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50 Zu den Tempeln der Künste Tour 2 Das größte Museumsensemble der Welt ist zugleich Deutschlands beliebtestes Eiland: Rund 2,5 Mio. Besucher zählt es jährlich – Sylt oder Rügen können von solchen Gästezahlen nur träumen. Berliner Dom, S. 52 Humboldt Forum, S. 55 Altes Museum, S. 52 Alte Nationalgalerie, S. 54 Pergamonmuseum, S. 54 Neues Museum, S. 56 Bode-Museum, S. 57 Alte, neue und vergessene Mitte II Museumsinsel „Großstadt ohne Größenwahn“, titelte Der Spiegel vor ein paar Jahren über Berlin. Das war nicht immer so – und ist es auch heute nicht mehr, nicht auf diesen Metern. Auf der Spreeinsel prahl- ten die preußischen Könige und protzte die Führung der DDR. Und mit dem Humboldt Forum, dem Nachbau des Berliner Schlosses, schließt sich auch die Bundesrepublik der Tradition an. Auf der nördlichen Hälfte der knapp 1 km 2 umfassenden Spreeinsel stehen bislang fünf Museen, die Kunst und Kultur aus 6000 Jahren Menschheitsge- schichte präsentieren. Das erste Muse- um öffnete 1830 zum Geburtstag des kunstsinnigen Königs Friedrich Wil- helm III. seine Pforten – was die Fran- zosen mit dem Louvre und die Englän- der mit dem British Museum schon längst hatten, wollten die Preußen nun auch. 100 Jahre später war mit dem Pergamonmuseum das vorerst letzte Museum fertig. Der Krieg brachte nicht nur die Verwüstung der Häuser, son- dern auch – obwohl viele Exponate in Flakbunker ausgelagert wurden – einen enormen Verlust an Kunstschätzen und Arbeit für Generationen von Restaura- toren. Nach der Wiedervereinigung wurde ein Masterplan erstellt, der die Zusammenführung der archäologi- schen Sammlungen der verschiedenen staatlichen Berliner Museen in Ost und West vorsah, außerdem die Restaurie- rung der Kriegsschäden, eine Moderni- sierung der Gebäude und eine Neuord- nung der Infrastruktur vor Ort. Zum federführenden Architekturbüro wurde für viele Vorhaben David Chipperfield Architects. Bereits saniert und wieder- eröffnet sind die Alte Nationalgalerie, das Bode-Museum und das Neue Muse- um. Die Arbeiten am Pergamon- museum begannen 2012 und werden Sehe wer Tour Muse msins

Alte, neue und vergessene Mitte II Tour 2 Museumsinsel · Altes Museum Der Ausstellungstempel widmet sich ganz der klassischen Antike und prä-sentiert archäologische Kleinfunde

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Zu den Tempeln der Künste

Tour 2 Das größte Museumsensemble der Welt ist zugleich Deutschlands beliebtestes Eiland: Rund 2,5 Mio. Besucher zählt es jährlich – Sylt oder Rügen können von solchen Gästezahlen nur träumen.

Berliner Dom, S. 52 Humboldt Forum, S. 55 Altes Museum, S. 52 Alte Nationalgalerie, S. 54 Pergamonmuseum, S. 54 Neues Museum, S. 56 Bode-Museum, S. 57

Alte, neue und vergessene Mitte II

Museumsinsel „Großstadt ohne Größenwahn“, titelte Der Spiegel vor ein paar Jahren über Berlin. Das war nicht immer so – und ist es auch heute nicht mehr, nicht auf diesen Metern. Auf der Spreeinsel prahl-ten die preußischen Könige und protzte die Führung der DDR. Und mit dem Humboldt Forum, dem Nachbau des Berliner Schlosses, schließt sich auch die Bundesrepublik der Tradition an.

Auf der nördlichen Hälfte der knapp 1 km2 umfassenden Spreeinsel stehen bislang fünf Museen, die Kunst und Kultur aus 6000 Jahren Menschheitsge-schichte präsentieren. Das erste Muse-um öffnete 1830 zum Geburtstag des kunstsinnigen Königs Friedrich Wil-helm III. seine Pforten – was die Fran-zosen mit dem Louvre und die Englän-der mit dem British Museum schon längst hatten, wollten die Preußen nun auch. 100 Jahre später war mit dem Pergamonmuseum das vorerst letzte Museum fertig. Der Krieg brachte nicht nur die Verwüstung der Häuser, son-dern auch – obwohl viele Exponate in Flakbunker ausgelagert wurden – einen enormen Verlust an Kunstschätzen und Arbeit für Generationen von Restaura-toren. Nach der Wiedervereinigung wurde ein Masterplan erstellt, der die Zusammenführung der archäologi-schen Sammlungen der verschiedenen staatlichen Berliner Museen in Ost und West vorsah, außerdem die Restaurie-rung der Kriegsschäden, eine Moderni-sierung der Gebäude und eine Neuord-nung der Infrastruktur vor Ort. Zum federführenden Architekturbüro wurde für viele Vorhaben David Chipperfield Architects. Bereits saniert und wieder-eröffnet sind die Alte Nationalgalerie, das Bode-Museum und das Neue Muse-um. Die Arbeiten am Pergamon-museum begannen 2012 und werden

Sehewer

Tour Musemsins

Museum

sinsel Karte S. 53

Sehenswertes 51

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sich voraussicht-lich 15 bis 20 Jahre hinziehen, doch werden stets Trakte des Gebäudes für Be-sucher zugäng-lich sein. Das Alte Museum ließ die DDR zwischen 1951 und 1966 wieder-aufbauen, nach Abschluss der Arbeiten am Pergamon-museum ist dessen Generalsanierung angedacht. Ein ganz neuer Bau ist die James-Simon-Galerie, das Portal zum Kosmos der Künste. Noch 2019 soll es eröffnen, eine sog. „Archäologische Promenade“ soll dann die umliegenden Häuser miteinander verbinden.

Orientierung Der zentrale Platz der Museumsinsel ist der Lustgarten. Als Gemüsegarten des Berliner Schlosses, wo erstmals in Preußen Kartoffeln angebaut wurden, ging er in die Geschichte ein. Aber auch als Aufmarsch- und Demonstra-tionsplatz. Heute geht es hier gemütli-cher zu: Touristen imitieren des Berli-ners liebstes Hobby und liegen faul im Gras herum.

An der Südseite des Lustgartens steht das wiedererrichtete Berliner Schloss, ehemals einer der bedeutendsten Ba-rockbauten Nordeuropas. Mangels Kö-nig beherbergt es das Humboldt Fo-rum, das Ende 2019 eröffnen soll. ( Kasten S. 55).

Die Ostseite des Lustgartens begrenzt der Berliner Dom. Die Nordseite be-herrscht eine breite Säulenfront. Dahin-ter verbirgt sich das Alte Museum. Für den klassizistischen Bau stand das Erechtheion auf der Athener Akropolis Pate. Im Rücken des Alten Museums thront erhaben rechter Hand hinter einem Kolonnadengang die Alte Nationalgalerie. Links davon befinden

sich die temporären Zugänge zum Pergamonmuseum und zum Neu-

en Museum. Neben dem Neuen Muse-um steht die James-Simon-Galerie, das neue Entree zum Forum der Künste und Wissenschaften auf der Spreeinsel. Den nördlichen Abschluss der Muse-umsinsel nimmt das Bode-Museum ein, das auch über die Monbijoubrücke zugänglich ist

Die Polizisten zwischen James-Simon-Galerie und Monbijoubrücke sind übri-gens nicht zum Schutz der Museen dort abgestellt: Ganz in der Nähe wohnt die Kanzlerin. Gegenüber dem Bode-Muse-um lädt die Strandbar Mitte ( S. 84) im Sommer zu einer Pause ein.

Um all die schwere Kunst mit einem Tick Leichtigkeit zu bereichern, gibt es Pläne, den Spreearm zwischen James-Simon-Gale-rie und Monbijoubrücke in ein Flussbad umzuwandeln. Auf www.flussbad-berlin.de können Sie diesen Traum unterstützen.

Tipp: Egal für welches Museum Sie sich ent-scheiden – gönnen Sie sich einen Audioguide, um im Tohuwabohu der Künste nicht den Überblick zu verlieren. Wollen Sie alle hier be-schriebenen Museen besichtigen, so können Sie mit der Bereichskarte Museumsinsel Geld sparen. Sie kostet 18 € (erm. 9 €) und gilt für alle Museen auf der Insel, jedoch nur für einen Tag. Eine Alternative ist daher der Museumspass, S. 280. Falls Sie keine der Ausstellungen besuchen möchten, so lohnt dennoch ein Blick in das Foyer des Bode-Museums – kostenlos.

52 Tour 2: Museumsinsel Sehenswertes

Hohenzollernprotz

Berliner Dom Der protestantische Dom, 1905 einge-weiht, folgte dem Motto der Hohenzol-lern: bitte größer und pompöser! Die alte Domkirche, die zuvor hier stand, hatte dafür weichen müssen. Der wil-helminische Prunkbau im Stil der ba-rock beeinflussten Hochrenaissance wird von vier Ecktürmen flankiert. Im Krieg wurde der Dom von Bomben ge-

troffen, durch die Kuppel, die sich einst 114 m (heute 70 m) über das Straßen-niveau erhob, flogen Tauben. 1975 begann man mit dem Wiederaufbau (samt Abriss der anschließenden Denkmalskirche), die Mittel dazu kamen aus dem Westen. Zwei Jahre nach der Jahrtausendwende wurde das letzte Kuppelmosaik feierlich enthüllt – der Wiederaufbau ist u. a. ein Thema der Domausstellungen und Videostatio-nen und macht den Rundgang äußerst spannend. In der Hohenzollerngruft ru-hen Könige und viele Kinder, aber kei-ne Kaiser. Lohnenswert ist der Kuppel-rundgang (267 Stufen sind es hinauf) mit tollem Blick über die Stadt und in schicke Wohnungen. Im Dom finden zudem immer wieder Orgelkonzerte statt, für den grandiosen Klang sorgen die 7269 Pfeifen der Sauerorgel. Am Lustgarten, bis zur Eröffnung des U-Bahn-hofs Museumsinsel (nicht vor Ende 2020) ist der nächstgelegene Bahnhof Hackescher Markt. April–Sept. tägl. 9–20 Uhr, im Winter nur bis 19 Uhr. Keine Besichtigung zu Gottes-diensten, kein Zugang mit Rucksack oder gro-ßer Tasche. 7 €, erm. 5 €. Infos zu Konzerten und Gottesdiensten unter www.berlinerdom.de.

Klassische Antike

Altes Museum Der Ausstellungstempel widmet sich ganz der klassischen Antike und prä-sentiert archäologische Kleinfunde und Skulpturen der Griechen (EG), Römer und Etrusker (OG). Der Bau entstand nach Entwürfen Karl Friedrich Schin-kels zwischen 1823 und 1830. Vor der Grundsteinlegung hatte man mehrere Tausend Holzpfähle in den sumpfigen Boden gerammt, um ein späteres Ab-sinken des Gebäudes zu verhindern. Für die zentrale Rotunde mit Kasset-tendecke und Galeriering stand das Pantheon in Rom Pate. Den Mittel-punkt der Rotunde sollte eigentlich Imposante Lage: Bode-Museum

Museum

sinsel Karte S. 53

Sehenswertes 53 eine Granitschale schmücken. Doch die war zu groß und zu schwer geworden, so ließ man sie vor dem Museum stehen. Die Exponate der Ausstellung rund um die Rotunde sind thematisch arrangiert. Neben Büsten von Kaisern und Knaben, bebilderten Trinkschalen, zierlichen Tonstatuetten, steinernen Sarkophagen u. v. m. überraschen eine Münzsammlung unter einem blauen Himmelszelt, eine Schatzkammer vol-ler Goldschmuck und ein kleiner „Gar-ten der Lüste“.

Am Lustgarten, bis zur Eröffnung des U-Bahnhofs Museumsinsel (nicht vor Ende 2020) ist der nächstgelegene Bahnhof Hackescher Markt. Di–So 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Mo geschl. 10 €, erm. 5 €. Bereichskarte Museumsinsel S. 51. www.smb.museum.

Bequemer ans Ziel: Entlang der Karl-Liebknecht-Straße und des Boulevards Unter den Linden fährt zwischen

+ Brandenburger Tor und + Ale-xanderplatz Bus 100. Zwischen + Pots-damer Platz und + Alexanderplatz passiert Bus 200 den Lustgarten.

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54 Tour 2: Museumsinsel Gemälde und Skulpturen des 19. Jh.

Alte Nationalgalerie Mit dem Bau der Neuen Nationalgalerie 1968 nahe dem Potsdamer Platz ( S. 105) wurde die hiesige zur „Alten“, auch wenn die offizielle Um-benennung erst nach der Wende erfolg-te. Der Kunsttempel, der wie kein ande-rer erhaben auf einem Sockel thront, geht auf eine Skizze Friedrich Wil-helms IV. zurück; mehrere Architekten plagten sich im Anschluss mit deren Umsetzung. 1876 wurde das Bauwerk eingeweiht. Die Giebelinschrift „Der deutschen Kunst“ bezeugt das neue pa-triotische Selbstbewusstsein jener Zeit. Heute zeigt die Alte Nationalgalerie Ma-lerei und Skulpturen aus der Zeit zwi-schen Französischer Revolution und Erstem Weltkrieg oder anders gesagt: zwischen Klassizismus und Sezession. Die umfangreiche Epochensammlung umfasst Werke u. a. von Caspar David Friedrich, Menzel, Manet, Monet, Renoir, Degas, Cézanne, Liebermann, Beck-mann u. v. m. Zusätzliche Bonbons sind Plastiken von Johann Gottfried Schadow und Auguste Rodin. Ein Werk mit großem Berlinbezug stellt Franz

Krügers Biedermeiergemälde Parade auf dem Opernplatz 1822 dar – in der feinen Gesellschaft des Publikums befindet sich auch Alexander von Humboldt. Bodestr. 1–3, bis zur Eröffnung des U-Bahnhofs Museumsinsel (nicht vor Ende 2020) ist der nächstgelegene Bahnhof Hackescher Markt. Di–So 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Mo geschl. 12 €, erm. 6 €. Bereichskarte Museumsinsel

S. 51. www.smb.museum.

Ein Museum im Umbau

Pergamonmuseum Das Museum wurde im Jahr 1930 nach 20-jähriger Bauzeit eröffnet. Den Ent-wurf dazu hatte Alfred Messel gelie-fert. Ein vierflügeliger Bau sollte es wer-den, um Monumentalarchitektur aus der alten Welt zu präsentieren. Aber Geld war knapp, ein Dreiflügelbau musste genügen. Mit der Modernisierung und Sanierung des Hauses nach Plänen des 2007 verstorbenen Architekten Oswald Mathias Ungers soll nun endlich auch der vierte Flügel realisiert werden. Der Umbau ist umstritten, wird aber Platz für weitere hochkarätige Exponate aus anderen Berliner Museen schaffen. Während des Umbaus ist die Ausstel-lungsfläche auf etwa ein Drittel reduziert,

Alte Nationalgalerie

Museum

sinsel Karte S. 53

Sehenswertes 55

Berlin im Kasten Humboldt Forum im Stadtschloss – Ort mit Geschichte Das Stadtschloss steht. Im November 2019 soll es als Humboldt Forum eröffnen – es käme einem Berliner Wunder gleich, wenn der Termin gehalten würde. Es soll ein Superlativ werden, der Kunst, Kultur und Wissenschaft unter einem Dach ver-eint und die Museumsinsel als Ort der Kulturen der Welt bereichert. Die Stiftung Stadtmuseum (Stammhaus ist das Märkische Museum, S. 64) wird mit der Aus-stellung „Berlin und die Welt“ vertreten sein. Die Humboldt-Universität wird das Humboldt-Labor bespielen und Wissenschaft erfahrbar machen. Die Stiftung Preu-ßischer Kulturbesitz wird mit Exponaten aus den Sammlungen des Ethnologi-schen Museums und des Museums für asiatische Kunst in den Dialog mit den Weltkulturen treten. Eine Agora wird als verbindendes Element wirken – ganz im Sinne der Idee von Gottfried Wilhelm Leibniz von einem umfassenden Wissen-schaftstheater. Und vor dem Schloss soll zum 30. Jahrestag des Mauerfalls das Einheitsdenkmal eingeweiht werden. Mal sehen, was daraus wird. Das wiederaufgebaute Schloss, 117 m breit, 184 m lang, ist keine Kopie des Origi-nals. Der Architekturentwurf stammt von dem Italiener Franco Stella. Auf drei Sei-ten schenkte Stella dem Schloss eine pseudobarocke Fassade, zur Spree hin eine mo-derne. Das alte Berliner Schloss, das aus einer Burg hervorgegangen war und als Kriegsruine endete, präsentierte einst mit 700 Zimmern und Sälen Preußenprunk par excellence. Wie die Fassade des alten Schlosses aussah, kann man erahnen, wenn man einen Blick auf das benachbarte ehemalige Staatsratsgebäude der DDR wirft (heute Sitz der European School of Management and Technology, kurz esmt) – das Portal stammt noch vom alten Schloss. Bevor man die Ruine sprengte (1950), wurde das Portal mit dem Balkon abgetragen, weil Karl Liebknecht am 9. Novem-ber 1918 von diesem Balkon die deutsche sozialistische Republik proklamiert hatte. Nachdem das Stadtschloss verschwunden war, erstreckte sich hier der Marx-Engels-Platz, auf dem die großen Aufmärsche der jungen DDR stattfanden. Bis zu einer Dreiviertelmillion Menschen defilierte hier in Kolonnen über Stunden hin-weg an den Staatsoberhäuptern vorbei – die Teilnahme war für alle eine lästige Pflicht. Zwischen 1974 und 1976 wurde dann zur Spree hin der Palast der Republik erbaut. Neben viel zu viel Asbest (was u. a. sein Schicksal nach der Wende besie-gelte) gab es darin den Plenarsaal der DDR-Volkskammer und für das Volk Cafés, Restaurants, Wein- und Bierstuben, eine Milchbar, Jugendtreffs u. v. m. Zwischen 2006 und 2008 wurde der Palast abgerissen, die über 100.000 t Stahl wurden einge-schmolzen und wiederaufbereitet. VW bastelte daraus Kotflügel für den Golf, zudem stecken sie im höchsten Gebäude der Welt in Dubai, die BILD titelte dazu: „Der Burj Chalifa ist ein Ossi.“ Tipp: Am Schlossplatz 7 steht neben dem Humboldt Forum der neobarocke Neue Marstall, der einst für die Pferde, Kaleschen und Schlitten des Hofes errichtet und in den 1960ern wiederaufgebaut wurde. Heute befindet sich darin die staatliche Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin (HFM)– etwas Besonderes sind die Kon-zerte im Krönungskutschensaal ( Kultur, S. 248).

der Nordflügel und der Mittelbau sind bis voraussichtlich 2023 geschlossen. Infolgedessen ist auch der berühmte

Zeusaltar aus Pergamon (Türkei) mit seinem 120 m langen Relieffries nicht mehr zu sehen. Bis voraussichtlich

56 Tour 2: Museumsinsel 2023 steht den Besuchern lediglich der Südflügel offen. Hier beeindrucken u. a. das Markttor von Milet (ebenfalls Türkei), das sich mit 17 m Höhe gerade noch unter die Decke ducken kann, die mit strahlendblauen Ziegelreliefs verzierte Prozessionsstraße zum Ischtar-Tor von Babylon (heute Irak) und die Fassade des Wüstenschlosses von Mschatta (heute Jordanien). Des Weiteren sind Reliefs, Stelen, Statuen und kleinere Objekte in festen und temporären Ausstellungen aus dem Fundus des Museums für Islamische Kunst, des Vorderasiatischen Museums und der Antikensammlung zu sehen. Und zwar nicht nur im Hauptgebäude, sondern auch im temporären Ausstellungsbau mit dem Namen „Pergamonmuseum. Das Panorama“ direkt gegenüber der Museumsinsel. Es präsentiert zudem bis zum Ende der Umbaumaßnahmen des Hauptgebäu-des den kleinen Telephos-Fries des Per-gamonaltars und ein 360°-Panorama des Künstlers Yadegar Asisi. Das 30 m hohe Panorama mit einem Umfang von 104 m zeigt eine Vision der antiken Metropole Pergamon. Pergamonmuseum, Bodestr. 1–3. Perga-monmuseum. Das Panorama, Am Kupfer-graben 2, bis zur Eröffnung des U-Bahnhofs Museumsinsel (nicht vor Ende 2020) ist der nächstgelegene Bahnhof Hackescher Markt. Beide Häuser tägl. 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr. Kombiticket 19 €, erm. 9,50 €. Bereichskarte Museumsinsel S. 51. www.smb.museum.

Nofretete zwischen Kriegsnarben

Neues Museum Es ist eine architektonische Perle, nicht zuletzt aufgrund seiner traurigen Ge-schichte. Zwischen 1843 und 1855 wur-de das Neue Museum als Erweiterung des Alten Museums nach Plänen des Schinkel-Schülers Friedrich August Stüler im Stil des späten Klassizismus und Historismus erbaut. Hundert Jahre später fiel es dem Bombenhagel zum

Opfer. Aus der Kriegsruine wuchsen schon Bäume, als in den 1980er-Jahren eine erste Notsicherung folgte. Den Wiederaufbau (2003–2009) besorgte David Chipperfield. Wo es möglich war, wurde die Originalsubstanz bewahrt, wurden verblasste Wandmalereien be-hutsam konserviert. Wo nicht, tritt Chipperfields klare Formensprache hervor, die Kriegsnarben verwischte er nicht. Im Neuen Museum zeigt heute das Ägyptische Museum Statuen, Re-liefs, Mumienmasken, seine Papyrus-sammlung u. v. m. Highlights sind der Berliner Grüne Kopf – wegen seiner Ge-sichtsfarbe so genannt –, zudem das Porträt der Königin Teje und v. a. die 3300 Jahre alte Büste der Nofretete, einer der bekanntesten Kunstschätze des alten Ägyptens, aufbewahrt in ei-nem eigenen Kuppelsaal. Letztere stand einst auf dem Vertiko von James Simon (1851–1932): Der Kaufmann, Kunst-sammler und Mäzen verhalf den Berli-ner Museen durch seine Schenkungen zu Weltruhm. Nach ihm ist die im Bau befindliche neue Eingangsgalerie zwi-schen Neuem Museum und Kupfergra-ben benannt. Des Weiteren präsentiert im Neuen Museum das Museum für Vor- und Frühgeschichte seine Schätze, darunter Funde aus Schliemanns Troja-grabung, aber auch der Neandertaler von Le Moustier. Alles in allem eine ein-drucksvolle, bunte Mischung, in der das Auge Karussell fährt – mehrere Tau-send Exponate laden zu Zeiten- und Wel-tensprüngen ein. Erholen kann man sich im gemütlichen angeschlossenen Café. Bodestr. 1–3, bis zur Eröffnung des U-Bahnhofs Museumsinsel (nicht vor Ende 2020) ist der nächstgelegene Bahnhof Hackescher Markt. Tägl. 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr. 12 €, erm. 6 €. Bereichskarte Museumsinsel S. 51.

Bei langen Warteschlangen vor dem Neuen Museum oder dem Pergamonmu-seum können Sie Tickets für beide Museen auch an den Kassen des Alten Museums, der Alten Nationalgalerie und des Bode-Museums erhalten.

Prakthe In

Museum

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Praktische Infos 57 Ein großer Kessel Buntes

Bode-Museum Das herrschaftliche Gebäude im wilhel-minischen Barock mit dominanter Kup-pel, monumentalen Pilastern und Halb-säulen bildet so etwas wie den Bug der Museumsinsel. Als Kaiser-Friedrich-Museum wurde es 1904 unter Leitung von Wilhelm von Bode (1845–1929) eröffnet, 1956 ihm zu Ehren umbe-nannt. Hier wird Kunst nicht einfach ausgestellt, sondern ganz im Sinne von Bodes Präsentationskonzept inszeniert. Das Museum ist heute Showroom der Skulpturensammlung, die Bildwerke vom frühen Mittelalter bis zum ausge-henden 18. Jh. aus den deutschsprachi-gen Ländern (u. a. von Tilman Riemen-schneider und Hans Leinberger), Frank-reich, den Niederlanden, Italien und Spanien präsentiert. All das wird er-gänzt durch dazu passende Werke der Gemäldegalerie. Darüber hinaus lädt das Museum für Byzantinische Kunst

zu temporären Ausstellungen ein, wo-bei es aus seiner unvergleichlichen Sammlung an Kunstwerken aus dem gesamten Mittelmeerraum schöpfen kann. Das Münzkabinett wiederum prä-sentiert kostbare Medaillen und Klein-geld, die Kollektion reicht bis zu den Anfängen der Münzprägung im 7. Jh. v. Chr. zurück.

Die Sammlungen verteilen sich auf zig Säle und Räume, die zum Verlaufen einladen. Zum Glück findet man aber immer zum Herzstück des Museums-baus zurück, der in Anlehnung an San Francesco al Monte in Florenz errichte-ten Basilika. Wer vor dem Rendezvous mit allzu viel sakraler Kunst zurück-schreckt, aber einen Blick in das Ge-bäude werfen möchte, kann das Foyer im großen Kuppelsaal mit angeglieder-tem Café einfach so betreten. Am Kupfergraben 1, Hackescher Markt. Tägl. (außer Mo) 10–18 Uhr, Do bis 20 Uhr. 12 €, erm. 6 €. Bereichskarte Museumsinsel S. 51. www.smb.museum.

Praktische Infos Karte S. 53 Essen & Trinken Eine große Auswahl an Restaurants finden Sie rund um die Museumsinsel, Tour 1, S. 47, Tour 3, S. 67, und Tour 4, S. 81. Auf der Museumsinsel selbst ist das architektonisch reizvolle Café im Bode-Museum zu empfehlen. Es bietet eine kleine Auswahl an

Speisen und Snacks zu 6–10 €. Geöffnet zu den gleichen Zeiten wie das Museum. Am Kupfer-graben 1, Hackescher Markt, 20214330, www.koflerkompanie.com. Schräg gegenüber lädt im Sommer zudem die Strandbar Mitte ( S. 84) auf ein Getränk oder einen Happen ein.

Kuppel des Berliner Doms