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Axel Voss erläutert die Novelle des Datenschutzes S. 6 Helge Braun zur Gesundheitsforschung S. 8 Mechthild Heil über die Lust an der Prävention S. 14 MAGAZIN FÜR POLITIK UND GESUNDHEIT 03/2012 Jahrgang 09 5,00 Euro 20348 FARBENSPIEL Entscheidungsvielfalt im Herbst FARBENSPIEL Entscheidungsvielfalt im Herbst

am puls 03/2012

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Berichte zu Gesundheitsforschung, Prävention, Zwischenbilanz der Gesundheitspolitik, PKV, Veranstaltungen und Ärzteversorgung

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Axel Vosserläutert die Novelledes Datenschutzes S. 6

Helge Braunzur Gesundheitsforschung S. 8

Mechthild Heilüber die Lust an der Prävention S. 14

MAGAZIN FÜR POLITIK UND GESUNDHEIT

03/2012Jahrgang 09

5,00 Euro

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FARBENSPIEL Entscheidungsvielfalt im Herbst

FARBENSPIEL Entscheidungsvielfalt im Herbst

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Caring and curing Leben retten und Gesundheit verbessern – das ist unser Ziel.

Die Entwicklung bahnbrechender neuer Medikamente steht für Novartis an erster Stelle. Sie schaffen neue Behandlungsmöglichkeiten für bislang unerfüllte medizinische Bedürfnisse der Patienten. Patienten und ihre Bedürfnisse können jedoch sehr unterschiedlich sein. Deshalb bietet Novartis neben innovativen Medikamenten auch Möglichkeiten zur Krankheitsvorbeugung sowie Generika an und verbessert den Zugang zu medizinischer Versorgung.

www.novartis.de

Caring and curing Leben retten und Gesundheit verbessern – das ist unser Ziel.

Die Entwicklung bahnbrechender neuer Medikamente steht für Novartis an erster Stelle. Sie schaffen neue Behandlungsmöglichkeiten für bislang unerfüllte medizinische Bedürfnisse der Patienten. Patienten und ihre Bedürfnisse können jedoch sehr unterschiedlich sein. Deshalb bietet Novartis neben innovativen Medikamenten auch Möglichkeiten zur Krankheitsvorbeugung sowie Generika an und verbessert den Zugang zu medizinischer Versorgung.

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem kürzlich ergangenen Urteil entschieden, dass Ärzte weder als Amtsträger noch als Beau� ragte der gesetzlichen Krankenkassen handeln. Dieser Beschluss des BGH hat nicht nur in der Ärztescha� zu teils he� igen Diskussionen geführt.

Letztlich hat das Gericht aber deutlich gemacht, dass Ärzte Freiberu­ er sind. Einher geht damit, dass die � erapie-freiheit und das vertrauensvolle Arzt –Patientenverhältnis ein besonders hohes Gut sind. Der Arzt handelt zum Wohle des Patienten. Wirtscha� -liche Interessen oder Vorgaben treten dabei in den Hintergrund. Dies ist der Leitgedanke des ärztlichen Handelns und dieser Grundsatz wurde durch das Gericht deutlich gestärkt. Es sollte im langfristigen Interesse der deutschen Ärztescha� , aber auch der Krankenkassen und der Politik sein, die ärztliche Tätigkeit als frei-beru­ iche Leistung zu erhalten. Gesundheit in der Hand wirtscha� -lich operierenden Konzernen ist der falsche Weg. Wenn dann auch noch bei ausländischen Investoren ein anderes Medizinverständnis vor-liegt, ist der Schaden groß. Dies ist eine Tendenz, die leider gerade im Laborbereich mehr und mehr anzu-tre� en ist. Kapitalisierte Aktiengesell-scha� en haben grundsätzlich andere Interessen als der Arzt in seiner frei-beru­ ichen Tätigkeit. Es muss aber unbedingt vermieden werden, dass wirtscha� liche Interessen über das

Dr. Mathias Höschel und Frank Rudolph, Herausgeber

Der Arzt muss Freiberufler bleiben

EDITORIAL

Wohl der Patientinnen und Patienten gestellt werden.

Leider trat nach dem BGH Urteil eine Korruptionsdebatte in den Vorder-grund, die so ausgelegt wurde, dass Ärzte ungestra� „Bestechungsgelder“ annehmen dür� en. Das ist nicht nur falsch. Es tri� auch nicht den Kern des Urteils. Wer fordert jetzt eine Ver-schärfung des Strafrechts? Na klar; die Opposition. Der Wahlkampf kann nach ihrem Geschmack nicht früh genug beginnen. Diese Marktschreier vermitteln der Ö� entlichkeit ein völlig falsches und verzerrtes Bild. Vielleicht sollten die Kritiker des Urteils einmal das Berufsrecht und Vertragsarztrecht lesen. Hier gibt es bereits heute ein-deutige Sanktionsmöglichkeiten. Diese müssen nur konsequent angewandt werden. Das wäre eine konstruktive Anmerkung gewesen.

Durch das Urteil wurde bestätigt, dass wir die Freiberu­ ichkeit brauchen. Ob Ärzte, Rechtsanwälte, Physio-therapeuten, Hebammen oder Steuer-berater, die freiberu­ ich tätigen Frauen und Männer sind der Motor des Mittel-stands und verantwortlich für die Scha� ung von Millionen hochquali-¢ zierter Arbeitsplätze. Deutschland braucht den Mittelstand, Deutschland braucht die Freiberu­ ichkeit. Der BGH hat dies eindrucksvoll bestätigt. Frank Rudolphstellv. LandesvorsitzenderGesundheitspolitischer Arbeitskreis der CDU-NRW

INHALT

4 Quo vadis Gesundheitswesen? Die Frage stellte sich eine Expertenrunde in Düssel-dorf und suchte nach Antworten, die Thomas Wingerath dokumentiert

5 Zwischenstand Gesundheitspolitik: Autorin Sandra Busch-Janser zieht eine kurze Bilanz und prophezeit, dass es recht munter weitergehen wird

6 Die neue EU-Datenschutznovelle und ihre Auswirkungen auf das Gesundheitswesen untersucht der Europapolitiker Axel Voss

8 Die neuen Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung werden dazu bei-tragen, dass Forschung, Klinik und Wirt-schaft künftig enger zusammenarbeiten meint der Arzt und Politiker Helge Braun

10 Neben dem Burnout-Syndrom wächst mit der „Inneren Kündigung“ ein neues Mitarbeiterproblem für Unternehmen und Organisationen heran. Unsere Autorinnen Nicole Scheibner und Julia Hapkemeyer geben Ratschläge

12 Für eine gezielte und vorurteilsfreie Veteranenpolitik spricht sich der Verteidigungspolitiker Jürgen Hardt aus

14 Die Verbraucher im Spannungsfeld zwischen Entmündigung oder Bevor-mundung und Wahlfreiheit oder Selbstbestimmung – diesen Konfl ikt erläutert die Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil

16 Die Ärzteschaft funkt SOS, was ihren Nachwuchs angeht. Die Versorgungs-krise, vor allem bei den niedergelassenen Ärzten, wird immer ernster, meint unser Autor Mario Colombo-Benkmann

18 Die Private Krankenversicherung ist unter heftigen Beschuss geraten – auch aus einer Ecke, aus der man das bisher nicht kannte. Unser Autor Roland Weber hat die Medienlandschaft analysiert

22 Kommentar von Jens Spahn, MdB

22 Impressum

Die nächste Ausgabe von „am puls“ erscheint am 26. November 2012

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GESUNDHEITSWESEN 2020

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DR. THOMAS WINGERATH

Dr. Thomas Wingerath, Jahrgang 1966, zwei Kinder. Studium der Chemie an den Universitäten Köln und Düsseldorf. Seit 2008 für die Novartis Pharma GmbH im Bereich Gesundheitspolitik und Kranken-kassenmanagement tätig. Davor in ver-schiedenen Positionen in Industrie und Beratung. Seit 2007 Beiratsmitglied im GPA-NRW

Wie wird unser Gesundheitssystem im Jahr 2020 aussehen? Die „AG Zukunft des Gesundheitswesens“ hat einen Tag lang mit einem hochkarätig besetzten Symposium den Blick in die Glaskugel gewagt und Zu-kunftsperspektiven diskutiert. Die Heraus-forderungen für die Akteure in einem solidarischen Gesundheitssystem sind ge-waltig: Patienten sind darauf angewiesen, auch künftig Zugang zu medizinischen Innovationen zu erhalten - bei weiterhin be-grenzten Ressourcen im System. Zugleich schaffen Gesetzgeber und technischer Fort-schritt - zum Beispiel durch IT-Lösungen - neue Möglichkeiten für eine integrierte und wirtschaftliche Versorgung.

Der Versicherte, so eine deutschlandweite, repräsentative Umfrage möchte sich die freie Arztwahl weiterhin umfassend er-halten. Auch möchten 80 Prozent der Be-fragten die Kosten der Behandlung wissen - aber nur 30 Prozent sind dann auch bereit, die Kosten zu bezahlen, so Prof. Dr. Dr. Reinhard Rychlik vom Institut für Empirische Gesundheitsökonomie. Hartmut Schauerte, Landesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtscha� sver-einigung der CDU Nordrhein-Westfalen, betonte daher auch, dass die Preis¢ ndung im Gesundheitswesen nicht komplett

Die Referenten und Organisatoren des Symposiums „Zukunft des Gesundheitswesens“ in Düsseldorf

ausgeschaltet werden darf, sonst wird man nicht umhin kommen, die Menge zu de¢ nieren. Tatsächlich be¢ nden sich heute 80-90 Prozent der Mittel im Gesundheitswesen nicht in der freien Vereinbarung zwischen Leistungser-bringer und Versicherten. Das Dilemma sei nur intelligent zu lösen, so Schauerte.Der rasante Wandel betri� alle Akteure im Gesundheitssystem - darauf wies zum Beispiel Georg Baum, Hauptgeschä� s-führer der Deutschen Krankenhaus-gesellscha� hin. Einer fortgesetzten Reduzierung von Krankenhäusern und einer herausfordernden Personal-sicherung, stehen – bedingt durch die Demogra¢ e – weiter steigende Leistungen im Krankenhaus gegenüber. Nicht zuletzt deswegen, sieht man im stationären Bereich die Anforderungen an Steuerungsaspekte weiter steigen.Werden die vorhandenen Ressourcen in der Versorgung richtig genutzt, fragte Dr. Peter Pottho� , Vorsitzender des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, um dann Antworten und Lösungen für die Fort-entwicklung der kollektiven Vertrags-gestaltung aufzuzeigen. Als innovatives, ­ ächendeckendes Modell führte Pottho� die ambulante Palliativversorgung in

Nordrhein mit maßgeblicher Beteiligung der KV an. Wie internationale Herausforderungen - Anstieg der Gesundheitsausgaben und Staatsverschulung - als Katalysator für Anpassungsprozesse im Gesundheits-wesen fungieren, erläuterte Dr. Norbert Hültenschmidt, Partner und Direktor von

Quo vadis Gesundheitswesen 2020?Gesundheitspolitisches Symposium der „AG Zukunft des Gesundheitswesens“ als Impuls- und Netzwerktreffen in Düsseldorf

Quo vadis Gesundheitswesen 2020?Gesundheitspolitisches Symposium der „AG Zukunft des Gesundheitswesens“ als Impuls- und Netzwerktreffen in Düsseldorf

Quo vadis Gesundheitswesen 2020?Gesundheitspolitisches Symposium der „AG Zukunft des Gesundheitswesens“ als Impuls- und Netzwerktreffen in Düsseldorf

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GESUNDHEITSPOLITIK

DR. SANDRA BUSCH-JANSER

Dr. Sandra Busch-Janser (34) ist ver-heiratet und Herausgeberin des Berliner Informationsdienstes zur Gesundheits-politik (www.berlinerinformationsdienst.de).Die promovierte Politikwissenschaftlerin ist Mutter dreier Kinder und hat in München und Duisburg studiert. Nach Stationen bei der Berliner Beratungsgesellschaft dimap communications und als Leiterin des Berliner Büros der int. Politikberatung Kovar & Köppl führt sie seit 2011 die Ge-schäfte des think tanks polispherewww.polisphere.eu

Bain & Company in Zürich. Aus Sicht der Beratung werden vier maßgebliche An-passungsprozesse den Gesundheitsmarkt grundlegend verändern: der engagierte Patient, die Daten Revolution, die integrierte Behandlung und die gesund-heitsökonomische Innovation. Dr. Helge Braun, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung betonte, in vielen Punkten ginge man auf nationaler Ebene durchaus konform mit den Ausführungen von Dr. Hültenschmidt. Staatsverschulung, Demo-gra¢ e und zunehmender Wettbewerb mit Schwellenländern werden unser Handeln immer stärker beein­ ussen. Antworten hierauf müssen wir in Forschung, Innovation und Bildung ¢ nden, so Dr. Braun. Birgit Fischer, Hauptgeschä� s-führerin vom Verband der forschenden Arzneimittelhersteller, stellte heraus, dass Pharma-Unternehmen bereit sind, neue Kooperationen und Bündnisse zwischen Wirtscha� , Wissenscha� & Gesund-heit einzugehen sowie sich als Partner in der gesundheitlichen Versorgung zu empfehlen. Sie skizzierte aber auch die Herausforderungen und Probleme, mit denen sich die Hersteller durch die mit dem AMNOG eingeführte frühe Nutzen-bewertung konfrontiert sehen und welcher dringenden Lösungen es hier bedarf.

Die Botscha� von Christiane Vössing, Fachbereichsleiterin Versorgungsmanage-ment der Knappscha� , lautete, Kranken-versicherer müssen sich als gleich-berechtigte Partner im Zentrum der regionalen Versorgung etablieren. Informationen und Daten über den Be-handlungsverlauf müssen im Sinne einer koordinierten und e« zienten � erapie intensiver und multiprofessionel genutzt werden. IT-Lösungen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Lösungsansätze, das wurde in den Dis-kussionsrunden in der Deutschen Apo-theker- und Ärztebank Düsseldorf deut-lich, sind vielfältig und setzen eines voraus: Bereitscha� bei allen Akteuren, einen o� enen und fairen Austausch über die richtigen Wege zu führen. Somit er-geben sich gute Ansatzpunkte, über eine Fortführung des gemeinsamen Dialogs auch in 2013 nachzudenken.

Die gesundheitspolitischen Themen des letzten halben Jahres waren vor allem eins: vielfältig. Da ist es nicht immer ganz einfach den Überblick zu behalten, wer gerade an welcher Stellschraube des Gesundheits-systems dreht. Insbesondere die viel dis-kutierten Kassenüberschüsse verheißen zahlreiche Wohltaten, doch noch ist nicht klar, wem der Gesundheitsminister ein Stück vom 20 Milliarden-Kuchen gönnt.

Klar ist hingegen, dass die Bundesregierung einige wichtige Gesetze auf den Weg ge-bracht hat, die zum Teil über Jahre um-stritten waren, wie beispielsweise das P­ egeneuausrichtungsgesetz, das noch schnell beschlossen wurde, bevor sich die Parlamentarier in die Sommerpause ver-abschiedeten. Dabei musste die Bundes-regierung zwar Kritik von der Opposition und den Sozialverbänden einstecken, die bemängelten, dass bisher kein P­ egebegri� de¢ niert wurde. Der soll aber bis zum Frühjahr nachgereicht werden, wenn der von Bahr eingesetzte „P­ egebeirat“ seine Ergebnisse vorstellt.Eine Vielzahl von Änderungen und Nach-besserungen wurde mit der AMG-Novelle durch den Gesetzgebungsprozess ge-schleust. Ging es ursprünglich zunächst darum, EU-Vorgaben in nationales Recht umzusetzen, die das Eindringen gefälschter Arzneimittel in die legale Handelskette verhindern, wurde im Laufe des Gesetz-gebungsprozesses an mehreren Stell-schrauben des Gesundheitssystems gleich-zeitig gedreht. Insbesondere das � ema „Versandapotheke“ hat hier für he� ige Dis-kussionen gesorgt. Einig war man sich hingegen beim Organ-spendegesetz, das in Form eines fraktions-übergreifenden Gesetzentwurfs in den Bundestag eingebracht und beschlossen wurde. Die gesetzlichen Krankenkassen haben nun die Aufgabe, ihre Versicherten über die Organspende zu informieren, auf-zuklären und über die Entscheidung zu be-fragen.

Ausblick auf die gesundheitspolitischen ThemenKeine leichte Aufgabe angesichts des Organspende-Skandals den Göttinger und Regensburger Kliniken der mitten in die Sommerpause geplatzt ist. Nun hat sich auch der Gesundheitsminister eingeschaltet und verspricht eine lückenlose Au° lärung der Fälle und bei Bedarf gesetzliche Nach-besserungen. Das � ema Organspende

Zwischenstand Gesundheitspolitikkönnte sich demnach bald erneut auf der parlamentarischen Tagesordnung be¢ nden.Gleichzeitig steht in der zweiten Jahres-häl� e die Nationale Präventionsstrategie, die der Gesundheitsminister für Herbst an-gekündigt hat, auf der politischen Agenda. Die Präventionsstrategie wird ebenso wie der Nationalen Krebsplan, an dem derzeit eben-falls gearbeitet wird, für einige Diskussionen auch innerhalb der Koalition sorgen.Fast schon nebenbei wurde derweil für das Patientenrechtegesetz der parlamentarische Endspurt eingeläutet. Nach zehn Jahren in der gesundheitspolitischen Pipeline wurde es im Mai im Bundeskabinett abgesegnet und soll nun noch in dieser Legislatur-periode in Kra� treten. Ganz im Zeichen der Bundestagswahl 2013 wird die Zukun� der Praxisgebühr für einigen Zündsto� in der Koalition sorgen, denn es ist zu erwarten, dass der Minister nach seinen bisherigen Forderungen zur Abscha� ung – pünktlich zum Wahlkampf – Taten folgen lässt. Zudem werden die Über-schüsse der gesetzlichen Krankenkassen auch in der zweiten Halbzeit ein Dauer-thema bleiben: Während die Kranken-kassen schon jetzt fürchten, dass hiervon großzügig Wahlgeschenke verteilt werden, stehen die übrigen gesundheitspolitischen Akteure schon mit Wunschzetteln bereit.

Zwischenstand Gesundheitspolitik

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DATENSCHUTZ

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Brüssel nimmt die überfällige Überarbeitung der EU-Datenschutzrichtlinie von 1955 in Angriff

Von Axel Voss, MdEP (CDU/EVP)

Online-Shopping, facebook, eLearning - und das alles auf dem Smartphone: Wir sind längst im digitalen Zeitalter angekommen. Egal was wir tun und wohin wir uns bewegen, wir hinterlassen heute Datenspuren. Das gilt auch die für die Gesundheitsbranche, wo digitale Patientenakten, Online-Apo-theken, Portale für Arztbewertungen oder Smartphone-Apps zum Pulsmessen längst Alltag sind. Brüssel nimmt nun die über-fällige Überarbeitung der EU-Datenschutz-richtlinie von 1955 in Angriff. Gerne möchte ich im Folgenden die Grundzüge der Reform und ihre potenziellen Auswirkungen auf das Gesundheitswesen skizzieren.

Viviane Reding, EU-Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerscha� , hat am 25. Januar 2012 einen Vor-schlag für eine „Datenschutz-Grundver-ordnung“ vorgestellt, anhand derer die Überarbeitung der Datenschutzricht-linie 95/46 gelingen soll. Das Europäische Parlament hat die Beratungen intensiv aufgenommen, die bis Sommer 2014 ab-geschlossen sein sollen. Die Verordnung könnte voraussichtlich zwei Jahre später in Kra� treten.Als Beweggründe für die Überarbeitung sind zunächst die rasante Entwicklung

Der Entwurf der EU-Datenschutznovelle und ihre Auswirkungen auf den Gesundheitssektor

des Internets und die damit verbundenen technischen Möglichkeiten zu nennen. Die heutigen Anforderungen und Heraus-forderungen an ein modernes Daten-schutzrecht unterscheiden sich stark von den Vorstellungen von 1995, als Smart-phones oder soziale Netzwerke noch „Zu-kun� smusik“ waren.Es hat sich weiterhin gezeigt, dass das Konzept einer Richtlinie, das sich in 27 einzelstaatlichen, divergierenden Daten-schutzgesetzen niederschlägt, nicht praxistauglich ist. Daten und das Ge-schä� mit Daten funktioniert dezentral und länderübergreifend. Ein Festhalten an Landesgrenzen ist hier selbstredend nicht sinnvoll.

Die Pläne für ein neues Gesetz im ÜberblickDer nun vorliegende Vorschlag verfolgt zwei gleichrangige Ziele. Es soll erstens der freie Fluss von Daten im Binnen-markt ermöglicht und zweitens der e� ektive Schutz des Grundrechts auf Datenschutz für den Einzelnen gewähr-leistet werden.

Wachstum des digitalen Marktes ermöglichenDas erste Ziel soll mit Vereinfachungen für die Wirtscha� erreicht werden.

Anstelle eines Flickenteppichs von 27 Gesetzeswerken in 27 Staaten wird es eine einheitliche Verordnung für ganz Europa geben. Als Novum wird das Marktortprinzip eingeführt. Es be-sagt, dass die neuen EU-Regeln auch für all die Unternehmen gelten sollen, die außerhalb der EU ihren Hauptsitz haben und sich mit ihren Waren und Dienstleistungen aber an Kunden in der EU wenden. Das bedeutet konkret: Da wo Daten von EU-Bürgern verarbeitet werden, wird auch EU-Recht gelten!

Unternehmen in die Pfl icht nehmenIn der Vergangenheit haben Daten-skandale negative Schlagzeilen produziert und Sorgen bei Verbrauchern ausgelöst. Wir in Europa wollen die Unternehmen nun stärker in die P­ icht nehmen.Es wird eine „General Data Breach Noti¢ cation“ eingeführt. Unternehmen, die ein Datenleck haben oder denen ein Datendiebstahl widerfahren ist, müssen die entsprechende Datenschutzbehörde und die betro� enen Nutzer binnen 24 Stunden nach dem Vorfall informieren.Für Unternehmen, die sich zu-kün� ig nicht an die Regeln halten, wird es indes ungemütlich: Der Ent-wurf sieht emp¢ ndliche Sanktionen

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AXEL VOSS

Axel Voss, MdEP, wurde 1963 in Hameln geboren. Er gehört seit 2009 dem Europäischen Parlament an. Der Rechtsanwalt ist Mitglied im Aus-schuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz, und Inneres und betreut für die EVP den Bereich Datenschutz

DATENSCHUTZ

und Geldstrafen vor, die bis zu 2% vom Jahresumsatz reichen können.

Vertrauen der Bürger in Daten-sicherheit stärkenNeben den Unternehmen spielen die Bürger und ihre Rechte die zweite, gleich-wichtige Rolle in der Novelle. Nach Art. 8 der Grundrechtecharta ist der Daten-schutz ein Grundrecht für alle Bürger der Europäischen Union.Die Schlagwörter hier sind Ver-antwortung und Transparenz. Nur wenn beides erreicht wird, ist ein nachhaltiges und faires Geschä� mit Daten möglich. Die Kommissarin schlägt eine ganze Reihe von Maßnahmen vor, die auf den bestehenden Regelungen au» auen und die Rechte der Verbraucher stärken.Dort, wo die Einwilligung als Grundlage für die Datenverarbeitung dient, muss die Einwilligung eindeutig erfolgen, das heißt entweder durch eine Erklärung oder durch eine klare, bestätigende Handlung der betro� enen Person Weiterhin ist die Einführung eines „Rechts auf Vergessen-werden“ geplant. Dieses Instrument meint im Kern das Recht von Internet-nutzern auf eine Löschung ihrer Daten, wenn sie ihre Einwilligung zurückziehen und keine anderen legitimen Gründe für die Au» ewahrung dieser Daten vor-liegen. Auch ein neues „Recht auf Datenüber-tragbarkeit“ (Data Portability) ist geplant. Dies meint das Recht, vom für die Ver-arbeitung Verantwortlichen eine Kopie der gespeicherten Daten zu erhalten und

diese ungehindert von einem Dienstean-bieter auf einen anderen übertragen zu können.Der Verbraucher erhält auch ein deut-lich gestärktes Recht auf Information: Datenverarbeiter werden verp­ ichtet, die Nutzer in einfacher und klarer Sprache darüber zu informieren wie, wo und von wem ihre Daten verarbeitet werden. Es werden Fristen zur Berichtigung und Löschung von Daten gesetzt.

Auswirkungen auf den GesundheitssektorAuch wenn der Gesundheitssektor nicht Hauptzielgruppe der Reform des europäischen Datenschutzrechts ist, so ist er von den geplanten Regelungen doch betro� en. Denn die neue Daten-schutzverordnung wird überall gelten, wo personenbezogene Daten verarbeitet werden, egal in welchem Format oder Kontext.Gesundheitsdaten gelten als „besondere Kategorie“ von Daten, deren Verarbeitung erhöhten Schutzanforderungen unterliegt. Hier gibt es zur bestehenden Rechtslage keine Veränderungen. Wenn der Patient gültig und eindeutig eingewilligt hat oder wenn, wie etwa in einem Notfall, die Ver-arbeitung von Daten zum Schutz lebens-wichtiger Interessen notwendig ist, ist die Verarbeitung erlaubt.Ärzte oder Apotheker sehen sich hin-sichtlich des Datenschutzes in einem potentiellen Kon­ ikt zwischen ihrer Geheimhaltungsp­ icht und der Auskun� s-p­ icht gegenüber Aufsichtsbehörden.

Auch hier wird es richtigerweise weiter-hin Ausnahmeregeln geben.

Mit Sorge blickt der Gesundheitssektor jedoch auf das „Recht auf Vergessen-werden“ und das „Recht auf Daten-übertragbarkeit“. Hier fürchten Unter-nehmen, Praxen und Versicherungen gleichermaßen einen Ab­ uss von Ge-schä� sgeheimnissen und erhöhten Ver-waltungsaufwand. Hier muss klar-gestellt werden, dass nicht der Gesund-heitssektor, sondern Internetanbieter im Fokus den neuen Rechte stehen.

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MEDIZINISCHE FORSCHUNG

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Als Grundlage für eine Verbesserung Vernetzung von Grundlagenforschung und klinischer Praxis schafft das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit den Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung neue Forschungsstrukturen

Von Helge Braun, MdB

Nach wie vor ist die Zahl der Menschen, die an Volkskrankheiten wie Krebs, Herz-Kreis-lauf-, oder neurodegenerativen Erkrankungen leiden oder neu erkranken, besorgnis-erregend. Die Grundlagenforschung und die klinische Forschung haben auf den ver-schiedensten Gebieten bereits viel erreicht. Neue Erkenntnisse erfordern jedoch immer größere Studien, Patientenregister und Biomaterialbanken. Und zum Wohle der Patienten müssen Ergebnisse aus der bio-medizinischen Grundlagenforschung besser und schneller in die klinische Praxis über-führt werden. Dieser Herausforderung kann mit Vernetzung bestehender Forschungs-einrichtungen allein nicht mehr adäquat begegnet werden. Es gilt, einen neuen, qualitativen Sprung zu vollziehen.

Neue Forschungsstrukturen

Als Grundlage für diesen Wandel scha� das Bundesministerium für Bildung und

DEUTSCHE ZENTREN DER GESUNDHEITSFORSCHUNG

Forschung, Klinik und Wirtschaftzukünftig Hand in Hand

Forschung (BMBF) mit den Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung neue Forschungsstrukturen. Sie sind mit ihrem Leitgedanken der Translation das „Herz-stück“ des Rahmenprogramms Gesundheits-forschung der Bundesregierung. Mit den Deutschen Zentren halten ein neuer An-satz und eine neue Denkweise Einzug in die deutsche Forschungslandscha� : Es wird ein neues Verständnis für eine engere und dauer-ha� e Kooperation über Fächergrenzen und Forschungseinrichtungen hinweg gescha� en. Um dies zu erreichen stellt allein der Bund in der Au» auphase bis 2015 etwa 700 Millionen Euro zur Verfügung. Davon pro¢ tieren sechs Zentren, die sich den � emen Herz-Kreislauf-Forschung, Infektionsforschung, Lungen-forschung, translationale Krebsforschung, Diabetesforschung und neurogenerative Er-krankungen widmen.

Mit ihrer dezentralen Architektur vereinen die Deutschen Zentren das vorhandene uni-versitäre und außeruniversitäre Potenzial. Sie bieten den besten Wissenscha� lerinnen

und Wissenscha� ler die Möglichkeit, interdisziplinär zusammenzuarbeiten, um neue medizinische Forschungsergebnisse schneller in die Anwendung zu bringen. Dabei reicht ihr Fokus von der verbesserten Vorsorge und Diagnose bis hin zu Konzepten für individualisierte � erapien. Au» auend auf den etablierten Strukturen haben die Deutschen Zentren unmittelbar ihre Forschungstätigkeit aufgenommen.

Gesundheitswirtschaft wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor

Translation endet bekanntlich nicht mit der Durchführung von akademischen Pro-bandenstudien. Nur wenn auch die Wirt-scha� eingebunden wird, kann es ge-lingen, neue � erapie- und Diagnosever-fahren ­ ächendeckend einzusetzen. Der ko-ordinierte Transfer der Ergebnisse von der Akademia in die Wirtscha� wird vielleicht eine noch größere Herausforderung sein als die Zusammenführung von Klinik und Grundlagenforschung, von universitärer und außeruniversitärer Forschung. Bislang ist die Trennung zwischen akademisch-motivierter und ökonomisch-motivierter Forschung aller-orts spürbar. So ist Deutschland einerseits mit rund 8.000 klinischen Studien pro Jahr zwar Spitzenreiter in Europa und auf Rang 2 welt-weit. Andererseits ist die Zahl der Medika-mente, die zur Marktreife gebracht werden, aber noch immer überschaubar.

Das ist eine ernst zu nehmende Entwicklung, da die Gesundheitswirtscha� ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor ist. Bisher sind rund 14 Prozent der Beschä� igten in Deutschland, also etwa fünfeinhalb Millionen Menschen, in diesem Sektor tätig. Die Deutschen Zentren sind ein attraktiver Partner für die Industrie, hier sind also neue Impulse zu erwarten.

Bereits während der Au» auphase der Zentren muss ein besonderer Schwer-punkt auf die wirtscha� liche Verwertung von Forschungsergebnissen und die Ko-operationen mit Unternehmen der Gesund-heitsbranche gelegt werden. Die dafür existierenden Ansätze bei den beiden im Jahr 2009 gegründeten Deutschen Zentren für Diabetesforschung (DZD) und Neuro-degenerative Erkrankungen (DZNE) sind bereits vielversprechend. Sie bieten wertvolle

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MEDIZINISCHE FORSCHUNG

DR. HELGE BRAUN

Dr. Helge Braun, MdB, 39 Jahre, ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Von 2002 bis 2005 und seit 2009 gehört der promovierte Mediziner dem Deutschen Bundestag an. Seit 2001 ist er in Gießen als Arzt in der Klinik für Anaesthesiologie, Intensiv-medizin und Schmerztherapie tätig

Anknüpfungspunkte für die übrigen vier neuen Deutschen Zentren.

Zeithorizont verkürzen

Aufgrund der klinisch experimentellen Expertise und dem Vorhalten spezi¢ scher nicht-invasiver Methoden ist das DZD Partner von Pharmaunternehmen zur Durchführung von Multicenter-Studien, die die Wirkung von pharmazeutischen Wirk-sto� en beim Menschen untersuchen. Auch im präklinischen Bereich ist das DZD für die Industrie ein gefragter Partner. So identi-¢ zierte das Helmholtz Zentrum München in Kooperation mit einem Pharmaunternehmen einen Biomarker, der die Testung von Wirk-sto� en an einem Diabetes relevanten Protein ermöglichen soll. Darüber hinaus legt das DZD großen Wert auf die frühzeitige Be-rücksichtigung industrieller Standards bei der Weiterentwicklung praxisrelevanter wissenscha� licher Ergebnisse. Das Deutsche Zentrum für Neuro-degenerative Erkrankungen hat im November letzten Jahres einen sogenannten „Industry Day“ ins Leben gerufen. Dort präsentierte sich das Zentrum mit all seinen Standorten und Forschungsinhalten, um mit interessierten Industrievertretern ins Ge-spräch zu kommen und auch zu diskutieren, welche � emen für eine o� ene Kooperation mit mehreren Industriepartnern in Betracht kommen. In diesem Jahr wird der „Industry Day“ erneut statt¢ nden.

Wir erwarten, dass bei den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, Forschung, Klinik und Wirtscha� zu-kün� ig Hand in Hand ineinander greifen. Dies setzt aber auch voraus, dass die Gesundheitswirtscha� o� en auf die Zentren zugeht und sich aktiv in die Ge-staltung der Schnittstellen zwischen Wissenscha� und Wirtscha� einbringt. Dabei müssen die Interessen der Industrie und der Deutschen Zentren in Einklang ge-bracht werden. Mit den Deutschen Zentren der Gesund-heitsforschung werden die Rahmen-bedingungen für Translationsforschung in Deutschland nachhaltig verbessert. Es werden Raum für neue Ideen sowie ein koordiniertes Schnittstellenmanagement gescha� en. All dies fördert die Attraktivi-tät und Leistungsfähigkeit der deutschen Gesundheitsforschung: Zum Einen soll Deutschland mit seinen Deutschen Zentren von internationalen Unternehmen ver-stärkt als Standort zur Entwicklung von Diagnose- und � erapieverfahren aus-gewählt und für die Durchführung von groß angelegten Studien genutzt werden.

Zum Anderen können die Zentren dazu beitragen, internationale Spitzenforscher und junge Talente in der transnationalen Forschung nach Deutschland zu ziehen. Dies wird die internationale Wettbewerbs-fähigkeit unseres Landes zusätzlich stärken.

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Den Zeithorizont zwischen Idee und Anwendung beim Patienten neuer medizinischer Methoden und Wirksto� e von teilweise vielen Jahrzehnten auf einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren zu ver-kürzen, fasst das ehrgeizige Ziel der neu ge-scha� enen Zentren in Zahlen. An diesem hohen Maßstab werden sich alle Deutschen Zentren zukün� ig messen lassen müssen.

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INNERE KÜNDIGUNG

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Von Nicole Scheibner und Julia Hapkemeyer

Seit 20 Jahren ist in Deutschland eine stete Zunahme psychischer Er-krankungen zu verzeichnen. Arbeitgeber begegnen diesem Umstand primär mit der Implementierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM). Jüngst haben Burnout und Depression eine große öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Ein Phänomen spielt aber im BGM bislang kaum eine Rolle: die „innere Kündigung“. Innere Kündigung wird oft beschrieben als „Dienst nach Vorschrift“ oder „Leistungs-verweigerung durch Minimalleistung“. Kaum Beachtung erfährt das Phänomen einerseits deshalb, weil sich die innere Kündigung nicht so eindeutig äußert wie psychische Störungen (z.B. De-pression) und somit leicht „übersehen“ wird. Andererseits erfolgt eine gewisse Tabuisierung, da innere Kündigung

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„Innerlich habe ich schon lange gekündigt“Warum es für Organisationen wichtig ist, ihre Arbeitsbedingungen kritisch zu reflektieren und ihre Führungskräfte für einen „gesunden“ Führungsstil zu sensibilisieren

Der Umgang mit „innerlich Gekündigten“ verlangt von Vorgesetzten eine besonders hohe soziale Kompetenz

direkt durch die Arbeit bedingt ist und so eine kritische Refl exion der Arbeits-bedingungen seitens des Arbeitgebers erfordert.

Sowohl aus betriebswirtscha� licher Sicht als auch aus Gründen der sozialen Verantwortung gegenüber den Be-schä� igten ist es ratsam, sich mit Ursachen, Symptomen, Auswirkungen und Gegensteuerungsmaßnahmen der inneren Kündigung zu befassen. Innerlich Gekündigte messen ihrer Tätigkeit eine geringe Bedeutung für die Arbeit bei und identi¢ zieren sich nicht mehr mit ihrem Arbeitgeber. Sie sind dauerha� unmotiviert, interesselos und unzufrieden mit ihrer Tätigkeit. Sie engagieren sich kaum noch und werden damit zu „Minderleistern“. Da sie ihre Tätigkeit als nicht erfüllend oder sinnlos erleben, werden sie zunehmend stress-intoleranter.

Stimmung und Motivationim Team sinken

Häu¢ g ergeben sich Ausstrahlungs-e� ekte auf Kollegen, so dass die Stimmung und Motivation im Team sinken. Innerlich Gekündigte äußern ihren Unmut und beschweren sich, während sie gleichzeitig weniger mit ihren Kollegen und Vorgesetzten kommunizieren sowie kaum konstruktive Kritik und Ideen ein-bringen. Es besteht daher die Gefahr der „Ansteckung“ weiterer Kollegen. Es ist aber auch möglich, dass sich (konstruktiv-)kritische Mitarbeiter plötzlich gar nicht mehr äußern und alle Entscheidungen hinnehmen. Dieses Verhalten wird von Vor-gesetzten manchmal so interpretiert, „dass er sich endlich angepasst hat“. Nicht selten aber ist dieses Verhalten ein Indikator innerer Kündigung.

Die innere Kündigung ist unmittel-bar durch die Arbeit ausgelöst. Die Ursachen sind deshalb auch im Arbeitskontext zu suchen. Diese sind häu¢ g im unmittelbaren Arbeits-umfeld des Betro� enen zu ¢ nden. Hier zeigt sich also deutlich ein Unterschied zu Burnout, welches zwar durch die Arbeit begünstigt wird, aber auch durch individuelle Faktoren im Privatleben sowie be-stimmte Persönlichkeitsmerkmale (z.B. hoher Perfektionsanspruch) be-ein­ usst wird. Liegt ein Burnout vor, ist therapeutische Hilfe in der Regel unumgänglich. Im Gegensatz dazu kann einer inneren Kündigung nur durch Veränderungen der Arbeits-bedingungen und der Haltung der Vorgesetzten und Kollegen gegen-über den Betro� enen entgegen ge-wirkt werden.

Sinn macht dies nicht nur aus Perspektive der Betro� enen, sondern auch aus Sicht der Organisation. Denn die Folgen, die mit einer inneren Kündigung für den Arbeitgeber ein-hergehen, sind weitreichend. Auf der betriebswirtscha� lichen Ebene ergeben sich hohe Ausfallkosten, Personalmangel, Folgekosten durch

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Am Puls 03 | 2012 11

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Auf der Ebene der individuellen Gesundheit des innerlich Gekündigten zeigen empirische Studien deutliche psychische Beeinträchtigungen (z. B. Lustlosigkeit, Niedergeschlagenheit) und körperliche Beschwerden (z. B. Rückenschmerzen). Zudem erkranken sie nicht selten an psychosomatischen körperlichen Erkrankungen. Empirisch lassen sich als wesentliche Ein­ uss-faktoren für die innere Kündigung vor allem das Führungsverhalten sowie die Möglichkeiten zur beru­ ichen Ent-wicklung und Selbstentfaltung identi-¢ zieren. Dabei muss das Führungsver-halten nicht zwangsläu¢ g der primäre Auslöser der inneren Kündigung sein: Auch betriebliche Umstrukturierungen können zu Motivations- und Sinnver-lust führen.

Was ist zu tun?

Grundlegend bedarf es dafür eines Konzepts zur Führungskrä� eent-wicklung, da diese maßgeblichen Ein-­ uss auf die Entstehung (bzw. Ver-meidung!) innere Kündigung haben. Führungskrä� e sollten in der Lage sein, einerseits für ein „gesundes“ Betriebsklima zu sorgen, anderer-seits bereits erste Anzeichen innerer Kündigung bei den Mitarbeitern zu erkennen. „Gesunde Führung“ zeichnet sich u.a. aus durch:

0 regelmäßige, informelle Rück-meldung im persönlichen Gespräch

0 wertschätzende und ehrliche Kommunikation

0 respektvoller, ruhiger Umgangston in schwierigen Situationen

0 Erfragen und Berücksichtigung der Perspektive der Mitarbeiter

0 spezi¢ sche Anerkennung von Leistungen

0 Berücksichtigung der individuellen Leistungsmotivation

0 realistische Zielvorgaben

Die besondere Herausforderung für Führungskrä� e besteht darin, im Team die Balance zu halten zwischen

Leistungsträgern und Personen mit der Tendenz zur inneren Kündigung. Es darf nicht der Eindruck ent-stehen, dass innerlich Gekündigten besondere Aufmerksamkeit zuteil wird oder ihnen Sonderrechte ein-geräumt werden. Der Umgang mit innerlich gekündigten Mitarbeitern erfordert ein Höchstmaß an sozialer Kompetenz. Dazu haben sich ver-schiedene Maßnahmenformate, wie z. B. Führungskrä� etrainings, Einzel-coachings und Teamentwicklungs-maßnahmen in der Praxis bewährt.

NICOLE SCHEIBNER JULIA HAPKEMEYER

Nicole Scheibner (33) und Julia Hapkemeyer (30), Diplom-Psychologinnen und Ge-schäftsführerinnen der StatEval GmbH. Sie beraten Organisationen u. a. auf den Ge-bieten „Gesunde Führung“, „Altersgerechte Führung“ und Diversity Management speziell vor dem Hintergrund des demographischen Wandels. Zuvor waren beide als Wissen-schaftlerinnen an der Freien Universität Berlin tätig

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NEUE VETERANENPOLITIK

Von Jürgen Hardt, MdB

Veteranen - Was geht uns durch den Kopf, wenn wir diesen Begriff hören? Wir denken an alte, ordensbehangene Männer, die bei Paraden auf dem Roten Platz oder den Champs-Élysées in der ersten Reihe stehen und an längst vergangene Kriege erinnern, bei denen sie für ihr Vaterland Gesundheit und Leben eingesetzt haben.

Auch Deutschland hatte nach dem 2. Weltkrieg Kriegsheimkehrer. Doch weil die Soldaten der Wehrmacht Werk-zeug des verbrecherischen Angri� s-krieges der Nazis waren, hat es in der jungen Bundesrepublik und erst recht in der „DDR“ keine kollektive emotionale Bindung an die deutschen Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges gegeben. Doch heute gibt es wieder Soldaten der Bundeswehr in Kampfeinsätzen, auf die wir stolz sein können, weil sie für eine gute Sache einstehen. Im Au� rag der Vereinten Nationen sichern sie Frieden

Der Autor, selbst Reserveoffi zier, spricht sich für eine gezielte Veteranenpolitik aus

in Regionen der Erde, in denen sonst niemand der Gewalt Einhalt gebieten würde. Gerade jetzt sind 6.360 Männer und Frauen in Uniform an neun ver-schiedenen Orten weltweit eingesetzt, insgesamt waren es seit Beginn der 90 iger Jahre ca. 300.000. Sie helfen im fernen Afghanistan, auf dem Balkan, in Afrika und vor der Küste Somalias den Menschen auf dem Weg ihrer Länder in die friedliche Normalität und leisten einen Beitrag dafür, dass wir in Deutsch-land sicher leben können. Leider geht dies o� nur mit der Wa� e. Terroristen, Aufständische und Piraten sind meist militärisch organisiert und ausgerüstet. Unsere Soldaten in diesen Einsätzen sind deshalb kriegserfahren, sie emp¢ nden ihre Situation als Krieg. Sie müssen Dinge erleben und erleiden, von denen nur Wenige von uns in Deutschland auch nur eine Vorstellung haben.

Da ist zum Beispiel der 26-jährige Ober-stabsgefreite Maik Mutschke, der am

Karfreitag 2010 bei Kunduz verwundet wurde. In diesem Gefecht sind drei seiner Kameraden gefallen, Mutschke selber lag mehrere Wochen im Koma, verlor ein Auge und hat nun einen ge-lähmten rechten Arm. Er wird sein Leben lang vom Einsatz gezeichnet sein. Oder da ist die 33-jährige pharmazeutisch-technische Assistentin, die seit 13 Jahren der Bundeswehr dient und dieses Jahr als Hauptfeldwebel im Auslandseinsatz war. Ihre sechsjährige Tochter hat sie in dieser Zeit für mehrere Monate in die Obhut der Oma gegeben. Sie kam zum Glück unversehrt aus Afghanistan zurück.

Wie können wir diesen jungen Menschen danken? Wie können wir ihre Leistungen anerkennen? Eine gezielte Veteranen-politik könnte da helfen.

In anderen Ländern hat aktive Veteranenpolitik lange Tradition. Hier gehören einsatz- und kriegserfahrende Soldaten zum Alltag. Die gesellscha� liche

Hauptfeldwebel (weiblich), 33 Jahre, Mutter, Veteran FÜR EINE NEUE VETERANENPOLITIK

Hauptfeldwebel (weiblich), 33 Jahre, Mutter, Veteran FÜR EINE NEUE VETERANENPOLITIK

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NEUE VETERANENPOLITIK

Würdigung kommt dabei unter anderem durch den Ehrentitel „Veteran“ zum Aus-druck. Mit diesem Begri� ist in der Regel ein besonderer Status verbunden. Dabei verwenden die verschiedenen Nationen den Begri� „Veteran“ nicht einheitlich. Während in Ländern wie Dänemark oder Norwegen alle Soldaten, die an einem Auslandseinsatz teilgenommen haben, als Veteranen gelten, sind in den USA, in Großbritannien oder in Kanada alle ehemaligen Angehörigen der Streit-krä� e Veteranen. Jede Variante hätte für Deutschland Vor- und Nachteile.

Seit 20 Jahren beteiligt sich Deutschland an Auslandseinsätzen. Die Diskussion über Veteranen hat jedoch erst mit dem Afghanistan-Einsatz seit 2001 an Brisanz gewonnen und dies insbesondere seit 2006, als sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert hat und deutsche Soldaten zeitweise wöchentlich in Gefechte verwickelt waren und Opfer von Sprengsto� anschlägen wurden. In den letzten Jahren haben sich eigene Veteranen-Verbände gegründet, wie der Bund Deutscher Veteranen oder der Deutsche Veteranenverband. Auch der Deutsche Bundeswehrverband und der Verband der Reservisten beschä� igen sich intensiv mit der Veteranenarbeit.

Sechs Monate nach seinem Bekenntnis zum Begri� des Veteranen stellte Ver-teidigungsminister � omas de Maizière Anfang April 2012 ein Diskussionspapier vor. Darin regt der Minister an, „sach-lich und o� en über eine Veteranenpolitik zu diskutieren“. Um die Leistungen der Veteranen zu würdigen, hält der oberste Dienstherr der Bundeswehr „eine o« zielle Geste der Anerkennung im Rahmen eines bundesweit organisierten Tages (für) denkbar“, und schlägt dafür den 22. Mai vor, der Tag, an dem im Jahr 1956 die wehrverfassungsrecht-lichen Grundlagen für die Bundeswehr in Kra� getreten sind. Als weitere Vor-schläge nennt das Diskussionspapier die Gründung von Veteranenheimen, die Einführung eines Veteranenabzeichens, die Unterstützung von Veteranentre� en und die Einführung eines Veteranen-beau� ragten.

Ich meine, der Veteranenbegri� , bezogen auf Soldaten mit einer Teilnahme an Aus-landseinsätzen, passt am besten zu uns. Er betont die Besonderheit der Kampf-einsätze im Ausland. Als Veteranen wären außerdem auch Polizisten und An-gehörige anderer Behörden in vergleich-barer Mission zu bezeichnen, vielleicht auch Teilnehmer an zivilen Hilfsein-sätzen in Kampfgebieten.

Egal welches Datum für den Veteranen-tag gewählt wird, er sollte jeweils am darau� olgenden Sonntag gefeiert werden. Der Veteranentag könnte der zentrale Tag sein, an dem die Tapferkeits- und Gefechtsmedaille der Bundeswehr an besonders verdiente Veteranen ver-liehen wird und an dem sich die Bundes-wehr in der Ö� entlichkeit präsentiert. So sind Informations- und Diskussions-veranstaltungen denkbar, an denen Veteranen und ihre Familien von ihren Erfahrungen berichten. Am Veteranentag könnte der Eintritt in Vergnügungsparks, Zoos und Museen für Veteranen frei sein.

Die materielle Absicherung der Veteranen, insbesondere im Fall der Verwundung, ist gut gewährleistet. Bereits mit dem Einsatzversorgungs-gesetz 2004 und dem Einsatzweiterver-wendungsgesetz 2007 hat der Deutsche Bundestag klare Regelungen gescha� en. Es zeigte sich aber, dass weitere An-passungen erforderlich waren. Deshalb hat der Deutsche Bundestag 2011 auf Anregung meines Kollegen Hennig Otte

und von mir fraktionsübergreifend das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz realisiert, das die Versorgungssituation weiter verbessert hat. Maik Mutschke zum Beispiel ist trotz seiner schweren Verwundung heute Berufssoldat und Ausbilder bei den Fallschirmjägern.

Es geht bei der Würdigung der Veteranen in erster Linie um gesellscha� liche An-erkennung und Stärkung des Selbst-bewusstseins der Bürgerinnen und Bürger, die für Deutschland und die Völkergemeinscha� Leib und Leben riskiert haben.

MdB Jürgen Hardt mit Soldaten im Kosovo

JÜRGEN HARDT

Jürgen Hardt, MdB, geboren 1963 in Hof-heim am Taunus ist verheiratet und hat eine Tochter. Seit 2009 gehört er dem Deutschen Bundestag an. Nach seiner Ausbildung zum Marineoffi zier in den 1980ern, ist Hardt heute Ober-leutnant zur See der Reserve

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GESUNDHEITSPRÄVENTION

Von Mechthild Heil, MdB

„Gesundheit bekommt man nicht im Handel, sondern durch den Lebenswandel“. Mit dieser Weisheit bringt der bekannte deutsche Naturheilkundler Sebastian Kneipp den Grundgedanken der Prävention auf den Punkt: jeder ist für seine Gesund-heit selbst verantwortlich und muss aktiv etwas dafür tun, und zwar langfristig und schon zu einem Zeitpunkt, an dem es ihm gut geht und an dem scheinbar noch kein Handlungsbedarf besteht.

Was aber tun mit den fast 40 Millionen Übergewichtigen in Deutschland, den ver-meidbaren Fällen von Typ-2-Diabetis, den 20 Millionen, die unter Bluthochdruck leiden – schlicht: den vielen Menschen, die durch ihren Lebensstil ihre Gesundheit ge-fährden? Sie schaden damit ja nicht nur

sich selbst, sondern in unserer solidarischen Gesellscha� auch der Gesamtheit. Krank-heit ist nicht nur ein individuelles, sondern auch ein volkswirt-scha� liches Problem. Deshalb ist die Politik gefragt. Aber was kann und muss sie tun? Und wie weit darf sie dabei gehen?Auf dem Weg der Prävention sind die Australier so weit ge-gangen – und dabei möglicherweise über das Ziel hinaus-geschossen – dass Zigarettenpackungen ab Dezember in ein-heitlichen olivgrünen Packungen au� reten müssen. Das Marken-logo darf nicht er-scheinen, nur – aber ganz klein gedruckt – der Name der Firma. Zusätzlich wird auf der Packung die Ge-fahr des Rauchens mit erschütternden Fotos von todkranken Menschen oder zer-

störten Organen illustriert. Au° lärung durch Schock. Prävention durch Ab-schreckung.

Wirkt Aufklärung?Einerseits: Reine sachliche Au° lärung scheint nicht zu wirken. Auch in Deutschland müssen die Zigaretten-packungen verp­ ichtend mit schri� -lichen Warnhinweisen ausgestattet sein. Obwohl Rauchen das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko ist und weltweit jährlich vier Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen des Zigarettenkonsums sterben, rauchen trotzdem etwa 25 Prozent der Er-wachsenen in Deutschland. Der Text scheint niemanden abzuschrecken. Die Bilder scha� en das vielleicht eher: das könnte Deine Lunge sein!

Andererseits: Wissen ist Voraussetzung für einen gesunden Lebensstil. Die Auf-klärung hört nicht auf der Verpackung auf und sie darf auch nicht erst dort an-fangen. Sie gehört in die Kindergärten und in die Schulen. Die Menschen müssen Spaß daran haben, gut zu sich zu sein und dürfen dabei keinem staat-lichen Zwang unterliegen. Die Menschen müssen positiv und konstruktiv zu einem gesunden Lebenswandel angehalten werden. Die USA hat den höchsten Anteil an fett-leibigen Menschen weltweit. Das hat den New Yorker Bürgermeister Bloomberg zu einer ambitionierten Initiative bewegt: Er will der Gastronomie in der Stadt den Verkauf von Süßgetränken in großen Behältern verbieten. Zuckerhaltige Ge-tränke soll es in Restaurants, Imbiss-ketten und in Kinos nur noch in Be-hältern mit einem Inhalt von höchstens einem halben Liter geben. Die Amerikaner sind aber ein frei-heitsliebendes Volk. Auf ihrem pursuit of happiness wollen sie sich nicht vor-schreiben lassen, wie groß die Becher sind, aus denen sie ihre So� -Drinks trinken. Deshalb herrscht nun Streit um die Frage: wie sehr darf der Staat sich in die persönlichen Freiheiten der Bürger einmischen?

Zur Gesundheit zwingen?Und ja: einerseits ist es richtig, dass die Verbraucher vor sich selbst und der Supersize-Me-Industrie geschützt werden. Und wenn sie es nicht von sich aus scha� en, dann muss man sie eben zu ihrer Gesundheit zwingen. Aber andererseits: wo hört diese Bevor-mundung auf? Soll der Staat vorgeben, wie viel Salz, Zucker, Fett der Bürger täg-lich maximal zu sich nehmen darf? Wie lange er sich ungeschützt der Sonne aus-setzen darf? Wie viele Stunden er pro Nacht schlafen muss und wie viel Gläser Wein er pro Jahr trinken darf? Soll es einen staatlichen Sportzwang geben und eine Impfp­ icht? In Baden-Württemberg dürfen Super-märkte und Tankstellen seit März 2010 zwischen 22 und 5 Uhr keine Alkoholika mehr verkaufen. Das schließt auch Pralinen mit alkoholischer Füllung ein und geschieht zum Schutz der Jugend. Es

Mechthild Heil lehnt Werbeverbote und Strafsteuern ab

Die Lust an der PräventionDer Verbraucher im Spannungsfeld zwischen Entmündigung und Wahlfreiheit

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MECHTHILD HEIL

Mechthild Heil, MdB, ist Verbraucher-schutzbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit 2009 ist Mechthild Heil Mitglied des Deutschen Bundestags. Heil ist Mitglied im Aus-schuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und im Sport-ausschuss. Frau Heil ist Diplom-Archi-tektin. Seit 1999 führt sie gemeinsam mit ihrem Bruder das Unternehmen „RUMPF architekten + ingenieure“

GESUNDHEITSPRÄVENTION

Allergologie

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Anti-Aging

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sei „ein wichtiger Beitrag, mit dem wir hier an mancher Tankstelle für Sicher-heit und Ordnung in der Nacht sorgen“, formulierte der Landtagsabgeordnete Hans Heinz. Auch beim Alkoholkonsum ist es richtig, Au° lärung zu betreiben. Aber, ist das die richtige Maßnahme? Werden die Menschen dann nicht einfach zu anderen Uhrzeiten Alkohol auf Vor-rat kaufen, so dass sie nach der „Sperr-stunde“ etwas im Haus haben? Und viel wichtiger: Wird dem Bürger dadurch nicht die Freiheit genommen und wird er nicht zuletzt entmündigt?Es geht also um die Frage, wie weit die staatlichen Eingri� e gehen dürfen – und gehen müssen – um die Verbraucher zu schützen. Wir be¢ nden uns in einem Spannungsfeld zwischen der Wahlfrei-heit, die der einzelne haben muss und den staatlich oktroyierten Regelungen „zu unserem Besten“.

Doch was für den einzelnen dieses so-genannte „Beste“ ist, muss jeder selbst entscheiden. Der Staat kann und muss dabei unterstützen. Deshalb initiiert und fördert die Bundesregierung viele Projekte, die für eine gesunde Lebens-weise werben: der Nationale Aktions-plan „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ verfolgt zum Bei-spiel das Ziel, das Ernährungs- und Be-wegungsverhalten in Deutschland bis zum Jahr 2020 nachhaltig zu verbessern. Im Rahmen von IN FORM wurden

deutschlandweit Projekte gestartet. Bei-spielsweise wurden in allen Bundes-ländern „Vernetzungsstellen Schulver-p­ egung“ eingerichtet. Sie sind An-sprechpartner bei allen Fragen rund um die Schul- und Kitaverp­ egung. Zum diesjährigen Schulstart haben Prominente Bio-Brotboxen an die Schul-anfänger verteilt. Dies soll als Anregung für ein regelmäßiges und gesundes Früh-stück dienen – und dabei Spaß machen. Auch die Plattform Ernährung und Be-wegung (peb) wirbt für Prävention. peb ist ein gemeinnütziger Verein, in dem sich Organisationen und Gruppen engagieren, die sich für ausgewogene Ernährung und mehr Bewegung als wesentliche Bestand-teile eines gesunden Lebensstils einsetzen. Im Mittelpunkt dieser beispielha� aus-gewählten Projekte der Bundesregierung stehen vorbeugende Maßnahmen und die Unterstützung eigenverantwortlichen Handelns durch Information und Auf-klärung.

Keine Werbeverbote und StrafsteuernWir brauchen keine „Brave New World“, in der die Menschen zu staat-lich de¢ niertem Glück und Gesund-heit gezwungen werden. Wir brauchen einen Staat, der für Au° lärung sorgt, für einen gesunden Lebensstil wirbt und die Menschen bei der Umsetzung unterstützt. Der Staat soll die Rahmen-bedingungen scha� en, in denen der mündige Verbraucher seine Wahl tre� en

kann. Deshalb hat die christlich-liberale Koalition auch im Koalitionsvertrag fest-gehalten: „Eine politische Steuerung des Konsums und Bevormundung der Ver-braucher durch Werbeverbote und Straf-steuern für vermeintlich ungesunde Lebensmittel lehnen wir ab“. Jeder muss sich letztlich frei für einen gesunden Lebenswandel entscheiden dürfen, aber eben auch dagegen.

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ÄRZTLICHE VERSORGUNG

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Die Ärzteschaft funkt SOS, was ihren Nachwuchs angeht

Von Mario Colombo-Benkmann

Das Szenario ist bekannt. Der demo-graphische Wandel bedingt eine zu-nehmende Anzahl älterer Menschen die mehr ärztliche Versorgung in Anspruch nehmen werden. Ebenso kommt es zu einer rapiden Zunahme lebensstil-bedingter chronischer Erkrankungen wie z.B. mit Übergewicht verbundener Diabetes mellitus. Derzeit wird von 8 bis 10 Millionen Diabetikern ausgegangen, 7.5 Millionen hiervon mit Übergewicht und die Hälfte älter als 65 Jahre. Derartige Entwicklungen bilden sich in einer stetig steigenden Zu-nahme von Arztbesuchen pro Krankenver-sicherten pro Jahr, derzeit 18, ab.

Demgegenüber steht u. a. die gleich-zeitig sinkende Anzahl der nieder-gelassenen Ärzte. Altersbedingt werden in den nächsten zehn Jahren je nach Bundesland zwischen 38 und 48 % Hausärzte in den Ruhestand treten und dies obwohl das Ruhestandsalter in den letzten Jahren von 63 auf 66 Jahre zu-genommen hat. Fasst man alle in der Krankenversorgung praktizierenden

Ärzte zusammen ergibt sich nach Schätzungen der Bundesärztekammer sowie der Kassenärztlichen Bundes-vereinigung ein Ersatzbedarf von über 70.000 Ärzten.

Der steigende Anteil von Ärztinnen in der Krankenversorgung führt durch die gewollte Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu einer vermehrten Scha� ung von Teilzeitstellen, so dass sich hier-durch ebenfalls ein erhöhter absoluter Bedarf an ärztlichem Personal er-gibt. Gleiches ergibt sich aus der konsequenten Umsetzung des Arbeits-zeitgesetzes bei angestellten Ärzten mit dem hiermit verbundenen Abbau der Überstunden.

Zum Ärztemangel in der Krankenver-sorgung trägt ferner die Entwicklung alternativer Tätigkeitsfelder für Ärzte bei. Durch die veränderte öko-nomische Betrachtungsweise von Ein-richtungen der Krankenversorgung mit stärkeren Kontrollen der Geldströme wird ärztlicher Sachverstand in Ein-richtungen der Krankenversorgung z.B.

Medizincontroller in Krankenhäusern als auch bei den Krankenkassen, hier vor allen den medizinischen Diensten benötigt. Letztendlich kommt es zu einer Bedarfskonkurrenz zwischen Krankenversorgung und Bereichen ohne direkten Patientenbezug. Ein weiterer Aspekt ist die mangelnde Bereitscha� frisch approbierter Ärzte zukün� ig in von ihnen als unattraktiv empfundenen Regionen Deutschlands ärztlich tätig zu werden, so dass erhebliche Versorgungs-unterschiede zwischen den jeweiligen Regionen Deutschlands bestehen.

Die Lösung dieses Problems wird kontrovers diskutiert. Entsprechend den Marktgesetzen wird es dann zu einem Ausgleich des Bedarfs an Ärzten kommen wenn das Angebot an quali-¢ ziertem ärztlichem Personal deutlich zunimmt. Dabei kann die Anwerbung von Ärzten aus dem Ausland keine nachhaltige Lösung sein. Abgesehen von den wenigen Ländern in denen es ein Überangebot an Studienabsolventen gibt, sollten Ärzte aus Ländern mit er-heblichem Ärztemangel nicht von

Ärztliche Versorgungskrise – ein unvermeidbares Dilemma?Ärztliche Versorgungskrise – ein unvermeidbares Dilemma?Ärztliche Versorgungskrise – ein unvermeidbares Dilemma?

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ÄRZTLICHE VERSORGUNG

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MARIO COLOMBO-BENKMANN

Prof. Dr. med. Mario Colombo-Benkmann, geboren 1963 in Falkirk, GB. 1982-1988 Studium der Humanmedizin in Heidelberg, Chicago, London, 2007-2009 Studium der Gesundheitsökonomie in Nürnberg, seit 2009 Vorsitzender des GPA der CDU Münster und Vorstandsmitglied des GPA der CDU NRW. Er ist Leiter der Sektion Chirurgische Endoskopie am Universitäts-klinikum Münster

dort abgeworben werden, da die Ver-sorgungskrise dieser Länder weiter ver-schär� würde.

10.000 Plätze für 40.000 Bewerber

Pro Jahr absolvieren in Deutschland ca. 10.000 Medizinstudenten erfolgreich ihr Studium. Dies deckt jedoch o� en-bar nicht den beschriebenen Bedarf an Ärzten, denn der Bewerbermangel in der Krankenversorgung v.a. in als un-attraktiv empfundenen Regionen hält unvermindert an ohne dass es einen Arbeitsplatzmangel in als attraktiv empfunden Regionen gibt. Den jähr-lich ca. 10.000 Studienplätzen stehen ca. 40.000 Studienbewerber gegenüber. Dies geht einher mit einem generell starken Interesse junger Menschen an sozialen Berufen, das unverändert an-hält. Es stellt sich jedoch die Frage welche Bewerber auch letztendlich in die Krankenversorgung gehen werden. Dies kann jedoch auch durch noch so gute, nicht nur von der Abiturnote ab-hängige Auswahlverfahren nicht fest-gestellt werden, denn das Medizin-studium verändert die Bereitscha� sich

nach erfolgreichem Studium einen Beruf in der Krankenversorgung zu ergreifen. Dies legen Untersuchungen nahe die gezeigt haben, dass kurz nach Studien-beginn ca. 40 Prozent der Studierenden sich vorstellen könnten ihre Facharzt-weiterbildung in einem operativen Fach zu absolvieren, am Ende des Studiums sind dies nur noch ca. zwei Prozent. Über die Gründe hierfür kann spekuliert werden.

Ein Ausweg aus der Versorgungs-krise könnte die Erhöhung der Zu-lassungen zum Medizinstudium an den deutschen Universitäten sein. Die er-scheint nur über die Scha� ung zusätz-licher Studienplätze möglich. Hierdurch kann die Bereitscha� all derjenigen jungen Menschen die auch tatsäch-lich nach Studienende in die Kranken-versorgung gehen wollen, aufgegri� en werden. Obwohl diese wie geschildert nicht im Vorfeld des Studiums identi-¢ ziert werden können, stiege zumindest die absolute Anzahl derjenigen die letzt-endlich eine Tätigkeit in der Versorgung Erkrankter aufnehmen wollen.

Die meisten medizinischen Fakultäten lassen nur einmal jährlich Studenten zum Medizinstudium zu. Der erste und einfachste Schritt um eine deutliche Er-höhung von Studienabsolventen zu er-reichen wäre, wenn sämtliche Uni-versitäten junge Menschen auch zum Sommersemester zum Medizinstudium zuließen. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein nachhaltiges Struktur- und Finanzierungskonzept. Insbesondere letzteres scheint nicht ohne weiteres aufgrund der erheblichen Kosten für einen Medizinstudienplatz umsetz-bar. Kapital könnte jedoch von privaten Unternehmen investiert werden, die von ärztlicher Tätigkeit pro¢ tieren. Rein pekuniär erscheint dies durchaus mög-lich, da die erzielten Gewinne einzelner Branchen der Gesundheitswirtscha� enorm sind. So könnten die Kosten für eine ¢ xe Anzahl von Medizinstudien-plätzen an staatlichen Universitäten ver-bindlich und langfristig übernommen werden. Ebenso erscheint theoretisch die Scha� ung privater medizinischer Hochschulen denkbar. Diese sind jedoch

nur mit erheblichen Investitionen zu realisieren, ergeben vergleichsweise wenige zusätzliche Studienplätze und sind nur in einem mittel- bis lang-fristigen Zeitraum zu realisieren. Private medizinische Hochschulen sind daher als Instrument für die Behebung des Studienplatzmangels kaum geeignet.

Versorgungskrise mildern

Daher scheint die Scha� ung zusätz-licher Medizinstudienplätze an be-stehenden Fakultäten der einzige realistische Weg zu sein, der das Ziel zusätzlicher Studienplätze in einem akzeptablen Zeitrahmen realisieren kann. Strittig ist und bleibt wer diese Kosten zu tragen hat. Es ist daher ein Konsens zwischen Bund, Ländern und Universitäten erforderlich, um diesen Lösungsansatz zu realisieren. Nur durch die Scha� ung eines größeren Angebots an jungen Ärzten wird der Arbeitsmarkt eine zunehmende Sättigung erreichen und so die Versorgungskrise zumindest abgemildert werden können. Bleibt zu ho� en, dass wir dies in absehbarer Zu-kun� erleben.

Die Versorgungskrise im Bereich der nieder-gelassenen Ärzte wird immer ernster

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PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG

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Von Roland Weber

Geliebt wurde die Private Krankenver-sicherung (PKV) von der Presse noch nie. Doch der Gegenwind, der ihr aktuell ins Gesicht bläst, ist härter denn je. Roland Weber, Vorstandsmitglied des Debeka Krankenversicherungsvereins auf Gegenseitigkeit – Deutschlands größter privaten Krankenversicherung – und streitbarer Vertreter der Deutschen Aktuarvereinigung, hat seine Eindrücke zusammengefasst.

„Flucht aus der Luxusklasse“

Die erste Falschmeldung des Jahres brachte der SPIEGEL. Am 9. Januar erschien ein Artikel, der das Zeug zu Fantasy-Geschichte hätte: „Flucht aus der Luxusklasse“.Flucht aus der Luxusklasse – ich denke unwillkürlich an die Evakuierung einer A 380. Auf dem oberen Deck be¢ nden

sich First und Business Class, darunter Economy, ganz unten der Frachtraum. Und wer ­ ieht aus der First Class? Ein 44-jähriger „selbstständiger Radio-moderator“ in einem PKV-Tarif, dessen Monatsbeitrag sich von 137 auf 215 Euro erhöht hatte.137 Euro, ja selbst 215 Euro monat-lich für Luxusschutz – das wäre ein Schnäppchen. Unter 400 Euro ist das für einen 40-jährigen nicht zu haben. Selbst ein einfacher Dreibettzimmertarif liegt bei knapp 300 Euro. Der Mann war also nie in der „Luxusklasse“, ja auch für Economy hatte es nicht gereicht – der GKV-Mindestbeitrag für Selbstständige, im Jahr 2012 rund 290 Euro, war ihm wohl zu teuer gewesen. Unser Radio-moderator war, um im Bild zu bleiben, im Frachtraum unterwegs. Ganz unten.

Da hätte er aber nie hin gedur� . Der Radiomoderator war, im wahrsten Sinne des Wortes, schlecht beraten, als er in

einen der so genannten Billigtarife der PKV wechselte, die nach der EU-De-regulierung Mitte der 1990-er Jahre von einigen Unternehmen eingeführt worden waren. Der scheinbar günstige Beitrag dieser Tarife wird durch einen stark ein-geschränkten Leistungsumfang und hohe explizite oder implizite Selbst-behalte erreicht. Die Deutsche Aktuar-vereinigung hat mehrfach darauf hin-gewiesen, dass solche Tarife bei gleicher Kostensteigerung in der Regel prozentual deutlich höhere Beitragssteigerungen zur Folge haben als normale PKV-Tarife. Damit unterminieren sie die ge-sellscha� liche Akzeptanz der PKV.Die Verfechter der Billigtarife argumentieren, der „Markt“ fordere diese Produkte. Welcher Markt? Der „Markt“ der Strukturvertriebe? Der „Markt“ der Solo-Selbstständigen, die auf einem wackligen Geschä� smodell sitzen, kaum was für die Rente tun

Die Private Krankenversicherung unter BeschussDie Private Krankenversicherungunter BeschussDie Private Krankenversicherung unter Beschuss

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PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG

und nicht einmal den GKV-Mindestbeitrag zahlen können?

Die Private Kranken-versicherung ist Teil des sozialen Sicherungssystems unseres Landes und hat damit eine soziale Verp­ ichtung. Sie hat die Menschen, die auf-grund ihrer Einkommenssituation oder der Kontinuität ihrer Erwerbstätigkeit in der Lage sind, für sich selbst vorzu-sorgen, davon zu überzeugen, dies auch zu tun. Wer für sich selbst vorsorgt, zeigt Solidarität mit der nachfolgenden Generation. Wer nicht vorsorgt, obwohl er dazu in der Lage wäre, verhält sich der nachfolgenden Generation gegen-über parasitär. Zu Recht bietet keiner der großen Marktteilnehmer derartige Billigtarife mehr an. Und viele Unternehmen fordern, einen Mindeststandard für Privatschutz zu formulieren, um sich klar von den noch existierenden Billig-tarifen absetzten zu können.

Aber unser Radiomoderator war ja nur der Anfang der Fantasie. Bei der Techniker Krankenkasse „suchten im vergangenen Jahr 68 000 Privatpatienten Zu­ ucht, fast zwölf Prozent mehr als 2012“, fabulierte der SPIEGEL weiter. - Suchten Zu­ ucht? Sie wurden zwangsweise GKVisiert. Jedes Jahr verliert die PKV rund 80.000 junge Menschen zwangsweise an die GKV, weil sie nach Schule oder Studium berufstätig werden und damit der Ver-sicherungsp­ icht unterliegen. Genauso geht es zigtausenden Privatversicherten, die wegen der Aufnahme von Teilzeit-arbeit nach der Elternzeit zwangsweise in die GKV wechseln müssen.

Dass dies in 2011 mehr Menschen waren als im Jahr zuvor, liegt unter anderem an der guten Konjunktur, die eine Rekord-beschä� igungsquote ermöglichte, aber auch an der Tatsache, dass derzeit in einigen Bundesländern zwei Jahrgänge gleichzeitig Abitur machen und auf den Arbeitsmarkt drängen.

Die echten Zahlen, jenseits der Fantasie: In 2011 sind mit 156.800 Personen in der Tat 3.600 mehr von der PKV in die GKV ge-zwungen worden als ein Jahr zuvor. Den umgekehrten, den freiwilligen

Weg von der GKV zur PKV nahmen jedoch 231.900, 4.200 mehr als in 2010. Das ergibt einen positiven Wanderungs-saldo für die PKV von 75.100 (2010: 74.500). Flucht aus der Luxusklasse?

Fragwürdige Kronzeugin

DIE ZEIT variierte den Abgesang auf die PKV: „Die Zeit der privaten Kranken-versicherung neigt sich dem Ende zu“, schrieb sie am 2. Februar. Die Rolle des selbstständigen Radiomoderators spielt bei der ZEIT eine 37-jährige „Telekom-Managerin“ aus Berlin: „Sie sucht nach einem Ausweg aus dem privaten System“.

Aber warum? Der Beitrag kann es nicht sein, denn laut ZEIT müsste sie bei der GKV „einen deutlich höheren Monats-beitrag zahlen“. Nein: Ihr „ist die Frei-heit genommen, selbst zu entscheiden“. Aha. So wie über 60 Millionen anderen Deutschen auch. Denn die sind in das System GKV gezwungen. Das schreibt die ZEIT natürlich nicht. Genau so wenig wie sie die Tatsache o� enbart, dass die Telekom-Managerin mehrere Jahre lang persönliche Referentin von Ulla Schmidt war. Prima Kronzeugin.

Und dieser eine Fall zeigt, so die ZEIT, dass „in Deutschland … neuer-dings nicht mal mehr die vermeint-lichen Luxuspatienten zufrieden“ sind. Ein Einzelfall – und schon wissen wir, dass „die“ Privatversicherten un-zufrieden sind, dass „die“ Versicherten über „exorbitant hohe Beiträge für alte Menschen“ klagen.Dumm nur, dass die meisten Privatver-sicherten das anders sehen. Die Ver-sicherungs-Rating-Agentur Assekurata führt bei den von ihr untersuchten Unternehmen alle drei Jahre ausführ-liche Telefoninterviews mit jeweils 800 zufällig ausgewählten Versicherten durch. Bei der Befragung der Debeka-Versicherten im November 2011 gab es mehr „vollkommen zufriedene“ und mehr „sehr zufriedene“ Kunden als drei Jahre zuvor; insgesamt 98,7 % gaben an, „vollkommen zufrieden“, „sehr zu-frieden“ oder „zufrieden“ zu sein.

Eine Analyse aller von Assekurata vor-genommenen Kundenbefragungen im Markt zeigt von 2008 bis 2011 einen von 69 % auf 73 % gestiegenen Kunden-zufriedenheitsindex. Der Anteil der Kunden, die ihre private Krankenver-sicherung weiterempfehlen würden, stieg sogar von 73 % auf 77 %. Ende Februar 2012 befragte TNS Emnid 1.000 repräsentativ ausgewählte PKV-Versicherte. Auf die Frage „Haben Sie das Gefühl, dass Sie bei Ihrer PKV eine sehr gute medizinische Versorgung er-halten?“ antworteten 96 % mit „ja“.

Dagegen steht die repräsentative Be-fragung der früheren Referentin von Ulla Schmidt durch eine angesehene Wochenzeitung.

Hoffentlich nicht STERN-gläubig

Am 3. Mai machte dann der STERN die PKV zum Top-� ema: „Ho� entlich nicht privat versichert“ lautete die Schlagzeile eines Textes, der direkt vom AOK-Hauptquartier auf den Redaktionstisch gekommen zu sein scheint. „Eine vertrauliche Studie des AOK-Bundesverbandes“ zeigt demnach, dass „die PKV chronisch

Bei der Techniker Kranken-kasse „suchten im ver-gangenen Jahr 68 000 Privatpatienten Zufl ucht, fast zwölf Prozent mehr als 2012“, fabulierte der SPIEGEL.

Eine Analyse der von der Assekurata vorgenommenen Kundenbefragungen im Markt zeigt von 2008 bis 2011 einen von 69 % auf 73 % gestiegenen Kunden-zufriedenheitsindex.

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Am Puls 03 | 201220

PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG

unter¢ nanziert“ ist. Das i s t etwa so  wie „Griechenland wir� Deutschland unsolide Haus-haltspolitik vor.“Die PKV, die für elf Prozent der Be-völkerung 170 Milliarden Euro Alterungsrückstellung angespart hat, ist unter¢ nanziert, und die GKV, die für 89 Prozent der Bevölkerung 0 Euro Alterungsrückstellungen hat, solide aufgestellt?

Der STERN: „Heute haben die gesetz-lichen Kassen Milliardenüberschüsse, und einige erwägen, die Beiträge zu senken. Die Privaten heben die Prämien massiv an, teilweise um mehr als 50 Pro-zent im Jahr.“Milliardenüberschüsse? 20 Milliarden Rücklagen, davon die Häl� e beim Gesundheitsfonds – ein Großteil davon gesetzliche Rücklage –, die andere Häl� e höchst unterschiedlich bei den einzelnen

Kassen. Rücklagen, die nicht einmal für die Leistungen von zwei Monaten aus-reichen. Und das trotz jahrelangem Steuerzuschuss, auch von Privatver-sicherten, in einer Höhe von bis zu 15 Milliarden per anno. Trotz Hoch-konjunktur und Rekordbeschä� igung.

Hätten die STERN-Deuter ein wenig recherchiert, wäre ihnen klar geworden, wie schnell sich das bisschen Geld ver-­ üchtigen kann. Denn das Handelsblatt hatte Ende Februar aus einer ebenso vertraulichen Studie (vielleicht auch für den AOK-Bundesverband?) zitiert:

„Noch schwimmen Gesundheits-fonds und Krankenkassen im Geld. Doch nach einer aktuellen Studie von McKinsey, die dem Handelsblatt vor-liegt, wird sich das schon im nächsten Jahr ändern. … 2014 droht der Geld-sammelstelle der Kassen bereits ein De-¢ zit, das die Krankenkassen reihenweise dazu zwingen wird, Zusatzbeiträge zu er-

heben. Im Durchschnitt werde dann bereits ein Zusatzbei-

trag von 15,50 Euro er-forderlich werden. ‚Und das bei konservativen Annahmen’, so Jürgen Wettke, Direktor im Düsseldorfer McKinsey-Büro.“So weit zu den

Milliardenüberschüssen der GKV. Und nun zu den

massiven Prämienerhöhungen der PKV. Ein paar spektakuläre Einzelfälle und 144 Beschwerden (von neun Millionen Privatversicherten), die bei den Ver-braucherzentralen eingingen, werden als repräsentativ für die ganze Branche dargestellt.

Ich kann mit einer deutlich repräsentativeren Stichprobe dienen: 25 Prozent des Marktes, 2,2 Millionen Privatversicherte bei der Debeka. Von diesen 2,2 Millionen Versicherten waren zum 1. Januar 2012 1,3 Millionen Verträge mit 1,8 Millionen versicherten Personen von einer Beitragsanpassung betro� en. Die letzte Beitragsanpassung lag zwei und teilweise mehr Jahre zurück. Die durch-schnittliche Erhöhung bei den betro� enen

Personen betrug 5,2 % – nach zwei und mehr Jahren. Die maximale Erhöhung bei Personen unter 65 betrug 10 %, bei Personen über 65 7,5 %. Es gab 253 schri� -liche Beschwerden beim Versicherer, eine Beschwerde bei der Finanzdienstleistungs-aufsicht BaFin und zwei Beschwerden beim Ombudsmann der PKV. Da bleibt von der STERN-Pauschalierung: „Die Privaten heben die Prämien massiv an, teilweise um mehr als 50 Prozent im Jahr“ nur noch das Fazit: Der STERN übertreibt massiv, teilweise auf jeder Seite.

Zu den spektakulären Einzelfällen hat der frühere Debeka-Vorstand Jürgen Rudolph in einem Leserbrief an den STERN formuliert: „Zu Ihren Beispielen für gebeutelte PKV-Versicherte müssen die Aussagen auch um sämtliche Fakten ergänzt werden. Der Anschluss an eine private Kranken-versicherung ist für einen Angestellten nur möglich, wenn sein Einkommen (z. Z.) über 4.237,50 Euro liegt. Dann ergibt sich ein Beitrag zur GKV von monatlich 592,88 Euro. Die von Ihnen kritisierten PKV-Beiträge liegen alle noch deutlich darunter. Eine Rente von 346 Euro ist schlicht unmöglich, wenn man vorher über der P­ ichtgrenze verdient hat. Es kann sich nur um eine Ehefrau handeln, die auch vorher schon die Privatver-sicherung über das Gesamteinkommen der Familie ¢ nanziert hat.“ Der Leserbrief wurde natürlich nicht verö� entlicht; Jürgen Rudolph hatte das auch gar nicht erwartet. Aber er schrieb an die Redaktion: „Vielleicht lesen wenigstens die Verfasser des Artikels meine Notiz und denken mal über ihre Sorgfaltsp­ icht als Journalisten nach.“ Wir werden sehen.

„Der Tarif-Schwindel“

Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 12. Juni: „Die zehn Millionen Privat-patienten erhalten in den meisten Fällen weniger Leistungen von ihrer Versicherung als Kassenpatienten. Das ist das Ergebnis einer Vergleichsstudie zwischen privater (PKV) und gesetz-licher Krankenversicherung (GKV), die am Montag in Berlin vorgestellt wurde.“

unter¢ nanziert“ ist. Das i s t etwa so  wie „Griechenland wir� Deutschland unsolide Haus-

Kassen. Rücklagen, die nicht einmal für die Leistungen von zwei Monaten aus-reichen. Und das trotz jahrelangem Steuerzuschuss, auch von Privatver-sicherten, in einer Höhe von bis zu 15 Milliarden per anno. Trotz Hoch-konjunktur und Rekordbeschä� igung.

Hätten die STERN-Deuter ein wenig recherchiert, wäre ihnen klar geworden, wie schnell sich das bisschen Geld ver-­ üchtigen kann. Denn das Handelsblatt hatte Ende Februar aus einer ebenso vertraulichen Studie (vielleicht auch für den AOK-Bundesverband?) zitiert:

„Noch schwimmen Gesundheits-fonds und Krankenkassen im Geld. Doch nach einer aktuellen Studie von McKinsey, die dem Handelsblatt vor-liegt, wird sich das schon im nächsten Jahr ändern. … 2014 droht der Geld-sammelstelle der Kassen bereits ein De-¢ zit, das die Krankenkassen reihenweise dazu zwingen wird, Zusatzbeiträge zu er-

heben. Im Durchschnitt werde dann bereits ein Zusatzbei-

trag von 15,50 Euro er-forderlich werden. ‚Und

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ROLAND WEBER

Roland Weber wurde am 20. September 1955 in Saarbrücken geboren. Von 1975 bis 1982 studierte er an der Uni-versität Kaiserslautern Mathematik und Informatik. Er war von 1983 bis 2002 in verschiedenen Positionen bei der Union Krankenversicherung tätig, von 1994 an als Vorstandsmitglied. Seit 2002 ist er Mitglied der Vorstände der Debeka Versicherungen und dort verantwortlich für die Bereiche Krankenversicherung, Lebensversicherung und Pensionskasse

PRIVATE KRANKENVERSICHERUNG

Ähnlich stellten es die anderen Medien dar. Der SPIEGEL hatte bereits am 11. Juni unter der Überschri� „Der Tarif-Schwindel“ in die gleiche Kerbe ge-hauen. Und der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Andreas Storm, forderte Konsequenzen: Der Sachverständigenrat im Gesundheits-wesen solle ein Sondergutachten an-fertigen. - Vielleicht über den Wahr-heitsgehalt von Presseartikeln; da würde er fündig werden.Zehn Millionen Vollversicherte in der PKV, laut Süddeutsche? Da hat aber jemand übertrieben. Die Autoren der Studie, � omas Drabinski und Claus-Dieter Gorr, können es nicht gewesen sein: 8,99 Millionen privat Vollver-sicherte vermeldet die Studie auf Seite 20.

Ob die Journalisten so weit nicht gelesen haben? Vieles deutet darauf hin. Denn auch die folgenden Aussagen der Studie ¢ nden sich in keinem einzigen Artikel (rühmliche Ausnahmen: Sunna Gieseke in der Ärzte-Zeitung vom 12. Juni und Jens Flintrop im Deutschen Ärzteblatt vom 22. Juni):

„Die GKV ist ein System ohne Nach-haltigkeitsperspektive und ohne Selbst-heilungskrä� e.“ (S. 45)„Der Versicherte wird in diesem System unmündig gehalten, da sonst die ur-alten Finanzierungsregeln der GKV auf-gegeben werden müssten.“ (S. 46)„Obwohl das Analyse-Ergebnis der ‚Mindestkriterien’ Leistungsde¢ zite er-gibt, gibt es in der PKV eine Vielzahl von Leistungen, die einen wesentlich höheren Leistungsumfang als in der GKV ermöglichen.“ (S. 140)„Abbildung 25 zeigt, dass alle Tarife (der PKV, der Verf.) im Vergleich zur GKV auch Mehrleistungen anbieten.“ (S. 145)

Letztlich kommen Drabinski und Gorr zu dem Ergebnis, „dass vor allem drei Bereiche die Anforderungen an Mindestkriterien nicht erfüllen: Ge-mischte Anstalten und Anschlussheil-behandlung, Psychotherapie und Ent-ziehungsmaßnahmen, Hilfsmittel und künstliche Ernährung.“ (S. 138)

Auch wenn Drabinski und speziell Gorr bei manchen Anforderungen überziehen („Premium Circle“, der Firmenname der Tester, klingt ja auch nicht gerade be-scheiden) – die letzte Schlussfolgerung ist richtig. Und deshalb gibt es viele Unternehmen der Privaten Kranken-versicherung, die die Einführung der neuen Unisex-Tarife nutzen werden, genau diese Lücken zu schließen.

Als der jetzt viel zitierte � omas Drabinski im März 2012 eine Studie vor-legte, in der er prognostizierte, dass das System der GKV aufgrund der demo-gra¢ schen Veränderungen und der Kostenentwicklung „ab dem Jahr 2040 zu kollabieren beginnen“ wird, war ihm nicht so viel mediale Aufmerksamkeit beschieden.

Die Kritik als Chance begreifen

Was erfahren wir aus sechs Monaten Zeitungslektüre über die PKV? Es gibt vereinzelt Beitragserhöhungen in einem – von der absoluten Steigerung gesehen – unverständlichen Ausmaß. Versicherte eines speziellen Tarifs eines Unternehmens sind besonders stark betro� en; das Unternehmen hat die Konsequenzen gezogen, der Tarif wird nicht weiter angeboten. Wie lange die letzte Anpassung zurück lag, erfahren wir in aller Regel nicht. Welche Bei-tragssteigerungen auf die große Mehr-zahl der Privatversicherten zutre� en, er-fahren wir auch nicht. Wir sehen immer wieder die Gra¢ k des IGES-Instituts mit dem Vergleich der Beitragsentwicklung GKV und PKV, die Äpfel mit Birnen vergleicht und deren Fragwürdigkeit mehrfach von der Deutschen Aktuarvereinigung heraus-gearbeitet wurde. Die Argumente sind vielen Journalisten bekannt, sie behalten sie vorläu¢ g für sich.

Wir lesen von Einzelfällen, in denen be-stimmte Behandlungen nicht oder nur teilweise bezahlt wurden. O� waren sie nicht im Leistungsumfang des ver-sicherten Tarifes enthalten. In vielen Fällen handelt es sich auch nicht um die Behandlung, die nicht bezahlt wird, sondern um Fahrten, um Hilfsmittel, um Heilmittel. Manchmal aber, so hat man den Eindruck, hat den zuständigen Mit-arbeitern auch das Gespür dafür gefehlt, wie man mit Kunden umgeht. Viele Artikel lesen sich wie aneinander ge-reihte Hotelbewertungen bei Tripadvisor: Einzelfälle, subjektiv dargestellt, jeder Fall für sich ärgerlich, aber doch zu wenig, zu ­ ach, um sich ein umfassendes Bild machen zu können. Doch vielleicht kam die Attacke zur rechten Zeit. Die PKV darf sich nicht ausruhen, sie muss sich gerechtfertigten Vorwürfen stellen, genau so, wie sie ungerechtfertigte zurückweisen muss. Sie hat die Chance, mit der Einführung ihrer neuen „Unisex“-Tarife im Dezember 2012 ein modernes, leistungsstarkes Tarifwerk aufzulegen, mit dem sie an ihre Wurzeln anknüp� : Guten Versicherungsschutz zu bezahlbaren Bei-trägen. Die PKV nicht als Billiganbieter, sondern als Vorreiter für eine hervor-ragende medizinische Versorgung.

Noch schwimmen Gesund-heitsfonds und Kranken-kassen im Geld. Doch nach einer aktuellen Studie von McKinsey, die dem Handelsblatt vor-liegt, wird sich das schon im nächsten Jahr ändern.

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KOMMENTAR

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KOMMENTAR

JENS SPAHN

Jens Spahn, MdB, wurde 1980 in Ahaus geboren. Seine Ausbildung zum Bank-kaufmann bei der WestLB führte ihn auch nach Luxemburg. Der studierte Politikwis-senschaftler gehört seit 2002 dem Deut-schen Bundestag an. Seit 2009 ist er ge-sundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und stellvertre-tender Landesvorsitzender des Gesund-heitspolitischen Arbeitskreises der CDU Nordrhein-Westfalen.

HerausgeberDr. Mathias HöschelDr. Hanno KehrenFrank RudolphVerlagGünter KohlPR + MarketingGärtnerkoppel 324259 Westensee/ KielTel. 04305-992992 / Fax 04305-992993E-Mail: [email protected]

AnzeigenverkaufÜber den VerlagAnzeigenschluss: 1. November 2012

RedaktionTim Küsters, Beate Marzyan, Stephan Rabl, Steven Kunert

Satz und LayoutWalter Katofsky, Kiel

DruckCW NIEMEYER DRUCK, Hameln

TitelfotoUwe Wattenberg/pixelio.de

AbonnementEinzelheft: 24,- Euro pro Jahr bei 4 AusgabenGeschäfts-Abo: 20 Ex. Pro Ausgabe: 200,- Euro

Das Magazin am puls erscheint viermal im Jahr jeweils zur Mitte eines Quartals.

Impressum

die christlich-liberale Koalition hat in den vergangenen drei Jahren wichtige gesundheitspolitische Reformen auf den Weg gebracht. Wir haben mit den Gesetzen zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenver-sicherung, zur Arzneimittelmarkt-Neuordnung und dem Versorgungsstrukturgesetz dafür Sorge getragen, dass auch in Zukun� unsere weltweit führende gute gesundheitliche Versorgung erhalten bleibt und alle am medizinischen Fortschritt teilhaben können. Diesen Weg wollen wir auch im vierten Jahr konsequent fort-setzen.

Der vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf für ein Patientenrechtegesetz ist für Patientinnen und Patienten sowie Leistungserbringer gleichermaßen von Bedeutung. Die heute in einer Vielzahl von Vor-schri� en und Rechtsbereichen sowie im Richterrecht geregelten Grundlagen und Entscheidungen werden im Bürgerlichen Gesetzbuch gebündelt. Dies scha� Transparenz und Rechtssicherheit.

Ein zunehmend großer Anteil der Bevölkerung leidet an so genannten Volkskrankheiten. Zum Teil sind diese Erkrankungen vermeidbar. Ziel unserer Politik ist es deshalb, die verhaltens- und lebensstilbedingten Er-krankungen durch eine Stärkung des Gesundheits-bewusstseins und ein verändertes Gesundheitsver-halten zu reduzieren. In diesem Zusammenhang wollen wir auch die Krebsfrüherkennung weiter-entwickeln. Im Mittelpunkt des Entwurfes für ein Gesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Nationalen Krebsplans steht deshalb die Einführung eines Einladungswesens zur Krebsvorsorge. Dies ist ein erster wichtiger Schritt für mehr Prävention in Deutschland. Gleichzeitig wollen wir auch die onko-logischen Versorgungsstrukturen und deren Qualität

durch den ­ ächendeckenden Ausbau von klinischen Krebsregistern weiterentwickeln.

Es gibt noch weitere Vorhaben aus dem Koalitions-vertrag, um deren Umsetzung wir uns in den nächsten Monaten kümmern werden. Neben dem Gesetz zur Änderung des Assistenzp­ egebedarfs werden wir auch ein Notfallsanitätergesetz auf den Weg bringen. Wir wollen die Rettungsassistentenausbildung so erneuern, dass sie einem zukun� sorientierten, leistungsgerechten und an den Bedürfnissen der Hilfe Ersuchenden aus-gerichteten Rettungswesen gerecht wird.

Sie sehen also: Es bleibt spannend!In diesem Sinne beste Grüße

Ihr

Jens Spahn

Ein wichtiger Schritt für mehr Prävention in Deutschland

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Wir entlasten Ärzte von allen kaufmännischen und verwaltungstechnischen Arbeiten, die bei der Abrech-nung privater honorarleistungen entstehen. Dadurch versetzen wir sie in die Lage, sich ihren patienten ungestört widmen zu können.

Ärzte tragen eine besondere Verantwortung. patienten helfen und heilen zu können, erfordert ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit. flexibilität, freie zeiteinteilung und optimal organisierte Abläufe sind die Voraussetzung dafür.