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TREFFPUNKT FORSCHUNG 6 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 6 –10 nium-Aufnahme durch den Kanal detailliert charakterisiert werden. Carnivore Pflanzen leben auf nährstoffarmen Böden und sind in der Lage, zusätzliche Nährstoffe durch ihre Fangblätter aufzunehmen. Bei der Venus-Fliegenfalle Dionaea muscipula schließt sich die zweilap- pige Blattstruktur hermetisch, wenn ein Insekt bei einem Kontakt mit be- rührungsempfindlichen Zellen Akti- onspotenziale auslöst. Weitere Kontak- te bei Fluchtversuchen veranlassen diese sensitiven Zellen ein Hormon auszuschütten. Dieses lässt Drüsen, die dicht gedrängt auf der inneren Oberfläche liegen, ein saures und lyti- sches Verdauungssekret ausschütten. Für Laborversuche eignet sich als Hormon-Mimetikum Coronatin (COR). Um zu klären, welches die Hauptprodukte der Verdauung in die- sem „grünen Magen“ sind, wurde das Verdauungssekret von COR-aktivier- ten Fangblättern gewonnen. Mit die- sem ließen sich Insekten als Modell- protein Casein zersetzen. Diese Ver- dauung führte sowohl zu einem Am- monium-Anstieg als auch zur Gene- rierung verschiedener Aminosäuren. Alle Komponenten von Casein wur- den wiedergefunden, mit einer Aus- nahme: Glutamin. Demnach baut eine Glutamin-Deaminase im Verdauungs- sekret gezielt Glutamin unter Freiset- zung von Ammonium ab. Phylogenetische Studien platzier- ten den Ammoniumkanal der Fliegen- falle zwischen denen der Pflanzen und denen in anderen Reichen. Die Tertiärstruktur kann als Trimer ange- nommen werden, das drei hydropho- be Poren besitzt. Bereits vier Stunden nach dem Fang einer Beute beginnt die Expres- sion des Ammoniumkanals DmAMT1. Das auslösende Signal ist hierbei nicht das Ammonium selbst, sondern der Fang der Beute. Die Ammonium- Konzentration in der Falle steigt erst im Zuge der Verdauung und ändert das Membranpotenzial der Zellen des Fangblatts. Durch die früher einset- zende Synthese von DmAMT1 stehen bereits die Transporter für die span- nungsabhängige Aufnahme bereit. Der äußere pH-Wert beeinflusst da- bei den Transport kaum. Noch nachzuweisen ist, ob mit dem Transport von Ammonium in die Drüsen eine Freisetzung von Proto- nen einhergeht. Dies könnte eine Er- klärung für die starke Ansäuerung des Verdauungssekretes sein, was eine weitere Degradierung der Beutepro- teine fördert. Der neu gefundene Am- monium-Kanal DmAMT1 erschließt die Beute als Stickstoff-Quelle im Reich der fleischfressenden Pflanzen. [1] S. Scherzer et al., Current Biology 2013, dx.doi.org/10.1016/j.cub.2013.07.028, 1–9. Sylvia Feil, Burgdorf TRICKS DER CARNIVOREN www.chiuz.de Die Venus-Fliegenfalle bessert ihre Nährstoffversor- gung auf, indem sie Insekten fängt und verdaut. Bis- lang unbekannt war, dass sie dabei Proteine ihrer Beute als Ammonium-Quelle nutzt [1]. Der neu ent- deckte Ammonium-Transporter arbeitet als span- nungsabhängiger Ionenkanal. Abb. 1 a) Das Fangblatt der Venus- Fliegenfalle schließt sich um die Beute und wird zum „grünen Magen“. (Bild: Christian Wiese); b) Im Querschnitt erkennt man die Drüsen (rot), die die Verdauungsenzyme abgeben und dann die freigesetzten Nährstoffe aufneh- men. (Bild: Maria Escalante Perez) Ammonium-Kanal in Venus-Fliegenfalle In vielen höheren Pflanzen ist Am- monium (NH 4 + ) die bevorzugte Stick- stoffquelle. Für dessen Aufnahme gibt es zwei Transporter-Familien: AMT1 und AMT2. Allerdings scheint das be- vorzugte Substrat der AMT2-Trans- porter ungeladenes Ammoniak (NH 3 ) zu sein. Je nach Herkunftspflanze weisen AMT1-Transporter entweder eine pH-Abhängigkeit auf, was für ei- nen Transport-Mechanismus von Am- monium im Gegenzug mit Protonen durch Transporter spricht, oder keine Sensitivität auf den äußeren pH-Wert, was ein Merkmal von Kanälen ist. Der Ammonium-Fluss durch Ka- näle kann mittels elektrophysikali- scher Messungen des Membranpo- tenzials verfolgt werden. Das Ruhe- potenzial von Pflanzenzellen in Nähr- lösung liegt bei etwa 130 Millivolt. Die Aufnahme von Ammonium in diesen Zellen bewirkt eine Depolari- sation auf etwa –90 Millivolt. Um den durch das entdeckte AMT-Gen codier- ten Ammonium-Transport losgelöst vom pflanzlichen Hintergrund zu be- trachten, wurde dieses Gen in Eizel- len des Krallenfrosches Xenopus lae- vis eingebaut. Mittels elektrophysio- logischer Methoden konnte in die- sem Expressionssystem die Ammo- a) b)

Ammonium-Kanal in Venus-Fliegenfalle

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Page 1: Ammonium-Kanal in Venus-Fliegenfalle

T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

6 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 6 –10

nium-Aufnahme durch den Kanal detailliert charakterisiert werden.

Carnivore Pflanzen leben aufnährstoffarmen Böden und sind inder Lage, zusätzliche Nährstoffedurch ihre Fangblätter aufzunehmen.Bei der Venus-Fliegenfalle Dionaeamuscipula schließt sich die zweilap-pige Blattstruktur hermetisch, wennein Insekt bei einem Kontakt mit be-rührungsempfindlichen Zellen Akti-onspotenziale auslöst. Weitere Kontak-te bei Fluchtversuchen veranlassendiese sensitiven Zellen ein Hormonauszuschütten. Dieses lässt Drüsen,die dicht gedrängt auf der innerenOberfläche liegen, ein saures und lyti-sches Verdauungssekret ausschütten.

Für Laborversuche eignet sich als Hormon-Mimetikum Coronatin(COR). Um zu klären, welches dieHauptprodukte der Verdauung in die-sem „grünen Magen“ sind, wurde dasVerdauungssekret von COR-aktivier-ten Fangblättern gewonnen. Mit die-sem ließen sich Insekten als Modell-protein Casein zersetzen. Diese Ver-dauung führte sowohl zu einem Am-monium-Anstieg als auch zur Gene-rierung verschiedener Aminosäuren.Alle Komponenten von Casein wur-den wiedergefunden, mit einer Aus-nahme: Glutamin. Demnach baut eineGlutamin-Deaminase im Verdauungs-sekret gezielt Glutamin unter Freiset-zung von Ammonium ab.

Phylogenetische Studien platzier-ten den Ammoniumkanal der Fliegen-falle zwischen denen der Pflanzenund denen in anderen Reichen. DieTertiärstruktur kann als Trimer ange-nommen werden, das drei hydropho-be Poren besitzt.

Bereits vier Stunden nach demFang einer Beute beginnt die Expres-sion des Ammoniumkanals DmAMT1.Das auslösende Signal ist hierbeinicht das Ammonium selbst, sondernder Fang der Beute. Die Ammonium-Konzentration in der Falle steigt erstim Zuge der Verdauung und ändertdas Membranpotenzial der Zellen desFangblatts. Durch die früher einset-zende Synthese von DmAMT1 stehenbereits die Transporter für die span-nungsabhängige Aufnahme bereit.Der äußere pH-Wert beeinflusst da-bei den Transport kaum.

Noch nachzuweisen ist, ob mitdem Transport von Ammonium in dieDrüsen eine Freisetzung von Proto-nen einhergeht. Dies könnte eine Er-klärung für die starke Ansäuerung desVerdauungssekretes sein, was eineweitere Degradierung der Beutepro-teine fördert. Der neu gefundene Am-monium-Kanal DmAMT1 erschließtdie Beute als Stickstoff-Quelle imReich der fleischfressenden Pflanzen.

[1] S. Scherzer et al., Current Biology 2013,dx.doi.org/10.1016/j.cub.2013.07.028,1–9.

Sylvia Feil, Burgdorf

T R I C K S D E R C A R N I VO R E N

www.chiuz.de

Die Venus-Fliegenfalle bessert ihre Nährstoffversor-gung auf, indem sie Insekten fängt und verdaut. Bis-lang unbekannt war, dass sie dabei Proteine ihrerBeute als Ammonium-Quelle nutzt [1]. Der neu ent-deckte Ammonium-Transporter arbeitet als span-nungsabhängiger Ionenkanal.

Abb. 1 a) Das Fangblatt der Venus- Fliegenfalle schließt sich um die Beuteund wird zum „grünen Magen“. (Bild: Christian Wiese); b) Im Querschnitterkennt man die Drüsen (rot), die dieVerdauungsenzyme abgeben und danndie freigesetzten Nährstoffe aufneh-men. (Bild: Maria Escalante Perez)

Ammonium-Kanal in Venus-Fliegenfalle

In vielen höheren Pflanzen ist Am-monium (NH4

+) die bevorzugte Stick-stoffquelle. Für dessen Aufnahme gibtes zwei Transporter-Familien: AMT1und AMT2. Allerdings scheint das be-vorzugte Substrat der AMT2-Trans-porter ungeladenes Ammoniak (NH3)zu sein. Je nach Herkunftspflanzeweisen AMT1-Transporter entwedereine pH-Abhängigkeit auf, was für ei-nen Transport-Mechanismus von Am-monium im Gegenzug mit Protonendurch Transporter spricht, oder keineSensitivität auf den äußeren pH-Wert,was ein Merkmal von Kanälen ist.

Der Ammonium-Fluss durch Ka-näle kann mittels elektrophysikali-scher Messungen des Membranpo-tenzials verfolgt werden. Das Ruhe-potenzial von Pflanzenzellen in Nähr-lösung liegt bei etwa 130 Millivolt.Die Aufnahme von Ammonium indiesen Zellen bewirkt eine Depolari-sation auf etwa –90 Millivolt. Um dendurch das entdeckte AMT-Gen codier-ten Ammonium-Transport losgelöstvom pflanzlichen Hintergrund zu be-trachten, wurde dieses Gen in Eizel-len des Krallenfrosches Xenopus lae-vis eingebaut. Mittels elektrophysio-logischer Methoden konnte in die-sem Expressionssystem die Ammo -

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