48
UNI MAGAZIN M ARTIN -L UTHER U NIVERSITÄT H ALLE -W ITTENBERG scientia halensis Rechtsgeschichte in Halle Der Debattierclub klartext e. V. ... as an American in Old Europe Pro & Contra StudIP SCIENTIA HALENSIS 2/06 UNI MAGAZIN M ARTIN -L UTHER - U NIVERSITÄT H ALLE -W ITTENBERG 2/06 scientia halensis Rechtsgeschichte in Halle Der Debattierclub klartext e. V. ... as an American in Old Europe Pro & Contra StudIP 1

ALLE-WITTENBERG scientia halensis · Manuskripte oder Bilder übernehmen wir keine Haftung. ISSN 0945-9529 scientia halensis erscheint mit freundlicher Unter stützung der Vereinigung

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

UNIM A G A Z I N MARTIN-LUTHER-UN IVERS ITÄTHALLE -WITTEN BERG

2/06 scie

ntia

hal

ensis

Rechtsgeschichte in Halle

Der Debattierclub klartext e. V.

... as an American in Old Europe

Pro & Contra StudIP

1

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

UNIM A G A Z I N MARTIN-LUTHER-UN IVERS ITÄTHALLE -WITTEN BERG

2/06 scie

ntia

hal

ensis

Rechtsgeschichte in Halle

Der Debattierclub klartext e. V.

... as an American in Old Europe

Pro & Contra StudIP

1

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Impressum

scientia halensis – Unimagazin der Martin-Luther-Universität Halle-WittenbergAusgabe 1/2006, 14. Jahrgangerscheint viermal im Jahr

HerausgeberDer Rektor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

RedaktionDr. Margarete Wein (verantwortlich i. S. d. P.)

RedaktionsbeiratProf. Dr. Wilfried Grecksch (Rektor), Prof. Dr. Dr. Gunnar Berg (Altrektor), Prof. Dr. Andrea Jäger, Prof. Dr. Gerhard Lampe, Christine Mitsching (VFF), Jens Müller, Ute Olbertz, Katrin Rehschuh, Paolo Schubert, Dr. Ralf-Torsten Speler, Dr. Margarete Wein

Grafik-DesignBarbara Dimanski, Dipl.-Grafik-Designerin AGD/BBK

Postanschrift der RedaktionMartin-Luther-Universität Halle-WittenbergAbteilung Öffentlichkeitsarbeit06099 Halle (Saale)

Besucheranschrift der RedaktionMartin-Luther-Universität Halle-WittenbergUniversitätsring 1406108 Halle (Saale)

Kontakt zur RedaktionTelefon: 0345 55-21420, Fax: 0345 55-27254E-Mail: [email protected]

DruckAF Druck Holleben

Anzeigenpreisliste2006

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbe-dingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.Die Rechte für sämtliche Beiträge und Abbildungen im Universitätsmagazin scientia halensis liegen beim Rektorat der Universität. Nachdrucke sind nur mit Genehmigung der Redaktion gestattet. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte oder Bilder übernehmen wir keine Haftung.

ISSN 0945-9529

scientia halensis erscheint mit freundlicher Unter stützungder Vereinigung der Freunde und Förderer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V. (VFF)

Titelbild: Roland vor dem Roten Turm zu Halle. Der Roland von Halle ist die steinerne Kopie von 1719 nach einer älteren hölzernen Vorlage. Er sym-bolisiert die Gerichtsbarkeit des Erzbischofs von Magdeburg über die Stadt. Im Jahre 1426 wird er erstmals erwähnt, geht aber wohl auf das 13. Jh. zurück. Nach wechselnden Standorten (altes Rat-haus, Schöffenhaus, Roter Turm) steht er seit 1854 ununterbrochen am Roten Turm. (Foto: Raik Mül-ler)

Inhalt

Warum Rechtsgeschichte heute? 5Ohne Blick zurück geht nichts nach vorn | Angela Kolb

Rechtsgeschichte in Sachsen-Anhalt 6Förderungen und Erwartungen | Rainer Robra

Ein »Weinberg des Rechts« 8Die hallesche Juristische Fakultät – traditionsbewusst und zukunftsgewandt | Joachim Renzikowski

Christian Thomasius und seine »Jünger« 10Rolf Lieberwirth

Wechselhaft: 12Die Juristische Fakultät Halle im 19. Jahrhundert | Lieselotte Jelowik

Ahnenreihe: 14Hallesche RechtshistorikerInnen im 20. Jahrhundert | Heiner Lück

Impulse aus Wittenberg: 16Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit | Ralf Frassek

Juristen = böse Christen? 18Kirchenrechtswissenschaft in Wittenberg und Halle – gestern und heute | Michael Germann

Hallesche Initiativen: 20Rechtsgeschichtliche Akademievorhaben | Frank-Michael Kaufmann und Wieland Carls

Wahrnehmungen: 22Rechtsgeschichte in der Öffentlichkeit | Katarzyna Lortz, Falk Hess, Raik Müller

In sieben Minuten alles – und dazu das Gegenteil! 24Der Debattierklub klartext e. V. | Margarete Wein

Die Neue Residenz 26Gestern – Heute – Morgen (Teil 2) | Ulrich Taschow

Eroberung der Erde –Forscher, Missionare, Abenteurer 28Ausstellungen der Universität zu Halles 1200-Jahr-Feier | Ralf-Torsten Speler

Wie hilfreich ist die StudIP - Plattform wirklich? 30Paolo Schubert

... as an American in Old Europe 33Gespräch mit dem Politologen Prof. Dr. Paul Rundquist Gastprofessor am Institut für

Politikwissenschaft der MLU

25 Fragen an Regina Radlbeck-Ossmann 35Verbales Porträt einer Zeitgenossin

Mehr Lebensqualität: 36Heart Mate II erstmals in Sachsen-Anhalt implantiert | Jens Müller

Vom Spitzenhäubchen zum Doktorhut – 36Die Akademisierung des Pflegeberufes

Entscheidung fürs Leben 37Ein Jahr Landeszentrum für Zell- und Gentherapie in Halle | Jens Müller

Step by step zum eigenen Event 38Das Veranstaltungsmanagement im Internet | Raik Vahrenhold

An der Uni fürs Leben lernen ... 39Ausbildungsberufe an der Martin-Luther-Universität | Anja Naumann

Aus dem etwas anderen Blickwinkel 40Planungen für diesjährige Iberoamerikanischen Kulturtage gestartet

Frischer Wind 41Radioprojekt Unimono verzeichnet Teamzuwachs | Paolo Schubert

»Bitte 1 x gemischten Sprachsalat ...« 42Diesmal mit: Anredeformen im Mail-Verkehr

»... und ein Literatürchen!« 42Bastian Sick: »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod ...«

Ehrungen, Mitgliedschaften in Gremien, Berufungen, Jubiläen 43

Mord zur Wissenschaftsnacht 44Eine faszinierende Abendtour durch die Forschungslandschaft Sachsen-Anhalts

Personalia 45

Rätselfoto 46

3

INH

ALT/

IMPR

ESSU

M

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

... die zweite Ausgabe der neuen scientia halensis ist vollendet – trotz verschiedener Widrigkeiten gerade noch rechtzeitig vor Beginn der Sommerpause, so dass Sie nicht ohne die gewohnte Lektüre ins die Ferien fahren müssen.Der Schwerpunkt ist diesmal eng mit dem aktuellen akademischen Leben der Alma mater halensis et vitebergensis verbunden. Ein wis-senschaftlicher Kongress von hohem Rang wird im September nam-hafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Europa und weiteren Kontinenten in Halle an der Saale zusammen-führen: Die JuristischeFakultät (ab 1. September 2006 in der neuen Universitätsstruktur mit der Wirt schaftwissenschaftlichen zu einerFakultät vereint) darf Gastgeberin des 36. Deutsche Rechtshistoriker-tages sein, der vom 10. bis zum 14. September 2006 in den Gebäuden rund um den Universitätsplatz tagt.Deshalb ist das vorliegende Heft nicht nur für die Stammleserschaft der scientia halensis bestimmt, sondern versteht sich zugleich als spe-ziellen Willkommensgruß für alle, die aus gegebenem Anlass Gäste der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der 1200-jährigen Stadt Halle sein werden. Die Bedeutung des Ereignisses spiegelt sich dabei nicht nur in der Reihe der Autorennamen fachwissenschaftlicher Provenienz wider. Denn dem weit über Sachsen-Anhalt und Deutschland hinaus bekann-ten Rechtshistoriker an der MLU und Ordentlichem Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Prof. Dr. Hei-ner Lück, ist es gelungen, darüber hinaus die Ministerin für Jus-tiz, Prof. Dr. Angela Kolb, sowie den Europaminister und Chef der Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt, Rainer Robra, als Beiträ-gerIn zu gewinnen. Das macht deutlich, wie ernst und wichtig auch in der Politik – insbesondere unter den Auspizien des unaufhaltsam zusammenwachsenden europäischen Kontinents – das Phänomen der Geschichte des Rechts als gemeinsame Grundlage genommen wird.

Eingebettet in die Gesamtheit der halleschen Jurisprudenz, deren umfassende Vielfalt der Dekan der Fakultät, Prof. Dr. Joachim Ren-zikowski, präsentiert, beansprucht die Rechtsgeschichte in ihrer Aus-strahlung von den Anfängen des Rechts bis in die Gegenwart (und Zukunft) – wie sie in sieben weiteren Artikeln beleuchtet wird – einen herausragenden Platz. Der zweite Teil des Heftes umfasst Themen aus dem breit gefächerten Interessenspektrum der Angehörigen der Universität und aller ande-ren mit ihr verbundenen Leserinnen und Leser: Studierende, wissen-schaftliche und technische MitarbeiterInnen, ProfessorInnen, Mitglie-der des Seniorenkollegs sowie der Vereinigung der Freunde und För-derer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V., Alum-ni, Hallenser und Hallenserinnen, die stolz darauf sind, in einer alten, traditionsreichen Universitätsstadt zu leben ... Neben dem Interview mit einem international renommierten US-amerikanischen Politologen, der drei Semester lang als Gastprofes-sor an der MLU lehrte, über sein Spezialgebiet stehen sehr persönli-che Antworten einer Theologin, die jüngst nach Halle berufen wurde, auf die traditionellen »25 Fragen«; das neue Kommunikationssystem Stud.IP wird kritisch unter die »Pro-&-Kontra«-Lupe genommen; der hallesche Debattierklub »klartext e. V.« (der nicht nur aus engagier-ten JurastudentIinnen besteht) kommt zu Wort; Neuentwicklungen auf dem Gebiet der Medizin und Studentenprojekte aus dem Bereich Medien- und Kommunikationswissenschaften, Möglichkeiten pro-fessionell unterstützter Veranstaltungsplanung, die hallesche Univer-sität als vielseitiger Berufsausbildungsort sowie die nächsten großen Ausstellungen an der Uni und – last but not least – das Angebot der »Langen Nacht der Wissenschaften 2006« und manches mehr werden vorgestellt.Und, zur Erinnerung: Die Redaktion ist nach wie vor gern bereit, eine Rubrik »Lesermeinungen« zu eröffnen ...Ihre Margarete Wein

Liebe Leserinnen, liebe Leser des Unimagazins …

VORW

ORT

4

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

A N G E L A K O L B

Recht ist ein Faszinosum. Es ist modern, allgegenwärtig, aufregend und auch irgendwie beru-higend. Seit Menschengedenken bemüht es sich, ein friedliches Zusammenleben der Individu-en, Gruppen und Völker zu sichern. Der Grundmechanismus und das ureigene Ziel von Recht haben sich bis heute erhalten: Konflikte zu vermeiden und auszugleichen bzw. den Rechtsfrie-den schlechthin zu gewährleisten. Seit etwa einem Jahrhundert steht ein differenziertes System von Rechtsnormen und staatlichen Institutionen zur Verfügung, um dieses Ziel, freilich stets in den jeweiligen politischen Kontext eingebettet, zu erreichen.

Christian Thomasius (1655–1728), Johann Martin Bernigeroth, Kupferstich zwischen 1715 und 1728,Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt

Warum Rechtsgeschichte heute?Ohne Blick zurück geht nichts nach vorn

JUST

IZM

INIS

TERI

UM

DES

LAN

DES

SAC

HSE

N-A

NH

ALT

Unser gegenwärtiges Rechtssystem, das auf Erfahrungen mit höchstgradigem Unrecht während des NS-Regimes, aber auch auf den fortschrittlichen Verfassungs- und Rechts-grundsätzen der europäischen Nationen auf-baut, hat ein in der Rechtsgeschichte einzig-artiges Niveau von Verrechtlichung, Rechts-sicherheit und Ausgewogenheit in den Bezie-hungen zwischen den Rechtssubjekten, den Bürgern untereinander sowie den Bürgern und dem Staat, erreicht. Es entstand nicht in einem Augenblick nach 1945, sondern viele seiner tragenden Elemente sind in einer Zeit entwickelt worden, die weit vor der Moder-ne liegen.

Z U R G E N E S I S E I N E S H I S T O R I S C H E N P H Ä N O M E N S

Man denke nur an das römische und kanoni-sche Recht, das einst ganz Europa umspann-te und die nationalstaatlichen Rechtsordnun-gen noch heute in gewisser Weise verbindet. Daneben stehen die aus dem heutigen Ter-ritorium von Sachsen-Anhalt stammenden Rechtsquellen in Gestalt des Sachsenspiegels und des berühmten Stadtrechts von Magde-burg. Diese beeinflussten im Mittelalter und in der frühen Neuzeit vor allem die Rechts-ordnungen jener ostmitteleuropäischen Staa-ten, die 2004 Mitglieder der EU geworden sind.Die Aufklärung in Europa, in der auch die brandenburg-preußische Universität Halle mit ihren hervorragenden Repräsentanten Christi-an Thomasius und Christian Wolff eine wichtige Rolle spielte, legte weitere Fun-damente. Das Recht wurde an menschlicher Vernunft und Natur gemessen.

Es entstand ein im wesentlichen bis heute gültiger Kodex von angeborenen Menschen- und Bürgerrechten. Der Staat, zunächst noch in Gestalt der souveränen Fürsten, wurde an Gesetze von besonders hohem Rang, die Ver-fassungen, gebunden. Das Recht sollte über-sichtlich, systematisch und verständlich in großen Gesetzbüchern zusammengefasst wer-den. Dieser Entwicklung verdanken wir unse-re großartigen Kodifikationen, wie etwa das Strafgesetzbuch (StGB) und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), die bekanntlich nicht nur in Deutschland gelten, sondern darüber hin-aus in mehrere europäische und überseeische Länder übernommen bzw. den dortigen natio-nalstaatlichen Kodifikationen zugrundegelegt worden sind.

WU R Z E L N U N D FR Ü C H T E D E R J U R I S P R U D E N Z

Ein akademisch geschulter Einblick in die Geschichte des Rechts, auf den kein(e) Jurastudent(in) – schon aus Gründen des Respekts vor der eigenen Rechtsordnung sowie vor vergangenen und heute anders gestalteten Rechtskulturen – verzichten soll-te, macht die gegenwärtigen und zukünfti-gen Entwicklungen auf dem Gebiet des nati-onalen wie internationalen Rechts verständ-licher, ihre Beobachtung und Mitgestaltung interessant und spannend. Das Erkennen von Zusammenhängen, deren Wurzeln weit in der Geschichte angelegt sind, bringt uns alle einander näher; Recht trennt nämlich nicht, sondern es verbindet. Das Ausüben juristi-scher Berufe – vom Generalbundesanwalt bis hin zu den Richtern und Anwälten vor Ort – basiert, ob man es nun will oder nicht, auf

Normensystemen, die historisch gewachsen sind. Dabei ist letztlich nicht entscheidend, ob man den historischen Weitblick auf Jahr-tausende, Jahrzehnte, Jahre oder Monate rich-tet. Panta rhei – alles fließt… Das betrifft auch unsere modernen Rechtssysteme. Ihre Grundfesten in Gestalt der Grund- und Men-schenrechten als Maßstab aller Regelungen, in Form einer professionalisierten, auch inter-national tauglichen Rechtssprache und einer hohen Akzeptanz rechtsstaatlicher Prinzipien sind Konstanten, die letztlich auch die His-torizität unseres modernen Rechts ausma-chen. Der 36. Deutsche Rechtshistorikertag in Halle wird diese Sicht auf die Dinge wissen-schaftlich, interdisziplinär und international gewiss nachhaltig und differenziert bestäti-gen. Darum Rechtsgeschichte – gerade heute!

Prof. Dr. Angela Kolb, Jahrgang 1963, studierte 1983–86 Rechtswissen-schaften, Fachrichtung Wirtschaftsrecht, an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Abschluss: Staatsexamen als Diplomjuristin). Nach dem anschließen-den Forschungsstudium am Institut für Internationale Rechtsbeziehungen der MLU wurde sie 1989 zur Dr. jur. promo-viert. 1990–91 war sie als wissenschaft-liche Assistentin am Institut für Interna-

tionale Studien der Universität Leipzig tätig. 1991–99 übernahm sie ver-schiedene Leitungsfunktionen im Landesamt zur Regelung offener Vermö-gensfragen in Halle. 1999 wurde sie zur Professorin für Verwaltungsrecht am Fachbereich Verwaltungswissenschaften der Universität Leipzig berufen und war 2004–06 Dekanin dieses Fachbereichs. Die Ernennung zur Minis-terin der Justiz des Landes Sachsen-Anhalt erfolgte am 24. April 2006.Kontakt: nur über Prof. Dr. Heiner Lück (s. S. 15)

JURA-STUDENTINNEN AUS HALLE AUF DEM ERSTEN PLATZ IN GENF

Die vier Jura-StudentInnen Jürgen Bering, Clemens Wackernagel, Dana Rudigkeit und Mariana Castro, betreut von Prof. Dr. Christian Tietje (Juristische Fakultät, Bereich Öffentliches Recht) belegten den ersten Platz in der Endrunde des diesjährigen Moot-Court für Welthandelsrecht. Diese fiktive Gerichtsverhandlung wird jährlich unter Jura-StudentIn-nen aus aller Welt veranstaltet. Das Finale 2006 fand Ende April in Genf statt. Dort wurden die Studierenden aus Halle mit dem Preis für den weltweit besten Beklagten-Schriftsatz ausgezeichnet. Angetreten waren 18 Universitäts-Teams aus Europa, Nord- und Südamerika, Asien, Australien und erstmals auch aus Afrika.Prof. Dr. Christian Tietje, Telefon: 0345 55-23180, E-Mail: [email protected]

5

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

STIF

TUN

G R

ECH

TSST

AAT

SACH

SEN

-AN

HAL

TE.

V.

Rechtsgeschichte in Sachsen-Anhalt Förderungen und Erwartungen

R A I N E R RO B R A

Anlässlich des 36. Deutschen Rechtshistorikertages soll mit diesem Beitrag auf eine Besonder-heit der Förderung des Rechts hingewiesen werden: die Stiftung Rechtsstaat Sachsen-Anhalt e. V., die 1991 mit Sitz in Magdeburg ins Leben gerufen wurde. Der gemeinnützige Verein wurde gegründet, um die Entwicklung des Rechtsbewusstseins in Sachsen-Anhalt zu fördern, indem insbesondere das Verständnis unserer im Grundgesetz manifestierten Grundwerte ent-wickelt und gestärkt wird.

Die Stiftung – eine sachsen-anhaltische Eigenheit – will den Bürgerinnen und Bür-gern unseres Bundeslandes den republikani-schen, demokratischen und sozialen Rechts-staat näher bringen und zusätzliches Wissen vermitteln, um so letztlich mehr Akzeptanz für unser Rechtssystem zu schaffen.Dieser Zweck wird insbesondere verwirk-licht, indem��Rechtsbildungsveranstaltungen durchge-

führt,��Materialien für den Rechtskundeunterricht

erarbeitet,��Bibliotheken, die von juristischen Personen

des öffentlichen Rechts oder steuerbegüns-tigten Körperschaften unterhalten werden, zusätzlich Geldmittel zur Verfügung gestellt

��und Forschungsstipendien an JurastudentInnen, junge JuristInnen, sowie Angehörige des Lehrkörpers an rechtswissenschaftlichen Fakultäten und Hochschulen des Landes Sachsen-Anhalt vergeben werden.

Hierbei tritt die Stiftung vornehmlich als För-derer auf, selten als Veranstalter. Das inter-

ne Motto der Stiftung lautet demnach: »Eine gute Sache soll gefördert werden.«

Daraus resultiert auch die herausragende För-derung der rechtshistorischen Aktivitäten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und anderer Stellen in Sachsen-Anhalt.So fördert die Stiftung Rechtsstaat Sachsen-Anhalt e. V. seit langem die Redaktion des »Handwörterbuchs zur deutschen Rechts-geschichte« (s. S. 7 unten) durch Mittel für eine Mitarbeiterstelle. Sie bezuschusste die auf Dauer angeleg-te Wanderausstellung »Sachsenspiegel und Magdeburger Recht – Grundlagen für Eur-opa«, insbesondere die Herstellung eines

Films über das Magdeburger Recht in Europa durch Studierende des Magdeburger Instituts für Supervision, Therapie, Evaluation und Lehre an der Hochschule Magdeburg-Stendal (MISTEL/spi Forschung gGmbH) .Ferner wurden Mittel für die Verbreitung rechtsgeschichtlicher Kenntnisse bereitge-stellt. Hier ist insbesondere auf die Unter- stützung der Dauerausstellung »Der Sachsen-spiegel und Eike von Repgow« auf der Burg Falkenstein und die Unterhaltung eines Infor-mationszentrums im »Eike-von-Repgow-Dorf Reppichau« hinzuweisen.Mehrere wissenschaftliche Veranstaltun-gen und Kongresse mit rechtsgeschichtlichen Inhalten wurden gefördert. Im Vorfeld des 36. Deutschen Rechtshistorikertages finanzier-te die Stiftung eine befristete Mitarbeiterstel-le, um diesen wichtigen Fachkongress, der erstmals in Halle (Saale) stattfindet, zu unter-stützen.Letztlich bleibt zu vermerken, dass die Stif-tung Rechtsstaat seit mehr als einem Jahr-zehnt der Juristischen Fakultät als zuver -lässige Partnerin zur Verfügung steht, indem sie Bücheranschaffungen, internationalen Stu-dierendenaustausch, Tagungen und Fachkon-gresse sowie Seminare und Studien fahrten, beispielsweise zu den Bundes ge richten nach

Dr. Ilona Wuschig (Journalistin und Dozentin an der Hochschule Magdeburg-Stendal) im Gespräch mit Prof. Dr. Matthias Puhle (Leitender Direktor der Magdeburger Museen) und den Figuren aus der Wolfenbütteler Bilderhandschrift des Sachsenspiegels

6

Schauwände der Ausstellung im Foyer des Magdeburger Landtags (Fotos [2]: Werner Klapper, Magdeburg)

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Staatsminister Rainer Robra, Jahr-gang 1951, arbeitete nach dem Juras-tudium in Göttingen und Hamburg und dem Zweiten Staatsexamen 1979 zunächst als Richter in Hannover, dann als Staatsanwalt in Celle. 1986 wechsel-te er in das Niedersächsische Justizminis-terium. Dort war er zuletzt als Ministeri-aldirigent Leiter der Strafrechtsabteilung. Von 1990 bis 1994 war er Justizstaats-sekretär in Sachsen-Anhalt und in dieser Funktion maßgeblich am Aufbau des Jus-

tizwesens beteiligt. 1994 gründete er eine Rechtsanwaltskanzlei in Magde-burg, in der er bis April 2002 als Rechtsanwalt tätig war. Seit Mai 2002 ist Rainer Robra Chef der Staatskanzlei und Europaminis-ter des Landes Sachsen-Anhalt. Darüber hinaus ist er Mitglied des Bun-desrates.Rainer Robra bekleidet verschiedene Ehrenämter, u. a. als Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen-Anhalt der freien Straffälligenhilfe und als Geschäftsführer des Vereins »Stiftung Rechtsstaat Sachsen-Anhalt e. V.«Als Chef der Staatskanzlei ist Rainer Robra außerdem verantwortlich für die Medienpolitik.Kontakt: nur über Prof. Dr. Heiner Lück (s. S. 15)

Karlsruhe oder zu europäischen Institutionen, fördert.Ihre in der Satzung selbst übernommene Ver-pflichtung, Projekte und Vorhaben zu fördern, die geeignet sind, der Verbreitung des Rechts-staatsgedankens in Sachsen-Anhalt zu dienen, hat sie bislang mit Erfolg erfüllt. Das Vertrau-en in den Rechtsstaat war im Osten Deutsch-lands in den frühen 1990er Jahren alles ande-re als selbstverständlich; durch ihr Wirken hofft die Stiftung maßgeblich dazu beigetra-gen zu haben, dieses Vertrauen bei den Men-schen in Sachsen-Anhalt zu entwickeln und zu stabilisieren.Die Stiftung Rechtsstaat Sachsen-Anhalt e. V.wünscht den Organisatoren des 36. Deutschen

Seite aus der Wolfenbütteler Bilderhandschrift (W fol.57v) (Foto: Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel)

Rechtshistorikertages und ihren zahlreichen Gästen eine gelungene Veranstaltung, neue und spannende wissenschaftliche Erkennt-nisse zur rechtshistorischen Forschung sowie interessante Begegnungen und Gespräche in Halle an der Saale. Wir sind sicher, dass auch dieser bedeutende internationale Fach -kongress das nationale und internationale Ansehen der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beför-dern wird.

Das S tandardwerk deuts cher Rech t sgesch i ch te im europäis chen Kontex t :

Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, begründet von Wolfgang Stammler, Adalbert Erler und Ekkehard Kauf-mann, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Aufl., hg. von Albrecht Cordes, Heiner Lück, Dieter Werkmüller unter philo-logischer Mitarbeit von Ruth Schmidt-Wiegand, Erich Schmidt Verlag Berlin 2004 ff. Von dem auf sechs Bände ausgelegten Werk sind bislang drei Lieferungen erschienen (Aachen-Anarchismus; Andelang-Bayerische Kodifikationen des Naturrechtszeitalters; Bayern-Burchard von Worms). Jeder Band wird acht Lieferungen (zu je 128 Seiten) umfassen. Preis je Lieferung 29,80 Euro (ISBN 3 503 07911 4); gebundene Ausgabe, Leinen, pro Band ca. 250 Euro (ISBN 3 503 07912 2). Siehe auch http://www.HRGdigital.info

STIF

TUN

G R

ECH

TSST

AAT

SACH

SEN

-AN

HAL

TE.

V.

7

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

im Hirsch (Köln), Jürgen Costede, Erwin Deutsch, Hans-Martin Müller-Laube, Diet-rich Rauschning, Hans-Ludwig Schreiber (alle Göttingen), ferner Peter Hommelhoff (Heidelberg), Christoph Gusy (Bielefeld) und Wolfgang Sellert (Göttingen) sowie der hal-lesche Emeritus Rolf Lieberwirth. Die ersten zehn Jahre nach der Neugründung waren von großer Fluktuation geprägt. Teil-weise blieben bis zu vier Professuren gleich-zeitig unbesetzt. Viele Kollegen zog es nach ihrer Erstbe ru-fung an andere Fakultäten. Damit erwies sich die Juristische Fakultät als Nachwuchs-schmiede. Inzwischen hat sich die Fakul-tät weitgehend konsolidiert; drei Rufe konn-ten erfolgreich abgewendet werden – ein Zei-chen der zunehmenden Wettbewerbsfähigkeit der Martin-Luther-Universität.

E R S T E U N D E I N Z I G E I M L A N D

Die Juristische Fakultät in Halle ist die ein-zige im Land Sachsen-Anhalt. Im mittel-deutschen Universitätsverbund pflegt sie gute Kontakte zur Juristenfakultät Leipzig und der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Jena, was sich vor allem in der gegenseitigen Anerken-nung von Leistungsnachweisen sowie exter-nen Gutachter- und Evaluierungs-angelegen-heiten manifestiert.Es ist der hiesigen Juristischen Fakultät ge -lungen, ein eigenständiges Profil zu ent wi-ckeln. Der wirtschaftsrechtliche Schwerpunkt wird durch einen national und internatio-nal anerkannten Aufbaustudiengang im Wirt-schaftsrecht repräsentiert, der gemeinsam mit Kollegen der Wirtschaftswissenschaft-

J O A C H I M RE N Z I K O W S K I

Erstmals in seiner 79-jährigen Geschichte findet der Deutsche Rechtshistorikertag in Halle statt. Es ist der Juristischen Fakultät in Halle eine Ehre, mehr als 300 Gäste aus dem In- und Ausland zu begrüßen, und sie wertet die 36. Auflage dieser renommierten Tagung vice versaals ein gutes Zeichen für ihre Präsenz in der deutschen rechtshistorischen Forschung. Das Ereignis sei willkommener Anlass, die gastgebende Fakultät vorzustellen.

JURI

STIS

CHE

FAK

ULT

ÄTD

ER M

LU

Heute zählt die Juristische Fakultät rund 1 300 Studierende. Für Forschung und Lehre sorgen sechzehn Professuren: sieben im Bür-gerlichen Recht (Urs Peter Gruber, Armin Höland, Wolfhard Kohte, Heiner Lück, Rolf Sethe, Susanne Sieker, und demnächst Caro-line Meller-Hannich), fünf im Öffentlichen Recht (Michael Germann, Michael Kilian, Winfried Kluth, Reimund Schmidt-De Calu-we, Christian Tietje) und vier im Strafrecht (Kai D. Bussmann, Hans Lilie, Joachim Ren-zikowski, Christian Schröder). Hinzu kom-men die Honorarprofessoren Keebet und Franz von Benda-Beckmann (Rechtsethno-logie), Volkmar Mehle (Strafrecht), Thomas Wagenitz (Familien- und Erbrecht) und Hell-mut Wißmann (Arbeitsrecht).

VO N » E I N S T « Ü B E R » D A M A L S « B I S » J E T Z T «

Als eine der vier klassischen Fakultäten exis-tiert die Fakultät seit der Gründung der eins-tigen brandenburg-preußischen Musteruni-versität Halle durch Christian Thomasius im Jahre 1694. Mit kurzen Unterbrechungen 1806/07 und 1945/46 weist die Juristische Fakultät eine über dreihundertjährige Kon-tinuität akademischer Lehre und Forschung auf dem Gebiet des Rechts auf. Im Zuge der Wiedereinführung der Freiheit von Wissen-schaft und Studium wurde sie im Jahre 1993 neu gegründet. In der Zeit der Neukonstitu-ierung legten viele namhafte Rechtwissen-schaftler erste Grundlagen für ein zukunfts-fähiges Jurastudium und Prüfungswesen in Sachsen-Anhalt.In erster Linie sind zu nennen die Profes-soren Walter Rolland (Bonn), Hans-Joach-

Ein »Weinberg des Rechts«Die hallesche Juristische Fakultät –

traditionsbewusst und zukunftsgewandt

lichen Fakultät vom Institut für Wirtschafts-recht getragen wird. Hinzu treten 2002 und 2005 gegründete drittmittelfinanzierte Institu-te, insbesondere die in Deutschland und Eur-opa einzigartigen Institute für Kammerrecht und für Marktordnungs- und Berufsrecht. Im Wirtschaftsstrafrecht erregte jüngst das Eco-nomy & Crime Center mit einer inter -nationalen Studie zur Wirtschaftskriminalität mediale Aufmerksamkeit.Ein anderer Schwerpunkt mit intensi-ver interdisziplinärer Ausrichtung liegt im

Bereich Medizin–Ethik–Recht. Anknüpfend daran, dass im Zivil-, Straf- und öffentli-chen Recht mindestens einer der Professoren einen Arbeitsschwerpunkt im Medizin- und Gesundheitsrecht hat – was sich beispielswei-se in umfangreichen Tätigkeiten als Gutach-ter oder bei diversen Sachverständigenanhö-rungen niederschlägt –, kam es in den letzten Jahren immer wieder zu gemeinsamen For-schungsprojekten in diesem Bereich, die im Jahr 2001 in die Gründung des Interdiszipli-nären Wissenschaftlichen Zentrums Medizin–Ethik–Recht mündeten. In diesem Rahmen wird seit dem Sommersemester 2005 ein in Deutschland bislang einzigartiger Aufbaustu-diengang angeboten, der AbsolventInnen der Rechtswissenschaften, der Medizin, der Theo- lo gie, der Philosophie und anderer angrenzen-der Fachgebiete offen steht.

Eingang zum Juridicum (Foto: Kai-Uwe Dietrich)

LITERATURREISE ab HalleHesses Calw und Schillers Marbach

Termin: 22.09.–24.09.2006inkl. Besuch des neuen Literaturmuseums der Moderne!

Busfahrt, fachliche Reiseleitung, 2 Hotelübernachtungen,3-4 Gänge Menüs, Stadtführungen, Museumsbesuche etc.

359,00 EUR pro Person im DZTel. 0345 1317190 / www.salve-cultura.de

8

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

9

S C I E N T I A H A L E N S I S 2/06

JURI

STIS

CHE

FAK

ULT

ÄTD

ER M

LU

Prof. Dr. Joachim RenzikowskiJahrgang 1961, studierte 1981–86 in Erlangen Rechtswissenschaft. Nach dem Referendariat war er 1989–97 Assis-tent bei Prof. Dr. Hans-Ludwig Günther in Tübingen (Promotion 1994, Habilita-tion 1997). Anschließend übernahm er in Halle eine Vertretungsprofessur und wurde 1998 zum Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie/Rechtstheorie berufen (Spezialgebiete: Strafrechtsdog-

matik, Sexualstrafrecht, Menschenrechte, Normentheorie). Seit dem Winter-semester 2005/6 ist er Dekan der Juristischen Fakultät. Telefon: 0345 55-23130, E-Mail: [email protected]

H I G H L I G H T S I N F O R S C H U N G U N D L E H R E

Neben den genannten Gebieten spielen Grundlagenfächer wie Rechtsgeschichte, Rechtssoziologie, Rechtsphilosophie und Kirchenrecht eine beachtliche Rolle. Beson-ders die Rechtsgeschichte ragt mit zwei bis 2019 bzw. 2022 sicher finanzierten Lang-zeitforschungsvorhaben heraus. Ein Projekt widmet sich der Edition der Sachsenspiegel-Glossen in Kooperation mit den Monumenta Germaniae Historica; das andere befasst sich

mit dem sächsisch-magdeburgischen Recht als kulturellem Bindeglied zwischen den Rechtsordnungen Ost- und Mitteleuropas. Hinzuweisen ist ferner auf die Erschließung der Wirkungen der Wittenberger Reformati-on im staatlichen und kirchlichen Recht durch die Professur für Staatskirchenrecht und Kir-chenrecht. Wo wäre ein besserer Platz für diese Forschung als an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg! Eine idea-le Ergänzung erfährt die Grundlagenfor-schung in der Kooperation mit dem halle-schen Max-Planck-Institut für Ethnologie, Abteilung Rechtsethnologie, sowie dem SFB

580 »Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch: Diskontinuität, Traditi-on und Strukturbildung«. Selbstbewusst blickt die Juristische Fakultät der Alma mater halensis et vitebergensis auf ihr Engagement in der Lehre. Nach der Neu-gründung entwickelte sie schnell ein kon-kurrenzfähiges Ausbildungsangebot, das mit den genannten Studiengängen ein gefragtes Profil gewann. Als eine der ersten Fakultä-ten in Deutschland gelang es ihr, die jüngste Reform der Juristenausbildung umzusetzen.

Nunmehr werden sechs Schwerpunktbereiche angeboten:��Forensische Praxis,��Arbeits-, Sozial- und Verbraucherrecht,��Deutsches und Europäisches Wirtschafts-

recht,��Kriminalwissenschaften,��Staat und Verwaltung,��Internationales, Transnationales und

Europäisches Recht. Als vorbildliche Vorbereitung auf das Exa-men – auch in den vorlesungsfreien Zeiten – wurden ferner das beständige ganzjähri-ge Repetitorium und ein Klausurenkurs eva-luiert.Dies alles war und ist nur möglich auf grund des hohen, oft überobligatorischen Engage-ments aller Mitarbeiterinnen und Mit arbei -ter. In den Rankings wird dieses Enga gement anerkannt: Seit Jahren belegt die Fakultät in den Kategorien Studiensituation und Betreu -ung der Studierenden Spitzen plätze. Wahr-genommen wird aber auch eine sich ständig verschlechternde Finanzsituation, die sich für die Studierenden vor allem an der zuneh mend dürftigeren Bibliotheksausstattung zeigt.

Blick in die neue Bibliothek der Juristischen Fakultät im Juridicum (Foto: Kai-Uwe Dietrich)

Der Attraktivität der juristischen Ausbil dung dienen ferner internationale Austausch-beziehungen mit juristischen Fakultäten in Paris (Science Po, Nanterre, Créteil), Zürich, Bergen, Athen, Udine, Siena, Padua, Bra ti-s lava, Madrid, Vigo, Pamplona, Bia�ystok,Kaliningrad (ehemals Königsberg) sowie Seoul und Tokio (Senshu).

E I N B L I C K U N D A U S B L I C K

Ihren Sitz hat die Juristische Fakultät am Uni-versitätsplatz inmitten der Saalestadt, den man als gelungenes Ensemble von klassizis-tischer und postmoderner Architektur wahr-nehmen, annehmen und – vor allem im Som-mer – genießen kann. Neben dem THOMA-SIANUM und weiteren Gebäuden, etwa dem Franz-von-Liszt-Haus, verfügt die Fakultät seit 1998 über ein modernes Juridicum, das Herz der Fakultät. Alle sind eingeladen, sich im »Weinberg des Rechts« (FAZ) umzuse-hen und von der Atmosphäre beeindrucken zu lassen. Das Juridicum beherbergt die stattli-che rechtswissenschaftliche Bibliothek, einen modernen, leistungsstarken Computer-Pool mit 50 Arbeitsplätzen und einige Lehrstüh-le. 288 Bibliotheksarbeitsplätze und tägliche Öffnungszeiten von 8 Uhr morgens (sonntags ab 14.00 Uhr) bis 1 Uhr nachts machen eine effiziente Nutzung möglich.Die ab Herbst wirkenden Strukturrefor-men werden die Juristische Fakultät und die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät zu einer »Juristischen und Wirtschaftswissen-schaftlichen Fakultät« vereinigen. Schon einmal, von 1914 bis 1952, bestand eine »Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakul-tät« in Halle – freilich unter anderen Vorzei-chen.So stehen den halleschen Juristen im 13. Jahr nach der Wiedereröffnung allerhand Tur-bulenzen bevor – nicht zuletzt infolge der immer kritischeren Finanzsituation. Für die-jenigen indes, die in größeren historischen Zusammenhängen denken, ist das nichts Neues.

9

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

11

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

D I E Z W E I G E M E I N E N RE C H T E

Mit seinem Aufriss über die Geschichte des germanischen und deutschen Rechts machte Conring den späteren Rechtswissenschaftlern den Blick frei für ein besseres Verständnis des einheimischen Rechts und seiner Eigen-ständigkeit. Hierin ging zunächst der Straß-burger Rechtslehrer Johann Schilter (1632–1705) voran. In seinem Hauptwerk Exerci-tationes ad 50 libros Pandectarum (1675/1686) verarbeitete er auch deutsche Rechts-quellen und kam dabei zu dem Ergebnis,

RO L F L I E B E R W I R T H

Die deutsche Rechtsgeschichte ist eine relativ junge Fachdisziplin der Rechtswissenschaft. Sie entstand als Zweig der Historischen Rechtsschule nach dem Untergang des Alten Reiches und seiner Rechtskultur erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, also zu einer Zeit des Neuanfangs mit der bewussten Hinwendung aller kulturellen Bereiche zur eigenen romantisch verklärten Ver-gangenheit, die auch das Recht erfasste. Allerdings ging der deutschen Rechtsgeschichte mit dem deutschen Privatrecht im 18. Jahrhundert eine ältere Fachdisziplin voraus, die methodisch entweder antiquarisch-philologisch oder mehr praktisch-juristisch ausgerichtet war.

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LE

Christian Thomasius und seine »Jünger«

Eine wesentliche Voraussetzung für das deut-sche Privatrecht schuf der Helmstedter Pro-fessor Hermann Conring (1606–1683) in sei-ner 1643 erschienenen Schrift De Origi-ne Iuris Germanici. Darin widerlegte er die Legende von der gesetzlichen Einführung des römischen Rechts in Deutschland durch Kaiser Lothar III. (die sogenannte Lothari-sche Legende), indem er den historischen Nachweis führte, dass das römische Recht tatsächlich usu receptum, also durch prakti-sche Anwendung übernommen worden sei.

dass in Deutschland zwei gemeine Rech-te nebeneinander bestehen, das einheimische deutsche und das fremde römische. Den größeren Schritt in die neue Richtung machte jedoch auf naturrechtlicher Basis Christian Thomasius (1655–1728), der seit Beginn seiner Lehrtätigkeit in Leipzig über-zeugt war, dass neben einer philosophischen eine geschichtliche Grundlage für Kenntnis und Erkenntnis aller Rechtsdisziplinen uner -lässlich sei – und er handelte danach. Im Jahre 1699 avisierte Thomasius dann in Halle eine Vorlesungsfolge für seine neue Form der Ausbildung in der Rechtswissen-schaft. Darin wird im zweiten Hauptteil eine Vorlesung über die römische und über die deutsche Privatrechtsgeschichte angekündigt und später tatsächlich gehalten.

Z U R G E N E S I S D E S D E U T S C H E N PR I V A T R E C H T S

Georg Beyer (1665–1714), Schüler von Tho-masius schon seit der Leipziger Zeit, seit 1707 Professor der Rechte in Wittenberg, gab 1703 diesen Vorlesungsteil von Tho-masius unter dem Titel Delineatio historiae iuris civilis heraus, wobei er Thomasius als

Die Geschichte des Rechts ist nicht nur die Geschichte der Durchsetzung des Rechts gegen Unrecht und Anarchie, sondern ebenso die Geschich-te von Rechtsbeugungen, Rechtsbrüchen und Verbrechen – teils von Zeitzeugen dokumentiert, teils für immer und spurlos im Dunkel der Geschichte begraben ...Ein Kapitel dieses bis heute über weite Strecken ungeschriebenen Buches betrifft die stalinistische Diktatur in der ehemaligen Sowjetunion – oft im Zusammenwirken mit der SED-Willkür der DDR.Ende 2005 erhielt das Archiv der halleschen Universität (UAH) von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur die Dokumentation »Erschossen in Moskau ...«, die über Deutsche berichtet, die 1950–1953 hingerichtet und erst nach 1990 rehabilitiert worden sind.Einer von ihnen war der aus Ostpreußen stammende Sportlehrer Helmut Huwe (Jahrgang 1927, verheiratet, Vater einer Tochter), der vom Sep-tember 1951 bis zu seiner Verhaftung am 14. März 1952 am Institut für Körpererziehung der MLU tätig war. Am 9. Juli 1952 verurteilte ihn das Sowjetische Militärtribunal wegen angeblicher Spionage für einen ausländischen Geheimdienst und Ver-bindung zu einer antisowjetischen Spionageorganisation zum Tod durch Erschießen. Am 8. September 1952 wurde sein Gnadengesuch abgelehnt, am 10. September 1952 das Urteil vollstreckt. Die Militärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitierte Helmut Huwe am 21. Dezember 1994.Im UAH werden ein Fragebogen aus der Personalakte von Helmut Huwe (s. links), das Entlassungsschreiben der MLU vom 24. Mai 1952 (»Betr.: Westflucht des Hilfssportlehrers Helmut Huwe«!), ein Originalbrief sei-ner Ehefrau Lida vom 3. August 1952, in dem sie um Aufklärung des Verschwindens ihres Mannes bittet, sowie Abschriften eines Briefwech-sels zwischen der Witwe und der Lohn- und Gehaltsstelle der Universität aus den Jahren 1957 und 1958 aufbewahrt.

ReHa/MaWeNäheres: UAH, Telefon: 0345 1201166, E-Mail: [email protected]

R E C H T S G E S C H I C H T E I N P R A X I . . .

10

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LE

Autor und sich als Herausgeber bezeichne-te. Beyer hielt in Wittenberg ebenfalls Vorle-sungen zum Deutschen Privatrecht. Die Ver-öffentlichung von 1703 erschien nach seinem Tode 1718 als Anhang anderer Werke und als Einzelausgabe 1718, 1735 und 1750. Für die Ausgaben von 1718 und 1735 war mit Johann Gottlieb Heineccius (1681–1741) ein weiterer Schüler von Thomasius verant-wortlich, der 1713 als Professor der Philoso-phie in Halle, dann dort ab 1721 als Profes-sor der Rechte wirkte und über Franecker/Westfriesland und Frankfurt (Oder) 1733 nach Halle zurückkehrte. Er galt im 18. Jahrhundert als der einflussreichste deutsche Jurist europäischen Ranges. Für das deut-sche Privatrecht schuf er in Halle die erste geschlossene Darstellung (Elementa iuris Germanici 1735/36). Er war schließlich der bedeutendste Vertreter der antiquarischen Geschichtsforschung in Deutschland. Diese speziell an den niederländischen Universitä-ten gepflegte Antiquitätenforschung, darunter auch die hier interessierende Erforschung von Rechtsaltertümern, trat in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts besonders hervor. Nach dem Tode von Heineccius erschienen 1772/73 seine Antiquitates Germanicae jurispruden-tiam patriam illustrantes.

Christian Thomasius, Jurist und Philosoph, als würdige Zierde des prächtig restaurierten alten Gerichtsge-bäudes am Hansering (Foto: Günter Bauer/Mitteldeutsche Zeitung)

RE I C H S -H I S T O R I E U N D I U S P U B L I C U M I M P E R I I

Zu den bedeutenden Schülern von Thomasius zählt ferner Nicolaus Hieronymus Gundling (1671–1729), seit 1705 Professor in Halle. Neben Johann Peter v. Ludewig (1668–1743), seinem großen Gegner im persönlichen und wissenschaftlichen Bereich, gilt Gundling als der Hauptvertreter der halleschen staatsrecht-lich-historischen Schule. Hier verband man das selbständige rechtswissenschaftliche Fach Reichspublizistik, das sich im Heiligen Römi-schen Reich deutscher Nation mit dem Iuspublicum Imperii beschäftigte, mit der Hilfs-disziplin Reichs-Historie, die ursprünglich nur an den protestantischen, seit dem 18. Jahrhun-dert auch an den katholischen Universitäten gelehrt wurde. Gundlings wissenschaftliches Verdienst liegt in seiner realen Einschätzung der historischen Entwicklung des deutschen Staates und seiner Verfassung sowie in der Korrektur der phantasievollen Vorstellungen seiner Zeitgenossen und Vorgänger (Gundlin-giana 1715–1732, 3 Bde). Gundlings Schüler Johann Jacob Schmauß (1690–1757) setzte in Göttingen die wissenschaftlichen Arbeiten in der Reichs-Historie fort.

G E N E R A T I O N E N V O N T H O M A S I A N E R N . . .

Damit wird eine wichtige Seite im Leh-rer-Schüler-Verhältnis von Christian Tho-masius zu seinen »Jüngern« berührt, spezi-ell im Hinblick auf die von ihm immer wie-der herausgestellte historische Grundlegung des Rechts. War die enge wissenschaftliche Beziehung bisher nur am Beispiel derjeni-gen von ihnen aufgezeigt worden, die in ihren Werken deutlich diesem Beispiel von Thoma-sius gefolgt waren, so sollte nicht verkannt werden, dass die weiteren Schüler, die inzwi-schen an anderen Universitäten als Rechts-lehrer tätig waren, vermutlich dort eben-falls für die Verbreitung der Thomasiani-schen Gedanken beigetragen haben, wie Carl Otto Rechenberg, Andreas Rüdiger und Gott-lieb Gerhard Titius in Leipzig, Ephraim Ger-hardt in Altdorf, Johann Laurentius Fleischer in Frankfurt (Oder), Jacob Friedrich Ludo-vici in Gießen, Nicolaus Pragemann in Jena, Dietrich Hermann Kemmerich in Erlangen und Ludwig Freiherr von Holberg in Kopen-hagen. Auch deren Schüler sind letztlich in den Kreis einzubeziehen. Bei allem gilt es jedoch zu bedenken, dass nur selten eine bedingungslose Über -nahme der Anschauungen eines bedeuten-den Lehrers auf die Schüler erfolgt ist. Meist kamen eigene Vorstellungen oder Lehren anderer Wissenschaftler hinzu, was allerdings weniger für historische Grundlegungen im 18. Jahrhundert zutrifft. Bis zu diesem Zeit-punkt gab es nur Ansätze für eine historische Untermauerung einzelner Rechtsdisziplinen oder Rechtsinstitutionen, Vorstufen also für die Rechtsgeschichte als selbständiges Fach-gebiet.

Prof. Dr. Dr. h. c. Rolf Lieberwirth,Jahrgang 1920, studierte nach Kriegsein-satz und Verwundung seit 1946 Rechts-wissenschaft an der gerade wiedereröff-neten Universität Halle, beide juristische Staatsexamina schlossen sich an. Unter fachlicher Betreuung von Gertrud Schu-bart-Fikentscher folgten 1953 die Promo-tion mit einer Arbeit über die Pfandrech-te zur Zeit der Aufklärung und 1961 die Habilitation zu Christian Thomasius und

die Folter. Von 1968 bis 1986 wirkte Lieberwirth als Professor für Rechts-geschichte und Internationales Privatrecht an der Alma mater halensis et vitebergensis. 1972 wurde er zum Ordentlichen Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig gewählt, bei der er später meh-rere verantwortliche Positionen, u. a. die des Vizepräsidenten, wahrnahm. Hohe akademische Ehrungen erfolgten in Gestalt der juristischen Ehren-doktorwürde der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen (1995), der Berufung in die Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Histori-ca, durch drei Festschriften und die Herausgabe seiner gesammelten Schrif-ten. Hauptarbeitsgebiete sind der Sachsenspiegel und seine Glossen, das Magdeburger Stadtrecht, Christian Thomasius und die Aufklärung, Wissen-schafts- und Universitätsgeschichte.Kontakt: nur über Prof. Dr. Heiner Lück (s. S. 15)

11

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LE

Wechselhaft: Die Juristische Fakultät Halle im 19. Jahrhundert

L I E S E L O T T E J E L O W I K

Der Glanz der frühen Jahre hält selten ewig vor – und so büßte auch die Juristische Fakul-tät der halleschen Fridericiana im Lauf des 18. Jahrhunderts ihren ursprünglichen Glanz ein. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts präsentierte sie sich institutionell zwar noch als die wichtigs-te preußische Juristenfakultät mit einer beachtlichen Studentenzahl (655 im Sommersemester 1806), doch fehlte ihr mit ihrem großenteils überalterten und in konservativem universaljuris-tischen Denken verharrenden Lehrkörper jede wissenschaftliche Attraktivität. Die alsbald fol-genden unruhigen und wechselvollen Jahre unter napoleonischer Fremdherrschaft brachten die Fakultät an den Rand des Verfalls. Erst die Neueröffnung als preußische Universität im Jahre 1814 nach dem Zusammenbruch des napoleonischen »Königreichs Westphalen« leitete eine Phase der Erholung und zeitweiligen Konsolidierung ein.

Gelehrte wie der junge Pandektenforscher Friedrich Bluhme und der Zivilrechtler Chris-tian Friedrich Mühlenbruch verliehen der Fakultät zwar vorübergehend neues Anse-hen, konnten aber letztlich den Abwärtstrend weder umkehren noch stoppen.

K O N K U R R E N Z R U N D U M

Unter dem Einfluss der preußischen Univer-sitätsneugründungen verloren ältere Univer-sitäten erheblich an Bedeutung. Nachdem der halleschen Fakultät in Berlin und Bonn mächtige Rivalen erwachsen waren, geriet sie mehr und mehr in den Geruch des Provinzia-lismus mit spürbarem Verlust an Anziehungs-kraft auf Lehrkörper und Studenten – zudem noch begünstigt durch den scheinbaren Man-gel landschaftlicher Reize der Stadt und ihrer Umgebung. Schwer fiel es der Fakultät auch,

sich gegen die Konkurrenz der benachbarten Universitäten in Leipzig, Jena und Göttingen zu behaupten. Deshalb setzte man vor allem auf die Berufung namhafter Rechtslehrer, um Attraktivität und Ausstrahlung der Juristi-schen Fakultät in Halle zu erhöhen. Folglich

blieb die Zahl akademischer Nachwuchskräf-te, denen hier der Aufstieg vom Privatdozen-ten zum ordentlichen Professor gelang, per-manent gering. Die Hoffnung der Fakultät, ihren Lehrkör-per durch fachlich herausragende Kräfte von anderen Universitäten zu stärken, erfüllte sich nur zeitweise und partiell. Die zwischen den deutschen und deutschsprachigen Universitä-ten florierende Fluktuation machte dauerhaf-te personelle Erwerbungen zugunsten der hal-leschen Fakultät in der Regel unmöglich. Sie reichten unter den Bedingungen eines nahezu

permanenten Personalwechsels nicht aus, den Ruf einer blühenden, zugkräftigen Lehr- und Forschungsstätte, den sie in den ersten Jahr-zehnten ihrer Existenz besessen hatte, zurück-zugewinnen. Immerhin weist die Fakultät in personeller Hinsicht auch im 19. Jahrhun-dert einige Glanzpunkte auf, wie sie sich vor allem in dem – allerdings kurzzeitigen – Wir-ken des Romanisten Friedrich Ludwig Keller (1844–1846) und des Schöpfers des schwei-zerischen Zivilgesetzbuchs, Eugen Huber (1888–1892), in Halle verkörpern. Gegen Ende des Jahrhunderts zogen der Strafrechtler Franz v. Liszt (1889–1899; 1894/95 Rektor der Alma mater halensis et vitebergensis) und sein Kriminalistisches Seminar verstärkt Stu-denten und junge Wissenschaftler an.

I M A B W Ä R T S T R E N D

Freilich reichten personelle Verstärkungen des Lehrkörpers, so erwünscht sie der Fakul-tät waren, nicht aus, die Folgen der Rück-läufigkeit aufzufangen, unter der alle deut-schen Universitäten über weite Phasen des 19. Jahrhunderts litten. Die Frequenzschwan-kungen, deren Ursachen außerhalb der Fakul-tät, in veränderten wirtschaftlichen Bedin-gungen und gesellschaftlichen Bedürfnis-sen zu suchen sind, bewirkten jenes wech-selvolle Auf und Ab in der Entwicklung der Fakultät, in der wiederholt auf Jahre des Auf-schwungs Perioden des Rückgangs und der Stagnation folgten. Dem allgemeinen hoch-schultypischen Trend folgend, sank die Zahl der Jurastudenten in Halle seit den 1830er Jahren rapide ab und erreichte nach kurzzeiti-gem Anstieg um die Jahrhundertmitte in den nachfolgenden Jahrzehnten ihren Tiefpunkt. Es gab in jenen Jahren nicht selten Semester, in denen die Professoren den Lehrbetrieb für weniger als 50 Studenten aufrecht erhielten.

. . . U N D D A N N

D E R A U F S C H W U N G D E R G R Ü N D E R Z E I T

Erst die prosperierende Wirtschaft und der aus der staatlichen und rechtlichen Einheit Deutschlands erwachsende erhöhte Bedarf an Juristen brachten der halleschen Juristenfa-

Dr. sc. jur. Lieselotte Jelowik, Jahr-gang 1937, war bis 1990 Hochschuldo-zentin für deutsche Staats- und Rechtsge-schichte an der Juristischen Fakultät der MLU. Seit 1991 ist sie freischaffend tätig. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Univer-sitäts- und Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Dazu veröffentlichte sie 1998 die Monographie »Tradition und Fortschritt. Die hallesche Juristenfakultät im 19. Jahrhundert«. Seit 1997 Mitarbeit

an dem Editionsprojekt »Juristische Briefwechsel des 19. Jahrhunderts« des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte« Frankfurt am Main. Anschrift: Hyazinthenstraße 25, 06122 Halle (Saale)Telefon: 0345 8047621

12

Prof. Dr. Franz v. Liszt, UAH, Rep. 40, Nr. 238 Faksimile einer wissenschaftlichen Abhandlung von Friedrich Bluhme

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LE

kultät seit den 1870er Jahren einen kontinu-ierlichen Aufschwung. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert präsentierte sie sich mit einer stattlichen Frequenz von mehr als 400 Studenten und einem Lehrkörper von acht Ordinarien, ein bis zwei Extraordinarien, einem Honorarprofessor und mehreren Pri-vatdozenten. Die Lehrstühle waren geradezu glänzend besetzt. Neben den erwähnten Pro-fessoren Huber und v. Liszt und dem Roma-nisten und Zivilprozessualisten Hermann Fit-ting (1862–1902) wirkten um die Jahrhun-dertwende die Romanisten Max Rümelin (1888–1895) und Rudolf Stammler (1885–1916) in Halle – letzterer hat sich vor allem

als Rechtsphilosoph einen Namen gemacht. Unter den Privatdozenten jener Zeit fan-den sich mit Karl v. Lilienthal, Ernst Rosen-feld und Moritz Liepmann junge Nachwuchs-kräfte, die später zu besonderem Ansehen auf ihrem Fachgebiet gelangten.

FU N D A M E N T A L E WE R KE

Auch in den Zeiten, in denen die Geltung der Fakultät im Ensemble der deutschen Univer-sitäten beklagenswert gering war, fehlte es in Halle nicht an herausragenden Wissenschaft-lern. So entstand und erschien 1842 das Buch »Das Strafrecht der Germanen« von Wilhelm Eduard Wilda (seit 1831 als außerordentli-cher Professor in Halle), der die germanis-tische Rechtswissenschaft damit epochema-chend beeinflusst hat. Auch als Mitbegrün-der der seit 1839 erscheinenden Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissen-schaft ging er in die Geschichte der Rechts-wissenschaft ein. Die Germanisten Johan-nes Merkel (1852–1861) und Alfred Bore-tius (1874–1886) erwarben sich Verdiens-te um die rechtshistorische Forschung durch ihre Mitarbeit an den Monumenta Germani-ae historica. Hugo Böhlau, Mitbegründer der Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechts-geschichte (ZRG), wirkte 1855–1862 als Pri-vatdozent bzw. Extraordinarius für Strafrecht in Halle. Hermann Fitting verdankte sei-nen international hochgeschätzten Forschun-gen zur Geschichte des römischen Rechts und der frühmittelalterlichen Rechtswissenschaft die Ehrenmitgliedschaft in mehreren wissen-schaftlichen Akademien und Gesellschaften Italiens. Sein Lehrbuch des (ersten reichsein-heitlichen) Zivilprozesses, das 1878 erstmals erschien, erlebte dreizehn Auflagen bis 1908.

I N N O V A T I O N E N U N D S P R U C H P R A X I S

Unter den deutschen Juristenfakultäten ver-fügte die hallesche seit 1853 als eine der ers-

ANZEIGE AF Druck

D A S S T A N D A R D W E R K D E U T S C H E R

RE C H T S G E S C H I C H T E I M E U R O P Ä I S C H E N K O N T E X T :

Handwörterbuch zur deutschen Rechtsge-schichte, begründet von Wolfgang Stamm-ler, Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann, 2., völlig überarbeitete und erweiterte Aufl., hg. von Albrecht Cordes, Heiner Lück, Die-ter Werkmüller unter philologischer Mit-arbeit von Ruth Schmidt-Wiegand, Erich Schmidt Verlag Berlin 2004 ff. Von dem auf sechs Bände ausgelegten Werk sind bislang drei Lieferungen erschienen (Aachen-Anarchismus; Andelang-Bayeri-sche Kodifikationen des Naturrechtszeital-ters; Bayern-Burchard von Worms). Jeder Band wird acht Lieferungen (zu je 128 Sei-ten) umfassen. Preis je Lieferung 29,80 Euro (ISBN 3 503 07911 4); gebundene Ausgabe, Leinen, pro Band ca. 250 Euro (ISBN 3 503 07912 2). Siehe auch http://www.HRGdigital.info

ten über ein Juristisches Seminar. In einer 1835 von dem Privatdozenten Karl Otto v. Madai betriebenen Juristischen Gesellschaft hatte es einen frühen Vorläufer und wurde seit 1865 zur Grundlage einer sich erfreulich entwickelnden juristischen Fachbibliothek. In den Jahren 1889–1899 war das von Franz v. Liszt in seiner Marburger Zeit begrün-dete Kriminalistische Seminar in Halle zu Hause und bescherte so der Fakultät ihr ers-tes Fachinstitut, das Institut für Strafrecht und Strafprozess (als zweites folgte erst 1928 das Institut für Arbeitsrecht).Als Spruchkollegium entschied die halle -sche Juristenfakultät im Verlauf des 19. Jahr -hunderts (1801–1889) insgesamt 8 112 Rechtsfälle, deren Akten ihr durch deutsche Gerichte zugesandt wurden. Sie behauptete damit hinter den Leipziger Universitäts-juristen eine Spitzenposition in der Spruch-tätigkeit deutscher Juristischer Fakultäten.

13

Faksimile des wissenschaftlichen Hauptwerks von Wilhelm Eduard Wilda

Wilhelm Eduard Wilda (Foto: privat)

AF Druck GmbHErnst-Thälmann-Str. 137b06179 Teutschenthal OT [email protected] (03 45) 6 13 82 44

Individuelle GestaltungReproduktion, Satz

Druck und

Weiterverarbeitung

aus einer Hand!

»SACHSENSPIEGEL UND MAGDEBURGER RECHT – GRUNDLAGEN FÜR EUROPA«

Am Mittwoch, dem 12. Juli 2006, wird um 18 Uhr im Foyer des Juridicums, Universitäts-platz 5, als Beitrag der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Witten-berg zum Sachsen-Anhalt-Tag 2006 die Wanderausstellung »Sachsenspiegel und Magde-burger Recht – Grundlagen für Europa« eröffnet, die einige Wochen lang jeweils Montag bis Freitag, 10–20 Uhr dort besucht werden kann.Der Nestor der halleschen Rechtsgeschichte Prof. Dr. Dr. h. c. Rolf Lieberwirth (s. S. 10/11) gibt eine Einführung in die Schau.Diese Exposition – zweisprachig (deutsch und englisch) konzipiert und zusammengestellt vom Lehrstuhl für Europäische, Deutsche und Sächsische Rechtsgeschichte der halleschen Universität unter der Leitung von Prof. Dr. Heiner Lück – wurde bereits im Februar mit Erfolg im Magdeburger Landtag gezeigt (s. S. 6/7) und wird nach dem halleschen Zwi-schenstopp an weiteren Orten im In- und Ausland zu sehen sein. Der Sachsenspiegel und das Magdeburger Recht, zwei für die europäische Geschichte wesentliche Rechtsquellen, die im 13. Jahrhundert auf dem Territorium des heutigen Bun-deslandes Sachsen-Anhalt entstanden, bilden ein einzigartiges Phänomen der deutschen und europäischen Rechtsgeschichte. Durch ihre Jahrhunderte lange europaweite Ausstrah-lung waren vor allem die osteuropäischen Nachbarländer bis ins 19. Jahrhundert mit der Kulturlandschaft Mitteldeutschland verbunden. Heute ist die Nähe der Rechtskulturen durch das Zusammenwachsen des Kontinents in der Europäischen Union erneut gegeben.

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Ahnenreihe:Hallesche RechtshistorikerInnen im 20. Jahrhundert

H E I N E R L Ü C K

Das Fach Rechtsgeschichte und seine VertreterIinnen haben überall in Deutschland im Ver-lauf des 20. Jahrhunderts turbulente Zeiten mit schicksalhaften Einschnitten in persönliche Lebensbahnen und wissenschaftliches Schaffen erlebt. Das trifft insbesondere auf die Zeit des Nationalsozialismus zu, die für die Umgestaltung des juristischen Lehrbetriebs ebenso sorgte wie für die Etablierung eines systemkonformen Lehrpersonals. Während im Westen Deutsch-lands nach 1945 relativ rasch die Wiederherstellung einer Normalität der rechtswissenschaftli-chen Lehre und Forschung gelang, verlief die Entwicklung an den Juristischen Fakultäten im Osten Deutschlands, zunächst noch unter den Bedingungen der sowjetischen Besatzungsmacht, dann innerhalb der ideologischen Vorgaben und staatlichen Strukturen der DDR, grundlegend anders.Erst die politische Wende 1989/90 ermöglichte hier die Einrichtung einer an rechtsstaatlichen Erfordernissen orientierten Juristenausbildung an den vorhandenen Juristischen Fakultäten (Berlin-Ost, Jena, Halle, Leipzig), zu denen sogar einige Neugründungen (Dresden, Potsdam) und Wiedereröffnungen (Erfurt, Frankfurt [Oder], Greifswald, Rostock) hinzutraten. Von diesen Vorgängen waren auch die Rechtshistorikerinnen und Rechtshistoriker betroffen. Von jenen, die in Halle wirk(t)en, soll hier die Rede sein.

Z W I S C H E N K A I S E R R E I C H U N D Z U S A M M E N B R U C H

Die Rechtsgeschichte an der halleschen Juris-tenfakultät war kurz nach 1900 noch ganz von den im späten 19. Jahrhundert etablier-ten Strukturen und Personen geprägt. Zu den bedeutenden Hochschullehrern in Halle, die für die Rechtsgeschichte in Anspruch genom-men werden können, gehörten um die Jahr-hundertwende u. a. Hermann Fitting (1862–1902 in Halle), Philipp Heck (1892–1901 in Halle), Paul Rehme (1901–1918 in Halle) und Hans Fehr (1912–1917 in Halle).

Mit der Berufung Rudolf Hübners an die Juristische Fakultät in Halle konnte 1917 ein Rechtshistoriker mit nachhaltiger Wirkung gewonnen werden. Bereits im Jahre 1908 war sein Hauptwerk, »Grundzüge des Deutschen Privatrechts« erschienen. Es sollte mehre-re Nachauflagen und schließlich einen moder-nen Nachdruck erfahren. Zu nennen sind weiterhin: Rudolf Joerges (1919–1933, 1946–1950 in Halle) und Gustav Böhmer (1919–1934 in Halle). Für Rudolf Hübner, der 1922 nach Jena gegangen war, kam Guido Kisch von Königsberg nach Halle

(rechts). Durch seine Forschungsschwerpunk-te (Sachsenspiegel, Stadtrechte, Recht im Deutschordensland, Konsilien und Spruch-tätigkeit) verlieh er der Rechtsgeschichte in Halle ein Profil, das bis heute nachwirkt. Neben Kisch lehrte Rudolf Ruth (1925–1935 in Halle) Deutsche Rechtsgeschichte.Die gravierenden Einschnitte, die mit der Machtergreifung der Nazis erfolgten, betra-fen – in Halle gewissermaßen zu allererst – die Rechtsgeschichte. Neben anderen Hoch-schullehrern jüdischer Herkunft wurde Guido

Guido Kisch (zwischen 1922 und 1933)

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LE

14

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Kisch 1933 beurlaubt, worauf er 1935 mit seiner Familie in die USA emigrierte. Im Jahre 1937 wurde Gerhard Buchda aus Jena für Deutsche Rechtsgeschichte und Bür-gerliches Recht nach Halle berufen. Sein überaus fruchtbares Schaffen in Halle ende-te mit der Einberufung zum Kriegsdienst 1943. Zu den letzten Berufungen auf dem Gebiet der Rechtsgeschichte vor Kriegsende gehört jene von Gustav Klemens Schmelzei-sen (1942).

G R A T W A N D E R U N G N A C H 1945

Dem Wechsel der Besatzungsmacht am 1. Juli 1945 folgte die Schließung der Universi-tät Halle. Sowohl Buchda als auch Schmelz-eisen wurden in Abwesenheit entlassen. Nach der feierlichen Wiedereröffnung am 1. Februar 1946 konnte auch die Juristische Fakultät unter der Aufsicht der sowjetischen Besatzungsmacht ihren Lehrbetrieb wieder aufnehmen. Der Zustand des Lehrkörpers war jedoch infolge des Krieges und der ideologi-schen »Säuberung« desaströs. Der politisch unverdächtige und inzwischen hoch betagte Rudolf Joerges (Jahrgang 1868) übernahm u. a. Vorlesungen zum Römischen Recht. Im Jahre 1948 wurde als erste Frau auf einen juristischen Lehrstuhl in Deutschland Gertrud Schubart-Fikentscher berufen (oben). Schon 1942 hatte sie mit der Monographie »Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa« ein bis heute unersetzliches Stan-dardwerk geschaffen. Im Zusammenhang mit dem 300. Geburtstag Christian Thomasius’ 1955 entstanden grund-legende Arbeiten zum Recht in der Aufklä-rungszeit. Über die Feierlichkeiten berich-tete übrigens in der Zeitschrift der Savig-

Prof. Dr. Heiner Lück, Jahrgang 1954, studierte nach einer Lehre im Stahl- und Walzwerk Brandenburg 1975–79 Rechtswissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Witten-berg. Es folgten in Halle: Promotion mit einer Dissertation zur Wittenberger Juris-tenfakultät (1983), Habilitation mit einer Arbeit zur kursächsischen Gerichtsverfas-sung im 15./16. Jh. (1988), in Gießen: der Erwerb der venia legendi für Bürger-

liches Recht (1993). Er ist seit 1994 Professor für Bürgerliches Recht, Euro-päische, Deutsche und Sächsische Rechtsgeschichte in Halle. Rufe nach Greifswald (1994) und Passau (1999) lehnte er ab. Lück wurde 1998 zum Ordentlichen Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig gewählt. Seit 2001 gehört er deren Präsidium an. Ferner ist er Stellv. Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission der Union der deut-schen Akademien und stellv. Richter am Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt. Seit 1997 obliegt ihm die Mitherausgeberschaft des Handwörter-buchs zur deutschen Rechtsgeschichte (2. Aufl.), vgl. auch S. 7. Telefon: 0345-5523200; E-Mail: [email protected]

Gertrud Schubart-Fikentscher (1976)

ny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanis-tische Abteilung 72, 1955, S. 469 f., ein jun-ger Assistent aus Freiburg i. Br. namens Karl Kroeschell.Die hallesche Professorin wurde 1959 zum Ordentlichen Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig gewählt. Aus dieser Zeit resultiert die kon-tinuierliche, enge und überaus ertragreiche Verbindung der späteren Inhaber des halle-schen Lehrstuhls für Rechtsgeschichte mit der renommierten mitteldeutschen Gelehrtenge-sellschaft mit Sitz im benachbarten Leipzig. Forschung und Lehre zum Römischen Recht waren weitgehend in den Hintergrund getre-ten. Die grundlegenden Strukturen wurden immerhin von Rudolf Joerges bis etwa 1950 gelesen.Auf Grund der bekannten feindlichen Hal-tung des NS-Regimes zum Römischen Recht verschwand die Romanistik im Grun-de genommen schon während der 1930er Jahre in Halle. Weder nach 1945 noch nach 1989 wurde sie mit einem entsprechenden Lehrstuhl wieder etabliert. Dieser aus zeit- und rechtsgeschichtlicher Perspektive wenig befriedigende Zustand dauert bis heute an.Zu den Studierenden der ersten Stunde nach der Wiedereröffnung der Universität 1946 gehörte Rolf Lieberwirth (Jahrgang 1920). Als Schüler von Gertrud Schubart-Fikent-scher wurde er an rechtshistorische Frage-stellungen im Werk von Christian Thoma-sius und dessen Zeitgenossen herangeführt. 1956 wurde er zunächst Dozent und trat dann 1961 die Nachfolge seiner Lehrerin auf dem entsprechenden Lehrstuhl an. In den frühen 1980er Jahren wandte er sich verstärkt dem Sachsenspiegel und dem Magdeburger Recht als Forschungsgegenständen zu.Als Nachwuchswissenschaftlerin wurde in den 1960er Jahren Lieselotte Jelowik (Jahr-gang 1937) gewonnen und unter der Ägide von Rolf Lieberwirth promoviert und habili-tiert. Infolge mehrfacher Reformen des Juras-

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LEtudiums übernahm sie die Lehrveranstaltun-gen, die den jüngsten Perioden der Rechts-geschichte gewidmet waren. In den 1970er Jahren traten dann Bernd Schildt (Jahrgang 1948), heute Ordinarius für Bürgerliches Recht und Rechtsgeschichte in Bochum, und der Autor dieses Beitrages (Jahrgang 1954) als Doktoranden in den unmittelbaren Wir-kungskreis von Rolf Lieberwirth ein, der beide bis zur Habilitation betreute.

N E U B E G I N N S E I T 1990

Die Ereignisse der politischen Wende 1989/90 mündeten im Beitritt der »neuen Län-der« zur Bundesrepublik Deutschland. Damit vereinigten sich auch zwei Wissen-schaftslandschaften, die sich seit 1945 diver-gierend entwickelt hatten. Die »Sekti-on Staats- und Rechtswissenschaft« (so seit 1968), an der zu diesem Zeitpunkt Lieselot-te Jelowik, Bernd Schildt und der Autor tätig waren (Rolf Lieberwirth war 1986 emeritiert worden), wurde 1990/91 »abgewickelt«; d. h. alle Angehörigen des Lehrkörpers wurden entlassen. Gleichzeitig erfolgte unter Auf-rechterhaltung des Studienbetriebes der Auf-bau einer neuen – unserer heutigen – Juristi-schen Fakultät. Der Autor ist seit 1994 Inha-ber des neubegründeten Lehrstuhls für Bür-gerliches Recht und Rechtsgeschichte.Bei den Neuberufungen nach 1990 konn-ten der Strafrechtler und Strafrechtshistori-ker Günter Jerouschek sowie der Öffentlich-rechtler und Vertreter der Neueren Rechts- und Verfassungsgeschichte Walter Pauly gewonnen werden. Beide verließen jedoch Halle infolge ehrenvoller Rufe nach Jena, so dass die Rechtsgeschichte in Halle weitge-hend auf den Schultern des Autors ruht. Auch von daher ist es eine wunderbare Fügung, dass der Deutsche Rechtshistorikertag in sei-ner 79-jährigen Geschichte gerade jetzt erst-mals nach Halle kommt.

ImmoHal 3

15

Anzeige

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Impulse aus Wittenberg:Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit

R A L F FR A S S E K

Die Reformation zählt zu den bedeutendsten Ereignissen des vergangenen Jahrtausends. Vom kursächsischen Wittenberg ausgehend, prägte sie die Geschichte des alten Reiches, Europas und der Welt entscheidend und dauerhaft. Ihre Wirkungen beschränkten sich dabei nicht allein auf den engen theologischen Bereich von Glauben und Religion, sondern beeinflussten in erheblichem Maße auch Staatsgefüge und Rechtsordnungen.

Dem Eherecht hatte die Reformation gleich in zweifacher Hinsicht den Boden entzo-gen: Einerseits waren dessen Rechtsgrund-lagen durch Luthers Ablehnung des kanoni-schen Rechts in Frage gestellt, andererseits ver schwand mit ihrer Durchführung die Ehe-gerichtsbarkeit der Bischöfe. Der sich konsti-tuierende Territorialstaat des 16. Jahrhun-derts musste etwas Neues an Stelle des alten Rechts und der alten Gerichtsbarkeit tre-ten lassen. Es galt, mittels sachgerechter Ant-worten einem rechtlichen Vakuum entgegen-zuwirken, denn auch und gerade nach dem Wegfall der alten bischöflichen Ehegerichts-barkeit standen eherechtliche Probleme zur Entscheidung an. Überall wo die Reforma-tion Einzug gehalten hatte, stellte sich glei-chermaßen die Frage, wer diese Fälle nun entscheiden sollte und welche rechtlichen Normen anzuwenden seien.

I M Z W E I F E L S F A L L Z U M H O F E

In Kursachsen waren die Fragen zur Aus-gestaltung der neuen Ehegerichtsbarkeit zu nächst nicht eindeutig beantwortet wor-den. Stillschweigend wurde für einfache Fälle eine Entscheidung der Pfarrer vorausgesetzt, in Zweifelsfällen sollte man entweder an die Amtleute, die kurfürstliche Kanzlei oder die Hofgerichte herantreten. In der Praxis wand-ten sich Betroffene oft einfach an die bekann-ten Autoritäten der Reformation in Witten-berg, was Martin Luther, wie man weiß, über seine Arbeitsbelastung durch Eherechtsfälle klagen ließ.

In den 1530er Jahren wurde diese Lage von den Zeitgenossen offenbar als unbefriedi-gend empfunden. Abhilfe sollte die Errich-tung eines oder sogar mehrerer neuer Ehege-richte schaffen. Ein im Jahre 1537 von den Landständen gegenüber dem Kurfürsten vor-gebrachtes Anliegen führte nach eingehen-der Erörterung schließlich Anfang 1539 zur Schaffung des Wittenberger Konsistoriums. Ausgestaltet wurde es als Kollegium von vier Professoren aus dem Kreis der Wittenberger Universität, zwei Theologen und zwei

Buchfabrik

JUCO

Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen (1486–1525)Moritz Meurer, Öl auf Leinwand, 1870, Zentrale Kustodie, Kunstsammlung

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

WIT

TEN

BER

G

16

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Juristen, denen für die Durchführung der ver-schiedenen gerichtlichen Aufgaben mehrere Hilfsbeamte zur Seite standen. Für das Konsistorium wurde also die Form eines mit hochkarätigen Gelehrten besetzten Kol-legialgerichts gewählt. Dabei flossen die seit etwa einem Jahrzehnt in Sachsen gewonne-nen Erfahrungen des Einsatzes »gelehrter« Beisitzer in den reorganisierten Hofgerichten und im Wittenberger Schöffenstuhl ein.

L U T H E R U N D D A S W I T T E N B E R G E R K O N S I S T O R I U M

Für die Arbeit des Wittenberger Konsisto -riums war es von Anfang an charakteris tisch, nicht auf der Basis einer vorgefertigten Normengrundlage zu entscheiden, sondern aus der Fülle der zeitgenössischen Rechts-quellen diejenigen Entscheidungsmaximen zu entwickeln, die sowohl die sachgerechteste als auch die konsensfähigste Lösung verspra-chen, mochten sie nun dem römischen Recht, dem kanonischen Recht, der Heiligen Schrift, einem Reformatorengutachten oder aber einer der neu geschaffenen evangelischen Kirchen-ordnungen entlehnt sein. Mit seiner Tätigkeit trug das Konsistori-um gleichzeitig zu einer sachgerechten und widerspruchsfreien Fortentwicklung des neuen Eherechts bei.Martin Luthers Verhältnis zum Wittenberger Konsistorium war – obwohl es dazu diente, ihn wie andere Reformatoren von der auf -reibenden Entscheidungstätigkeit in Ehe -sachen zu entlasten – zwiespältiger Natur. Seine Vorstellungen waren ohnehin in die der Einrichtung vorangehende Diskussion einge-flossen, und sein Placet beendete eben diese.

Aber Luthers ausdrücklich ausgesprochenem Lob für einzelne Entscheidungen des Kon-sistoriums steht seine harsche und unerbittli-che Kritik gegenüber, wenn entgegen seinen Vorstellungen entschieden wurde, besonders wenn dies auf Betreiben der Juristen geschah, die sich ihrerseits im Kollegenkreis der Fakultät zu rechtfertigen hatten. Repräsentier-ten die Konsistorialjuristen im Bereich des Eherechts die maßgebliche Entscheidungsin-stanz, so standen sie doch in der universitären Hierarchie in der Regel im Schatten anderer. Im ernestinischen Kurfürstentum war man jedoch bei aller Wertschätzung Luthers und der Vorteile infolge der Reformation nicht bereit, das angestrebte Ziel einer effektiven, modernen Rechts- und Gerichtsordnung gänz-lich seinen Meinungen und Vorstellungen unterzuordnen. Luthers persönlicher Einsatz bewirkte allerdings, dass der Kurfürst sich in Einzelfällen auf seine Seite stellte und Ent-scheidungen des Konsistoriums revidierte.

F Ü R S T L I C H E (E N T - )S C H E I D U N G S G E W A L T

Grundsätzlich kam dem Fürsten diese Kom-petenz zu, denn wie allgemein in der früh-neuzeitlichen Gerichtsverfassung war er auch im Bereich der Ehegerichtsbarkeit selbst ein Organ der Rechtsprechung und oberster Gerichtsherr im Territorium. Seine Rechtspre-chung konkurrierte auf allen Ebenen mit der speziellen Entscheidungs tätigkeit der Gerich-te. Innerhalb dieser umfassenden, aus der Stellung des Fürsten erwachsenden Berech-tigung lassen sich indes funktionelle Ein-zelbereiche feststellen, die regelmäßig vom Hofe selbst in die Hand genommen wurden. So waren beispielsweise Appellationen an den Kurfürsten zu richten, um am Hofe dar-über zu entscheiden. Die Mehrzahl der Auf-gaben nahm der Fürst allerdings nicht per-sönlich wahr, sondern überließ die sachge-rechte Bearbeitung seinen Räten, im Bereich des Eherechts ganz speziell der kurfürstlichen Kanzlei. Höchstpersönlich oblagen dem Fürs-ten aber insbesondere Gnaden- oder Dispens-entscheidungen.Die größte materiell-rechtliche Errungen-schaft des evangelischen Eherechts war zwei-fellos das Rechtsinstitut der Ehescheidung,

die Lösung der Partner vom Bande. Diese Möglichkeit wurde für diejenigen Sachver-haltskonstellationen geschaffen, in denen sie, rational nachvollziehbar, durch die Inte-ressenlage der Betroffenen indiziert war: beim Ehebruch, der böswilligen Verlassung oder wenn dem Ehegatten nach dem Leben getrachtet wurde. Die Trennung der Ehe mit der persönlich wie wirtschaftlich so außer-ordentlich bedeutsamen Möglichkeit, eine neue Ehe eingehen zu dürfen, war damit nicht mehr von der Gnade oder dem Zufall abhän-gig, ob eine spitzfindige juristische Konstruk-tion diesen Weg gestattete. Vom Verantwor-tungsbewusstsein, mit dem das neue Rechts-institut der Ehescheidung gehand habt wurde, legt die äußerst geringe Zahl der tatsächlich zur Scheidung führenden Ver fahren Zeugnis ab. Unter diesen wenigen nahmen die Verlas-sungsfälle, in denen faktisch nach dem Weg-gang des Partners nur noch die Frage der Ver-sorgung durch eine neue Ehe nach Lösung verlangte, den größten Raum ein.

R A T I O K O N T R A L E I B E S S T R A F E N

Das heute teilweise immer noch herrschen-de Bild von der Blutrünstigkeit vergangener Jahrhunderte, als Ehebrecher oder Unzucht Treibende rigoros mit dem Tode bestraft wur-den, findet in den überlieferten Archiva lien zum evangelischen Eherecht des Refor ma-tionsjahrhunderts keine Bestätigung. Nur in sehr wenigen der vielen hundert aus-gewerteten Fälle lässt sich der Ausspruch eines Todesurteils nachweisen, und noch geringer ist die Zahl derjenigen Fälle, in denen mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass verhängte Todesurteile auch vollstreckt wurden.Das evangelische Eherecht des 16. Jahrhun-derts, das so wesentlich von Impulsen aus Wittenberg geprägt wurde, stellt sich als aus-gesprochen rationales Recht dar, das in seiner Berücksichtigung und Abwägung der Indivi-dualinteressen selbst nach heutigen Maßstä-ben sachgerecht und ausgewogen erscheint. Irrationalität, der Glaube an Hexen und Zau-berei, die ebenso wie die harten Lebens- und Leibesstrafen das heutige Bild vom 16. Jahr-hundert bestimmen, spielten in den überlie-ferten Ehefällen des sächsischen Raumes fak-tisch keine Rolle.

PD Dr. Ralf Frassek, Jahrgang 1961, studierte 1980–88 Rechtswissenschaf-ten in Han nover. Es folgten die Pro-motion auf dem Gebiet der neueren Privatrechts geschichte (Hannover 1994) sowie die Habilitation und Verleihung der Venia legendi für die Fächer Bürgerli ches Recht, Deut sche und Europäische Rechts-geschichte (Halle-Wittenberg 2004). Seine Forschungsschwerpunkte sind das evangeli sche Ehe- und Kirchenrecht der

Reforma tionszeit, die europäische Privatrechtsgeschichte und die Geschichte der Juristen ausbil dung. Telefon: 0345 55-23201. E-Mail: [email protected]

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

WIT

TEN

BER

G

Martin Luther (1483–1546), Johann Martin Bernige-roth nach Lucas Cranach d. Ä., Kupferstich, Leipzig, 1747, Zentrale Kustodie, Kupferstichkabinett

17

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Juristen = böse Christen? Kirchenrechtswissenschaft in Wittenberg und Halle

– gestern und heute

M I C H A E L G E R M A N N

Der Namenspatron der Halle-Wittenberger Universität scheint auf die Juristerei nicht immer gut zu sprechen gewesen zu sein, und besonders nicht auf das Kirchenrecht: Martin Luther, der »abgebrochene« Jurastudent, hat nicht nur die im Titel zitierte Gleichung gerne verwendet; er hat auch das damals geltende Kirchenrecht scharf verurteilt und, um seinem Urteil Nach-druck zu verleihen, ein Exemplar des Corpus Iuris Canonici, zusammen mit der darauf gestütz-ten, gegen ihn gerichteten päpstlichen Bannandrohungsbulle öffentlich ins Feuer geworfen. Die Studenten der jungen Wittenberger Universität jubelten über dieses Spektakel ihres Lehrers (wie viele Jurastudenten dabei waren, ist nicht überliefert), die Kanonisten dürften eher pikiert gewesen sein. Wer heute in Wittenberg vom Bahnhof zur Innenstadt läuft, sieht am Ort dieses Geschehens eine Tafel »zum Gedenken an die Tat D. Martin Luthers am 10. Dezember 1520«.

Keine gute Ausgangslage für die Kirchen-rechtswissenschaft in Wittenberg und Halle, möchte man meinen. Bei näherem Hin-schauen erkennt man, dass es Luther nicht darum ging, das Kirchenrecht überhaupt abzuschaffen, sondern um den reformatori-schen Einspruch gegen die bischöfliche Juris-diktion, gegen das Miss verständnis, es stünde mit dem Kirchenrechtsgehorsam die Gerech-tigkeit des Menschen vor Gott auf dem Spiel.

D I E W I T T E N B E R G E R TR A D I T I O N

Der zweite Wittenberger Reformator, Philipp Melanchthon, stellte in der von ihm verfass-ten Confessio Augustana von 1530 klar, »dass die Bischöfe oder Pfarrer Ordnung machen können, damit es in der Kirche geordnet zugeht [...]. Es gebührt sich für die christ-liche Versammlung, solche Ordnungen um der Liebe und des Friedens willen einzuhal-ten und den Bischöfen und Pfarrern in diesen Fällen gehorsam zu sein, und diese Ordnun-gen insoweit zu halten, dass nicht einer beim anderen Ärgernis hervorruft, damit in der Kir-che keine Unordnung oder ein wüstes Wesen herrschen; doch das soll so geschehen, dass die Gewissen nicht beschwert werden, indem man sie für zur Seligkeit notwendige Dinge hält«. Was das für das Kirchenrecht bedeutet, beschäftigt die evangelische Kirchenrechts-wissenschaft bis heute. An der Universität Wittenberg blieben die Kanonisten immer-hin auch nach der Reformation tätig. Sie bemühten sich um pragmatische Kontinuität in den überkommenen Funktionen des Kir-chenrechts (so im Eherecht, s. dazu den Bei-trag S. 16/17), indem sie es als ein von ille-gitimen geistlichen Ansprüchen gereinigtes Recht rezipierten.

K I R C H E N R E C H T I N H A L L E

In der 1694 gegründeten Universität Halle verband sich die evangelische Kirchenrechts-

wissenschaft mit der Aufklärung. Christian Thomasius hatte ein besonders ausgeprägtes Interesse am Kirchenrecht, über dessen Ein-ordnung in das »Recht derer Fürsten in Kir-chen-Sachen« er die fürstliche Hoheitsgewalt gegen die Ambitionen der orthodoxen »Cle-risey« verteidigte und dabei das Recht über-haupt von den partikularisierten Legitimati-onszusammenhängen der Religion zu eman-zipieren suchte. Mit seinem Schüler Justus

Henning Böhmer brachte Halle einen Klassi-ker der evangelischen Kirchenrechtswissen-schaft hervor. Böhmers monumentales Haupt-werk Ius ecclesiasticum Protestantium kom-pilierte den überlieferten Kirchenrechtsstoff, um ihn nach aufgeklärter Methode kritisch zu durchleuchten: usum hodiernum iuris cano-nici ostendens. Mit diesem Werk befruchte-te Böhmer viele nachfolgende Generationen der evangelischen Kirchenrechtswissenschaft, und mit seiner Edition des Corpus Iuris Canonici machte er sich auch bei den katholi-schen Kirchenrechtlern einen Namen.

Dem Kirchenrecht blieben die Universitäten in Wittenberg und Halle und nach 1817 die vereinigte Universität Halle-Wittenberg in Forschung und Lehre kontinuierlich ver -bunden. Das Auseinandertreten und schließ-lich die Trennung von Staat und Kirche 1919 ließen das Staatskirchenrecht ein vom Kir-chenrecht zu unterscheidendes Fach wer-den. Von 1920 bis 1935 hielt der Völker- und Staatsrechtler Max Fleischmann in jedem Sommersemester eine dreistündige Vorlesung zum Kirchenrecht. Mit der (rassistisch moti-vierten) Aberkennung seiner Lehrbefugnis verliert sich die Spur der Kirchenrechtsleh-re in Halle. Zwischen 1949 und 1951 wurde das Kirchenrecht zweimal noch gelesen. Für die Zeit der DDR weisen die Altbestände der ULB lediglich auf die Beschaffung mancher kirchenrechtlicher und staatskirchenrechtli-cher Literatur hin.

P F L E G E D E R RE L I G I O N S F R E I H E I T I M M O D E R N E N

K O N T EX T

Bei der Wiedergründung der Juristischen Fakultät 1994 lebte ihre wissenschaftliche Tradition wieder auf: In Kooperation mit der Theologischen Fakultät wurde ein Lehr-stuhl für Öffentliches Recht, Staatskirchen-recht und Kirchenrecht eingerichtet. Mit die-ser speziellen Ausrichtung ist er der einzige seiner Art in den Neuen Bundesländern, und auch in der gesamtdeutschen Fakultätenland-schaft hat er heute Seltenheitswert. Die gegenwärtige Bedeutung der Wissen -schaft vom Kirchenrecht und Staatskirchen-recht besteht in einer je spezifischen, in gewissem Sinn gegenläufigen Reflexion des Verhältnisses von Recht und Religion. Im Staatskirchenrecht geht es um die Gestal-tung religiöser und weltanschaulicher Plurali-tät, die partikulare Selbstverständnisse über-brückt und ihnen einen Freiheitsraum zur Entfaltung sichert. Das Kirchenrecht ordnet kirchliches Handeln in konfessioneller Par-tikularität und Gebundenheit. Die Kirchen-rechtswissenschaft, an der MLU traditionsge-mäß vor allem dem evangelischen Kirchen-recht verpflichtet, reflektiert es auf der Folie seiner historischen Tiefen grün dung aktuell für die Rechtswirklichkeit der heute 23 evan-gelischen Landeskirchen und ihrer Zusam-menschlüsse in Deutschland. Ihr Bildungs-wert besteht nicht zuletzt darin, dass sie, indem sie ein Gegenmodell zum Recht des säkularen Staates durchführt, die Bedingtheit auch seiner Prämissen bewusst hält. In der juristischen Ausbildung stehen die Fächer Staatskirchenrecht und Kirchenrecht darüber hinaus für oft unterschätzte Felder der juristischen Berufspraxis – in der staat-lichen wie in der kirchlichen Rechtspflege. Der Schwerpunktbereich, der ein schon vor der jüngsten Reform des Jurastudiums ein-zigartiges Wahlfachangebot weiterentwickelt,

Justus Henning Böhmer (1674–1749), anonymer Stich

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LE

18

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

umfasst in Halle eine entsprechende Spezia-lisierungsmöglichkeit unter dem Titel »Staat, Kirche, Kultur«. In der Lehre erfüllen die zugehörigen Angebote nicht nur eine Funk-tion für das juristische Grund- und Schwer-punktbereichsstudium, sondern auch für Stu-diengänge anderer Fakultäten, insbesondere für das Theologie- und das Lehramtsstudium.

T H E O R I E U N D PR A X I S I M A U S T A U S C H

Forschung und Lehre stehen in engem Aus-tausch mit der regionalen und überregio -nalen staatskirchenrechtlichen und kirchen -rechtlichen Praxis. So wurde das Kultus-ministerium des Landes Sachsen-Anhalt dabei unterstützt, die Situation des Religi-

Prof. Dr. jur. Michael Germann,Jahrgang 1967, studierte Rechtswissen-schaft in Tübingen, Genf und Erlangen. Die beiden Juristischen Examina absol-vierte er 1992 und 1994. Am Hans-Lier-mann-Institut für Kirchenrecht der Juris-tischen Fakultät in Erlangen war er anfangs als studentische Hilfskraft, dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent bei Professor Dr. Christoph Link tätig. 1999 wurde er mit der Dissertation

»Gefahrenabwehr und Strafverfolgung im Internet« promoviert. 2001 folgte die Habilitation für die Fächer Staats- und Verwaltungsrecht und Kirchen-recht mit einer Arbeit über »Die Gerichtsbarkeit der evangelischen Kirche«. Seit Oktober 2002 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Staatskirchenrecht und Kirchenrecht an der Juristischen Fakultät in Halle. Telefon: 0345 55-23220; E-Mail: [email protected]; Homepage: http://www.jura.uni-halle.de/germann

Das Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Standort Magdeburg (Fotos [2]: EKM)

Unterzeichnung des Föderationsvertrags zwischen der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen durch Landesbischof Prof. Dr. Christoph Kähler (links) und Bischof Axel Noack am 1. Juli 2004

ons- und Ethikunterrichts an den öffentlichen Schulen gemäß den verfassungs- und schul -rechtlichen Vorgaben zu verbessern. Ein anderes Beispiel ist die Begleitung des Föde -rationsprozesses zwischen der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thürin-gen.Für das kleine, feine Fach Kirchenrecht wie für das Fach Staatskirchenrecht ist die MLU ein guter, ein herausragender Standort. Zwar ist nicht sicher, ob Martin Luther nicht auch heute etwas ins Feuer zu werfen fände und sich veranlasst fühlte, Juristen böse Chris-ten zu nennen. Aber wer sollte sich mehr zum Nachdenken darüber aufgerufen fühlen als die das Kirchenrecht Lernenden und Lehren-den in Halle?

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LE

19

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Hallesche Initiativen: Rechtsgeschichtliche Akademievorhaben

FR A N K-M I C H A E L K A U F M A N N U N D W I E L A N D C A R L S

Die ordentlichen Mitglieder der 1846 gegründeten Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, deren »Einzugsgebiet« aus den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thü-ringen besteht, kommen nicht nur regelmäßig zu gelehrter Disputation zusammen. Einige sind auch als Projektleiter oder als Mitglieder in vorhabenbezogenen Kommissionen verantwort lich für langfristige Forschungsvorhaben der Akademie.

S A C H S E N S P I E G E L U N D S A C H S E N S P I E G E L G L O S S E N

Zwei hallesche Juristen und Rechtshistoriker, der Altvizepräsident der Akademie Prof. em. Dr. Dr. h. c. Rolf Lieberwirth und der Sekre-tar ihrer Philologisch-historischen Klasse Prof. Dr. Heiner Lück, haben seit 1994 bzw. 2004 die wissenschaftliche Führung zwei-er bedeuten der rechtsgeschichtlicher Lang-zeitvorhaben inne. Die 1994 eingerichtete Arbeitsstelle »Monu men ta Germaniae His-torica – Sachsenspiegelglossen« befasst sich mit der historisch-kritischen Herausgabe spät-mittelalterlicher deutscher Rechtsquellen, genauer, mit den im 14. und 15. Jahrhundert entstandenen gelehrten Kommentaren zum bedeutendsten deutschen Rechtsbuch – dem um 1225 von Eike von Repgow verfassten Sachsenspiegel.

Rechtsbücher sind Privatarbeiten von Gelehr -ten, die das geltende Gewohnheitsrecht ihrer je weiligen Heimatregion, das bis dahin fast ausschließlich mündlich tradiert worden war, niederschrieben. Sie entstanden also nicht im amtlichen Auftrag, erlangten jedoch bald gesetzesgleiche Wirkung. Der Sachsenspie-gel, die Rechtsaufzeichnung des im heu-tigen Dorf Reppichau unweit von Dessau beheimateten Eike, erfuhr rasch eine enor-me handschriftliche Verbreitung nicht nur in ganz Niederdeutschland, sondern er wander-te auch nach Westen (Holländischer Sachsen-spiegel), vor allem aber in den Osten, wo sich sein Einflussbereich bis ins Baltikum, nach Weißrussland und in die Ukraine er streckte und somit weit über den deutschen Sprach-raum hinausreichte. Etwa 100 Jahre nach sei-ner Entstehung, kurz nach 1325, wurde der Landrechtsteil des Sachsenspiegels mit einer Glosse versehen. Autor dieser »Ur«-Glosse war der gelehrte Jurist Johann von Buch. Er stammte aus dem heutigen Dorf Buch unweit von Tangermünde in der Alt mark, hatte in Bologna Jurisprudenz studiert und war einer der bedeutendsten deutschen Rechtsgelehrten des Mittelalters. Sein Kom mentar diente spä-

teren Bearbeitungen als Vorbild. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde dann von einem unbe-kannten Verfasser das Lehn recht des Sachsen-spiegels erstmals glossiert; weitere Bearbei-tungen folgten auch hier.

W I S S E N S C H A F T S I M P O R T A U S I T A L I E N

Damit fand die zuerst in Oberitalien seit dem 12. Jahrhundert entwickelte Metho-de der Kommentierung eines schriftlich auf -ge zeichneten Rechtsstoffes im deutschen Sprachraum Anwendung, wodurch gleich- zeitig die lateinische Rechtssprache für die deutsche erschlossen wurde. Die Sachsen-spiegelglossen bereiteten so den verwissen-schaftlichten Rechten, das heißt dem römi-schen und dem kanonischen (Kirchen-) Recht, in deutschen Landen den Boden – ein Vorgang, den man als Rezeption der frem-den Rechte bezeichnet. Ebenso wie zuvor der Sachsenspiegel-Text fanden die Glossen dazu bald weite Verbreitung und beeinflussten auch andere Rechts quellen. Nicht zuletzt der Glosse verdankte der Sachsenspiegel seine enorme Geltungsdauer von über 600 Jahren. Ein Kuriosum der Wissenschaftsgeschich-te: Die Bemühungen um eine historisch-kri-tische Ausgabe der Buch‘schen Glosse zum Sachsenspiegel-Landrecht blieben 250 Jahre lang vergeblich. Erst die erneut ab 1994 ener-gisch und zielstrebig vorangetriebenen Arbei-ten brachten im Frühjahr 2003 endlich Erfolg:

Die von der Wissenschaft so lange ersehn-te Ausgabe der Buch‘schen Glosse erschien (Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht: Buch‘sche Glosse, herausgegeben von Frank-Michael Kaufmann [Monumenta Germani-ae Historica, Fontes iuris Germanici antiqui, Nova series 7], 3 Teile, Hahnsche Buchhand-lung, Hannover 2002). Noch in diesem Jahr soll eine Edition der kürzeren Glosse zum Sachsenspiegel-Lehnrecht folgen. Bis 2022 sind Editionen der Glossen zum Sachsenspie-gel-Landrecht in der Nachfolge Johanns von Buch sowie weiterer Glossen zum Sachsen-

Die kürzere Glosse zum Sachsenspiegel-Lehnrecht Art. 61 Ende, 62 und 64 Anfang (Darmstadt, Univer-sitäts- und Landesbibliothek, Hs 3762, fol. 72r)

Humor im Recht: Kolophon der Handschrift Leip-zig, Universitätsbibliothek, Hs. 950, fol. 261r (Aus-schnitt), Sachsenspiegel-Lehnrecht mit kürzerer Glosse. Transkription: »Ach hymmelicher vater, / beschere vnser katczen /eynen kater, vnde vnser / maget eynen man, / so haben sie beyde / wol getan etc.«

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LEU

ND

LEI

PZIG

20

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Dr. Frank-Michael Kaufmann,Jahrgang 1961, studierte 1985–90 an der KMU Leipzig Geschichte mit Schwer-punkt Alte Geschichte (Promotion 1995). Seit 1994 ist er Leiter der Arbeitsstel-le »Monumenta Germaniae Historica – Sachsenspiegelglossen« an der Sächsi-schen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig, Telefon: 0341 7115338, Fax: 0341 7115344

Dr. Wieland Carls, Jahrgang 1960, studierte 1979–88 Germanistik, Publi-zistik und Theaterwissenschaft an der FU Berlin (Promotion 1996). Von 1993–2003 war er wissenschaftlicher Mitar-beiter am Institut für Deutsche Rechtsge-schichte der Freien Universität Berlin. Seit 2004 leitet er die Arbeitsstelle »Das säch-sisch-magdeburgische Recht als kulturelles Bindeglied zwischen den Rechtsordnun-gen Mittel- und Osteuropas« an der Säch-sischen Akademie der Wissenschaften zu

Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig, Telefon: 0341 7115327, Fax: 0341 7115344, E-Mail: [email protected]

Das Verbreitungsgebiet des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Mittel- und Osteuropa

spiegel-Lehnrecht geplant, um der Fachwelt diese bedeutende spätmittel alterliche Quellen-gattung von europäischem Rang für weiterge-hende Forschungen zu erschließen.

S Ä C H S I S C H - M A G D E B U R G I S C H E S RE C H T

Das Akademievorhaben »Das sächsisch-mag-deburgische Recht als kulturelles Bindeglied zwischen den Rechtsordnungen Ost- und Mit-teleuropas«, das 2004 – im Jahr der Osterwei-terung der Europäischen Union – seine Arbeit aufnahm, verdankt sich der gemeinsamen Initiative des Leipziger Slawisten Prof. Dr. Dr. h. c. Ernst Eichler und des oben genann-ten halle schen Juristen Prof. Lück. Gemein-sam mit dem Sachsenspiegel war das Stadt-

recht von Magdeburg, das ebenfalls Anfang des 13. Jahrhunderts entstand und in den fol-genden zwei Jahrhunderten durch die Spruch-tätigkeit des Magdeburger Schöppenstuhls gestaltet wurde, neben dem römischen und kanonischen Recht die Grundlage mittel- und osteuropäischer Rechtsordnungen. Da Recht zunächst personen- und nicht territo-rial gebunden war, verbreiteten sich Sach-senspiegel und Magdeburger Stadtrecht im Zuge der (Neu-)Besiedelung des Ostens im 13. bis 15. Jahrhundert allein dadurch, dass die Siedler aus dem Westen das ihnen ver-traute Recht mitnahmen. So kamen die von Sachsen spiegel und Magdeburger Recht geprägte Rechtsprechung und Stadtverfas-sung nach Polen, in die Ukraine, nach Litau-en, Lettland, Estland, Russland, Rumänien, in

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LEU

ND

LEI

PZIGdie Slowakei, nach Tschechien, Ungarn und

Weißrussland. Beide Rechte, die die wesentli-chen Bereiche des gesellschaftlichen Rechts-lebens abdeckten, verschmolzen in der Wahr-nehmung derart, dass eine Differen zierung fast unmöglich wird. Terminologisch meinen die zeitgenössischen Bezeichnungen ›Sach-senrecht‹, ›deutsches‹ bzw. ›Magde burger Recht‹ wohl stets sowohl den Sachsen spiegel als auch das Magdeburger Stadtrecht, dem als Recht der Praxis die Möglichkeit der Anpas-sung und Veränderung wesensmäßig inne-wohnte. Die Verbreitung dieser Rechte nach-zuzeichnen und ihre Wechselwirkung auf Recht, Sprache und Kultur in diesen Ländern zu untersuchen, ist Aufgabe des Forschungs-vorhabens.

A L T E Q U E L L E N

A L S G R U N D L A G E N F Ü R D A S N E U E E U R O P A

Dabei ist die Beschäftigung mit dem Mag-deburger Stadtrecht nicht neu. Seit dem 18. Jahr hundert gibt es eine wissenschaftli-che Auseinandersetzung mit diesem Phäno-men, die nicht zuletzt von halleschen Wissen-schaftlern im 19. und 20. Jahrhundert fortge-führt wurde. Exemplarisch seien Hugo Böh-lau, Ludwig Wilhelm Hermann Wasserschle-ben, Richard Roepell, Guido Kisch, Gerhard Buchda, Rudolf Schranil und Gertrud Schu-bart-Fikentscher genannt. Aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Län-dern, in denen das sächsisch-magdeburgi-sche Recht galt, wurden und werden wichti-ge Untersuchungen zu diesem Thema vorge-legt. Das Leipziger Akademie vorhaben will diese Anstrengungen zusammenführen. Gera-de im Hinblick auf das sich erweiternde Eur-opa wird das sächsisch-magdeburgische Recht nicht nur aus westlicher Sicht, son-dern gemeinsam mit den Forschern und Insti-tutionen im Untersuchungsgebiet aus rechts- und sprachgeschicht licher Perspektive neu betrachtet. Ziel ist es, zum einen ein mög-lichst genaues und vollständi ges Verzeichnis der Verbreitung dieses Rechts im osteuropäi-schen Raum zu erstellen, zum anderen rechts-institutionelle und rechtssprachliche Analysen der jeweiligen landessprachli chen Rechtstexte bis hin zu den Kodifikationen des 18. und 19. Jahrhunderts durchzuführen. Hierfür sollen die für ihre Verbreitung und Tradierung rele-vanten Quellen ausgewertet, die Ergebnisse in Handbüchern zu jedem Untersuchungsgebiet publiziert und parallel dazu im Internet zur Verfügung gestellt werden. Zusammen mit der Edition der Sachsenspiegelglossen wird so ein Rechtsbereich erschlossen, der für das Verständnis des neuen Europas einen wichti-gen Beitrag leistet, indem er die Grundlagen des alten Europas neu beleuchtet.

21

beleuchten und die Nachwirkungen seiner Lehren darzulegen. Anfang Oktober 2005 folgte an der Sächsi-schen Akademie der Wissenschaften zu Leip-zig ein Kolloquium, das sich mit Christi-an Thomasius als gelehrtem Bürger befasste.

Das Schwergewicht lag dabei auf den stadt- und sozialgeschichtlichen Aspekten der Tho-masius-Forschung.

I K O N E N , S A C H S E N S P I E G E L , M A G D E B U R G E R RE C H T

Bereits im Juni 2005 widmete sich die von Halle aus betriebene Rechtsgeschichte einem Forschungsfeld, das diejenigen Quellen zum Gegenstand hat, die der Rechts geschichtezu ganz besonderer Ausstrahlung verhelfen. Wissenschaftler aus Deutschland, aus Öster-reich, der Schweiz, Dänemark und den Nie-derlanden widmeten sich auf der 9. Interna-tionalen Rechts ikonographie-Konferenz in Wittenberg den bildlichen und gegenständli-chen Quellen der Rechtsgeschichte. Einen bedeutenden Forschungsschwerpunkt in Halle bilden seit Guido Kischs Zeiten der Sachsenspiegel und das Magdeburger Recht. In den Städten Magdeburg und Lübeck waren im Mittelalter Rechtsordnungen entstan-den, die gemeinsam mit dem Sachsenspiegel untrennbar mit der Rechtsentwicklung Ost-mitteleuropas verbunden sind. Sie galten im

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Magdeburger Schöffenhausstein

K A T A R Z Y N A L O R T Z , FA L K H E S S , R A I K M Ü L L E R

Wissenschaft im stillen Kämmerlein – dies ist nicht das Leitbild des rechtshistorischen Lehr-stuhls der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Lehrstuhlinhaber haben es seit jeher als besondere Verpflichtung empfunden, die oftmals in langwieriger und mühseliger For-schung erarbeiteten Erkenntnisse der Fachwelt und der Öffentlichkeit zu präsentieren

Das Interesse ist erfreulicherweise groß. Oft bilde(te)n Jubiläen den Anlass, die eine oder andere Fragestellung, das eine oder andere Problem aus der Geschichte des Rechts auf-zugreifen. Insbesondere in den letzten Jahren konnte die hallesche Rechtsgeschichte ihre Vielfalt mit zahlreichen Projekten, Vortrags-reihen und Tagungen veranschaulichen und einem interessierten Publikum näher bringen.

G R O ß E N A M E N V O N E I N S T

Unter dem Motto »Hallesche Rechtsgelehr-te jüdischer Herkunft – Leben und Werk vor und nach 1933« gedachte die Juristische Fakultät 50 Jahre nach dem Ende des Zwei-ten Weltkrieges öffentlich u. a. des Rechts-historikers Guido Kisch (1889–1985), des Öffentlichrechtlers Max Fleischmann (1872–1943) und des Justizministers Eugen Schif-fer (1860–1954), die alle mit der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Halle in besonderer Weise verbunden waren.Als sich 1996 zum 100. Mal der Geburts-tag von Gertrud Schubart-Fikentscher (1896–1985) jährte, wurde zu Ehren der ersten Frau auf einem juristischen Ordinariat in Deutsch-land ein wissenschaftsgeschichtliches Kollo-quium veranstaltet.Im Rahmen des 500. Gründungsjubilä-ums der Universität Wittenberg fand 2001/2002 eine Vortragsreihe statt, die Wittenbergs Bedeutung als Zentrum europäischer Rechts-wissenschaft und Rechtskultur hervorzuheben suchte. Die abwechselnd in Halle und Witten-berg gehaltenen öffentlichen Abend vorträge hatten die imposante Ausstrahlungs kraft der Wittenberger Jurisprudenz und Rechtspraxis zum Gegenstand.

D E R G R Ö ß T E : C H R I S T I A N T H O M A S I U S

Ein traditioneller Schwerpunkt der halleschen Rechtsgeschichte ist – insbesondere verkör-pert durch Rolf Lieberwirth – die Thomasius-Forschung (s. S. 10/11). Der Jurist und Philo soph Christian Thomasi-us (1655–1728), zu dessen 350. Geburtstag die Juristische Fakul tät das Christian-Thoma-sius-Jahr 2005 gestaltete, war weit über die Grenzen seiner Universität hinaus bekannt. Thomasius selbst hat die Juristische Fakul-

tät Halle mit aus der Taufe gehoben und sie in ihren ersten Jahrzehnten maßgeblich geprägt.Neben seinen Verdiensten um die Weiterent-wicklung der Naturrechtslehre wurde Tho-masius vor allem als scharfer Gegner von

Hexenverfolgung und Folter, aber auch als weltoffener Stadtbürger bekannt. Bereits im Vorfeld des Thomasius-Jahres rückte Christi-an Thomasius in das Betätigungsfeld rechts-historisch interessierter Studierender der Uni-versitäten Halle-Wittenberg und Zürich. Die von Clausdieter Schott, Marcel Senn (beide Zürich) und Heiner Lück gepflegte Traditi-on gemeinsamer internationaler Blocksemina-re an den Universitäten Halle-Witten berg und Zürich führte im Juni 2004 Studie rende aus Zürich nach Halle. Das bevorste hende Jubilä-um war Anlass für eine Auseinandersetzung mit den naturrechtlichen Leh ren und dem Leben und Wirken des Christian Thomasius. Den Auftakt des Christian-Tho masius-Jahres 2005 gab die feierliche Kranz niederlegung am Grab des Gelehrten am 11. Januar 2005. Sie lockte zahlreiche Hallenser an und bot einigen Nachfahren Thomasius´ Gelegenheit, die einstige Wirkungsstätte ihres berühmten Vorfahren aufzusuchen. Den wissenschaft-lichen Höhepunkt bildete wenige Tage spä-ter die internationale Konferenz »Christian Thomasius als Wegbereiter moderner Rechts-kultur und Juristenausbildung« (Festvortrag: Prof. Dr. Klaus Luig, Köln). Ihr Ziel war es, Ansichten des Christi-an Thoma sius zu Rechtsphilosophie, Rechts-theorie und Rechtspraxis seiner Zeit zu

Siegel des Magdeburger Schöffenstuhls nach 1631

Wahrnehmungen: Rechtsgeschichte in der Öffentlichkeit

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LE

Ass. iur. Falk Hess, Jahrgang 1972, studierte 1993–98 Rechtswis-senschaften an der MLU (Erstes juristi-sches Staats examen); war 1998–2000 im Referendar dienst im Land Sachsen-Anhalt (Zweites juristisches Staatsexa-men) und ist seit 2003 wissenschaftli-cher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bür-gerliches Recht, Europäische, Deutsche und Sächsische Rechtsgeschichte der bei Prof. Dr. Heiner Lück. Seit 2004 redak-

tioneller Mitarbeiter an der 2. Auflage des Handwörterbuchs zur Deut-schen Rechtsgeschichte (s. S. 6). Telefon: 0345 55-23202, E-Mail: [email protected]

22

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Hoch- und Spätmittelalter als besonders fort-schrittlich und prägten die Rechtsordnun-gen in weiten Gebieten Osteuropas grund-legend. Noch heute ist man sich dort dieser Rechtstradition bewusst. Das Recht Lübecks, das hansisches Kaufmannsrecht repräsentier-te, wurde vor allem im Ostseeraum übernom-men, während das Magdeburger Stadtrecht zusammen mit dem auf ländliche Rechts-verhältnisse zugeschnittenen Sachsenspie-gel zumeist im Binnenland Verbreitung fand. Die gemeinsamen Wurzeln der verschiedenen Rechtsordnungen rückten besonders vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung zum 1. Mai 2004 in den Blickpunkt. Dieser Tatsache trug die Internationale Tagung »Das Magde-burger und Lübecker Recht als Grundlagen für ein neues Europa« im November 2005 in Magdeburg (Festvortrag: Prof. Dr. Peter Lan-dau, München) Rechnung. Das große Inter-esse der Öffentlichkeit und die regen Diskus-sionen während der Konferenz zeigten, wie lebendig die Geschichte dieses Rechts, das

große Teile Europas prägte, auch heute noch sein kann.

D A S W A N D E R N D E RE C H T . . .

Seit der Mitte 2005 bereitete der rechtshisto-rische Lehrstuhl an der Martin-Luther-Uni-versität Halle-Wittenberg in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalts eine Wanderausstellung zum Thema »Sachsenspiegel und Magdeburger Recht – Grundlagen für Europa« vor. Die fei-erliche Eröffnung durch den Präsidenten des Landtages von Sachsen-Anhalt am 1. Febru-ar 2006 war die bislang meistbesuchte Veran-staltung dieser Art in den Räumen des Land-tages und verdeutlichte die besondere Aus-strahlung der halle schen Rechtsgeschichte. Die Wanderausstellung zeigt Wirkungen und Verbreitung des sächsisch-magdeburgi-schen Rechts in Ostmitteleuropa. Ein eigens für diese Ausstellung von Studierenden der

Fach hochschule Magdeburg-Stendal produ-zierter Film »Das Magdeburger Stadtrecht« wurde im Landesfunkhaus feierlich einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Teile des Films wurden im Rahmen einer Sondersen-dung zum Magdeburger Stadtrecht im Offe-nen Kanal Magdeburg ausgestrahlt. Dass die umfangreichen Dreharbeiten u. a. in Kiew, Minsk, Vilnius, Krakau und Kulm überhaupt möglich waren, ist neben dem enormen per-sönlichen Einsatz der StudentInnen und der MDR-Fernsehjournalistin Ilona Wuschig der tatkräftigen Unterstützung der Stiftung Rechtsstaat Sachsen-Anhalt e. V. zu ver-danken. Die zweisprachig konzipierte Aus-stellung soll auch in Polen und in den balti-schen Ländern, also in Ländern gezeigt wer-den, deren Rechte vom sächsisch-magdebur-gischen Recht beeinflusst worden waren. Zum 10. Sachsen-Anhalt-Tag präsentiert sie sich in Halle (s. S. 14). Demnächst ist Brüssel als weiterer Ausstellungsort vorgesehen. Damit Rechtsgeschichte öffentlich wahrge-nommen werden kann, bedarf es des Enga-gements vieler beherzter Helfer. Neben den fleißigen studentischen Hilfskräften gebührt der Grafikerin Hannelore Schlesinger (Foto oben) besonderer Dank. Sie trug in den ver-

gangenen Jahren mit eindrucksvoll gestalte-ten Plakaten und Programmheften wesentlich zum Gelingen der vielen Veranstaltungen bei.So hat die Rechtsgeschichte in Halle vor allem im Jahr 2005 an Profil und Ausstrah-lung gewonnen – eine gute Basis, um auch künftig eine breite Öffentlichkeit erreichen und begeistern zu können.

Ausschnitt aus einem Magdeburger Schöffenspruch, um 1440 (Quelle [3x]: Kulturhistorische Museum Magdeburg)

Grafikerin Hannelore Schlesinger (Foto: privat)

RECH

TSG

ESCH

ICH

TEIN

HAL

LE

Raik Müller, Jahrgang 1980, studier-te 2000–04 Rechtswissenschaften an der MLU und schloss das Studium mit dem ersten juristischen Staatsexamen ab. Anschließend nahm er eine Stelle als wis-senschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäische, Deut-sche und Sächsische Rechtsgeschichte an. Dort unterstützt er derzeit Prof. Dr. Heiner Lück bei der Vorbereitung des 36. Deut-schen Rechtshistorikertages in Halle. Tele-

fon: 0345 55-23202, E-Mail: [email protected]

Ass. iur. Katarzyna Lortz, Jahr-gang 1975, studierte 1993–98 Rechts-wissenschaften an der MLU. Nach ihrem Referendar dienst am Ober landesgericht Naumburg 1999–2001 war sie 2001–02 als Rechtsanwältin in Salzgitter tätig. Seit 2002 ist sie wissenschaftliche Mit-arbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäische, Deutsche und Säch-sische Rechtsgeschichte bei Prof. Dr. Hei-ner Lück.

Telefon: 0345 55-23202, E-Mail: [email protected]

23

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

In sieben Minuten alles – und dazu das Gegenteil!

Der Debattierklub klartext e. V.

M A R G A R E T E WE I N

Wenn die Glocke pausenlos läutet, nützt das beste Argument nichts mehr – es kommt zu spät. So sind die Regeln, und die stehen fest: 7 Minuten sind nach 420 Sekunden vorbei. Meist wählt der hallesche klartext-Klub das Modell der offenen parlamentarischen Debatte (OPD) – erstmals 2005 bei einer Debatte mit der Debattiergesellschaft Jena in Halle öffentlich prakti-ziert. Am 17. Mai 2006 zur »Ersten Professorendebatte«, gesponsert von der Wochen zeitung DIE ZEIT und der Bielefelder Medienagentur symmedia, erlebte die OPD in der überfüllten historischen Aula der Martin-Luther-Universität ihre Premiere vor großem Publikum.

Zwar hat die Redekunst und -kultur ihre Wur-zeln bei den alten Griechen, doch in Euro-pa erfuhr sie im Lauf der Jahrhunderte immer weniger Aufmerksamkeit – man denke nur an Politiker oder Professoren, die ihrem Audi-torium kaum einen Blick gönnen können, weil sie nicht imstande sind, sich von ihrem Manuskript zu lösen. Wie wichtig aber die freie Rede ist, wenn man jemanden überzeu-gen will, erlebt von Zeit zu Zeit oder täglich bei unterschiedlichen Gelegenheiten jede(r), sei es beruflich oder privat ...Und siehe da, auch in Deutschland setzte vor 10 bis 15 Jahren endlich eine neue Blütezeit der Rhetorik ein.

D E B A T T I E R C L U B K L A R T E X T E . V.

Für viele Berufe – und im Alltag sowieso – ist die freie Rede unverzichtbar: Nicht nur für Juristen stellt sie quasi das wichtigste »Mund-werkzeug« dar. Deshalb spielt die Adaption der angelsächsischen Redeklub-Tradition in Deutschland für Studierende derverschiedensten Fachrichtungen eine bedeu-tende, nämlich berufsvorbereitende Rolle. Und so gehören dem Debattierclub an der Martin-Luther-Universität neben Juristen u. a. Geografen, Philosophen, Betriebswirte und Lehramtsstudenten an; auch Interessen ten, die nicht aus der Universität kommen, steht er offen.Den Anstoß gab im April 2005 Marius Thye, der von der Erfurter Uni einschlägige Erfah-rungen mitbringt. Schnell war ein kleiner Kreis begeisterter Mitstreiter beisammen, und man trifft sich seither jeden Donners-tag (auch in der Semesterpause), übt ernst-haft die Kunst der freien Rede und hat viel Spaß dabei.

Im Februar/März 2006 wurde außerdem, finanziell unterstützt von der Juristischen Fakultät der MLU – ein Seminar mit dem Fachbuchautor Michael Hoppmann (s. oben rechts) über das Debattieren und zur Kunst der Deklamation (besonders in Antike und Aufklärung hoch im Kurs) organisiert.Der Themen-Wahl kommt unterschiedliche Bedeutung zu. Einerseits können sie immer als Anregung zu tieferem Nachdenken über ein Problem dienen; andererseits sind manche Debatten, unabhängig vom Thema, durchaus auch zum Training der eigenen Schlagfertig-keit gut. Worauf es ankommt ist, den gewähl-ten oder zugeteilten Part der Diskussion opti-

mal zu bedienen: das Pro oder Kontra einen Problems von allen Seiten zu beleuchten, überzeugend darzustellen und dabei en pas-sant Mark Twain zu widerlegen, der gesagt haben soll »Das menschliche Gehirn ist eine großartige Angelegenheit. Es funktioniert bis zu dem Zeitpunkt, wo Du aufstehst, eine Rede zu halten.«

» . . . L A B E R, L A B E R, L A B E R «

... denkt man manches Mal, wenn man Poli-tiker und -innen redet hört. Aber dann haben die einfach ihre Hausaufgaben nicht gemacht – denn, so der ehemalige Bundestagspräsi-dent Wolfgang Thierse und Schirmherr des Verbands der Debattierclubs an Hochschulen e. V.: »Eine glaubwürdige politische Argu-mentation bedarf sorgfältiger inhaltlicher Vor-bereitung. Man muss lernen, anderen zuzuhö-ren, aufeinander zuzugehen, die verschiede-nen Positionen abzuwägen. Von der Schlag-

ImmoHal 2

WE R S I C H A U T O D I D A K T I S C H M I T D E R K U N S T

D E R RE D E B E F A S S E N W I L L , L I E S T :

� Michael Hoppmann/Bernd Rex: Handbuch der Offenen parlamentarischen Debatte, Göttingen 2003� Michael Hoppmann/Ansgar Kemmann/Bernd Rex: Kurzregeln für die Offene Parlamentarische Debatte, Tübingen 2005� Tim-Christian Bartsch: Trainingsbuch Rhetorik, Paderborn 2005� Tim-Christian Bartsch/Michael Hoppmann/Bernd Rex:Was ist Debatte ? Ein internationaler Überblick, Göttingen 2005� oder im Internet: http://www.rhetorik-netz.de/rhetorik/index.html

D E B A T T I E R C L U B K L A R T EX T E . V.im Internet: http://www.klartext.uni-halle.deE-Mail: [email protected]

VE R B A N D D E R D E B A T T I E R C L U B S A N

H O C H S C H U L E N E . V. im Internet: http://www.vdch.de/

Marius Thye im März 2006 in Mainz (Foto: privat)

DEB

ATTI

ERCL

UB

KLA

RTE

XT

E. V

.

24

Werbung mit überwältigendem Erfolg (Fotos [2]: Margarete Wein)

Anzeige

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

abtausch-Rhetorik mancher Talkshows sollte sich niemand täuschen lassen: Politik ist nicht wirklich unterhaltend und kurzweilig, son-dern mühsam, Zeit raubend, ein wechselseiti-ges Ringen um gute Lösungen und Kompro-misse. Parlamentsdebatten sind und bleiben ein zentrales Instrument der politischen Kom-munikation.«

M E I S T E R H A F T – J A H R F Ü R J A H R

Aktive Rhetorik-Fans wollen natürlich wis-sen, wie gut sie sind, und messen regelmäßig ihre rednerischen Kräfte. Neben der erwähn-ten Freundschaftsdebatte mit den Jenensern (einem der ältesten deutschen Debattierclubs) beteiligte sich der Debattierclub klartext e.V. im Mai 2005 (gemeinsam mit den Wort-fechtern Erfurt) erstmals an deutschen Meis-terschaften.Im März 2006 bei dem von der Wochenzei-tung DIE ZEIT geförderten dreitägigen Tur-nier des Debattierclubs Johannes Gutenberg in Mainz ging der hallesche Club bereits mit zwei eigenen Teams an den Start und stell-te sich der Konkurrenz von Vereinen aus ganz Deutschland und Österreich.

Die Bilanz für die Hallenser Philipp Behm (Politikwissenschaft, VWL & Soziolo-gie), Steffen Liebendörfer und Marius Thye (beide Jura): Das Team klartext II verpasste das Halbfinale nur knapp. Marius Thye aber nahm diese Hürde mit seinen Einzelauftritten als sogenannter Freier Redner. Vor über 300 Zuschauern landete er am Ende – bei mehr als 60 TeilnehmerInnen – auf dem 6. Platz. Auch Christin Hartmann (Jura) war schon mehrmals dabei: Im Oktober 2005 beleg-te sie im Deklamationswettbewerb in Tübin-gen Rang 3.Bei den ebenfalls von der ZEIT geförder-ten Regionalmeisterschaften für die Region Nordost im April 2006 traten die Hallenser in Potsdam an. Zwar durfte Clemens Hetschko (VWL) noch nicht aufs Siegertreppchen stei-gen, sorgte aber für Aufsehen mit der besten Rede des gesamten Turniers.

ZURUFE:– »Warum sitzen keine Frauen auf der Oppositionsbank?«

– »Es fehlt die (E-) Mannzipation!«

GEGEN D I E FR A U E N Q U O T E :

– »Die Quote ist die Feindin der freien Gesellschaft! « (Christian Tietje)

– »Die Frauenquote ist ein Anreiz zum Mobbing! « (Rüdiger Pohl)

– »Schon Luthers Frau, ›Herr Käthe‹, behauptete sich ohne Quote!«(Nathanael Lipinski)

FÜR D I E FR A U E N Q U O T E

– »In der Realität leben wir noch im Patriachat! « (Ernst Jammermann)

– »Frauen aller Länder, vereinigt euch! « (Marius Thye)

– »Schon das Grundgesetz ist falsch, denn es entstand auf Herrenchiemsee!«(Susann Kroke)

Die Professoren Reinhard Kreckel, Christian Tietje und Rüdiger Pohl (v. l. n. r.) beraten ihre Strategie

E R S T E H A L L E S C H E PR O F E S S O R E N D E B A T T E

Am 17. Mai war es soweit: Die Kontrahen-ten der »Ersten halleschen Professorendebat-te« kreuzten mit Effet die rhetorischen Klin-gen. Vorausschauend hatten die Organisatoren die Aula gewählt – kein anderer Veranstal-tungsort hätte den Andrang gefasst! Es muss-ten sogar noch Stühle aus den um liegenden Hörsälen herbeigeschafft werden. Von drei möglichen Themen – Einführung der Allgemeinen Wahlpflicht, Verbot der Frauen-quote, Einrichtung des schulischen Pflicht-fachs »Werte und Benehmen« – wählte das Auditorium das zweite aus. Per Münzwurf ergab sich, dass die drei Professoren, Prof. Dr. Reinhard Kreckel (Politikwissenschaft), Prof. Dr. Rüdiger Pohl (Wirtschaft) und Prof. Dr. Christian Tietje (Jura) die Regierungs-partei und damit den Antrag, die Frauenquo-te aufgrund ihrer diskriminierenden Folgen zu verbieten, vertraten, während Marius Thye, Clemens Hetschko und Ernst Jammermann (Jura) vehement für deren Beibehaltung strit-ten. Die 15-minütige Vorbereitungszeit für beide Teams nutzten Torsten Rössing (Politik-wissenschaft) und Cornelius Böllhoff (Jura), um den Debattierclub klartext e. V. vorzustel-len und das geregelte Wechselspiel zwischen Eröffnern, Ergänzern, Schluss- und freien Rednern (zu letzteren zählte als eine der drei [!] Frauen unter den Akteuren des Abends Dr. Petra Dobner) zu erklären und das obli-gate Stegreifspiel vorzuführen. Je ein(e) Redner(in) spricht eine Minute lang über ein ihr/ihm zuvor unbekanntes Thema: »Die 68er sind an allem schuld!«, »Besuchsver-bot für Frauen bei der Fußball-WM«, »Sollte die WM-Elf vom ganzen Volk gewählt wer-den?« und »Was ist besser: Reißverschluss oder Knöpfe? «.Dann aber begann der Ernst des Vergnü-gens: Christin Hartmann fungierte, Hammer und Glocke schwingend, als Präsidentin der Debatte.Die wahrlich Gedanken verrenkende Gehirn-akrobatik, mit der die Profs hieb- und stich-fest »bewiesen«, wie sehr die Frauenquo-te das »schwache Geschlecht« diskriminiert, erschütterte Zwerchfell und Ratio zugleich und wurde – obwohl auch die »Opposition«

bedenkenswerte Argumente ins Feld geführt hatte – per Publikumsvotum mit dem Sieger-lorbeer dekoriert.

D E B A T T I E R E N O H N E E N D E . . .

Der unerwartet überwältigende Erfolg des Abends erfordert seine permanente Neuaufla-ge – und zwar mindestens einmal pro Semes-ter. So viel Spaß gratis, noch dazu für einen guten Zweck (s. o.) darf man sich einfach nicht entgehen lassen! Die Mitglieder des Debattierclubs klartext e.V. treffen sich jeden Donnerstag 18.15 Uhr in den Seminarräumen I und II im Juridicum der Martin-Luther-Universität (Einführung für Einsteiger immer um 18.00 Uhr). Wer mitma-chen will, ist herzlich willkommen.

DEB

ATTI

ERCL

UB

KLA

RTE

XT

E. V

.

Dr. Margarete Wein, Jahrgang 1947, absolvierte 1969–73 ein Lehrerstudium an der MLU, 1973–77 schloss sich ein Forschungsstudium in der Germanistik an (Abschluss: Dr. phil.). 1977– 91 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Germa-nistischen Institut, Abteilung Deutsch für Ausländer. Seit 1991 ist sie als Redak-teurin für Universitätszeitung und scien-tia halensis in der Abteilung Öffentlich-keitsarbeit tätig.

Telefon: 0345 55-21420, E-Mail: [email protected]

25

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Die Neue Residenz Gestern – Heute – Morgen (Teil 2)

U L R I C H TA S C H O W

Der erste Teil dieses Beitrag (»scientia halensis« 1/06, Seiten 9/10) stellte die Anfänge der geschichtlichen Entwicklung dieses einzigartigen Bauensembles – das lange vor der Grün-dung der Fridericiana halensis nach dem Vorbild Bolognas die modernste deutsche Universität werden sollte! – in Wort und Bild detailreich dar. Die Beweggründe Kardinal Albrechts, stadt-geschichtliche Fakten, päpstliche Privilegien, landesherrliche Order, die ersten universitären Bewohner, professorale Querelen und Vieles mehr passierten Revue.Der zweite (und abschließende) Teil schildert die weitere Entwicklung der Neuen Residenz vom Ende des 18. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts und eröffnet hoffnungsvolle Perspekti-ven für eine mögliche Zukunft.

Eine drastische Erweiterung der universitä-ren Nutzung erfuhr die Neue Residenz spä-testens ab 1785 seit dem Wirken des Univer-sitätskanzlers Carl Christoph von Hoffmann (1786–91). Auf Erlass des Königs Friedrich Wilhelm II. [Abb. 1] begannen 1789 umfang-reiche Bauarbeiten, die – baugeschichtlich eine Tragödie – zum Totalverlust nahezu sämt-licher historischer Elemente des wertvolls-ten Baus der mitteldeutschen Frührenaissance wie Zwerchhäuser, Rundgiebel, Arkadengän-ge, Mühlgrabenbrücke, Wendelsteine, Erker etc. führten. Nach Abschluss der Bauarbeiten zogen 1791 das Anatomische Theater mit einem Präparier-raum, das Naturalienkabinett Johann Fried-rich Goldhagens sowie ein naturgeschichtli-ches Auditorium ins Obergeschoss des Nord-westflügels ein. Ein chemisches Laborato-rium findet im Erdgeschoss sein Domizil. [Abb. 2]1808 wurden im Obergeschoss des Ost-flügels unter der Leitung von Carl Fried-rich Senff »zum Nutzen der Studirenden […] und jungen Aerzte« – so im Reglement für das neu eingerichtete Hebammen-Institut für den District Halle, Halle 1809, § 2, nachzule-sen – die erste preußische Entbindungsanstalt inkl. einer Hebammenschule eingerichtet. Durch Auflösung der westfälischen Landes-universität Rinteln gelangte deren minera-logisch-geologische Sammlung ebenfalls in

den Ostflügel. Die chirurgische Klinik unter Johann Friedrich Meckel zog in den Süd- und südlichen Westflügel. Von 1809 bis 1935 nahm die universitätsna-he »Naturforschende Gesellschaft« Quartier. Auch die berühmte »Meckelsche Sammlung« kam 1841 in die Residenz. Schließlich wurde 1873 das Gründungsjahr des Mineralogischen Instituts und Museums. Ein physikalisches Institut zog ebenfalls in den Nordflügel und

1884 öffnete im Erdgeschoss des Ostflügels das Museum für Geschichte und Altertums-kunde der Provinz Sachsen seine Pforten. Die letzten Etappen universitärer Resi denz-geschichte bildeten 1934 die Eröff nung des Geiseltalmuseums in der Residenz kapelle und 1991 die Gründung des Fachbe reichs Geo-wissenschaften im gesamten Nord- und West-flügel. Die fast 475-jährige Geschichte endet 2003 ab rupt mit dem Auszug dieses Fachbe-reichs. Nur das Geiseltalmuseum blieb – wie im Dorn röschenschlaf gefangen – in den ge schichts-trächtigen Mauern der Neuen Residenz.

RE S Ü M E E

Schon diese wenigen Daten belegen, dass die Neue Residenz seit Beginn des 18. Jahr hun-derts ein wesentlicher Bestandteil der halle-schen Universitätsgeschichte war. Dies ver- wundert kaum angesichts der Tatsache, dass bis auf die alte Bibliothek (1778/89) und die Sternwarte im Botanischen Garten (1788–92) die Mehrzahl der universitären Gebäude erst im 19. Jahrhundert errichtet wurde und die Waage, wie schon erwähnt, ja nicht ein-mal ansatzweise den Raumbedarf der jungen Universität deckte. In den Anfängen der Fride-riciana war die Neue Residenz nicht nur das größte intakte Bauwerk Halles, sondern über-dies das einzige, das durch seinen teilweisen Leerstand den immensen Raumhunger der schnell wachsenden Universität stillen konn-te. So scheint eine universitätsgeschichtliche Neubewertung der Neuen Residenz respek-tive der Waage neben inhaltlichen Aspekten schon allein aus quantitativer Sicht dringend geboten.Zu guter Letzt kommt man nicht daran vor-bei, dass die Neue Residenz schon 163 Jahre vor der Fridericiana die erste Universitäts-gründung in Halle war:

UN

IVER

SITÄ

TU

ND

NEU

E RE

SID

ENZ

Abb. 2: Obergeschoss des Nordwestflügels der Neuen Residenz, UAH Rep. 3, Nr. 729

Abb. 1: Erlass von König Willhelm II, 10. März 1789, UAH Rep.3, Nr. 1729

26

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Wir erleben also im Jahr 2006 das 475jährige Universitätsjubiläum!Wie sich die Universität in Zukunft gegen-über der Neuen Residenz verhalten wird, bleibt ungewiss. Und dies nicht nur aufgrund des schlechten Gewissens, das ein über Jahr-hunderte betriebener Raubbau an dem wert-vollen Gebäude mit sich bringt: Hinter dem Pro und Contra der Residenz versteckt sich nämlich das viel tiefer greifende Problem des Umgangs mit der eigenen Geschichte: Favo-risiert man das »Oxford-Cambridge-Modell« der Pflege einer historisch untermauerten Corporate Identity oder rekurriert man auf ein rein ökonomisches, schnelllebigen Moden verpflichtetes Universitätsmodell? Wie auch immer, das »Oxford-Cambridge-Modell« zeigt, dass Traditionspflege, wissenschaftli-che Qualität und Ökonomie in keinem Wider-spruch stehen. Ganz im Gegenteil!

D I E Z U K U N F T D E R N E U E RE S I D E N Z

2003 wurde von dem früheren Universitäts-rektor Prof. Dr. Dr. Gunnar Berg der NeueResidenz e. V. gegründet. Hauptziel dieses

Wer sich als Mitglieder und Förderer im gemeinnützigen Neue Residenz e. V. am Neuaufbau der Neuen Residenz

beteiligen will, ist herzlich willkommen. Spenden können unter Ausgabe einer Spendenbeschei-

nigung auf folgendes Konto überwiesen werden: Stadt- und Saalkreissparkasse Halle,

BLZ: 800 537 62, Konto-Nr. 378 012 137,Kontakt: Neue Residenz gemeinnütziger e. V.,

Domstraße 5, 06108 Halle (Saale) Geschäftsführer: Dr. Ulrich Taschow,

Telefon: 0345 6816584, Fax: 0345 6785964

Dr. Ulrich Taschow, Jahrgang 1961, studierte Germanistik, Musikwissenschaft, Philosophie, Psychologie in Halle (2001 Promotion zur französischen Wissenschafts-geschichte des 13./14. Jahrhunderts); ab 1996 qualifizierte er sich in den Berei-chen Betriebswirtschaft, Marketing wei-ter, seit 2000 ist er als freier Unternehmer und Unternehmensberater tätig, seit 2005 betreut er eine Reihe von Projekten in der Neuen Residenz und ist Geschäftsführer des

Vereins Neue Residenz e. V. Telefon: 0345 6816584, E-Mail: [email protected]

UN

IVER

SITÄ

TU

ND

NEU

E RE

SID

ENZ

gemeinnützigen Vereins ist es, dem untrenn-bar mit der Universität, der Stadt und der europäischen Geschichte verbundenen, ehe-mals prachtvollsten Renaissance-Profanbau Halles seine Geschichte, historische Identi-tät und Bedeutung wieder zurückzugeben, um ihn derart aus ungerechtfertigtem Schatten-dasein ins rechte Licht zu rücken. Die Neue Residenz wird in ihrer baulichen Sub-stanz saniert und der Allgemeinheit Schritt für Schritt als lebendige Heimstatt kulturel-ler, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Begegnung und Bildung zugeführt. Derzeit laufen unter der Trägerschaft des Ver-eins vier vom Bundeswirtschaftsministerium

und der ARGE (Arbeitsgemeinschaft Deut-scher Berufsförderungswerke) unter stützte Projekte in, um und für die Neue Residenz, mit denen modellhaft Aspekte ihrer späteren Nutzung als betriebwirtschaftlich agierendes Mehrspartenunternehmen erprobt und antizi-piert werden. In diesem Zusammenhang entstand ein um fassendes Nutzungskonzept inkl. eines Busi nessplans, das zu zwei Dritteln auf eine be triebswirtschaftlich-gewinnorientierte Nut-zung und zu einem Drittel auf eine »ideelle« Nut zung setzt. In letzterem Bereich sucht die Neue Residenz u. a. ganz bewusst die Nähe zur Universität. Dabei soll die Tradition des Ortes durch die Präsentation ausgewählter Exponate naturwissenschaft licher Sammlun-gen in wechselnden Themen ausstellungen für eine breite Öffentlichkeit weitergeführt werden – das ist zugleich effiziente Öffent-lichkeitsarbeit für die Universität.Eine Bildungsakademie führt den schon 2003 geborenen Gedanken eines »Halleschen Inno-vationszentrums für naturwissenschaftliche Bildung« fort.Gegenwärtig befasst sich der Verein u. a. mit dem Aufbau eines Museums und Archivs zur allgemeinen und universitären Residenz ge-schichte. Schon am 15. Mai können in einer Ausstellung erste Forschungsergebnisse in Augenschein genommen werden. Für Herbst 2007 ist – ebenfalls zum Thema »universi-täre Residenzgeschichte« – eine umfassende Aus -stellung in Kooperation mit der Zentra-len Kustodie der Martin-Luther-Universität, Dr. Ralf-Torsten Speler, geplant. Öffentlichkeitsarbeit für die Neue Residenz wird in den nächsten Jahren in vielerlei Hin-sicht groß geschrieben und ist unverzicht bar, um die hochgesteckten Ziele der Vollsanie-rung und Neunutzung im geplanten Zeitfens-ter von sechs bis sieben Jahren zu ermögli-chen. Unter diesem Aspekt bildet auch die Präsentation der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien in den Räumlichkeiten der Neuen Residenz zum Sachsen-Anhalt-Tag 2006 (s. Abb. 3 und 4 sowie S. 44) einen wichtigen Meilenstein. Programmatisch stellen sich zu diesem Ereignis der Neue Residenz e. V. und die Zentrale Kustodie der halleschen Univer-sität gemeinsam am historischen Ort vor.

Abb. 4: Im Innenhof der Neuen Residenz

Abb. 3: Blick vom Saaleufer auf die Westfassade der Neuen Residenz (Fotos[2]: Archiv Neue Residenz e. V.)

27

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Eroberung der Erde –Forscher, Missionare, Abenteurer

Ausstellungen der Universität zu Halles 1200-Jahr-Feier

R A L F -TO R S T E N S P E L E R

An der führenden Reformuniversität des deutschen Reiches – in Halle an der Saale – lehrten im 18. Jahrhundert wegweisende Professoren der europäischen Aufklärung und des Pietismus. Diese geistesgeschichtlich bedeutsame Epoche wird auch das Zeitalter des Reisens genannt. Man (!) verließ sein Heimatland auf Monate oder gar Jahre, um nationale Enge und Vorurteile zu überwinden, um fremde Länder kennen zu lernen, um sich Bildung oder guten Geschmack anzueignen oder um als Forschungsreisender die terra incognita in allen Fachdisziplinen zu erforschen. Deshalb wurden Weltreisen unternommen, neue Seewege erkundet; man war auf Gelehrten- oder Künstlerreisen unterwegs, um unter südlicher Sonne das Phänomen der Farben zu studieren ...

Auch prominente Reisende – Gelehrte, Missio nare und Künstler – erlebten immer wieder aufregende und gefährliche Reise-abenteuer. Die paradiesische Südsee wurde im 18. Jahrhundert unter Lebensgefahr erforscht, wilde Tiere wurden eingefangen und erstmals beschrieben oder geografische Besonderheiten erkundet.

VO M RE I S E N Z U M M I S S I O N I E R E N

Das 19. Jahrhundert dagegen firmiert als sogenanntes Missionsjahrhundert. Die evan -gelischen Missionen organisierten sich aus dem Geist des Pietismus. Deutschland erhob-sich zur letzten Kolonialmacht. Von Euro-pa aus wurde die Welt »erobert«. Die Jahres-ausstellung der Zentralen Kustodie widmet sich den internationalen Wissenschaftsbezie-hungen, dem kulturellen Austausch und dem Handel und Wissenschaftstransfer. Dafür ste-hen zahlreiche Beispiele berühmter Gelehr-ter und Studenten der Alma mater halen-sis, von Privatforschern und außergewöhn-lichen Reisenden aus Halles näherer Umge-bung. Erwähnenswert sind Forschungsreisen-de wie der spätere hallesche Professor Johann Reinhold Forster (1729–1798) und dessen Sohn Georg, die den Pazifikraum auf der von

James Cook (1728–1779) geführten »Reso-lution« bereisten. Der Besucher sieht Samm-lungsstücke von Adelbert von Chamis sos (1781–1838) Weltreise durch Ozeanien, die er auf der russischen Expedition des von Otto von Kotzebue (1788–1846) kommandier-ten Schiffs »Rurik« unternommen hatte. Der Eislebener Franz Wilhelm Junghuhn (1812–1864) trieb Pflanzenstudien auf Java, Edu-ard Fries (1877–1923) lebte und arbeitete als Missionar auf der Insel Nias vor Sumat-ra und dokumentierte als Maler das alltägli-che Leben der Einheimischen. Gustav War-neck (1834–1910), ebenfalls Missionar auf Sumatra, errichtete 1896 an der halleschen Universität den deutschlandweit ersten missi-onstheologischen Lehrstuhl. Der zu den her-ausragenden Afrikaforschern zählende Gus-tav Nachtigal (1834–1885) aus Stendal hatte in Berlin, Würzburg, Greifswald und in Halle studiert.

H A L L E N S E R I N A L L E R WE L T

Hermann von Wissmann (1853–1905) durch-querte als Erster Äquatorialafrika von Wes-ten nach Osten. Anlässlich der 200-Jahr-Feier der halleschen Universität im Jahr 1894 er hielt der Afrikaforscher für seine Verdiens-te die Ehrendoktorwürde. Der Begründer des land wirtschaftlichen Universitätsstudiums in Deutschland, Julius Kühn (1825–1910), ini -

tiierte in Deutsch Südwest Afrika (Nami-bia) die Karakulschafzucht und erzielte damit große Erfolge. Der halle sche Zoologieprofes-sor von Weltrang, Carl Hermann Conrad Bur-meister (1807–1892), unternahm zwei große Forschungsreisen nach Südamerika und baute das zoologische Museum an der Fried-richs-Universität Halle auf. 1861 siedel te er nach Argentinien über und wurde dort zum Begründer des Naturkundlichen Museums in Buenos Aires. Seit 1962 führen Prof. Dr. Michael Stubbe (*1939), seine Schüler und Mitarbeiter zahl-reiche Expeditionen in die Mongolei durch und bauten Halle so zu einem zoologischen Forschungszentrum dieser Region aus.

K O R Y P H Ä E N I M K U P F E R S T I C H K A B I N E T T

Das Kupferstichkabinett zeigt zeitgleich eine Sonderschau zur Geschichte berühmter hal-lescher Indologen anlässlich des 300-jähri-gen Jubiläums der Dänisch-Halleschen Mis-sion in Südindien. Vorgestellt werden bedeu-tende Gelehrte des über 150 Jahre alten Lehr-stuhls für allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Halle, deren Namen mit der Ge schichte der europäischen Orientalistik, insbesondere der Indologie, unlösbar verbun-den sind. Beide Ausstellungen präsentieren Personal- und Reisedokumente sowie Sammlungsgegen-stände aus aller Welt. Es handelt sich um Exponate aus den universitären Sammlungen, aus der Stiftung Moritzburg und aus Privat-besitz. Völkerkundliche Stücke aus Südasi-

E R O B E R U N G D E R E R D E – F O R S C H U N G S R E I S E N D E , M I S S I O N A R E ,A B E N T E U R E R

Jahresausstellung der Zentralen Kustodie anlässlich des Themenjahres »Die Welt statt der Provinz – Die internationale Dimension Halles zur 1200-Jahr-Feier der Stadt Halle«

21 . S E P T E M B E R – 3 . D E Z E M B E R 2006 I M

U N I V E R S I T Ä T S M U S E U M , L Ö W E N G E B Ä U D E

Eröffnung der Ausstellung: Donnerstag, 21. September 2006, 17 Uhr

Titelblatt der deutschen Ausgabe der Reisebeschrei-bung Georg Forsters mit einer Einleitung des Vaters Johann Reinhold Forster vom 1. Juli 1780 aus London

AUSS

TELL

UN

GEN

AND

ER M

LU

Der junge Georg Forster mit der »Resolution«Scherenschnitt, um 1775

28

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Dr. Ralf-Torsten Speler, Jahr-gang 1946, studierte 1966–75 Deut-

sche Geschich te, Museologie und Kunst ge-schichte in Leipzig und Halle.

Bis 1979 war er wissenschaftlicher Aspi-rant am Fachbereich Kunst geschichte der

Martin-Luther-Uni ver sität, danach bis 1982 stellvertretender Leiter der Zentra-

len Kusto die (Promotion 1981).1983 übernahm er die Leitung der Zen-

tralen Kustodie, 1993 auchdie des Universitätsarchivs. Er ist Mitglied in den Vorständen des Freundes-

kreises des Franckeschen Stiftungen und der Kommission zur Erforschung und Pflege des Dessau Wörlitzer Kulturkreises und seit 2002 Vizepräsident

der Winckelmann-Gesellschaft.Telefon: 0345 55-21732, E-Mail: [email protected]

VO R T R A G S R E I H E Z U R A U S S T E L L U N G

D O N N E R S T A G S , 18 U H R, H I S T O R I S C H E R

HÖRSAAL, LÖWENGEBÄUDE, UNIVERSITÄTSPLATZ 11

28 . S E P T E M B E R 2006Dr. Jörn Garber (Kassel): Die beiden Forsters, die Universität Halle und die Erforschung der letzten Terra incognitain der Südsee

12 . O K T O B E R 2006Prof. Dr. Arno Sames (Halle): Gustav Warneck – der Begründer des ersten missionstheologischen Lehrstuhls in Deutschland

26 . O K T O B E R 2006Dr. Karla Schneider (Zoologische Sammlungen der MLU): Ein hallescher Professor begründet das Nationalmuseums in Buenos Aires. Zum 200. Geburtstag des Zoologen Hermann Burmeister

9 . N O V E M B E R 2006Dr. Joachim Wussow (Julius-Kühn-Museum der MLU): Die Karakulzucht in Halle und in Deutsch-Südwest-Afrika (Namibia)

23 . N O V E M B E R 2006N. N. (Überseemuseum Bremen): Seefahrt, Handel und Kulturaustausch im 18. und 19. Jahrhundert

3 . D E Z E M B E R 2006Dr. Ralf-Torsten Speler (Zentrale Kustodie): Von Halle nach Amerika – Deutsch-Amerikanische Beziehungen im 18. und 19. Jahrhundert

en und Afrika von den Hallensern Emil Rie-beck (1853–1885) und Franz E. Hellwig, der an der berühmten Südsee-Expedition (1908–1910) des Hamburger Völkerkundemuse-ums teilnahm, sind ebenso erstmals zu sehen wie das Reisetagebuch aus Deutsch-Süd-west-Afrika von der letzten Stiftsdame des adeli gen Fräuleinstifts Schloss Mosigkau bei Dessau, Anna Maria von Lettow-Vorbeck (†1968), oder persönliche Einladungen des Gouverneurs von Deutsch-Ost-Afrika, Gus-tav Adolf von Götzen (1866–1910), an den Oberstleutnant zur See des SMS »Seeadler« Ulrich Kretzschmar aus Dessau. Zu den Abenteurern, schillernden Reise-schriftstellern und »Seehelden« des 1. Welt-kriegs gehört der aus Halle stammende Kor-vettenkapitän Felix Graf Luckner (1881–1966), der als »Seeteufel« Vortragsreisen unternahm und in der Öffentlichkeit noch

F Ü H R U N G E N U N D E X K U R S I O N E N

F Ü N F F Ü H R U N G E N D U R C H D I E A U S S T E L L U N G

W E R D E N A M 24 . S E P T E M B E R, A M 8 . U N D 22 . O K T O B E R S O W I E A M 5 . U N D 19 . N O V E M B E R

2006 , J E W E I L S 15 U H R, A N G E B O T E N .Zwei Exkursionen zur Ausstellung – im Rahmen des Landesprojekts »Gartenträume – Historische Parks in Sachsen-Anhalt« – in die Umgebung von Halle sind geplant:

1 . O K T O B E R 2006 , 14 U H R : D A S

O T A H I T I S C H E B A D E H A U S I M D I E S K A U E R PA R K

(Einführung ins Schloss und Parkspaziergang mit Prof. Dr. Hans-Joachim Kertscher, IZEA)

15 . O K T O B E R 2006 , 14 U H R : D E R O S T -WE S T - S A L O N D E S H A N S H A S S O V O N VE L T H E I M

I N O S T R A U

(Einführung in der Kirche und Parkspaziergang mit Pfarrer i. R. Dieter Pretzsch, Halle)

heute legendär, aber auch umstritten ist. Eine Dokumentation von dienstlichen Reisen zwi-schen 1903 und 1912 in Europa und Asien in Großfolio des Oberstleutnants Heino von Basedow (*1857) mit Itinerar und Reisepass belegen die be -ginnende Globalisierung der Welt. Neben geologischen, geografischen und anderen historischen Karten sind so ausge-fallene Expeditionsergebnisse wie Sandpro-ben aus verschiedenen afrikanischen Wüs-ten, Korallen vom Riff Sinai, Porphyrgeröll aus New Mexico oder Nilschlamm aus dem 19. Jahrhundert zu sehen. Herbarbelege von Diederich Franz Leonhard von Schlechten-dal (1794–1866) aus Mittelamerika, Südafri-ka und Australien belegen den Forschereifer ebenso wie der Nashornkäfer und das Präpa-rat eines Gürteltiers, das vom halleschen Zoo-logen Burmeister aus Südamerika mitgebracht wurde. Expeditionskisten, Reisekoffer, Tro-penhelme, geodätische und nautische Gerä-te, frühe Reiseführer, Reiseutensilien und -andenken lassen ahnen, dass die Faszination

des Reisens – mit ihrer Sehnsucht nach der Ferne und dem Drang, das Unbekannte ken-nen zu lernen oder gar zu erforschen – bis zum heutigen Tag nichts von ihrem Reiz ein-gebüßt hat.

Robert Clive, First Baron Clive of Plassey (1725-1774) anlässlich seines Sieges über den Nabob von Bengalen im Jahr 1757. Kupferstich, 1786

AUSS

TELL

UN

GEN

AND

ER M

LU

Sie wollen Ihre Freizeit sinnvoll nutzen? AHA!Sie wollen sich für Natur und Umwelt engagieren? AHA!Sie wollen Gleichgesinnte kennen lernen? AHA!Sie wollen nicht nur reden, sondern etwas tun? AHA!

DANN SIND SIE BEI UNS HERZLICH WILLKOMMEN! Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e. V. – (AHA) Große Klausstr. 11, 06108 Halle (Saale) Telefon: 0345 20022746 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.aha-halle.de

29

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Ich halte StudIP für ein nützliches und übersichtliches Kommunikationstool.Es erleichtert das Lernen und bie-tet verschiedene Kontaktmöglichkeiten

für Absolventen und Dozenten. Als ich nach Halle gezogen bin, habe ich über diese Plattform nicht nur meine Mitstudenten besser kennen gelernt, sondern auch die Studenten aus anderen Fachbereichen. Außerdem kann ich mit diesem System meinen Studienablauf effektiver planen. Oftmals finde ich interessante Vorlesungen und Seminare anderer Fachbereiche, in die man sich unmittelbar ein-tragen kann, zumindest wenn es sich nicht um geschlossene Hochschulveranstaltungen handelt. Das erleichtert das Studium gene-rale im Sinne des humanistischen Bildungserbes beachtlich.

Mathias KöpperStudent der Wirtschaftswissenschaften

Wie hilfreich ist die StudIP-Plattform wirklich?

PA O L O S C H U B E R T

Seit Oktober 2005 gehört StudIP zu den meistgenutzten Systemen studentischer und dozentischer Studienplanung. Der Leistungskatalog dieses Tools verspricht neben Einschreibemöglichkeiten in Seminare, Vorlesungen und Tutorien eine schnelle und einfache Kommunikation zwischen den Hochschulangehörigen. Und auch auf eine andere Weise erfreut sich StudIP immer größer werdender Beliebtheit: als Präsentationsplattform für die eigene Person. Doch hat StudIP den Studienalltag wirklich vereinfacht? scientia halensis befragte zwei Studierende zu ihren Eindrücken.

»StudIP schafft Kommunikation. Kein ande-res System lässt Studierende einer Hochschu-le einfacher miteinander in Kontakt treten«, meint Melanie Zimmermann. Die Studentin der Philosophie und der Literaturwissenschaft nutzt StudIP seit ihrer Immatrikulation. »Ich bin vor zwei Jahren aus Caputh nach Halle gezogen, um hier ein Studium zu beginnen. Das System hat mir geholfen, Studenten aus den verschiedenen Studiengängen schneller kennen zu lernen. Halle war für mich Neu-land. Viele StudIP-Nutzer haben mir Tipps gegeben, als ich auf der Suche nach speziel-len Einrichtungen, kulturellen Veranstaltun-gen oder Partys war. Nur so habe ich auch die Stadt schneller überblicken können«, erinnert sie die 21-jährige.Der virtuelle Treffpunkt biete viele verschie-dene Möglichkeiten. Hilfreich seien vor allem die Umfragen, Chats und Diskussionsgrup-pen, die man auch auf der eigenen privaten Seite einstellen könne. Und gerade die ver-schiedenen Foren seien es, die genügend Raum bieten, um über universitäre Themen wie Seminarinhalte und andere, eher allge-meinere Probleme zu diskutieren. »Immer-hin nutzen mittlerweile fast 11 000 Studieren-de die verschiedenen Dienste. Das schafft ein gutes Klima unter den Hochschü lern.« Und das wirke sich natürlich auch irgendwie auf die Lebensqualität aus.Angesichts weiter steigenden Studierenden-zahlen bedarf es eines Systems, das einem hilft, den Studienalltag effizient zu planen und schneller an Arbeitsmaterialien zu gelan-gen.Doch nicht alle Dozenten ziehen mit. »Gera-de in den Instituten der Geisteswissenschaf-ten sind scheinbar viele Lehrkräfte mit dem Sys tem nicht vertraut. Ich fände es prak-tischer, wenn auch sie häufiger mit Stu-dIP arbeiten würden. Durch den geringeren Arbeitsauf wand würde den Dozenten mehr Zeit für andere Dinge zur Verfügung stehen«, argumentiert die Magisterstudentin. Zimmer-mann sieht nicht nur die Zeitersparnis als Vorteil. »Dozenten, die auf StudIP zurück-greifen, haben einen besseren Überblick über die Seminarteilnehmer und können Engpäs-se bei der Platzvergabe effektiver begegnen. Eine Vergabe über StudIP sehe ich im All-

gemeinen nicht viel problematischer als die persönliche Einschreibung. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Das zählt bei beiden Vorge-hensweisen.« Falls dennoch Schwierigkeiten auftreten sollten, könne man weiterhin indi-viduelle Absprachen mit dem Dozenten tref-fen. StudIP solle keine Alternative sein, son-dern eine zusätzliche Hilfe. Niemand wolle Sprechstunden und persönliche Beratungsge-spräche abschaffen.Nach der Ansicht Zimmermanns können auch Studierende von der Übersichtlichkeit des Systems profitieren. »Praktisch ist, dass ich alle Daten der Veranstaltung auf einer Seite überblicken kann. Man wird durch die Kalen-derfunktionen und den Veranstaltungspla-ner an die wahrzunehmenden Zeiten erinnert, kann sämtliche Skripte und Dokumente abru-fen, die von den Mitarbeiter und Professoren zur Verfügung gestellt werden und – zumin-dest wenn die Funktion vom Dozenten frei-geschaltet wurde – können wir unsere eige-nen Präsentationen über eine Upload-Funk-tion den Mitstudenten zur Verfügung stellen. Derartige Anfragen bekommt wohl jeder, der schon einmal Referate gehalten hat«, vermu-tet sie. Diese Option erspare den Versand von Emails mit Dateianhängen. »Immerhin ver-fügen viele Studierende über einen langsa-men Internetanschluss oder einen volumenge-bundenen Gebührentarif. Und letztendlich bin auch ich froh, nicht jeden Referenten wegen dieser Materialien belästigen zu müssen.«Zimmermann greift außerdem auf die StudIP-Systeme anderer Hochschulen zurück. »Die Universität Göttingen ist ja sozusagen Vor-reiter in Sachen StudIP. Nachdem ich mich dort umgesehen habe, nahm ich den Kon-takt zu einem Philosophie-Dozenten dieser Hochschule auf, um mit ihm über verschie-dene Themen zu sprechen«, erinnert sie sich. »Kommunikation ist nun einmal alles, genau wie eine durchdachte Organisation«, ist sich die Studentin sicher. Die StudIP-Plattform biete beides.

Pro

M E L A N I E Z I M M E R M A N N ,P H I L O S O P H I E / G E R M A N I S T I S C H E NL I T E R A T U R W I S S E N S C H A F T

»Dieses online-System schafft Kommunikation.«

PRO

& C

ON

TRA

30

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Es ist problematisch, wenn grundlegende Informationen nur von den Studierenden abgerufen werden können, die für ein entsprechen-

des Seminar eingetragen sind. Präsentationen, Seminarpläne und Skripte werden zum Selbststudium oder für Klausurvorbereitungen auch von anderen benötigt. Selbst Studienbewerber und Studierende anderer Hochschulen haben das Nachsehen, wenn wissen-schaftliche Informationen unter Verschluss gehalten werden. Studierende werden so zu einer Anmeldung indirekt gezwungen. Das ist auch aus datenschutzrecht-lichen Gründen problematisch. Sobald man im System eingeloggt ist, kann jeder sehen, wann und wie lange ich Online bin und wel-che Kontaktdaten ich habe. Besser wäre es, von vorn herein selbst bestimmen zu können, ob das eigene Profil öffentlich sichtbar gestellt werden soll oder nicht.

Katrin KochStudentin der Germanistischen Sprachwissenschaft,GermanistischenLiteraturwissenschaft und BLIK

»Mit der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen wird der Verwaltungs-aufwand an den Universitäten stark zuneh-men. Deshalb brauchen wir ein computerge-stütztes System, das den Arbeitsaufwand von Studierenden und Dozenten verringern kann«, meint Jan Grau, Promotionsstudent am Ins-titut für Bioinformatik. »Wenn man ein Sys-tem wie StudIP an einer Hochschule ein-setzen will, muss jedoch eine Grundvor aus- setzung erfüllt sein: Das System muss sich an den Bedürfnissen der Studierenden und der Dozenten orientieren und nicht de ren Mög-lichkeiten an den Voraussetzungen und Ein-schränkungen des Systems«, erklärt Grau weiter. Seit der Einführung seien mehrere Proble-me aufgetreten. »In vielen Fachbereichen ist es mittlerweile üblich, Einschreibungen aus -schließlich über StudIP durchzuführen. Es gibt Fälle, in denen die Listen schon zum offi-ziellen Einschreibebeginn besetzt waren, da sie bereits vor dem offiziellen Termin im Sys-tem platziert wurden. Bei anderen Veranstal-tungen dauerte es keine fünf Minu ten bis alle Plätze belegt waren.« Das sei inakzeptabel und den Studierenden nicht zu zumuten. »Nur wenige verfügen über einen HighSpeed-DSL-Zugang und über die Zeit, sich permanent an einem Rechner aufzuhalten. Hinzu kam, dass einige Dozenten gerade einmal drei Tage vor Einschreibebeginn die ausschließliche Ein-schreibung über StudIP bekannt gaben. Ein Antrag auf die für StudIP notwendige E-Mail-Adresse der Universität dauert jedoch bis zu zwei Wochen. In den ein zelnen Fachbereichen war ein beträcht licher Teil der Studierenden deshalb nicht in der Lage, in diesem Semester an Veran staltungen teilzunehmen.« Viele von ihnen hätten auch im Nachhinein keinen Platz bekommen.Nach der Ansicht Graus sollten Listen für eine akzeptable Zeitspanne offen bleiben. »Das heißt, dass erst einmal niemandem ein Platz in einer Veranstaltung vorenthalten wird.« Ist die Zahl der Interessenten zu hoch, solle eine Auswahl nach intelligenten Krite-rien getroffen werden. »In welchem Semes-ter befindet sich der Interessent, wie oft hat er schon versucht, dieses Seminar zu belegen? Das sind sinnvolle Kriterien«, argumentiert Grau. Notgedrungen könne man auch auf eine Zufallsauswahl zurückgreifen.Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich für den Bioinformatiker aus den technischen Voraus-setzungen. »Man muss bedenken, dass nicht alle Studierenden zu Hause über einen eige-nen Internetzugang verfügen«.

Zwar könne man von jedem erwarten, sich mit den technischen Begebenheiten auszu- kennen, doch sei es erforderlich, dass zumin-dest in den Institutsgebäuden für die Ein-schreibungen genügend internetfähige Rech-ner zur Verfügung gestellt werden. »In man-chen Einrichtungen könnte man sich gar nicht einschreiben, in anderen stehen gera-de einmal zwei oder drei öffentlich zugängli-che Computer.«Fraglich ist weiterhin, so Grau, inwie-weit individuelle Absprachen bei der Nut-zung einer elektronischen Plattform über-haupt noch möglich sind. Wenn Vorgänge automa tisiert werden, müsse man darauf ach-ten, Studierende nicht in ihrer Freiheit zu be schneiden. »Ist es beispielsweise weiterhin möglich, Leistungsscheine in einem ande-ren Fachbereich zu erwerben? Schließlich ist auch Ziel und Zweck einer Universität, ein interdisziplinäres Verständnis bei den Studie-renden auszubilden.«Das spiegele sich auch bei der Bereitstellung von Materialen und Skripten wieder. Eine Universität solle ihr Wissen nicht nur einer begrenzten Gruppe zur Verfügung stellen. »StudIP-Systeme anderer Universitäten sind in diesem Punkt fortschrittlicher. Ich habe es als Student immer gut gefunden, auf Vorle-sungsmaterial anderer Universitäten zugrei-fen zu können.« Im System der Uni -versität Göttingen sei ein freier Zugang zu bestimm-ten Plattformbereichen seit langer Zeit mög-lich, genau wie im System der Uni Trier. »An unserer Universität funktioniert das noch nicht.«

Contra:

J A N G R A U ,B I O I N F O R M A T I K ,S T U D E N T I S C H E R S E N A T O R

»An unserer Universität funktioniert das noch nicht.«

Paolo Schubert, Jahrgang 80, studiert seit 2001 Diplom-Politik wissen-

schaft und schreibt seit 2000 für verschie-dene Tageszeitungen

und Jugendmagazine. Telefon: 0171 8393278

E-Mail: [email protected] oder [email protected]

PRO

& C

ON

TRA

31

Alles unter einem Dach!

Kreatives Tagen in einem innovativenUmfeld, individuelle und persönliche

Betreuung von der Anfrage bis zum Ver-tragsabschluss, Service bis ins kleinste

Detail – das alles und vieles mehr bietet Ihnen das M Hotel Halle.

Wir begrüßen alle Mitarbeiter,Veranstaltungsteilnehmer sowie

Freunde der Martin-Luther-Universität, Gast in unserem Haus zu sein.

Nutzen Sie die vielfältigen Vorteile wie beispielsweise Sonderkonditionen für Übernachtungsgäste, die aufgrund

der Partnerschaft zwischen der Martin-Luther-Universität und demM Hotel Halle bestehen.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

M Hotel Halle · Riebeckplatz 4 · 06110 HalleTelefon 0345 5101-713 · Telefax 0345 [email protected] · www.maritim.de

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

... as an American in Old EuropeGespräch mit dem Politologen Prof. Dr. Paul Rundquist

Gastprofessor am Institut für Politikwissenschaft der MLU

Nie zuvor hat Paul Rundquist in einer so kleinen Stadt wie Halle an der Saale gelebt. Den-noch – oder gerade deshalb? – fühlt er sich wohl und ist für das Akademische Jahr 2005/06 ein zweites Mal hierher gekommen (schon im Sommersemester 2005 war er in Halle), um am Institut für Politikwissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu lehren und zu forschen. Seine Lehrveranstaltungen, in englischer Sprache, stellen für die Studierenden eine Herausforderung und Bereicherung zugleich dar. Die Palette der Vorlesungen und Semi-nare reicht von der Entwicklung der Politikwissenschaft als Wissenschaftsdisziplin, die US-amerikanische Sicherheitspolitik, die Bedeutung der Wahlen und des Parlamentarismus in den USA, über den amerikanischen Kongress und die Rolle der Massenmedien in der amerikani-schen (Innen- und Außen-)Politik bis zum Vergleich der politischen Systeme in den USA und in Deutschland. Möglich wurde diese Gastprofessur durch die finanzielle Unterstützung seitens des Deutschen Akademischen Austauschdienstes.

Professor Rundquist, Sie kommen aus Chicago – der mit drei Millionen Einwohnern drittgrößten Metropole der USA. Welcher Zufall hat Sie den vergleichsweise winzigen geografischen Punkt Halle an der Saale in Old Germany überhaupt wahrnehmen lassen?1992 traf ich in Paris Suzanne Schütte meyer, die später eine politikwissenschaft liche Ver-tretungsprofessur für das Regierungs system der Bundesrepublik in Potsdam übernahm. Das war bei einem internationalen Kongress zur Unterstützung der Demokratisierungspro-zesse in Osteuropa, wo es u. a. um die Ein-führung des »best-practice-Prinzips« und die Entwicklung von Antikorruptions-Richtlinien, besonders für Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei ging. Schon damals entstand die Idee einer Gastprofessur in Deutschland. Nachdem sie 2001 den Ruf nach Halle ange-nommen hatte, befassten wir uns erneut mit dem Projekt – und, unterstützt vom DAAD bin ich nun, mit Pausen, seit fast anderthalb Jahren hier.

Die Gegend um Chicago, Ihre Heimat im engeren und weiteren Sinn, wirkt wie keine andere Region als »Melting Pot«, ethnisch, sprachlich, religiös ... Ihr Familienname deutet auf skandinavische Vorfahren hin. Hat dieses multikulturelle Umfeld Ihr Leben geprägt?Ja, auf jeden Fall. Die Vorfahren meiner Mut-ter, irische Katholiken, waren nach der gro-ßen Kartoffelmissernte Ende des 19. Jahr-hunderts nach Illinois eingewandert; mein schwedischer (und protestantischer!) Großva-ter, ein Zimmermann, kam hundert Jahre spä-ter in die Gegend am Michigansee. In Chica-go, wo ich aufgewachsen bin, leben Iren, Ita-liener, Polen und viele andere Immigranten, die meisten seit vielen Generationen. Die-ser ethnisch europäische Hintergrund bildet eine wichtige Komponente der Lebensweise in jener Region und hatte zweifellos wesentli-chen Anteil am Erstarken der Demokratiebe-wegung in den 50er Jahren.

Ihr Studium an der Loyola University in Chicago fiel zeitlich in etwa zusammen mit 68er Bewegung, die ganz Europa erfasste, vor allem den Westen, aber zugleich mit starker Ausstrahlung auf Osteuropa. Wie haben diese Ereignisse damals auf Sie gewirkt?Loyola ist eine katholische Universität, aller-dings keine sehr radikale. 1968 war ich Redakteur der Studentenzeitung. Während vor allem in Berlin und Paris Schüler und Stu-denten für mehr Freiheit und Demokratie demonstrierten, fand in Chicago der Kongress zur Nominierung des demokratischen Prä-sidentschaftskandidaten statt. Aus allen Tei-len der USA kamen Studenten, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren – das war vielen wichtig. Den »Prager Frühling« in der �SSRhaben wir, wenn überhaupt, nur als isolier-ten, antikommunistischen Protest wahrgenom-men. Dass sich da in Europa ein Generatio-nenkonflikt Bahn brach, war in den USA nie-mandem klar. Erst als ich in den 90ern hierher kam, verstand ich, dass die 68er eine ande-re Dimension darstellten als die Vietnam-Pro-teste der US-amerikanischen Jugend. Führen-de Alt-68er wirkten ja in Deutschland lange Zeit an verantwortlichen Stellen, etwa Dani-el Cohn-Bendit und Joschka Fischer. In den USA hat es nie hochrangige Politiker mit ver-gleichbarem biografischen Hintergrund gege-ben.

Sie waren über drei Jahrzehnte in verschiedenen Posi-tionen im Wissenschaftlichen Dienst der Kongressbibliothek in Washington DC tätig. Haben Sie so eine Laufbahn geplant, oder wie kam es dazu?Das war ein glücklicher Zufall. Ich muss aber vorausschicken, das mich von frühes-ter Jugend an Politik interessierte. Schon mit 15 Jahren war ich als »Wahlhelfer« aktiv, indem ich die Leute überzeugte, sich im Vor-feld als Wähler für die Gouverneurswahl in Illinois registrieren zu lassen – weil sie sonst nicht berechtigt waren, ihre Stimme abzu-geben. Das ist in den USA ein ganz ande-res System als bei Ihnen. Aber zu Ihrer Frage:

Zwar hatte ich gerade meine Doktordisserta-tion (PhD) abgeschlossen, rechnete mir aber infolge der damals katastophalen Situation auf dem akademischen Arbeitsmarkt keine guten Zukunfts-Chancen aus. Washington und die Kongressbibliothek kannte ich aus der Zeit meiner fachlichen Recherchen ganz gut, hatte jedoch keine direkte Erfahrung mit dem damit verbundenen Wissenschaftlichen Dienst. Zufällig war ich auf einer Veranstal-tung der APSA (American Political Science Association), bei der sich auch der Con-gres-sional Research-Dienst präsentierte. Es folgte ein kurzes Gespräch, wenig später das Ange-bot, im Wissenschaftlichen Dienst der Kon-gressbibliothek zu arbeiten. Ich nahm es an.

Übersichten Ihrer Publikationen lassen eine Fokussierung auf Fragen der Demokratie erkennen. Was bietet lang-fristig, Ihrer Meinung nach, größere Chancen für eine wirklich demokratische Entwicklung der Gesellschaft: das US-amerikanische Zwei-Parteien-System oder das europäische Mehrparteien-Prinzip mit wechselnden Koalierungsvarianten?Das Zwei-Parteien-System der USA ist, auf dem Boden alter englischer Tradition, über lange Zeit gewachsen; es bündelt die jeweili-gen Interessen bereits im Vorfeld von Wahlen. Demgegenüber ist Ländern mit wenig Erfah-rung in demokratischen Prozessen eher eine größere Anzahl von Parteien empfehlenswert. Diese können sich besser an vorhandene sozi-ale Gruppierungen anlehnen und die güns-tigsten Koalitionen jeweils nach den Wahlen definieren.

Zu Hause liegen Ihnen, denke ich, Kongressreform und Sicherheitspolitik am meisten am Herzen. Der Irak-Krieg der USA wurde mit Sicherheitserwägungen begründet; im Falle eines Iran-Krieges würde genauso argumentiert wer-den – Fehlurteile erneut inklusive. Haben Politikberater, die wie Sie aus dem Wissenschaftlichen Dienst kommen, tatsächlich Einfluss auf die reale Politik, wenn ja, wie nutzen Sie ihn?Der amerikanische »political adviser«im Kongress arbeitet anders als der deut-sche »Politikberater« im Wissenschaftli-chen Dienst des Bundestages. Gesetze-(svor-lagen) werden in den beiden Häusern von Demo kraten oder Republikanern eingebracht, Mehrheiten kommen oft mit Hilfe von Mit-gliedern beider Parteien zustande. Das hat sich zum Beispiel gezeigt bei der Einrich-tung des Ministeriums für »homeland securi-ty« zum Ausbau der Möglichkeiten beim Vor-gehen gegen potenzielle Terroristen (2002) oder bei der Neufassung der »Patriot acts«(2006). Aufgabe der »political advisers« im Wissenschaftlichen Dienst ist es, vor Abstim-

INTE

RVIE

W

»Our part is to give options.«

Paul Rundquist über die Rolle der US-amerikanischen »political adviser«

33

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

mungen Varianten zu offerieren, in Vorlagen Struktur und Sprache zu optimieren und mög-liche Widersprüche zu eliminieren – mehr nicht.

Bis März 2005 berieten Sie politische Führer der Demo-kraten und der Republikaner in den USA, u. a. im Hinblick auf die sog. filibuster reform – was ist das?In den US-amerikanischen Senatsdebatten gibt es, anders als in Deutschland, keine Rede-zeitbegrenzung. Um eine Debatte zu been den, braucht man 60 Prozent der Senats stimmen. Das heißt in der Praxis, dass bestimmte Ver-handlungen, etwa über die Ernennung von Richtern, endlos verschleppt werden kön-nen – es sei denn, man käme zu einem ein-vernehmlichen Konsens beider Par teien. Die »filibuster reform« beinhaltet eine Vereinba-rung beider Parteien, sich gegen seitig nicht zu behindern. So verzichten die Republika-ner auf die Abschaffung der 60-%-Klau-sel, während die Demokra ten die Ernennung neuer Richter nicht mehr verzögern. Gerade gestern (am 17. Mai 2006 – d. Red.) bewies die Annahme der neuen »Immigration Bill«durch Republikaner und Demokraten die Tragfähigkeit der »filibuster reform«.

Was hat Sie Ende der 80er Jahre bewogen, Ihre Tätigkeit als Politikberater durch Vortragsreisen nach Italien, Jugoslawien, in den Nahen Osten sowie nach Argentinien, Brasilien und Chile zu erweitern? Hofften Sie, dort mehr Einfluss nehmen zu können als zu Hause?Nein, gewiss nicht. Aber ich war faszi niert von der Möglichkeit, innovative Prozes se bei der Regierungsbildung begleiten zu können. Im Übrigen glaube ich nicht, dass Demokra-tie ein Exportartikel sein kann, aber sie kann importiert werden – vorausgesetzt, das Volk des betreffenden Landes will sie haben.

Was sehen Sie – kurz und knapp – in der Gegenwart als größte Gefahr für die Demokratie in entwickelten Gesellschaften an?Die Trennung zwischen Regierung und Volk. Es ist ein weltweites Phänomen, dass sich die Bürger und ihre gewählten Repräsentanten immer mehr voneinander entfernen. Die Folge heißt bei Ihnen »Politikverdrossenheit«, wir sprechen analog von »alienation from politics«.

Deutsche Wähler fühlen sich von Wahlpropaganda oft weniger sachlich informiert als polemisch genervt. Wie bewerten Sie im Vergleich dazu die Rolle der Massen me-dien in der amerikanischen (Innen- und Außen-) Politik?Der Einfluss ist relativ klein, aber dennoch entscheidend und darf nicht unterschätzt werden. Wer gewählt werden will, braucht genügend Geld, um alle Medien zu errei-chen, sonst steht er auf verlorenem Posten. Wir haben in den USA, anders als Sie, keine staatliche Parteienfinanzie rung. Die meisten Amerikaner wären dagegen, dass ihre Steuer-gelder dafür verwendet werden.

Sind deutsche Studenten und Studentinnen anders als ame-rikanische oder polnische? Amerikanische Studenten sind anders als deutsche und polnische – weil sich auch die institutionellen Rahmenbedingungen vonein-ander unterscheiden. In den USA verbringt man in der Regel die ersten beiden Jahre damit sich auszuprobieren, das richtige Inte-ressenfeld zu finden. Das kann damit zusam-menhängen, dass die meisten schon mit 18 Jahren, also noch ziemlich unreif mit dem Studium beginnen. Die Deutschen, ebenso die Polen, fangen Ihr Studium mit 19, 20 Jah-ren oder noch später an. Sie sind reifer, wis-sen meist genau, was sie wollen und gehen zielstrebiger ans Studium heran. Viele brin-gen schon Auslandserfahrungen mit, ein-fach einen anderen Blick auf die Welt. Beide Modelle haben Vor- und Nachteile, keins ist besser oder schlechter – verschieden sind sie in der Tat.

Professor Rundquist im Juni 2006 bei einem seiner Mittwoch- Seminare »The Mass Media in American Poli-tics« im Hörsaal D im Melanchthonianum am Uniplatz (Foto: Paolo Schubert)

Auch die Finanzierungsmodalitäten sind verschieden: Während in Deutschland um die Einführung von relativ moderaten Studiengebühren erbittert gestritten wird, sind in den USA 500 Dollar pro Kurs normal. Wie kommen amerikanische Studenten damit zurecht? Ist das nicht a priori eine ungerechte Sozialauswahl?Nein, das glaube ich nicht. Wir haben ande-re Universitätsstrukturen als Sie. Unser Bil-dungssystem ist sehr offen, man kann sogar ohne Abitur studieren. Es gibt einige staat-liche Universitäten, an denen keine Gebüh-ren erhoben werden, für wirklich arme Stu-denten besteht die Möglichkeit zinsloser Kre-dite. Und viele Studenten jobben, allerdings im Gegensatz zu Deutschland viel mehr inner-halb der Universitäten, auch im Service-Bereich. So können zum Beispiel Bibliothe-ken rund um die Uhr geöffnet sein.

scientia halensis dankt Ihnen im Namen aller Leserinnen und Leser für das interessante Gespräch.

(Die Fragen stellte Margarete Wein.)

INTE

RVIE

W

34

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

25 Fragen an Regina Radlbeck-Ossmann

Verbales Porträt einer Zeitgenossin

Unzählige Varianten des Fragebogens, der durch die Antworten von Marcel Proust (http://www.lauramars.de/gruppe-m/proust2000.html) so berühmt geworden ist, sind in den Medien (FAZ, Forschung & Lehre, UNICUM etc.) zu finden. scientia halensis spielt ebenfalls mit. Diesmal ist unsere Match-Partnerin die Universitätsprofessorin für Systematische Theologie/Dogmatik am Institut für Katholische Theologie und ihre Didaktik am Fachbereich Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften, Dr. Regina Radlbeck-Ossmann:

1. Warum sind Sie in Halle und nicht anderswo?Mich interessieren die Chancen von Glau-be und Religion unter den Bedingungen einer postsozialistischen Gesellschaft. Halle als Stadt beeindruckt auch wegen seiner Bau-denkmäler.2. Wenn nicht Theologin, was wären Sie dann geworden?Vielleicht Naturwissenschaftlerin. Das wäre auch kein schlechter Weg gewesen. 3. Was war an Ihrer Studienzeit am besten?Ich habe sie als eine Zeit wunderbarer Leich-tigkeit erlebt. Wir lernten nicht nur in den Veranstaltungen, sondern bei jeder Begeg-nung in der Mensa, Cafeteria oder Bibliothek: Interdisziplinarität bot überall neue Einsich-ten an.4. Welchen Rat fürs Leben geben Sie Studierenden heute?Halte Augen und Ohren offen, aber geh dei-nen eigenen Weg!5. Welchen Rat fürs Überleben geben Sie KollegInnen?In den Geisteswissenschaften wurde zu lange der Typ des einsamen Forschers kultiviert. Das hat den fachlichen Fortschritt behindert und die öffentliche Wahrnehmung blockiert. Die Arbeit am eigenen Schreibtisch bleibt unverzichtbar – ebenso aber Netzwerke und Forschergruppen.6. Wenn Sie Rektorin einer Universität wären, was würden Sie als erstes tun?Versuchen, den mir anvertrauten Menschen die Vision zu erhalten, die sie einst für die Wissenschaft eingenommen hat. 7. Wenn Sie Forschungsministerin eines Landes wären, was würden Sie niemals tun?In florierende Prozesse eingreifen – denn deren Protagonisten sind oft wie Künstler ... 8. Was ist für Sie die erste Aufgabe der Wissenschaft?Sie besteht darin, den Menschen ein tieferes Verständnis für die sie umgebende Welt zu eröffnen. Es reicht nicht, Wissen zu akkumu-lieren. Verständnis setzt interdisziplinär-kom-binatorische Einsichten voraus. Hier ist auch der genuine Platz der Theologie an einer Uni-versität.9. Was haben Intelligenz und Menschlichkeit miteinander zu tun?Die Möglichkeit zur Weltgestaltung steigt oft mit dem Maß an Intelligenz. Darum ist eine hohe menschliche Qualität gerade für tonan-gebende Leute wichtig.

Bevor man jedoch klagt, sollte man sich fra-gen, wie man die Gewichte in der Erziehung der eigenen Kinder verteilt.10. Wie schätzen Sie das Verhältnis zwischen Mensch und Technik ein?Technik ist ganz wunderbar, sie hilft, die Welt menschlicher zu gestalten, freilich muss unse-re ethische Sensibilität parallel zu unserem technischen Vermögen wachsen.11. Worüber ärgern Sie sich am meisten?Über Zeitgenossen, die sich aufblasen – und über mich, wenn ich mich davon beeindru-cken lasse. 12. Worauf freuen Sie sich gerade jetzt?Auf mein drittes Semester in Halle. 13. Was macht Sie schwach?Absinthtrüffel von Halloren. 14. Wo sehen Sie Ihre Stärken?Ich behalte, wenn Chaos ausbricht, einen klaren Kopf und bin kein bisschen autori-tätsgläubig. In der Regel erfasse schnell den springenden Punkt und habe eine gute Men-schenkenntnis.15. Was erwarten Sie von der Zukunft?Dass sie spannend bleibt. Ich freue mich auf alles Neue und hoffe, dass die Grundkonstan-ten meines Lebens – weltpolitischer Friede und innere Sicherheit ebenso wie Gesundheit und eine intakte Familie – erhalten bleiben.16. Warum muss jeder Mensch an etwas glauben?Weil er angesichts des Meeres von Möglich -keiten in sich selbst keinen Fixpunkt findet. Den aber braucht er für Entwurf und Reali-sierung eines gelingenden Lebens. 17. Welchen bedeutenden Menschen hätten Sie gern als Gesprächspartnerin?Christine Nüsslein-Volhard, Nobelpreis träge-rin und Leiterin des Max-Planck-Institutes für Entwicklungsbiologie in Tübingen. Sie imponiert mir als Wissenschaftlerin wie als Mensch.18. Wer war und/oder ist für Sie der wichtigste Mensch in Ihrem Leben?Es gab und gibt mehrere sehr wichtige Men-schen in meinem Leben. Privat ragen natür-lich mein Mann und unsere Kinder, aber auch meine Eltern heraus. Wissenschaftlich gese-hen bin ich froh, dass ich nicht nur einenVater und eine Mutter hatte. 19. Welchen Ort der Welt möchten Sie unbedingt kennen lernen?

Andalusien, speziell Granada. Was mich lockt ist, sind die Zeugen einer Zeit, in der Chris-ten, Juden und Muslime friedlich zusammen-lebten.20. Womit verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten?Mit Lesen, im Gespräch mit Freunden und beim Wassersport.21. Was wären Ihre drei Bücher für die Insel?Die Bibel, dann »Der Meister und Margarita«von Michail Bulgakow. Beim dritten schwan-ke ich zwischen einem Gesetzbuch und eini-gen naturwissenschaftlichen Werken. 22. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten ...?…fiele mir die Wahl schwer, weil mir nichts wirklich fehlt. Wenn ich aber ganz ent-schränkt wünschen dürfte: eine gerechtere Verteilung der Güter dieser Erde.23. Wie lautet Ihre Lebensmaxime?Lebe heute so, dass du mit 80 notfalls von deinen Erinnerungen zehren kannst.24. Was bringt Sie zum Lachen?Allgemein: Menschen, die Selbstironie zei-gen. Speziell: Kinder, die Überraschungen vorbereiten und schon alles vorweg verraten.25. Warum nehmen Sie sich Zeit für dieses Interview?Weil es eine wunderbare Gelegenheit ist, zu Menschen schon einmal »Hallo« zu sagen, die ich noch gar nicht kenne, aber vielleicht einmal treffen werde.

Aus der V i ta :Geboren 1958 in Schwandorf in Bayern, 1977–1983 Studi-um der Katholischen Theologie, Anglistik, Pädagogik und Philosophie in Regensburg und Würzburg, 1983–1989 Verlagslektorin und Promotion, 1989–1995 Lehramtskandi-datin und Studienrätin in Weiden, 1995–2000 Forschungs-stipendien und aktive Familienplanung, 2000–2005 Lehre und Forschung an der Universität Regensburg, seit Dezem-ber 2005 Universitätsprofessorin an der Martin-Luther-Uni-versität; verheiratet mit dem Juristen Joachim Ossmann, drei Kinder.

PORT

RÄT

35

Regina Radlbeck-Osmann vor ihrem halleschen Arbeitszimmer (Foto: privat)

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Anzeige IH1

Vom Spitzenhäubchen zum Doktorhut –

Die Akademisierung des Pflegeberufes

Mehr Lebensqualität: Heart Mate II erstmals in Sachsen-Anhalt implantiert

J E N S M Ü L L E R

Ein 55-Jähriger aus Merseburg und ein 72-Jähriger aus Halle erhielten als erste in Sachsen-Anhalt im Universitätsklinikum Halle ein mechanisches Herzunterstützungssytem der neuesten Generation: das System HeartMate® II (s. S. 37) der kalifornischen Firma Thoratec. Grund für die Implantationen war ein Pumpversagen der linken Herzkammer nach mehrfachen Herz-infarkten. Die Eingriffe wurden im April 2006 von Oberarzt PD Dr. Ivar Friedrich (Universi-tätsklinik und Poliklinik für Herz- und Thoraxchirurgie, Direktor: Prof. Dr. Rolf-Edgar Silber) vorgenommen. Beide Patienten erholten sich hervorragend und sind bereits wieder zu Hause. Die Systeme sind komplett mobil und die Patienten können sich durch den Batteriebetrieb frei bewegen – ein dauernder stationärer Aufenthalt entfällt. Das sichert eine gute Lebensqualität. Nur regelmäßige ambulante Untersuchungen der Patienten sowie Kontrollen des Kunstherzsys-tems bleiben dauerhaft notwendig.

Das Herz des Merseburgers hatte aufgrund mehrerer Herzinfarkte nur noch eine Leis-tungsfähigkeit zwischen 10 und 15 Pro-zent, und die Aortenklappe war stark ver-engt: »Sein Herz war so schwach, dass er nur noch im Bett lag«, sagt Dr. Friedrich. Da er eine Herztransplantation ablehnte, war das neue Herzunterstützungssystem seine einzi-ge Chance: »Ohne die Operation hätte er nur noch eine geringe Lebenserwartung gehabt.« Der Hallenser war nach einem schweren Herzinfarkt notfallmäßig mit einer Bypass-operation versorgt worden. Doch sein Herz war immer noch zu schwach, die Blutversor-gung für den Organismus aufrecht zu erhal-ten.

Mittel- bis höhergradige Einschränkun-gen der Pumpfunktion des Herzens (Herz-insuffizienz) werden medikamentös behan-delt. Ist diese Therapie nicht mehr effektiv, bietet nur noch die Herztransplantation eine Überlebens chance. Leider gibt es in Deutsch-land zu we nig Spenderherzen; die Wartezeit beträgt etwa zwei Jahre. Das hat fatale Fol-gen: Wegen unzureichender Versorgung mit Blut und Sauerstoff verschlechtern sich die Organ funktionen, besonders von Nieren und Leber. Es kann sich ein Lungenhochdruck entwickeln, der schließlich eine Transplan-tation unmöglich macht. Verschlechtert sich die Herzfunktion weiter, ist der »Tod auf der Warteliste« meist das traurige Resultat.

Die modernen Herzunterstützungsgeräte sind so weit ausgereift, dass das Komplika-tionsrisiko akzeptabel erscheint. Die Warte -zeit auf die Transplantation wird mit Hilfe dieser Systeme überbrückt. PatientInnen, für die eine Transplantati-on nicht in Frage kommt, eröffnet die neue Technik Chancen auf ein längeres Überleben. HeartMate II ist für die Patienten einfach zu handhaben. Durch die komplette Implantati-on des nur 400 Gramm schweren Aggregats ist bis auf ein Schläuchlein (mit den Kabeln für den Batterieanschluss) von außen nichts zu sehen. Bisher wurden weltweit ca. 250 der Systeme implantiert. »Jede Implantation ist eine Einzelfallentscheidung. Es müssen viele Faktoren beachtet werden, damit sie erfolg-reich verlaufen kann«, so Friedrich. HeartMate II ersetzt das Herz nicht, aber es hilft dem schwachen Herzen, sauerstoffrei-ches Blut in den Körper zu pumpen. »Dank der gesteigerten Blutzirkulation können Pati-enten alltägliche Aktivitäten wieder aufneh-men und ihre Leistungsfähigkeit erheblich verbessern«, konstatiert Dr. Friedrich. Mit-tels Rotation eines einzigen Antriebselements, einer Turbine gleich, pumpt das System bis zu 10 Liter Blut pro Minute – je nach kör-perlicher Anstrengung. Dies entspricht fast der Leistung eines gesunden Herzens. Eine Besonderheit: Das Blut fließt gleichmäßig durch die Gefäße und pulsiert nicht wie bei Gesunden – daher ist bei Patienten mit HeartMate II kein Puls fühlbar.

Als 1996 in der Leucorea in Lutherstadt Wit-tenberg die erste Sommeruniversität »Pfle-gewissenschaft und Medizin – Synergie und Kooperation in Wissenschaft und Praxis« stattfand, war die weitere Entwicklung des berufsbasierenden und berufsintegrierenden Studiengangs »Pflegewissenschaft«, der zum Wintersemester 1996/97 mit 31 Studieren-den startete, noch nicht im Detail abzusehen, aber der Grundstein war gelegt und das Ziel definiert: ein neues, tatkräftiges Potenzial zu schaffen, Pflege wissenschaftlich zu begrün-den und sie so aus dem Heil- und Hilfsbe-ruf in eine eigenständige Profession umzu-wandeln.Von Beginn an verstanden sich die Studie-renden »als VermittlerInnen zwischen der

›trockenen‹ Theorie und der ›lebendigen‹ Praxis, ganz im Sinne des Theorie-Praxis-Transfers«, so Marianne Waldmann, eine der ersten AbsolventInnen, die auch an der aus-führlichen Darstellung dieses angesichts der Gesellschaftsprognose immer wichtiger wer-denden Studienganges und seiner Perspekti-ven, die für die Oktober-Ausgabe der scientiahalensis geplant ist, mitwirken will.

Näheres über den Studiengang und die Jubi-läumsveranstaltung steht auf der Home -page des Instituts für Pflege- und Gesund-heitswissenschaft:www.medizin.uni-halle.de/pflegewissenschaft/E-Mail: [email protected]

Vor 10 Jahren nahm die erste Matrikel Pflegewissenschaft ihr Studium an der Medizinischen Fakultät der Alma mater halensis et vitebergensis auf – und wird das Jubiläum am 15. Juli 2006 ganz groß feiern.

MED

IZIN

ISCH

E FA

KU

LTÄT

36

Anzeige

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Die Entscheidung zur Transplantation fiel dem heute 52-Jährigen nicht leicht: »Als die Ärzte mir die Transplantation vorschlugen, ging es mir gut und ich konnte die Notwen-digkeit nicht erkennen.« Für Dr. Gerhard Behre, Oberarzt im LZG, verständlich: »Die Patienten merken nicht, wie der Krebs weiter wächst, bevor es dann aber zu einer dramati-schen Verschlechterung kommt.« Die Folge: Der Tod ist kaum noch aufzuhalten. Doch Lutz Knabe willigte in die Behandlung ein. Am 18. Oktober 2005 erhielt er die Stamm-zellen einer fremden Spenderin. Eine schwere Zeit mit Komplikationen, Infektionen und Nebenwirkungen brach für den KfZ-Meister an. »Ich war emotio-nal manchmal richtig am Boden.« Aber seine Familie und auch das therapeutische Team im Landeszentrum fingen ihn immer wieder auf. Kurz vor Weihnachten konnte er nach Hause entlassen werden. Seither kommt er regelmäßig zur Nachkontrolle ins Univer si-tätsklinikum. Für Lutz Knabe ist die Leidens-zeit zu Ende: »Ich lebe noch. «

Entscheidung fürs LebenEin Jahr Landeszentrum für Zell- und Gentherapie in Halle

J E N S M Ü L L E R

Es war die wohl wichtigste Entscheidung in seinem Leben: Lutz Knabe erkrankte 2002 an einem Non-Hodgkin-Lymphom (Lymphdrüsenkrebs) und muss sich seitdem einer langwieri-gen Behandlung unterziehen, die nun endlich zu glücken scheint ... 16 Chemotherapien hatte er hinter sich, sogar eine autologe Stammzelltransplantation (eigene Stammzellen), als die Ärzte feststellten: Der Krebs wächst weiter. Seine letzte Chance war die Transplantation fremder Stammzellen, die das Immunsystem stimulieren und den Kampf gegen den Krebs aufnehmen sollen. Der Bitterfelder wurde zu einem der ersten Patienten, die so im neuen Landeszentrum für Zell- und Gentherapie (LZG) des halle schen Universitätsklinikums behandelt wurden.

Zwar fühlt er sich körperlich noch schwach, doch einen Wunsch will er sich so schnell wie möglich erfüllen: Urlaub in seinem Lieb-lingsland Italien machen.Am 15. Juni 2006 feierten PatientInnen und MitarbeiterInnen den 1. Geburtstag des LZG. Lutz Knabe war – wie viele andere Patien-tIn-nen auch – mit ÄrztInnen, Pflegenden

und weiteren Mitgliedern des therapeutischen Teams dabei und nahm an der »1. LZG-Geburtstagssportakiade« teil.Das LZG – maßgeblich gefördert durch die Deutsche Krebshilfe – wurde im Mai 2005 eingeweiht. Im Juni zogen die ersten Patien-tInnen ein. Kinder und Erwachsene werden dort behandelt. Mehr als 60 allogene bezie-hungsweise autologe Stammzelltransplanta-tionen wurden bisher durchgeführt. Damit, so Dr. Behre, gehört die hallesche Einrichtung – die modernste in Europa – zu den größten in Deutschland. »Ganz besonders stolz sind wir auf die sehr geringe Sterberate.« Mitar-beiterInnen der Universitätsklinik und Poli-klinik für Kinder- und Jugendmedizin (Direk-tor Prof. Dr. Dieter Körholz) und der Univer-sitätsklinik und Poliklinik für Innere Medi-zin IV (Direktor Prof. Dr. Hans-Joachim Schmoll) arbeiten eng zusammen, unterstützt von der Universitätsklinik und Poliklinik für Strahlentherapie – um rund um die Uhr für das allen gemeinsame Ziel zu wirken: Hei-lung der ihnen anvertrauten Kranken.

Die Mayo Clinic ist eine der renommiertes-ten Kliniken weltweit. In den USA liegt sie laut einer Studie des Magazins »US News & World Report« auf dem zweiten Platz der Gesamt-Bestenliste amerikanischer Kranken-häuser. Dort wurden zum Beispiel das Corti-son entdeckt, die Herz-Lungen-Maschine und die Computertomografie entwickelt. Etliche Nobelpreise gingen an Wissenschaftler der Mayo-Klinik.»Die Jahrestagungen der deutschsprachi-gen Mayo Alumni dienen nicht nur intern der Aufrechterhaltung der Kontakte zu unse-rer Mayo Clinic und der Vertiefung der Ver-

Über hundert deutsche »Mayo’s« in Halle

Zum zehnten Mal trafen sich vom 23. bis 25. Juni 2006 deutschsprachige Absolventen (Alumni) der berühmten Mayo Clinic, Rochester (Minnesota) zu ihrer Jahrestagung. In diesem Jahr fand die Veranstaltung in Halle statt – am Universitätsklinikum der MLU.

bindungen untereinander, sondern haben in den vergangenen Jahren erheblich dazu bei-getragen den ›Spirit‹ der Mayo Clinic auch in Deutschland einer breiten Öffentlich-keit nahe zu bringen«, betonte der diesjähri-ge Tagungspräsident Prof. Dr. med. Stephan Zierz, Direktor der Neurologischen Universi-tätsklinik Halle und seit Mai zum dritten Mal Dekan der Medizinischen Fakultät der MLU. Der anerkannte Experte für Muskelerkrankun-gen erlangte seine wissenschaftliche Quali-fikation unter anderem durch eine zweijähri-ge Tätigkeit an der Mayo Clinic in Rochester

– bei einer Koryphäe der Myologie (Muskel-heilkunde), Prof. Andrew G. Engel. Im Fokus der Jahrestagung standen »Paroxys-male (in Anfällen auftretende) Ereignisse in der Medizin«. »Dieses Thema ermöglichte es wieder, möglichst viele Bereiche und Diszi-plinen der Medizin in interessanter und pra-xisrelevanter Weise darzustellen«, konstatier-te Professor Zierz. Darin spiegelte sich auch der Anspruch der Mayo Clinic auf eine ganz-heitlichen Medizin.Das wissenschaftliche Programm ist erhält-lich über: Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH, Romy Held, Tel. 03641 3533229 oder [email protected]

Herzunterstützungssytem der neuesten Generation HeartMate® II (Fotos: Medizinische Fakultät)

MED

IZIN

ISCH

E FA

KU

LTÄT

Jens Müller, Bereich Öffentlichkeitsarbeit an der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität und des halleschen Universitätsklinikums Telefon: 0345 55-71032. E-Mail: [email protected]

37

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Step by step zum eigenen EventDas Veranstaltungsmanagement im Internet

R A I K VA H R E N H O L D

Internetauftritt – unstrukturiert, Menü – irreführend, Inhalte – veraltet ... Aber damit ist nun Schluss! Denn das Aushängeschild für den Bereich Veranstaltungsmanagement der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist zuerst seine Internetpräsenz. Und die muss für die effi-ziente Organisation von Veranstaltungen optimal geeignet sein. Deshalb erstrahlt das Veranstal-tungsmanagement online seit Mai 2006 in neuem Glanz.

D A S A U N D O S I N D K O N T A K T E

Ausgangspunkt der Umstrukturierung, die Anfang März begann, waren die Fragen: Wel-chen Zweck soll der Internetauftritt haben? Wem soll er nutzen? Das breite Aufgaben-spektrum des Veranstaltungsmana gements im Blick, erhält man die Antworten:»Wir haben leider nicht die nötigen Kapa-zitäten, den einzelnen Fakultäten aktiv bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbe-reitung ihrer Veranstaltungen zu helfen. Wir sind für zentrale Universitätsveranstaltungen verantwortlich, zum Beispiel für die Lange Nacht der Wissenschaften oder den Hoch-schulinformationstag. Für andere universitäre Veranstaltungen bieten wir unsere Kontakte zu Dienstleistern der Tagungsbranche an«, so Dr. Margret Hempel, Leiterin des Veranstal-tungsmanagements.

L E I C H T E R, S C H N E L L E R, A K T U E L L E R . . .

Der neue Internetauftritt dient allen Mitarbei-tern der Universität und externen Veranstal-tern, die ihre Veranstaltung professionell auf die Beine stellen wollen. Ziel ist es, den Nut-zer Schritt für Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen Veranstaltung zu begleiten. Unter dem Menüpunkt »Veranstaltungsleitfa-den« findet man sämtliche Veranstaltungsstät-

ten, Restaurants, Unterkünfte, Sponsoren und Dienstleister, die in der Datenbank des Veran-staltungsmanagements eingetragen sind. Per Mausklick lassen sich so bei Bedarf unkomp-liziert Kontakte herstellen. Ergebnis langjäh-riger Erfahrungen sind Checklisten und For-mulare. Ein klar hierarchisch geführtes Menü

VERA

NST

ALTU

NG

SMAN

AGEM

ENT

erleichtert die Navigation. Vieles ist einfacher geworden: Benutzerfreundlichkeit hatte bei der Neugestaltung Priorität. Veranstaltungs-material kann jetzt direkt online bestellt wer-den.Zeitsparend liefert die Downloadseite alle Dokumente übersichtlich angeordnet auf einen Blick. Ein hoher Informationswert, Aktualität und Nutzerfreundlichkeit prägen den neuen Internetauftritt des Veranstaltungs-managements.

Falls Sie neugierig geworden sind, schauen Sie doch mal auf die Website http://veranstm.verwaltung.uni-halle.de – dann wissen Sie bald mehr.

2007 MONAT FÜR MONAT EIN GARTENTRAUMBILD!

Endlich ist er da! Der erste Pflanzenkalender des Botanischen Gartens Halle ist erschienen und kann für 22 € zu den Öffnungszeiten des Gartens (von Anfang Mai bis Mitte Oktober Montag bis Freitag 14–18 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen 10–18 Uhr) im Pfört-nerhaus oder außerhalb dieser Zeiten in der Gartenverwaltung (Montag bis Freitag 7–16 Uhr, möglichst nach telefonischer Vereinbarung unter 0345 55-26229/71) erworben werden.Der Kalender ist 56 x 38,5 cm groß und hat 14 Blätter (Deckblatt, Informationsseite, zwölf farbige Monatsblätter) und eine stabile Rückwand.

Im Internet unter http://www2.biologie.uni-halle.de/bot/boga/aktuell/kalender2007.html kann man sich einige der Bilder ansehen und den Kalender elektronisch bestellen.

Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur bei einem Neujahrsempfang der Martin-Luther-Uni-versität, links im Vordergrund: Der Kanzler der Universität Dr. Martin Hecht im Gespräcvh mit dem Land-tagsvizepräsidenten von Sachsen-Anhalt Dr. Rüdiger Fikentscher und dem Altpräsidenten des Institutsfür Wirtschaftsforschung Halle Prof. Dr. Rüdiger Pohl (Foto: Norbert Kaltwaßer)

38

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Caroline Kort (Foto: Anja Naumann) Raik Vahrenhold (Foto: Babette Richter)

Raik Vahrenhold, Jg. 1983, studiert Informatik im 2. Semester und hat im Rahmen seines Praktikums die Internetseiten des Veranstaltungs-managements der MLU umstrukturiert, Telefon: 0345 55-21425, E-Mail: [email protected]

An der Uni fürs Leben lernen ...Ausbildungsberufe an der Martin-Luther-Universität

A N J A N A U M A N N

Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist die größte und zugleich älteste Bildungs-einrichtung im Bundesland Sachsen-Anhalt. Seit ihrer Gründung im Jahre 1502 blickt die Uni-versität auf eine lange Tradition in der Lehre und Forschung zurück.Doch die MLU steht nicht allein für Lehre und Forschung, sondern seit mehr als einem halben Jahrhundert auch für vielfältige Varianten der Berufsausbildung.Bereits 1949 bildete die Universität Lehrlinge für verschiedene Berufe aus. So konnte man im Physikalischen Institut den Beruf des Feinmechanikers erlernen. Bald folgten immer mehr Ein-richtungen der Universität diesem Beispiel und boten Ausbildungsberufe an. Seit 1975 erhöhte sich die Anzahl der Ausbildungsplätze. Es kamen neue Berufe, zum Bei-spiel Glasbläser und Laborant, hinzu. Gegenwärtig erlernen 274 Auszubildende 26 verschiede-ne Berufe an der halleschen Universität.

N E U E R A U S B I L D U N G S B E R U F :VE R A N S T A L T U N G S K A U F F R A U / M A N N

Ab September 2006 bietet die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit/Veranstaltungsmanage-ment erstmals die Möglichkeit einer Ausbil-dung für den Beruf Veranstaltungskauffrau/mann an. Die zukünftigen Auszubildenden sollen das von Dr. Margret Hempel geleite-te Veranstaltungsmanagement-Team aktiv bei der Planung, Durchführung und Nachberei-ung von Großveranstaltungen unterstützen. So werden die Azubis während der dreijäh-rigen Ausbildung u. a. an der Organisation der Feierlichen Immatrikulation, des Hoch-schulinformationstages und der Langen Nacht der Wissenschaften beteiligt sein.

M E H R E R E E T A P P E N B I S Z U M Z I E L

Das Interesse auf die ausgeschriebene Ausbil-dungsstelle war groß: 105 junge Leute bewar-ben sich, 82 Frauen und 23 Männer. Nach einer ersten Auswertung der Unterlagen wur-den am 21. März 39 Kandidaten zum Eig-nungstest eingeladen. Zunächst war das Wis-sen der 30 Frauen und 9 Männer in ganz unterschiedlichen Bereichen – Mathematik, Deutsch, Englisch und All ge meinwissen – gefragt. Um sie aber auch hinsichtlich ihrer Voraussetzungen für den gewünschten Beruf zu testen, wurden ihnen berufsspezifische Aufgaben gestellt. Unter anderem sollten sie beschreiben, wie sie die Abschlussfeier ihrer Klasse organisieren würden.

7 Frauen und 5 Männer erreichten die erfor -derliche Mindestpunktzahl und wurden am 10. bzw. 11. April zum Vorstellungsgespräch eingeladen, bei dem sie einer Kommissi-on – die aus der zukünftigen Ausbilderin Dr. Margret Hempel, der Personalsachbearbeite-rin für Auszubildende Erika Schönfelder, der stellvertretenden Vorsitzenden des Per-sonalrats Ulrike Pie trowsky, der Gleich-stellungsbeauftragten Sabine Eiser und einem Mitglied der Jugend- und Auszubildenden-vertretung (alternierend Christin Hauer und Jessica Bohm) bestand – Rede und Antwort stehen mussten.4 Frauen und 1 Mann erreichten die End-runde und wurden für ein fünftägiges Prak-tikum in die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit/Veranstaltungsmanagement eingeladen. Dort konnte sich Dr. Margret Hempel persönlich von den Fähigkeiten der Kandidaten überzeu-gen. Die Wahl fiel nicht leicht.

D I E E N T S C H E I D U N G I S T G E F A L L E N

Nun steht es fest: Caroline Kort und Raik Vahrenhold werden ab September die neuen Auszubildenden des Veranstaltungsmanage-ments an der MLU sein. Die 19-jährige Caroline Kort sammelte be reits bei einem Praktikum in einer Event-agentur erste Erfahrungen im Organisieren von Veranstaltungen. Die Abiturientin aus Halle überzeugte während ihres Kurzprakti-kums mit ihrer Kontaktfreudigkeit sowie schnellen Auffassungsgabe.Der zweite Auszubildende ist Raik Vahren-hold. Nach seinem Abitur studierte der Hal-lenser 2. Semester Informatik an der Martin-Luther-Universität, bevor er sich dann doch für eine Ausbildung entschied. Der 22-Jäh-rige möchte vor allem mit seinen umfassen-den PC-Kenntnissen die Arbeit des Veranstal-tungsmanagements unterstützen.Die Ausbilderin der beiden künftigen Veran-staltungskaufleute Dr. Margret Hempel freut sich, ab September Caroline Kort und Raik Vahrenhold in ihrem Team begrüßen zu dürfen.

Anja Naumann, Jg. 1982, ist derzeit studentische Mitarbeiterin in der Abteilung Veranstaltungsmanagement/Öffentlichkeitsarbeit der Martin-Luther-Universität. Sie studiert Germanistische Literaturwissenschaft, Jour-nalistik und Soziologie in Halle und Leipzig. Seit Mai 2006 ist sie für die Pressearbeit des Uni-Shops zuständig. Telefon: 0345 55-21426, E-Mail: [email protected].

BERU

FSAU

SBIL

DU

NG

AND

ER M

LU

39

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Herr Olaya, die Iberoamerikanischen Kulturtage finden in diesem Jahr bereits zum fünften Mal statt. Was reizt die Gäste Ihrer Ansicht nach, die Veranstaltung erneut zu besuchen?Bisher haben sich unsere Besucher sehr wohl gefühlt. Das hat mehrere Gründe. Wir bie-ten viele verschiedene kulturelle Programm-inhalte, angefangen bei Vortragsreihen und Tanzveranstaltungen bis hin zu Kochkursen, bei denen die Teilnehmer einen Einblick in die Welt der Spezialitäten aus südamerikani-schen Ländern bekommen. Deshalb hieß das Motto der Kulturtage im vergangenen Jahr auch »Iberoamerika – eine Kultur zum anfas-sen und erleben«. Zum zweiten herrscht eine sehr freundschaft-liche und gemütliche Atmosphäre. Ziel der Veranstaltung war und ist es, den hier leben-den Menschen einen Einblick in die Kultu-ren Südamerikas und der spanischen Halbin-sel zu geben. Und diese Kulturen umfassen viel mehr als die Umrisse, die in den Medien üblicherweise dargestellt werden. Wir wollen mit der Veranstaltung ein Forum schaffen, in dem man sich austauschen und kennen lernen kann. Und das nutzen die Gäste auch.

Sie sprechen mit der Veranstaltung demnach nicht nur Studierende an?Nein, keineswegs. Unter den Mitgliedern von sociedad iberoamericana, also der Ibero-amerikanischen Kulturinitiative, befinden

sich zwar hauptsächlich Studierende, ange-sprochen sind jedoch alle Menschen, die an einem Kulturaustausch interessiert sind.

2004 verzeichneten vor allem die Iberoamerikanischen Filmtage, die bereits zwei Wochen vor den eigentlichen Kulturtagen stattfanden, besonders großen Zulauf. Wird es auch in diesem Jahr ein vergleichbares Programm geben?Ja und Nein. Auch 2004 handelte es sich eigentlich um ein und die selbe Veranstaltung, doch haben sich damals vier Kinos beteiligt, die Filme nach unseren Vorschlägen heraus-gesucht und gezeigt haben. Unser Problem ist jedoch der enorme zeitliche Aufwand. Wie gesagt, studieren sehr viele von uns. Da müs-sen wir Prioritäten setzen, auch bei der Ver-anstaltungsplanung. Natürlich wird es auch in diesem Jahr spezielle Filmvorführungen geben, aber sicherlich nicht in einer derar-tigen Größenordnung. Was wir in welchem Kino spielen werden, entscheidet sich auch erst in den kommenden Wochen, wenn wir unsere Kontakte re-aktiviert haben

Nun handelt es sich eher um Programmkino. Warum verzichten Sie bewusst auf Filme, wie sie in kommerziell ausgerichteten Filmbuden gezeigt werden?Weil das Muster dieser Filme immer das Gleiche ist. Die Realität in den iberoameri-kanischen Ländern beinhaltet viel mehr als Gewalt durch die Mafia, Drogen und Elend.

In den meisten Medien wird suggeriert, dass diese Faktoren wohl das Leben aller Einwoh-ner dieser Länder bestimmen. Der Eindruck ist schlechtweg falsch. Da lohnt es sich eher auf die Filme und Regisseure zurückzugrei-fen, die das Leben ungeschminkt und ohne Effekte zeigen. Eben authentische Filme.

Zum Beispiel?Machuca, mein Freund. Ein Film von Regis-seur Andrés Wood. Er beschreibt die gesell-schaftliche Lage in Santiago de Chile zum Putsch von 1973, insbesondere die Situati-on, so wie sie die Kinder der Stadt miterle-ben. Der Film stieß auf große Begeis terung. Genau wie der Film mit dem Titel »City of God«, eine Gemeinschaftsproduktion zwi-schen Brasilien und Frankreich, indem es um das Leben in den ärmeren Vierteln Rio de Janeiros geht.

Wie kam es überhaupt dazu, diese Großveranstaltungen zu organisieren?Wir richten seit sieben Jahren einmal pro Woche einen Stammtisch aus, der spanisch sprechende Studierende und Nicht-Studieren-de zusammen bringen soll. Dort entstan den die ersten Ideen für eine studentische Initiati-ve, die sich konkret mit der Vermitt lung zwi-schen den Kulturen beschäftigen sollte. Aus dieser Initiative heraus organisieren wir unse-re Veranstaltungen und Kooperationen. Die Iberoamerikanischen Kulturtage sind ja nicht unser einziges Event. Durch unsere Koo-peration mit der Begegnungsstätte »Frohe Zukunft« unterstützen wir auch die Planun-gen der Afrikawoche, die es schon seit 16 Jahren gibt und der »Interkulturellen Woche« die ebenfalls jährlich und zudem deutschland-weit ausgetragen wird. Weiterhin planen wir im Rahmen unserer eigenen Arbeit Vortrags-reihen, Radtouren und suchen Kontakte zu interessanten Persönlichkeiten.

Die Ihre Arbeit finanziell unterstützen sollen?Nicht nur finanziell. Beispielsweise konn-ten wir Kontakte zu einigen Botschaften ibe-roamerikanischer Länder, südamerikanischen Malern und Schriftstellern knüpfen, die uns Materialien für Ausstellungen zur Verfügung stellen, weitere Kontakte verschaffen oder unsere Veranstaltungen besuchen, um den Menschen hier etwas über ihre Lebenswei-se zu erzählen. Zum Beispiel hatten wir im Jahr 2002 den Besuch des kolumbianischen Konsuls aus Berlin und im vergangenen Jahr luden wir drei sehr bekannte kolumbianische Schriftsteller ein. Leider verliefen die Planun-gen für die Veranstaltung im Leeren, weil zu der einzig möglichen Zeit einer Austragung noch Semesterferien waren.

Das Gespräch führte Paolo Schubert.

Aus dem etwas anderen BlickwinkelPlanungen für diesjährige

Iberoamerikanischen Kulturtage gestartet

Längst gehören die Iberoamerikanischen Kulturtage zur städtischen Tradition. Tanzabende, Filmvorführungen und Kunstausstellungen lockten in den vergangenen Jahren nicht nur Einhei-mische, sondern auch viele ausländische Besucher. Nun soll es im September 2006 eine Fort-setzung der multikulturelle Veranstaltung geben. Die Organisatoren von sociedad iberoame-ricana haben mit den Planungen bereits begonnen. scientia halensis traf Carlos Olaya, Grün-dungsmitglied und Vorsitzender der studentischen Initiative (siehe unten, Foto: Paolo Schubert) zu einem Gespräch über Ursprung und Hintergründe.

„MU

LTIK

ULT

I“FÜ

R ST

UD

ISU

ND

AND

ERE

LEU

TE

40

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Bereits seit zwei Jahren ist die Sendung von Studierenden der Medienwissenschaften on air und in der Region mit jedem Radio zu empfangen. »Aber Unimono hat sich gewandelt«, meint die 23-jährige überzeugt, die für die Öffentlichkeitsarbeit des Projektes mitverantwortlich ist. Mit einem vergrößerten Team von mittlerweile 27 Studierenden wolle man das Radiomagazin umgestalten und für die kommenden Monate fit machen.

VO M S E M I N A R I N S S T U D I O

Die Idee für dieses Sendeformat entstand in einem Hörfunkseminar im medienwissen-schaftlichen Studiums. »Wir erarbeiteten Inhalte in verschiedenen Formaten; kreati-ve Sachen, Features, Hörspiele. Natürlich haben alle Teilnehmer viel dazugelernt, aber im Endeffekt war es eine Produktion für die Schublade«, erinnert sich Rüdinger weiter. Also suchte sich die Gruppe eine Sendeplatt-form, um die Ergebnisse einem größeren Publikum zur Verfügung stellen zu können. »Mit Corax, der durch sein offenes und unab-hängiges Programm seit langem von Stu-dierenden geschätzt wird, haben wir einen

K L A P P E , D I E Z W E I T ENeue Krimifolgen werden am Standort in Halle gedreht

Bereits im April begann in Leipzig die Ver-filmung des von halleschen Studierenden geschriebenen Drehbuchs zu einer neuen Krimi-Reihe als Fortsetzung der bis 2004 gedrehten Uni-Soap »Unistadt – ein Cam-pus voller Leben«. Nun entschieden die halle-schen Projektleiter, weitere Teile im eigenen Studio am Institut für Medienwissenschaften zu produzieren.»Durch die Kooperation mit der Theaterfa-brik Sachsen und der Fernsehakademie Mit-teldeutschland (FAM) waren wir bisher nur für das Drehbuch verantwortlich. So bekamen unsere Studierenden kaum einen Einblick in die praktischen Arbeiten«, meint Manja Rothe, wissenschaftliche Mitarbeite rin des Institutes. »Jedoch sollen die Studenten auch an die Bereiche von Regie, Kamerafüh rung und Schnitt des Filmmaterials herangeführt werden.« Immerhin verfüge das Institut über die notwendige Technik.

Frischer WindRadioprojekt Unimono verzeichnet Teamzuwachs

PA O L O S C H U B E R T

Die Uhr zeigt fast sieben. Nur ein paar Minuten verbleiben den Studentinnen, die sich in dem kleinen Studioraum des freien Radiosenders Corax eingefunden haben. »Wir müssen jetzt noch einmal den Sendeablaufplan besprechen und mit dem technischen Verantwortlichen abstim-men«, erklärt Tanja Rüdinger, Medienstudentin im achten Semester. Es habe mehrere Wochen gedauert, bis die Sendeinhalte geschrieben waren und die passende Musik ausgewählt wurde.

zuverlässigen Partner gefunden.« Der Sender stelle die Technik, das Projektteam kümmere sich um den Rest.Mittlerweile publizierte die Redaktion mehr als 20 Sendungen mit verschiedenen Inhalten. »Wir haben uns bisher keinem klaren Schema unterworfen. Grob gesagt senden wir alles, was Studierende interessieren könnte, egal obes sich nun um ein regionales, ein nationa-les oder ein internationales Thema handelt. Interessant ist, was kreativ ist. Für uns zählt, dass wir die Chance haben, uns auszuprobie-ren und unseren Horizont zu erweitern.« Mitder Musik verhalte es sich ähnlich. Man sende Lieder für unterschiedliche Geschmä cker, man wolle ja verschiedene Personen gruppen ansprechen. »So kommt auch recht häufig vor, dass wir Musik spielen, die sich nicht in eine Mainstream-Kategorie einordnen lässt.«

TE A M W O R K U N D E R F A H R U N G S A U S T A U S C H

Doch neben den Inhalten zählt vor allem eins: Teamwork. Die Projektgruppe versucht, die neuen Teilnehmer umgehend in möglichst alle Arbeiten einzubeziehen. »Wer bei Uni-mono mitmachen möchte, braucht keine Vor-

kenntnisse. Uns ist es wichtig, dass wir unser Wissen weitergeben. Dazu gehören neben den praktischen Erfahrungen am Sendepult die theoretischen Grundlagen. Einige konnten eigene Fertigkeiten einbringen, die sie bereits in Praktika gesammelt haben. Das hilft natür-lich auch den Alteingesessenen weiter.«Jeder Projektteilnehmer erhält im Laufe des Jahres die Möglichkeit, als Chef vom Dienst eine vollständige Sendung selbst zu organi-sieren. Die Verantwortung solle nicht immer bei derselben Person liegen. Das schade dem Team, dessen Kreativität und vor allem der Motivation. Und gerade diese Eigenschaften seien in einem Projekt, das sich mit innova-tiven Ideen am Leben hält, schlichtweg uner-lässlich.Unterdessen ist die Sendung angelaufen. Im kleinen Nachbarzimmer verfolgen die Kom-militonen das Programm aufmerksam. »Bis jetzt läuft alles wie geplant«, meint Rüdinger. Die Routine mache sich endlich bemerkbar.

»Wir haben durch Tom May in unserem Stu-dio zwei Räume gestaltet, in denen die Auf-nahmen des Tatortes und die Szenen, die im Kommissariat spielen, gedreht werden. Außerdem haben wir ein Casting organisiert und dadurch unsere Rollen mit professionel-len Schauspielern besetzt«, erklärt Rothe wei-ter. Fast alle Besetzungen wurden neu verge-ben. Lediglich die Kommissarin Birgit Sander werde von der gleichen Schauspielerin, Grit Stephan aus Leipzig, verkörpert, die diese Rolle bereits in der ersten Folge der Krimi-Reihe inne hatte.Da eine solche Produktion teuer ist, hofft das Team auf Sponsoren. Bis zum Ende des Som-mersemesters werden nun die Szenen des Drehbuchs »Die sterbende Schwan« abge-dreht. Ob die Reihe wieder über einen Fern-sehkanal ausgestrahlt wird, entscheidet sich in den kommenden Monaten.

Das Leichendouble wird verpackt

Kurz vor dem Mord Fotos: Medien und Kommunikationswissenschaften

RAD

IO &

FER

NSE

HEN

AKTU

ELL

Das Unimono-Team (Foto: Paolo Schubert)

41

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

»Bitte 1 x gemischten Sprachsalat ...«Diesmal mit: Anredeformen im Mail-Verkehr

Sind für Mails die gleichen Höflichkeits-for-men wie für Briefe verbindlich?Die Sprachberatung der Martin-Luther-Uni-versität meint: ja. Als Student oder Studentin kann man seinen Dozenten oder seine Dozen-tin, seinen Professor oder seine Professorin nicht mit »Hi« oder »Hallo« ansprechen – das wäre ein unpassend saloppes »Anhauen«. Unter Gleichaltrigen oder vertrauten Mail-Austauschern sind solche und noch viel phantasievollere Anreden natürlich nor-mal. Gegenüber Mail-Empfängern, die man siezt, gelten aber aus gutem Grund konventi-onelle Regeln. Auch das freundlich gemein-te »Guten Tag, Frau/Herr X.«, wirkt nichtcomme il faut (wie es sich gehört). Es ist durchaus kein Zeichen von Unter-würfigkeit, wenn man schreibt »Sehr geehr-te Frau Stadträtin« oder »Sehr geehrter Herr Dr. X.«. Sind einem die Namen der Mitar-beiter einer Institution, an die man sich wen-det, nicht bekannt, lautet die übliche Anrede »Sehr geehrte Damen und Herren«. Zur kor-rekten offiziellen Anrede findet man sowohl im Duden, Band 9 (2001), als auch im Wah-rig, »Fehlerfreies und gutes Deutsch« (2003), ein breites Hilfsangebot. Dort sind auch abschließende Grußformeln und ihre Schreib-weise aufgelistet.

Das hohe und hilfreiche Tempo der techni-schen Kommunikationsmöglichkeiten darf nicht auf Kosten der sozialen Umgangs-formen gehen. Das Kunstwort Netiquette(gebildet aus englisch net und französisch eti-quette – s. auch Universitätszeitung, Dezem-ber 2003, S. 2) steht für diesen Grundsatz. Allgemein sollte gelten: So kurz wie möglich und so ausführlich wie nötig. Schließlich verlangt der Respekt vor den AdressatInnen, den Text vor dem Senden ver-antwortungsvoll auf Unstimmigkeiten und Fehler zu kontrollieren. Das Anrede pronomen »Sie« und das entsprechende Possessivprono-men »Ihr« – mit allen dazu gehörenden flek-tierten Formen – werden selbstverständlich weiterhin großgeschrieben.

Wenn Sie ebenfalls Sprach-Fragen haben, wenden Sie sich an den Service der Sprachberatung am Germanistischen Ins-titut des Fachbereichs Sprach- und Literaturwissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg:Telefon: 0345 55-23605/20Mo 10–12, Di 12–14 , Mi + Do 13.30–15.30 UhrFax: 0345 55-27107 E-Mail: [email protected]

»... und ein Literatürchen!«Bastian Sick: »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod ...«

Amüsante deutsche Grammatik im Doppel-pack: Auch die Fortsetzung von Bastians Sicks Bestseller Jahrgang 2004 (»... Ein Weg-weiser durch den Irrgarten der deutschen Sprache«) ist unterhaltsam und lehrreich zu gleich. Schon beim erstenmal hatte der Spiegel-Onli-ne-Kolumnist Bastian Sick ein kleines Wun-der vollbracht. Ein Werk über die deutsche Sprache mit dem Germanistenhaar sträuben-den Titel »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod« wurde zum Bestseller! Dies war vorher fast unvorstellbar. Aber trockene Grammatik und kurzweilige Unterhaltung schließen ein-ander nicht aus. Sicks Anekdoten – ob es dieNutella oder das Nutella heißt, ob man Pizzasoder Pizzen sagt, ob gewunken oder gewinktwerden muss – haben über eine Million Men-schen neu(-sprach-)gierig verschlungen. Der Autor bewies damit, dass nicht nur Bücher diverser Popsternchen mit ihren ge sammelten Affären den Sprung in die Sach-buch-Hitparade schaffen. Unversehens inter-essieren sich Menschen für Interpunktion und

korrekte Pluralformen. Die deutsche Spra-che liegt wohl mehr Menschen am Herzen als angenommen – und so stürzten sie sich 2005 wie erwartet auf den zweiten Band, um »... Neues aus dem Irrgarten der deutschen Spra-che« zu erfahren ...Wieder nähert sich der Autor, mit frappie-render Leichtigkeit, sprachlichen Hinterhal-ten, indem er etwa fragt, »ob man an die Tür klopft oder an der Tür«, »ob sich der Herr zum Herrn oder zum Herren beugt« und »warum der Rhein männlich und die Elbe weiblich ist«.Die Tücken der deutschen Sprache ließen schon viele verzweifeln. Bei Sick finden Verwirrte auf witzige Weise Hilfe und Rat – nicht in einem klassischen Nachschlage-werk (das wäre der Duden), sondern in kur-zen Geschichten, gewürzt mit einer kräfti-gen Prise Humor. Allein Kapiteltitel wie »Das gefühlte Komma«, »Der traurige Konjunktiv« oder »Kasus Verschwin dibus« lassen ahnen, dass Sick kein oberlehrerhafter Sprachverbes-serer ist.

Wer also nicht länger den Fallstricken alter (oder neuer) deutscher Sprachgewohnheiten ihr Opfer sein will, lese mit Gewinn beide Bände – erschienen bei Kiepenheuer und Witsch in Köln 2004 & 2005.

Henrico Hummel

KURZ & (RECHTS-)BÜNDIG)

»R U N D E S C H R O N I K D E R S T A D T H A L L E

1750–1835 . . . ... herausgegeben vom Thüringisch-Sächsischen

Geschichtsverein, bearbeitet von Bernhardt Weißenborn, Halle-Saale Gebauer-Schwetschkesche Druckerei u. Verlag A. G. 1933«, vermeldete für das Jahr 1806:

»Ao: 1806 den 26. April bei der 300jährigen Stiftungsfeier der Universität Frankfurth [an der Oder

– die Red.] ertheilte die dasige Theologische Facultät den hiesigen Herrn Professores Wagnitz und Stande die

theologische Doctor-Würde.Den 3. August wurde der erste accademische Gottesdienst

von Herrn Professor Schleiermacher in der Schulkirche gehalten, welches künftig alle Sontag von 11 bis 12 Uhr geschehen soll.« (mitgeteilt von Regina Haasenbruch aus

dem Archiv der halleschen Universität)

Z U M J U B I L Ä U M : S T A D T G E S C H I C H T E

I N D E R U N I B I B L I O T H E K

Das 1200-jährige Stadtjubiläum bietet der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt willkommenen

Anlass, einen breit gefächerten Informationsbedarf in Sachen Stadthistorie mit einer Exposition aus den reichen eigenen Beständen zu bedienen: »Zeugnisse

zur hallischen Stadtgeschichte in der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt« – eröffnet am 13. Juni

und noch bis zum 14. Juli 2006 werktags täglich von 9 bis 15 Uhr (freitags bis 12 Uhr) im Ausstellungsraum,

August-Bebel-Straße 13, kostenlos zu besichtigen (Sonderführungen über Telefon: 0345 552-2017)

K U N S T W E R KE V O N U L L R I C H B E W E R S D O R F F

I N PO M M E R N G E Z E I G T

Eine 2005 aus Anlass seines 85. Geburtstags konzipierte Werkausstellung des ehemaligen Universitätszeichenle

hrers (von 1962 bis 1985) Ullrich Bewersdorff (*1920; vgl. u. a. Universitätszeitung Februar 2000, S. 6/7)

ging – nachdem sie in mehreren polnischen Städten, in der engeren und weiteren Heimat des Künstlers, gezeigt

worden war – im Mai im Mittelpommerschen Museum in Slupsk zu Ende. – Sein gesamtes grafisches Oevre

übereignete Bewersdorff der Pädagogischen Akademie Slupsk, wo es u. a. für Lehrzwecke genutzt werden soll. Auch in die geplante Gestaltung eines Museums für die

Geschichte der Stadt wird es einbezogen werden (nach Informationen von Prof. Dr. Danuta Gierczynska,

Rektorin der Pädagogischen Akademie Slupsk)

VARI

A

42

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

FACH

BER

EICH

CH

EMIE

(AB

WS

2006

/07:

MAT

HEM

ATIS

CH-

NAT

URW

ISSE

NSC

HAF

TLIC

HE

FAK

ULT

ÄT I

I)

Prof. Dr.-Ing. Michael Bartke

Universitätsprofessor (W3) für Polyme-ri-sationsreaktionstechnik am Fachbereich Chemie, Institut für Technische und Makro-molekulare Chemie und Wissenschaftlicher Leiter des Fraunhofer Pilotanlagenzent-rums für Polymersynthese und Verarbei-tung, Schkopau, seit 1. April 2006.Geboren am 8. Dezember 1972 in Bonn. Internet: www.polymer-pilotanlagen.de

1993–1996 Studium Chemietechnik an der Universität Dortmund1996–1998 Studium Verfahrenstechnik an der MLU, Abschluss als Diplom-Ingenieur 1998–2000 Wiss. Mitarbeiter an der TU Berlin, Institut für Technische Chemie

2002 Promotion zum Dr.-Ing. 2001–2005 Senior Researcher bei Borealis Polymers Oy, Finnland (Industrietätigkeit)2005–2006 Research Manager Process Research (Leiter Verfahrensforschung) bei Borealis Polymers Oy, Finnland (Industrietätigkeit)

2006 Universitätsprofessor in Halle

W I S S E N S C H A F T S P R E I S :1999 Studentenpreis der Dechema e. V.

A R B E I T S - U N D F O R S C H U N G S S C H W E R P U N K T E :Polymerisationsreaktionstechnik; experimentelle Mes-sung von Reaktionskinetik und Stoff- und Wärmetrans-port bei Polyreaktionen (z. B. koordinative Polymerisation/Polyolefine), reaktionstechnische Modellierung und Simula-tion von Polyreaktionen, Entwicklung und Optimierung von Polymerisationsreaktoren und Polymeri -sa tionsverfahren, Maßstabsübertragung.

PU B L I K A T I O N E N (A U S W A H L ) :• Bartke, M., Oksman, M., Mustonen, M., Denifl, P.: New Heterogenisation Technique for Single-site Polymerization Catalysts. In: Macromolecular Materials & Engineering, Vol. 290 (2005), 250–255.• Bartke, M., Wartmann, A., Reichert, K.H.: Gas-Phase Polymerization of Butadiene. Data Acquisition using Minireactor Technology and Particle Modeling, In: Journal of Applied Polymer Science, Vol. 87, (2003), 270–279.• Bartke, M., Reichert, K.H.: Calculation of Molecular Weight Distributions of Polymerization Reactions using Standard Simulation Software. In: Chem. Eng. Technol. 23, (2000), 1062–1065.

Ehrungen, Mitgliedschaften in Gremien, Berufungen, Jubiläen

PERSONALIA 2/06

M I N I S T E R B E R U F T

H A L L E S C H E N W I R T S C H A F T S EX P E R T E N

Der Bundesminister der Verteidigung hat Prof. Dr. Man-fred Becker, Dekan der Wirtschafts wissenschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität, als persönli-ches Mitglied in den 12. Beirat für Fragen der Inne-ren Führung berufen. Die Legislaturperiode dauert vier Jahre. Aufgabe des Beirates ist es, den Bundesminis-ter in Fragen der Inneren Führung unmittelbar zu bera-ten. Schwerpunkte der Arbeit sind Führung im Transfor-mationsprozess, Internationalisierung der Bundeswehr, Wehrpflicht, ethische Aspekte und Fürsorge der Angehö-rigen der Bundeswehr. Herrn Professor Becker wurde die Leitung der Arbeitsgruppe »Führung in der Bundeswehr« übertragen. Die Tätigkeit wird als Ehrenamt ausgeführt.

Prof. Dr. Manfred Becker, Telefon: 0345 55-23300/1/2E-Mail: [email protected]

H A L L E S C H E R W I S S E N S C H A F T L E R

I N F Ü H R U N G S G R E M I U M G E W Ä H L T

Der Rechtshistoriker Prof. Dr. Heiner Lück wurde am 28. März 2006 in Hofgeismar in den dreiköpfigen Vor-stand der Vereinigung für Verfassungsgeschichte gewählt. Vorsitzender der Vereinigung ist Prof. Dr. Helmut Neu-haus (Geschichte der frühen Neuzeit, Erlangen); den Vor-stand komplettiert Prof. Dr. Christoph Gusy (Öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte, Bielefeld). Für die MLU bedeutet die Berufung, dass sie im Führungsgremium einer bundesweiten Gelehrtenvereinigung auf dem Gebiet der Verfassungsgeschichte vertreten ist und somit aktuelle Entwicklungen des Faches mitgestalten kann.

Prof. Dr. Heiner Lück, Telefon 0345 55-23200E-Mail: heiner.lü[email protected]

VO N A R G E N T I N I E N

N A C H S A C H S E N -A N H A L T U N D Z U R Ü C K

Seit Oktober 2002 verstärkt der aus dem argentini-schen La Plata stammende Juan Antonio Ennis als wis-senschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand von Prof. Dr. Ralph Ludwig das Institut für Romanistik der halleschen Universität. Seine Dissertation »Decir la lengua. Debates ideólogico-lingüisticos en Argentina 1837–2005« über das Spanisch am Rio de la Plata ist nunmehr fertigges-tellt, so dass Herr Ennis zum Wintersemester 2006/07 in seine südamerikanische Heimat zurückkehrt. Ein wesent-licher Bestandteil seiner Dissertation sind Häftlingsin-terviews, die er in einer Strafanstalt von La Plata führte. Nach der Rückkehr wird er an der Universidad Nacional de la Patagonia Austral in Rio Gallegos, einer aufstreben-

den Stadt an der an Feuerland angrenzenden Magellan-straße, eine Lehrtätigkeit in der spanischen Literaturwis-senschaft übernehmen.

Prof. Dr. Ralph Ludwig, Telefon: 0345 55-23542E- Mail: [email protected]

H A L L E S C H E R VE R F A H R E N S T E C H N I K E R

C H E F D E S FA C H A U S S C H U S S E S K R I S T A L L I S A T I O N

Prof. Dr. Joachim Ulrich, Fachbereich Ingenieurwissen-schaften der MLU, Institut für Ver fahrenstechnik/TVT, ist zum April 2006 zum Vorsitzenden des GVC/VDI Fachaus-schusses Kristallisation gewählt worden (GVC = Gesell-schaft Verfahrenstechnik und Chemie inge nieurwesen; VDI = Verein Deutscher Ingenieure) Das Gremium tagt ein-mal im Jahr. Es ist eine 2-tägige Vortragstagung mit Geschäftssitzung zu dem etwa 60 Experten (aus der Industrie und Hochschulen) aus Deutschland und angren-zenden Ländern eingeladen werden. Der Kreis der berufe-nen Mitglieder kümmert sich um die Belange Forschung und Tagungen zu dem Bereich der Technischen Kristal-lisation.

Prof. Dr. Joachim Ulrich, Telefon: 0345 55-28400E-Mail: [email protected]

A U S L Ä N D I S C H E G A S T W I S S E N S C H A F T L E R

A M L E H R S T U H L F Ü R VE R F A H R E N S T E C H N I K

Am Institut Verfahrenstechnik, FB Ingenieurwissen-schaften der MLU, sind im Sommer semester 2006 wieder zahlreiche Wissenschaftler und Studenten aus dem Aus-land zu Gast.Prof. Dr. Waid Omar, Stipendiat der DFG (Deutsche For-schungsgemeinschaft), von der Tafila Applied Universi-ty aus Jordanien forscht für drei Monate (15.05.–28.07., Stipendium der DFG) zum Thema Meerwasserentsalzung mit Schwerpunkt Verhinderung von kristallinen Krus-ten in Halle.Prof. Dr. Kwang-Joo Kim von der Hanbat National Uni-versität in Daejeon, Südkorea, kommt für einen Monat (25.06.–24.07., Stipendium des DAAD) als Gastprofes-sor an die MLU. Herr Kim wurde mehrfach ausgezeichnet und ist der führende Forscher auf dem Gebiet der Techni-schen Kristallisation in Südkorea. In Halle hält er Vorträ-ge zur Schmelzkristallisation, Lösungskristallisation und trifft Absprachen zum Kooperationsvertrag mit der Hanbat Universität sowie zum Doktoranden-Austausch.Aniko Szepes von der Universität Szeged kommt zum dritten Mal nach Halle. Sie forscht im Rahmen ihrer Pro-motion drei Monate (01.06.–31.08., Stipendium des DAAD) am Institut für Verfahrenstechnik. Die ungarische Preisträgerin schließt in Kürze ihre Dissertation ab. Von Mitte Mai bis Ende August betreuen die halleschen Ver-fahrenstechniker fünf Gaststudenten (weiter S. 46) Benjamin Unterreimer, Cara Baergen, Trishna Saigal,

PERS

ON

ALIA

43

hochschule Harz, erkundigen. Ferner bietet der Info-Stand »Wissenstransfer im regiona-len Netzwerk« Informationen über kostenlo-se Praktika, Diplomarbeiten, Nebenjobs und Möglichkeiten zum Berufs einstieg an.

I N F O R M A T I O N E N Z U M PR O G R A M M

Das Veranstaltungsprogramm sämtlicher teil-nehmender Einrichtungen zur 5. Langen Nacht der Wissenschaften steht im Internet unter http://www.wissenschaftsnacht-halle.de. Seit dem 19. Juni 2006 gibt es ein Programm-heft inkl. Stadtplan der Veranstaltungsorte und Bus-Shuttle-Linien mit Fahrzeiten.

Wei te re Auskünf te :Dr. Margret Hempel Telefon: 0345 55-21426E-Mail: [email protected]

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Mord zur WissenschaftsnachtEine faszinierende Abendtour durch die

Forschungslandschaft Sachsen-Anhalts

Vor 150 Jahren ereignete sich bei Halle ein für die deutsche Strafrechtsgeschichte spektakulärer Mord. Der Fall aus dem Jahre 1858 wird von Juristen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) eindrucksvoll nachgestellt. Als Angeklagter steht der Schauspieler Hilmar Eichhorn vom »neuen Theater« Halle vor einem fiktiven Gericht im Auditorium Maximum am Universitätsplatz.Der gespielte Prozess ist eine von vielen attraktiven Veranstaltungen zur Langen Nacht der Wissenschaften am 14. Juli 2006. Das Besondere im Jahr des 1 200-jährigen Jubiläums der Stadt Halle: Die 5. Lange Nacht ist zugleich die Auftaktveranstaltung zum 10. Sachsen-Anhalt-Tag, und das Programm angebot ist darum in diesem Jahr umfangreicher und vielfältiger als je zuvor. Über 70 Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Institutionen und Unternehmen des gan-zen Bundeslandes sind mit spannenden Experimenten, Vorträgen, Führungen, Diskussionen, Präsentationen und Vorführungen vertreten. Unter dem Motto »Wissenschaft zum Anfassen« können sich Besucher und Besucherinnen wie gewohnt von 19 bis 2 Uhr in Instituten, Labors, Kliniken, Bibliotheken der Universität und anderer Einrichtungen umsehen und Wissenschaft ohne »Fachchinesisch« direkt erleben oder sich an zahlreichen Ständen in zwangsloser Atmosphäre informieren. Und all das sogar bei freiem Eintritt!

VO M WE I N B E R G Z U M U N I V E R S I T Ä T S P L A T Z

Weil die Programme an verschiedenen Orten in Halle stattfinden, lädt der Veranstalter zu einer Abendtour durch die »Forschungsland-schaft Sachsen-Anhalts« mit einem kosten-losen Bus-Shuttle ein. Ein Service, den unter anderem der Hauptsponsor – die Stadtwerke Halle GmbH – möglich macht. Viele der kulturellen und kulinarischen Höhe-punkte der Langen Nacht finden am und um den Universitätsplatz statt, der mit dem Bus-Shuttle 1 zu erreichen ist. Wo das Herz der Uni schlägt, spielen von 19 bis 21 Uhr die UNI-BIGBAND Halle und das Akademische Orchester. Ebenfalls live ist dort die Band ELF feat.M.Jones von 23 bis 2 Uhr zu erle-ben. Bereits ab 17 Uhr sorgen bewährte Gas-tronomen und das Studentenwerk auch für das leibliche Wohl. Für überwiegend naturwissenschaftlich inte-ressierte Gäste wählen sicher die Route des Bus-Shuttle 2. Sie führt von den Einrich-

tungen der Universitätskliniken zum Wein-berg und zum Von-Seckendorff-Platz, wo ab 19 bis 1 Uhr das TRIO NEBST (Swing und Folk) aufspielt und die Institute des Campus mit lehr- und erlebnisreichen Veranstaltun-gen locken.

F O R U M Z U R B E R U F L I C H E N O R I E N T I E R U N G

Prof. Dr. Volker ter Meulen, Präsident der Leopoldina, meint: »Für junge Leute ist die 5. Lange Nacht eine einmalige Gelegenheit, sich beruflich zu orientieren und umfassend über den Hochschulbetrieb und Studienmöglich-keiten zu informieren.« Deshalb findet im Löwengebäude am Uni-versitätsplatz 11 ab 19 Uhr eine Nachtsprech-stunde der Allgemeinen Studienberatung statt. Außerdem können sich Abiturienten am Uni-platz nach Studienangeboten anderer Hoch-schulen des Landes, etwa der Otto-von-Gue-ricke-Universität Magdeburg oder der Fach-

LAN

GE

NAC

HT

DER

WIS

SEN

SCH

AFTE

N 2

006

2006 ZUM SECHSTEN MAL: KANTOROWITSCH-FORSCHUNGSPREIS

Der diesjährige Kantorowitsch-Forschungspreis – seit 2001 jährlich für hervorragende Dissertationen und Diplomarbeiten ausgelobt – wurde am 30. Juni 2006 vom Institut für Unterneh-mensforschung und -führung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V. (ifu) verliehen. Die Auszeichnungen, gestiftet von der Stadtwerke Halle GmbH und von der Deutschen Bank, gingen diesmal an Dr. Stefan Schneider und Dipl.-Kffr. Karoline Kampermann.

Stefan Schneider hatte das Thema: »Auslegung der International Financial Reporting Standards am Bilan-zierungsobjekt Softwareentwicklung« gewählt und dafür klassische Methoden der Auslegung von Bilan-zierungsvorschriften auf neue Fragestellungen ange-wendet.

Karoline Kampermann untersuchte in ihrer Diplomar-beit »Welthandelsrechtliche Aspekte der internatio-nalen Besteuerung aus europäischer Perspektive«; sie griff dabei brisante Fragen der direkten Besteuerung und der Steuersouveränität der Staaten auf.

Der Preis ist nach dem in St. Petersburg geborenen Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, Leonid W. Kantorowitsch, benannt, mit dem die Universität bis zu seinem Tode 1986 eine enge Zusammenarbeit verband. Neben der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg haben ihm weitere zehn Universitäten weltweit die Ehrendoktorwürde verliehen.

44

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06FA

CHB

EREI

CH B

IOCH

EMIE

/BI

OTE

CHN

OLO

GIE

(AB

WS

2006

/07:

MAT

HEM

ATIS

CH-

NAT

URW

ISSE

NSC

HAF

TLIC

HE

FAK

ULT

ÄT I

)

Prof. Dr. rer. nat. Frank BordusaUniversitätsprofessor (W3) für Naturstoff-biochemie am Institut für Biochemie des FB Biochemie/Biotechnologie seit 1. April 2006.Geboren am 16.März1969 in Markran-städt.http://www.enzyme-halle.mpg.de/Research_/Peptide_Chemistry/peptide_chemistry_index.html

1990–1995 Biochemiestudium an der Universität Leipzig1995–1997 Promotion Dr. rer. nat. in Leipzig1998–2004 Postdoktorat an der Max-Planck- Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung in Halle2004–2006 C3/W3-Professor für Organische Chemie an der Universität Tübingen

2005 Ruf auf eine C4/W3-Professur für Bioorganische Chemie an die Universität Marburg

2006 Universitätsprofessor in Halle

W I S S E N S C H A F T S P R E I S E :1999–2001 Liebig-Stipendiat des FCI2001 2001 SYNTHESIS-SYNLETT-Journals Award2004 Berufung in die Jungen Akademie der Berlin-Bran-denburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deut-schen Akademie der Naturforscher Leopoldina

A R B E I T S - U N D F O R S C H U N G S S C H W E R P U N K T E :Bioorganische Chemie, Enzymkatalyse, rationales und evo-lutives Enzymdesign, Proteasen, Peptidsynthese in Lösung und an fester Phase, Peptidligation, Proteinsemisynthe-se, selektive Proteinmodifizierung, Medium-Engineering und ionische Flüssigkeiten

PU B L I K A T I O N E N ( I N A U S W A H L ) :• Bordusa, F.: Proteases in Organic Synthesis. In: ChemicalReviews 102 (2002), 4817–4867. • Wehofsky, N., Thust, S., Burmeister, J., Klussmann, S. & Bordusa, F.: All-D-polypeptides: Novel targets for semisyn-thesis. In: Angew. Chem. Int. Ed., 42 (2003), 677– 679. • Wehofsky, N., Löser, R., Buchynskyy, A., Welzel, P. & Bordusa, F.: Synthesis of neo-peptidoglycans: An unexpec-ted activity of proteases. In: Angew. Chem. Int. Ed., 41 (2002), 2735–2738. • Bordusa, F.: Enzymatic Formation of C-N Bonds. In: Bio-organic Chemistry Highlights II: From Chemistry to Biology, (C. Schmuck, H. Wennemers, Hg.), Weinheim 2004.

LAN

DW

IRTS

CHAF

TLIC

HE

FAK

ULT

ÄT (

AB W

S 20

06/0

7:

MAT

HEM

ATIS

CH-N

ATU

RWIS

SEN

SCH

AFTL

ICH

E FA

KU

LTÄT

(II

) U

ND

LEI

BN

IZ-I

NST

ITU

TFÜ

R AG

RARE

NTW

ICK

LUN

GIN

MIT

TEL-

UN

D O

STEU

ROPA

(IA

MO

)

Prof. Dr. sc. agr. Gertrud BuchenriederUniversitätsprofessorin (W3) für Poli-tik und Institutionen des Agrarsektors an der Landwirtschaftlichen Fakultät, Insti-tut für Agrarökonomie und Agrarraumge-staltung; seit 13. Januar 2006; Mitglied des Direktoriums und Leiterin der Abtei-lung Rahmenbedingungen des Agrarsek-tors und Politikanalyse am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteu-ropa (IAMO) Halle. Geboren am 4. Januar 1964 in Waldshut-Tiengen. Internet: http://www.iamo.de

1987–1989 Fulbright-Stipendium an der Ohio State University1990–1994 Promotion an der Universität Hohenheim, Institut für Agrar- und Sozialökonomie in den Tropen und Subtropen, Stuttgart.Herbst 2000 Gastwissenschaftlerin an der Tufts University in Medford (Boston), USA, unterstützt durch die DFG1996–2002 Wiss. Assistentin (C1) an der Universität Hohenheim, Institut für Agrar- u. (s. o.)

2002 Habilitation im Fach Agrar- und Entwicklungspolitik.2002–2005 Hochschuldozentin (C2) an der Universität Hohenheim, Institut (s. o.)

2006 Mitglied des Direktoriums u. Abt.leiter am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO), Halle.

2006 Universitätsprofessorin in Halle

W I S S E N S C H A F T S P R E I S :1996 Josef G. Knoll Wissenschaftspreis der Vater und Sohn Eiselen-Stiftung, Ulm

A R B E I T S - U N D F O R S C H U N G S S C H W E R P U N K T E :Wirkungen von Agrarpolitiken auf die ländliche Entwick-lung; Interdependenzen v. strukturellem u. institutionellem Wan del u. ländl. Entwicklg.; Effekte u. Ursachen sektora-ler A r beitsmobilität; Persistenz v. Armut u. Ernährungsun-sicher heit in ländl. Räumen; Entwicklungs- u. Transforma-tionsöko.

PU B L I K A T I O N E N (A U S W A H L )• Buchenrieder, G., Kirk, M., and Knerr, B. (Eds.): Poverty impacts and policy options of non-farm rural employment, Weikersheim 2004 • Buchenrieder, G.: Sequencing of institution building in the transition process of Central and Eastern Europe’s Financial System. Habil.-Schrift. Frankfurt (Main) 2002

FB S

PRAC

H-

UN

D L

ITER

ATU

RWIS

SEN

SCH

AFTE

N

(AB

WS

2006

/07:

PH

ILO

SOPH

ISCH

E

FAK

ULT

ÄT I

I)

Prof. Dr. phil. Eva Leitzke-UngererUniversitätsprofessorin für Didaktik der romanischen Sprachen (W2) am FB Sprach- und Literaturwissenschaften seit 1. März 2006. Geboren am 22. September 1954 in Mün-chen.Internet: http://www.romanistik.uni-halle.de/Ber_Fachdidaktik.htm

1973–1981 Studium der Romanistik und Anglistik an der Universität München, Abschluss: Erstes Staatsexamen, M. A.1982–1984 Referendariat, Zweites Staatsexamen, Lehrerin an Münchner Gymnasien1984–1990 Wiss. Mitarbeiterin/Akad. Rätin an der Univ. München, zeitweise Lektorentätig - keit an der University of London

1988 Promotion zum Dr. phil. an der LMU1990–1991 Studienrätin an Gymnasium in München1991–1995 Elternzeit, zeitweise Dozentin an der LMU1995–2002 Lehrbeauftragte für Fachdidaktik und Landeskunde am Institut für Romanistik der Universität Rostock2002–2006 Vertretungsprofessuren an den Universitäten Göttingen und Halle

2003 Habilitation an der Univ. Rostock/ Venia legendi für Didaktik der romani

schen Sprachen, Literaturen und Kulturen2006 Universitätsprofessorin in Halle

-A R B E I T S - U N D F O R S C H U N G S S C H W E R P U N K T E :Regionalkulturen im Unterricht der romanischen Sprachen; Mehrsprachigkeitsdidaktik (Französisch, Spanisch, Italie-nisch u. Englisch) mit dem Schwerpunkt produktive Mehr-sprachigkeit (Sprechen u. Schreiben); Kreative und offene Formen sowie Film im Fremdsprachenunterricht

PU B L I K A T I O N E N (A U S W A H L ) :• Frankreichs Regionalkulturen im Französischunterricht, Frankfurt (Main) 2004• Spiel und interkulturelles Lernen im Französischunter-richt. In: Fremdsprachenunterricht 1/2002, 1–9 • ›Lo trobar reven‹: faire découvrir aux étudiants alle-mands en langues romanes l’art des troubadours à travers la musique occitane contemporaine. In: Castano, Rossana et al., Hg., Scène, évolution, sort de la langue et de la littéra-ture d’oc. Viella, 1021–1034, Rom 2003• Mehrsprachigkeitsdidaktische Arbeit mit dem Spielfilm L’auberge espagnole. In: PRAXIS Fremdsprachenunterricht 6/2004, 436–438, 443–445• Interlinguale Unterrichtseinheiten Englisch – Franzö-sisch – Spanisch. In: PRAXIS Fremdsprachenunterricht 5/2005, 12–22

PERS

ON

ALIA

45

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

Arjun Adhikari und Rebecca Shaw (DAAD-RISE-Stipendi-en). RISE (Research Interchips in Science and Enginee-ring) ist ein Programm, das speziell Studierende aus den USA und aus Kanada nach Deutschland bringt – und so der Tendenz entgegenwirkt, dass der Studentenaustausch zwischen Deutschland und Nordamerika eine Einbahn-straße bleibt.

Prof. Dr. Joachim Ulrich, Telefon: 0345 55-28400E-Mail: [email protected]

H A L L E S C H E R E X P E R T E B E I I N T E R N A T I O N A L E R

S O M M E R S C H U L E I N G R A N A D A

Dr. Matthew J. Jones, wissenschaftlicher Assistent am Institut für Verfahrenstechnik/TVT des FB Ingenieurwis-senschaften an der MLU, ist als Referent an die Internati-onal School Biological Crystallization eingeladen worden. Diese internationale Sommerschule fand in der Zeit von 22. bis 26. Mai 2006 im spanischen Granada statt und

ist eine Fortbildung für ausgewählte europäischen Nach-wuchswissenschaftler (120 Teilnehmer). An dieser pres-tigeträchtigen internationalen Einrichtung als Referent aufzutreten, gilt in wissenschaftlichen Kreisen als große Ehre. Die Themen seiner Vorträge lauteten: 1. Technische Kristallisation von Proteinen und 2. Molekular Model-ling des Fremdstoffeinflusses auf die Kristallform organi-scher Kristalle.

Dr. Matthew J. Jones, Telefon: 0345 55-28403 E-Mail: [email protected]

Seit 1. März 2006 verstärkt Dr. Goran Kaluderovic von der Chemie-Fakultät der Universität Belgrad (Serbi-en und Montenegro) für ein Jahr das Institut für Anorga-nische Chemie der MLU. Dem in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dirk Steinborn auf dem Gebiet der Bioanorgani-schen Chemie arbeitenden Gastwissenschaftler wurde ein Forschungsstipendium der Alexander von Humboldt-Stif-tung gewährt.

Prof. Dr. Dirk Steinborn, Telefon 0345 55-25620E-Mail: [email protected]

E I N G E B O R E N E R H O C H S C H U L L E H R E R …

…ist der Wissenschaftshistoriker Prof. Dr. Horst Remane. Anlässlich seines 65. Geburtstags wurde am 30. Mai 2006 am Fachbereich Pharmazie der MLU ein Ehrenkolloquium veranstaltet. Aus Dresden mel-dete sich sein im Amt zeitlich letzter Externdoktorand, Dr. rer. nat. Heiner Hegewald, und schrieb, es sei ihm »in ungezählten Gesprächen möglich [gewesen], an dem ful-minanten Wissen des Jubilars teilzuhaben. In seiner kla-ren, mitunter auch strengen Art war und ist er der gebo-rene Hochschullehrer. Im Namen seiner früheren und auch gegenwärtigen Doktoranden möchte ich ihm alles erdenklich Gute für die sicher weiter im Banne der Wis-senschaftsgeschichte stehende Zukunft wünschen. »Ad multos annos!«

Dr. rer. nat. Heiner Hegewald (ehem. Mitarbeiter am FB Chemie und Lebensmittelchemie der TU Dresden), Tele-fon: 0175-9131575

PROFESSORINNEN DER MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄTHALLE-WITTENBERG IM RUHESTANDzum 31. März 2006:Prof. Dr. Helmut Obst (Theologische Fakultät)Prof. Dr. Reinhard Kreckel (FB Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften)Prof. Dr. Hans-Jürgen Pandel (dto.)Prof. Dr. Henrich Dilly (FB Kunst-, Orient- u. Altertums-wissenschaften)Prof. Dr. Manfred Beetz (FB Sprach- u. Literaturwissen-schaften)Prof. Dr. Gerhard Hübner (FB Biochemie/Biotechnologie)Prof. Dr. Horst Kresse (FB Chemie)Prof. Dr. Hartmut Haubold (FB Geowissenschaften)Prof. Dr. Bernd Reimer (FB Ingenieurwissenschaften)Prof. Dr. Andreas Kleinert (FB Physik)zum 30. September 2006:Prof. Dr. Bernd Osten (Medizinische Fakultät)

PERS

ON

ALIA

/RÄT

SELF

OTO

Prof. Dr. Ulrich Schneyer (dto.)Prof. Dr. Hans-Joachim Schwier (FB Erziehungswissen-schaften)Prof. Dr. Sibylle Reinhardt (FB Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaften)Prof. Dr. Richard Saage (dto.)Prof. Dr. Wolfgang Ruf (FB Musik-, Sport- und Sprech-wissenschaft)Prof. Dr. Dieter Lempe (FB Ingenieurwissenschaften)Prof. Dr. Siegfried Otte (dto.)

JUBILÄEN 2/06Wie der Beirat der scientia halensis es beschloss, werden Dienstjubiläen, runde Geburtstage und Todesfälle – wie das in fast allen Periodika deutscher Hochschulen üblich ist – wieder auf den Personalia-Seiten des Unimagazins mitgeteilt. Da diese Rubriken jahrelang fehlten, waren viele Ereignisse unerwähnt geblieben ... Wie bei allem Neuen, wird es anfangs Probleme geben: Wir bitten vorab um Verständnis, falls der eine oder andere Name fehlt – die Redaktion ist auf Ihre Mithilfe angewiesen und für jeden Hinweis dankbar.Weil alle Universitätsangehörigen [ohne Klinikum] einbe-zogen werden sollen, stehen neben den Namen nur Kür-zel der Fachbereiche und Fakultäten (s. scientia halen-sis 1/06, S. 42) :

DIE UNIVERSITÄT UND SCIENTIA HALENSISGRATULIEREN ...... ZUM 70. GEBURTSTAG

Prof. Dr. Manfred Riedel (FBGPS) ... ZUM 65. GEBURTSTAG

Prof. Dr. Horst Remane (FBPY), Prof. Dr. Richard Saage (FBGPS), Prof. Dr. Rainer-Hartmut Haubold (FBG), Prof. Dr. Dieter Lempe (FBI), Prof. Dr. Siegfried Otte (FBI), ... ZUM 60. GEBURTSTAG

Prof. Dr. Manfred Becker (WF), Prof. Dr. Hans-Joach-im Schmoll (MF), Prof. Dr. Johannes Schubert (MF), Prof. Dr. Everhard Holtmann (FBGPS), Prof. Dr. Steffen Trim-per (FBPY) ... ZUM 50. GEBURTSTAG

Prof. Dr. Andreas Langner (FBPA), Prof. Dr. Reimund Schmidt-De Caluwe (JF), Prof. Dr. Susanne Rieker (JF), Prof. Dr. Heidi Foth (MF), Prof. Dr. Wilfried Mau (MF), Prof. Dr. Andrea Jäger (FBSL), Prof. Dr. Felix Blocher (FBKOA), Prof. Dr. Gunnar Brands (FBKOA), Prof. Dr. Manfred Hettling (FBGPS), Prof. Dr. Elmar Wahle (FBBB), Prof. Dr. Martin Goez (FBC), Prof. Dr. Carsten Tschiers-ke (FBC), Prof. Dr. Herbert Pöllmann (FBG), Prof. Dr. Tho-mas Groth (FBI), Prof. Dr. Holm Altenbach (FBI), Prof. Dr. Eberhard von Borell du Vernay (LF)... ZUM 40-JÄHRIGEN DIENSTJUBILÄUM

Prof. Dr. Winfried Burkert (MF)PD Dr. Axel Stolze (WF)

DIE UNIVERSITÄT UND SCIENTIA HALENSISTRAUERN UM ...Prof. Dr. Walther Beltz († 22. April 2006), Dr. Karl-Heinz Obloncek († 31. März 2006)

Die Abbildung in der Aprilausgabe derscientia halensis 1/06, S. 42, zeigte ein Detail des Deckengewölbes im Nordflügel der Neuen Residenz(Foto: Archiv des Neue Residenz e. V.)

Wetten , S ie wissen‘s n i ch t !

ZEIGT DAS FOTO

a) ein Mauerfragment der Westfassade der halleschen Moritzburg vor der Sanierung,b) die innere Struktur von Packeisschollen im Nordpolar-meer oderc) etwas ganz Anderes - und wenn ja, was?

Wer uns als erste(r) per Telefon, Fax, E-Mail oder (Haus-)Post die richtige Lösung übermittelt, erhält ZWEI FREIKARTEN - wahlweise für ein Konzert des Ins-tituts für Musikpädagogik/Collegium musicum oder für eine Aufführung der Sprechbühne des Instituts für Sprechwissenschaft/Phonetik.

46

S C I E N T I A H A L E N S I S 2 /06

»Wer will, kann viel, wer nichts will, gar nichts«Ausstellung zum 200. Geburtstag von Carl Hermann Conrad Burmeister

(* 15. Januar 1807 – † 2. Mai 1892)

Vereinigung der Freunde und Förderer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V.

EHRENVORSITZENDE DESKURATORIUMS:Senator e. h. Dr. h. c. mult. Hans-Dietrich Genscher, Senator e. h. Dr. Gerhard Holland

Vorsitzender des Kuratoriums: Jörg HenningPräsident: Senator e. h. Dr. Wolfgang Röller

GeschäftsführerIn: Ramona Mitsching, Dr. Heinz Bartsch, Wolfgang Grohmannc/o Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06099 Halle (Saale)Telefon: 0345 55-22912, E-Mail: [email protected]: www.vff.uni-halle.de Die Vereinigung ist berechtigt, steuerwirksame Spendenquittungen auszustellen.

Spenden erbeten an:Kontonummer: 857 362 100BLZ: 800 800 00Dresdner Bank Halle (Saale)Aktenzeichen 4146.016

Am 15. Januar 2007 jährt sich zum zweihundersten Mal der Geburtstag von Carl Hermann Conrad Burmeister, einem großen Naturwissenschaftler und Forschungsreisenden des 19. Jahrhun-derts.Er arbeitete als Geograph, Geologe, Zoologe und Botaniker, als Paläontologe und Meteorologe. Seine Hauptarbeitsgebiete waren die Entomologie und Paläozoologie.Mit viel Geschick und klaren musealen Vorstellungen baute er die hallesche zoologische Sammlung konsequent aus und verhalf ihr zu internationaler Bedeutung. Burmeister erkannte für Museen und Sammlungen eine Doppel-funktion, auf die er größten Wert legte: ��die Forschungs- und Wissenschaftsfunktion��und Lehre und Volksbildung.Die Ausstellung wird die wissenschaftlichen Pionierleistungen des ersten halleschen Ordinarius für Zoologie, sein großes Talent als Schriftsteller und Illustrator sowie sein politisches Engagement vor-stellen. Die ausgewählten Exponate der naturkundlichen Samm-lungen der Martin-Luther-Universität und des »Museo Publico« in Buenos Aires aus den Bereichen der Vogel-, Säugetier- und Insek-tenkunde, der Botanik, der Paläontologie, der Meeresbiologie und der Klimatologie, widerspiegeln die Burmeisters Universalität. Zugleich werden die Originalobjekte der Burmeister-Kollektion ein-drucksvoll die Schönheit, Vielfalt und Farbenpracht der Flora und Fauna des südamerikanischen Kontinentes vermitteln.Die Ausstellung will an einen großen Wissenschaftler und exzellen-ten Hochschullehrer der halleschen Universität erinnern und dabei den BesucherInnen die vielen Facetten seines Lebens und Wirkens näher bringen.Ein Rahmenprogramm und ein Begleitheft sollen die Ausstellung ergänzen und bereichern.Unterstützt wird das Projekt von der Vereinigung der Freunde und Förderer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e. V.

47