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ABHANDLUNGEN Zusammenfassung: Als altruistische Reziprozität wird die unbedingte Neigung be- zeichnet, eine erfahrene Handlung auch dann weiterzugeben, wenn dies kostspielig ist und keinen strategischen Vorteil (z. B. durch Reputationsbildung) verspricht. Somit ist altruistische Reziprozität ein möglicher Kandidat zur Erklärung von Kooperation in der Anonymität komplexer Gesellschaften. Damit altruistische Reziprozität diese Funktion als Kooperationskatalysator umfassend erfüllen kann, muss sie insbesondere auch bei kostspieligen Handlungen, die nicht sozial kontrolliert werden und auf eine dritte Partei gerichtet sind, auftreten. Die experimentelle Evidenz zeigt jedoch, dass altruistische Re- ziprozität nicht auftritt, wenn sie auf eine anonyme dritte Partei gerichtet und kostspielig ist. Ob gerichtet altruistisch reziprok gehandelt wird, wenn dies kostspielig ist, bleibt unklar. Reziprozität als Katalysator von Kooperation scheint damit auf zwei Situatio- nen beschränkt zu sein: 1) Situationen mit sozialer Kontrolle, in denen Reziprozität als Norm und/oder durch strategische Überlegungen wirksam wird. 2) Anonyme Situatio- nen, in denen Reziprozität kostenfrei und auf den Auslöser gerichtet ist. Als Motivator von Kooperation in realen anonymen Situationen, z. B. zur Lösung des Kooperations- problems zweiter Ordnung, scheint Reziprozität allerdings nicht geeignet. Schlüsselwörter: Ungerichtete und altruistische Reziprozität · Kostspielige Handlungen · Sequenzielles Diktatorspiel · Emotionen Altruistic reciprocity. Theoretical considerations and experimental evidence Abstract: Altruistic reciprocity means the unconditional tendency of ego to return any experienced action, no matter if the receiver is the same person ego has received the action from or not. Altruistic reciprocity is one candidate for the explanation of coopera- tion in anonymous, complex societies. In order to fulfill this function, altruistic reciproc- Köln Z Soziol (2013) 65:31–48 DOI 10.1007/s11577-013-0192-y Altruistische Reziprozität. Theoretische Überlegungen und experimentelle Evidenz Roger Berger © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 R. Berger () Institut für Soziologie, Universität Leipzig, Beethovenstr. 15, 04107 Leipzig, Deutschland E-Mail: [email protected]

Altruistische Reziprozität. Theoretische Überlegungen und experimentelle Evidenz

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AbhAndlungen

Zusammenfassung: Als altruistische Reziprozität wird die unbedingte neigung be-zeichnet, eine erfahrene handlung auch dann weiterzugeben, wenn dies kostspielig ist und keinen strategischen Vorteil (z. b. durch Reputationsbildung) verspricht. Somit ist altruistische Reziprozität ein möglicher Kandidat zur erklärung von Kooperation in der Anonymität komplexer gesellschaften. damit altruistische Reziprozität diese Funktion als Kooperationskatalysator umfassend erfüllen kann, muss sie insbesondere auch bei kostspieligen handlungen, die nicht sozial kontrolliert werden und auf eine dritte Partei gerichtet sind, auftreten. die experimentelle evidenz zeigt jedoch, dass altruistische Re-ziprozität nicht auftritt, wenn sie auf eine anonyme dritte Partei gerichtet und kostspielig ist. Ob gerichtet altruistisch reziprok gehandelt wird, wenn dies kostspielig ist, bleibt unklar. Reziprozität als Katalysator von Kooperation scheint damit auf zwei Situatio-nen beschränkt zu sein: 1) Situationen mit sozialer Kontrolle, in denen Reziprozität als norm und/oder durch strategische Überlegungen wirksam wird. 2) Anonyme Situatio-nen, in denen Reziprozität kostenfrei und auf den Auslöser gerichtet ist. Als Motivator von Kooperation in realen anonymen Situationen, z. b. zur lösung des Kooperations-problems zweiter Ordnung, scheint Reziprozität allerdings nicht geeignet.

Schlüsselwörter: ungerichtete und altruistische Reziprozität · Kostspielige handlungen · Sequenzielles diktatorspiel · emotionen

Altruistic reciprocity. Theoretical considerations and experimental evidence

Abstract: Altruistic reciprocity means the unconditional tendency of ego to return any experienced action, no matter if the receiver is the same person ego has received the action from or not. Altruistic reciprocity is one candidate for the explanation of coopera-tion in anonymous, complex societies. In order to fulfill this function, altruistic reciproc-

Köln Z Soziol (2013) 65:31–48dOI 10.1007/s11577-013-0192-y

Altruistische Reziprozität. Theoretische Überlegungen und experimentelle Evidenz

Roger Berger

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

R. berger ()Institut für Soziologie, universität leipzig, beethovenstr. 15, 04107 leipzig, deutschlande-Mail: [email protected]

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ity must work also with costly actions that are not socially controlled and directed to an anonymous third party.

however, the experimental evidence shows no altruistic reciprocity if it is costly and directed to a third party. It remains unclear if there is costly and directed altruistic reciprocity. Reciprocity as a catalyzer of cooperation seems to be restricted to two situ-ations: 1) Situations with social control where reciprocity is operative by social norms and/or strategic considerations. 2) Anonymous situations where reciprocity is cost-free and directed to the donor. Therefore, reciprocity seems not suitable as a motivator for cooperation in real anonymous situations, e.g. in a second-order free-rider problem.

Keywords: Indirect and altruistic reciprocity · Costly actions · Sequential dictator game · emotions

1 Einleitung

Reziprozität als universeller Motivator menschlichen handelns wird in der Soziologie seit langem diskutiert. die Arbeit von gouldner (1960) gilt hierzu als Wendepunkt. In neuerer Zeit hat das Konzept eingang in die durch experimentelle spieltheoretische Forschung gestützte Sozialtheorie gefunden. Insbesondere für die „behavioral game Theory“ (vgl. Camerer 2003 für eine Übersicht) stellt Reziprozität einen Kandidat für eine sparsame erweiterung des empirisch als nicht zutreffend befundenen „homo oecono-micus“-Modells dar (Kolm und Mercier Ythier 2006; Ostrom und Walker 2003; Plott und Smith 2008). der „homo reciprocans“ wird hierzu als anthropologische Konstante ange-nommen und auf unterschiedliche Weise in Modelle eingebaut, mit denen verschiedene prosoziale Verhaltensweisen erklärt werden sollen. die als universell angenommene Wir-kung von Reziprozität wird dabei durch genetische disposition oder vollständige Interna-lisierung im Zuge der Primärsozialisation begründet. So kann auch angenommen werden, dass reziprokes handeln nicht „nur“ als gerichtete handlung auftritt, die insbesondere im Fall von wiederholten Interaktionen durch strategische, eigenorientierte Motive erklärt werden kann (für einen Überblick: Sigmund 2010, Kap. 3). Vielmehr wird unterstellt, dass Reziprozität Kooperation gerade dann erklären kann, wenn kein strategisches Motiv dafür erkennbar ist. diese Annahmen garantieren, dass das handlungsmodell des „homo reciprocans“ theoretisch ebenso universell anwendbar ist wie das simple „homo oecono-micus“-Modell, das es ablösen soll.

Im vorliegenden Artikel wird diese universalität von Reziprozität theoretisch und empirisch untersucht. es wird gefragt, ob, und wenn ja, wann, reziprokes Verhalten auch dann auftritt, wenn es nicht mit eigenorientierten Motiven erklärbar ist. dies ist insbeson-dere bei kostspieligen einmaligen Interaktionen, die gleichzeitig unbeobachtet und damit frei von sozialer Kontrolle sind, der Fall. gerade solche altruistische Reziprozität unter-scheidet den Modellmenschen des „homo reciprocans“ von seinem egoistischen bruder „homo oeconomicus“. um diese Frage empirisch zu untersuchen, wird insbesondere die experimentelle evidenz zu sequenziellen diktatorspielen mit Rollentausch betrachtet.

der Artikel ist wie folgt organisiert: In Abschn. 2 werden die theoretischen Überle-gungen angestellt. Abschnitt 3 enthält die empirische evidenz. Abschließend werden die

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ergebnisse diskutiert und in einem Ausblick einige Überlegungen zum Alternativkandida-ten „Fairness“ als universellen Motivator menschlichen handelns angestellt (Abschn. 4).

2 Theorie

Im Folgenden wird dargestellt, welche Rolle Reziprozität allgemein und altruistische Reziprozität im besonderen in der Sozialtheorie einnimmt (2.1). In Abschn. 2.2 wird auf mögliche Reproduktionsquellen altruistischer Reziprozität eingegangen.

2.1 Reziprozität und Sozialtheorie

Reziprozität findet sich über Raum und Zeit in unterschiedlichen Sprichwörtern und moralischen Anweisungen, z. b. in „Wie du mir, so ich dir!“ und im alttestamentarischen, in den heutigen Sprachgebrauch eingegangen „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. In der Sozialtheorie ist Reziprozität als universeller Motivator menschlichen Verhaltens aktu-ell, spätestens seit Anatol Rapoport mit einer direkten umsetzung des Verhaltensmusters in die Strategie „tit-for-tat“ das Axelrod-Turnier gewinnen konnte (Axelrod 1987). das Konzept ist allerdings älter. Schon Simmel (2006) sieht in Reziprozität eine grundlage moderner gesellschaften. der ethnologe Mauss (1923/1924) bezeichnet Reziprozität auch für archaische gesellschaften als grundlegend. der gedanke, dass es sich um eine anthropologische Konstante handelt, die soziales handeln allgemein erklären kann, ist damit naheliegend. das Konzept von Reziprozität selbst ist dabei bemerkenswert unge-nau geblieben. diekmann (2004) gibt hierzu eine Zusammenfassung und zeigt, dass Rezi-prozität oft nicht präzise von anderen Konzepten wie Fairness, Reputation oder sozialem Kapital abgegrenzt wird. diese Abgrenzung ist allerdings wichtig, da die verschiedenen Konzepte unterschiedliche theoretische Mechanismen unterstellen.

Für unseren Fall ist die unterscheidung zwischen Reziprozitätsformen, die modellhaft als Folge von eigenorientierten Überlegungen erklärt werden können, und solchen, für die das nicht zutrifft, entscheidend. Im ersten Fall ist Reziprozität ein Verhaltensmuster, das sich durch ein langfristiges, rationales Kalkül ergibt, sobald es sich lohnt, reziprok zu handeln, weil dadurch auch unter rationalen egoisten in wiederholten Interaktionen mit einem wiedererkennbaren Partner eine lohnenswerte Kooperation initiiert, sichtbare Reputation aufgebaut1 oder kostspielige Sanktionen vermieden werden können.2

Im Folgenden interessieren wir uns allerdings für die zweite Form von Reziprozität, die u. a. als „strong reciprocity“ (gintis 2000) bezeichnet wird. die bezeichnung „altru-istic reciprocity“ von diekmann (2004) weist auf die entscheidende sozialtheoretische bedeutung dieser Reziprozitätsform hin. Sie enthält kein strategisches element, mit dem reziproke handlungen als vorausblickend und damit als eigenorientiert erklärt werden

1 Z. b. nowak und Sigmund (1998); Sigmund (2010, Kap. 3 und 4); Wedekind und Milinski (2000).

2 Z. b. Axelrod (1987); Kreps et. al (1982) oder die „Folk Theoreme“ (z. b. Osborne und Rubin-stein 1994; Raub und Voss 1986) für klassische beispiele.

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können.3 Reziprozität ist dann eine unbedingte, gleichgerichtete Reaktion auf ein erfahre-nes Verhalten. diese allgemeine Reziprozität kann in zwei Kategorien gespalten werden: in die positive Reziprozität, die eine erwiderung von freundlichem Verhalten beinhaltet und die negative Reziprozität, bei der unfreundliches Verhalten mit ebensolchem ver-golten wird.4 Altruistische Reziprozität bezeichnet dann die disposition, auf freundliche handlungen von Partnern unbedingt kooperativ, und auf unfreundliche handlungen mit einer ebenso unfreundlichen Reaktion zu reagieren, auch und gerade wenn dies mit eige-nen Kosten verbunden ist und keine Aussicht auf zukünftige Interaktionen besteht. erst aus dieser eigenschaft erwächst die sozialtheoretische bedeutung des „homo recipro-cans“, der damit als Substitut für den „homo oeconomicus“ eingesetzt werden kann. die von boyd und Richerson (1989) verwendete bezeichnung „indirect reciprocity“ oder die unterscheidung von ben-ner et al. (2004) zwischen „specific“ und „generalized recipro-city“ weist auf eine weitere eigenschaft von altruistischer Reziprozität hin, die zentral für ihre soziale Wirkung ist. Altruistisch reziprok wird auch dann gehandelt, wenn der Adressat der reziproken Reaktion zwar anonym, aber bekanntermaßen nicht derjenige Akteur ist, von dem die handlung erfahren wurde, sodass die reziproke handlung damit höchstens indirekt auf diesen zurück oder eben allgemein wirkt. Im Folgenden wird dafür das begriffspaar „ungerichtete vs. gerichtete“ (altruistische) Reziprozität verwendet, das den Wirkmechanismus am präzisesten umfasst.

Reziprozität als „soziale Präferenz“ (diekmann und Voss 2008) kann dann z. b. erklä-ren, wie das Kooperationsproblem zweiter Ordnung bei der erzwingung von normen gelöst wird. dieses Kooperationsproblem entsteht dadurch, dass kein rationaler Anreiz besteht, einen normverletzer durch kostspieliges, negativ reziprokes Verhalten zu sank-tionieren (gleichgültig, ob man selbst von der normverletzung betroffen ist oder sie nur beobachtet hat), solange nicht eine genügend hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass man selbst bei eigenen zukünftigen Interaktionen davon profitieren kann (Fehr und Gächter 2002; heckathorn 1989; Yamagishi 1986). ungerichtete altruistische Reziprozität wird hier trotzdem zu Sanktionen führen. ein genügend hoher Anteil von ungerichtet altruisti-schen Akteuren in einer Population erhöht dann die wahrgenommene Wahrscheinlichkeit, mit der potenzielle normverletzter eine Sanktion erwarten. dadurch werden auch eigen-orientierte Akteure zu Kooperation durch normkonformität in einmaligen und anonymen Interaktionen, wie sie in komplexen modernen Gesellschaften häufig sind, angehalten. Weiterhin wird ein ungerichtet altruistisch reziproker Akteur eine erfahrene positive handlung auch an einen anderen unbekannten Akteur als denjenigen, von dem er sie erfahren hat, weitergeben und damit Kooperation befördern. Modelle altruistischer Rezi-

3 Sigmund (2010, S. 82 f.), der sich ausschließlich mit strategischer Reziprozität befasst, bezeich-net diese Form von Reziprozität entsprechend als „misguided reciprocity“.

4 Man könnte vermuten, dass dieses Verhalten ein Konzept von Fairness bedingt. In der Tat kann ein Spieler nur erfreut oder verärgert sein, wenn seine Kosten in entsprechender Richtung von einem neutralen Punkt abweichen, der z. b. dem Fairnesspunkt entsprechen kann. das Modell der altruistischen Reziprozität bedingt dieses Konzept eines neutralen Punkts jedoch nicht. ent-scheidend ist nur, dass die Spieler eine bestimmte, altruistisch reziproke Strategie verfolgen, wie etwa „tit-for-tat“ (Axelrod 1987), bei der mechanisch zurückgegeben wird, was erhalten wurde. erst wenn unterstellt wird, dass reziproke dispositionen über emotionen handlungs-wirksam sind, wird z. b. ein Fairnesskonzept benötigt.

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prozität sind damit eine Möglichkeit, die ganze bandbreite erfolgreicher menschlicher Kooperation zu erklären.

2.2 Altruistische Reziprozität als angeborene oder internalisierte Präferenz

Wenn man von der existenz altruistischer Reziprozität ausgeht, stellt sich die Frage, über welche Mechanismen solche Präferenzen reproduziert werden können. es gibt darauf zwei Antworten: entweder verfügen Menschen aufgrund ihrer biologischen evolution über eine entsprechende genetische disposition oder aber sie haben diese Präferenz im laufe ihrer Primärsozialisation internalisiert.

Für den ersten Fall mangelt es nicht an Modellen (z. b. Axelrod und hamilton 1981; boyd und Richerson 1989; gintis 2000; nowak und Sigmund 1998; Panchanathan und boyd 2004; Tooby und Cosmides 1996; Trivers 1971, für eine Übersicht Kurzban 2005), mit denen erklärt wird, wie sich Individuen mit einem genetisch codierten, altruistisch reziproken Zug evolutiv gegen Individuen durchsetzen können, die ausschließlich eigen-orientierte Züge aufweisen oder reziprokes Verhalten nur in Abhängigkeit von der gene-tischen Verwandtschaft (vgl. hamilton 1964) zeigen. das Argument dieser Modelle genetischer evolution besteht jeweils darin, bestimmte, möglichst plausible, umweltbe-dingungen zu benennen, unter denen altruistische Reziprozität als ein evolutionär stabiles gleichgewicht begründet werden kann.

der zweite Fall unterscheidet sich vom ersten nicht derart stark, wie oft unterstellt wird. die Reproduktionsmechanismen der kulturellen und der genetischen Verbreitung von Präferenzen sind sich sehr ähnlich (z. b. boyd und Richerson 1985; gintis 2003). Wesentlich differieren sie nur im Kopiermechanismus. Im Falle kultureller Reproduktion handelt es sich um einen psychologischen Mechanismus der Internalisierung entsprechen-der normen während der Primärsozialisation. dies ist die Form von Reziprozität, von der z. b. gouldner (1960) ausgeht. Im anderen Fall geschieht dies durch genetisches Kopie-ren. es wird hier unterstellt, dass beide Kopiermechanismen robust und insbesondere evo-lutionär stabil sind. Diese Definition beinhaltet, dass eine Population/Gruppe5, die den/die genetisch/kulturell bestimmte/n Zug/Präferenz der altruistischen Reziprozität aufweist, stabil gegen Mutationen/gescheiterte Sozialisation oder deviantes Verhalten einzelner Individuen ist. das heißt, dass mutierte/deviante Verhaltensformen, die keine altruistische Reziprozität beinhalten, sich in der Population/gruppe nicht durchsetzen werden.

die Ähnlichkeit der beiden Reproduktionsmechanismen wird auch sichtbar, wenn man sich fragt, wie sie tatsächlich handlungswirksam werden können. Schließlich können weder eine norm noch ein genetischer Zug handeln. In beiden Fällen scheint die tatsäch-liche Reaktion mit emotionen verbunden zu sein (vgl. Kravitz und gunto 1992; Pillutla und Murnighan 1996; auch Frank 1988). Positive Reziprozität tritt häufig mit Dankbar-keit und Freude auf. negativ reziproke handlungen werden oft durch Ärger, Zorn oder neid begleitet. diese Verbindung von Reziprozität mit nicht willentlich steuerbaren emo-tionen verdeutlicht, dass altruistisch reziproke handlungen oft mit dem individuell irra-tionalen Muster verbunden sind, eigene Kosten ohne einen objektiv erkennbaren nutzen

5 es werden hier absichtlich jeweils die begriffe aus dem biologischen und dem soziologischen Sprachgebrauch benutzt.

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in Kauf zu nehmen. das klassische beispiel für ein solches Verhalten ist reziprokes Ver-halten gegenüber einem unbelebten Objekt. Wer sich den Kopf an einem balken stößt, wird unter umständen dagegen schlagen und sich noch ein weiteres Mal wehtun, obschon klar ist, dass der balken nichts für den eigenen Schmerz kann.

3 Empirische Evidenz

In diesem Kapitel wird vorerst kurz die empirische evidenz zu Reziprozität allge-mein referiert. Anschließend wird spezifisch die Evidenz zu altruistischer Reziprozität dargestellt.

3.1 evidenz zu Reziprozität allgemein

es ist nicht schwierig, empirische evidenz für reziproke soziale handlungsmuster zu finden. Die eingangs aufgeführten Klassiker belegen dies ebenso wie z. B. die Übersichts-werke von Kolm und Mercier Ythier (2006) oder Ostrom und Walker (2003) sowie die alltägliche erfahrung. Allerdings kann diese evidenz nur bedingt für das betrachtete Pro-blem herangezogen werden. denn oft werden Fairness und Reziprozität theoretisch und in der Folge auch empirisch nicht unterschieden. Und häufig ist Reziprozität empirisch nicht von anderen kooperationsfördernden Mechanismen wie z. b. Reputationseffekten zu trennen. ex-post-facto untersuchungen weisen zudem bekanntlich das grundlegende Problem auf, dass beobachtete Korrelationen nur bedingt kausal interpretiert werden können. dies gilt auch für die Interpretation von Reziprozität. diese Probleme können weitgehend umgangen werden, indem nur experimentelle evidenz betrachtet wird. diese erlaubt es festzustellen, welcher theoretische Mechanismus als „Reziprozität“ unterstellt und entsprechend empirisch überprüft wird. eine solche Analyse ergibt das eindeutige ergebnis, dass reziproke handlungsmuster in verschiedensten sozialen Konstellationen auftauchen. Allerdings gilt dieser befund vorerst nur für reziproke handlungen, die auch strategisch motiviert sein können und nicht für altruistische Reziprozität.

3.2 evidenz zu altruistischer Reziprozität

gemessen an der Vielzahl experimenteller Überprüfungen gibt es kaum explizite unter-suchungen von altruistischer Reziprozität als kausaler Mechanismus zur erklärung von Kooperation. In der Literatur finden sich dazu vier Studien. Zudem wird eine eigene untersuchung referiert. Alle untersuchungen bedienen sich dazu des sequenziellen dik-tatorspiels. dieses besteht darin, dass ein Spieler (diktator) eine bestimmte Ressource zwischen sich und einem zweiten Spieler aufteilt. das einzige nash-gleichgewicht (nash 1950; diekmann 2008 für eine sozialwissenschaftliche einführung) besteht darin, die gesamte zur Verfügung gestellte Ressource selbst zu nehmen und dem unbekannten Part-ner nichts zu überlassen. empirisch geschieht dies meist nicht, sondern es werden ten-denziell faire Aufteilungen gewählt (vgl. z. b. Camerer 2003 für eine Übersicht). Für die hier verfolgte Fragestellung ist jedoch der zweite Schritt des experiments entscheidend. der „beschenkte“ Spieler (Responder) agiert nun selbst als diktator und teilt die gleiche

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Ressource wiederum zwischen sich und dem anderen unbekannten Spieler auf. Wenn die Responder direkte altruistisch reziproke Präferenzen haben, werden sie die Vorleistung, die sie in der ersten Runde des Spiels erhalten haben, an den unbekannten Partner zurück-geben. Sind sie dagegen individuell rational, werden sie das nash-gleichgewicht wählen und die ganze Ressource für sich behalten.

diekmann (2004) untersucht gerichtete altruistische Reziprozität in einer laborexpe-rimentellen untersuchung des sequenziellen diktatorspiels mit geld unter sogenannter „stranger“-Anonymitätsbedingung6 und doppelblinder Auszahlung.7 durch die beiden bedingungen wird garantiert, dass strategische Motive, beispielsweise durch Repu-tationsbildung oder soziale Kontrolle, durch die anderen Probanden und/oder die Ver-suchsleiter nicht zum Tragen kommen und damit tatsächlich altruistische Reziprozität untersucht wird. da der anonyme Adressat des Responders sein vorheriger diktator war, handelte es sich um gerichtete altruistische Reziprozität. Jeweils etwa die hälfte der Pro-banden gab den betrag, den sie erhalten hat (20 %, 50 % und 60 %)8, an den Partner wei-ter. Von der anderen hälfte der Probanden gab der größere Teil etwas weniger zurück und der kleinere Teil sogar (z. T. wesentlich) mehr. dieses Muster zeigte sich unabhängig von der höhe der gesamtauszahlung. das vorherrschende Muster ist damit tatsächlich gerich-tete altruistische Reziprozität, auch wenn einige Probanden ein anderes Verhalten zeigen.

berger (2011) repliziert das experiment von diekmann (2004) unter zwei weiteren bedingungen. erstens werden nicht nur sequenzielle diktator-, sondern auch sequenzielle Taking-Spiele untersucht. bei Taking-Spielen gibt der diktator nicht einen frei gewähl-ten Anteil an einen Partner ab, sondern nimmt dem Partner, der die gesamte Anfangs-ausstattung erhalten hat, einen frei wählbaren Anteil ab. Taking-Spiele sind strategisch äquivalent zu diktatorspielen, vermeiden aber einige methodische Probleme, die zu einer Überschätzung der Reziprozitätsneigung führen könnten.9 Zweitens wurden die experi-mente nicht im labor mit den üblichen studentischen Probanden durchgeführt, sondern mit ungefähr 11-jährigen grundschülern10 in Klassenzimmern. der oft kritisierte künst-liche Charakter von laborexperimenten (z. b. lucas 2003; Schram 2005) wird dadurch

6 In der „Stranger“-bedingung kennen die Probanden ihren Interaktionspartner nicht und wissen, dass sie ihn nie kennenlernen werden. Sie wissen allerdings, dass es immer derselbe ist.

7 bei der doppelblinden Auszahlung wird die entscheidungs- und Auszahlungsprozedur derart anonym gestaltet, dass weder die Versuchsleiter noch andere Probanden die individuellen ent-scheidungen und Auszahlungen kennen (bolton und Zwick 1995; Cherry et al. 2002; sowie hoffman et al. 1994, 1996).

8 die erste Aufteilung wurde manipuliert, sodass auch die Reaktionen auf unfaire und hyper-faire Aufteilungen beobachtet werden konnten.

9 beispielsweise könnte in diktatorspielen ein sogenannter „demand“-effekt derart auftreten, dass die Probanden nach „versteckten“ hinweisen für angemessenes Verhalten suchen. So könnte aktives geben im diktatorspiel u. u. als sozial erwünscht angesehen werden, da in dem experiment ja etwas geschehen soll. bei Taking-Spielen wird dieser Methodeneffekt vermie-den.

10 berger (2011) zeigt mit entwicklungspsychologischer literatur, dass die Schulkinder in der interessierenden hinsicht mit erwachsenen Probanden vergleichbar sind. Zudem birgt dieses design sogar die Chance, eine evtl. Varianz der Reziprozitätsneigung im Altersverlauf zu ent-decken.

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gemildert. die Ausstattung der diktatoren bestand aus 8 gummibärchen. Im sequenziel-len diktatorspiel wurde in einer manipulierten Aufteilung 0 (von 8) bzw. 3 (von 8) bär-chen an die Responder gegeben. diese handelten in der Mehrheit gerichtet altruistisch reziprok und gaben jeweils den erhaltenen betrag zurück. bei beiden Aufteilungen zeigte eine Minderheit aber auch die Fairnesstendenz auf eigene Kosten 4 bärchen abzugeben (statt 0 bzw. 3). dieses ergebnis ergibt sich auch für die Taking-Spiele, wobei altruistisch gerichtete reziproke handlungen noch akzentuierter auftreten.

ben-ner et al. (2004) führen das gleiche laborexperiment durch wie diekmann (2004). Allerdings agierten echte Probanden, die geld aufteilten, als diktatoren. die Responder zeigten eindeutig gerichtetes altruistisch reziprokes handeln mit einer leichten egois-tischen Tendenz. In einer zweiten bedingung untersuchen ben-ner et al. (2004) auch ungerichtete altruistische Reziprozität. die Responder gaben die aufgeteilten beträge im sequenziellen diktatorspiel nicht an die diktatoren zurück, von denen sie die Vorleistung erhalten hatten, sondern an einen anderen anonymen Partner.11 Für einen eigenorientier-ten Akteur ist es in einer einmaligen Interaktion unerheblich, ob der Responder dieselbe Person ist, von dem sie vorher als diktator „beschenkt“ wurde, oder ob es jemand anderes ist. er wird in beiden Fällen nichts an den Responder abtreten. Für einen unbedingt alt-ruistisch reziproken Responder gilt dasselbe mit umgekehrten Vorzeichen. er wird die in der ersten Runde erhaltene Vorleistung in jedem Fall weitergeben. Wie oben ausgeführt, ist es allerdings denkbar, dass Reziprozität nur in gerichteter Form existiert. ein sequen-zielles diktatorspiel mit ungerichteter Weitergabe ist damit ein härterer Prüfstein für die hypothese altruistischer Reziprozität als das sequenzielle diktatorspiel mit gerichteter Weitergabe. Zwar verhielten sich viele Responder auch ungerichtet altruistisch reziprok und gaben den erhaltenen betrag an einen anderen unbekannten diktator weiter. Aller-dings bildeten sie nur noch eine relative Mehrheit und die ergebnisse waren weit weni-ger robust als bei der gerichteten Weitergabe. Verschiedene andere Verhaltensmuster von hyper-fairen bis zu völlig egoistischen Weitergaben wurden ebenfalls in substanziellem umfang beobachtet.

Franzen und Pointner (2008) replizieren die Studien von ben-ner et al. (2004) und diekmann (2004) unter verschiedenen bedingungen, indem sie insbesondere auch nega-tive und positive Reziprozität untersuchen. dabei zeigt sich ebenfalls gerichtete altruisti-sche Reziprozität, allerdings weniger ausgeprägt als bei den beiden Ausgangsstudien. In ähnlichem Ausmaß finden sich auch faire Aufteilungen, sowohl nach unfairen als auch nach hyper-fairen Vorleistungen sowie in etwas geringerem Maße auch rein eigenorien-tiertes Verhalten. bei der ungerichtet altruistisch reziproken Weitergabe wird in etwa das ergebnis von ben-ner et al. (2004) bestätigt, dass ungerichtet altruistische Reziprozität weit weniger robust ist als gerichtete. Insbesondere zeigt sich hier auch häufig eine faire Aufteilung. die handlungsmuster zwischen negativer und positiver Reziprozität unter-scheiden sich quasi nicht.

bei allen bisherigen Überprüfungen von altruistischer Reziprozität wurde über soge-nannte „windfall gains“ (Arkes et al. 1994) verhandelt. d. h., den „Kuchen“, den die Pro-banden verteilten, mussten sie nicht selbst „backen“ (güth und Kliemt 2003, S. 320). In der literatur wird für diesen Fall in Anlehnung an die biblische himmelsspeisung auch

11 Technisch wird dies als „Perfect stranger“-Anonymitätsbedingung bezeichnet.

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von „manna“-Ökonomie (güth und Kliemt 2003, S. 320) oder mit einem begriff aus dem Spielcasino von „house money“ (Thaler und Johnson 1990) gesprochen. entscheidend ist hierbei die Annahme, dass „windfall gains“ eher ausgegeben und geteilt werden, als ein „Kuchen“, der erst hergestellt werden muss. diese Vermutung ist mehrfach empirisch bestätigt worden (Ackert et al. 2006; Arkes et al. 1994; bardsley 2008; Cherry et al. 2002; dannenberg et al. 2010; Martinez et al. 2010; Poppe und Valkenberg 2003). dieses Argument wird dadurch gestützt, dass die verhandelten beträge zudem ziemlich gering waren.12 es kann deshalb unterstellt werden, dass die bisherigen befunde zu altruistischer Reziprozität vor allem etwas zu kostenlosen entscheidungen aussagen. Für solche ent-scheidungen prognostiziert die low-Cost-Theorie (diekmann und Preisendörfer 2000; Kirchgässner 1992; ähnlich Rabin 1993), dass soziale Normen einen stärkeren Einfluss haben als bei kostspieligen entscheidungen. Wenn in sequenziellen diktatorspielen mit „windfall gains“ altruistische Reziprozität beobachtet wird, bedeutet dies zwar, dass eine entsprechende norm offensichtlich existiert. damit ist aber noch nicht gezeigt, dass die-ses Verhalten auch bei kostspieligen handlungen auftreten würde. Altruistische Rezipro-zität als unbedingte soziale Präferenz, wie sie oben dargestellt ist, soll aber insbesondere auch in kostenträchtigen Situationen wirksam sein, z. b. wenn kostspielige Sanktionen ergriffen werden. daraus ergibt sich ihre sozialtheoretische bedeutung. der härtere Prüf-stein, um die existenz ungerichteter altruistischer Reziprozität festzustellen, ist deshalb die untersuchung ungerichtet altruistisch reziproker entscheidungen, die eindeutig mit Kosten verbunden sind.

In einer eigenen untersuchung wurde diese experimentell umgesetzt, indem ein nega-tives sequenzielles diktatorspiel in einer natürlichen umgebung unter „Perfect stranger“-Anonymität gespielt wurde. Im negativen diktatorspiel entscheidet der diktator nicht über die Aufteilung eines gewinns, sondern über die Verteilung von gemeinsam zu tragenden Verlusten oder Kosten. die Verhaltensprognosen in dieser Situation sind unmittelbar ein-sichtig. durch die einmaligkeit und Anonymität der Situation besteht für die Spieler kein rationaler grund, sich an den Kosten zu beteiligen. ein rationaler diktator wird deshalb die gesamten Kosten seinem Partner überlassen. danach werden die Rollen getauscht und wer in der ersten Runde Kosten zugeteilt bekam, kann diese nun seinerseits verteilen. ein rationaler Responder in der zweiten Runde hat auch keinen grund, sich kooperativ zu zeigen. Wenn er sämtliche Kosten seinem Partner überlässt, kann er nicht bestraft werden. ein diktator, der ungerichtet altruistisch reziprok ist, wird dagegen in der zweiten Runde seinem Partner ebenso viele Kosten überlassen, wie ihm in der ersten Runde aufgebürdet wurden. Wenn ein netter diktator ihm maximal die hälfte oder weniger der Kosten auf-gebürdet hat, wird er sich freundlich gestimmt positiv reziprok verhalten und seinerseits ebenso viele Kosten tragen wie der unbekannte diktator in der ersten Runde. Sind ihm dagegen in der ersten Runde mehr als die hälfte der Kosten aufgebürdet worden, wird er seinem Ärger durch negativ reziprokes Verhalten luft machen und ebenso viele Kosten weitergeben, selbst mit dem Wissen, dass er damit nicht den Verursacher seiner Kosten

12 bei diekmann (2004) wird ein betrag von 20 ChF verhandelt, 10 ChF waren den Probanden schon als erscheinungsprämie sicher. bei ben-ner et al. (2004) betragen diese Werte 10 $ und 15 $, bei Franzen und Pointner 20 € (erscheinungsprämie unbekannt) und bei berger (2011) 8 gummibärchen.

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treffen wird. Annahmegemäß wird in einer solchen Situation der emotional vermittelte Racheimpuls über andere, z. b. fairnessorientierte Überlegungen, siegen.13

die Kosten wurden als die physische Anstrengung von 60 Froschsprüngen operatio-nalisiert. die körperliche Anstrengung durch die bewegung des eigenen Körpers garan-tiert, dass Probanden unterschiedlichen Alters und geschlechts jeweils vergleichbare Anstrengungen aufbringen müssen, da Körperkraft und -gewicht über die beiden Variab-len korrelieren. Probanden waren Schüler im Alter von 11 bis 19 Jahren, die den regulären Sportunterricht ihrer Schule besuchten.

es wurden Schüler aus unterschiedlichen Klassen, die gleichzeitig Sportunterricht hat-ten, zufällig gepaart. die Schüler befanden sich in verschiedenen Sporthallen in einem gebäude. dadurch wurde die vollständige Anonymisierung der Probanden untereinan-der für diese unmittelbar einsichtig. die Schüler sahen ihre möglichen Partner nie und strategische handlungen mit blick auf spätere Interaktionen waren deswegen sichtlich unplausibel. Allerdings bestand die Möglichkeit, dass die Probanden sich subjektiv durch die Versuchsleiter sozial kontrolliert fühlten. dieses subjektive gefühl konnte sich aber nur auf Fairness beziehen. und zwar dann, wenn Probanden nicht 30 Sprünge abgaben, was von den experimentatoren beobachtet wurde. Reziprokes handeln der Responder war aber für alle Probanden ersichtlich erst bei der späteren Auswertung der Versuchs-bögen möglich, sodass das experiment bezüglich Reziprozität doppelt verblindet war. die jeweiligen Sportlehrkräfte waren zwar anwesend, aber nicht aktiv am experiment beteiligt. Insbesondere hatten sie, für die Schüler direkt sichtbar, keinen Zugang zu den Versuchsbögen und konnten nicht erkennen, wer sich für eine faire Aufteilung entschie-den hatte, geschweige denn, wer sich reziprok verhalten hatte.

das experiment ergab die folgenden ergebnisse: Im durchschnitt überließen die dik-tatoren den Partnern 36,8 Sprünge. Ca. 1/6 der diktatoren gaben 50 oder mehr Sprünge ab. die diktatoren in der ersten Runde waren dabei generöser. Sie überließen durch-schnittlich nur knapp mehr als die hälfte (33,3) der Sprünge dem Partner. die diktatoren in der zweiten Runde, die die mit der Aufteilung verbundene Anstrengung zuvor eben buchstäblich am eigenen leib erfahren hatten, waren weniger kooperativ. Sie überlie-ßen den Partnern durchschnittlich zwei drittel der Anstrengung (39,3 Sprünge). 45 % der diktatoren gaben nun 50 oder mehr Sprünge ab. dies belegt die Annahme, dass die dik-tatoren tatsächlich über Kosten entschieden. Sonst hätte sich zwischen den beiden Run-den durchschnittlich kein unterschied zeigen dürfen, wie es typischerweise mit „windfall gains“ der Fall ist. es zeigte sich auch, dass die hypothetischen Kosten, die bei der Inst-ruktion der Probanden vor dem experiment wirkten, nicht dieselbe Wirkung hatten wie die späteren tatsächlichen Kosten. dies spricht dafür, ergebnisse, die mit hypothetischen Kosten erzielt wurden, nicht unbesehen auf reale Situationen mit tatsächlichen Kosten anzuwenden.

die entscheidende Frage ist jedoch, ob die diktatoren der zweiten Runden jeweils die Aufteilung wählten, die sie selbst bekommen hatten. dies ist in keiner Weise der Fall.

13 diese Wortwahl ist insofern sinnvoll, als sich diese entscheidung neurologisch offenbar auf zwei verschiedene hirnregionen, eine stammesgeschichtlich alte, die für die Steuerung von emotionen zuständig ist und eine jüngere für rationale entscheidungen, zurückführen lässt (glimcher et al. 2009; Sigmund 2010).

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54,8 % der diktatoren in der zweiten Runde gaben mehr Kosten ab, als sie selbst tra-gen mussten. nur 16,1 % zeigten explizit reziprokes Verhalten und gaben genauso viele Sprünge ab, wie sie selbst machen mussten. dabei handelte es sich fast immer um die faire Aufteilung von 30 Sprüngen. das heißt, dass durch Reziprozität und Fairness moti-viertes Verhalten hier nicht unterschieden werden kann. Allerdings gab von allen Pro-banden, die genau die hälfte der Sprünge bekommen hatten, nur ein Fünftel diese Anzahl auch zurück. Selbst in dem Fall, in dem Reziprozität am klarsten erkenn- und herstellbar gewesen wäre, trat sie also kaum auf. die verbleibenden 29,1 % der diktatoren nahmen mehr Sprünge auf sich, als ihnen selbst zugewiesen worden waren. hier liegt die Ver-mutung nahe, dass diese diktatoren nett behandelt worden waren und diese nettigkeit nun sogar überkompensierten. dies ist jedoch nicht der Fall. drei Viertel der diktatoren, die mehr Kosten auf sich nahmen, als sie selbst tragen mussten, waren unfair behandelt worden und hatten schon mehr als 30 Sprünge absolviert.

Auch in der bivariaten Analyse ändert sich dieses bild nicht. Allgemeine Reziprozi-tät zeigt sich als positive Korrelation zwischen der Zahl der erhaltenen und der Zahl der weitergegebenen Sprünge. dieser Zusammenhang beträgt r = − 0,21 ( p = 0,26, n = 31). die Probanden gaben also systematisch (wenn auch aufgrund der Fallzahl nicht signifikant) mehr Kosten zurück, als sie selbst erhalten hatten. geht man von einem Fairnesspunkt von 30 Sprüngen aus, kann spezifisch negative Reziprozität untersucht werden. Diese liegt vor, wenn eine unfaire Aufteilung an den neuen unbekannten Partner weitergegeben wird. Auch dieser Zusammenhang findet sich nicht (r = 0,09, p = 0,79, n = 12). Selbst Pro-banden, die eine unfaire behandlung erfahren hatten, reagierten nicht mit entsprechend unfairen Aufteilungen.14 diese befunde bleiben auch bestehen, wenn zusätzlich für die exakten physischen Kosten über das Körpergewicht oder den altersadäquaten body-Mass-Index (Kromeyer-hauschild et al. 2001) kontrolliert wird. Insgesamt zeigt sich damit in doppelblinden sequenziellen diktatorspielen mit kostenträchtigen handlungen keine ungerichtete altruistische Reziprozität.

4 Diskussion

Im Folgenden werden die zentralen empirischen ergebnisse zusammengefasst. Anschlie-ßend wird diskutiert, wie diese erklärt werden können und welche sozialen Konsequen-zen sie haben. Abschließend wird über die Rolle von Fairness als universeller Motivator von Kooperation spekuliert.

4.1 Altruistische Reziprozität ist gerichtet

die jugendlichen Probanden, die in einer natürlichen umgebung eine anstrengende ent-scheidung trafen, verhielten sich nicht ungerichtet altruistisch reziprok. Sie handelten vielmehr insofern vernünftig, als sie die behandlung, die sie durch eine völlig unbekannte Person erfahren hatten, nicht an eine andere ebenso unbekannte Person weitergaben. die

14 Für die Schätzung der positiven Reziprozität (belohnung einer fairen oder hyper-fairen Auf-teilung durch eine ebensolche) ist die Fallzahl zu klein.

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Probanden in experimenten mit quasi kostenlosen entscheidungen (vgl. ben-ner et al. 2004, Franzen und Pointner 2008) entschieden sich nur tendenziell ungerichtet altruis-tisch reziprok. Altruistische Reziprozität scheint damit kein simpler Mechanismus derart zu sein, dass eine erfahrene behandlung auf die nächstverfügbare Person gespiegelt wird, selbst wenn man sich dadurch Kosten sparen könnte. Allerdings scheint altruistische Reziprozität durchaus relativ mechanistisch zu funktionieren, sobald die Zielperson der reziproken handlung diejenige ist, von der die Ausgangshandlung erfahren wurde. Kurz: gerichtete altruistische Reziprozität scheint zu existieren, ungerichtete altruistische Rezi-prozität dagegen nicht. es kann spekuliert werden, dass dies mit einer emotionalen Ver-mittlung der Reziprozität, die quasi ein Ziel bedingt, zusammenhängt.

Jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass bisher keine experimentelle evi-denz zu kostenträchtigen handlungen mit gerichteter altruistischer Reziprozität exis-tiert. es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass sich in einem solchen experiment zeigen würde, dass altruistische Reziprozität ausschließlich bei kostenlosen entscheidungen auf-tritt. gegen eine solche Vermutung kann allerdings evidenz aus ex-post-facto Studien zu realen reziproken Handlungen eingebracht werden. So findet sich gerichtete altruis-tische Reziprozität durchaus bei Tauschhandlungen im Online-bereich, wenn z. b. bei ebay anonyme Käufer und Verkäufer Ware gegen geld zur beiderseitigen Zufriedenheit tauschen, ohne dass das, oft nicht unbeträchtliche, Opportunitätspotenzial eines solchen reziproken Tauschs zwischen unbekannten ständig ausgenutzt wird. Allerdings hat Rezi-prozität nicht dieselbe Wirkung, wenn dieselben Akteure anschließend eine mit geringen Kosten verbundene gegenseitige bewertung des Tauschs abgeben sollen. Solche bewer-tungen sind für Online-Reputationssysteme15 unumgänglich. hier ist nun ungerichtete altruistische Reziprozität in einem Kooperationsproblem zweiter Ordnung (siehe oben) gefragt, da der Profiteur der Reputationsabgabe ja gerade nicht der Tauschpartner ist, sondern andere, unbekannte, zukünftige Tauschpartner. dies geschieht nur in geringem Ausmaß (vgl. berger und Zimmermann 2012) und bestätigt die experimentelle evidenz zu ungerichtet altruistischer Reziprozität.

4.2 gerichtete altruistische Reziprozität ist ein genetischer Zug, ungerichtete eine norm

Wie könnte der befund, dass gerichtete, aber nicht ungerichtete altruistische Reziprozität relativ robust nachgewiesen werden kann, erklärt werden? ben-ner et al. (2004) analysie-ren dazu weitere Kovariaten und folgern, dass gerichtete altruistische Reziprozität durch-aus genetisch bedingt sein könnte, ungerichtete altruistische Reziprozität jedoch normativ bedingt wirkt. dies deckt sich mit der bisherigen evidenz, dass gerichtete altruistische Reziprozität ein relativ robustes Verhaltensmuster ist. ungerichtete altruistische Rezi-prozität scheint dagegen bei kostspieligen handlungen tendenziell zu verschwinden. die low-Cost-Theorie (siehe oben) kann erklären, warum dies der Fall ist. bei kostengüns-tigen handlungen ist die offensichtlich vorhandene norm ungerichteter altruistischer Reziprozität aktiviert und ohne soziale Kontrolle wirksam. bei kostspieligen handlungen

15 die existenz solcher Reputationssysteme zeigt allerdings auch, dass gerichtete altruistische Reziprozität zur Stabilisierung solcher Tauschhandlungen langfristig offenbar nicht ausreicht.

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muss die (nicht-) einhaltung der norm jedoch zumindest subjektiv sichtbar (und dadurch strategischen Überlegungen unterworfen) sein, damit sie wirksam ist.

Im Folgenden werden einige Überlegungen angestellt, wann diese bedingungen in realen, kostenträchtigen Situationen gegeben sein könnten, sodass die eingangs geschil-derten Kooperationsprobleme objektiv durch altruistische, subjektiv jedoch durch strate-gische ungerichtete Reziprozität gelöst werden. Ausgangspunkt dazu ist die beobachtung von bateson et al. (2006), haley und Fessler (2005) und Rigdon et al. (2008), dass koope-ratives Verhalten durch kleinste, unbewusst perzipierte hinweise auf eine nicht anonyme Situation ausgelöst werden kann. Konkret führen Abbildungen von gesichtern oder sogar nur Augen (Fotos oder stilisierte Zeichnungen), die die Probanden in experimentellen Anordnungen bei ihren entscheidungen direkt anschauen, dazu, dass sich Probanden kooperativer verhalten als ohne diesen Stimulus. die genannten Autoren gehen davon aus, dass Augen oder gesichter genetisch verankerte Schlüsselreize sind, die bewirken, dass sich die Probanden beobachtet und sozial kontrolliert fühlen.16 einen weiteren beleg für die Wichtigkeit von gesichtern und gesichtsausdrücken für Kooperation liefern eckel und Wilson (2005); (vgl. auch bohnet und Frey 1999). Sie zeigen, dass lächelnde gesichter bei Probanden in laborexperimenten eine etwas höhere Kooperation auslösen als dieselben gesichter mit neutralem Ausdruck. eine solche disposition könnte wiede-rum genetisch verankert sein, wie z. b. bateson et al. (2006) und auch haley und Fessler (2005) vermuten. denkbar ist aber auch eine Internalisierung in der Primärsozialisation. Internalisiert würde dann im betrachteten Fall nicht die recht komplexe moralische Regel ungerichtet altruistisch reziproken handelns, sondern „nur“ die wesentlich einfachere Wahrnehmung, sozial kontrolliert zu sein, wenn bestimmte Schlüsselreize auftauchen.17 In den allermeisten Fällen erweist sich die Verbindung, in ein gesicht oder Augen zu schauen mit der Vermutung, beobachtet zu sein ja auch als korrekte einschätzung. der englische Ausdruck „other-regarding behaviour“ (z. b. hoffman et al. 1994) für sozial orientiertes Verhalten erweist sich hier als treffend. Man wird selbst beobachtet und schaut die anderen an. diese Idee kann an einigen beispielen illustriert werden.

In laborexperimenten, bei denen gesichter von experimentatoren und anderen Pro-banden sichtbar sind, wird dies altruistisch reziprokes handeln befördern. Vor diesem hintergrund könnte ein Teil der experimentellen evidenz für gerichtete altruistische Rezi-prozität nicht nur auf die kostenlosen entscheidungen, sondern auch auf das gefühl der Überwachung im labor zurückzuführen sein (Orne 1962). beim Ausfüllen der Steuer-erklärung zu Hause wird weniger Reziprozität gegenüber dem Staat zu finden sein als beim gespräch mit dem bearbeitenden Finanzbeamten. Versicherungen werden weni-ger betrogen werden, wenn nicht ein Formular ausgefüllt wird, sondern ein Agent den Schadensfall aufnimmt. Im Straßenverkehr, in dem die Anonymität groß ist, kann ins-gesamt wenig Kooperation erwartet werden. Wer einem Autofahrer bei einer „Reißver-

16 ein weiterer Kandidat für einen solchen Schlüsselreiz scheint die menschliche Stimme zu sein (haley und Fessler 2005). Wer nichts hört, ist tendenziell unkooperativer, als wenn er eine menschliche Stimme wahrnimmt.

17 Trivers (1971) vermutet in diesem Zusammenhang, dass sich empathie, die sich in emotionen wie Freundschaft oder Aggressionen gegen normverletzer äußert (vgl. Fehr und gächter 2002), evolutionär gebildet hat. dieser Mechanismus würde das dargestellte Argument unterstützen.

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schluss“-Zusammenführung Vortritt gewährt, kann nicht darauf zählen, diese Vorleistung von einem anderen Verkehrsteilnehmer zurückzubekommen. das bild eines einzelnen erdbebenopfers wird mehr Spendenbereitschaft auslösen als eine Opferstatistik, obschon letztere die notwendigkeit ungerichtet altruistisch reziproken handelns objektiv deut-licher darlegt.

das letzte beispiel zeigt, dass dieses Konzept kooperativen handelns nicht neu ist. es findet sich, ebenfalls illustriert mit dem Erdbebenbeispiel, schon in Adam Smiths „Theory of Moral Sentiments“ (2000). Smith postuliert, dass sich altruistisches Verhalten insbe-sondere im sozialen Nahbereich (Familie, Nachbarn, Freunde) findet, ausgelöst durch „sympathy“ (also empathie) oder „mutual sympathy“. Keine empathie und entsprechend kein altruistisches Verhalten, oder in den hier verwendeten begriffen keine ungerichtete altruistische Reziprozität, findet sich gemäß Smith jedoch bei anonymen Interaktionen, wie sie z. B. auf Märkten stattfinden. Die entsprechenden Mechanismen untersucht Smith folgerichtig in seinem Werk „Wealth of nations“ (1991).

die zurzeit z. b. im Programm der „behavioral game Theory“ (vgl. Camerer 2003) gehegte hoffnung, dass Reziprozität oder der „homo reciprocans“ das adäquatere Men-schenbild ist als der „homo oeconomicus“ muss damit zumindest gedämpft werden. Zwar ist Reziprozität sicherlich ein häufig auftretender Katalysator für Kooperation, jedoch ist ihre Wirksamkeit nicht alleine durch die natur des Menschen, sondern wesentlich durch die entscheidungssituation bedingt.

4.3 Fairness als universeller Motivator von Kooperation

An dieser Stelle erscheint es deshalb sinnvoll, einige Überlegungen zu einem weiteren möglichen universellen Motivator menschlichen handelns anzustellen, nämlich Fairness (Falk et al. 2008 für eine darstellung aktueller Modelle). Augenscheinlich zeigen sich in den oben dargestellten Experimenten häufig Fairnessmuster. Gerade wenn reziprokes Ver-halten nicht beobachtet werden kann, finden sich oft faire Aufteilungen. Könnte es sein, dass faire Kooperationsneigungen universeller und weniger voraussetzungsreich sind als reziproke? entscheidend sind auch hier die experimentellen bedingungen. Während rezi-prokes Verhalten in den berichteten experimenten objektiv von niemandem unmittelbar beobachtet werden konnte18, war dies bei der Fairness nicht zwingend der Fall. die Ver-suchsleiter beobachteten z. T. direkt, ob die Probanden sich fair verhielten oder nicht. unterstellt man dasselbe handlungsmodell wie bei der Reziprozität, hätte dies schon aus-gereicht, um bei den Probanden eine vorhandene Fairnessnorm zu aktivieren (Pillutla und Murnighan 1995). In der Tat finden Cherry et al. (2002) in einer experimentellen untersu-chung, in der dieser Mechanismus durch Anonymisierung ausgeschaltet wird, kein faires Verhalten mehr, sodass spekuliert werden muss, dass es sich auch bei Fairness eher um eine durch soziale Kontrolle wirksame norm als um einen angeborenen Zug handelt.19

18 dies war eine bedingung, um altruistische Reziprozität zu überprüfen.19 Zumindest aus evolutionstheoretischer Sicht scheint Fairness aber ein erfolgversprechenderes

handlungsmodell zu sein als Reziprozität. entsprechende erklärungen (z. b. Skyrms 1994) sind empirisch plausibler und weniger voraussetzungsreich als evolutionstheoretische Modelle zur genese von Reziprozität (z. b. gintis 2000).

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Danksagung: Ich danke enrico Ahlig und Stefan lohse für ihre Mitarbeit. den herausgebern, norman braun sowie den Teilnehmern des „RC 45 am XVII ISA World Congress“, an der Konferenz „Rational Choice Sociology: Theoretical Problems and empirical Applications“, Venice International university und an der „International Conference on Rational Choice and Social Institutions“, eTh Zürich danke ich für hilfreiche Kommentare und hinweise. die Arbeit wurde gefördert durch ein Stipendium des Schweizerischen nationalfonds (SnF PA001-108952).

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