 7Finden Sie die allgemeine Losung (x, y) ∈ Z2 der diophantischen Glei-chung 11413x+ 3636y = 202.

Aufgabe 8Zeigen Sie, dass die Zahlen ak := 22k + 7 und bk := 33k + 5 fur jedesk ∈ Z teilerfremd sind.

Aufgabe 9Beweisen Sie den Satz aus der Vorlesung, dass fur m,n ∈ N gilt

kgV(m,n) =∏p prim

pmax{vp(m),vp(n)}.

Zeigen Sie auch ggT(m,n) · kgV(m,n) = m · n.

Aufgabe 10Zeigen Sie, dass es beliebig lange Sequenzen aufeinanderfolgender, gan-zer Zahlen gibt, in denen keine Primzahlen auftreten.

Aufgabe 11Sei ϕ : G1 → G2 ein Gruppenhomomorphismus. Zeigen Sie folgendeBehauptungen:

a) Ist H2 ⊆ G2 eine Untergruppe, dann ist ϕ−1(H2) eine Untergrup-pe von G1.

b) Ist H1 ⊆ G1 eine Untergruppe, dann ist ϕ(H1) eine Untergruppevon G2.

c) ϕ ist injektiv ⇐⇒ ker(ϕ) = {e}.

173

d) ϕ ist ein Isomorphismus ⇐⇒ ϕ ist bijektiv.

e) Sei jetzt ϕ surjektiv. Dann liefert die Abbildung H2 7→ H1 :=ϕ−1(H2) eine Bijektion zwischen den Untergruppen H2 von G2

und den Untergruppen H1 von G1 mit ker(ϕ) ⊆ H1.

Aufgabe 12Sei V := R2 und G := GL(V ) die Gruppe der linearen Isomorphismenvon V . Wir wahlen ein regelmaßiges Sechseck S ⊆ V zentriert in (0, 0).Zeigen Sie, dass H := {g ∈ G | g(S) = S} eine Untergruppe von G ist.Bestimmen Sie dann alle Elemente von H explizit.Solche Invariantengruppen von regelmaßigen n-Ecken heißen Dieder-gruppen. Ist H eine abelsche Gruppe?

Aufgabe 13Bestimmen Sie alle Gruppenstrukturen auf der Menge {x1, x2, x3, x4}mit 4 Elementen und bestimmen Sie jeweils alle Untergruppen.

Aufgabe 14Sei G eine Gruppe und Tg die Linkstranslation mit g ∈ G, die durchTg(x) := gx gegeben ist.

a) Beweisen Sie, dass Tg ∈ S(G), wobei S(G) die Gruppe der bijek-tiven Selbstabbildungen von G bezeichnet.

b) Benutzen Sie das, um den Satz von Cayley zu zeigen, der besagt,dass es einen injektiven Gruppenhomomorphismus von G nachS(G) gibt.

Aufgabe 15Sei H eine nichtleere Teilmenge der Gruppe G. Wir definieren die Re-lation

x ∼ y :⇔ xy−1 ∈ H.

a) Zeigen Sie, dass ∼ genau dann eine Aquivalenzrelation ist, wennH eine Untergruppe von G ist.

174 KAPITEL 7. UBUNGEN

b) Ab jetzt nehmen wir an, dass H eine Untergruppe ist. ZeigenSie, dass die Aquivalenzklassen die Rechtsnebenklassen Hg vonH sind.

c) Geben Sie eine Bijektion von der Menge der Rechtsnebenklassenauf die Menge der Linksnebenklassen an.

d) Beweisen Sie, dass die Mengen der Rechtsnebenklassen mit derreprasentantenweise definierten Multiplikation genau dann einewohldefinierte Gruppe bildet, wenn H ein Normalteiler in G ist.

(Ein kleiner Hinweis zu c) und d). Machen Sie sich die Zusammenhangeauch ganz konkret klar. Z.B. mit G := S3 und H := {id, (12)}.)

Aufgabe 16Bestimmen Sie alle Untergruppen der Diedergruppe D6 aus Aufgabe12. Testen Sie jede Untergruppe, ob sie zyklisch, abelsch, Normalteileroder p-Sylowgruppe ist.

Aufgabe 17Seien K,N Normalteiler von G und K ⊆ N Zeigen Sie folgende Aussa-gen.

a) N/K ist ein Normalteiler in G/K.

b) G/N ∼= (G/K)/(N/K)

Aufgabe 18Welche der in Aufgabe 13 gefundenen Gruppen ist isomorph zu einemdirekten Produkt von nichttrivialen Untergruppen.

Aufgabe 19Beweisen Sie in einem Ring mit 1 die folgenden Aussagen.

a) a · 0 = 0 · a = 0.

b) Das Einselement ist eindeutig.

175

c) −a = (−1) · a.

d) a · (b− c) = a · b− a · c.

Aufgabe 20Gegeben sei ein Integritatsbereich R. Fuhren Sie den QuotientenkorperQuot(R) ein, analog zur Konstruktion von Q aus Z.Zeigen Sie, dass Quot(R) ein Korper ist und dass man R als Unterringvon Quot(R) ansehen kann.

Aufgabe 21Sei I ein Ideal in einem kommutativen Ring R mit 1. Zeigen Sie, dassI genau dann ein Primideal ist, wenn R/I ein Integritatsbereich ist.

Aufgabe 22Seien I, J Ideale in einem kommutativen Ring R mit 1. Beweisen Sie,dass I + J und I ∩ J Ideale sind.

Aufgabe 23In einem kommutativen Ring R mit 1 sei eine aufsteigende Folge

I1 ⊆ I2 ⊆ I3 ⊆ . . .

von Idealen Ij gegeben. Beweisen Sie, dass⋃j∈N

Ij ein Ideal in R ist.

Aufgabe 24Seien m und n teilerfremde ganze Zahlen. Beweisen Sie den chinesischenRestsatz

Z/mnZ ∼= Z/mZ× Z/nZ.

Aufgabe 25Sei R ein Hauptidealbereich und a, b ∈ R. Beweisen Sie, dass kgV(a, b)existiert und dass 〈a〉 ∩ 〈b〉 = 〈kgV(a, b)〉 gilt.

Aufgabe 26Zeigen Sie, dass in einem Hauptidealbereich jedes von {0} verschiedenePrimideal maximal ist.

176 KAPITEL 7. UBUNGEN

Aufgabe 27Geben Sie analog zum Fundamentalsatz der elementaren Zahlentheorieeinen Beweis, dass jeder Polynomring K[X], K ein Korper, faktoriellist.

Aufgabe 28Beschreiben Sie alle Primelemente in R[X]. Nach Aufgabe 27 ist R[X]faktoriell. Was bedeutet das konkret?

Aufgabe 29Bestimmen Sie mit dem euklidischen Algorithmus den großten gemein-samen Teiler der reellen Polynome x6 + 3x4 + 6x3 + 2x2 + 7x + 5 undx5 + 5x2 − 4x− 10.

Aufgabe 30Finden Sie alle Losungen x ∈ Z der folgenden Kongruenzen:

a) 27x ≡ 1 (mod 100),

b) 27x ≡ 1 (mod 1100),

c) x7 ≡ x (mod 7),

d) x8 ≡ x (mod 8).

Aufgabe 31Finden Sie alle Losungen x ∈ Z der folgenden simultanen Kongruenzen:

2x ≡ 3 (mod 5)3x ≡ 5 (mod 7)5x ≡ 7 (mod 11).

Aufgabe 32Formulieren und beweisen Sie die Teilbarkeitsregel der 9 im Dezimal-system.

Aufgabe 33

177

a) Berechnen Sie ϕ(40), ϕ(41) und ϕ(42).

b) Bestimmen Sie alle Losungen x ∈ Z der Kongruenz x16 ≡ 1(mod 40).

Aufgabe 34Bestimmen Sie die Periodenlange der Dezimalbruchentwicklung von99485

.

Aufgabe 35Wir definieren die zahlentheoretische Funktion ε durch ε(1) = 1 undε(n) = 0 fur n 6= 1. Beweisen Sie, dass ε das Neutralelement auf derMenge der multiplikativen zahlentheoretischen Funktionen bezuglichder Faltung ist.

Aufgabe 36Fur eine multiplikative zahlentheoretische Funktion f wurde in der Vor-lesung rekursiv eine zahlentheoretische Funktion f definiert und ge-zeigt, dass sie multiplikativ ist. Beweisen Sie, dass f die Inverse von fbezuglich der Faltung ist.

Aufgabe 37Bestimmen sie die summatorische Funktion der Eulerschen Phi-Funk-tion.

Aufgabe 38Beweisen Sie, dass die Teilersummenfunktion

σ1(n) :=∑d|n

d

eine multiplikative zahlentheoretische Funktion ist.

Aufgabe 39Eine Zahl n ∈ N heißt vollkommen, falls n =

∑d|nd6=n

d.

178 KAPITEL 7. UBUNGEN

a) Formulieren Sie die Definition einer vollkommenen Zahl mit Hilfeder Teilersummenfunktion σ1.

b) Beweisen Sie, dass eine gerade Zahl der Form n = 2k(2k+1 − 1),mit 2k+1 − 1 Primzahl, eine vollkommene Zahl ist.

c*) Versuchen Sie zu beweisen, dass eine gerade vollkommene Zahlimmer die Form wie in b) haben muss.

(Hinweis: Teil c*) ist nicht ganz einfach. Wir werden ihn auch nicht un-bedingt in den Ubungen besprechen. Folgende Uberlegungen sind aberhilfreich: Was ist die Teilersumme einer Primzahl? Wie groß ist dieTeilersumme einer Zahl mindestens? Wenn man den Ansatz n = 2kumacht, was ist dann σ1(n)? Das Ergebnis lasst sich als Teilbarkeitsbe-ziehung deuten. Welche Zahl teilt namlich welche? Jetzt fehlen nur nochein paar Schritte bis man fertig ist.)

Aufgabe 40Bestimmen Sie den Exponenten von 7 in der Primfaktorzerlegung von(

35055

).

Aufgabe 41Sei K ein Korper. Beweisen Sie mit Hilfe des Struktursatzes der end-lichen abelschen Gruppen und des chinesischen Restsatzes, dass jedeendliche Untergruppe von K∗ zyklisch ist.

Aufgabe 42Beweisen Sie mit Hilfe des Gaußschen Kriteriums, dass fur eine ungerade

Primzahl(

2p

)= (−1)

p2−18 gilt (2. Erganzungssatz).

Aufgabe 43Geben Sie ein Beispiel an fur einen quadratischen Nichtrest a moduloeiner ungeraden Zahl b, so dass das Jacobisymbol

(ab

)= 1 ist.

Aufgabe 44Berechnen Sie

(1110501

).

179

Aufgabe 45Ist die Kongruenz x2 + x ≡ 12 (mod 37) losbar in Z?

Aufgabe 46Beweisen Sie, dass jedes reelle Polynom ungeraden Grades mindestenseine reelle Nullstelle hat.

Aufgabe 47Sei K ein Korper und p(x) ∈ K[x]. Fur L := K[x]

/〈p(x)〉 zeigen Sie

folgende Aussagen:

a) L Korper ⇐⇒ p(x) irreduzibel.

b) Die Dimension von L als K-Vektorraum ist gleich dem Grad vonp(x).

Aufgabe 48Zeigen Sie, dass R[x]

/〈x2 + 1〉 isomorph zu C ist.

Aufgabe 49Geben Sie ein Beispiel eines Korpers, fur den es ein Polynom gibt, dasalle Korperelemente als Nullstellen hat.

Aufgabe 50Finden Sie f ∈ Q[x] mit Nullstelle

√2 +√

3.

Aufgabe 51Sei m ∈ Z. Bestimmen Sie das Minimalpolynom von

√m uber Q.

Aufgabe 52Zeigen Sie, dass jedes irreduzible reelle Polynom vom Grad ≤ 2 ist.

Aufgabe 53Bestimmen Sie den Grad der folgenden Korpererweiterungen von Q:a) Q[i

√3 ], b) Q[

√2 +√

2 ], c) Q[ 5√

5 ], d) Q[e2πi5 ].

180 KAPITEL 7. UBUNGEN

Aufgabe 54Zeigen Sie, dass der Korper der algebraischen Zahlen uber Q abzahlbarund damit verschieden von C ist.

Aufgabe 55Geben Sie den Grad des Zerfallungskorpers von x3 − 2 uber Q an.

Aufgabe 56Sei m = p1 · . . . · pk ∈ N Produkt paarweise verschiedener Primzahlenpi. Bestimmen Sie den Grad

[Q[ n√m ] : Q

]fur n ∈ N. Geben Sie dann

die kleinste Galoiserweiterung L/Q an mit Q[ n√m ] ⊆ L ⊆ C.

Aufgabe 57Sei p eine Primzahl und K := (Z/pZ)(t) der Quotientenkorper des Po-lynomrings in der Unbestimmten t mit Koeffizienten im Korper Z/pZ.Zeigen Sie, dass das Polynom p(x) := xp − t ∈ K[x] mehrfache Null-stellen hat und das K[x]/〈p(x)〉 eine nichtseparable Korpererweiterungvon K ist.

Aufgabe 58Gegeben sei eine Galoiserweiterung L/K von endlichem Grad mit Ga-loisgruppe G := Gal(L/K). Beweisen Sie folgende Erganzungen zumHauptsatz der Galoistheorie.

a) Seien H1, H2 Untergruppen von G. Dann gilt

H1 ⊆ H2 ⇐⇒ LH1 ⊇ LH2 .

b) Sei H eine Untergruppe von G. Dann gilt

ord(H) = [L : LH ] und [G : H] = [LH : K].

c) Fur jeden Zwischenkorper K ⊆ F ⊆ L ist L/F eine Galoiserwei-terung.

d) σ ∈ G =⇒ Gal(L/σ(F )) = σ(Gal(L/F ))σ−1.

e) σ ∈ G =⇒ LσHσ−1

= σ(LH).

181

f) Eine Untergruppe H von G ist genau dann Normalteiler von G,wenn LH/K normale Korpererweiterung ist. Folgern Sie, dass indiesem Fall die Gruppen Gal(LH/K) und G/H isomorph sind.

Aufgabe 59Sei ξ5 := e2πi/5. Bestimmen Sie alle Zwischenkorper Q ⊆ F ⊆ Q(ξ5)und ihre Grade [F : Q].

Aufgabe 60Sei G1 eine auflosbare Gruppe und ϕ : G1 → G2 ein Gruppenhomomor-phismus. Zeigen Sie, dass das Bild von ϕ auch eine auflosbare Gruppeist.

Aufgabe 61

a) Welche der angegebenen Winkel ϕ kann man mit Zirkel und Linealdritteln?

1)π

2, 2)

π

5, 3)

π

12.

b) Gegeben sei der Winkel φ =π

7. Welche der folgenden Winkel kann

man aus φ konstruieren?

1)π

14, 2)

π

17, 3)

π

49.

Aufgabe 62Fur welche n ≤ 50 ist das regelmaßige n-Eck mit Zirkel und Linealkonstruierbar?

Index

K-algebraisch, 120K-transzendent, 120K-Homomorphismus von Korper-

erweiterungen, 124Aquivalenzrelation, 35

abelsche Gruppe, 30Abgeschlossenheit, 31Abspaltung von Nullstellen, 112Addition in N, 6algebraisch abgeschlossen, 127allgemeines Polynom, 164alternierende Gruppe, 46Artinsches Lemma, 165Assoziativitat, 29auflosbar, 148, 164Automorphismengruppe, 141, 144

Charakteristik, 117chinesischer Restsatz, 59, 76

Delisches Problem, 159diophantische Gleichung, 17direktes Produkt, 48Division mit Rest, 16, 68, 112

Einheit, 51Eisenstein-Kriterium, 133endliche Gruppen, 47

Erster Erganzungssatz, 102, 107Erzeugende, 61erzeugte Untergruppe, 38Euklid, 25euklidischer Algorithmus, 16euklidischer Ring, 68Eulersche ϕ-Funktion, 78, 79, 84Eulersches Kriterium, 102Exponent in der Primfaktorzerle-

gung, 23

fuhrender Koeffizient, 113Faktorgruppe, 42, 43faktoriell, 69Faktorring, 55Faltung, 85Fermat, 80Fermat-Primzahl, 160Fixkorper, 141Fundamentalsatz der Algebra, 127Fundamentalsatz der Zahlentheo-

rie, 22

Galoiserweiterung, 144Galoisgruppe, 144ganze Zahlen, 10Gauß-Lemma, 131Gaußsches Kriterium, 103

182

INDEX 183

ggT, 13, 63Grad, 66, 115Gradformel, 67, 117Gruppe, 29

Eigenschaften, 30Gruppenhomomorphismus, 31

Eigenschaften, 32Gruppentheorie, 29

Hohensatz, 155Halbgruppe, 33Hauptideal, 61Hauptidealbereich, 61Hauptsatz der Galoistheorie, 145Homomorphiesatz, 44, 56Homomorphismus, 31, 52

Ideal, 54Induktion, 5, 10Inhalt, 131Integritatsbereich, 50inverses Element, 29irreduzibel, 63

Jacobi-Symbol, 104

Korpererweiterung, 115Korperhomomorphismus, 124Kern, 32, 55kgV, 13, 63Kleiner Satz von Fermat, 80Koeffizienten, 66Kommutativer Ring, 49Kommutativitat, 29kongruent, 73Konstruktion mit Zirkel und Line-

al, 153

Kreisteilungspolynom, 150

Legendre-Symbol, 102Lemma von Bezout, 20Linkstranslation, 37

Mobiussche µ-Funktion, 84Mobiussche Umkehrformel, 89Maximalideal, 57Minimalpolynom, 121Monoid, 33Multiplikation in N, 8Multiplizitat, 113

Nachfolger, 5Nebenklasse, 35neutrales Element, 29normal, 135Normalreihe, 148Normalteiler, 42Nullteiler, 50nullteilerfrei, 50

Oberkorper, 115Ordnung, 7, 12, 38, 40

p-Sylow-Untergruppe, 47Peano-Axiome, 5Permutationsgrupppe, 34Polynom, 66prim, 63Primfaktorzerlegung, 21Primideal, 57Primzahl, 11, 12

Charakterisierung, 21Primzahlsatz, 25, 26Primzahlzwilling, 14

184 INDEX

Produkt von Ringen, 53

quadratischer Rest, 100quadratisches Reziprozitatsgesetz,

108Quadratur des Kreises, 159Quotientenkorper, 52, 162

Radikale, 164Reflexivitat, 35Regelmaßiges n-Eck, 159Reprasentantensystem, 37Restklasse, 55Restklassenring, 54Riemannsche Vermutung, 27Riemannsche Zeta-Funktion, 26Ring, 49Ring der Polynome, 71Ringhomomorphismus, 52Ringisomorphismus, 52

Satz vom kleinsten Element, 8Satz vom primitiven Element, 139Satz von der Division mit Rest, 16Satz von Euler, 41, 80Satz von Kummer, 91Satz von Lagrange, 38Satz von Lindemann, 159Satz von Vieta, 161Satz von Wilson, 80Selbstabbildungen, 34separabel, 138Signatur, 46simultane Kongruenzen, 77Subtraktion, 50summatorische Funktion, 89

Sylow-Untergruppe, 47Symmetrie, 35symmetrische Gruppe, 34

Teilbarkeit der 11, 74Teilbarkeit der 3, 74Teiler, 11, 51Teilermenge, 12Teilkorper, 115Totalordnung, 8Transitivitat, 35Translation, 37

Untergruppe, 31Urbild, 33

Vielfache, 11, 51Vielfachmenge, 13vollstandige Induktion, 10

Winkelteilung, 159

zahlentheoretische Funktion, 84multiplikativ, 84multiplikative, 84

Zentrum, 148Zerfallungskorper, 127Zweiter Erganzungssatz, 104, 107zyklotomische Korper, 151

Literaturverzeichnis

[1] S. Bosch: Algebra, 4. uberarbeitete Auflage. Berlin: Springer(2001).

[2] E. Landau: Grundlagen der Analysis. Darmstadt: Wissenschaftli-che Buchgesellschaft (1970).

[3] P. Ribenboim: Die Welt der Primzahlen. Springer (2006).

[4] J. Wolfart: Einfuhrung in die Zahlentheorie und Algebra. Vieweg(1996).

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