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Ophthalmologe 2013 · 110:175–178 DOI 10.1007/s00347-012-2739-0 Online publiziert: 5. Januar 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 C.-L. Schönfeld 1  · M. Reith 2 1  Augenklinik Herzog Carl Theodor, München 2  Klinik für Anästhesiologie, Klinikum der Universität München, Campus Innenstadt, München Anästhesieverfahren in  der Augenheilkunde Bedeutung der Analgesie in der Chirurgie des Auges In der Chirurgie generell, aber besonders in der Chirurgie des Auges ist eine für Operateur und Patient stressfreie Opera- tionsumgebung eine wichtige Erfolgsvo- raussetzung [2]. Neben der Schmerzfrei- heit des Patienten sind auch andere As- pekte, wie z. B. eine effektive Immobili- sierung des Bulbus oder die Ausschaltung als bedrohlich empfundener optischer Phänomene oder passagerer Visusver- luste [13], zu berücksichtigen. Eine idea- le Anästhesiemethode würde alle denk- baren Stressoren für Operateur und Pa- tient ausschalten und hätte keinerlei lo- kale oder systemische Nebenwirkungen. Da ein solches Verfahren nicht zur Verfü- gung steht, erfordert die Wahl der jeweils am besten geeigneten Methode eine situa- tionsgerechte Abwägung von spezifischen Vor- und Nachteilen. Neben der „strategischen“ Entschei- dung für eine Lokal- bzw. Allgemeinan- ästhesie muss dabei die Wahl der kon- kreten Vorgehensweise in allen Elemen- ten unter Berücksichtigung wichtiger pa- tienten- und prozedurspezifischer Krite- rien erfolgen. Dies betrifft sowohl die Ent- scheidung für unterstützende Maßnah- men wie Prämedikation und Sedierung während eines Eingriffs unter Lokalanäs- thesie als auch die Indikationsstellung für eine präemptive Analgesie. Für diese stra- tegischen Entscheidungen ist der Oph- thalmologe zuständig [1, 14]. Lokal- oder Allgemeinanästhesie? Es gibt eine ganze Reihe von Verfahren der Lokalanästhesie, die technisch oh- ne Weiteres vom Operateur selbst vor- genommen werden können. Die Frage, ob dies für den Patienten sicher ist oder ob der Eingriff in Zusammenarbeit mit einem Anästhesisten in „Standby“ vorge- nommen werden sollte, ist nur nach Be- wertung der allgemeinen Risiken für den Patienten möglich und erfolgt durch Oph- thalmologen und Anästhesisten gemein- sam [1, 14]. Diese kann z. B. nach der Klas- sifikation der „American Society of An- esthesiologists“ (ASA) vorgenommen werden, die folgende Kategorien unter- scheidet [5]: F ASA I: kein erhöhtes Risiko, F ASA II: leichte Erkrankung ohne Leistungseinschränkung, F ASA III: schwere Erkrankung mit Leistungseinschränkung, F ASA IV: lebensbedrohliche Erkran- kung, F ASA V: moribunder Patient. Bei ASA I ist meist und bei ASA II in der Regel eine Operation in Lokalanästhesie ohne Standby und ohne weitere Sedierung nach Prämedikation möglich, ASA III und IV dagegen erfordern einen Anäs- thesisten, wobei ein Eingriff bei ASA-IV- Patienten nur unter zwingender Indika- tion erfolgen wird (s. unten). Neben den üblichen medizinischen Beurteilungskri- terien (Gerinnungsstörungen, Diabetes, Bluthochdruck, kardiale Erkrankungen oder Risikofaktoren), die erforderlichen- falls auch durch konsiliarisches Hinzu- ziehen eines Internisten weiter abgeklärt werden sollten, sind in der speziellen Si- tuation der ophthalmologischen Chirur- gie unter Lokalanästhesie auch psychi- sche Surrogatkriterien zu berücksichti- gen. So werden Patienten ohne Platzangst oder andere psychische Auffälligkeiten nur nach ihrem internistischen Risikopro- fil beurteilt. Liegen solche Störungen vor, dann wird der Patient durch den Eingriff erheblichem Stress ausgesetzt, worunter auch seine Kooperativität leiden kann. Bei solchen Patienten erfolgt ein Vorge- hen gemäß einer ASA-III-Klassifikation, d. h., ein Eingriff in Lokalanästhesie soll- te nur unter zusätzlicher Sedierung durch den anwesenden Anästhesisten erfolgen. Methoden Lokalanästhesie Das technisch einfachste Verfahren der Lokalanästhesie ist die Oberflächenanäs- thesie mit Tropfen oder Gelen. Mit die- ser Methode können Fremdkörper an der Spaltlampe entfernt werden, aber auch komplexere Eingriffe wie die Phakoemul- sifikation bei einer Katarakt, die refrakti- ve Chirurgie der Hornhaut, das Einbrin- gen von Medikamenten in den Glaskör- per oder die chirurgische Behandlung des Strabismus durchgeführt werden [2, 12]. Mittel der Wahl für die topische Anästhe- sie am Auge sind Lidocain (2%), Tetracain (0,5%) oder Oxybuprocain (0,4%). Gegenüber der Injektionsanästhe- sie hat die Oberflächenanästhesie spe- zifische Vor- und Nachteile. Vorteilhaft ist zunächst, dass der Patient sie als an- genehmer empfindet und sie weniger Das therapeutische Prinzip 175 Der Ophthalmologe 2 · 2013|

Anästhesieverfahren in der Augenheilkunde

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Page 1: Anästhesieverfahren in der Augenheilkunde

Ophthalmologe 2013 · 110:175–178DOI 10.1007/s00347-012-2739-0Online publiziert: 5. Januar 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

C.-L. Schönfeld1 · M. Reith2

1 Augenklinik Herzog Carl Theodor, München2 Klinik für Anästhesiologie, Klinikum der Universität München, Campus Innenstadt, München

Anästhesieverfahren in der Augenheilkunde

Bedeutung der Analgesie in der Chirurgie des Auges

In der Chirurgie generell, aber besonders in der Chirurgie des Auges ist eine für Operateur und Patient stressfreie Opera-tionsumgebung eine wichtige Erfolgsvo-raussetzung [2]. Neben der Schmerzfrei-heit des Patienten sind auch andere As-pekte, wie z. B. eine effektive Immobili-sierung des Bulbus oder die Ausschaltung als bedrohlich empfundener optischer Phänomene oder passagerer Visusver-luste [13], zu berücksichtigen. Eine idea-le Anästhesiemethode würde alle denk-baren Stressoren für Operateur und Pa-tient ausschalten und hätte keinerlei lo-kale oder systemische Nebenwirkungen. Da ein solches Verfahren nicht zur Verfü-gung steht, erfordert die Wahl der jeweils am besten geeigneten Methode eine situa-tionsgerechte Abwägung von spezifischen Vor- und Nachteilen.

Neben der „strategischen“ Entschei-dung für eine Lokal- bzw. Allgemeinan-ästhesie muss dabei die Wahl der kon-kreten Vorgehensweise in allen Elemen-ten unter Berücksichtigung wichtiger pa-tienten- und prozedurspezifischer Krite-rien erfolgen. Dies betrifft sowohl die Ent-scheidung für unterstützende Maßnah-men wie Prämedikation und Sedierung während eines Eingriffs unter Lokalanäs-thesie als auch die Indikationsstellung für eine präemptive Analgesie. Für diese stra-tegischen Entscheidungen ist der Oph-thalmologe zuständig [1, 14].

Lokal- oder Allgemeinanästhesie?

Es gibt eine ganze Reihe von Verfahren der Lokalanästhesie, die technisch oh-ne Weiteres vom Operateur selbst vor-genommen werden können. Die Frage, ob dies für den Patienten sicher ist oder ob der Eingriff in Zusammenarbeit mit einem Anästhesisten in „Standby“ vorge-nommen werden sollte, ist nur nach Be-wertung der allgemeinen Risiken für den Patienten möglich und erfolgt durch Oph-thalmologen und Anästhesisten gemein-sam [1, 14]. Diese kann z. B. nach der Klas-sifikation der „American Society of An-esthesiologists“ (ASA) vorgenommen werden, die folgende Kategorien unter-scheidet [5]:FASA I: kein erhöhtes Risiko,FASA II: leichte Erkrankung ohne

Leistungseinschränkung,FASA III: schwere Erkrankung mit

Leistungseinschränkung,FASA IV: lebensbedrohliche Erkran-

kung,FASA V: moribunder Patient.

Bei ASA I ist meist und bei ASA II in der Regel eine Operation in Lokalanästhesie ohne Standby und ohne weitere Sedierung nach Prämedikation möglich, ASA III und IV dagegen erfordern einen Anäs-thesisten, wobei ein Eingriff bei ASA-IV-Patienten nur unter zwingender Indika-tion erfolgen wird (s. unten). Neben den üblichen medizinischen Beurteilungskri-terien (Gerinnungsstörungen, Diabetes, Bluthochdruck, kardiale Erkrankungen oder Risikofaktoren), die erforderlichen-falls auch durch konsiliarisches Hinzu-

ziehen eines Internisten weiter abgeklärt werden sollten, sind in der speziellen Si-tuation der ophthalmologischen Chirur-gie unter Lokalanästhesie auch psychi-sche Surrogatkriterien zu berücksichti-gen. So werden Patienten ohne Platzangst oder andere psychische Auffälligkeiten nur nach ihrem internistischen Risikopro-fil beurteilt. Liegen solche Störungen vor, dann wird der Patient durch den Eingriff erheblichem Stress ausgesetzt, worunter auch seine Kooperativität leiden kann. Bei solchen Patienten erfolgt ein Vorge-hen gemäß einer ASA-III-Klassifikation, d. h., ein Eingriff in Lokalanästhesie soll-te nur unter zusätzlicher Sedierung durch den anwesenden Anästhesisten erfolgen.

Methoden

Lokalanästhesie

Das technisch einfachste Verfahren der Lokalanästhesie ist die Oberflächenanäs-thesie mit Tropfen oder Gelen. Mit die-ser Methode können Fremdkörper an der Spaltlampe entfernt werden, aber auch komplexere Eingriffe wie die Phakoemul-sifikation bei einer Katarakt, die refrakti-ve Chirurgie der Hornhaut, das Einbrin-gen von Medikamenten in den Glaskör-per oder die chirurgische Behandlung des Strabismus durchgeführt werden [2, 12]. Mittel der Wahl für die topische Anästhe-sie am Auge sind Lidocain (2%), Tetracain (0,5%) oder Oxybuprocain (0,4%).

Gegenüber der Injektionsanästhe-sie hat die Oberflächenanästhesie spe-zifische Vor- und Nachteile. Vorteilhaft ist zunächst, dass der Patient sie als an-genehmer empfindet und sie weniger

Das therapeutische Prinzip

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angstbesetzt ist; zudem ist die Sehschär-fe unmittelbar nach dem Eingriff unbe-einträchtigt, der Lidschluss gewährleis-tet und damit ein Verband meist unnö-tig. Nachteilig sind die erhaltene Bulbus-mobilität, die den Operationsablauf stö-ren kann, Schmerzen durch Manipula-tion an der Iris sowie eine Erhöhung des Augeninnendrucks (IOD; [7]). Bei unzu-reichender Wirksamkeit kann die Ober-flächenanästhesie seit den 1990er-Jahren durch intrakamerale Injektion von 1% Li-docain ergänzt werden [9], was allerdings wiederum unerwünschte Wirkungen wie Epithelödeme, ERG-Veränderungen oder toxische Effekte haben kann [6, 8].

Die Oberflächenanästhesie ist vielfach bewährt und eine sehr geeignete Metho-de für Eingriffe an der Oberfläche des Auges und an der Vorderkammer/Linse. Sie ist derzeit in den USA, Korea und Ja-pan noch erheblich weiter verbreitet als bei uns, wird sich aber in Zukunft auch in Deutschland zunehmend durchsetzen.

Indikationen für die Infiltrationsanäs-thesie sind plastische Eingriffe an den Au-genlidern sowie Operationen an der Bin-dehaut. Als Injektionsverfahren zur Lei-tungsanästhesie stehen die retrobulbäre Anästhesie (RBA), peribulbäre Anästhe-sie (PBA) oder der Sub-Tenon-Block (ST) zur Verfügung. Mit diesen Verfahren wird grundsätzlich durch die länger andauern-de Wirkung der Komfort für den Patien-ten erhöht. Nebenwirkungen sind hier-bei eine Erhöhung des IOD, Blutungen, Vis a tergo und eine Bindehautchemosis; seltene, aber ernste Zwischenfälle kön-nen bei Penetration des Anästhetikums in den Liquorraum (Hirnstammanästhe-sie mit Hirnnervenausfällen und Atemde-pression bis zum Atemstillstand und/oder Bradykardie bis zum Herzstillstand) auf-treten [10]. Somit sind für die Leitungsan-ästhesie entweder die Durchführung mit einem Anästhesisten in „Standby“ oder eine entsprechende Vigilanz des OP-Per-sonals bezüglich der spezifischen Zeichen (Sprache, Atem- und Herzfrequenz) sowie eine geeignete Monitorüberwachung er-forderlich.

Allgemeinanästhesie

Die Indikation für eine Allgemeinan-ästhesie kann sich aus ophthalmologi-

scher (z. B. bei langwierigen vitreoretina-len Eingriffen) und/oder anästhesiologi-scher Sicht (Vorerkrankungen, Platzangst, ASA-Kriterien etc.) ergeben. Die Kaute-len der Allgemeinanästhesie für Eingrif-fe am Auge unterscheiden sich nur punk-tuell von denen in der Allgemeinchirur-gie. Die Ausführlichkeit der internisti-schen präoperativen Diagnostik (EKG, Labor, Röntgenbild) richtet sich nach den bei der Anamnese erhobenen Vorerkran-kungen und den Ergebnissen einer orien-tierenden klinischen Untersuchung. Der Umgang mit Dauermedikationen (z. B. Antidiabetika, Antikoagulanzien) wird in Absprache mit dem Hausarzt entschieden und orientiert sich an allgemeinanästhe-siologischen Leitlinien. Nach den Emp-fehlungen der zuständigen Fachgesell-schaften fallen diese Abwägungen – übri-gens auch bei Lokal- oder Regionalanäs-thesie in „Standby“ – in den Kompetenz-bereich des Anästhesisten [1, 14].

Selbstverständlich müssen die Patien-ten auch vor Allgemeinnarkosen in der Ophthalmologie nüchtern sein (ab 6 h vor der Operation kein Essen oder fetthaltige Getränke, ab 2 h vorher keine Flüssigkei-ten, Kaugummi oder Rauchen).

Situationen, die besondere Abwägungen erfordern

Vital bedrohte Patienten

In vital bedrohlichen Situationen wird das Vorgehen interdisziplinär unter der abso-luten Priorität des Überlebens des Patien-ten entschieden. Bei dringlicher Opera-tionsindikation kann auch bei nicht nüch-ternen Patienten eine Intubationsnarkose als sog. Rapid-Sequence-Induktion erfol-gen – dies allerdings mit erhöhter Aspira-tionsgefahr. Ein umfassendes Monitoring und die Etablierung intravenöser oder ggf. intraarterieller Zugänge werden vom An-ästhesisten durchgeführt.

Die Wahl des Narkoseverfahrens rich-tet sich nach dem Zustand des Patien-ten und der zu erwartenden Dauer des Eingriffs. Da dieser meist kurz ist, ist in der Regel eine total intravenöse Anäs-thesie (TIVA) mit Propofol/Remifenta-nil die Methode der Wahl, da diese exzel-lent steuerbar ist, postoperativ schnell ab-flutet und mit einem geringen Risiko un-

erwünschter Effekte wie Übelkeit/Erbre-chen oder IOD-Erhöhung einhergeht.

Die Verwendung der Larynxmaske gilt als Standard, denn sie reduziert im Vergleich zur endotrachealen Intubation Husten bei der Ausleitung und damit das Risiko von IOD-Erhöhungen. Die sog. „laryngeal mask airway“ (LMA) schützt aber nicht sicher vor Aspiration, was ins-besondere bei komplexen Eingriffen mit erhöhtem Aspirationsrisiko (z. B. Enuk-leation mit Entnahme eines Dermis-Fett-Transplantats in Seitenlage) ungünstig sein kann. Beim nicht nüchternen Patien-ten wird sie nicht als Mittel der Wahl ver-wendet.

Bei stark vorerkrankten Patienten kön-nen anderweitig eher harmlose Neben-wirkungen wie der okulokardiale Reflex (reflektorische Sinusbradykardie bis hin zur Asystolie) oder perioperative Kom-plikationen (Blutungen, IOD-Steigerung, Vis a tergo) fatal sein. Daher ist besonders bei Eingriffen am Auge unter vitaler In-dikation die Narkoseführung durch einen ophthalmochirurgisch erfahrenen Anäs-thesisten unbedingt erforderlich.

Kinder

Ophthalmochirurgische Eingriffe bei Kin-dern sind auch aus Compliance-Gründen häufig nur in Allgemeinanästhesie mög-lich, auch wenn sowohl ophthalmologi-sche als auch anästhesiologische Krite-rien eine Lokalanästhesie erlauben wür-den. Auch hier richten sich die Kautelen nach denen der Anästhesie bei Kindern allgemein: Bei Neugeborenen und Säug-lingen sollten 2 Anästhesisten anwesend sein, von denen jeweils mindestens einer umfangreiche Erfahrungen in der Kinder-anästhesie hat. Zudem stellen sich speziel-le Anforderungen an die räumliche, per-sonelle und apparative Ausstattung, die aber ebenfalls denen der Kinderanästhe-sie im Allgemeinen entsprechen.

Vorbereitung und Prämedikation wer-den altersgerecht angepasst. So ist ein Abstand der Operation von Impfungen (3 Tage nach Tot- und 14 Tage nach Le-bendimpfungen) einzuhalten, die Emp-fehlungen zur Nüchternheit sind ähn-lich denen bei Erwachsenen (Flüssigkeit bis 2 h, Muttermilch bis 4 h, Essen bis 6 h vor Operation), die Prämedikation erfolgt

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meist mit Midazolam-Saft (0,5–0,75 mg/kg).

Problematische Situationen mit be-sonderen Erfordernissen bei Kindern er-geben sich durch häufige grippale Infek-te (mit Laryngo- und Bronchospasmen) oder komplexe kongenitale Fehlbildungen mit Beteiligung des Herz-Kreislauf-Sys-tems und/oder kraniofazialen Anomalien.

Vorerkrankungen

Der Umgang mit bekannten Vorerkran-kungen ist in allgemeinen und speziellen Leitlinien zur Anästhesie geregelt. Es gibt aber zahlreiche Situationen, in denen in-ternistische Vorerkrankungen unter der Narkose erstmalig auffällig werden und dann auch entsprechend gemanagt wer-den müssen. Einige dieser Erkrankungen könnten durch extensivere präoperative Evaluation zwar im Prinzip aufgedeckt werden, dies ist in der Augenheilkunde aber nicht in letzter Konsequenz prak-tikabel. Andere Erkrankungen würden sich auch einer Diagnose in einem sol-chen Setting entziehen, weil sie spezielle Untersuchungsmethoden erfordern. Ein Beispiel dafür ist das obstruktive Schlafap-noesyndrom (OSAS), das bei etwa 5% der Bevölkerung besteht und nicht selten erst perioperativ diagnostiziert wird [3]. Das Vorliegen eines OSAS erhöht das Risiko peri- und postoperativer Atemstillstän-de, wobei insbesondere der REM-Schlaf-Rebound zu Respirationsstörungen, post-operativer Verwirrung und Delir, Zir-kulationsstörungen, Schlaganfällen und Wundheilungsstörungen beitragen kann.

Präemptive Analgesie

Aus operationstechnisch-klinischen, aber auch aus schmerzphysiologischen Grün-den ist eine Ausschaltung des Schmerzes vor dessen Entstehung – die sog. präemp-tive Analgesie – sinnvoll. Diese verhindert die zentrale Sensibilisierung und Aktivie-rung des „Schmerzgedächtnisses“ und trägt damit entscheidend zur Vorbeugung chronischer Schmerzzustände bei. Das subjektive Erleben der Operation, aber auch deren objektives Ergebnis wird so-mit nachhaltig von der Schmerzhaftigkeit der Prozedur beeinflusst, und insofern ist die präemptive Analgesie auch über den

Moment hinaus eine wichtige Maßnahme für die Sicherstellung eines optimalen Er-gebnisses.

Die präemptive Schmerzausschaltung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen, und die Wahl des Verfahrens richtet sich in erster Linie nach dem geplanten Ein-griff und dem Anästhesieverfahren, ob-liegt also in erster Linie dem Ophthal-mologen. Die einfachste Methode ist die Verabreichung eines systemisch wirken-den Analgetikums vor dem Eingriff, al-so einer altersentsprechend angepassten Kombination aus peripher [“non-steroi-dal anti-inflammatory drug“ (NSAID), Paracetamol] und zentral (Opioid) wirk-samen Substanzen.

Eine komplexere, aber auch wirksame-re Methode ist die präoperative peribul-bäre Injektion eines Lokalanästhetikums (Mepivacain, Bupivacain), deren Wirk-samkeit mittlerweile auch durch eine ran-domisierte klinische Studie belegt ist [11]. Die präemptive Analgesie durch Leitungs-anästhesie ist dabei nicht nur in Zusam-menhang mit der Lokalanästhesie, son-dern auch als adjunktive Maßnahme bei Allgemeinnarkosen in der Augenheilkun-de sinnvoll und wirksam [4].

Fazit für die Praxis

FDas Erfolgskriterium für die Anästhe-sie in der Augenheilkunde – eine für Operateur und Patient stress- und schmerzfreie Operationsumgebung – ist sicher nicht immer in letzter Kon-sequenz zu erreichen, sollte aber mit hoher Energie und auf einem hohen Niveau angestrebt werden. 

FBasis einer diesbezüglich erfolgrei-chen Anästhesie ist die intensive und langfristige Kooperation zwischen Augenarzt und Anästhesist, die unge-achtet formaler Zuständigkeiten alle Aspekte der Evaluation, Risikoabwä-gung, Methodenwahl und Durchfüh-rung beinhalten sollte.

Zusammenfassung · Abstract

Ophthalmologe 2013 · 110:175–178DOI 10.1007/s00347-012-2739-0© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

C.-L. Schönfeld · M. Reith

Anästhesieverfahren in der Augenheilkunde

ZusammenfassungIn der modernen Augenheilkunde stehen di-verse Methoden der Lokal- und Allgemein-anästhesie zur Verfügung, mit denen eine für Patient und Operateur weitgehend stress- und schmerzfreie Operationsumgebung ge-schaffen werden kann. Die Entscheidung für ein Verfahren hängt sowohl von Vorerkran-kungen als auch von ophthalmologischen Kriterien ab und sollte von Augenarzt und Anästhesist gemeinsam getroffen werden; Oberflächen- oder Leitungsanästhesie (ggf. mit Sedierung) ist in der Regel gerade bei in-ternistisch vorerkrankten Patienten als Me-thode der ersten Wahl anzusehen. Bei be-stimmten Krankheitsbildern, in Notfallsitua-tionen, bei Kindern sowie bei langen, ausge-dehnten ophthalmochirurgischen Eingriffen kann allerdings eine Allgemeinanästhesie er-forderlich sein. Eine sinnvolle Ergänzung ist die Schmerzausschaltung vor dem Eingriff in Form der präemptiven Analgesie.

SchlüsselwörterAugenoperation · Ambulante chirurgische Eingriffe · Anästhesie ·  Patientenzufriedenheit · Patientensicherheit

Methods of anesthesia in eye surgery

AbstractThere are several methods for local and gen-eral anesthesia in ophthalmological surgery that attempt to provide a stress and pain-free operating environment for both patient and surgeon. The decision-making depends on medical as well as on ophthalmological crite-ria and jointly falls to ophthalmologists and anesthesiologists. Topical and injective anes-thesia (with or without conscious sedation) are generally methods of choice but gener-al anesthesia can be preferable or mandatory in patients with particular internal diseases, children, emergencies and for extended sur-gical procedures. Pre-emptive analgesia be-fore the operation is a meaningful comple-ment in ophthalmological anesthesia.

KeywordsEye surgery · Outpatient surgical  procedures · Anesthesia · Patient satisfaction · Patient safety

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Korrespondenzadresse

PD Dr. C.-L. SchönfeldAugenklinik Herzog Carl  TheodorNymphenburger Str. 43, 80335 Mü[email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt für sich und seinen Koautor an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

Literatur

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14.  Weißauer W (2011) Anmerkung zur gemeinsa-men Empfehlung über die Zusammenarbeit in der operativen Ophthalmologie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensiv-medizin e.V. und der Deutschen Ophthalmologi-schen Gesellschaft e.V., http://www.dgai.de/eev/EEV_2011_S_29-30.pdf

Das therapeutische Prinzip