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1 | Prävention und Gesundheitsförderung X · 2013 Schule Einleitung Der Alkoholkonsum ist in unserer Gesell- schaft kulturell verankert und 88,8 % der Bevölkerung haben in ihrem Leben Alko- hol konsumiert [3]. Jugendlicher Alkohol- konsum ist dabei weniger unter dem As- pekt einer drohenden Abhängigkeit, son- dern unter problematischen Aspekten wie riskantem Verhalten im Verkehr, Gewalt, Krankenhausaufenthalte und riskantem Sexualverhalten zu sehen, das durch exzes- sives Trinken von alkoholischen Geträn- ken begünstigt wird. Auch wenn der Alko- holkonsum von Jugendlichen in Deutsch- land in den letzten Jahren rückläufig ist, ist die Anzahl behandelter Alkoholintoxi- kationen in der Gruppe der 10- bis 17-Jäh- rigen mit knapp 26.000 Krankenhausauf- enthalten auf einem hohen Stand [5]. Den Eltern als primäre Bezugspersonen obliegt die Aufgabe, ihre Kinder aufzuklären und ihnen einen verantwortungsvollen Um- gang mit Alkohol zu vermitteln. Es gibt viele sich teilweise widersprechende El- ternratgeber, aber kaum empirisch abge- sicherte Leitlinien zur Vermeidung kurz- fristiger Schäden eines exzessiven Alko- holkonsums von Kindern und Jugendli- chen. Auch eine von der britischen Regie- rung in Auftrag gegebene umfangreiche Studie konnte nur eher allgemeine Hand- lungsempfehlungen generieren [4]. Grundsätzlich scheint ein früher Be- ginn des Alkoholkonsums zu einem er- höhten Risiko von alkoholbedingten Pro- blemen zu führen [15]. Frühe alkoholbe- zogene Kommunikation mit den Kin- dern und klare Regeln erwiesen sich in vielen Studien als ein protektiver Faktor [6, 10, 13, 20, 21]. Dabei scheint der el- terliche Einfluss größer zu sein, als viele Eltern wahrnehmen [16], wobei eine gu- te Eltern-Kind-Beziehung, die sich durch eine offene Kommunikation, Akzeptanz und Begleitung kindlicher/jugendlicher Aktivitäten auszeichnet, einen wirksa- men Schutz gegen einen übermäßigen Al- koholkonsum darstellen kann [14]. Dabei geht es nicht darum, ein zeitweises Risiko- verhalten auch beim Alkoholkonsum ge- nerell zu verurteilen, sondern dessen Ri- siken zu minimieren [1, 19]. Diese Studie, die Ergebnisse einer El- ternbefragung präsentiert, soll Aufschluss darüber geben, wie gut die Eltern über den Alkoholkonsum ihrer Kinder infor- miert sind, welche alkoholbezogenen Re- geln sie für sinnvoll halten und anwenden und wie sie auf einen möglichen (exzes- siven) Alkoholkonsum ihrer Kinder re- agieren würden. Dabei geht es in erster Linie um riskante Verhaltensweisen, die es präventiv zu verhindern gilt. Die Eltern werden nach wie vor vergleichsweise sel- ten in präventive Programme und Projek- te im Kindes- und Jugendbereich einge- bunden, die sich auf den Gebrauch psy- choaktiver Substanzen beziehen. Präven- tionsbausteine können dazu beitragen, El- tern in der alkoholbezogenen Kommuni- kation mit ihren Kindern zu unterstützen. Methode Design der Studie Für die vorliegende Auswertung wurden die Erhebungsdaten der Erstbefragung der Eltern im Modellvorhaben „Eltern stärken für den Umgang mit dem Alko- holkonsum ihrer Kinder“ analysiert. Bei der dort evaluierten Intervention handel- te es sich um eine Informationsveranstal- tung, die im Rahmen von Elternabenden an allgemeinbildenden Schulen der Klas- senstufen 8–10 durchgeführt wurde. Mit dieser Maßnahme sollte unter aktiver Einbeziehung der Eltern ein risikoarmer Alkoholkonsum der eigenen Kinder ge- fördert sowie v. a. kurzfristige Schäden eines exzessiven Gebrauchs von Alko- hol verhindert werden. Im Rahmen die- ser Maßnahme wurden den Eltern Hand- lungsempfehlungen bzw. Regeln vermit- telt, die zuvor in dem Projekt „Hand- lungsempfehlungen für Eltern bezüglich des Umgangs ihrer Kinder mit alkoholi- schen Getränken“ auf wissenschaftlicher Grundlage ermittelt wurden [9]. Vor Beginn der Interventionen erfolg- te eine schriftliche Befragung der Eltern der einbezogenen Klassen. Die Erstbefra- gung der Eltern fand im September und Oktober 2012 in vier Bundesländern (Ba- den-Württemberg, Berlin, Sachsen und Schleswig-Holstein) in den Klassenstu- fen 8, 9 und 10 statt. Die Elternfragebö- gen wurden den Schülern mitgegeben, der Rücklauf erfolgte in einem verschlos- senen Umschlag ebenfalls über die Schü- ler. Die Lehrkräfte leiteten die Umschläge an das ISD weiter. Die Eltern hatten dar- über hinaus die Möglichkeit, den Frage- bogen auf dem Postwege zu übermitteln. Nur wenige Eltern wählten diesen Rück- laufweg. Die anonyme Befragung berück- sichtigte die datenschutzrechtlichen Re- gelungen der vier beteiligten Bundeslän- der; ein Votum der Ethikkommissionen war nicht erforderlich. Angestrebt wurde eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Befragungs- Silke Kuhn 1 · Jens Kalke 2 · Sven Buth 2 · Philipp Hiller 1 · Jens Reimer 1 1 UKE – Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS), Hamburg, Deutschland 2 Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD), Hamburg, Deutschland Alkoholkonsum der Kinder Elterliche Gespräche und familiäre Regeln Präv Gesundheitsf 2013 DOI 10.1007/s11553-013-0426-x © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Alkoholkonsum der Kinder; Alcohol consumption of children;

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Page 1: Alkoholkonsum der Kinder; Alcohol consumption of children;

1| Prävention und Gesundheitsförderung X · 2013

Schule

Einleitung

Der Alkoholkonsum ist in unserer Gesell-schaft kulturell verankert und 88,8 % der Bevölkerung haben in ihrem Leben Alko-hol konsumiert [3]. Jugendlicher Alkohol-konsum ist dabei weniger unter dem As-pekt einer drohenden Abhängigkeit, son-dern unter problematischen Aspekten wie riskantem Verhalten im Verkehr, Gewalt, Krankenhausaufenthalte und riskantem Sexualverhalten zu sehen, das durch exzes-sives Trinken von alkoholischen Geträn-ken begünstigt wird. Auch wenn der Alko-holkonsum von Jugendlichen in Deutsch-land in den letzten Jahren rückläufig ist, ist die Anzahl behandelter Alkoholintoxi-kationen in der Gruppe der 10- bis 17-Jäh-rigen mit knapp 26.000 Krankenhausauf-enthalten auf einem hohen Stand [5]. Den Eltern als primäre Bezugspersonen obliegt die Aufgabe, ihre Kinder aufzuklären und ihnen einen verantwortungsvollen Um-gang mit Alkohol zu vermitteln. Es gibt viele sich teilweise widersprechende El-ternratgeber, aber kaum empirisch abge-sicherte Leitlinien zur Vermeidung kurz-fristiger Schäden eines exzessiven Alko-holkonsums von Kindern und Jugendli-chen. Auch eine von der britischen Regie-rung in Auftrag gegebene umfangreiche Studie konnte nur eher allgemeine Hand-lungsempfehlungen generieren [4].

Grundsätzlich scheint ein früher Be-ginn des Alkoholkonsums zu einem er-höhten Risiko von alkoholbedingten Pro-blemen zu führen [15]. Frühe alkoholbe-zogene Kommunikation mit den Kin-dern und klare Regeln erwiesen sich in vielen Studien als ein protektiver Faktor [6, 10, 13, 20, 21]. Dabei scheint der el-

terliche Einfluss größer zu sein, als viele Eltern wahrnehmen [16], wobei eine gu-te Eltern-Kind-Beziehung, die sich durch eine offene Kommunikation, Akzeptanz und Begleitung kindlicher/jugendlicher Aktivitäten auszeichnet, einen wirksa-men Schutz gegen einen übermäßigen Al-koholkonsum darstellen kann [14]. Dabei geht es nicht darum, ein zeitweises Risiko-verhalten auch beim Alkoholkonsum ge-nerell zu verurteilen, sondern dessen Ri-siken zu minimieren [1, 19].

Diese Studie, die Ergebnisse einer El-ternbefragung präsentiert, soll Aufschluss darüber geben, wie gut die Eltern über den Alkoholkonsum ihrer Kinder infor-miert sind, welche alkoholbezogenen Re-geln sie für sinnvoll halten und anwenden und wie sie auf einen möglichen (exzes-siven) Alkoholkonsum ihrer Kinder re-agieren würden. Dabei geht es in erster Linie um riskante Verhaltensweisen, die es präventiv zu verhindern gilt. Die Eltern werden nach wie vor vergleichsweise sel-ten in präventive Programme und Projek-te im Kindes- und Jugendbereich einge-bunden, die sich auf den Gebrauch psy-choaktiver Substanzen beziehen. Präven-tionsbausteine können dazu beitragen, El-tern in der alkoholbezogenen Kommuni-kation mit ihren Kindern zu unterstützen.

Methode

Design der Studie

Für die vorliegende Auswertung wurden die Erhebungsdaten der Erstbefragung der Eltern im Modellvorhaben „Eltern stärken für den Umgang mit dem Alko-holkonsum ihrer Kinder“ analysiert. Bei

der dort evaluierten Intervention handel-te es sich um eine Informationsveranstal-tung, die im Rahmen von Elternabenden an allgemeinbildenden Schulen der Klas-senstufen 8–10 durchgeführt wurde. Mit dieser Maßnahme sollte unter aktiver Einbeziehung der Eltern ein risikoarmer Alkoholkonsum der eigenen Kinder ge-fördert sowie v. a. kurzfristige Schäden eines exzessiven Gebrauchs von Alko-hol verhindert werden. Im Rahmen die-ser Maßnahme wurden den Eltern Hand-lungsempfehlungen bzw. Regeln vermit-telt, die zuvor in dem Projekt „Hand-lungsempfehlungen für Eltern bezüglich des Umgangs ihrer Kinder mit alkoholi-schen Getränken“ auf wissenschaftlicher Grundlage ermittelt wurden [9].

Vor Beginn der Interventionen erfolg-te eine schriftliche Befragung der Eltern der einbezogenen Klassen. Die Erstbefra-gung der Eltern fand im September und Oktober 2012 in vier Bundesländern (Ba-den-Württemberg, Berlin, Sachsen und Schleswig-Holstein) in den Klassenstu-fen 8, 9 und 10 statt. Die Elternfragebö-gen wurden den Schülern mitgegeben, der Rücklauf erfolgte in einem verschlos-senen Umschlag ebenfalls über die Schü-ler. Die Lehrkräfte leiteten die Umschläge an das ISD weiter. Die Eltern hatten dar-über hinaus die Möglichkeit, den Frage-bogen auf dem Postwege zu übermitteln. Nur wenige Eltern wählten diesen Rück-laufweg. Die anonyme Befragung berück-sichtigte die datenschutzrechtlichen Re-gelungen der vier beteiligten Bundeslän-der; ein Votum der Ethikkommissionen war nicht erforderlich.

Angestrebt wurde eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Befragungs-

Silke Kuhn1 · Jens Kalke2 · Sven Buth2 · Philipp Hiller1 · Jens Reimer1

1UKE – Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie,

Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS), Hamburg, Deutschland2Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD), Hamburg, Deutschland

Alkoholkonsum der Kinder

Elterliche Gespräche und familiäre Regeln

Präv Gesundheitsf 2013DOI 10.1007/s11553-013-0426-x

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Page 2: Alkoholkonsum der Kinder; Alcohol consumption of children;

Schule

2 | Prävention und Gesundheitsförderung X · 2013

teilnehmer nach Schultypen, Klassenstu-fen und Bundesländern. Die Auswahl der Bundesländer gewährleistet, dass sowohl ein Stadtstaat als auch Flächenstaaten aus dem Norden, Süden und Osten Deutsch-lands beteiligt sind. Die Befragung in den Klassenstufen 8, 9 und 10 berücksich-tigt, dass in der Regel in einem Alter von 13–17 Jahren mit dem Konsum alkoho-lischer Getränke begonnen wird. Die ge-plante differenzierte Auswertung nach den klassischen Schultypen konnte auf-grund zu kleiner Fallzahlen der Schul-typen „Hauptschule“ und „Realschule“ nicht vorgenommen werden. Daher wur-den die Schulformen zwei Kategorien zu-geordnet, dem „Gymnasium“ und der „integrierten Schulform“.

Fragebogen

In der Eingangserhebung wurden u. a. die elterlichen Regeln im Umgang mit

dem Alkoholkonsum der Kinder sowie die Reaktion auf möglichen Alkoholkon-sum abgefragt. Darüber hinaus sollten die Eltern ihre Kommunikation mit den Kin-dern, sowie ihren elterlichen Einfluss und ihre eigenen Kenntnisse zum Thema Al-kohol bewerten. Die Antwortkategorien waren jeweils vorgegeben und durch die Möglichkeit einer offenen Kategorie er-gänzt. Um die Akzeptanz der Erhebung nicht zu gefährden, wurde auf die Erhe-bung soziodemografischer Angaben der Elterngruppe verzichtet. Die Verständ-lichkeit und Akzeptanz des Fragebogens wurde im Rahmen von Pretests geprüft.

Auswertung

Der anonymisierte Rücklauf wurde mit dem Statistikprogramm SPSS, Ver-sion 18.0, ausgewertet. Der Rohdatensatz wurde einer Plausibilitätsprüfung unter-zogen. Die deskriptiven und inferenzsta-

tistischen Berechnungen erfolgten ent-sprechend dem jeweiligen Skalenniveau der Daten.

Ergebnisse

Insgesamt haben 2793 Eltern einen aus-wertbaren Fragebogen zurückgeschickt. Dies entspricht einem Rücklauf von 61 %. Es wurde nicht erhoben, ob Mut-ter oder Vater oder beide Elternteile ge-meinsam den Fragebogen ausgefüllt ha-ben. Die Rücklaufquote liegt auf dem Niveau anderer schriftlicher Elternbefra-gungen an bundesdeutschen Schulen (50 und 38,3 %) und kann als zufriedenstel-lend bezeichnet werden [11, 22].

Während zu den befragten Eltern selbst keine soziodemografischen Va-riablen erhoben worden sind, liegen zu ihren Kindern einige Informationen vor (. Tab. 1).

Verstärkt sind Eltern von Schülern der Klassenstufen 8. und 9. erreicht wor-den. Insgesamt stellen sie drei Viertel der Untersuchungsstichprobe. Ein weiteres Viertel hat Kinder, welche die Klassenstu-fe 10. besuchen. Der Anteil der Schüler und Schülerinnen, die auf einem Gymna-sium unterrichtet werden, liegt bei 43,1 %. 87,3 % der Schüler und Schülerinnen sind zwischen 13 und 15 Jahre alt. Da weni-ger Eltern von Zehntklässlern erreicht wurden, ist der Anteil älterer Schüler und Schülerinnen geringer.

Die 8. Klasse besuchen 38,6 % der Schüler und Schülerinnen, unabhängig von der Schulform. Obwohl mehr Gym-nasialschüler die 10. Klassenstufe besu-chen, sind sie in dieser Erhebung jünger.

Familiäre alkoholbezogene Kommunikation

Nur wenige Eltern (4,8 %) haben noch nicht mit ihren Kindern über die Grün-de, Wirkungen und möglichen Folgen des Trinkens von Alkohol gesprochen. Dies ist unabhängig vom Alter der Kin-der. Wurde schon über Alkohol gespro-chen, so wird die Intensität der Gesprä-che als mittel bis ausführlich eingeschätzt. Nur 15,2 % der befragten Eltern schätzen ihre Gespräche als kurz ein (. Tab. 2).

Die Häufigkeit von alkoholbezogenen Gesprächen ist unabhängig von der Schul-

Tab. 1 Allgemeine Angaben zu den KindernGymnasium [n (%)] Integrierte Schulform [n (%)] Prozentualer Anteil

Geschlecht

Weiblich 649 (46,2) 756 (53,8) 52,9

Männlich 497 (39,7) 755 (60,3) 47,1

Klassenstufe

8. Klasse 440 (43,9) 562 (56,1) 38,6

9. Klasse 393 (40,3) 582 (59,7) 37,6

10. Klasse 296 (47,8) 323 (52,2) 23,6

Alter der Schüler (in Jahren)

12 31 (86,1) 5 (13,9) 1,4

13 327 (52,2) 300 (47,8) 23,7

14 401 (42,8) 536 (57,2) 35,4

15 309 (41,4) 437 (58,6) 28,2

16 71 (28,1) 182 (71,9) 9,6

17 4 (9,5) 38 (90,5) 1,6

18 0 8 (100) 0,3

Mittelwert = 14,3

Tab. 2 Häufigkeit und Ausführlichkeit der elterlichen alkoholbezogenen GesprächeHäufigkeit von Gesprächen (n = 2.686) Alter der Schüler (Jahre)

12–13 14 15 16–18 Gesamt

Gar nicht (%) 5,4 4,2 4,6 5,8 4,8

Einmal (%) 8,4 7,5 6,3 9,4 7,6

2- bis 3-mal (%) 37,9 37,4 29,1 27,6 34,0

≥ 4-mal (%) 48,3 50,9 60,1 57,1 53,6

Ausführlichkeit von Gesprächen (n = 2.616)

Eher kurz (%) 15,8 15,7 14,1 14,8 15,2

Mittel (%) 48,1 45,7 42,5 40,3 44,8

Ausführlich (%) 36,1 38,5 43,4 44,9 40,1

Page 3: Alkoholkonsum der Kinder; Alcohol consumption of children;

3| Prävention und Gesundheitsförderung X · 2013

Zusammenfassung · Abstract

form, die Ausführlichkeit nicht. Wäh-rend 44,9 % der Eltern von Kindern an-derer Schulformen ausführlich mit ihren Kindern sprechen, sind es nur 33,4 % der Gymnasialeltern (χ2 = 45,57; p < 0,001).

In diesen Gesprächen betonen die El-tern besonders, dass Alkoholkonsum zu gesundheitlichen Schäden (88,1 %) oder in eine Abhängigkeit führen kann (84,1 %). Darüber hinaus werden die kurzfristigen Folgen eines übermäßi-gen Alkoholkonsums betont, wie z. B. die Gefahr von Unfällen im betrunkenen Zustand (80,8 %), Aggressivität unter Alkoholeinfluss (64,2 %) oder bereu-ten Sexualkontakten (36,0 %). Eine neu-trale oder positive Bewertung des Alko-hols wird vor den Kindern selten vorge-nommen. So sprechen nur 9,3 % der El-tern über die Verankerung des Alkohols in unserer Gesellschaft oder das Alkohol wegen seines Geschmacks (5,9 %) bzw. bei geselligem Zusammensein (3,7 %) ge-trunken wird. Der Gebrauch von Alkohol als Mittel der Kontakterleichterung oder zum Stressabbau wird nur von 3,1 % bzw. 2,1 % der Eltern erwähnt.

Alkoholkonsum der Kinder

So gut wie keine Eltern schätzen, dass ihr Kind mehrmals in der Woche Alkohol konsumiert (. Tab. 3). Die Einschätzung des jugendlichen Alkoholkonsums steht in einem deutlichen Zusammenhang mit dem Alter der Kinder. Während knapp 74 % der 12- bis 13-Jährigen nach Eltern-angaben noch keinen Alkohol probiert haben, sind es bei den Älteren (≥16 Jah-re) nur noch 25,0 %. Geben die Eltern an, dass ihr Kind ca. einmal im Monat Al-kohol trinkt, so findet sich ein deutlicher Anstieg zwischen dem 14. und 15. Le-bensjahr. Während 6,4 % der 14-Jährigen einmal pro Monat Alkohol trinken, sind es mit 15 Jahren schon 19,0 %. Beim re-gelmäßigen Konsum „an den Wochen-enden“ findet ein deutlicher Anstieg zwi-schen dem 15. und 16. Lebensjahr statt. Knapp 5 % der 15-Jährigen konsumieren nach der elterlichen Einschätzung an den Wochenendtagen Alkohol, bei den 16- bis 18-Jährigen sind es bereits 12 %.

Die Unterschiede zwischen Mäd-chen und Jungen sind gering. Nach El-ternangaben haben 48,2 % der Schüler

und 50,2 % der Schülerinnen noch kei-nen Alkohol probiert. Während dies von 53,7 % der Gymnasialeltern eingeschätzt wird, sind nur 45,8 % der Eltern ande-rer Schulformen davon überzeugt, dass ihr Kind bisher abstinent ist (χ2 = 15,81;

p < 0,001). Unabhängig vom Geschlecht trinkt ein Zehntel ca. einmal im Monat Alkohol. An den Wochenenden konsu-mieren 4,0 % der Schüler und 2,7 % der Schülerinnen regelmäßig Alkohol (Ein-schätzung der Eltern).

Präv Gesundheitsf 2013 DOI 10.1007/s11553-013-0426-x© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

S. Kuhn · J. Kalke · S. Buth · P. Hiller · J. Reimer

Alkoholkonsum der Kinder. Elterliche Gespräche und familiäre Regeln

ZusammenfassungFragestellung. Anhand der Erstbefragung der Eltern im Modellvorhaben „Eltern stärken für den Umgang mit dem Alkoholkonsum ihrer Kinder“ wurde erhoben, wie gut die El-tern über jugendlichen Alkoholkonsum in-formiert sind und welche alkoholbezogenen Regeln sie im Umgang mit ihren Kindern für sinnvoll halten. Weiterhin wurden die Reak-tionen der Eltern auf einen Rauschzustand der Kinder erhoben.Methode. Es wurden 2793 Eltern von Schülern und Schülerinnen der Klassenstu-fen 8–10 in Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen und Schleswig-Holstein befragt. Der Rücklauf der Fragebögen erfolgte über die Lehrkräfte.Ergebnisse. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Eltern zum Thema „Erziehung und Alko-holkonsum der Kinder“ gut informiert füh-len. Als Informationsquelle nutzen 71 % das Internet. Zirka 95 % der Eltern haben bereits mit ihren Kindern über Alkoholkonsum ge-sprochen, wobei sie v. a. vor gesundheitli-

chen Schäden und einer Abhängigkeitsent-wicklung warnen. Diejenigen Verhaltensre-geln, die einen sicheren Heimweg der Kinder garantieren sollen, werden von den Eltern fa-vorisiert. Als Reaktion auf Regelverstöße su-chen die Eltern vorrangig das Gespräch mit ihren Kindern. Der Vergleich mit aktuellen Er-hebungen unter Jugendlichen zeigt, dass die Eltern den Alkoholkonsum ihrer Kinder unter-schätzen.Schlussfolgerungen. Alkohol und seine Folgen sind ein Gesprächsthema unter El-tern und Kindern. Dabei brauchen die Eltern Unterstützung, um sachlich und jugendge-recht zu argumentieren. Um die Eltern zu er-reichen, sollten suchtpräventive Maßnah-men verstärkt das Internet als Aufklärungs-medium nutzen.

SchlüsselwörterAlkohol · Jugendliche · Eltern-Kind-Kommunikation · Elterliche Regeln

Alcohol consumption of children. Parental talks and family rules

AbstractObjective. Based on the initial survey of the project “Strengthen parents for dealing with the alcohol consumption of their chil-dren” parental style was quantified. The sur-vey addressed the following issues: 1. The parents information of the alcohol consump-tion of their adolescents. 2. Adequate rules when dealing with the alcohol consumption of their children. 3. Parent’s reactions to a po-tential intoxication of their children.Method. 2,793 parents of students in grades 8–10 were surveyed in Baden-Württemberg, Berlin, Saxony and Schleswig-Holstein. The questionnaires were passed back through the teachers. The questionnaires were col-lected by the teachers.Results. The results show that parents feel well informed about alcohol related educa-tion of children. 71 % use the internet as an information source. Approx. 95 % of the par-

ents have talked with their children about alcohol consumption, particularly adviced them of health damages and development of dependence. Those rules of behavior guar-anteeing a safe way home are favored by par-ents. In response to rule violations the par-ents talk with their children first. The com-parison with current youth surveys shows that parents underestimate their children’s drinking.Conclusions. Alcohol and its consequenc-es are a topic of conversation among parents and children. The parents need support to ar-gue objectively and according to youth. The Internet should be used for drug prevention education activities.

KeywordsAlcohol use · Adolescent · Parental communication · Parenting

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Schule

4 | Prävention und Gesundheitsförderung X · 2013

Elterlicher Einfluss auf das Trinkverhalten der Kinder

Unabhängig von der Schulform schät-zen die Eltern ihren Einfluss auf den Al-koholkonsum ihrer Kinder als „stark“ ein. Mit dem zunehmenden Alter der Kinder schwächt sich der angenommene Einfluss nur leicht von 2,04 bei den 12- bis 13-Jäh-rigen auf 2,24 bei den 16- bis 18-Jährigen ab (Mittelwert; 1 = sehr stark bis 5 = gar nicht). Es zeigt sich ein Zusammenhang zwischen dem Konsumverhalten und der Einschätzung des elterlichen Einflusses (Spearman-Rho = 0,214; p < 0,001), d. h. je häufiger das Kind konsumiert, des-to weniger Einfluss meinen die Eltern zu haben. Anderseits schätzen die El-tern ihren Einfluss auf den Alkoholkon-sum ihrer Kinder umso höher ein, je stär-ker sie auf die Einhaltung alkoholbezoge-ner familiärer Regeln achten (Spearman-Rho = 0,325; p < 0,001).

Informationsgrad und -quellen der Eltern zum Thema Alkohol

Die Eltern fühlen sich allgemein zum Thema Alkohol gut informiert und errei-chen einen Mittelwert von 4,09 (1 = sehr schlecht bis 5 = sehr gut). Ebenfalls gut in-formiert fühlen sich die Eltern zum The-ma „Erziehung und Alkoholkonsum Ihrer Kinder“ (Mittelwert = 3,91, s. . Tab. 4). Beide Angaben sind unabhängig von der Schulform oder dem Geschlecht der Kin-der. Das Internet ist die bevorzugte Quel-le für Informationen zum Thema „Kin-der und Alkohol“. Es wird von 70,3 % der Eltern genutzt. Des Weiteren werden – wenngleich zu bemerkenswert geringe-ren Anteilen – Bücher oder Zeitschriften (40,1 %) sowie Freunde (38,6 %), Sucht-beratungsstellen (33,4 %), Familien- und

Erziehungsberatungen (25,7 %), Sucht-präventionsstellen (21,1 %) und die Schu-le (13,4 %) genannt.

Elterlicher Umgang mit dem Alkoholkonsum ihrer Kinder

Es wurden sieben Regeln bzw. Formen der Unterstützung vorgegeben, die Eltern helfen sollen, Probleme ihrer Kinder auf-grund des Trinkens von Alkohol zu ver-meiden. Die befragten Eltern halten die-jenigen Regeln zur Vermeidung negati-ver Folgen des Alkoholkonsums für be-sonders geeignet, die darauf abzielen, dass die Kinder nach einem möglichen Alkoholkonsum wieder sicher zu Hause ankommen (. Tab. 5). 88,9 % der El-tern stimmen voll oder eher zu, dass die Partys der Kinder bis zum 16. Lebensjahr alkoholfrei bleiben sollen. Bezüglich des Verbotes von Mixgetränken ist die Hal-tung der Eltern gespalten. Insgesamt zeigt sich jedoch ein höherer Anteil an Eltern (55,3 %), die ein Verbot für eher oder sehr geeignet halten, um einem problemati-schen Alkoholkonsum ihrer Kinder vor-zubeugen. Eher gegen den gemeinsamen Alkoholeinkauf der Eltern mit ihren Kin-dern sprechen sich 70,8 % der Eltern aus.

Werden aufgestellte häusliche Regeln zum Umgang mit Alkohol von den Kin-dern missachtet, so geben die meisten El-tern (68,1 %) an, dass sie mit ihren Kin-dern über die möglichen Folgen des Al-koholkonsums sprechen würden. Gleich-zeitig würden sie zu 59,0 % ihre Missbilli-gung deutlich machen und sich zu 34,6 % konkrete Konsequenzen überlegen. Zu 46,3 % würden sie ihrem Kind Hilfe an-bieten. Nur sehr wenige Eltern würden bei einer Besserung des Verhaltens Be-lohnungen in Aussicht stellen (3,2 %) oder über die Verletzung der Regeln hin-

weggehen (0,4 %). Die . Tab. 6 zeigt die antizipierten oder tatsächlichen Reaktio-nen der Eltern auf eine Regelverletzung nach dem Alter der Kinder. Ab dem 16. Lebensjahr der Kinder würden die Eltern weniger häufig mit Missbilligung oder Strafen reagieren. In der Reaktion auf die Verletzung elterlicher Regeln unterschei-den sich die Eltern beider Schulformen nur wenig. Die Gymnasialeltern würden weniger häufig ein Gespräch über die Fol-gen des Alkoholkonsums führen (Gym-nasium: 65,9 % vs. andere Schulform: 70,5 %; χ2 = 6,40; p < 0,05) und häufiger direkt ihre Missbilligung zum Ausdruck bringen (Gymnasium: 66,0 % vs. andere Schulform: 54,5 %; χ2 = 38,15; p < 0,001).

Auf einen Rauschzustand des eigenen Kindes im Anschluss an eine Party wür-den die meisten Eltern besonnen reagie-ren. So würden 83,2 % am nächsten Mor-gen mit dem Kind in Ruhe sprechen und nach den Gründen des Rausches fragen (76,2 %). Deutlich weniger Eltern wür-den mit sofortiger Missbilligung (23,6 %) reagieren oder Kontakt zu den Freunden des Kindes aufnehmen (19,1 %). Extre-meren Positionen, wie sofortiges Bestra-fen (9,3 %) oder dem Ignorieren des Zu-standes (1,3 %), stimmen nur wenige El-tern zu. Ebenso wie bei der Verletzung el-terlicher Regeln durch die Kinder würden die Gymnasialeltern häufiger als die El-tern anderer Schulformen mit sofortiger Missbilligung auf einen Rauschzustand der Kinder reagieren (29,0 % vs. 19,7 %; χ2 = 31,55; p < 0,001), jedoch auch häu-figer ein ruhiges Gespräch am nächsten Tag führen (86,1 % vs. 82,2 %; χ2 = 7,75; p < 0,01).

Diskussion

Aus der internationalen Literatur ist be-kannt, dass frühe und offene Eltern-Kind-Gespräche dazu beitragen, dass die Kin-der lebenszeitlich später und weniger in-tensiv Alkohol konsumieren [10]. Eine of-fene Kommunikation über das Thema Al-kohol ist v. a. vor dem ersten Kontakt der Kinder mit Alkohol protektiv [6, 20, 21]. Die allermeisten Eltern in dieser Studie haben mit ihren Kindern schon mehr-fach über das Thema Alkohol gespro-chen. 86 % der Eltern von 12- und 13-jäh-rigen Schülern und Schülerinnen haben

Tab. 3 Häufigkeit des Alkoholkonsums der Schüler und Schülerinnen nach Elternangabe (n = 2.659)Häufigkeit des Alkoholkonsums (%)

Alter der SchülerInnen (Jahre)

12–13 Jahre 14 Jahre 15 Jahre 16–18 Jahre Gesamt

Gar nicht 73,7 52,2 33,9 25,0 49,3

Einmal probiert 23,0 38,3 39,5 30,7 34,1

Ca. einmal im Monat 1,7 6,4 19,0 26,3 11,1

An den Wochenenden 0,6 1,1 4,9 12,0 3,3

Mehrmals wöchentlich 0,2 0,1 1,0 0,2

Page 5: Alkoholkonsum der Kinder; Alcohol consumption of children;

5| Prävention und Gesundheitsförderung X · 2013

schon ausführliche Gespräche mit ihren Kindern geführt. Dies zeigt, dass die El-tern erfreulicherweise früh und inten-siv mit ihren Kindern über dieses Thema kommunizieren.

Die Inhalte der Gespräche sind je-doch teilweise kritisch zu hinterfragen. So warnen > 80 % der Eltern ihre Kinder vor gesundheitlichen Schäden und einer drohenden Abhängigkeit. Diese durch-aus möglichen langfristigen Folgen eines übermäßigen Alkoholgebrauchs besitzen für Kinder und Jugendliche jedoch noch wenig Relevanz, da sie nicht ihrer Lebens-wirklichkeit entsprechen. Die Gespräche über kurzfristige Folgen eines übermä-ßigen Alkoholkonsums sind für die Kin-

der von größerer Bedeutung, werden aber deutlich seltener geführt. Es wird von den Eltern vermieden, den Alkoholkonsum neutral oder positiv zu besetzten. Es wei-sen fast keine Eltern darauf hin, dass Al-kohol durchaus schmecken oder er eine Funktion bei gesellschaftlichen Anlässen, der Kontaktanbahnung oder des Stressab-baus haben kann. Die Eltern scheinen Be-denken zu haben, gegenüber den Kindern einen moderaten Alkoholkonsum als un-problematisch zu bewerten. Die Gefahr besteht jedoch, dass die Kinder die Dis-krepanz zwischen dem in der Regel un-gefährlichen elterlichen Alkoholkonsum und den auf die Zukunft ausgerichte-ten Warnungen vor gravierenden Folgen

wahrnehmen. Ein Verlust der elterlichen Glaubwürdigkeit könnte die Folge sein.

Eltern habe auch dann noch einen Ein-fluss auf das Trinkverhalten von Jugend-lichen – so ein internationaler Befund – wenn die Peergroup einen bedeutsame-ren Platz im Leben der Heranwachsen-den einnimmt [16]. Die vorliegende Stu-die zeigt, dass die Eltern unabhängig vom Alter der Kinder ihren Einfluss als „stark“ bewerten. Allerdings schätzen sie ihn um-so geringer ein, je häufiger die Kinder Al-kohol konsumieren.

Der Alkoholkonsum ihrer Kinder wird durch die Eltern vor dem Hintergrund der Daten anderer Studien, in denen die Schüler und Schülerinnen selbst befragt wurden, offensichtlich unterschätzt. So zeigt der Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung vom Mai 2012 [5] auf, dass 14,2 % der 12- bis 17-jährigen Ju-gendlichen regelmäßig (mindestens ein-mal pro Woche) Alkohol trinken. 15,2 % der Jugendlichen praktizieren mindes-tens einmal innerhalb eines 30-Tage-Zeitraums Rauschtrinken (mindestens ≥ 5 Gläser an einem Trinkereignis). In der vorliegenden Befragung geben nur 12 % der Eltern von Kindern im Alter zwischen 16 und 18 Jahren an, dass ihre Kinder regelmäßig am Wochenende Al-kohol trinken. Damit befinden sie sich zu-mindest in der Nähe der aktuellen statisti-schen Daten. Jedoch geben lediglich 3,2 % aller befragten Eltern einen regelmäßigen wöchentlichen Alkoholkonsum ihrer 12.- bis 18-jährigen Kinder an. Formen des Rauschtrinkens wurden in dieser Unter-suchung nicht abgefragt.

Tab. 4 Bewertung von Regeln zur Vermeidung negativer Folgen des Alkoholkonsums (Mehrfachantworten möglich)Regeln Sehr

geeignet (%)Eher geeignet (%)

Eher nicht geeignet (%)

Gar nicht geeignet (%)

Gesamt (n)

Eltern achten darauf, dass ihre Kinder bei keinen Freunden mitfahren, die Alkohol getrunken haben

81,7 12,4 2,7 3,2 2.579

Eltern unterstützen ihre Kinder dabei, einen sicheren Heimweg von Partys zu organisieren

72,3 19,9 5,0 2,8 2573

Eltern achten strikt darauf, dass ihre Kinder vor und während der Schulzeit und beim Sport keinen Alkohol trinken

69,0 14,9 10,5 5,6 2.501

Eltern achten darauf, dass bis zu einem Alter der Kinder von einschließlich 15 Jahren auf Partys kein Alkohol getrunken wird

67,8 21,1 7,8 3,2 2.577

Eltern achten darauf, wie in Vereinen und Sportclubs, in welchen ihre Kinder aktiv sind, mit Alkohol umgegangen wird

53,5 32,6 8,7 5,3 2.531

Eltern verbieten den eigenen Kindern das Trinken alkoholischer Mixgetränke 31,5 23,8 33,6 11,1 2.493

Eltern kaufen zusammen mit ihren Kindern alkoholische Getränke, um sie kontrolliert an dieses Thema heranzuführen

12,0 17,2 27,9 42,9 2.495

Tab. 5 Elterliche Reaktion auf alkoholbezogene familiäre RegelverletzungReaktion auf Verletzung der Regeln (%, Mehrfachantworten möglich)

Alter der Kinder (Jahre) 12–13 14 15 16–18

Gespräch über Folgen des Alkoholkonsums 70,5 70,0 65,7 66,4

Mache meine Missbilligung deutlich 62,4 60,9 60,1 47,2

Biete meinem Kind Hilfe an 49,1 47,5 44,5 42,5

Konkrete Konsequenzen/Strafen 35,8 38,3 31,6 29,6

Stelle Belohnung in Aussicht, wenn sich Verhalten ändert

3,4 3,8 2,1 3,5

Gehe darüber hinweg 0,1 0,3 0,5 1,3

Tab. 6 Elterliche Reaktion auf einen Alkoholrausch des KindesReaktion auf betrunkenen Zustand nach Party (%, Mehrfachantworten möglich)

Alter der Kinder (Jahre) 12–13 14 15 16–18

Spreche mit dem Kind in Ruhe am nächsten Tag 83,0 84,8 85,2 78,0

Frage nach den Gründen 78,8 78,5 75,5 68,2

Äußere sofort meine Missbilligung 24,5 25,1 23,0 20,4

Informiere mich bei seinen Freunden 19,9 20,6 19,4 12,6

Reagiere mit einer sofortigen Strafe 8,8 10,2 8,3 9,7

Äußere mich nicht, Kind muss eigene Erfahrungen machen 0,9 1,4 1,3 2,2

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Schule

6 | Prävention und Gesundheitsförderung X · 2013

Von den vorgegebenen Verhaltensre-geln in dieser Untersuchung waren die-jenigen für die Eltern am wichtigsten, die ihre Kinder vor konkreten Gefahren eines übermäßigen Konsums bewahren und für einen sicheren Heimweg sorgen. Die Haltung der Eltern zu alkoholischen Mixgetränken ist dagegen gespalten. Das gemeinsame Einkaufen von Alkohol zu-sammen mit ihren Kindern wird von der Mehrzahl der Eltern abgelehnt. Das Er-gebnis vorliegender Studien zu diesem Thema ist uneindeutig. Livingston et al. [12] konnten zeigen, dass der Alkohol-konsum von Schülern und jungen Stu-denten am niedrigsten ist, wenn Alkohol für die Kinder zu Hause verboten war. Er steigt an, sofern zu Hause gemeinsam Al-kohol zum Essen getrunken wurde und war am höchsten, wenn die Kinder zu Hause gemeinsam mit Freunden Alkohol konsumieren durften.

Die Untersuchungen von Hayes et al. [7] und Bellis et al. [2] ergaben eine Re-duktion des Alkoholkonsums der Kin-der, wenn dieser von den Eltern gekauft und bereitgestellt wurde. Dieser positive Effekt ist jedoch an einen guten Eltern-Kind-Kontakt gebunden und an die Be-reitschaft, sich über dieses Thema ausein-ander zu setzten. Eine Umfrage unter 25 deutschsprachigen Experten konnte keine eindeutige Empfehlung dazu geben, in-wieweit der gemeinsame Alkoholkonsum von Eltern und Kindern einen positiven Einfluss auf das jugendliche Trinkverhal-ten hat oder dies als eine Erziehungsauf-gabe betrachtet werden kann [9].

In unserer Untersuchung zeigte sich ferner, dass je stärker auf die Einhaltung von alkoholbezogenen Regeln geachtet wird, desto größer wird der eigene Ein-fluss eingeschätzt. Koning et al. [8] konn-ten zeigen, dass eine restriktivere Haltung der Eltern mit einem weniger riskanten Alkoholkonsum der Kinder einhergeht. Als ein sehr starker Einflussfaktor auf das Trinkverhalten der Kinder hat sich die Wahrnehmung der elterlichen Fürsorge, die gleichzeitig auch einen positiven Ef-fekt auf den Familienzusammenhalt hat, herauskristallisiert [13, 16]. Dies bedeutet jedoch auch, dass es nicht um eine stren-gere Erziehung an sich geht, sondern die-se eingebettet sein muss in eine gute El-tern-Kind-Kommunikation [14, 17].

Die elterliche Reaktion auf die Verlet-zung von alkoholbezogenen Regeln be-steht in weiteren Gesprächen und/oder in Missbilligung des Verhaltens und konkre-ten negativen Konsequenzen oder Stra-fen. Bei einem Zustand starker Alkoho-lisierung des Kindes nach einer Party re-agieren die Eltern allerdings weniger häu-fig mit Bestrafung. Die allermeisten Eltern würden erst am nächsten Tag in Ruhe mit ihrem Kind sprechen. Darüber hinaus be-steht großes Interesse, die Gründe für die-ses Verhalten zu verstehen. Hierin scheint sich auch die Besorgnis der Eltern auszu-drücken. Insgesamt scheinen die Eltern sich schon weitgehend an die im Projekt „Handlungsempfehlungen für Eltern be-züglich des Umgangs ihrer Kinder mit al-koholischen Getränken“ ermittelten Re-geln zu halten bzw. sich halten zu wollen. Diese Regeln beziehen sich auf den mo-mentanen wissenschaftlichen Stand und zeigen einen hohen Grad an Übereinstim-mung in den Aussagen deutschsprachiger Alkoholexperten [9].

Die Eltern fühlen sich zum Thema „Alkohol“ und auch zum Thema „Erzie-hung und Alkoholkonsum“ ihrer Kinder gut informiert. Ihre Informationen bezie-hen sie zu einem großen Anteil aus dem Internet. Diese Tatsache sollte bei der Ver-mittlung von Informationen und ebenso bei der Initiierung von Suchtpräventions-programmen berücksichtigt werden.

Die Erhebung unterliegt methodi-schen Einschränkungen. Legt man das Geschlechterverhältnis im Schuljahr 2010/2011 von 51 % männlich und 49 % weiblich zugrunde [18], wurden in dieser Erhebung etwas mehr Eltern von Schüle-rinnen (53 %) als von Schülern erreicht. Nach Angaben des Statistischen Bun-desamtes besuchten 34 % der Schüler und Schülerinnen ein Gymnasium. Dort kehrt sich das Geschlechterverhältnis um. Im bundesdeutschen Durchschnitt be-trägt der Anteil der Mädchen an Gymna-sien 53 % [18]. Es wurden in dieser Stu-die zwar weniger Eltern von Gymnasial-schülern erreicht, mit 43,1 % liegt dieser Anteil jedoch über dem Durchschnitt al-ler an Gymnasien unterrichteten Schü-ler und Schülerinnen. Aufgrund der feh-lenden soziodemografischen Informatio-nen über die Eltern können keine näheren Aussagen zum beruflichen und sozioöko-

nomischen Status sowie der Schulbildung der Eltern getroffen werden. Eine selek-tive Auswahl der Stichprobe kann somit nicht ausgeschlossen werden.

Fazit für die Praxis

Jugendlicher Alkoholkonsum ist für die Eltern kein Tabuthema. Die meisten El-tern fühlen sich gut informiert und spre-chen schon frühzeitig mit ihren Kin-dern darüber. Dabei ist es wichtig, den Eltern zu vermitteln, sachlich und nicht dramatisierend über das Thema Alko-hol mit ihren Kindern zu sprechen, um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren. Der Ein-fluss auf ihre Kinder im Alter zwischen 12 und 18 Jahren wird von den Eltern hoch eingeschätzt und sie scheinen bereit zu sein, Regeln im Umgang mit ihren Kin-dern aufzustellen und einzuhalten. Prä-ventionsmaßnahmen sollten die Eltern in dieser Haltung nachhaltig stärker.

Korrespondenzadresse

Dr. S. KuhnUKE – Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und PsychotherapieZentrum für interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS)Martinistraße 5220246 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. S. Kuhn, J. Kalke, S. Buth, Ph. Hil-ler, J. Reimer geben an, dass kein Interessenkonflikt be-steht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Men-schen oder Tieren. Die anonyme Befragung berück-sichtigte die datenschutzrechtlichen Regelungen der Bundesländer; ein Votum der Ethikkommissionen war nicht erforderlich.

Förderung. Diese Studie wurde gefördert vom Bun-desministerium für Gesundheit (BMG).

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2. Bellis M, Hughes K, Morleo M et al (2007) Predic-tors of risky alcohol consumption in schoolchil-dren and their implications for preventing alcohol-related harm. Subst Abuse Treat Prev Policy 2:15. http://www.substanceabusepolicy.com

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