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Altphilologe, Historiker oder Physiker

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Page 1: Altphilologe, Historiker oder Physiker

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Altphilologe, Historiker oder Physi ker In eine angesehene Familie, die bereits eine Reihe von Be- amten, Geistlichen und Wissenschaftlern hervorgebracht hat, wird er hineingeboren. Sein Vater ist ein angesehener Professor der Jurisprudenz. Zeit seines Lebens wird eine ,.reine Gesinnung, die ihren Ausdruck findet in gewissen- hafter Pflichterfiillung" sein moralisches Leitmotiv sein. Und dai3 er schliefilich Physik studiert, scheint eher ein Zufall zu sein, denn ebensogut hatte er Philologe oder Hi- storiker werden konnen, wie er selbst sagt.

Seine Schulausbildung ist klas- sisch humanistisch, was er stets als groRes Gliick angesehen hit, denn ,,die Jugend rnui3 d,irauf hingewiesen werden, d.ifl es noch Genusse anderer Art gibt als solche, die sich auf materielles Gebiet oder auf Ersparnis von Zeit und Geld beziehen". Wie vertraut klin- gcn uns diese Worte heute. Dai3 er trotzdem zur Physik ge- langt, verdankt er seinem Ma- thematiklehrer, der es versteht, di,: fur manchen so trockene Materie heiter und in Anekdo- ten verpackt, darzustellen. Schon friih wird fur ihn die Suche nach dem vorn Men- schen unabhangigen Absoluten in den Naturgesetzen zur Leit- linie seines Denkens.

Etwas halsstarrig scheint er auch zu sein, denn wer wiirde es heute wagen, Physik zu studieren, wenn man ihm sagte, da:; hatte eigentlich wenig Sinn, denn schliefllich seien die we- sentlichen Dinge erforscht und lediglich unbedeutende Details noch zu finden. Genau dies aber behauptet Philip von Jolly dem Jungen gegeniiber, der sich mit seinen 16 Jahren davon vtillig unbeeindruckt zeigt.

Mit 21 Jahren promoviert er uber den zweiten Hauptsatz der mechanischcn Warrnelehre und erreicht hierin eine schar- fere Unterscheidung zwischen reversiblen und irreversiblen Prozessen und erhalt eine allge- meingiiltigere Formulierung. Zu seiner groi3en Enttauschung ist die Resonanz darauf ,,gleich null". Ein Jahr spater habilitiert er sich - erneut mit einem Therna aus der Thermodyna- mik

In dieser Phase seipes Schaffens, in dcr er im Institut vollig auf

sich selbst gestellt ist, gelangt er zu der Uberzeugung, dafl der Begriff der Entropie fur alle Na- turvorgange ebenso entscheidend ist wie der der Energie. Nach wie vor finden seine Arbeiten keiner- lei Beachtung, wissenschaftliche Kontakte bleiben aus. Tatsachlich glaubt er, seine Kollegen in Berlin hielten ihn fur iiberflussig.

Aber er arbeitet weiter an der Thermodynamik - eigenbrotle- risch. Besonders faszinieren ihn neue experimentelle Ergebnisse zur Hohlraumstrahlung. Ihre Wellenlange erweist sich als vollig unabhangig von allen materiellen Eigenschaften des Strahlers und hangt ausschliefllich von dessen Ternperatur ab. Wie laflt sich dieses Strahlungsverhalten, offen- bar eines dieser fundamentalen, absoluten Naturgesetze, allge- meingiiltig beschreiben, und was steckt dahinter?

Einige Jahre lang versucht er es rnit einer Kombination aus Elek- trodynamik und Thermodyna- mik, aber es will nicht gelingen. Doch dann, am 19. Oktober 1900, ist es so weit. Vor der Berli- ner Physikalischen Gesellschaft tragt er sein Ergebnis vor, fur das er allerdings noch keine theoreti- sche Begriindung hat, doch die liefert er am 14. Dezember nach. Dieses Datum wird haufig als der Geburtstag der Quantenphysik bezeichnet und er selbst als der Vater dieser ,,neuen Physik", die unser Weltbild so tiefgreifend verandert hat.

Miii3ig zu sagen, dafl sein Ruhm nun ins Grenzenlose wachst. Dennoch bleibt er ein bescheide- ner Mensch, der irn Privaten so nianchen Ruckschlag erleidcn mug. So kornmt sein erster Sohn im ersten Weltkrieg ums Leben, zwei Tochter sterben im Wo- chenbett, die erste Frau stirbt,

dem Attentat auf Hitler ermordet. Er selbst uber- lebt am Ende des zweiten Welt- krieges nur knapp einen Bom- benangriff und verliert seine gesamte Habe. Mit einem Ruck- sack und einern Koffer entkommt er zu Verwandten nach Gottin- gen, wo er zwei Jahre spater stirbt.

7: B.

Suche nach Sommer- feld-Briefen

Die Erfassung der noch erhalte- nen Somrnerfeld-Korrespondenz und die Edition einer Auswahl besonders wichtiger Briefe von und an Sommerfeld sind Gegen- stand eines Projekts, das vor kur- zem am Institut fur Geschichte der Naturwissenschaft der Uni- versitat Miinchen begonnen wurde. Der Gesamtbestand von mehreren tausend Sornrnerfeld- Briefen sol1 durch Scannen elektronisch archiviert werden. Das Projekt wird von der Deut- schen Forschungsgemeinschaft finanziert.

Moglicherweise befinden sich noch viele weitere Sornmerfeld- Briefe in Archiven von Universi- tatsinstituten und in privaten Nachlassen. Das Projekt bittet die Leser u m Mithilfe bei der Suche nach bislang unbekann- ten Briefbestanden. Auch Hinweise auf einzelne Briefe Sommerfelds, Vorlesungsmit- schriften oder anderes ein- schlagige Quellenmaterial werden dankbar entgegenge- nommen.

Mitteilungen werden erbeten an: Dr. Michael Eckert, Dipl. Phys. Karl Marker: Institut fur Geschichte der Naturwissen- schaft der Universitat Miinchen, Postfach, D-80306 Miinchen. Telefon: 0 89/21 79-4 86. E-Mail: [email protected] rnuenchen.de

Wer war dcr Vater der Quantenphysik? Schreiben Sie bitte die Losung auf eine Postkarte (keine Briefe) und schicken Sie sie an: VCH, Physik in unserer Zeit, Pappelallee 3, 69469 Weinheim. Einsendeschlufl ist der 13.10.1995. Der Rechtsweg ist ausge- schlossen. Wir verlosen dieses Ma1 drei Exemplare des Buches: Supra- leitung von W. Buckel.

Auflosung aus Heft 4/95

Den Gedankenblitz auf Helgoland hatte Werner Heisenberg. Hier wur- den ihm die Grundlagen der Matri- zenmechanik klar. Zwei Jahre spater fand er die nach ihm benaiinte Un- scharferelation.

Die Gewinner aus Heft 3/95

M. Buchweitz aus Villach, D. Burkert aus Langerringen, W. Stapf aus Stuttgart.

Wir gratuliercn den Gewinnern ganz herzlich.

EPS-Preis 1995 fur Entdeckung des Gluons bei DESY

Der diesjahrige High Energy and Particle Physics Prize der Euro- pean Physical Society (EPS) geht an Paul Soding, Bjmn H. Wiik, Giinter Wolf und Sau Lan Wu fur die Entdeckung des Gluons an der DESY-Speicherringanlage PETRA im Jahrc 1979. Wortlich heiflt es in der Begriindung ,,...for the first evidence for three- jet events in electron-positron collisions at PETRA".

Die Preistrager konnten im Juni 1979 in Messungen von Elektron- Positron-Vernichtungsprozessen am PETRA-Speicherring Ereig- nisse mit drei Jets (engen Bundeln aus mehreren Teilchen) idcntifizie- ren. Zwei der Jets stammten von einem Quark-Antiquark-Paar, der dritte von einem abgestrahl- ten Gluon. Die Messungen wur- den mit dem TASSO-Detektor bei einer Schwerpunktsenergie um 28 GeV durchgefiihrt. Diese Ergebnisse, die kurz darauf von anderen PETRA-Experimenten bestatigt wurden, lieferten zum ersten Ma1 den direkten Beweis fur die Existenz des Gluons, des Ubertragerteilchens der starken Wechselwirkung. Mit der Vergabe des EPS-Preises ist die DESY- Entdeckung des Gluons jetzt offiziell durch die internationale Facbwelt anerkannr.

DESY-Pressemitteilung, 30.06.95

Physik in unserer Zeit / 26. Jahrg. 1995 / Nr. 5