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1 Lehrstuhl für Energiewirtschaft Prof. Dr. Christoph Weber Analytische Aussagen Wichtigste Art von analytischen Aussagen: Definitionen Definitionen Sind Sprachregelungen Quasi eine Gleichung in sprachlicher Form Beispiel: „Prämienlohn = Grundlohn plus leistungsabhängiges Entgelt“ entspricht der ausformulierten Definition: „Von Prämienlohn wird gesprochen, wenn zu einem vereinbarten Grundlohn ein zusätzliches Entgelt (Prämie) bezahlt wird, das im Zusammenhang mit einer Leistungsgröße steht.“ (Weber/Mayrhofer/Nienhüser 1993: S. 226) sind nicht (empirisch) wahr oder falsch (höchstens logisch inkonsistent) Kriterium zur Beurteilung: zweckmäßig und sinnhaft 2 Lehrstuhl für Energiewirtschaft Prof. Dr. Christoph Weber Empirische Aussagen Können durch Beobachtung überprüft werden Empirisch wahr oder falsch Zwei Hauptarten: Deskriptive (singuläre) Aussagen und Gesetzesaussagen Deskriptive (singuläre) Aussagen Beschreiben einzelne Sachverhalte Beispiel: „Es regnet gerade jetzt draußen“ Empirisch überprüfbar

Analytische Aussagen - TDR: Technik der Rechnernetze · 5 Lehrstuhl für Energiewirtschaft Prof. Dr. Christoph Weber Normative Aussagen – Teil der Wissenschaft? • Max Weber (1864

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Lehrstuhl für EnergiewirtschaftProf. Dr. Christoph Weber

Analytische Aussagen

• Wichtigste Art von analytischen Aussagen: DefinitionenDefinitionen• Sind Sprachregelungen• Quasi eine Gleichung in sprachlicher Form• Beispiel:

– „Prämienlohn = Grundlohn plus leistungsabhängiges Entgelt“– entspricht der ausformulierten Definition: „Von Prämienlohn wird

gesprochen, wenn zu einem vereinbarten Grundlohn ein zusätzliches Entgelt (Prämie) bezahlt wird, das im Zusammenhang mit einer Leistungsgröße steht.“ (Weber/Mayrhofer/Nienhüser 1993: S. 226)

• sind nicht (empirisch) wahr oder falsch (höchstens logisch inkonsistent)

• Kriterium zur Beurteilung: zweckmäßig und sinnhaft

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Lehrstuhl für EnergiewirtschaftProf. Dr. Christoph Weber

Empirische Aussagen

• Können durch Beobachtung überprüft werdenEmpirisch wahr oder falsch

• Zwei Hauptarten: Deskriptive (singuläre) Aussagen

und Gesetzesaussagen

Deskriptive (singuläre) Aussagen

• Beschreiben einzelne Sachverhalte

• Beispiel:„Es regnet gerade jetzt draußen“

• Empirisch überprüfbar

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Empirische Aussagen (Forts.)

Gesetzesaussagen (auch: theoretische Aussagen)

• Umfassender als deskriptive Aussagen

• Geltung raum-zeitlich (weitgehend) unbeschränkt

• Beispiel:„Wenn Verhalten verstärkt wird, tritt es künftig häufiger auf“

• Empirisch überprüfbar

• Theoretische Aussagen sind Bestandteil einer Theorie, d. h. eines Systems von Hypothesen

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Normative Aussagen

• Aussagen über was sein soll oder nicht sein sollz. B. Empfehlungen bzgl. Handlungen oder Bewertungen (gut/schlecht) von Sachverhalten

• Können nicht mit Hilfe von Beobachtungen als wahr oder falsch eingestuft werden

• Beispiel: „In Deutschland sollte das Arbeitsrecht flexibilisiert werden, um ein höheres Wirtschaftswachstum zu ermöglichen“

• Prüfung von normativen Aussagen möglich hinsichtlich– Akzeptabilität der Ziele

– Akzeptabilität der Mittel

– Akzeptabilität von ggf. eintretenden Nebenwirkungen

– empirische Relevanz des behaupteten Mittel-Wirkungs-Zusammenhangs

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Normative Aussagen – Teil der Wissenschaft?

• Max Weber (1864 – 1920) stellt fest, dass eine empirische Wissenschaft „niemanden zu lehren [vermag], was er soll, sondern nur was er kann und – unter Umständen – was er will“(Weber zitiert nach Schanz in Bea/Friedl/Schweitzer 103)

• Aus rein empirischen Aussagen normative ableiten zu wollen ist der sogenannte „normative Fehlschluss“

• Normative Aussagen können immer nur korrekt abgeleitet werden, wenn zuvor schon Normen gesetzt wurden

• In der Praxis sind viele wissenschaftliche Handlungsempfehlungen als normative Aussagen formuliert, ohne dass die zugrunde gelegten Normen explizit gemacht werden

• Normative Aussagen Teil einer Handlungswissenschaft wie BWLAber wichtig, implizite Normen zu identifizieren

s. a. Albert (1991)

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Zusammengesetzte Aussagen

• Erklärungen

• Prognosen

• Gestaltungsaussagen

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Erklärungen

• Zusammengesetzt aus deskriptiven Aussagen und Gesetzesaussagen

• Erklären heißt:Ableiten eines Sachverhalts aus mindestens einer Gesetzesaussage(Gesetzmäßigkeit) und einer Aussage, die man als Randbedingung bezeichnet

• Beispiel:Gesetz: Je höher die Unzufriedenheit, desto höher die Fehlzeiten.

Randbedingung: In Firma A sind die Arbeitnehmer unzufriedener als in Firma B.

Zu Erklärendes: Bei A sind die Fehlzeiten höher als bei B.

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Prognosen

• „Vorhersagen“

• Zumeist in die Zukunft gerichtet

• Zusammengesetzt aus deskriptiven Aussagen und

Gesetzesaussagen

• Beispiel

Gesetzesaussage: „Je höher die Leistung, desto höher die Zufriedenheit“

Information: „die Leistung von Müller ist gestiegen“

Prognose: „die Zufriedenheit von Müller ist auch gestiegen“

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Gestaltungsaussagen

• Handlungsempfehlungen, Bewertungen

• Zusammengesetzt aus Gesetzesaussagen, deskriptiven Aussagen

und normativen Aussagen

• Beispiel

Gesetzesaussage: „Gruppenarbeit erhöht die durchschnittliche Leistung der

Arbeitnehmer“

Normative Prämisse: „Höhere Leistung ist besser“

Gestaltungsaussage: „Gruppenarbeit sollte eingeführt werden“

Oder präziser:

Gestaltungsaussage: „Wenn das Ziel besteht, die Leistung der

Arbeitnehmer zu erhöhen, sollte Gruppenarbeit eingeführt werden“

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Einordnung der BWL in das Wissenschaftssystem

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Betriebswissenschaftliche Wissenschaftsprogramme -Wegbereiter

• Eugen Schmalenbach (1873-1955)

• Leitideen: – BWL als Kunstlehre

– Wirtschaftlichkeit als möglichst sparsameMittelverwendung

• Wissenschaftsziel: Gestaltung

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Betriebswissenschaftliche Wissenschaftsprogramme -Wegbereiter

• Wilhelm Rieger (1878-1971)

• Leitideen:– BWL als reine Wissenschaft

– Rentabilität als Kriterium

• Wissenschaftsziel:– Beschreibung

– Erklärung

– keine Gestaltungsaussagen in Form von Ratschlägen

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Lehrstuhl für EnergiewirtschaftProf. Dr. Christoph Weber

Betriebswissenschaftliche Wissenschaftsprogramme -Wegbereiter

• Heinrich Nicklisch (1876-1946)

• Leitideen: – Mensch als geistiges Wesen

– Idee der Betriebsgemeinschaft

• Wissenschaftsziel: – normative Gestaltungsaussagen

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Lehrstuhl für EnergiewirtschaftProf. Dr. Christoph Weber

Neuere Programme - Produktionsfaktor-Ansatz(Erich Gutenberg 1897-1984)

• Leitidee: – BWL als Wissenschaft von der Produktivitätsbeziehung

– Zusammenführen der Bereiche Produktion, Absatz, Finanzierung unter dem Gesichtspunkt der Produktivitäts-Beziehungen

• Wissenschaftsziel: – Erklärungen bzw. Aussagen über

• Handlungsmöglichkeiten (z.B. Entwicklung von Aussagen über Faktorkombinationsprozess (Produktionsfunktion)) und über Kostenverläufe (Kostenfunktionen);

• Methodik: – Logische Ableitung von optimalen Vorgehensweisen bei Unterstellung der

Zielfunktion der Gewinnmaximierung

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Lehrstuhl für EnergiewirtschaftProf. Dr. Christoph Weber

Neuere Programme - Produktionsfaktor-Ansatz(Erich Gutenberg 1897-1984)

Kritik

• Positiv: – sehr systematisch und integrativ

– Orientierung an (bewährten) Modellen der VWL

– formalisiert und damit intersubjektiv (logisch, z. T. empirisch) prüfbar

• Negativ: – Menschliches Verhalten wird weitgehend ausgeblendet bzw. es wird von

unrealistischen Annahmen ausgegangen

– daher fehlende Integration von Wissenschaftsbereichen, in denen Verhalten relevant ist (z.B. Organisation, Personal, Marketing)

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Lehrstuhl für EnergiewirtschaftProf. Dr. Christoph Weber

Neuere Programme – Entscheidungs-Ansatz(Edmund Heinen 1919-1996)

• Leitideee– Reale Entscheidungen als Kernproblem

• Wissenschaftsziele– Erklärung und Gestaltung

• Methodik– Verwendung sozialwissenschaftlicher Methoden

– Erklärung aus Gesetzmäßigkeiten

– Ableitung von Entscheidungsmodellen

• Kritik– BWL als praktisch-normative Wissenschaft, gleichzeitig wertfrei

problematische Verkürzung

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Lehrstuhl für EnergiewirtschaftProf. Dr. Christoph Weber

Neuere Programme – Verhaltenswissenschaftlicher Ansatz (Günther Schanz *1943)

• Leitidee– Auf der Basis vom Gesetzmäßigkeiten auf Individualebene soziale

Institutionen gestalten

• Wissenschaftsziel– Erklärung und Gestaltung

• Methodik– Erklärung aus Gesetzmäßigkeiten

– Daraus Gestaltungsmodelle abgeleitet

• Kritik– Erklärung sozialer Phänomene nur aus der Individualperspektive teilweise

schwierig („Methodologischer Individualismus“)

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Lehrstuhl für EnergiewirtschaftProf. Dr. Christoph Weber

Neuere Programme – Systemansatz (Hans Ulrich 1919-1997)

• Leitidee– Unternehmen als produktives und soziales System

– Anwendung von Methoden der Kybernetik (Systemwissenschaft)

• Wissenschaftsziel– Gestaltung

• Methodik– Gestaltungsaussagen auf der Basis von Beobachtungen über Input-

Output-Beziehungen

– Betriebsprozess als Black Box

• Kritik– Black Box- bzw. Input-Output-Betrachtung reicht oft nicht aus

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Lehrstuhl für EnergiewirtschaftProf. Dr. Christoph Weber

Neuere Programme – ökologische verpflichtete BWL (Eberhard Seidel, *1941)

• Leitidee– Einbeziehung von ökologischen Aspekten in die BWL

• Wissenschaftsziel– Gestaltung

• Methodik– Ökologische Probleme als nicht-intendierte Handlungskonsequenzen

– Ökologieorientiertes Controlling

– Ökologische Produktlebenszyklus

• Kritik– Teilweise einseitige Betonung von ökologischen Aspekten

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Neuere Programme – Institutionenökonomik (insb. Transaktionskostenansatz) (Oliver E. Williamson *1932)

• Leitidee– Märkte funktionieren nicht kostenlos

– Institutionen wie z. B. Unternehmen entstehen (statt Märkten), weil dadurch Transaktionskosten gespart werden können

• Wissenschaftsziel– Erklärung, z. T. Gestaltung

• Methodik – Erklärungen aus Gesetzmäßigkeiten

– z. T. Modellierung

• Kritik– Zu starke Rationalitätsannahmen

– sehr starker Fokus auf (Transaktions-)Kostenminimierung

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Transaktionskostentheorie

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Beispiel: Eigenfertigung versus Fremdbezug

Eigenfertigung

• Entscheidungsregel: – Bevorzuge diejenige Alternative, bei der die Summe aus

Produktionskosten (PK) und Transaktionskosten (TAK) minimal ist!

– Bei gleichen PK (und gleicher Häufigkeit der Transaktion) gilt:

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Lehrstuhl für EnergiewirtschaftProf. Dr. Christoph Weber

Ergänzender Überblick über Wissenschaftsprogramme der BWL (1)

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Lehrstuhl für EnergiewirtschaftProf. Dr. Christoph Weber

Ergänzender Überblick über Wissenschaftsprogramme der BWL (2)