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Herausgegeben von Jänner/Feber Einzelheft: , Euro, Abonnement: Euro P.b.b., Verlagspostamt Z M, Kd.-Nr: 1/2 REFUGEE CAMP Nulllohnrunden • Zocken • Prekarisierung: Schauplätze sozialer Auseinandersetzungen

AlternativeJänner/Februar 2013

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Monatsmagazin der Unabhängigen GewerkschafterInnen

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Page 1: AlternativeJänner/Februar 2013

Herausgegeben von

Jänner/Feber 2013

Einzelheft: 1,50 Euro, Abonnement: 15 Euro

P.b.b., Verlagspostamt 1040

02Z 031242 M, Kd.-Nr: 0 021 012 558

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REFUGEE CAMPNulllohnrunden • Zocken •Prekarisierung: Schauplätze sozialerAuseinandersetzungen

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Gewerkschaft & Betrieb

O F F E N L E G U N G G E M Ä S S § 2 5 , M E D I E N G E S E T Z

Medieninhaber der „Alternative“ ist der Verein „Alternative und Grüne Gewerkschafter Innen – UG“. Mitglieder des Bundesvorstandes

sind: Klaudia Paiha, Helmut Deutinger, Robert Müllner, Veronika Litschel, Julienne Hartig, Piet Grusch. Herausgegeben wird die

„Alternative“ von den „Unabhängigen Gewerkschafter Innen im ÖGB“ (UG).

Die Unabhängigen GewerkschafterInnen – ein Zusammenschluss überparteilicher und unabhängiger Listen im ÖGB – sind eine

Gewerkschaftsfraktion, die für die Demokratisierung der Arbeitswelt und der Gewerkschaften eintritt. Die Linie der „Alternative“

wird von diesen Intentionen bestimmt. Geschäftsführender Vorsitzender der UG ist Markus Koza, Finanzreferent ist Peter Grusch.

Nachruf Grete FischhaberLiebe Gretl;

Als Du voriges Jahr gestürzt bist und Du dann nicht mehr allein in Deiner Wohnung lebenkonntest, hast Du Deine neue Bleibe in einem Pflegeheim in Niederösterreich gefunden. Als wirDich dort endlich aufgestöbert haben, ist es Dir garnicht gut gegangen. Du wolltest sofort wieder inDeine Wohnung in Wien zurück. Dann aber hastDu Deinen Hans im Pflegeheim kennengelernt undDu bist richtiggehend aufgeblüht, hast wieder gelacht und gescherzt und es war eine Freude,Dich so glücklich zu sehen.

Immer wieder hast Du uns aus Deinem Lebenerzählt – und Du hattest wahrlich viel zu erzählen.Du wurdest 1913 geboren, Dein Vater hat kurz denersten Weltkrieg überlebt und für Deine Mutterhat das geheißen, dass sie Dich alleine durchbrin-gen muss. Deine Mutter war eine politisch aktiveFrau, die Dich auf alle Demos und Kundgebungenmitgenommen hat. Und diese Widerständigkeithast Du von ihr vererbt bekommen. Mit Theo hastDu im Faschismus illegale Arbeiten übernommen,hast verbotenes Material unter die Leute gebracht.Für Euch war es eine Selbstverständlichkeit, gegenden Strom zu schwimmen.

Bei unseren Besuchen im Pflegeheim hast Du immer wissen wollen, wie es uns im AUGE-Büro ohne Deine aktive Mithilfe geht. Scherzhaft haben wir Dich gefragt, ob wir Dir beim nächs-ten Besuch nicht einen Packen Arbeit mitnehmen dürfen. Du hättest überhaupt nichts dagegengehabt. Seit fast vierzig Jahren warst Du unsere treue Seele. Ein Anruf hat genügt, und Ihr – Duund Theo – wart da und habt angepackt.

Nach Theos Tod – Ihr wart ja immerhin mehr als sechzig Jahre verheiratet – ging es Dirganz schlecht. Unvorstellbar, dass Du es geschafft hast, Dir Dein Leben allein – ohne DeinenTheo – einzurichten. Klar warst Du oft traurig und hast um den Theo geweint, und Du warstauch manches Mal wütend auf ihn, dass er Dich allein gelassen hat, aber Dir hat das Leben trotzallem noch Spaß gemacht.

Grete, wie haben wir Dich um Deine Lebendigkeit, Deinen Frohsinn und Deine Beweglich-keit beneidet. Du hast uns vorgezeigt, dass es Spaß machen kann, fast hundert Jahre alt zu werden.

Gretl, danke für alles, was Du für uns getan hast! Wir vermissen Dich!

Renate

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Thema

Der Arbeiter Lohn schreit zum Himmel . . . . . . . . . . . . Seite 4Nulllohnrunden: Hilfloses Verlangen . . . . . . . . . . . . . . Seite 8Zocken mit Millionen, Zicken bei Gehältern . . . . . . . . Seite 10

Gewerkschaft & Betrieb

Prekarisierung: Wir sind Gewerkschaft . . . . . . . . . . . . Seite 12UG: Wahlerfolge an den Unis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 15Wahlergebnisse UBIS, ÖBB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18Brief: UG an GÖD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 19Die Geburtsfehler des ÖGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 20

Magazin

Pension: Umlagesystem oder Sponsoren? . . . . . . . . . . Seite 25Refugee Protest Camp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 26AUGE/UG: Kein Mensch ist illegal . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 27Neutraler Arbeitsmarkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 28

International

Europäisches Sozialforum: Firenze 10+10 . . . . . . . . . . . Seite 29Ilisu-Staudamm: Überraschung am Tigris . . . . . . . . . . Seite 31

MUCH-SPEZIAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16

IM JÄNNER/FEBER

ZOCKEN & SPAREN

Das neue Jahr beginnt, wie dasalte geendet hat: Staatsgewaltgegen protestierende Flüchtlinge,verzockte Finanzmittel, Arbeit-geber, die meinen, mehr als Nullsei nicht drinnen (bei den Gehaltsverhandlungen).Oder – ganz aktuell – der

Streit bei der AUA um Boni fürdie Vorstände, während das Personal Gehaltskürzungen hinnehmen musste.Unter anderem zu diesen

Themen gibt es in der Alterna -tive Lesestoff. Ein Hintergrund-artikel über das Refugee ProtestCamp findet sich ebenso wie einBericht über die Salzburger Finanzverhältnisse und wie dasmit den dortigen Sparmaß -nahmen zusammenhängt.Auch die Reportage über pre-

käre Arbeitsverhältnisse und denKampf dagegen passt ins Bild.Recht herzlich bedanken

möchte ich mich bei meinen VorgängerInnen Lisa Langbeinund Alfred Bastecky für ihrejahrzehntelange Arbeit als Alternative-HerausgeberInnen –Vielen Dank für alles!Zum Schluss möchte ich noch

auf den beiliegenden Zahlscheinhinweisen, mit der Bitte, das Abozu zahlen.

Editorial von Renate Vodnek

I M P R E S S U MMedieninhaber, Verleger: Alternative und Grüne Gewerkschafter Innen(AUGE/UG) Herausgeberin: Unabhängige GewerkschafterInnen im ÖGB(UG/ÖGB) Redaktion: Renate Vodnek. Layout: Franz Wohl könig. Alle: 1040 Wien, Belvederegasse 10/1, Telefon: (01) 505 19 52-0, Fax: (01) 505 19 52-22,E-Mail für Abonnement: [email protected], Redaktion: [email protected], Internet: ug-oegb.at, Bankverbindung: (14000) Kto.-Nr. 00 110 228 775. Dass namentlich gezeichnete Beiträge nicht unbedingt der Meinung der Redaktionoder des Herausgebers entsprechen müssen, versteht sich von selbst. Titel und Zwi-schentitel fallen in die Verantwortung der Redaktion, Cartoons in die Freiheit derKunst. Text nach druck mit Quellenangabe gestattet, das Copyright der Much-Cartoonsliegt beim Künstler. DVR 05 57 021. ISSN 1023-2702.

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Thema

DER ARBEITER LOHN

SCHREIT ZUM HIMMEL

Schon der frühchristliche

Briefeschreiber Jakobus wusstedavon zu berichten,

dass „der Arbeiter Lohn“ zum

Himmel schreien würde. 2000

Jahre später sieht die Situation

nicht wesentlich anders aus.

Der aktuelle Einkommensbericht

des Rechnungshofs belegt

einmal mehr, wie dramatisch es

um die ArbeiterInneneinkommen

bestellt ist und wie sehr diesegegenüber anderen

ArbeitnehmerInneneinkommenzurückbleiben.

Von Markus Koza.

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lle zwei Jahren veröffentlicht der Rechnungshof einen Bericht über die „durchschnilichen Einkom-men der gesamten Bevölkerung (Allgemeiner Ein-kommensbericht 2012)“. Dieser liefert einen umfas-senden Überblick über die Einkommensentwick-

lung bzw. Einkommenssituation der ArbeitnehmerInnen(wie auch der Selbständigen) nach Berufsgruppen, Tätig-keit, Branchen, Geschlecht, Arbeitszeitvolumen, Bildungs-grad etc. seit 1998. Die sehr detaillierten Auswertungen be-ruhen auf Daten des Mikrozensus, der Lohnsteuerstatistiksowie des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger.

Unselbständige Beschäftigung: Einbruch 2009, Rekordwert 2011

Hinsichtlich der Entwicklung der unselbständigen Beschäigung in Österreich ist von 1998 bis 2008 ein kon-tinuierlicher Zuwachs von 3,379Millionen Arbeitnehmer -Innen auf 3,856Millionen zu beobachten. Einen kurzzeiti-gen Einbruch gab es im Krisenjahr 2009 als erstmals dieBeschäigtenzahlen geringfügig auf 3,849 Millionen Be-schäigte zurückgingen, um bis 2011 allerdings wieder einen neuen Rekord von knapp über vier Millionen Arbeit-nehmerInnen zu erreichen. Dabei waren 1,892 MillionenFrauen und 2,113 Millionen Männer beschäigt. Der Frau-enanteil an allen unselbständig Beschäigten betrug damit2011 47,25 Prozent (1998: 44,28). Während die Beschäi-gung allgemein seit 2009 wieder stieg, ging der Frauen -anteil von 2010 bis 2011 um 0,11Prozentpunkte geringfü-gig zurück. Insgesamt nahm die Frauenbeschäigung aller-dings seit 1999 von Jahr zu Jahr zu. Die Männerbeschäi-gung ging im Krisenjahr 2009 – einmalig – um 0,8 Prozentleicht zurück, stieg allerdings 2011 mit 2,89 Prozent gegen-über der Frauenbeschäigung mit 2,43 Prozent deutlich an..

ArbeiterInnen, Angestellte, öffentlich Bedienstete

Innerhalb der Gruppe der unselbständig Beschäigten ist•der Anteil der ArbeiterInnen seit 1998 zwar absolut zuneh-mend, relativ allerdings abnehmend (von 43,8 Prozent aufknapp 40 Prozent). Von 1998 ist die Zahl der ArbeiterInnenvon 1,48 Millionen bis 2011 auf 1,6 Millionen gestiegen (ei-nen Einbruch gab es von 2008 auf 2009 von 1,547 Millionenauf 1,515 Millionen ArbeiterInnen).

Die Angestelltenverhältnisse stiegen seit 1998 deutlich•von 1,547 Millionen auf 1,859 Millionen. Selbst im Krisen-

jahr 2009 stieg die Zahl der Angestellten noch weiter von1,775 Millionen auf 1,789 Millionen.

Deutlich rückgängig ist die Anzahl der BeamtInnen. Seit•1998 ist der Anteil der BeamtInnen unter den unselbstän-dig Beschäigten um rund vierzig Prozent von 352.996 auf213.727 Personen gesunken. Deutlich gestiegen ist im öffentlichen Dienst der Anteil der Vertragsbediensteten –nämlich seit ihrer gesonderten Ausweisung 2004 – von239.567 auf 331.280 Personen (2011).

Entwicklung der Einkommen

Hinsichtlich der Einkommensentwicklung sind bei An-gestellten und Vertragsbediensteten Stagnation, bei denBeamtInnen Zuwachs, bei den ArbeiterInnen allerdingsschwere Verluste beobachtbar.

Die mileren Angestellteneinkommen (Medianeinkom-•men, Bruojahreseinkommen, Lohnsteuer und Hauptver-bandsdaten, gilt für alle weiters verwendeten Einkom-mensdaten) sind seit 1998 nominell – also nicht um die Inflation bereinigt – von 21.933 auf 28.092 Euro (2011) ge-stiegen. Die Einkommen der Vertragsbediensteten habensich ähnlich entwickelt, von 24.682 im Jahr 2004 auf29.103Euro im Jahr 2011. Tatsächlich aussagekräig ist dieEntwicklung der Realeinkommen, also die inflationsberei-nigten Jahreseinkommen.

Hier ist bei Angestellten/Vertragsbediensteten eine sta-gnierenden Entwicklung zu beobachten. Wird das Basis-jahr 1998 mit 100 gleichgesetzt, liegen die Bruoeinkom-men 2011 hinsichtlich der Kaura bei exakt dem gleichenWert. Stagnierend auch die Entwicklung der Neo-Real-einkommen: Diese liegen 2011 im Vergleich zu 1998 bei101 – haben also eine Steigerung von gerade einmal einemProzent erfahren! Seit 1998 haben somit die mileren An-gestellten- und Vertragsbediensteteneinkommen an Kauf-kra tatsächlich so gut wie nicht gewonnen.

Positiv entwickelt haben sich die Beamteneinkommen•von 30.993Euro (1998) auf 49.274Euro im Jahr 2011. Diesehaben bruo im Vergleich zu 1998 ihre Realeinkommen2011 um 23Punkte auf 123 steigern können. Neo stiegendie Einkommen auf 118 Prozent des Vergleichswerts von1998. Die Steigerung der Beamteneinkommen ist allerdingsvor allem auf strukturelle Effekte zurückzuführen.

Der Einkommensbericht dazu: „Insgesamt geht die An-zahl der Personen in dieser Gruppe zurück, weil die Zahlder Pragmatisierungen sinkt und damit weniger neue Be-amtInnen hinzukommen (diese Entwicklung lässt sichauch anhand des Durchschnisalters ablesen, das sich beiden BeamtInnen seit 1998 von 42 auf 49 Jahre erhöht hat,während jenes der Angestellten nach wie vor bei 38 Jah-ren liegt, Anm.). Die noch verbleibenden Beamt Innen ha-ben durch die gesetzlichen Gehaltsvorrückungen einenEinkommenszuwachs, der nicht im selben Ausmaß durchneu hinzukommende Erwerbstätige mit geringeren Ein-kommen ausgeglichen wird. Das Resultat ist ein im Ver-

Bitte umblättern

MARKUS KoZAUG-Vorsitzender, im ÖGB-Vorstandund Mitarbeiter der AUGE/UG

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gleich zu den anderen Gruppenstarker Anstieg des Gruppen-mielwertes.“

Regelrecht dramatisch stellt•sich die Einkommenssituationdagegen bei den ArbeiterInnendar. Deren jährliche Bruoein-kommen haben sich von 1998bis 2011 nur geringfügig von16.100 auf 18.157 Euro gesteigert.Noch schlimmer allerdings: Seit1998 lagen die Einkommenszu-wächse bei den ArbeiterInnennur in drei Jahren über der Infla-tion! Die Folge: Die Realeinkom-men (bruo) der ArbeiterInnensind im Vergleich zu 1998 umzwölf Punkte auf 88 gefallen!Die Arbeiter Innen haben überdie letzten 13 Jahre also massiveKauraverluste hinnehmenmüssen. Neo betrugen die Einkommensverluste acht Prozent – die Neoeinkommen der ArbeiterInnen betru-gen 2011 hinsichtlich der Kaura nur noch 92 Prozentder Neolöhne des Jahres 1998.

Kaufkraftverluste im unterstenEinkommenssegment

Fortgesetzt hat sich auch in den Krisenjahren die Ein-kommenspolarisierung zwischen „arm“ und „reich“ (Tabel-le „Massive Kauraverluste“). Das unterste Einkommens-zehntel hat von 1998 bis 2011 Realeinkommensverlustevon bruo 31 Prozent (neo: 29Prozent) erlien. Die Real-einkommen in der „Mie“ gingen im Vergleichszeitraumebenfalls um vier Prozent zurück (neo: zwei Prozent).Leicht an Kaura gewonnen haben die zehn Prozent derBezieherInnen höchster Einkommen: Diese verzeichnetenbruo ein Plus von vier Prozent, neo immer noch Real-lohnzuwächse von zwei Prozent.

Auch hinsichtlich der Einkommensentwicklung im un-tersten Einkommenssegment „reißen“ die ArbeiterInnen-einkommen einmal mehr nach unten aus. Während beiAngestellten und Vertragsbediensteten die Bruoeinkom-men hinsichtlich ihrer Kaura relativ stabil gebliebensind (unterstes Einkommenszehntel – acht Prozent,Median einkommen und Top-10-Prozent ± Null Prozent),verloren die ArbeiterInneneinkommen (bruo) nicht nurin der Mie – nämlich bereits oben beschriebene zwölfProzent, sondern selbst ganz oben – wenn auch nur –ein Prozent. Besorgniserregend wird es allerdings bei deneinkommensschwächsten zehn Prozent: Deren Einkom-men verloren im Vergleich zu 1998 gleich vierzig Prozentan Kaura.

Ziemlich gleichmäßig positiv hat sich dagegen die Kauf-kra der BeamtInnen entwickelt: Selbst die untersten zehnProzent legten hier um zwanzig Prozent zu, die milerenEinkommen um 23 Prozent, die Top-10-Prozent-Einkom-men deutlich aber doch geringer, um 16 Prozent.

(Eine) Erklärung

… für die Entwicklung der Einkommenslagen liefert derEinkommensbericht gleich mit: Diese liegt im Umfang derErwerbstätigkeit. Etwa beim Anteil der Teilzeitbeschäig-ten: Während dieser bei den BeamtInnen bei lediglich elfProzent liegt, beträgt dieser bei den Angestellten 38 Pro-zent, bei den Vertragsbediensteten 31 Prozent, bei den Ar-beiterInnen immer noch 25 Prozent (Teilzeitanteil über alleBeschäigtengruppen: 31 Prozent).

Ist der Teilzeitanteil bei den ArbeiterInnen unter Durch-schni, ist der Anteil jener Personen, die „nicht ganzjährig“beschäigt sind, bei den ArbeiterInnen dagegen auffallendhoch. Sind durchschnilich 27 Prozent aller Arbeitnehmer -Innen nicht ganzjährig beschäigt, ist dieser Anteil bei denBeamtInnen mit einem Prozent und der Vertragsbedienste-ten mit zehn Prozent unwesentlich, bei den Angestelltenmit 26 Prozent fast im Schni, bei den ArbeiterInnen mit37Prozent allerdings deutlich über dem Durchschni. Istvielleicht insbesondere die „nicht ganzjährige“ Beschäi-gung, die instabile Beschäigungsdauer ein wesentlicherGrund für die katastrophale Einkommensentwicklung beiden ArbeiterInnen?

Einen entsprechenden Schluss legt die „Zwei-“ bzw.„Fünahresbetrachtung“ jedenfalls nahe: Im Zentrum dieserAnalyse stehen jene ArbeitnehmerInnen, die in jeweilszwei bzw. fünf aufeinanderfolgenden Jahren ganzjährig er-werbstätig waren und deren Zugehörigkeit zu einer be-stimmten Beschäigtengruppe (ArbeiterIn, Angestellte,BeamtIn, Vertragsbedienstete) sich nicht geändert hat. Einerstes Ergebnis: Während in der „Gesamtbetrachtung“ imZeitraum von 2001 bis 2011 nur 2006, 2007 und 2009 dieEinkommen inflationsbereinigt gestiegen sind, lagen dieEinkommen in der „Zweijahresbetrachtung“ beständigüber der Teuerungsrate, wurde die Kaura, die „Realein-kommen“ also erhöht. Der Einkommensbericht dazu: „Hin-sichtlich der Entwicklung der Einkommen nach sozialerStellung (das heißt die jeweilige Beschäigtengruppe,Anm.) wird ebenfalls deutlich, dass die Zuwachsraten in

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Massive Kaufkraftverluste bei den ArbeiterInnen und den untersten zehn Prozent der EinkommensbezieherInnen

Stagnation bei Angestellten und Vertragsbediensteten. Reallohnzuwächse bei den Beamten. Grafik: Einkommensbericht 2012 des Rechnungshofs, Seite 30

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der Zweijahresbetrachtung über den Zuwachsraten der je-weiligen Gruppen in der Gesamtbetrachtung liegen undgeringere Schwankungen aufweisen.“

So liegen etwa die Zuwachsraten bei den ArbeiterInnenin der Zweijahresbetrachtung um jährlich 2,88 Prozent-punkte über jener der Gesamtbetrachtung, bei der Fünah-resbetrachtung sogar um 3,23 Prozent-Punkte (Angestellte:Zweijahresbetrachtung 2,82 Prozent-Punkte über Gesamt-betrachtung, Fünahresbetrachtung 4,47Prozent; Beamte:Zweijahresbetrachtung 0,32 Prozent, Fünahresbetrach-tung 3,8 Prozent; Vetragsbedienstete: Fünahresbetrach-tung 3,97Prozent). In der Zweijahresbetrachtung lagen dieEinkommenszuwächse der Angestellten über alle Jahre(Beobachtungszeitraum 2001 – 2011) hinweg über jenemder Arbei ter Innen – Ausnahme 2010 und 2011, wo die Zuwächse bei den ArbeiterInneneinkommen über jenender Angestellten lagen. Die Zuwächse bei den BeamtInnenschwankten über den Beobachtungszeitraum dagegen sehrstark und lagen in den letzten beiden Jahren deutlich unterjenen der ArbeiterInnen und Angestellten (Grafik: „Ein-kommensentwicklung in der Zweijahresbetrachtung“).

Instabile Beschäftigung schwächtEinkommenszuwachs

Im Vergleich der Bruojahreseinkommen lag 2011 jenesder Arbeiter Innen in der Fünahresbetrachtung mit 29.612Euro deutlich über jenem der Gesamtbetrachtung mit18.157Euro. Bei jenen Beschäigtengruppen, die einen ver-schwinden geringen Anteil nicht-ganzjährig Beschäigteraufweisen, ist entsprechend der Einkommensunterschiedin der Gesamt- und Fünahresbetrachtung gering (Beamt -Innen 49.274 – Gesamtbetrachtung zu 50.371 – Fünahres-betrachtung, Vertragsbedienstete: 29.103 zu 33.383). Im Gegensatz dazu fällt der Einkommensunterschied bei Be-schäigtengruppen mit einem hohen Anteil nicht-ganzjäh-rig Beschäigter – und unter den ArbeiterInnen ist dieserAnteil mit bereits erwähnten 37 Prozent weit über dem

Durchschni – in der Gesamt- und Fünahresbetrachtungsehr hoch aus. Ein enger Zusammenhang zwischen Be-schäigungsdauer und Einkommensentwicklung düre da-mit wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeitgegeben sein.

PS:

Der doch ziemlich massive Einkommensunterschied zwi-schen öffentlich Bediensteten – Vertragsbediensteten undBeamtInnen – und Arbeiter Innen (Gesamtbetrachtung,milere Jahresbruoeinkommen 2011: ArbeiterInnen –21.509Euro, Vertragsbedienstete – 30.938, BeamtInnen –49.159, Lohnsteuer-/HV- und Mikrozensusdaten, Erwerbs-tätige ab 15, ohne Lehrlinge, mit Wohnsitz in Österreich)relativiert sich beim Vergleich von „Vergleichbarem“ (bereinigt um Teilzeit, nicht ganzjährige Vollzeitbeschäi-gung, Bildungsgrad):

Ganzjährig vollzeitbeschäigte ArbeiterInnen bezogen•im Jahr 2011 ein mileres Bruojahreseinkommen von30.353Euro.

Das Bruojahreseinkommen von Vertragsbediensteten•lag bei 36.523 Euro.

HilfsarbeiterInnen in der Privatwirtscha (ganzjährig,•Vollzeit) bezogen ein Bruojahreseinkommen von24.065Euro, angelernte ArbeiterInnen von 29.786, Fachar-beiterInnen von 32.130, VorarbeiterInnen / MeisterInnenvon 40.485. Vertragsbedienstete HilfsarbeiterInnen undAngelernte verdienten mit 29.032 beziehungsweise alsFacharbeiter Innen oder MeisterInnen mit 36.178Euro nichtwesentlich mehr beziehungsweise sogar geringfügig weni-ger als ihrer KollegInnen in der Privatwirtscha.

Unter den Beamt Innen sind Hilfs- und angelernte Tätig-keit mit 35.682Euro tatsächlich deutlich besser entlohnt alsin der Privatwirtscha, bei FacharbeiterInnen und Meister -Innen (42.013) gleichen sich die Einkommen allerdingswieder an.

Tatsache ist allerdings auch, dass der Anteil jener, die als Beamte Hilfs-, angelernte Tätig-•

keiten verrichten mit gerade einmal3900Personen (FacharbeiterInnen /MeisterInnen: 7600 Personen) bei zweiProzent (vier Prozent) liegt,

bei den Vertragsbediensteten bei•immerhin schon zehn Prozent (zweiProzent),

bei den ArbeiterInnen dagegen bei•64 Prozent (36 Prozent) liegt.

Für „beamtete“ ArbeiterInnen giltdasselbe wie für „beamtete“ Angestell-te: Ihr Durchschnisalter liegt deut-lich über jenem der Kolleg Innen inder Privatwirtscha. z

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Einkommensentwicklung in der Zweijahresbetrachtung

ArbeiterInnen- und Angestellteneinkommen liegen stabil über der Inflationsrateund erzielen Reallohnzuwächse, Einkommenszuwächse der BeamtInnen schwankenbesonders stark. Grafik: Einkommensbericht 2012 des Rechnungshofs, Seite 34

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uch wenn es sich bei Null-lohnrunden nicht – wie manmeinen könnte – um Arbeitganz ohne Lohn handelt, son-dern „nur“ um einen Lohnver-

lust in Höhe der aktuellen Inflation,der negative Auswirkungen auf dasgesamte Lebenseinkommen bis in diePension hat, drängen sich doch Bildereiner schweren Krise des Staates auf.Wie muss die Situation der Republikbeschaffen sein, dass sie fast schonJahr um Jahr von ihren Bediensteteneinen „Beitrag zur Bewältigung derKrise“, einen Ausgleich für angeblich„sichere Arbeitsplätze“ fordert?

Im regelmäßigen Verlangen nachNulllohnrunden drückt sich die ganzeHilflosigkeit des Staates in seinemRückzug aus Verantwortung undHandlungsfähigkeit aus. Während Ge-bietkörperschaen von klein bis großan internationalen Finanzmärktenspekulieren als gäbe es kein Morgen,wird der tatsächliche Spielraum desStaates immer kleiner. Budgetsschrumpfen, der reale und empfunde-ne Handlungsspielraum unterliegtEinschränkungen der mäßig legiti-mierten Normen der EuropäischenUnion und am bedenklichsten ist wohldas Mantra der Alternativlosigkeit,das zur Begründung des größten Blödsinns herhalten muss.

Diese Verminderung des Hand-lungsspielraumes ist allerdings keinNaturgesetz, sie ist die Konsequenzder über Jahrzehnte hinweg dominie-renden Losung „mehr privat – weni-ger Staat“.

Was bedeuten Nulllohnrunden fürdie Bediensteten eines Staates, der im-mer weniger mit sich selbst anzufan-gen weiß und vor vermeintlichen Al-ternativlosigkeiten ohne den Versucheiner Auseinandersetzung kapituliert?Nulllohnrunden führen nicht „nur“ zudeutlichen Einkommensverlusten, sieführen auch zur schriweisen Zer-schlagung des Ansehens, das der öf-fentliche Dienst in all seinen Faceennach wie vor genossen hat.

Das Verhältnis der österreichischenBevölkerung zu ihren BeamtInnenund Vertragsbediensteten war immerbestenfalls als ambivalent zu bezeich-nen; beständig wechselnd zwischenNeid ob der sicheren Arbeitsplätzeund einst üppigen Zulagen und gren-zenloser Ehrfurcht mit willfährigerUnterordnung unter die Autorität derVerwaltung.

Diese typisch österreichische Ge-fühlslage ist einem Gefühl der Hämeund der Schadenfreude gewichen,wenn die BeamtInnen „ihren Beitragleisten“ müssen. Weite Teile der Be-völkerung sehen von Nulllohnrundennur den etwas arroganten, in ihrenAugen üppig ausgestaen und beam-teten Hofrat betroffen, die ganze Brei-te und Vielfalt – auch in seinen recht-lichen Ausformungen – des öffentli-chen Dienstes wird nicht wahrgenom-men. Dem Protest öffentlich Bediens-teter gegen unzumutbare Arbeitsbe-dingungen und als Nulllohnrunden

verkleidete Lohnkürzungen wirdnicht selten jegliche Berechtigung ab-gesprochen.

Auch wenn die Pflegehelferin mitmiserablen Lohn- und Arbeitsbedin-gungen nicht mitgemeint sein mag,wenn der österreichische Volkszornüber seine BeamtInnen herzieht, ge-troffen werden sie von diesem Mecha-nismus der Isolierung der Anliegenvon Angehörigen des öffentlichenDienstes allemal. Nulllohnrunden desöffentlichen Dienstes sind nicht nurMaßnahmen der Ausgabenreduzie-rung, sie führen auch zur Delegitimie-rung des öffentlichen Dienstes insge-samt. Damit bilden sie ein gar nicht sokleines Mosaiksteinchen im großenMosaik der Zurückdrängung des Staa-tes und Privatisierung seiner Aufgaben.

Dabei ziehen Nulllohnrunden desöffentlichen Dienstes ökonomischeKreise weit über den Einschlagspunkthinaus. Die Finanzierung vieler Be-triebe vor allem im Gesundheits- undSozialbereich wird von den relevantenFinanzierungsstrukturen in Bund,Ländern und Gemeinden an die Ab-schlüsse des öffentlichen Dienstes an-gelehnt. Für die Betriebe ergibt sichdie unsägliche Situation, nicht einmalfür die ohnehin schamlosen Abschlüs-se beispielsweise des BAGS-Kollektiv-vertrages eine Finanzierung aufstellenzu können und den Druck auf Mitar-beiterInnen und KlientInnen oder Pa-tientInnen – gewollt oder ungewollt –weitergeben zu müssen.

Abgesehen von einigen Betriebs rät -Innen aus betroffenen Betrieben, diesich mit einiger Berechtigung als aus-gelagerten öffentlichen Dienst anse-hen, wird diese Auswirkung von

Im Verlangen nach Nulllohnrunden drückt sich die Hilflosigkeit des Staates in seinem Rückzugaus Verantwortung und Handlungsfähigkeit aus. Von Christoph Eschbacher.

HILFLOSESVERLANGEN

Thema

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CHRISToPHESCHBACHERBetriebsrat derLebenshilfe Salzburg

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Nulllohnrunden des öffentlichenDienstes kaum diskutiert oder garnur wahrgenommen.

Bemerkenswert ist auch die aus-schließliche Verengung der einschlä-gigen Debaen auf Gehaltskürzungendurch Nulllohnrunden. Nichts ist vonAufgaben des Staates, grundsätzlicherStellung seiner Bediensteten oder garvon einer Erneuerung und Demokrati-sierung des Staates nach dem Endedes Höhenfluges des neoliberalen Ge-

sellschasmodells zu hören oder zu le-sen. Letztlich verkürzt sich die Ausei-nandersetzung immer wieder auf den

Beitrag der öffentlich Be-diensteten, den sie „ver-antwortungsvoll“ zu leis-ten häen, und ihre inden meisten Fällen nicht-existenten Privilegien.

Manchen Gewerk-schaern mag das soganz recht sein. Wer, wiees eine Zeitlang die Ge-werkscha ÖffentlicherDienst und Dienstleistun-gen (GÖD) und Gewerk-scha der Gemeindebe-diensteten (GdG) prakti-zierten, in vorauseilen-dem Gehorsam Nulllohn-

runden und „moderate“ Abschlüssezwei Jahre im Voraus zusagt, wirdwohl weder echtes Interesse an einerVerteidigung zumindest des Statusquo noch Bereitscha und Fähigkeithaben, über den defensiven Staat hi-nauszudenken. Einzig der erzürntenBasis der betreffenden Gewerkschaf-ten ist es zu verdanken, dass die be-

treffenden Herren sich doch zumin-dest zu Verhandlungen bequemen. Al-lerdings nicht ohne über Landesge-werkschaen zu nörgeln, die sichnicht an das Gebot der Selbstaufgabeder Gewerkschasspitzen haltenmochten.

Die Bediensteten des öffentlichenSektors bleiben in einem Dilemma ge-fangen: Sie verrichten eine Tätigkeit,die sie zum Dienst an einer Gesell-scha verpflichtet, die immer wenigermit ihnen anzufangen weiß und ihnen– im Gegensatz zu Shakespeare – we-der Dank noch Lohn zukommen lässt.

Wenn seitens der Politik keine fass-baren Konzepte für Inhalt, Aufgabenund Form des öffentlichen Dienstesvorgetragen werden, wird auch dieseAufgabe dem öffentlichen Dienst zu-fallen. Aufgrund der Vorfälle derjüngsten Vergangenheit sollte er dieseAufgabe ohne die Spitzen von GÖDund GdG wahrnehmen.

Denen würde doch nur „verantwor-tungsvolles“ Kapusparen und Lohn-kürzen einfallen. z

Nur Dank statt Lohn, das muss genügend sein;Mein guter Will’ ist groß, die Gabe klein.

– William Shakespeare: Perikles –

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Thema

rotz frostiger Temperaturenmarschierten im Dezember2012 zwischen 3500 und 4000Bedienstete des Landes undder Landeskliniken zweimal im

Sternmarsch zum Chiemseehof, demSitz der Salzburger Landesregierung.Ging es bei der ersten „Montagsdemo“noch darum, die verordnete Nulllohn-runde aufzubrechen, mischte sichbeim zweiten Marsch die Empörungüber die verzockten Millionen derSteuerzahlerInnen dazu.

Zicken bei Gehältern

Die Gewerkschaen im öffentlichenDienst haben sich den, aufgrund desStabilitätspaktes, politisch verordne-ten Nulllohnrunden im öffentlichenDienst unterworfen. Nur in Salzburgwurden wegen der zeitverzögertenund schmalen Gehaltserhöhungen inden Vorjahren von den Personalver-tretungen die Forderungen auf pensi-onswirksame Erhöhung der Gehälterfür 2013 nach der Benja-Formel ge-stellt. Das Land bot Einmalzahlungenin der Höhe von 3 Mio an. Im Laufeder weiteren Verhandlungen und un-ter dem Druck der Demonstrationenwar das Arbeitgeber-Angebot schließ-lich ein monatlicher, pensionswirksa-mer Fixbetrag (Letztstand: 40Euro).Das Bekanntwerden des Finanzskan-dales hat allerdings die Fronten beiden ArbeitnehmerInnen inzwischenverhärtet. Im Jänner soll wieder ver-

handelt, mobilisiert und weiter Druckaufgebaut werden.

Für die Sozialunternehmen der pri-vatisierten Sozialen Dienstleistungenwären Einmalzahlungen oder Null-lohnrunden im Öffentlichen Dienst fatal. Das Land orientiert sich bei derBerechnung der Kosten der Dienst-leistungen an diesen Gehaltsabschlüs-sen und ignoriert konsequent die Ab-schlüsse von BAGS, Caritas,… DieseAbhängigkeit betri in gleicher Wei-se die Beschäigten im Gesundheits-,Bildungs- und Kulturbereich.

Die Konsequenzen sind: Die Kosten-schere geht weiter auf, das strukturel-le Defizit wird erhöht. Das wird vonder Öffentlichkeit nicht so spektakulärwahrgenommen, wie der Verlust vonArbeitsplätzen in der Industrie. Gehthier die Entwicklung doch meistschleichend: in Form von Stundenre-duzierungen da, Reduzierung der Öff-nungszeiten dort, Einschränkung des

In Salzburg steht das Gemeinwohl auf dem Spiel. Von Hanni Landauer.

HANNI LANDAUERVorsitzende desBetriebsrats Diakonie-Zentrum Salzburg

ZOCKEN MITMILLIONEN

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Beratungsangebotes, Verminderungder alität, Verdichtung im Arbeits-prozess, Einstellung von jüngeren undminderqualifizierten ArbeitnehmerIn-nen, Schließung kleiner Einrichtungen,Aufschub von notwendigen Investiti-onsmaßnahmen…

Daher haben sich im Jahr 2011 Be-triebsrat (BR) und ArbeitnehmerInnenaus dem Sozialbereich zur „Plaformwir-fair-dienen-mehr“ zusammenge-schlossen und mit öffentlichkeitswirk-samen Aktionen auf die Unterfinan-zierung durch das Land hingewiesen.Binnen einiger Wochen haben mehrals ein Driel der Beschäigten in die-sem Bereich unsere Forderungen (Fi-nanzierungsgrundlage BAGS-Kollek-tivvertrag, langfristige Förderverträge,qualitätsvolle Dienstleistungen,…) unterzeichnet. Wir erreichten einenRunden Tisch, an dem alle relevantenPlayer teilnahmen (Politik, Verwal-tung, GeschäsführerInnen als Arbeit-geber-Vertretung, Betriebsrat, Arbeit-nehmerInnen, Gewerkscha). Die da-malige Landesrätin Schmidjell vermit-telte Verständnis. Sie bezeichnete je-

doch die Forderung, dass die Ab-schlüsse der Kollektivverträge ausdem Sozialbereich als Berechnungs-grundlage herangezogen würden, nurals Fernziel. Die Unterstützung undZusammenarbeit durch / mit den Ge-werkschaen kann man bestenfalls alsschleppend und halbherzig bezeich-nen. Anfang 2013 haben wir einen Gesprächstermin mit dem neuen Lan-desrat für Soziales, Walter Steidl (bisvor kurzem noch Chef der GPA-djp) –dann wird sich zeigen, ob er Sozial -politik gestalten will, denn die Finanz-krise des Landes,…

Zocken mit Millionen

Die Auswirkungen des Finanzdeba-kels auf die Sozialunternehmen kön-nen noch gar nicht abgesehen werden.Eines ist aber bereits fix: Die Kosten-schere wird für die Sozialunterneh-men noch weiter aufgehen, da seitdem 1. Jänner 2013 vorerst monatlichmit einem Zwölel des Vorjahres-Budgets gewirtschaet werden muss.

Derzeit ist die politische Situation inSalzburg eher unübersichtlich, dasBudget wird erst in den nächsten Wo-chen oder Monaten beschlossen, Neu-wahlen sind angesagt. Als im Jahr2008 eine Viertelmilliarde an Zockge-winn auf den Konten der Landesregie-rung lagen, wurde dieses Geld nichtfür die Rückzahlung der Schulden ver-wendet. Immerhin wären damit dieHäle der Schulden weg gewesen undMillionen an Zinsen eingespart. Nein– munter weiterzocken, mit dabei seinam Parke des Finanzkapitalismus,unter sozialdemokratischer Verant-wortung. Aus der BAWAG-Krise ha-ben diese Leute offensichtlich nichtsgelernt. Mehrmals wurde bei gewerk-schalichen oder arbeiterkämmerli-chen Zusammenkünen immer wie-der betont, wie toll „unser Salzburg“finanziell dasteht – im Vergleich zuKärnten. Bier für die Sozialdemokra-tie – leider nicht nur für sie.

Das Gemeinwohl steht in Salzburgauf dem Spiel – nichts anderes. z

ZICKEN BEIGEHÄLTERN

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Gewerkschaft & Betrieb

ei einer Veranstaltung des Wiener PrekärCafé Anfang Dezember 2012 wurden zwei Schauplätzesozialer Auseinandersetzungen diskutiert, die aufden ersten Blick wenig gemeinsam haben: Nichtetwa deshalb, weil der eine in Wien, der andere in

Berlin lokalisiert ist; vielmehr deshalb, weil hier prekär Beschäigte auf einer betrieblichen, dort Erwerbsarbeits -lose auf einer außerbetrieblichen Ebene kämpfen.

Vor dem Hintergrund des aktuellen Wandels der gesell-schalichen Rahmenbedingungen betrachtet, werden zwi-schen den beiden Auseinandersetzungen jedoch mehr Pa-rallelen sichtbar, als es anfänglich schien. Der durch die

krisenhae Entwicklung der vergangenen Jahre weiterverschäre Prozess der Prekarisierung hat nämlich nichtbloß eine massive Verunsicherung der Arbeits- und Le-bensverhältnisse nach sich gezogen. Er hat auch die Bedin-gungen verändert, unter denen die Selbst- / organisierungund Interessenartikulation von lohnabhängig (Nicht-)Beschäigten sich vollzieht.

Unter besagten Bedingungen sehen sich unterschiedlicheAkteurInnen wie zum Beispiel GewerkschaerInnen oderpolitische AktivistInnen gegenwärtig vermehrt vor die Herausforderung gestellt, im Rahmen gesellschalicherAuseinandersetzungen ihre Rolle neu zu definieren. Siemüssen aber auch die orte ihres Eingreifens neu bestim-men. Denn Kämpfe gegen Prekarisierung werden auf ver-schiedenen Ebenen ausgetragen – und solche jenseits derbetrieblichen Ebene gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Schauplätze sozialer Auseinandersetzungen in der Prekarisierung. Von Lisa Sigl, Markus Griesser.

WIR SIND

GEWERKSCHAFT

LISA SIGL, MARKUS GRIESSER sind beim Wiener PrekärCafé (cafe.prekaer.at) aktiv

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Schauplatz I: Jobcenter Berlin Neukölln

Der erste der beideneingangs angesprochenen Schauplätze liegt im Berliner Be-zirk Neukölln. Hier begannen AktivistInnen aus dem Um-feld der Gruppe FelS (Für eine linke Strömung) im Jahr2009, das Jobcenter zum Gegenstand einer sich als partei-isch und eingreifend verstehenden Untersuchung zu ma-chen. Referiert wurde dabei auf Ansätze aus dem Bereichdes Community organizing beziehungsweise der Militan-ten Untersuchung: Ersterer ist eng mit dem Namen SaulD.Alinskys verbunden, der in den 1930er-Jahren im Stadt-teil „Back of the Yards“ nahe den Chicagoer Schlachthöfenden organisierungsprozess der BewohnerInnen unterstütz-te. Letzterer ist unter anderem mit dem Namen RomanoAlquatis assoziiert, der in den 1960er-Jahren bei FIAT inTurin eine neu Form der ArbeiterInnenuntersuchung alsInstrument politischer Basisarbeit erprobte. Die BerlinerAktivistInnen bedienten sich bei ihrem Projekt, das seitKurzem in der Broschüre „Macht mit, macht’s nach,macht’s besser!“ dokumentiert ist, zwar aus dem hier ent-wickelten „Methodenkoffer“ (zum Beispiel aktivierende Be-fragungen). Was den Schauplatz ihrer Intervention anbe-langt entschieden sie sich jedoch nicht für die Fabrik oderden sie umgebenden Stadeil, sondern eben für das Job-center – also für jene mit der Hartz IV-Reform entstandeneInstitution, die vergleichbar dem hiesigen AMS für dieVerwaltung der neuen „Grundsicherung für Arbeitssu-chende“ verantwortlich zeichnet.

Diese Entscheidung begründeten die AktivistInnen imRahmen einer Broschüren-Präsentation Anfang Dezemberin Wien mit der immensen sozialen Bedeutung des Jobcen-ters in Neukölln. Nachdem mehr als ein Viertel der Ein-wohnerInnenscha des Bezirks zumindest Teile ihres Ein-kommens aus besagter Grundsicherung bezieht, fungieredas Jobcenter hier schließlich als „größter Brötchengeber“:

„Für unsere Einkommen entspricht es der Bedeutung, dieVW in Wolfsburg oder FIAT in Turin haben“. Doch auchpolitisch sei diese Institution unter anderem insofern vonimmenser Bedeutung, als dort unterschiedliche prekäre Le-bensrealitäten aufeinandertreffen. Entsprechend sollte dieUntersuchung auf das Jobcenter als scheinbaren „Nicht-ort“fokussieren, um Prozessen der Spaltung entgegenzuwirkenund solche der organisierung zu befördern. Ihre eigene

Rolle sehen die AktivistInnen dabei zentral in der Entwick-lung solidarischer Unterstützungspraxen zwischen den un-mielbar und lediglich mielbar Betroffenen im Sinne derArbeit an einer gemeinsamen Sache. Dafür, so ihre Über-zeugung, gelte es Positionen jenseits der „Stellvertreterpo-litik“, aber auch jenseits einer „Politik in der ersten Person“zu formulieren.

Schauplatz II:Magistratsabteilung 48 Wien

Die Broschüren-Präsentation in Wien war schließlich einguter Anlass, über einen lokalen prekären Arbeitskampf zureflektieren. Auch der zweite eingangs angesprocheneSchauplatz kann nämlich nur dann als „betrieblich“ gelten,wenn man einen Kampf gegen Scheinselbstständigkeit undfür legale Arbeitsverträge so bezeichnen will. Der „Betrieb“selbst ist in diesem Fall die Stadt Wien, konkret die „Ma-gistratsabteilung Abfallwirtscha, Straßenreinigung undFuhrpark“ (MA48). Der Arbeitskampf der AbfallberaterIn-nen Wiens, der im Laufe des Sommers einer breiteren Öf-fentlichkeit bekannt wurde, ist jedenfalls nicht idealtypisch

„betrieblich“: Betriebliche und andere Strukturen der Inte-ressenvertretung stehen und standen ihnen nämlich nichtoder nur sehr begrenzt zur Verfügung. Betriebsräte gibt esbei Magistratsabteilungen nicht, und das Äquivalent – diePersonalvertretung – fühlte sich für ihre Anliegen (faireDienstverträge und fairer Lohn und entsprechende Abgel-tung von Ansprüchen wie Weihnachts- und Urlaubsgeldetc.) nicht zuständig. Einer der ersten Schrie ihres Ar-beitskampfs war daher, geschlossen „ihrer Gewerkscha“– der Gewerkscha der Gemeindebediensteten (GdG) –beizutreten. Seither stellt ihnen die GdG einen Anwalt fürVerhandlungen mit der MA48 zur Verfügung, die vollin-haltliche Unterstützung ihrer Interessen wird aber immerwieder infrage gestellt. Nach Monaten der Auseinanderset-zung antworten viele AbfallberaterInnen auf die Fragenach ihrer Gewerkscha: „Wir sind Gewerkscha!“

Auffallend an beiden Vergleichsfällen ist der Versuch,neue soziale Räume für den Kampf gegen Prekarisierungzu finden. So wurden am Jobcenter Neukölln beispielswei-se Versammlungen von Erwerbsarbeitslosen einberufen.Und auch am Beispiel der AbfallberaterInnen lässt sich be-obachten, dass sich die Schauplätze sozialer Kämpfe unter

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den Bedingungen der Prekarisierung tendenziell verschie-ben und selbst erst als solche gefunden beziehungsweiseetabliert werden müssen. Im letzteren Fall etwa war einerster Schri des Kampfs jener um die Anerkennung ihrerzentralen Forderung nach fairen beziehungsweise rechts-konformen Arbeitsbedingungen als legitimes Anliegen –in der Öffentlichkeit, aber vor allem auch innerhalb derGewerkscha. In diesem Sinn ist Interessenvertretung hieran den Schnistellen von etablierten gewerkschalichenStrukturen, solidarischem Handeln von UnterstützerInnenund insbesondere auch der Selbst- / organisierung in ihrer

„Initiative Abfallberatung Wien“ angesiedelt – beziehungs-weise ist gewerkschaliches Handeln nur durch ein gutesZusammenspiel all dieser Faktoren möglich.

Fazit

Die Selbst-/organisierung sozial benachteiligter Grup-pen zielt darauf ab, asymmetrische Machtverhältnisse zuderen Gunsten auszugleichen und darüber materielle Ver-besserungen für sie zu erkämpfen – oder zumindest Ver-schlechterungen abzuwehren. Dass im Kontext aktuellerPrekarisierungsprozesse (und verschär durch die domi-nante Form staatlicher Krisenbearbeitung) zuletzt v.a.letztgenannter Aspekt – also der Abwehrkampf gegen An-griffe auf die etablierten Lohn- und Sozialstandards – imZentrum stand, ist bekannt. Die stafindenden Prozesseder Selbst-/organisierung, wie sie hier exemplarisch an-hand von zwei Beispielen diskutiert wurden – aber auchdie in letzter Zeit vermehrt ausgetragenen Debaen umgewerkschaliches organizing – können jedoch als Hin-

weise auf die Herausbildung offensiverer Strategien inter-pretiert werden.

Wie dargelegt wurde, ist dabei eine Intervention auf ver-schiedenen Ebenen der Gesellscha unabdingbar. Ebensosind die Rollen neu zu bestimmen, welche zum Beispielvon GewerkschaerInnen und politischen AktivistInnenim Rahmen solcher Prozesse eingenommen werden. Dabeiist mit allen Formen der „Stellvertreterpolitik“ im Sinne eines bevormundenden Sprechens für die Betroffenen zubrechen. Im Rahmen der Diskussion im Wiener PrekärCaféproblematisiert wurde aber auch die vielfach dagegen insFeld geführte „Politik in der ersten Person“ im Sinne einesexklusiven Sprechens der (zum Beispiel von Erwerbsar-beitslosigkeit) Betroffenen. Unter den Bedingungen derPrekarisierung sei schließlich bereits die Frage der Nicht-/Betroffenheit – allen nicht zu nivellierenden Unterschie-den zum Trotz – vielfach kaum eindeutig zu beantworten.Gerade dieser Umstand jedoch solle zum Ausgangspunktfür eine solidarische Unterstützungspraxis auf gleicher Au-genhöhe gemacht werden – anknüpfend an die konkretenKämpfe und Interessen aller Involvierten. Im Fall relativressourcenschwacher Gruppen wie Erwerbsarbeitsloseroder prekär Beschäigter ist dabei die Unterstützung nichtbloß politischer AktivistInnen, sondern auch jene etablier-ter organisationen wie Gewerkschaen essenziell. Zumin-dest in diesem Sinn wäre es so auch zu begrüßen, wennder Slogan „Wir sind Gewerkscha!“ möglichst bald fürmöglichst viele Realität würde. z

zusammendagegen.blogsport.de/material; fels-berlin.de; abfall-beratung.prekaer.at

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An jeder Universität wird sowohl ein Betriebsrat für das

allgemeine als auch einer für das wis-senschaliche Personal gewählt. Anneun Universitäten traten UG-Listenzu diesen Wahlen an (acht für das allgemeine und eine für das wissen-schaliche Personal). Eines vorweg:Es war ein durch und durch positivesErgebnis für die UnabhängigenGewerkscha er Innen.

Bereits im Frühjahr wurde an derUniversität für Bodenkultur Wien ge-wählt. Die UG-Liste ist hier bereitsseit 2004 die stärkste Fraktion undkonnte diese Position auch heuer wie-der behaupten (6 von 10 Mandaten).

Ende oktober war es dann an derUniversität Wien soweit: Hier konnteunsere UG-Liste ein sensationelles Ergebnis erringen: 8 von 17 Mandatenwerden in Zukun von UG-Betriebs-rätInnen besetzt (im Vergleich zu 5Mandaten in der letzten Periode).

Somit stellt die UG nun den Betriebs-ratsvorsitzenden.

Ende November wurde an den an-deren Universitäten gewählt (mit Aus-nahme der MedUni Graz): Und auchhier gab es Erfolge zu verzeichnen.Erstmalig trat eine UG-Liste an derUni Linz an und holte auf Anhieb 2von 12 Mandaten. Ein toller Erfolg –herzliche Gratulation. An der WUWien konnte sich die UG-Liste von 3auf 4 (von insgesamt 12) Mandate stei-gern und auch hier stellen wir nun dieBetriebsratsvorsitzende. Die MedUniWien (5 von 16) und TU Wien (3 von14) konnten ihre Mandate halten. Ander Uni Innsbruck trat die einzige UG-Liste im wissenschalichen Bereichan und hielt tolle 7 von 14 Mandaten.

Anfang Dezember wählte dannnoch die MedUni Graz ihre Betriebs-rätInnen: Hier musste die UG-Listeauf Grund eines „Schmutzkübel-Wahlkampfs“ der Gegnerinnen einenVerlust hinnehmen und hält nun 5

von 13 Mandaten (vorher 6) und ver-liert damit auch leider den Vorsitz.

Es hat sich gezeigt, dass an jenenUniversitäten, an denen es Umbrüche

gab (Pensionierung des Betriebs-ratsvorsitzenden an der WUWien beziehungsweise Frakti-

onswechsel auf Grund von Strei-tereien innerhalb der FSG an derUni Wien) die UG-Listen starkeZugewinne verzeichnen konnten.Sonst konnten die Mandate groß-teils gehalten werden.

Auffällig bei den Betriebsrats-wahlen ist das verstärkte Antretenvon Namenslisten. Davon ausge-hend, dass sich hier o die Wert-haltungen mit denen der UG de-cken könnten, sollten wir an dieseBetriebsrätInnen herantreten, umsie für eine UG-Kandidatur bei dennächsten Wahlen zu gewinnen.

Wo es allerdings sicher keinebis kaum deckungsgleicheWerthaltungen gibt, sind diezahlreichen FCG-Listen, die in

diesem Wahlkampf als „FCG undUnabhängige“ kandidiert haben. Daszeigt uns einerseits, wie wichtig Un-abhängigkeit tatsächlich ist, wennsich auch „die anderen damit schmü-cken müssen“. Andererseits – wie un-sere Liste an der WU Wien richtigmeinte: Teilen wir doch diese Stim-men dann auf FCG und UG auf.

Eine persönliche Anmerkung seimir an dieser Stelle erlaubt: Ich findees sehr schade, dass selbst die UG Pro-bleme damit hat, genügend Frauen füreine Kandidatur zu finden, da es Lis-ten gibt, die nicht einmal das Reißver-schluss-Prinzip einhalten. Hier hat dieUG sicher noch Handlungsbedarf –gute Frauen gibt es, wir müssen sienur ansprechen.

Sicher ist, dass unsere UG-Listen imWahlkampf über weit weniger (finan-zielle) Ressourcen verfügt haben alsChristgewerkschaer und Sozialdemo-kratInnen – umso mehr können wirstolz darauf sein, diese tollen Ergebnis-se erzielt zu haben und ich wünscheuns allen vier Jahre erfüllter und er-folgreicher Betriebsratsarbeit. w

2012 war bereits ein

„Superwahljahr“: An den

21Universitäten fanden

Betriebsratswahlen statt.

Von Ulli Stein.

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Gewerkschaft & Betrieb

Unabhängige Gewerkschaft er Innen:

ERFOLGE AN DEN UNIS

ULLI STEINBetriebsrätin derMedUni Wien

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Die UBIS ist der ausgelagerte Ser-viceprovider der Bank Austria, derBackoffice, Rechenzentrum und IT-Bereiche in sich vereint. Heute sindzirka 2300 ArbeitnehmerInnen beiUBIS beschäigt – ein Großbetriebmit entsprechender Bedeutung. Wirtschalich wie allerdings auch

„gewerkschalich“. Drei Listen standen zur Wahl, auf

zwei von ihnen kandidierten auchAUGE/UG-deklarierte BetriebsrätIn-nen. 59,86 Prozent der Beschäigten –das waren 1375 Personen – nutztenihr Wahlrecht, davon wurden 1337gültige Stimmen abgegeben. 17 Be-triebsratsmandate waren zu vergeben.Das Ergebnis:

Die Liste 1, das Team Erich Madl &•Hahn (die Listenzweite Margit Hahn

ist AUGE/UG-deklariert) erzielte61,41Prozent und 11 Mandate. Sie hältdamit klar die Mehrheit.

Die Liste 2, das der Fraktion Christ-•licher Gewerkschaer nahe Team Ser-dinsky kam auf 230 Stimmen(17,2Prozent) und 3 Mandate.

Die erstmals kandidierende Liste 3,•die Liste RiesenRat (mit den ebenfallsAUGE/UG-fraktionierten MahmoudKhageh und Ewald Magnes) schae

mit 286 Stimmen und 21,39Pro-zent auf Anhieb Platz 2 undebenfalls 3 Betriebsrats-Mandate.

Wir gratulieren „unseren“BetriebsrätInnen zu Wieder-wahl und hoffen auf eine – imSinne der KollegInnen – pro-duktive und konstruktive Zu-sammenarbeit. Die Zeiten wer-den schließlich mit Sicherheitnicht leichter. w

UniCredit Business Integrated Solutions:

BETRIEBSRAT GEWÄHLT

Im Dezember 2012 fanden

erstmals Betriebsrats -

wahlen in der „UBIS

Austria GmbH“ statt.

Von Markus Koza.

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Gewerkschaft & Betrieb

Wahlen bei der ÖBB-Personenverkehr

Beim RegionalmanagementWestachse 4 fanden im Dezem-ber 2012 Wahlen für den Be-triebsrat sta. Die KollegInnender UG-Vida mit SpitzenkandidatHeimo Schmelz haben beim ers-ten Mal Antreten ein Mandat ge-scha. Sehr erfreulich ist, dassauf der Liste mit 5 Kandidat -Innen 3 Frauen dabei sind.Das Ergebnis:

87 Prozent FSG = 7 Mandate•13 Prozent UG-Vida = 1 Man-•

dat (das zweite Mandat wurdeleider knapp verpasst).

Wir gratulieren unserenKolleg Innen herzlich zu ihremErfolg.

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Als gelernter Pädagoge, einer der höchsten Repräsentanten dieser Republik und Vorsitzender der stärksten Österrei-chischen Teilgewerkscha, bist du die ideale Ansprechperson für mich als Lehrer und unabhängigen Gewerkschaer.

Rechtzeitig zum Weihnachtsfest und Jahreswechsel erfährt die staunende Öffentlichkeit, wie viele Milliarden inunserer Republik herumliegen. Zum Zocken für diverse Länder und Gemeinden, zum Koffertransport nach Liechten-stein, als Schmiergeld für Lobbyisten, als obszöne „Gehälter“ von Bankenchefs usw. Diese Milliarden sind also nach-weislich vorhanden, nur halt nicht ganz optimal verwendet.

Gleichzeitig wird im Bildungssystem eingespart, dass die Schwarten krachen. Für immer weniger Geld sollen wirLehrerInnen immer mehr Aufgaben übernehmen, seit Jahren auch unbezahlte Arbeit leisten. So produziert man ameffektivsten LehrerInnen-Mangel und demotivierte MitarbeiterInnen, die der inneren Emigration zugetrieben werden.Ich nehme an, das willst auch du nicht.

Die Angebote der RegierungsvertreterInnen an unsere Gewerkschas-Verhandler beleidigen deren Fertigkeiten inden Grundrechnungsarten. Dein pädagogisches Machtwort im Parlament ist gefragt!

Korruption ist auch ein aktuelles ema. Die allseits bekannte Parteibuch-Wirtscha in Österreich scheint Teil derumfassenden Korruption zu sein. Ich nehme an, dass du als Parlamentarier mit aller Macht an der Trockenlegungdieser Sümpfe arbeitest.

Auch in der GÖD hast du uns schon o versprochen, die Ungerechtigkeit des Ausschlusse der UnabhängigenGewerkschaer Innen aus dem Vorstand in ordnung zu bringen. Mit acht Prozent der Wählerlnnen-Stimmen stehtder UG ein Sitz im 17-köpfigen GÖD-Vorstand zu. Braucht es da wirklich ein Gerichtsurteil?

Mit diesen zwei Anliegen stehe ich nicht an, dir ein gutes Neues Jahr und viel Kra bei der Umsetzung des Über-Fälligen zu wünschen!

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Gewerkschaft & Betrieb

Sehr

geehrter

Herr

Vorsitzender!

WILFRIED MAYRVorsitzender derÖLI/UG

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Gewerkschaft & Betrieb

m 8. Mai 1945 endeten der Zweite Weltkrieg unddie Nazidiktatur. Schon einen Monat zuvor, ab dem7. April, trafen sich die Gründungsväter (anfangswirklich nur Männer) des Österreichischen Ge-werkschasbundes im noch umkämpen Wien, um

darüber zu beraten, wie die österreichische Gewerkschas-bewegung wieder aufgebaut werden soll.

Ihnen, den anderen Gewerkschaern und den wenigenGewerkschaerinnen, die dann am 15. April im WienerWestbahnhof den ÖGB gründeten, kann es gar nicht hochgenug angerechnet werden, dass sie sich in dieser StundeNull nicht um ihre eigenen kleinen und großen Sorgen,sondern um die Reorganisation der vom Faschismus (wei-testgehend) zerschlagenen Arbeiterbewegung und darüberhinaus um die Gründung einer Republik kümmerten, dievon einem antifaschistischen Grundkonsens und von so-zialer Gerechtigkeit geprägt sein sollte. Dennoch warenmit der Gründung des ÖGB strukturelle Besonderheitenverbunden, unter denen wir heute noch leiden und die esnotwendig machen, den ÖGB endlich vom Kopf auf dieFüße zu stellen.

An der Wiege der Zweiten Republik und schon ein paarTage zuvor an jener des ÖGB – die provisorische Staats -regierung trat am 27. April erstmals zusammen – stand dersogenannte „Geist der Lagerstraße“, also eine in den Kon-zentrationslagern entstandene Überzeugung, dass es nachdem Ende des Nationalsozialismus nicht mehr sein darf,dass sich Christlichsoziale, SozialistInnen und Kommunist -Innen gegenseitig im wahrsten Sinne des Wortes bis aufsBlut bekämpfen, sondern dass diese gemeinsam gegen jedeForm des Faschismus und für Demokratie und soziale Ge-rechtigkeit arbeiten müssen. In der Ersten Republik stan-den sich bekanntlich christlichsoziale, sozialistische undkommunistische Richtungsgewerkschaen feindselig ge-genüber, womit der Weg für Austrofaschismus, Bürger-krieg und Nationalsozialismus zumindest erleichtert wurde.

In der Zweiten Republik sollten diese drei gewerkschali-chen und parteipolitischen Richtungen zusammen in einereinheitlichen organisation für gesellschalichen Fort-schri sorgen. So weit so gut. Nun aber zu den damit ver-bundenen Geburtsfehlern.

Demokratieproblem

Historisch entstanden Gewerkschaen und Gewerk-schasbünde, in dem sich Werktätige auf der unterstenEbene, in Betrieben und regional in Branchen, zusammen-schlossen und Vertrauensleute wählten, diese Basisstruk-turen vereinigten sich überregional zu Gewerkschaen, diesich wiederum branchenübergreifend zu Verbänden zu-sammenfanden. Ab einer bestimmten Größe und ökonomi-schen Stärke, war es möglich, hauptamtliche Gewerkschaf-terInnen, die sogenannten Sekretäre, anzustellen, die dieArbeit der ehrenamtlichen FunktionärInnen unterstützten.

WahlvorschlagIm ÖGB war und ist es umgekehrt. Am Anfang war der

ÖGB, gegründet von FunktionärInnen und vor allem Se-kretären der Richtungsgewerkschaen der Ersten Republik.Der ÖGB beschloss und beauragte die Bildung von da-mals 16 Fachgewerkschaen nach dem Industriegruppen-prinzip (mit Ausnahme der Angestellten, für die die GPAvorgesehen wurde). Die eingesetzten Sekretäre dieserFachgewerkschaen suchten sich FunktionärInnen für dieersten Gremien und diese wiederum warben die erstenMitglieder an der Basis. Top-down sta Boom-up. In derdamaligen Situation ging es aus dem notwendigen Prag-matismus heraus vermutlich nicht anders. Es ist aber heuteimmer noch so! In den meisten Gewerkschaen und ihrenGliederungen finden keine Direktwahlen der Funktionär -Innen durch die Mitglieder sta. Dort, wo es solche Wah-len gibt, wurden diese zumeist erst vor wenigen Jahreneingeführt, um dem Druck der Basis, insbesondere aus denReihen der Unabhängigen GewerkschaerInnen, widerwil-lig ein Ventil zu geben, nicht aber um die Gewerkschaengrundlegend zu demokratisieren. Üblicherweise sind esauch heute noch die SekretärInnen – zumeist zwei, rot undschwarz, – die einen „Wahlvorschlag“ ausarbeiten. Dasheißt, sie handeln die fraktionelle Aueilung aus und über-legen sich dann, wer von „ihren“ Leuten ins jeweilige Gre-

Was 1945 gut war, ist uns heute immer noch eine Last. Von Mario Lechner.

DIE GEBURTSFEHLERDES ÖGB

MARIo LECHNERVorarlberger Landessprecher der KIV/UG

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mium soll, möglicherweise noch wer von den „PUs“, den„Parteiunabhängigen“, also den fraktionell nicht deklarier-ten Betriebsratsmitgliedern, angefragt wird und sofern dieUG oder andere kleine Fraktionen im jeweiligen BereichStrukturen haben, müssen auch diesen noch einzelne Sitzezugestanden werden. Ich kann mich noch gut an GPA-Be-triebsräteversammlungen erinnern, bei denen lange überalles mögliche gesprochen wurde und dann der Gewerk-schassekretär zum Schluss anmerkte, dass noch eine Neu-wahl durchzuführen sei, dass es einen Wahlvorschlag gäbeund wenn „wir das schnell hinter uns bringen“, wird dasBuffet eröffnet. Natürlich war der „Wahlvorschlag“ schnellangenommen.

SekretärokratieDaraus wird schon klar: Die Macht im ÖGB liegt bei den

SekretärInnen. Sie rekrutieren Betriebsrats- und Personal-vertretungsmitglieder für ihre Fraktion, sie suchen sich dieFunktionärInnen für die Gremien aus, sie stellen den Vorsit-zenden die Tagesordnung zusammen, sie führen das Proto-koll etc. In der katholischen Kirche wird ein Pfarrer vom Bischof einer Pfarrgemeinde vorangestellt beziehungsweise

„er bekommt eine Pfarrei“. In anderen Kirchen werden Men-schen theologisch ausgebildet und müssen sich dann inPfarrgemeinden um eine Stelle als PastorIn bewerben. In

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vielen Gewerkschaen ist es ähnlich: Jemand wird alsHauptamtliche ausgebildet, angestellt und bewirbt sichdann bei den FunktionärInnen darum, die jeweilige Ge-werkschasgliederung betreuen zu dürfen. Der ÖGB ist indieser (und nicht nur in dieser) Hinsicht nach wie vor

„streng katholisch“. oder auch – bezogen eben auf die Machtdes „Apparates“ – „stalinistisch“: Der Verein ÖGB wurdenicht von demokratisch legitimierten Behörden der Zwei-ten Republik genehmigt, sondern von der stalinistisch- sowjetischen Militärkommandatur. Auch das war damalssicherlich nicht anders möglich, ist aber doch bezeichnend.

UmlegungZu den Fraktionen als Geburtsfehler kommen wir noch.

Um die Einheit des Gewerkschasbundes aufrecht erhaltenzu können, musste und muss stets ein Ausgleich zwischenden Interessen und Bedürfnissen der politischen Gruppie-rungen hergestellt werden. Demokratie stellt dabei eineGefahr dar. In der Demokratie kann etwas anderes herauskommen, als von den Drahtzieher(inne?)n gewollt. Alsowird das Kräeverhältnis der Fraktionen und damit dieMachtverteilung im ÖGB und in den Gewerkschaen in al-ler Regel nicht durch Direktwahl bestimmt, sondern ausge-handelt. Ein Hilfsmiel – aber wirklich nur ein Hilfsmiel,keine Vorschri – dafür ist die „Umlegung“. Die funktio-niert in etwa so: Rote und Schwarze GewerkschaerInnenwerden nach jeder Betriebsrats-, Personalvertretungswahl(und bei jeder anderen sich bietenden Gelegenheit) losge-schickt, die fraktionell noch nicht deklarierten Betriebs-ratsmitglieder zu einer Deklaration zu bewegen. Zum Bei-spiel: „Du bist doch katholisch, oder?“ „Also ChristlicherGewerkschaer, dann bräuchte ich da noch eine Unter-schri von Dir. Du wirst dann auch zum Weihnachtsesseneingeladen.“ Zufälligerweise sind dann FunktionärInneneiner Gewerkschasgliederung, die von einem/einer rotenSekretärIn betreut werden, über Jahrzehnte hinweg stabilmit großer Mehrheit FSG-deklariert und Bereiche, auf dieschwarze SekretärInnen Zugriff haben, verfügen über einestabile FCG-Mehrheit.

Dass es keine Gewerkscha für alle öffentlich Bediens-teten gibt, sondern eine für jene im Bundes- und Landes-dienst und eine für ArbeitnehmerInnen im Gemeinde-dienst, mag seltsam erscheinen, ist historisch und frakti-onspolitisch aber leicht erklärbar: Der öffentliche Dienstwar und ist ÖVP-dominiert. Die Gewerkscha öffentlicherDienst war also die einzige Chance der ÖVP beziehungs-weise der FCG eine Gewerkscha zu beherrschen. Einzi-ges Risiko dabei war das rote Wien. Gut, dass Wien nichtnur ein Land, sondern auch eine Gemeinde ist! Somit ha-ben wir nun seit 1945 eine schwarze „Gewerkscha öf-fentlicher Dienst“ und eine rote „Gewerkscha der Ge-meindebediensteten“. Um die Einheit zu bewahren, wer-den natürlich der jeweiligen Minderheitsfraktion, also derFSG in der GöD und der FCG in der GdG, weitgehendeMinderheiten- und Mitbestimmungsrechte zugestanden.Was aber, wenn nun in der GöD plötzlich eine drieFraktion, noch dazu mit Demokratieanspruch auri? Danicht sein kann, was nicht sein darf, findet spätestens hierdas System der Umlegung von deklarierten Personalver-treterInnen beziehungsweise von Wahlergebnissen bei Di-

rektwahlen ein Ende. Das Ansinnen der UGöD, als Frakti-on anerkannt zu werden und einen Sitz im GöD-Bundes-vorstand zu bekommen, ist ungefähr genauso absurd, wieeine Unterschrienliste von KatholikInnen zur Abwahldes Papstes – um wieder einen Vergleich mit der katholi-schen Kirche heranzuziehen. Der Unterschied ist nur, dassdie katholische Kirche erst gar nicht vorgibt, demokra-tisch zu sein. Selbstverständlich sieht das System auchnicht vor, dass die UG SekretärInnen stellen darf, diedann für die UG Deklarationen sammeln, oder dass denkleinen Fraktionen gegenüber transparent gemacht wird,wann und wo Betriebsratswahlen stafinden oder wer inwelchem Betriebsrat oder in welcher Personalvertretungfraktionell (noch) nicht deklariert ist.

Fraktionitis

Seit wann es im ÖGB Fraktionen gibt und seit wann eswelche Fraktion gibt, darüber gibt es verschiedene Ausle-gungen. Klar und unbestrien ist, dass der ÖGB von Ver-treterInnen dreier früherer Richtungsgewerkschaen beziehungsweise der drei Gründungsparteien der ZweitenRepublik gegründet wurde. Es gab die Fraktionen alsoschon vor dem ÖGB, auch wenn sie formal erst später ent-standen sind beziehungsweise es erst seit wenigen Jahreneine offizielle Fraktionsordnung gibt.

Eine starke Interessenvertretung der Mitglieder überideologisch unterschiedliche Zugänge zu stellen, ist begrü-ßenswert und eine Zielsetzung, der sich die UG sicherlichgut anschließen kann. Nicht umsonst hieß eine ihrer Vor-läufer- beziehungsweise Gründungsorganisationen „Ge-werkschaliche Einheit“. Was aber, wenn der Machtkampfder Fraktionen innerhalb der Gewerkschasorganisationwichtiger wird, als die Abwehr von Angriffen der Arbeitge-berseite und das gemeinsame Engagement für eine bessereWelt? Was, wenn die Fraktionitis, jeglicher Modernisierungund Demokratisierung im Wege steht? Die Fraktionen müs-sen nicht abgescha werden. Sie müssen sich aber dem de-mokratischen Webewerb stellen und ihr Einfluss muss zu-rück gedrängt werden. Hauptamtliche dürfen nicht nachparteipolitischen Kriterien, sondern müssen ausschließlichaufgrund ihrer persönlichen und fachlichen alifikationangestellt werden. Es muss flexible Gewerkschasstruktu-ren geben, in denen sich Mitglieder – unabhängig von ihrerFraktionszugehörigkeit – für ihre Interessen punktuell,temporär oder auch längerfristig engagieren können.

Staatstragende Gewerkschaften undSozialpartnerschaft

Nie zuvor und vermutlich selten danach konnten Ge-werkschaerInnen so massiv die Geschicke eines Staatesund einer Wirtscha mitbestimmen, wie in der StundeNull von 1945. Viele Betriebe waren zerstört und o her-renlos, der Kapitalismus als Bruder des Faschismus ent-tarnt, das Primat der Politik über die Wirtscha sehr weit-gehend. Der Auau einer besseren Welt schien und warmöglich. Die GewerkschaerInnen und der ÖGB nutzten

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diese Möglichkeiten. Über viele Jahre hinweg waren dieBundesregierung und der Nationalrat o Vollzugsorganedessen, was im ÖGB-Vorstand wirtschas- und sozialpoli-tisch beschlossen wurde. Natürlich funktionierte dieseSchiene auch umgekehrt. Waren anfangs die Kommunist -Innen sowohl in der Bundesregierung als auch in den Ge-werkschaen gleichberechtigte PartnerInnen, änderte sichdies in beiden Bereichen parallel hin zu den Realitäten des

„Kalten Krieges“. Streikten Belegschaen 1950 gegen dieausbeuterische Lohn- und Preispolitik der Bundesregie-rung, stellten sich die Gewerkschaen als williges Instru-ment zur Verfügung, diese Proteste niederzubügeln. „Politik ist die Kunst des Möglichen“, meinte nicht nur

oo von Bismarck, sondern wurde auch zur Maxime desÖGB – nicht nur im Verhältnis zum Staat, sondern auch imVerhältnis zum Klassenfeind, der nun nicht mehr so hieß,sondern zum „Sozialpartner“ mutierte. Wen interessierendie Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen der Mitglie-der? „Die Gewerkscha“ und die SPÖ kümmern sich docheh im Rahmen des Möglichen darum. Die Mitglieder sollenbloß nicht anfangen uneinsichtig und undankbar zu sein!

In einem politischen System, in dem zwei Parteien zu-sammen bei allen Wahlen mehr als 90 Prozent auf sich ver-einigen und dementsprechend die Republik, ja das ganzeLand inklusive Banken, Autofahrerclubs und Sportvereineuntereinander aueilten, ist es wahrscheinlich wenig ver-wunderlich und kaum verwerflich, dass sich diese Parteienauch die Macht in den Gewerkschaen aueilten. Wasaber, wenn diese organisationen ihre Aufgabe nur nochdarin zu sehen scheinen, rot-schwarze Regierungspolitikan der Basis zu „kommunizieren“ und Widerstände dage-gen im Keim zu ersticken? Was, wenn sich die makropoli-tischen und ökonomischen Machtverhältnisse dahinge-

hend ändern, dass sich der gesellschali-che Fortschri nicht mehr quasi automa-tisch einstellt, wenn es immer weniger zuverteilen, sondern immer weniger zu ver-teidigen gibt? Was wenn diese beiden Par-teien nicht mehr 90 Prozent bei Wahlenbekommen, sondern drohen unter 50 Pro-zent zu rutschen (und das bei sinkenderWahlbeteiligung)?

Wie eng die Politik der Gewerkschas-fraktionen an die der jeweiligen Bundes-regierung gekoppelt ist, konnte ich in derArbeiterkammer Vorarlberg erleben. 1994wurde ich Kammerrat in Zeiten einer rot-schwarzen Bundesregierung und ernteteviel Applaus, wenn ich mir Rededuellemit den Blauen lieferte. Nach der Wende2000 war alles plötzlich ganz anders. KeinWort der Kritik an der neuen Bundesre-gierung von Seiten der ÖAAB-Mehrheitund völliges Unverständnis darüber, dassich mich über eine Regierungsbeteiligungder Haider-FPÖ aufrege. Dafür eine wach-sende „Entfremdung“ zwischen ÖAABund FSG mit heiger werdenden Ausein -andersetzungen. In den letzten Jahren berichten mir meine Nachfolger Innen

wieder ganz anderes: Schwarz und Rot sind wieder einHerz und eine Seele.

Ein interessantes Detail dazu findet sich auch in der Geschichte des ÖGB im Jahre 1970. Da wurden nämlichdie FPÖ-Arbeitnehmer in den ÖGB-Bundesvorstand auf-genommen. Natürlich nur rein zufällig in jenem Jahr, indem die FPÖ eine sozialdemokratische Minderheitsregie-rung stützte.

Dass es immer wieder vorkommt, dass sich Funktionär -Innen auf Gewerkschasversammlungen kämpferisch geben und dann am nächsten Tag im Parlament genau fürdas Gegenteil stimmen, ist auch nichts Neues.

Es mag sicherlich auch heute noch Belege dafür geben,dass sich die Nähe des ÖGB zu den staatstragenden Partei-en und zum Staat selbst in einzelnen Belangen als vorteil-ha erweist. Dem steht aber eine lange Liste an Erfahrun-gen gegenüber, bei denen diese Nähe eine konsequente Interessenvertretung der Mitglieder unmöglich machte.

Mikado

Die Gewerkschaen vertreten spezifische Interessen ih-rer Mitglieder in den Branchen, für die sie zuständig sind.Der ÖGB vertri übergeordnete Interessen. In Zeiten, indenen an allen Ecken und Enden der gesellschaliche Auf-bau und Fortschri spürbar ist, ergeben sich daraus wenigKonfliktfelder. Die Gewerkschaen waren anfangs demÖGB klar untergeordnet. Das drückt sich auch heute nochdadurch aus, dass nur der ÖGB eine selbständige juristi-sche Person ist und die Gewerkschaen nur teilrechtsfähig

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sind. Es ist aber längst nicht mehr so, dass der ÖGB dieseKarte ausspielen und den Fachgewerkschaen Vorschrif-ten machen könnte. Der GöD ist es beispielsweise seitJahrzehnten egal, dass der ÖGB ein Fraktionsstatut hat, dassie eigentlich dazu zwingt, die UG anzuerkennen, und derÖGB nimmt das mit dem Ausdruck des Bedauerns zurKenntnis. Der ÖGB ist nämlich im Verhältnis zu den Ge-werkschaen schwach und wird von diesen schwach ge-halten. Ebenso wie es ein permanentes Bemühen um einenAusgleich zwischen den (beiden) Fraktionen gibt, achtenauch alle darauf, dass keine Fachgewerkscha auf derÖGB-Ebene zu mächtig wird. Der ÖGB spielt Mikado: Wersich bewegt, verliert. Nicht der beste, stärkste, engagiertes-te Kandidat wird ÖGB-Landesvorsitzender, sondern jener,der für die Sandkästen der Gewerkschaen am wenigstengefährlich werden kann. Für die Gewerkschasbewegunginsgesamt bedeutet dies, dass zwar einzelne Berufsgruppenum ihre Partikularinteressen kämpfen, dass gleichzeitigaber eine starke organisation fehlt, die – gerade angesichtsder allgemeinen ökonomischen, ökologischen und politi-schen Krisen – eine übergreifende kämpferische Interes-senvertretung organisiert. Der ÖGB ist alles andere alseine gemeinsame Kampforganisation der Werktätigen,sondern die Plaform, auf der die Einzelgewerkschaendarauf achten, dass sich im innerorganisatorischen Gefügemöglichst wenig ändert.

Patronalismus

„Wenn ich ein Problem habe, gehe ich zur Gewerkscha.Die regelt das für mich. Dafür zahle ich schließlich ja auchmeinen Mitgliedsbeitrag.“ So ist vermutlich die Haltungdes durchschnilichen Gewerkschasmitglieds. Logischer-weise stellen viele die Zahlung ihres Beitrags ein, wenn siemerken, dass das so nicht oder nicht mehr funktioniert.Ein Problem, das weltweit in Gewerkschaen zu beobach-ten ist, die ein stark patronalistisches Verständnis und Ver-hältnis zwischen Gewerkschasorganisation und Mitglie-dern haben.

Je tiefer diese Haltung verwurzelt ist, umso größer dasProblem. Alles bisher Beschriebene, die Demokratie- undLegitimationsprobleme, die Nähe zwischen Gewerkscha,Fraktion, Partei und Staat, die Sozialpartnerscha und dieUnbeweglichkeit erklären, warum dieses Problem im ÖGBund in den Gewerkschaen massiv ist. „Wir haben in un-serem Zuständigkeitsbereich einen hohen organisations-grad (zumindest, wenn wir die PensionistInnen dazu zäh-len), vertreten also unsere Mitglieder gut.“

Was aber, wenn große Betriebsstrukturen in immer klei-•nere und immer schwerer zu betreuende zerteilt werden?

Was, wenn Arbeitsbedingungen und die damit einher -•gehenden Probleme immer vielfältiger werden?

Was aber, wenn unsere Mitglieder aus unserem Zustän-•digkeitsbereich ausgelagert und outgesourced werden?

Möglicherweise brauchen wir dann eine andere Haltungund andere Gewerkschaen. Eine Gewerkscha, in der dieMitglieder nicht sagen: „Die Gewerkscha soll das für unsregeln“, sondern „Wir sind die Gewerkscha“ und die Din-ge selbst in die Hand nehmen. Eine Gewerkscha, die sie

befähigt und unterstützt, ihre eigenen Interessen selbstän-dig und eigenverantwortlich zu vertreten und eine Ge-werkscha, die auch imstande ist übergeordnet Solidaritätzu organisieren und kampagnen- und kampffähig bezie-hungsweise -willig ist.

Konsequenzen

Um den ÖGB endlich vom Kopf auf die eigenen Füße zustellen, ist zunächst eine umfassende Demokratisierungnotwendig. Natürlich können nicht alle Gremien auf allenEbenen in den Gewerkschaen und im ÖGB direkt ge-wählt werden. Jedes Gewerkschasmitglied sollte aber dieMöglichkeit haben, in jeder Funktionsperiode zumindesteinmal auf Gewerkschas- und einmal auf ÖGB-Ebene aneiner Direktwahl teilzunehmen.

Natürlich müssen dabei für die Gewerkschaspolitik tat-sächlich relevante Gremien gewählt werden und nichtetwa nur Betriebsausschüsse, ortsgruppen und derglei-chen. Andererseits dürfen die zu Wählenden nicht zu weitweg von der Basis sein. Bundesweite Wahlen sind vermut-lich ungeeignet, um die Bindung der Mitglieder zu ihrerGewerkscha zu erhöhen. In größeren Gewerkschaenwären die zu wählenden Ebenen also die Branchengliede-rungen in den Ländern, also etwa die Wirtschasbereichein der GPA-djp oder die Landesleitungen in den Sektionender GöD, in kleineren, weniger gegliederten Gewerkschaf-ten die Landesvorstände. Im ÖGB wäre vorstellbar, einenTeil der Landesvorstände über die Fachgewerkschaenund Abteilungen zu beschicken und einen Teil, etwa dieHäle, über eine Direktwahl. Diese Wahlen müssen – dasmuss im ÖGB leider dazugesagt werden – den üblichenMindestanforderungen entsprechen. Als Nächstes mussder ÖGB innerhalb der Gewerkschasbewegung zum Motor für Innovation werden.

Er kümmert sich – nicht in Konkurrenz, sondern in• Kooperation mit den Gewerkschaen – um die wachsen-den Bereiche, in denen die Gewerkschaen schwach organisiert sind.

Er kümmert sich um die an Bedeutung zunehmenden•branchen- und gewerkschasübergreifenden Fragen: Deregulierung, atypische Beschäigung, Arbeitslosigkeit,Integrationspolitik …

Er kümmert sich um den Blick über den Gartenzaun, um•eine europäisch, international und global vernetzte Gewerkschasarbeit.

Er fördert ein neues organisationsverständnis, hin zu•mündigen, eigenverantwortlichen, engagierten Mitgliedern,die von den Gewerkschaen ausgebildet und unterstütztwerden.

Er fördert flexible, basisnahe, kampf- und kampagnen -•fähige Strukturen in den Gewerkschaen und gewerk-schasübergreifend.

Und das alles bie ein bisschen flo!2015 feiern wir 70 Jahre ÖGB. Das könnte die

Geburtsstunde eines ÖGB für das 21. Jahrhundert sein.ohne Geburtsfehler! z

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Im Herbst 2012 erschien wiedereinmal eine Publikation zu einer

„nachhaltigen Pensionsreform nachschwedischem Muster (Beitragskon-ten auf Umlagebasis), in der sich etwa50 österreichische Wissenschaler,Unternehmer und ehemalige Politiker“für einen sachlichen Dialog um diebesten Pensionsreformvarianten aufder Höhe der Zeit positionierten.

Das 2. Bundespensionistenforum(oktober 2012) an dem 130 Delegierteaus allen Bundesländern und Fraktio-nen teilnahmen, beschäigte sichauch intensiv mit diesem neuerlichenAngriff auf das vorhandene solidari-sche Umlagesystem. ÖGB-PräsidentErich Foglar erklärte in seinem Refe-rat ausdrücklich „dass der beste Ga-rant für ein sicheres und ausreichendfinanziertes solidarisches Pensionssys-tem eine hohe Beschäigungsrate ist“.

Wir lehnen es entschieden ab, mitdieser systematischen Schlechtredereidie Menschen in die Hände privaterPensionsversicherungen zu treiben!Die Pensionsversicherung der Arbei-terInnen und Angestellten (ohne Be-amte) hat durch das Beitragsauom-men von Versicherten und Arbeitge-bern einen Selbstdeckungsgrad vonmehr als neunzig Prozent der Versi-cherungsleistungen. Bei Inkratretendes ASVG (1954/55) war vorgesehen,dass ArbeitnehmerInnen, Arbeitgeberund der Staat zu je einem Driel dieFinanzierung der Versicherungsleis-tungen übernimmt. Davon ist derStaat weit entfernt und es ist eine agi-tatorische Frechheit, jetzt den ver-pflichteten Staatszuschuss als „Defizit-abdeckung“ zu bezeichnen.

Sozialminister Rudi Hundstorferstellte auf dem Bundespensionisten-forum fest, dass dieser omals kriti-sierte Bundeszuschuss zu den Pensio-nen ein Teil der Armutsbekämpfungsei. Weiters forderte Hundstorfer dieWirtscha auf, genügend altersge-rechte Arbeitsplätze anzubieten unddie Arbeit so zu organisieren, daßdie Gesundheit der Beschäigten er-halten bleibt.

Die Konferenz beschäigte sichauch mit sechzehn Anträgen, die sichunter anderem mit Lebensstandard sichernden Pensionen, Gesundheits-vorsorge, Pflege- und Betreuungsfondund Generationenproblemen beschäf-tigten. Fünfzehn Anträge wurden po-sitiv beschlossen, nur ein Antrag derPensionistenvertreter der Gewerk-scha Öffentlicher Dienst auf Verbes-serung der informellen Strukturen inden Bundespensionistengremien wur-de von der SP-Mehrheit abgelehnt.Der wiedergewählte ÖGB-Bundespen-sionistensprecher Werner um gabdanach eine Erklärung ab, dass er inKürze eine Beratung aller Fraktions-vertreter einberufen werde, um die in-terne Kommunikation zu verbessern.

In diesem Zusammenhang stellt sichdie Frage, nach welchen Überlegun-gen oder Regeln die Delegierten fürdiese Konferenz ausgewählt werden.Das Delegierungsrecht haben die je-weiligen Gewerkschaen, üblicher-weise werden bei Delegierungen omi-nöse Delegierungsschlüssel auf Grundvon Betriebsratswahlen ausgearbeitet.Da diese Methode bei PensionistInnenkeine Gültigkeit haben kann, wärenvielleicht Formen direkter Demokratie,das heißt Einbeziehung der pensio-nierten Mitglieder, für die Zukun zuüberlegen. w

UMLAGESYSTEM ODERSPONSOREN?

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Magazin

Das Bundespensionistenforum beschäftigte sich mit dem Angriffauf das Umlagesystem und Anträgen, die Lebensstandardsichernde Pensionen, Gesundheitsvorsorge, Pflege- undBetreuungsfond und Generationenprobleme betrafen

Für die UG sind aktuell

Franz Mikolasch (AUGE/UG)und Dr.Eva Groyer (KIV/UG)als sein Ersatz im Vorstandder Bundespensionist Innen.

Die PensionistInnen im

ÖGB beschäftigten sich mit

den neuerlichen Angriffen

auf das solidarische

Umlagesystem.

Von Franz Mikolasch.

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Doch noch nie zuvor war es sodeutlich wie jetzt. Erstmals erhebenjene ihre Stimmen, die von der hiesi-gen und europäischen Migrationspoli-tik betroffen sind: Sie wollen ein men-schenwürdiges Leben führen. Sie wol-len in Österreich bleiben oder weiter-ziehen können. Sie wollen arbeiten.Sie sprechen für sich selbst und wol-len gehört werden.

In Österreich begannen die ProtesteMie oktober 2012, als somalischeFlüchtlinge zwei Tage vor dem Parla-ment in Wien campierten und einePetition übergaben. Sie erhielten keineReaktion seitens der adressierten Poli-tikerInnen. Deshalb organisiertenFlüchtlinge und AsylwerberInnen imNovember 2012 einen Protestmarschvon Traiskirchen nach Wien. Aus dem35 Kilometer langen Fußmarsch wur-de ein Protestcamp im Sigmund FreudPark. Nachdem die klirrende Kälteund die polizeilichen Kontrollen dieSituation jedoch zunehmend prekärwerden ließen, suchten die protestie-renden Flüchtlinge aus Pakistan, Af-ghanistan, Somalia, Marokko und Algerien am 18.Dezember 2012, demInternationalen Tag der Rechte derMigrantInnen, Schutz in der Votivkir-che. Damit wurde ihr selbstorganisier-ter Protest zu einem Politikum.

Gleichzeitig reagierten die Behör-den, nicht zuletzt auf Zuruf rechterScharfmacherInnen: Kurz nach Weih-nachten räumte die Polizei das Refu-geeProtestCamp. Wie milerweile be -kannt wurde, geschah dies mit Wis-sen von Bürgermeister MichaelHäupl (SPÖ). Dabei wurden zweiMenschen wegen „illegalem Aufent-halt“ inhaiert, ein Großteil desmühsam aufgebauten Zeltlagers wur-de zerstört. Und Anfang Jänner 2013hat die Fremdenpolizei in der Näheder Votivkirche vier weitere Flücht-linge festgenommen. Diese sitzen bisheute in Schubha.

Seit zwei Monaten dauern dieFlüchtlingsproteste in Österreich nunschon an. Die Flüchtlinge in der Vo-tivkirche wollen ihren Protest solangefortsetzen, bis ihre Forderungen von

den verantwortlichenPolitikerInnen und Insti-tutionen ernst genom-men werden. Dabei er-halten sie breite gesell-schaliche Unterstüt-zung. VertreterInnen von

verschiedenen ordensgemeinschaen,politischen Parteien, NGos besuchendie Menschen in der Votivkirche,sprechen ihnen Mut zu, zuletzt warenes Kardinal Christoph Schönborn, Susanne Scholl und Jean Ziegler. Frei-willige JuristInnen, Ärzt Innen undDeutschlehrerInnen unterstützen dieMenschen mit ihrem Wissen. Mehr als2500 Menschen haben bislang eineUnterstützungserklärung unterzeich-net, darunter zahlreiche prominentePersönlichkeiten nicht zuletzt aus Gewerkschaen. Zahlreiche Gewerk-schaerInnen, unter anderem ÖGB-Präsident Erich Foglar, Dwora Stein(Gewerkscha der Privatangestellten,Druck, Journalismus, Papier) und Rudolf Kaske (Arbeiterkammer Wien)haben die Petition als eine der Erstenunterschrieben.

Trotz Vermilungsversuchen vonCaritas und Diakonie lehnte Innen-

ministerin Mikl-Leitner weitere Ge-spräche zu den Forderungen derFlüchtlinge ab. Darauin ist ein Teilder Menschen in einen Hungerstreikgetreten, der bereits über zwanzigTage andauert. w

Infos zu Unterstützungsmöglichkeiten:refugeecampvienna.noblogs.org

Mehr zum Thema „(Über)Leben ohnePapiere in Österreich“ erfahrt ihr in dernächsten Ausgabe der Alternative.

Fotos am Cover, auf dieser und dernächsten Seite: Lisbeth Kovacic, GeorgBrezlanovits.

REFUGEE PROTEST CAMP

Die Situation von Asyl -

werberInnen, Flüchtlingen,

Menschen ohne Papiere ist

nicht nur in Österreich

untragbar.

Von Sandra Stern.

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Magazin

We don’t fight for warm beds.

We want our future. We want to do

something for our live.

SANDRA STERNGewerkschaftsaktivistin undSozialwissenschafterin. Sie ist imRahmen des PrekärCafé politisch aktiv

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Die AUGE/UG hat sich in  Initiativen und Anträgen in Gewerkschaen und der Arbeiterkammer seit jeher für einhumanitäres Bleiberecht, gegen Schubha, für ein fairesAsylverfahren, für eine Erweiterung des Katalogs vonAsyl anerkennungsgründen, für den Ausbau unabhängigerBeratungseinrichtungen sowie den freien Arbeitsmarkt -zugang für AsylwerberInnen für die Dauer des Asylverfah-rens stark gemacht.

Bereits 2005 wurde ein entsprechender Antrag in derVollversammlung der Arbeiterkammer Wien eingebracht,der schließlich auch eine Mehrheit fand. Es freut uns ins-besondere, dass die Forderung nach Öffnung des Arbeits-markts inzwischen auch von den Teilgewerkschaen

„Privatangestellte, Druck, Journalismus, Papier“, der „Produktionsgewerkscha“, der „vida“ und vom ÖGB unterstützt wird.

Inzwischen folgen auch die Gewerkschaen unsererlangjährigen Argumentation, dass die Verweigerung desArbeitsmarktzuganges für Flüchtlinge nicht jene vor Ar-beitsmarktkonkurrenz „schützt“, die einer „legalen“ Er-werbstätigkeit nachgehen. Vielmehr befördert das Abdrän-gen von AsylwerberInnen in „informelle“, „illegale“, ar-beits- und sozialrechtlich nicht abgesicherte Arbeitsver-hältnisse das genaue Gegenteil von „Schutz“ – wird dochder Druck auf Löhne und „reguläre“, arbeits- und sozial-rechtlich abgesicherte Arbeit durch Entstehen eines „infor-mellen“ Arbeitsmarktes mit entsprechenden rechtlosenund ausbeuterischen „Billig“-Arbeitsverhältnissen tatsäch-lich erhöht.

Die AUGE/UG unterstützt daher auch die im Rahmendes „Protestmarschs“ der Flüchtlinge von Traiskirchen

nach Wien sowie des „Refugee camps“ im Votivpark aufge-stellten Forderungen, insbesondere jene nach Öffnung desArbeitsmarkts für AsylwerberInnen:

Verbesserung der Grundversorgung von AsylwerberIn-•nen (besserer Zugang zur Gesundheitsversorgung, die Be-gleitung durch DolmetscherInnen bei Arztbesuchen, aus-reichendes und gesundes Essen, bessere Arbeitsbedingun-gen in Traiskirchen, Schulbesuch für Kinder in regulären,österreichischen Schulen, Zugang zu modernen Kommuni-kationsmieln, Internet, internationale Fernsehsender etc.und mehr Angebote an deutschen Sprachkursen und beruf-licher Ausbildung)

raschere Verfahrensabwicklung•besserer Zugang zu Information und Rechtsberatung•

in eigener Sprachebessere alifikation der DolmetscherInnen•Anerkennung des Flüchtlingsstatus•Recht auf Familienzusammenführung•Zugang zum Arbeitsmarkt für die Dauer •

des Asylverfahrensgegen Übersiedlung in isolierte Unterküne•gegen Abschiebungen•Wir fordern die Bundesregierung und den Gesetzgeber•

auf, endlich den Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnenfür die Dauer des Asylverfahrens zu ermöglichen

Wer hier lebt, muss einer legalen Arbeit zur eigenständi-•gen Existenzsicherung nachgehen können

Wer hier um Asyl ansucht hat das Recht auf ein faires•Verfahren, menschenwürdige Unterkun, Grundversor-gung und Behandlung w

KEIN MENSCH IST ILLEGALDie AUGE/UG unterstützt die Forderungen der Flüchtlinge und fordert,

endlich den Arbeitsmarkt für AsylwerberInnen zu öffnen.

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Magazin

Page 28: AlternativeJänner/Februar 2013

Arbeitsplatz- beziehungsweise Ar-beitsmarktneutralität ist ein großesParadox des widersprüchlichen sozia-len Hilfesystems Zivildienst und Frei-willigen Sozialen Jahr in Österreich.

Denn: Formal gesehen sind Zivil-diensteinsatzplätze und Einsätze imRahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres keine Arbeitsplätze. Es dürfendurch den Einsatz von Zivildienstleis-tenden und freiwilligen Sozialhelfer -Innen keine bestehenden Arbeitsplät-ze verloren gehen, noch darf durch siedie Schaffung von neuen Arbeitsplät-zen verhindert werden. offiziell darfnämlich der Sozialstaat weder von Zi-vildienstleistenden noch von freiwilli-gen Jahreseinsätzen abhängig sein.

Die Realität der sozialstaatlichenWirklichkeit ist natürlich völlig an-ders – nämlich genau das exakte Ge-genteil. Beinahe immer werden diemeist staatlich subventionierten unddeshalb konkurrenzlos billigen Zivil-dienstleistenden herangezogen, umdas reguläre Arbeitspensum ihrer Einrichtungen zu bewältigen oderPersonallücken zu schließen. Undauch bei den freiwilligen Sozialhelfer -Innen ist es nicht anders – auch siekosten wenig und sind allemal billigerals Fixpersonal, welches ohnehinnicht mehr leistbar ist.

Im Zivildienstgesetz selbst ist der Begriff „Arbeitsplatzneutraltät“ selbstnicht explizit genannt, rund um dieSchaffung des Gesetzes und die ent-sprechenden Novellierungen wurdeaber immer von dieser Arbeitsplatz-neutralität ausgegangen. Und demFreiwilligengesetz häen die im Vor-feld den Gesetzesentwurf begutachten-de Arbeiterkammer und die Gewerk-scha niemals ihre Zustimmung gege-

ben, wäre die „Arbeitsmarktneutralität“nicht im Gesetzestext enthalten.

Denn Arbeitsplatz- oder Arbeits-marktneutralität implizieren, dassman diese Einsätze gar nicht brauchenwürde, dass die AbsolventInnen bes-tenfalls ein wenig Erfahrungen, Ein-drücke und Wahrnehmungen nach ih-rem eigenen Belieben sammeln kön-nen, ohne sich den Alltagsanforderun-gen im Sozialbereich tatsächlich stel-len zu müssen. Wie sollte wohl ein Zivildiener beim Roten Kreuz geset-zeskonform arbeitsplatzneutral richtigvorgehen, wenn er Schwerverletzteins Krankenhaus zu transportierenhat? Und wie würde das richtige ar-beitsmarktneutrale Vorgehen einerfreiwilligen SozialhelferIn im Pflege-heim aussehen, die schwer dementeMenschen zu betreuen hat? Und beifreiwilligen SozialhelferInnen ist an-

gedroht, dass diese in einer Einrich-tung nicht mehr eingesetzt werdendürfen, wenn es Indizien dafür gibt,dass der Einsatz nicht arbeitsmarkt-neutral organisiert ist!

Da passt doch was überhaupt nichtzusammen? Und natürlich wissen alleHandelnden verantwortlichen Politi-kerInnen und Funktionäre von dieserTatsache. Doch weil nicht sein darf,was tatsächlich ist, wird getan alswäre es nicht so! Bei diesem Tatbe-stand wird kollektiv von allen Verant-wortlichen die Realität ganz bewusstund konkret kalkuliert nicht zurKenntnis genommen und ein Vorge-hen an den Tag gelegt, welches wiraus dem Märchen „Des Kaisers neueKleider“ kennen. Da wird seit Jahr-

zehnten eine fiktive Scheinwelt kon-struiert, die offensichtlich ausschließ-lich dazu dient, den dringend gegebe-nen Handlungsbedarf zu negieren. w

*) Anmerkung: Es ist das nicht jenes Frei-willige Soziale Jahr, welches sich Bun-desminister Hundstorfer als Ersatz fürden Zivildienst vorstellt und das 14 maljährlich mit 1386Euro brutto abgegoltenwerden soll. Bei der bestehenden gesetz-lichen Form liegt der Verdienst bei netto220Euro monatlich, 14 mal im Jahr, ge-koppelt mit einem Anspruch auf freiesQuartier und Verpflegung.

NEUTRALER ARBEITSMARKT

Arbeitsplatz- beziehungs-

weise Arbeitsmarktneutra -

lität taucht in Verbindung

mit Zivildienst und den

Rahmenbedingungen des

Freiwilligen Sozialen

Jahres*) auf.

Von Christian Aichmayr.

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CHRISTIANAICHMAYRAktivist der AUGE/UGoberösterreich

Wie würde das richtigearbeitsmarktneutrale Vorgehen einerfreiwilligen SozialhelferIn im Pflegeheimaussehen, die schwer demente Menschenzu betreuen hat?

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as erste Europäische Sozial-forum fand im November2002 in Florenz sta. Es wargeprägt vom bevorstehen-den Irakkrieg. Mehr als fünf-

zigtausend Menschen aus ganzEuropa diskutierten im Geiste desWeltsozialforums von Pôrto Alegre(Brasilien; erstes Weltsozialforum2001) Perspektiven für „eine andereWelt jenseits von Kapitalismus undKrieg“. Durch die örtliche Konzen-tration der Veranstaltungen entstand

ein starkes Gemeinschasgefühl. Beschlüsse wurden mit voller Ab-sicht nicht verabschiedet, da dasKennenlernen und Vernetzen imVordergrund stand. An der abschlie-ßenden Kundgebung nahmen knappeine Million Menschen teil.

Genau zehn Jahre danach trafmensch sich in der gleichen Stadt,am gleichen ort (Fortezza da Basso)wieder, um Perspektiven und Strate-gien für die nächsten zehn Jahre zuentwickeln. Daher der Titel: „Firenze

10+10 – Kräe sammeln für ein anderes Europa“. Die Netzwerke kamen nicht zu kurz: Sie haen zweiTage zur Verfügung, um Absprachenuntereinander zu treffen. Sie fügtensich in thematische Blöcke ein:

Demokratie in Europa (Antifa-•schismus und Migration, Konzeptioneines anderen Europas)

Sparpolitik (Finanzkrise und• Schulden)

Natürliche und soziale Gemein -•güter (natürliche Ressourcen und öffentliche Dienste)

Rechte und Arbeit (Arbeit und• soziale Rechte)

Bitte umblättern

ERICH DITTRICHMitglied der KIV/UG und Personal -vertreter bei der Gemeinde Wien.

HERMANN DWoRCZAK Aktivist im Welt-, europäischenund österreichischen Sozialforum.

Zehn Jahre nach dem ersten Europäischen Sozialforum traf sich mensch im vergangenenNovember erneut in Florenz, um kritisch Bilanz zu ziehen und solidarisch nach vorne zu blicken.

Von Erich Dittrich und Hermann Dworczak.

„FIRENZE 10+10“

KRÄFTE SAMMELN FÜREIN ANDERES EUROPA

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Europa und die Welt (Kriege etc.)•Vernetzungstreffen•Die diesen Blöcken sich zuord -

nenden Gruppen gestalteten ihr Pro-gramm selbst, mit Hilfe eines/er As-sistentInnen aus dem organisations-Team. Es gab keine zentrale Pro-grammgruppe mehr. In Florenz trafsich, wer an einem europäischen

„Gegenentwurf“ arbeiten wollte. Dasgemeinsame Anliegen hieß: „Europaneu begründen“ – einschließlich derFrage der Ökonomie und der Insti-tutionen (an diesen beiden Punktenwar der Entwurf einer „Charta der

Grundsätze für ein anderes Europa“2007 gescheitert). In Florenz standdeutlich der Wille im Vordergrund,die Debae über Europa zu politisie-ren und Raum für „strategische Dis-kussionen“ zu haben. Die Diskussio-nen waren (selbst) kritisch und zu-meist von einem hohen Grad derSolidarität geprägt. Am Abend des9.Novembers fand eine Kundgebungsta, in der der „Reichs kristallnacht“gedacht und der aktuelle Rechtsex-tremismus problematisiert wurde.

Angesichts der offenkundigen Kri-sen des Kapitalismus und der bein-

harten Austeritätspolitik des interna-tionalen Kapitals (Griechenland!) dominierte der Wille zu gemeinsa-mem, europaweitem Handeln. Amletzten Tag wurde eine Art „Aktions-Kalender“ für 2013 beschlossen. Damit diese Aktionen mit der gehö-rigen Breite auch tatsächlich kom-men, bedarf es jedoch noch viel En-gagement und Hirnschmalz – inEuropa und bei uns in Österreich. z

Schlusserklärung von Florenz

Florenz 10 + 10 ist zu Ende: Aufruf zu Aktion und Planung!

Mehr als 4000 Teilnehmer, 300 Netzwerke und organisationen aus 28 Ländern aus ganz Europa und darüber hinaus trafen sich imFortezza da Basso in Florenz um gemeinsam zu diskutieren und Strategien für ein anderes Europa zu entwickeln. In über 100 Mee-tings entstanden viele neue Netzwerke und Kampagnen. Aus dem Sich-Aufeinander-zu-Entwickeln entstand ein Aufruf zu gemein -samen Aktionen und außerdem ein vorgeschlagener Aktionsplan:

VEREINIGUNG DER KRÄFTE FÜR EIN GEMEINSAMES EUROPA

Unsere Demokratie anstatt ihrer Sparpolitik

Soziale organisationen, soziale Bewegungen, Gewerkschaften undBürgerInnen, die gegen Sparpolitik und Schulden, für die natürlichenund sozialen Gemeingüter, für Sozial- und ArbeiterInnenrechte, fürDemokratie, globale Gerechtigkeit und Frieden, geschlechterpolitischeFragestellungen und MigrantInnenrechte sind, haben sich in Florenz10+10 versammelt.

Wir rufen zu einer permanenten, europäischen Mobilisierung auf,welche die Kämpfe gegen die Krise unterstützt, um eine Zukunft fürjede und jeden in Europa und in der Welt aufzubauen. Diese Mobili-sierung schließt sowohl eine Bündelung der Kräfte als auch dezentraleAktionen mit ein.

Die erste einigende Initiative zu einer europaweiten Bündelung ist der Generalstreik und die Mobilisierung gegen die Sparpolitikam 14.November 2012.

Wir schlagen vor: Einen gemeinsamen Aktionstag anlässlich des EU-Frühjahrsgipfels, welcher am 23. März in Brüssel stattfindenwird. Die Ausführung und der endgültige Aufruf dieser gemeinsamen Mobilisierung werden in den kommenden Monaten in einemoffenen und partizipatorischen Prozess diskutiert und abgestimmt werden.

Wir rufen zur Befürwortung der folgenden Aktionen und Mobilisierungen auf:

Konkrete Solidaritätsaktionen zur Unterstützung der durch die Sparpolitik Betroffenen ebenso wie der opfer rassistischer Gewalt unddes Missbrauchs.

Alle organisationen und Bewegungen mögen diese Aktionen befürworten, daran teilnehmen und diese gestalten.

8. März 2013: Europäische Aktion zur Unterstützung•des emanzipatorischen Kampfes der Frauen gegenSparpolitik und Schulden26.—30. März 2013: Weltsozialforum in Tunis•Mai 2013: Blockupy in Frankfurt•

2.—5. Mai 2013: Zentral- und osteuropäisches Sozial-•und Umweltforum in Wien 7.—9. Juni 2013: Altersummit (Gegengipfel) in Athen•Juni 2013: G8-Gegengipfel in Großbritannien•

Page 31: AlternativeJänner/Februar 2013

Die türkische Architekten- und Ingenieurskammer hae die Klagebeim obersten Gerichtshof gegen dasumstriene Staudammprojekt erho-ben. Ihr Vorwurf: Der Bau von Ilisusowie die Errichtungen der damit zu-sammenhängenden Straßen, Gebäu-den etc. widerspreche den geltendenUmweltgesetzen der Türkei. DieserKlage gab der Gerichtshof nun An-fang Jänner sta.

Tatsächlich ignoriert die Türkei beiIlisu seit Jahren ihre eigenen rechtli-chen Vorgaben. Die sowieso schon la-xen Umweltverträglichkeitsprüfungenwurden nicht durchgeführt. Nun istausgerechnet Umweltminister VeyselEroglu aufgefordert, den Bau zu stop-pen. Eroglu war vor seinem Minister-amt Chef der obersten Staudamm -behörde. Er gilt als einer der vehemen-testen Befürworter des Projektes.„Das ist ein Erfolg des Widerstandes

und gibt neue Hoffnung für Hasan-keyf, tausende Menschen in der Regi-on und für die NGos, die seit Jahrenden Bau bekämpfen,“ so Ulrich Eichel-mann von RiverWatch.

Doch wie bei anderen Staudamm-projekten auch (zum Beispiel BeloMonte in Brasilien), ist damit zu rech-nen, dass die Regierung den Beschussdes Gerichts ignoriert und stadessenim Eilverfahren neue Gesetze be-schließt. Tatsächlich hae die türki-sche Regierung 2011 schon einmal einähnliches Verfahren verloren. PremierErdogan hae darauin mit neuenGesetzen geantwortet. Dagegen haedie Architekten- und Ingenieurskam-mer erneut Widerspruch erhoben undnun damit Recht bekommen.

Noch wird am Tigris gebaut. Dienächsten Tage werden zeigen, ob dieRegierung in Ankara den Vorgabendes Gerichtshofes folgt oder sie igno-riert. Eines ist aber jetzt schon sicher:Diese Entscheidung des Gerichts er-möglicht weitere juristische Einsprü-che und Klagen gegen Ilisu. Natur-schutzorganisationen, Architekten-und In ge nieurskammer und engagier-te Bürger werden diese Möglichkeitennutzen. „Das letzte Wort bei Ilisu istnoch nicht gesprochen, es wird nocheine längere Auseinandersetzung. Widerstand lohnt sich,“ ist Ulrich Eichelmann überzeugt.

Das Ilisu-Staudammprojekt am Tig-ris im Südosten der Türkei ist einesder umstriensten Dammprojekte derWelt. Etwa 65.000 Menschen würdendadurch allein in der Türkei ihre Hei-mat verlieren und die antike Stadt Hasankeyf soll in dem Stausee weitge-hend versinken. Dramatische Folgenhäe der Damm auch tausend Kilome-ter flussabwärts, im MesopotamischenDelta im Süden des Irak. Hier würdedas Wasser fehlen, das oben im Stau-see zurückgehalten würde.

2009 haen sich Deutschland,Österreich und die Schweiz wegen dergravierenden zu erwartenden ökologi-schen, kulturhistorischen und sozialenFolgen aus dem Projekt zurückgezo-gen. Europäische Banken und Baufir-men kündigten ebenfalls die Verträge.Nur das österreichische UnternehmenAndritz blieb bis heute im Projekt. w

SEITE 31 • ALTERNATIVE 1-2/2013

International

ULRICH EICHELMANNMitarbeiter beiRiverWatch(riverwatch.eu)

Türkei:

ÜBERRASCHUNG AM TIGRIS

Der Oberste Gerichtshof der

Türkei entschied, dass der Bau

des Ilisu-Staudammes den

Umweltschutzgesetzen der

Türkei widerspricht und

ordnete einen sofortigen

Baustopp an.

Von Ulrich Eichelmann.

Europäische Banken und Baufirmen kündigten dieVerträge. Nur das österreichische UnternehmenAndritz blieb bis heute im Projekt

Page 32: AlternativeJänner/Februar 2013

Die Gemeindebediensteten.

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Barbara Blaha, Sylvia Kuba: Das Ende der Krawattenpflicht

CzerninISBN 978-3-7076-0306-4

Fünf Prozent der 2238 BürgermeisterInnen in Österreich waren2010 weiblich – bei einem Frauenanteil von 51,3 Prozent an derGesamtbevölkerung. Von Brigitte Bakic.

Barbara Blaha und Sylvia Kuba bündeln Informationen und Statistiken um die Teil-habe von Frauen in der Politik. Der Fokusliegt bei Daten über österreichische Verhält-nisse, die durch internationale Vergleichebesser interpretierbar und einordenbar sind. Sie zeigen die Vielfältigkeit der Schwierig-keiten auf, die Frauen in politischen Positio-nen, beziehungsweise wenn sie diese anstre-ben, haben. Besonders problematisch sinddie ambivalenten Erwartungen, die an Frau-en gestellt werden. Auch in einer politischenFunktion können Frauen diesen paradoxenSituationen nicht entgehen. Sie sollen weib-lich sein – aber Vorsicht nicht zu weiblich,denn weiblich wird auch gleichgesetzt mitweniger kompetent. Unter diesem Aspektkann auch die Wahl der Kleidung und Frisurzur Gratwanderung werden. Bei Frauen wirdeinerseits die äußere Erscheinung weitaushäufiger öffentlich diskutiert als bei Män-nern, andererseits wird die Kompetenz vonPolitikerinnen seltener thematisiert. Entmu-

tigend lesen sich die Erklärungen, wie nach-haltig gesellschaftliche Geschlechtsstereoty-pen wirken und in diesem Zusammenhangauch das Wahlverhalten mitbestimmen. Im letzten Kapitel versuchen die Autorinnen,Mut zu machen und die Notwendigkeit vonFrauen in der Politik zu unterstreichen. Diezum Ziel führenden Mechanismen und Stra-tegien zur Erreichung eines höheren Frau-enanteils in der Politik unterstreichen jedochwieder die Gültigkeit des Anfangssatzes„Mühsam nährt sich das Eichhörnchen“. Die Erkenntnisse sind breit zusammenge-fasst, gut lesbar aufbereitet und dienen einererhöhten Sensibilisierung und besserenWahrnehmung von Hürden und informellenNormen der politischen Kultur. Aufgrundder kompakten Darstellung ist das Buch eineempfehlenswerte Quelle unterschiedlicherDaten für Diskussionen zum Thema Politi-kerinnen, die sich leider nicht so bald erüb-rigen werden.Brigitte Bakic ist Mitarbeiterin der AUGE/UG