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30 bergundsteigen 2/12 Mächtig und respekteinflößend sind die Berge, doch würdigen die Medien deren wagemutige Bezwinger seltener als erhofft. Warum ist das so? Aus welchem Holz sind Alpin-Journalisten geschnitzt? Und: Lohnt es sich diesen Traum zum Beruf zu machen. Eine Standortbestimmung. Alpinjournalismus. Was ist das? Zeitschrift Vertical, Cover #35/2012, www.vertical-magazine.com

Alpinjournalismus. Was ist das? - bergundsteigen.at · Kompressor in der Wand hängt, ... immer unter dem Diktat der „Knappheit“. Platz in Papierform oder Sendezeit ist immer

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    Mächtig und respekteinflößend sind die Berge, doch würdigen dieMedien deren wagemutige Bezwinger seltener als erhofft. Warumist das so? Aus welchem Holz sind Alpin-Journalisten geschnitzt?Und: Lohnt es sich diesen Traum zum Beruf zu machen. Eine Standortbestimmung.

    Alpinjournalismus.Was ist das?

    Zeitschrift Vertical, Cover #35/2012, www.vertical-magazine.com

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    von Klaus Haselböck

    Eigentlich war es eine Weltsensation: David Lama schaffte die-sen Jänner gemeinsam mit Peter Ortner die erste freie Begehungentlang der ebenso oft versuchten wie von Mythen umranktenKompressorroute an dieser kühnen Granitnadel namens CerroTorre. Der bekannte österreichische Kletterer setzte damit einenSchlusspunkt unter eine Diskussion, die vor 42 Jahren begonnenhatte: Damals bohrte sich Cesare Maestri mit rund 300 Bolts dieSüdostkante hinauf, um alle Zweifler seiner vermeintlich erfolg-reichen Besteigung des „unmöglichen Bergs“ aus dem Jahr 1959eines Besseren zu belehren. Und sollte trotz all der Mühen unddes massiven Materialeinsatzes dieser technischen Unterneh-mung nur das Gegenteil erreichen: Auch diese Besteigung woll-ten viele seiner Kritiker nicht anerkennen, da er es einerseits anEleganz in seiner Besteigung deutlich mangeln ließ, andererseitsden markanten Eispilz am Cerro Torre nicht bestiegen hatte. DieDiskussionen gingen weiter und die Route, an dessen Ende derKompressor in der Wand hängt, wurde zur Legende.

    Bergsteigen & mediales Interesse

    David Lama, der im Jahr zuvor ebenfalls für seine „unsaubere“erste Besteigung kritisiert worden war, hat mit der jetzigensupercleanen Begehung, bei der die Bohrhaken nur zur Siche-rung verwendet wurden, ein jahrzehntelang im Alpinismusschwelendes Problem fulminant entschärft und somit ein StückAlpingeschichte geschrieben. Jedem Kundigen muss diese Leis-tung ein respektvolles „Wow!“ entlocken. Aber – leider – inerster Lesung nur diesen. Denn ohne einem Cerro-Torre-spezifi-schen Hintergrundwissen an Alpinhistorie, grundlegendenKenntnissen an Klettertechnik und – idealerweise – auch derDiskussionen rund um David Lamas Lebensgeschichte inklusiveletztjähriger Performance in Patagonien, wird man dieseneigentlich bahnbrechenden Erfolg nur mit einem achselzucken-den „Aha“ quittieren. Deshalb wundert es auch wenig, dass die-se Meldung blitzschnell die Runde in alpinen Web-Foren, Home-pages und Fachmagazinen machte und dort auch hymnischgepriesen wurde, in Tageszeitungen, Fernsehen und anderenMassenmedien – wenn überhaupt – erst mit deutlicher Verzöge-rung Eingang fand. Warum haben es alpine News abseits vonspektakulären Unfällen und anderen Tragödien eigentlich soschwer eine prägnante mediale Aufmerksamkeit zu bekommen?Wo sind die qualifizierten Alpin-Journalisten, die so ein Themainhaltlich kompetent und platzmäßig prominent beleuchtenkönnen bzw. gibt es diese Sparte des Journalismus überhaupt? Beginnen wir bei dem scheinbaren Desinteresse der Medien: Große Tageszeitungen, Hörfunk und Fernsehen stehen praktischimmer unter dem Diktat der „Knappheit“. Platz in Papierform oderSendezeit ist immer gleichermaßen limitiert wie heiß umkämpft.Journalisten sind die „Türhüter“, indem sie entscheiden, was reinkommt und was draußen bleibt. Sie haben Tag für Tag, von Aus-gabe zu Ausgabe die Qual der Wahl: Von 100 Prozent Nachrich-ten werden – je nach Medium – gerade mal 15 Prozent (undmanchmal noch deutlich weniger) „erhört“. Vorrang haben deshalb prinzipiell – und das ist keine qualitativeBewertung – simple Nachrichten: Journalisten suchen nach Ereig-

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    v nissen, die die Leser/Zuhörer/Zuseher spontan verstehen und emo-tional berühren; gleichzeitig müssen sie in irgendeiner Form fürdas Leben der Rezipienten bedeutsam, aber auch rational nach-vollziehbar sein. Und mehr noch: Die gesuchten Nachrichten sol-len ruhig ungewöhnlich sein. Idealerweise haben sie einen sehrbekannten, - noch besser - über seine Sparte hinaus berühmtenProtagonisten und müssen vom Tun her aber „verortbar“ sein –Unbedarfte sollen die Leistung also spontan verstehen.

    Klettern

    Dieser Konkurrenzkampf, der inmitten eines Universums vonNeuigkeiten ausgetragen wird, ist knallhart und Klettern hat –erst recht in seiner extremen Ausprägung – da nicht unbedingtdie besten Karten. Da ist der Faktor „Prominenz“: Viele der oft sehr jungen Protagonisten leisten Großartiges amFels, sind einer breiten Öffentlichkeit aber wenig oder gar nichtbekannt. Noch schwieriger ist es mit der rationalen „Zuord-nung“: Wie lässt sich der VI., ganz zu schweigen vom X. oder XI.Grad einem Uneingeweihten erklären? Wie ist der leistungsmä-ßige Unterschied zwischen einer gemütlichen Tour in der Mizzi-Langer-Wand und der Begehung einer überhängenden Raufaser-tapete à la Action Directe oder Silbergeier verbal vermittelbar?Attribute wie „weniger Griffe“ und „viel schwerer“ treffen denKern der Sache nur bedingt und selbst Kletterer mittlererSchwierigkeitsgrade tun sich ja oft schon schwer nachzuvollzie-hen, was die Elite ihrer Artgenossen im Fels und an der Kletter-wand da eigentlich so treibt. Wenn ein Magazin oder eine Zei-tung David Lamas Cerro-Torre-Story brachte, dann in einementsprechenden Umfang, da der Erklärungsbedarf einfach hochist.

    Wenn nun aber an sich sehr viel mehr Hintergrundwissen ver-mittelt werden muss und die Protagonisten kaum bekannt sind,dann ist das in den Massenmedien mit ihrem Hang zu einfachenNachrichten, die direkt ins Herz gehen, wenig vorteilhaft.

    Höhenbergsteigen

    Höhenbergsteiger haben es medial schon viel besser: Eine Tourauf den Mount Everest oder den K2 wird auch vom nichtberg-steigenden Volk mit „verdammt hoch“, „brutal anstrengend“ und„saukalt“ assoziiert. In dieser Hinsicht hat einmal mehr ReinholdMessner mit seinen Büchern und Vorträgen glänzende Pionierar-beit geleistet: Die Leistung, einen Achttausender bestiegen zuhaben, wird seitdem verstanden, respektiert und spontan mit„großem, waghalsigem Abenteuer“ gleichgesetzt. Dazu kommt,dass die Symbolik vom kleinen Menschen und dem riesenhaften,achttausend Meter hohen Berg sehr eingängig ist und es derenauch nur vierzehn gibt. Das ist eine überschaubare Zahl und essind „die höchsten Berge der Welt“ – das lässt sich gleich vielbesser vermitteln.

    Schon Reinhold Messner ist nicht als Dolomiten-Kletterer zuWeltruhm gekommen, sondern als Höhenbergsteiger. Hätte eineGerlinde Kaltenbrunner nicht ihren Fokus auf die Besteigung der

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    Freizeit-Kurier, Frühstück mit Markus Bendler, März/2012, www.kurier.at

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    vierzehn Achttausender, sondern auf eine andere, selektivereSparte des Alpinismus gelegt, so würde sie – bei gleicher Leis-tung – nicht dieselbe Aufmerksamkeit, denselben Respekt unddenselben emotionalen Zuspruch bekommen. Und bei ihr kamder mediale Durchbruch erst als sich die Erfolge mehrten undsie sich die höheren, bekannteren Gipfel von Himalaya undKarakorum vornahm. Eine Österreicherin, die alle vierzehn Acht-tausender besteigt, zudem eine attraktive Frau ist und ihremfairen, aber riskanten Stil treu bleibt: Das ist der Stoff, aus demdie medialen Träume gewoben sind; das ist der Jackpot und sol-che Nachrichten füllen die Zeitungen wie von selbst. Auch beiGerlinde hat es gedauert, bis sie für die Presse zu einem Fixsternin Sachen Bergsport geworden ist. Aber jetzt ist sie angekommen.

    Promis

    Womit wir wieder beim Faktor „Prominenz“ wären: Wer hataußerdem die alpinen Plätze an der Sonne? Natürlich der „berg-steigende Übervater“ Messner, der zwar im Expeditionsalpi-nismus nicht mehr aktiv, aber durch seine überragendeBekanntheit, seine Leistungen und seine Eloquenz zu allen The-men jederzeit befragbar ist; dann kommen die Huberbuam, Gerlinde Kaltenbrunner, Hans Kammerlander, Peter Habeler, Stefan Glowacz vielleicht und David Lama als „junger Wilder“,dann wird die mediale Luft in unseren Landen schon sehr dünn. Denn – wie gesagt: Die Berge und der Alpinismus sind für dieRedaktionen nur ein (kleines) Thema unter sehr vielen. Nochdazu eines, das eigentlich keine Lobby innerhalb der großenMedienhäuser hat. Es haben sich daher kaum irgendwo Ressortsentwickelt, die das Thema Bergsteigen vollinhaltlich abdecken,sondern die Inhalte werden – je nach Anlass – den großen The-menblöcken wie „Sport“, „Chronik“, „Reise“ oder „Gesellschaft“zugeordnet. Es werden auch praktisch nie reinrassige Alpinjour-nalisten, also Spezialisten ihres Fachs, beschäftigt, sondern dieKollegen mit einer gewissen (privaten) Berg-Affinität werdenspontan herangezogen, wenn eine Story aus dem alpinenBereich im beschriebenen Sinn „ausbricht“, bzw. für berichtens-wert gehalten wird. Dieses mediale Mauerblümchen-Daseineines Themas, das doch sehr viele Menschen unmittelbarbetrifft, schmerzt: Sowohl Zeitgenossen, die nachweislich exzel-lente alpine Leistungen auf weniger bekannten Gipfeln erbrin-gen, aber dafür in der Öffentlichkeit weder gehört noch gesehenwerden, als auch die große Zahl derer, die ihre Freizeit gerne inden Bergen der Alpenrepublik verbringt. Fachmagazine füllendiese Lücke. Diese haben die Nische zum Programm gemachtund haben den Schwerpunkt dort, wo die großen Publikumsme-dien systembedingt nur Randerscheinungen sehen. In so einemUmfeld muss natürlich viel weniger erklärt werden, hier ist Platzfür Details und hier kann aus dem Vollen geschöpft werden. Unddas ist letztlich auch die angestammte Heimat von Fachjourna-listen mit dem Schwerpunkt im Alpinen.

    Der alpine Fachjournalist

    Aus welchem Holz ist diese rare Spezies nun geschnitzt? Jour-nalismus an sich ist ein freies Gewerbe, das an keine bestimmte

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    Ausbildung gebunden ist oder irgendeine Art der Überprüfungder Eignung verlangt. Jeder, der sich zu diesem Metier berufenfühlt, einen „geraden Satz“ schreiben kann, also über einenansprechenden Stil verfügt, und Abnehmer für seine Texte fin-det, darf sich Journalist nennen.

    Genauso ist ein konkreter Ausbildungsweg für alpine Fachjour-nalisten einmal mehr Fehlanzeige. Die Zugänge sind entspre-chend handgeschnitzt: Um für ein zumeist mindestens ebensoqualifiziertes Publikum recherchieren und schreiben zu können,braucht es neben dem journalistischen Handwerkszeug imWesentlichen einen langjährigen und intensiven Hang zum Alpi-nen in Theorie und Praxis.

    Ihre regelmäßige Fortbildung holen sich die Schreiber der Bergeauf den Sportmessen wie ISPO und Outdoor, auf Pressefahrten,durch intensive Kontakte mit den Cracks der Szene, bei Fachse-minaren und – einmal mehr – persönlichen Aktivitäten in denBergen. Denn das Feld, das es hier zu beackern gibt, ist groß: Esumfasst klimatisch gesehen vier Jahreszeiten mit Aktivitätsmög-lichkeiten vom Eisklettern bis zum Canyoning, topographischden gesamten Alpenraum plus internationale Außenposten undatmosphärisch eine Beobachtung der Szene von der Historie bisüber die Tischkante der Gegenwart hinaus. Erwartet und gelebtwird zudem eine hohe Affinität zu den Produkten und Trendsdes Sporthandels. Denn nur wer hier den nötigen Stallgeruchmitbringt, von dem man also weiß, dass er den Outdoor-Gedan-ken lebt, wird von der Industrie, die zu einem Gutteil aus den-selben Enthusiasten besteht, ernst genommen. Ob es nun dieKontakte zu Spitzenbergsteigern, Vertretern der alpinen Vereineoder Partner der Industrie oder des Tourismus sind: Es zählt zurEigenart der Branche, dass diese bald als eine große Familieerlebt wird. Das spontane „Du“ ist gelebte Praxis, Anzug undKrawatte sollte man bei Terminen tunlichst im Schrank hängenlassen. Es hat viel Schönheit, wie es hier „menschelt“ und stattInterviewpartnern trifft man auf den Messen und am Berghauptsächlich Freunde, denen man sich über dieselben Sehn-süchte und das gemeinsame Tun in gegenseitiger Wertschät-zung verbunden fühlt.

    Ist das Gesprächsklima allzu gut und die persönliche Identifika-tion mit dem Tun und den Produkten sehr hoch, so ist ein zen-trales Markenzeichen von gutem Journalismus in Gefahr: diekritische Distanz. Die Herausforderung vieler Special InterestMedien – von Hifi-Journalen bis eben Bergzeitschriften - istauch weniger die mangelnde Kompetenz in der Sache als derHang zur „Hofberichterstattung“. Diese allzu wohlwollende Formder Schreibe wird gespeist durch einen Überschwang der Gefüh-le, zu großer Familien-Nähe oder das eigene Harmoniebedürfnis.Ein solcher blinder Fleck, mit dem sich Fachjournalisten immerwieder auseinandersetzen müssen, kann im alpinen Segmentetwa bei der unkritischen Vorstellung von touristischen Regio-nen oder bei Produkttests, die für viele Leser allerdings oft kauf-entscheidend sind, schlagend werden. Dass die meisten Fachma-gazine von ihren Anzeigenkunden zudem wirtschaftlich abhän-gig sind und Firmen, die sich durch schlechte Testergebnissegekränkt fühlen, Gelder abziehen können, macht die Sache nichteinfacher.

    Dass der Respekt vor den Ikonen der Branche manchmal zuhoch sein kann, hat vor einigen Jahren auch der berühmt-berüchtigte „Elchtest“ bewiesen: So waren es anno dazumal

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    Zeitschrift Land der Berge, ... der Chef himself, www.landderberge.at

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    schwedische Lokaljournalisten, die die Mercedes A-Klasse beieiner Spritztour aufs Dach legten. Die schreibenden Auto-Exper-ten, die eigentlich in der Materie viel kundiger und akribischersein sollten, hatten das damals neue Modell längst mit Aus-zeichnungen bedacht und hätten wohl gar nicht gewagt, amDenkmal des prominenten deutschen Autobauers zu kratzen undso das sicher exzellente Einvernehmen zu gefährenden.Den alpinen Spezialisten fehlt manchmal aber auch die medialePower in der Öffentlichkeit: So wurde Christian Stangls ver-meintliche K2-Besteigung zwar zuerst im großen und für dieSzene sehr wichtigen Internet-Portal bergsteigen.at genannt,den eigentlichen Druck baute dann ein Mitarbeiter des WienerWochenmagazins Falter auf, indem er die Story im eigenenMedium publizierte und auch an die APA, die große heimischeNachrichtenagentur, weitergab. Erst dann wurden die Ereignisseam K2 im großen Stil von anderen Medien aufgegriffen undStangls Ruf als erfolgreicher „Skyrunner“ ruiniert.

    Ist solcher investigativer Journalismus, also die BereitschaftMissstände aufzudecken, überhaupt notwendiger Teil einer alpi-nen Berichterstattung, oder bereits „Nestbeschmutzung“? Wohier die Grenzen zu ziehen sind, muss jeder Herausgeber undChefredakteur als „Blattlinie“ eines alpinen Mediums selber ent-scheiden. Engagierter Journalismus äußert sich aber sicher nichtnur in persönlicher Kompetenz und gediegener Schreibe, son-dern auch in der Bereitschaft, den Finger auf Wunden zu legen,Defizite zu benennen und Konflikte auszukämpfen. Das mag imMoment schmerzen, mittelfristig hält es die ganze Branchelebendig und macht Magazine für die Leserschaft und damitauch für deren (Anzeigen-)Kunden in jeder Hinsicht spannenderund glaubwürdiger.

    Das Hobby zum Beruf machen

    Für viele sind Berg-Magazine nicht nur inspirierend in Bezug aufihre Freizeitgestaltung, sondern motivieren gleich die Seite zuwechseln und so das Hobby zum Beruf zu machen. Denn warumnur die Berge besteigen und die Natur genießen und nichtgleich vom Schreiben und Fotografieren leben, also selber Alpin-Journalist sein? Das kann eine komplexe Angelegenheit sein:Feste Anstellungen mit dem journalistischen Fokus im Alpinen

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    sind ausgesprochen rar und als Einstieg genauso realistisch wiedie On Sight-Begehung einer Elfer-Tour. Also beginnt man bes-ser als „freier Mitarbeiter“. Und da kommt die Konkurrenz füralle, die vom Schreiben leben wollen, aus einer unerwartetenEcke: Die Ehre eines Abdrucks des eigenen Tourenberichts samtBilder im Vereinsmagazin oder der regionalen Zeitung reichtvielen – Nicht-Träumenden – schon. Andere hoffen durch einerstes Verschenken ihrer Werke später publizistisch Fuß fassenzu können und so à la longue mitzuspielen.

    Wer es ernst meint, sollte sich in einem ersten Schritt um einegute Einschätzung des Charakters der einzelnen Titel, wo dieeigenen Erlebnisse dort publizistisch untergebracht werden sol-le, bemühen. Als Abnehmer bieten sich neben den Vereinsblät-tern Fachmagazine wie Land der Berge, Alpin, Bergsteiger, Cli-max oder Klettern an. Genauso haben überregionale Tageszei-tungen bzw. Wochen- und Monatsmagazine und auch firmenei-gene Zeitschriften einen – je nach Blattlinie – regelmäßigenBedarf an Berichten über Bergreisen, Wandertouren in denAlpen sowie bergbezogenen Themen wie Portraits, Interviewsund Berichten zu aktuellen Ereignissen. Die Frage ist nun: Welche Story passt zu welchem Medium?Land der Berge etwa hat seinen klaren Schwerpunkt in nach-vollziehbaren, Österreich-orientierten Touren. Eine internationa-le Bergreise pro Magazin ist schon drinnen, aber bei sechs regu-lären Ausgaben plus zwei Specials wird hier die Luft für die Carstenz Pyramiden, Broad Peaks und Denalis schnell dünn.Überhaupt sind solche Paradetouren zwar ein großartiges per-sönliches Erlebnis, aber für Zeitschriften, die ihre LeserInnen zurAktivität animieren wollen, meist wenig interessant. „Kaminge-schichten“ nennt der Fachjargon solche Berichte. Diese sind inhomöopathischen Dosen sehr bereichernd für das Themenspek-trum, da sie eine größere Perspektive einbringen. Sonst stehensie oft unter dem Diktum „zu weit, zu schwer, zu teuer“ undlangweilen in zu hoher Dichte nur die zumeist berufstätigeLeserschaft, deren Urlaub auf fünf Wochen im Jahr beschränktist. Im Zweifelsfall haben zumindest im Land der Berge die Nie-deren Tauern oder die Lechtaler Alpen deutlich höhere Chancenauf Veröffentlichung als die Begehung einer neuen Route anden Torres del Paine oder ein Base-Jump von den Trango-Tür-men. Bei einem Print-Magazin, das sich ausschließlich an Profi-Bergsteiger wendet, wird dies natürlich anders sein. Jedoch sindsolche Titel genauso rar wie erfolgreiche Begehungen der Lhotse-Südwand.

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    Die Nachfrage dominiert aber keinesfalls das Angebot: Querden-ker, die gute Ideen einbringen, sind auch in diesem Bereichgefragt bzw. höchst erwünscht. Mehr noch: Für berufliche Ein-steiger ist es oft die einzige Chance ihre Geschichten unterzu-bringen, indem sie mit innovativen, aber schlüssigen Themen-vorschlägen punkten. Eine hohe stilistische Qualität, die deutlichüber den Volksschul-Erlebnisbericht hinausgeht, sollte manallerdings bieten können, erst recht, wenn man sich an überre-gionale Medien wendet. Deren Mitarbeiter haben nur dann dieGeduld, zugesandte Geschichten „großräumig umzubauen“,wenn die Destination oder die Idee wirklich großartig ist, aberdie Umsetzung einfach nicht zur Blattlinie passt. Und selbstdann ist die Geduld nach einem Durchgang zumeist erschöpft.Die ersten journalistischen Erfahrungen werden daher besser imregionalen Bereich oder im Internet gesammelt, bevor man sichan die Platzhirschen wendet und somit in die Champions Leagueaufsteigt. In jedem Fall ist angeraten, im Kämmerlein zu trainie-ren und seine Machwerke von kundigen Zeitgenossen einer fort-währenden konstruktiven Kritik zu unterziehen. Denn Qualitätkommt von quälen, also harter Anstrengung für einen sauberenText. „Edelfedern“ fallen im Journalismus selten vom Himmelund wer es beruflich ernst meint, sollte sich mit der entspre-chenden Fachliteratur versorgen oder an Institutionen wie dasKuratorium für Journalistenausbildung wenden (www kfj.at).

    Wer neben einer feinen Schreibe auch sehr gut fotografierenkann - eine rare Kombination übrigens -, hat sicher die Nasevorn. Denn gerade bei spezifischen Tourenberichten ist esschwer, von Verlagsseite das Bildmaterial vollständig zur Verfü-gung zu stellen. Die Welt ist hier ein Dorf geblieben: Internatio-nale Bildagenturen haben selten Türnitzer Höger im Programmund beim Bildangebot der Tourismusverbände wirkt das Blen-dax-Lächeln und die allzu propere Ausstattung der Akteuremeist zu kataloghaft und damit zu wenig authentisch.

    Finanzielles

    Wir haben also die grandiose Idee einer Bergtour, das Ja-Wortder Redaktion und liefern einen bestechenden Text mit exzellen-ten Bildern, der letztlich als mehrseitige Reportage abgedrucktwird. Was dürfen wir uns als finanzielle Entlohnung erwarten?Der österreichische Journalisten-Kollektivvertrag empfiehlt fürZeitschriften zumindest Euro 83,- pro A4 Seite an Text (maximal6.300 Anschläge) zu zahlen. Pro Foto kommen rund Euro 30,-dazu. In der Praxis zahlen österreichische Tageszeitungen ihren freienMitarbeitern rund Euro 150,- für 6-8.000 Zeichen und Euro 50,-pro Foto, Wochenmagazine sind noch etwas großzügiger. ImSpecial Interest-Bereich, wie etwa Land der Berge, sind dieChancen unterzukommen sicher höher, da mehr Platz undBedarf an alpinen Themen besteht, die Honorare liegen bei Euro100,- pro Seite (für Text und Bilder).

    Wer mit seinen Ideen nach Deutschland ausweicht, darf tenden-ziell bessere bis sehr gute Gagen erwarten, dazu gibt es einedeutlich höhere Auswahl an Zeitschriften-Titeln, allerdings aucheine Konkurrenz, die um den Faktor zehn größer ist! Online-Medien haben zwar den unendlichen Webspace auf ihrer Seiteund damit viel Platz für jeden, der schreiberisch sein Herz aus-

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    schütten möchte, haben sich aber noch kaum vom Status desGratis-Mediums lösen können. Deshalb wird dort tendenziellwenig bis nichts gezahlt. Insgesamt sind die Honorare sicher nicht spektakulär und kaumkostendeckend, wenn man den mehrstündigen, oder – im Falleiner Expedition - mehrwöchigen Recherche-Aufwand vor Ort,die Mühen der Umsetzung danach und die Kosten für die Foto-ausrüstung bedenkt. Die gute Nachricht ist, dass etablierte Zeit-schriften meist den Kollektivvertrag in den Bild- & Texthonora-ren deutlich überschreiten und manchmal auch bereit sind,einen höheren Aufwand gesondert zu vergüten. Davon alle per-sönlichen Lebenskosten abzudecken, bleibt eine knappeGeschichte.

    Um sich den Traum vom frei herumvagabundierenden Alpin-Journalisten dennoch zu erfüllen, braucht es ein ausgeklügeltesGeschäftsmodell, das die eigenen Stärken und Möglichkeitenkonsequent nutzt: Meist ist es die Kombination einer regelmäßi-gen freien Mitarbeit bei einem oder mehreren Medien (die sichaber nicht konkurrenzieren sollten) in Form einer Kolumne,Rubrik oder Beiträgen, verbunden mit Vorträgen und Buchpro-jekten wie Reiseführer oder alpiner Führungstätigkeit. Oder mansucht sich eine Anstellung im Halbtagsbereich, die man solangeum die journalistische Tätigkeiten ergänzt, bis letztere ein aus-reichendes Einkommen produzieren. Fixangestellte Journalisten machen es oft umgekehrt und lebenihre Berg-Kompetenz über eine zusätzliche freie Mitarbeiter-schaft bei Fachmagazinen aus. Deshalb lassen sich Menschen,die tatsächlich ihren Haupterwerb mit alpiner Berichterstattungbestreiten, in Österreich wohl an ein bis zwei Händen abzählen.

    Resümee

    Ja, es ist nicht leicht, in der Alpenrepublik als AlpinjournalistFuß zu fassen: In den großen Medien existiert dieser Bereichkaum als eigenständiges Ressort und braucht eher die engagier-ten Allrounder als hochspezialisierte Mitarbeiter. Und als freierMitarbeiter ausschließlich von den Fachmagazinen, die personellallesamt sehr kompakt aufgestellt sind, sein Auskommen zu fin-den, ist – zumindest am Anfang – ein hartes Brot. Dem steht allerdings gegenüber, dass die Outdoor-Branche überdas letzte Jahrzehnt eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichtegeschrieben hat und das Thema zu einem genauso nachhaltigenwie imageträchtigen Trend geworden ist: Die Berge sind überdie Kletterhallen längst ein Teil des urbanen Erlebens gewordenund sprechen ganz neue Bevölkerungsschichten an. Klettersteigeoder Schitouren haben ihren elitären Nimbus verloren underfreuen sich eines breiten Zuspruchs.

    All dieses Tun braucht aber mehr Berichterstattung und damitauch mehr journalistische „Botschafter der Berge“: Kompetente,kritische und einfühlsame Schreiber, die für diese Freizeit-Bewe-gung den Informationsfluss zu Tourenzielen, Risikobewusstseinund seriöse Produktinformation sicherstellen, die Leistungenaußergewöhnlicher Athleten in den Bergen einem breiten Publi-kum übersetzen und den faszinierenden Erlebnisraum der Bergein seiner gesamthaften Perspektive dokumentieren können.

    Fotos: Max Largo �

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