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Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie Hauptvorlesung Dr. med. S. Holländer Klinik für Allgemeine Chirurgie, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie ... · • reponible Vorwölbung = eindeutigstes Indiz, bedarf keiner weiteren Diagnostik • bei begleitender Hydrozele ggf. Zuhilfenahme

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Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Hauptvorlesung

Dr. med. S. Holländer

Klinik für Allgemeine Chirurgie, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Gliederung

1. Definition

2. Leistenhernie

3. Narbenhernie

4. Nabelhernie

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Definition

Hernie = Eingeweidebruch durch

präformierte (angeborene oder

erworbene) Schwächen in der

Bauchwand.

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Leistenhernie

Symptome:

• Schwellung im Bereich der Leiste

• evtl. Schmerzen

• Oftmals reponibel (im Stehen

deutlicher)

• lateral = indirekt, medial = direkt

• eingeklemmt vs. inkarzeriert

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Häufigste Hernie = Leistenhernie (80%)

- 250.000 Pat. pro Jahr in der BRD

- in 10-15% beidseitig

- alle Altersgruppen

- m:w = 9:1

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Leistenhernie

• ca. 1 Mrd. der insgesamt 7,1 Mrd. Menschen

erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Leisten-

oder Bauchwandhernie

• Lebenszeitrisiko der Frau 3%, des Mannes 27%

• Inzidenz mit dem Alter steigend

• Leistenhernie = häufigste Bruchform (zusammen

mit der Umbilical- und Narbenhernie)

• in 10-15% synchron beidseitig

• m:f = 9:1

• In Deutschland 250.000 Leistenbruchoperationen

pro Jahr (davon 11% Rezidiveingriffe, 18%

ambulant) damit häufigster Eingriff

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Allgemeines

• heute 2/3 der Leistenbruchoperationen

minimalinvasiv

• laparoskopisch transperitoneal (TAPP) = 38%

• endoskopisch total extraperitoneal (TEP) =24%

• Lichtenstein OP = ca. 25% (vor 5 Jahren noch

50%!)

• inzwischen werden 95% der Pat. mit Netz versorgt

• Shouldice = ca. 3%

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Geschichtlicher Überblick:

1. Velpeau 1830: Injektion von Jod-Tinktur zur Entzündungsinduktion

2. Mc Ewen 1886: fortlaufende Bruchsacknaht

3. Witzel 1889: Silberdrahtplatte / Elfenbein

4. Busse 1901: Gold

5. Fieschi 1931: Gummischwamm

6. Ogilvie 1940: Stoffnetz

7. Bourett 1948: Nylonfaden

8. Uscher 1959: Erstberschreibung des Mesheinsatzes mit Polypropylen

9. Rives 1965: Polyester-Netz, Erstbeschreibung der „Sublay-Technik“

10. Dayton 1985: resorbierbares Netz

11. Lichtenstein 1984: tension free repair

12. Popp 1990: intraperitoneales Onlay Mesh (IPOM)

13. LeBlanc 1993: laparoskopische Narbenhernienversorgung

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Klinik und Diagnostik:

• Inspektion, Palpation im Stehen und im Liegen, digitale Exploration des Leistenkanals

• reponible Vorwölbung = eindeutigstes Indiz, bedarf keiner weiteren Diagnostik

• bei begleitender Hydrozele ggf. Zuhilfenahme der Diaphanoskopie

• Sonographie (Sensitivität 96,6%, Spezifität 84,4%)

• In Ausnahmefällen Schnittbildgebung (MRT sowohl der Sonographie als auch der CT überlegen)

• praktikabelster Kompromiss zw. zeitl. Aufwand, diagnostischer Aussagekraft und Verfügbarkeit =

dynamische Sonographie (wenn auch nur Grad C Empfehlung)

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Therapieoptionen

• Therapie Prinzipiell OP

• tendenziell größenprogredient

• Gefahr der Inkarzeration

• bei asymptomatischen Befunden

„watchful waiting“ vertretbar

(Evidenzgrad 1B)

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Welches OP-Verfahren?

• Offen (konventionell)

• OP nach Bassini

• OP nach Shouldice

• OP nach Lichtenstein

• OP nach Desarda

• OP nach Rutkow

• OP nach Millikan

• OP nach Pelissier

• OP nach Gilbert

• ...

• insgesamt 44 unterschiedliche

Verfahren!

• Laparoskopisch (minimal invasiv)

• TAPP

(transabdominale präperitoneale Netzplastik)

• TEP (total extraperitoneale Hernioplastik)

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

OP nach Lichtenstein

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

OP nach Lichtenstein

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

OP nach Shouldice

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

OP nach Shouldice

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Rezidivraten nach offener Leistenhernien OP

Ärzteblatt Heft 27 (2009)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

TAPP

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard? Darmschlinge

gleitet in die Bruchlücke

DIE ENDOSKOPISCHE LEISTENBRUCHOPERATION

TAPP = TRANSABDOMINALE PRÄPERITONEALE NETZIMPLANTATION

Blick von innen auf die Bruchlücke

! ! ! ! ! ! ! ! !

Der Leistenbruch - Allgemeines:

Der Leistenbruch (Hernia inguinalis) ist ein Eingeweidebruch im

Bereich des Leistenkanals. In Deutschland erleiden jährlich etwa

250.000 Menschen einen Leistenbruch.

Der Leistenbruch ist mit dem Nabel- und Narbenbruch die

häufigste Bruchform (75%). In 10-15% der Fälle ist er beidseitig

zu finden.

Er tritt bei Menschen aller Altersgruppen im Verhälnis Männer:

Frauen = 9 : 1 auf.

! ! ! Schenkelhernie (unterhalb des Leistenbandes)

! ! ! mediale Leistenhernie

! ! ! ! ! ! laterale Leistenhernie

Durch angeborene oder erworbene Schwachstellen des

Bindegewebes der Bauchwand und der Bauchmuskulatur kommt

es zur Lückenbildung - so gennante Brüche. Hierdurch wird der

Bruchsack (Bauchfell) mit Inhalt (Fettgewebe und teilweise auch

Darmschlingen) gedrückt.

Operative Versorgung:

Ein Leistenbruch sollte operiert werden. Eine „Heilung“ ohne Operation

ist ausgeschlossen - im Gegenteil: es besteht die Tendenz zum

Fortschreiten des Befundes. Durch die Verlagerung von Darmschlingen

in den Bruchsack kann es zur Einschnürung (Inkarzeration) im Bereich

der Bruchlücke kommen. Dann besteht die Gefahr der

Minderdurchblutung und dies hätte ein Absterben von Darmabschnitten

zur Folge.

Grundsätzlich gibt es mehrere Möglichkeiten der operativen Versorgung

sowohl in endoskopischer „Schlüsselloch-Technik“ als auch in der offen-

chirurgischen Versorgung durch Leistenschnitt.

Eines unserer Spezialgebiete ist die sogenannte TAPP:

Hierbei erfolgt die Operation endoskopisch in Schlüsselloch-Technik

über 3 kleine Hautschnitte am Unterbauch (Nabel & beidseits davon).

Durch eine spezielle Kameraoptik kann die Leistenregion beidseitig

„von innen“ genau inspiziert werden und die Operation kann durch

endoskopische Instrumente so schonend wie möglich („minimal-

invasiv“) durchgeführt werden. Auch eine beidseitiger Leistenbruch

kann in einer einzigen Operation versorgt werden.

Nach Eröffnen des Bauchfelles wird der Bruchsack aus der Bruchlücke

schrittweise herausgezogen und Verwachsungen gelöst, so dass man

nun freie Sicht auf die Bruchlücke hat. Diese wird durch ein spezielles,

selbsthaftendes Kunststoff-Netz (Progrip-Netz) verschlossen.

Anschließend vernäht man das Bauchfell wieder. Nach der sich

anschließenden Hautnaht ist die Operation beendet.

Die Ergebnisse nach Operation sind sowohl aus medizinischer Sicht als auch im Hinblick auf die kosmetischen Resultate sehr erfreulich:

Weniger als 1% der Patienten berichten über einen erneuten Bruch der operierten Seite. Die eingebrachten Netze werden sehr gut

vertragen. Die volle körperliche Belastung ist bereits nach 3 Wochen möglich. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt die vollen Kosten

der Operation.

Für junge Patienten, die noch im Wachstum befindlich sind, eignet sich diese Operation jedoch nicht. Hier empfehlen sich andere Verfahren.

! ! Bauchfell

! ! extraperitoneale Fascie

! Transversalis Fascie

! innerer Leistenring

! !

äußerer

Leistenring

Bruchsack Gefäße, Nerven

! Samenleiter (beim Mann)

nach Eröffnung des Bauchfells

das Netz ist plaziert vernähtes Bauchfell über dem Netz

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

TAPP

• Rezidivrate 0,4-0,7 % im 5 Jahres Follow Up

• kein signifikanter Unterschied zur Rezidivrate

nach Lichtenstein OP

• geringes intra- und postoperatives

Komplikationsrisiko

• Rasche Rekonvaleszenz

Muschalla et al. (2015), Surg. Endosc.

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

TEP

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Vergleich der verschiedenen Verfahren

Jahr Autor OP n Follow up Rezidiv (%) Chronischer Schmerz (%)

1998 McGilliguddy Lichtenstein vs Shouldice 708 60 0,5 vs 2,1 1,1 vs 0,3

2000 Leibl et al. TAPP vs Shouldice 102 70 2,1 vs 4,7 0 vs 0

2001 Tschudi et al. TAPP vs Shouldice 127 60 3 vs 8,2 1,5 vs 14,8

2002 Nordin et al. Lichtenstein vs Shouldice 297 36 0,7 vs 4,7 5,6 vs 4,2

2004 Miedema et al. Lichtenstein vs Shouldice 101 85 7,7 vs 4,90 37,9 vs 7,1

2004 Köninger et al. TAPP-Lichtenstein vs

Shouldice

280 52 - 24,2 vs 37,8

2005 Arvidsson et al. TAPP vs Shouldice 1068 61 6,6 vs 6,7 -

2007 Butters et al. TAPP-Lichtenstein vs

Shouldice

280 52 1,3 vs 8,1 -

2007 Berndsen et al. TAPP vs Shouldice 1068 60 - 8,5 vs 11,4

2007 van Veen et al. Lichtenstein vs Shouldice 182 128 1,4 vs 12,5 -

2008 Pokorny et al. TEP/TAPP/Lichtenstein vs

Shouldice

272 36 3,3 vs 4,7 5,4 vs 6,3

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Vergleich der verschiedenen Verfahren

• Rezidivraten sind in der Literatur inkonsistent angegeben:

• Bsp.: Herniamed – Register (mehr als 180.000 Pat. in Deutschland registriert) = 1,3% aber:

Follow up nur bei Beschwerden demnach wahre Rezidivrate deutlich höher

• kumulative 8-Jahres-Rezidivoperationsrate in Schweden (weltweit größtes

Leistenhernienregister mit seit 1992 mehr als 240.000 Patienten) Rückgang von 6 auf 3%

• Chronischer Schmerz

• Signifikanter Rückgang chronischer minimal-invasiv operierter Pat. in den letzten Jahren

• TAPP/TEP vs offene Verfahren 2,2 vs 5,4% (p< 0,00007) (Simons et al., 2009, EHS)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Vergleich offen – laparoskopisch*

Offen LSK p

Verweildauer 1 ± 3 d 1 ± 2 d 0,332

OP Dauer 59 ± 29 min 70 ± 38 min < 0,001

Kosteneffektivität + - < 0,001

Komplikationsrate gering gering n.s.

Vollbelastung nach mind. 6

Wochen

nach 3 Wochen

pers. Schmerz 13 - 19% 4,8%** < 0,001

Rezidiv 0,1% 0,1-0,7% n.s.

Wundinfektion 3,9% 1,9% <0,001

Narkose nicht zwingend ja

*McCormack et al. (2003), n = 7161, **Birk et. al 2007, n = 220, Follow Up = 20 Monate

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Zusammenfassung • Sowohl offene als auch minimalinvasive Verfahren haben nach wie vor gleichermaßen Stellenwert sowohl

Lichtenstein als auch TAPP/TEP sind zur Reparation der primären unilateralen Hernie evidenzbasiert als

beste Verfahren empfohlen (A)

• Tendenziell kommen in den letzten Jahren vermehrt minimalinvasive Techniken zum Einsatz

• Netz Verfahren sind den Nahtverfahren überlegen (1A) alle Männer > 30a sollten mittels eines

Netzverfahrens operiert werden (A) synthetische, nicht resorbierbare Netze (A)

• Die OP nach Shouldice ist das beste Naht-Verfahren für primäre Leistenhernie (1A) wenn ein Verfahren

ohne Netz erwägt wird, sollte die OP nach Shouldice durchgeführt werden (A)

• MIC-Verfahren resultieren in geringeren postoperativen Schmerzen (1B) daher empfohlenes Verfahren

bei bereits präop. Schmerz (A) , schnellere Rekonvaleszenz (A) und damit empfohlene Prozedur aus sozio-

ökonomischer Sicht (A)

• Aus wirtschaftlicher Perspektive wird ein offenes Netzverfahren empfohlen (A)

• Die Rezidivraten nach Hernien-OP sind insgesamt rückläufig Nach offener Primärversorgung und Rezidiv

werden MIC-Verfahren empfohlen (A)

• Zurückgeführt wird dies auf den flächendeckenden leitliniengerechten Einsatz von netzbasierten Verfahren

sowie auf die mit den Registern verbundene Qualitätskontrolle mit Nachschulungen „auffälliger“ Institutionen

und Operateure

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Zusammenfassung Leistenhernien • Noch 2009 wurde in der europäischen Leitlinie die TEP als zu bevorzugendes MIC-

Verfahren empfohlen (B)

• Heute werden sowohl TAPP als auch TEP als gleichwertig in internationalen Leitlinien

angesehen (...höhere Konversionsrate bei TEP, höhere Trokarhernienrate bei TAPP)

• Bei Frauen sollte ein MIC-Verfahren bevorzugt werden (A), da nach offener OP die

Rezidivrate (femoral oder inguinal) höher ist (2C)

• Das Risiko für einen chronischen Schmerz postoperativ ist bei Nicht-Netz-Verfahren höher

(1B)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Narbenhernien

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Definition Narbenhernie

1. Narbenhernie = Bruch im Bereich einer Narbenregion der Bauchdecke

2. Ränder der Bruchpforte werden von der auseinander gewichenen

muskuloaponeurotischen Bauchdecke gebildet

3. der peritoneale Überzug der prolabierten Eingeweise stellt den Bruchsack dar

4. Narbenhernie ist abzugrenzen vom Platzbauch (kein peritonealer Überzug)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Problemstellung:

• Narbenhernien gehören zu den häufigsten Komplikationen nach bauchchirurgischen Eingriffen

• Es fehlt an prospektiv-randomisierten Studien

• kein verbindliches Hernienregister

• (zu) viele Reparationstechniken

• (zu) viele Netzprothesen

• keine Transparenz der Versorgung

• Guidelines ähnlich wie für die Versorgung der Leistenhernie fehlen

Unzureichende Evidenzlage

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Problemstellung:

• Narbenhernien geraten zunehmend ins Bewusstsein, da Trend zu (ggf.

sonographischen) Nachuntersuchungen zugenommen hat

• besseres Langzeitüberleben auch nach onkologischen Eingriffen

• demographische Entwicklung mach OP-Folgen bis ins hohe Alter beobachtbar

• in der Vergangenheit waren chirurgische Ergebnisse durchweg wenig überzeugend

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Ätiologie:

• Narbenhernien gehören noch immer zu den häufigsten postoperativen Komplikationen

• Hoer et. al. (2002): im 10-Jahres Follow up 18,7% Narbenhernienrate nach med. Laparotomie

• Andere Studien: Kumulative Inzidenz im 1-Jahres Follow-up nach medianer Laparotomie = 5-20%

• (u.a. Seiler et al. 2009)

• 30-50% Narbenhernien nach Infektionen

• Jährlich ca. 700.000 Laparotomien in der

BRD

• 140.000 Narbenhernien pro Jahr

• enorme gesundheitsökonomische

Bedeutung

• Gedankenexperiment: Inzidenz von nur

15%, OP Wunsch bei nur 30%

vorausgesetzt, 4.100 € pro Fall = 128

Mio. € Gesamtkosten

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Ätiologie:

• Kumulative Narbenhernienrezidivrate im 10-Jahres follow up = 63% (Nahtverschluss)

32% (sublay-Netzimplantation) (Burger et al. 2004)

• im 2-Jahres Follow-up Rezidivraten bis 12% bei Sublay-Repair (Conze et al. 2005)

• Narbenhernienrezidiv-Risiko ist 4-5x höher als nach dem Ersteingriff

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Ätiologie:

• Risikofaktoren:

• weibliches Geschlecht * [p = 0.009] (Song et al.) * Inkonsistenzen

• Alter > 45 / Malignom [p<0.05] (Hoer et al. 2002)

• Komorbiditäten (Diabetes, COPD) [p<0.01] (Murray et al. 2011)

• Nikotinabusus (OR=3.93) (Sørensen et al. 2005)

• Immunsuppressiva [p=0.0014] (Togo et al. 2008]

• BMI (>25 kg/qm) [p<0.01] (Murray et al. 2011)

• (intraoperative Bluttransfusion) (Yahchouchy-Chouillard et al. 2003)

• Wundinfektion [p= 0.041] (Song et al.); [p<0.01] (Murray et al. 2011)

• Ascites [p<0.0001] (Togo et al. 2008)

• Aortenaneurysma 2,9 x höheres Risiko nach Laparotomie als bei Vergleichskollektiv

(Antoniuou et al. 2011)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Ätiologie:

• 80-95% der Narbenhernien im Zeitraum von 6 Monaten bis 3 Jahre postoperativ

(Hoer et al. 2002)

• ca. 60% asymptomatisch

• die wahre Rate an Narbenhernien ist wahrscheinlich höher als bisher angenommen

• Wundinfektion als einer der bedeutensten Risikofaktoren für Narbenhernie (Itatsu

et al. 2014)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

• multifaktorieller Prozess

• generell 2 Gruppen von Faktoren, die die Pathogenese

beeinflussen

• chirurgisch-technische Faktoren:

• monofiles nicht resorbierbares oder

langzeitresorbierbares Nahtmaterial zeigt geringste

Narbenhernieninzidenz (Rucinski et al. 2001)

• fortlaufende Naht

• Verhältnis Nahtlänge zu Wundlänge = 4:1 (Hoer et

al. 2000)

Pathogenese

Dt. Ärzteblatt, Jg. 103, Heft 39, 2006

aber: Latenz bis zur Hernie, geringe Inzidenz bei Kindern und Jugendlichen, hohe Rezidivraten

nach einfacher Naht und Rezidive nach Netzimplantation

Hinweis auf weitere Faktoren die berücksichtigt werden müssen

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

• Patientenabhängige biologische Faktoren:

• mit technischen Faktoren allein kann die Pathogenese der Narbenhernie nicht erklärt werden

• direkter oder indirekter Einfluss auf die Wundheilung und somit auf die Ausbildung einer suffizienten

Laparotomienarbe

• Kollgen-Typ-I/III-Quotient (Junge et al. 2004)

• Wundinfektion bzw. postoperatives Serom (-> gesteigerte Poduktion von Zytokinen und Proteasen ->

Fibroblastendepression)

• Zu hohe Nahtspannung

• Alter > 45

• Abdominales Aortenaneurysma (gestörte Prokollagen Typ III Synthese)

• kongenitale „unphysiologische“ Komposition des Bindegewebes (OG imperfecta, cutis laxa,

kongenitale Hüftgelenksluxation, Ehlers-Dandros)

• Diabetes, Malignom, Anämie

Pathogenese

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Klassifikation

• Problem der internationalen Terminologie

„at this moment we are

comparing apples and

oranges in the different

studies“ (Andrew Kingsnorth,

2007)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Kurian et al., Hernia (2010)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Klassifikation

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Klassifikation

• Chevrel et al. (2000): M1-4 / L1-4; W1-4; R0, R1, R2...

• Schumpelick et al. (2000): Größe, klinischer Aspekt im Liegen und Stehen,

Lokalisation, Anzahl der vorangegangenen OP‘s

• Ammaturo et al. (2005): zusätzlicher Parameter zur Chevrel Klassifikation: Verhältnis

der ventralen Oberfläche der abdominalen Wand zur

Defektoberfläche (lässt Rückschluss auf Spannung zu)

• Dietz et al. (2007): Körperform, Hernienmorphologie, Risikofaktoren für

Rezidive, Empfehlungen zur chirurgischen Vorgehensweise

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Klassifikation

• Anforderungen der European Hernia Society (2008) an eine Klassifikation

• klare Unterscheidung zwischen „primary ventral hernias“ und „incisional ventral hernias“

• „non-incisional hernias = primary abdominal wall hernia = ventral hernia

• Rediziv einer primären Bauchwandhernie = Narbenhernie

• parastomale Hernien als Sonderform ausgeschlossen aus dem Klassifikationssystem

• möglichst detailliertes Parametersystem

aber: Einfaches, klares System, dessen Nutzung praxisorientiert sein muss

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Klassifikation

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Klassifikation

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Klassifikation

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Klassifikation

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Therapie

• elektiv vs. Notfall

• offen vs. laparoskopisch

• Netz vs. Naht vs. Komponentenseparation (n. Ramirez)

• onlay vs. sublay vs. IPOM

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Therapie

• Notfalleingriff als Sonderfall mit verschobenem Primärziel

• Elektiv OP bei reizloser Bauchdecke ohne Infektzeichen!

• Wenn möglich Reparaition erst 6 Monate nach Primär- OP, die zur Narbenhernie

geführt hat (Schumpelick et al. 2006)

• Keine eindeutige Defektgröße, ab der eine Narbenhernie operiert werden muss

• Zwangsläufig Größenzunahme einer Bruchpforte als „locus minoris resistentiae“

• Trotz der Häufigkeit keine Standards in der Indikationsstellung (Nieuwenhuizen et al.

2008)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Therapie

• Nahtverfahren

• früher übliche Defektversorgung

• fortlaufende Nahrt oder Einzelknopf

• Fasziendopplung nach Mayo

• aber: Redizivraten von > 50% (Schumpelick et al. (1996); Burger et al. (2004))

• daher: nur noch bei ausgewählten Indikationen (Komorbidität, Reparationen mit

Darmbeteiligung, kleine Trokarhernien)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Therapie

• Netzverfahren

• als Bauchwandverstärkung

• epifascial = onlay

• retromuskulär = sublay

• Rekonstruktion der

Bauchwand zur anatomisch

funktionellen Einheit

• Inlay entspricht an den

Nahtstellen der

konventionellen Naht (hohe

Rezidivquote)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Therapie

• Onlay: ausgedehnte epifasciale Präparation

nötig. Problematisch bei Fasciendefekten in der

Nähe knöcherner Strukturen. Rezidivraten bis

17%

• Sublay: Goldstandard der

Narbenhernienversorgung. Rezidivraten von 2-

12%

• IPOM: laparoskopische Positionierung von „innen“ an der Bauchwand. Rezidivraten

bis 17%. Kein signifikanter Unterschied in der Rezidivrate zwischen lap. IPOM und

offenem Sublay (Meta Analyse Sauerland et al. 2011, Itani et al 2010)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Therapie

• IPOM (intraperitoneales

Onlay Mesh)

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

OP nach Ramirez Therapie

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Therapie

• Sublay-Repair

Leistenhernie – sind TAPP/TEP heute Standard?

Zusammenfassung

1. Narbenhernien haben enorme gesundheitsökonomische Bedeutung

2. die Inzidenz sowie die Rezidivrate sind nach wie vor hoch

3. Es gibt noch keine Therapie-Guidelines

4. Die internationale Klassifikation hat sich noch nicht vollends durchgesetzt

5. Prospektiv-randomisierte Studien fehlen

6. Keine Evidenz für die unterschiedlichen Therapieoptionen – „tailored approach“

7. Ausblick: Hernienregister mit einheitlicher Klassifikation (Herniamed)

Allgemeine Chirurgie IV: Leistenhernie, Nabelhernie, Narbenhernie

Vielen Dank