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Anamnese und Befunderhebung bei Schmerzenpatienten

Anamnese und Befunderhebung bei Schmerzenpatienten · Anamnese und Befunderhebung - Übersicht Tipps zum Umgang mit dem chronischen Schmerzpatienten Übersicht – Flussdiagramm Diagnostisches

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Anamnese und Befunderhebung bei Schmerzenpatienten

Anamnese und Befunderhebung - Übersicht

Tipps zum Umgang mit dem chronischen

Schmerzpatienten

Übersicht – Flussdiagramm

Diagnostisches Vorgehen beim chronischen Schmerzpatienten

Schmerzbezogene Anamnese

Zusammenfassung

Mein Weg in der Schmerztherapie......

Vergegenwärtigen der Situation des Patienten

viele Behandlungsversuche ohne Erfolg oder mit Verschlechterung

Patienten verunsichert, verbittert

Angst abgestempelt zu werden

Zeigen von Empathie (Akzeptanz, Wertschätzung, Interesse)

Begrüßung mit Namen

Akten vorher studieren

Augenkontakt, nicht in den Akten blättern

Beginn des Interviews mit offenen Fragen

Wiederholen von Inhalten

Besprechung von Prioritäten

Umgang mit chronischen Patienten

Versuchen Sie sich in den Patienten hineinzudenken

Erinnerung an eigene Situationen, in denen man sich nicht verstanden gefühlt hat

Was hat einem in dieser Situation nicht gut getan (Überschütten mit „guten Ratschlägen“)?

Hilfreiche Verhaltensweisen (aufmerksames Zuhören, Verständnis)

Umgang mit chronischen Patienten

Anamnese- Schmerzanamnese

- allgemeine medizinische Anamnese / psychosoziale Anamnese

Elemente der Diagnostik und Therapieplanung beim chronischen Schmerzpatienten

Körperliche Untersuchung

Psychologische Anamnese und Diagnostik

Weiterführende DiagnostikLabor, Konsiliaruntersuchung, Elektrophysiologie, Bildgebung, Nervenblockaden

Formulierung von Therapiezielen- Erstellen eines Therapieplans

Gespräch mit dem Patienten

Erläuterung des weiteren Vorgehens

Lokalisierung

Art / Qualität

Intensität

Auswirkung der Schmerzen

Zeitliche Aspekte

Einflussfaktoren Empfindung des Patienten

Begleitfaktoren

Sekundäre Zeichen / Symptome

Ansprechen auf die Behandlung

Anamnese / Befunderhebung

Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal!

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Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal!

Lokalisierung

Art / Qualität

Intensität

Auswirkung der Schmerzen

Zeitliche Aspekte

Einflussfaktoren Empfindung des Patienten

Begleitfaktoren

Sekundäre Zeichen / Symptome

Ansprechen auf die Behandlung

fokal, multifokal, generalisiert, oberflächlich,

tief sitzend

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Polyneuropathie Thalamusschmerz

Arthritis CRPS

Schmerzlokalisation

Schmerzlokalisationen können einen Hinweis auf die Ätiologie der Schmerzen geben, z.B.

Fibro-myalgie

Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal!

Lokalisierung

Art / Qualität

Intensität

Auswirkung der Schmerzen

Zeitliche Aspekte

Einflussfaktoren Empfindung des Patienten

Begleitfaktoren

Sekundäre Zeichen / Symptome

Ansprechen auf die Behandlung

klopfend, stechend, brennend,

einschießend, usw.

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Mögliche Zusammenhänge zwischen Schmerzcharakter und Schmerzart

Schmerzcharakter Schmerzart

Dumpf, drückend, ziehend, stechend

Nozizeptorschmerzen

Brennend, kribbelnd, elektrisierend …

neuropathischeSchmerzen

Pulsierend, pochend Migräne, entzündliche Schmerzen

Krampfartig, kolikartig viszerale Schmerzen

Stark affektive Beschreibung

somatoforme Schmerzen

Schmerzcharakter / Symptome Diagnosen, z.B. Mechan

Muskel- und Skelettsystem betroffen / belastungsabhängig /

lokal / druckschmerzhaft / keine Entzündungszeichen

Arthrose /myofasziales

Schmerz-syndrom

nozizeptivNozi

redSc

Muskel- und Skelettsystembetroffen / belastungsabhängig /

Entzündungszeichen / lokal /drückend-stechend-bohrend

aktivierteArthrose / Arthritis

nozizeptiv /entzündlich

Noziz-sensi

S

nervale Struktur betreffend /brennend / einschießend /

neurologische Begleitsymptome

diabetische Polyneuro-

pathie / Post-Zoster-

Neuralgie

neuropathisch

BildunReze

Reizbild

zentr

redSc

multilokulär / keine pathologische Befunde / schmerzüber-

empfindlich / vegetative und/oderpsychische Symptome

Fibromyalgie-syndrom dysfunktional

redSchm

Sch

Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal!

Lokalisierung

Art / Qualität

Intensität

Auswirkung der Schmerzen

Zeitliche Aspekte

Einflussfaktoren Empfindung des Patienten

Begleitfaktoren

Sekundäre Zeichen / Symptome

Ansprechen auf die Behandlung

Ratingskaleneinsetzen

(z. B. NRS-11)

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Schmerzintensität

Verbale Rangskala

Numerische Ratingskala (NRS)

Visuelle Analogskala (VAS)

Smiley-Skala

kein - wenig - mittel - starke - sehr starke kein - gut erträglich - gerade noch erträglich - unerträglich

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10kein Schmerz

stärkste vorstellbare Schmerzen

kein Schmerzstärkste

vorstellbare Schmerzen

Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal!

Lokalisierung

Art / Qualität

Intensität

Auswirkung der Schmerzen

Zeitliche Aspekte

Einflussfaktoren Empfindung des Patienten

Begleitfaktoren

Sekundäre Zeichen / Symptome

Ansprechen auf die Behandlung

mehrdimensionale Instrumentarien,

Einfluss auf körperliche &

seelische Verfassung, Einfluss auf Lebensqualität

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Einschränkungen der LQ bei chronischen Schmerzen – ein Beispiel

Frau H., 70 Jahre, chronischer unspezifischer Rückenschmerz, Dauerschmerz NRS-11 5-6, Schmerzverstärkung unter Belastung bis NRS-11 9

Einschränkung bei Tätigkeiten im Haushalt

Sozialer Rückzug und Schwierigkeiten in der Partnerschaft, da hauptsächliche Freizeitgestaltung (Wandergruppe, Treffen mit Freundinnen in der Stadt) nicht mehr möglich

Gehstrecke unter 500 Meter

Nachtschlaf schmerzbedingt gestört

Stimmung und Antrieb beeinträchtigt

Was wäre wirklich ein Erfolg für Frau H.?

Medizinische Maße sind ein „Mittel zum Zweck“

Lebensqualität ist das eigentliche Ziel

Ruhe-Schmerz um 2 Stufen (NRS-11) reduziert

Nachts wieder durchschlafen können

oder

Belastungsschmerz um 2 Stufen (NRS-11) verringert

Beim Spazierengehen keine Angst vor Schmerzspitzen haben

oder

Gehstrecke um 500m verlängern

Wieder bis zur Bushaltestelle gehen können

oder

Depressivität signifikant reduziert (ADS)

Sich wieder freuen, wenn die Enkel zu Besuch kommen

oder

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Giselas WHO-5-Fragebogenzum Wohlbefinden

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In den letzen zwei Wochen ... Die ganze Zeit

Meistens Über die Hälfte der Zeit

Weniger als die Hälfte der Zeit

Ab und zu

Zu keinem Zeit‐punkt

5 4 3 2 1 0

...  war ich froh und guter Laune

...  habe ich mich ruhig und entspannt gefühlt

...  habe ich mich energetisch und aktiv gefühlt

...  habe ich mich beim Aufwachen frisch und ausgeruht gefühlt

...  war mein Alltag voller Dinge, die mich interessieren

5 4 3 2 1 0

5 4 3 2 1 0

5 4 3 2 1 0

5 4 3 2 1 0

5 4 3 2 1 0

Was wurde bei Frau H. erreicht? Zielüberprüfung

erreicht wieder eigenständig den Bus

kann dann wieder in die Stadt und damit zur Schwester im Altenheim, zur Bücherei, zum Seniorennachmittag…

ist morgens ausgeruht und kann Lebensfreudemit dem Enkel empfinden

Frau H.

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Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal!

Lokalisierung

Art / Qualität

Intensität

Auswirkung der Schmerzen

Zeitliche Aspekte

Einflussfaktoren Empfindung des Patienten

Begleitfaktoren

Sekundäre Zeichen / Symptome

Ansprechen auf die Behandlung

Zeitpunkt des Eintritts, Dauer, Verlauf, Muster

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Beispielhafte Schmerzverläufe bei verschiedenen Kopfschmerzformen

Migräne

Clusterkopfschmerz

Chronische Spannungskopfschmerzen

M D M D F S S M D M D F S S M D M D F S SM D M D F S S

M D M D F S S M D M D F S S M D M D F S SM D M D F S S

0

10

0

10

M D M D F S S M D M D F S S M D M D F S SM D M D F S S0

10

Attackendauer ~ 30 min/d

Trigeminusneuralgie

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 240

10

NRS

NRS

NRS

NRS

Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal!

Lokalisierung

Art / Qualität

Intensität

Auswirkung der Schmerzen

Zeitliche Aspekte

Einflussfaktoren Empfindung des Patienten

Begleitfaktoren

Sekundäre Zeichen / Symptome

Ansprechen auf die Behandlung

auslösende Faktoren (z.B. Schmerz-verstärkung bei

Husten, Niesen, …), lindernde Faktoren

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Mögliche Einflussfaktoren

Schmerzverstärkung körperliche Belastungen (z.B. Arthroseschmerzen)

berufliche Belastungen (Mobbing-Situation?)

psychische Belastungen (Stress?)

durch leichte Berührung (Allodynie?)

….

Schmerzlinderung Ablenkung (psychische Einflussfaktoren auf Schmerzerleben)

Hinlegen (Schon- und Vermeidungsverhalten?)

körperliche Betätigung (z.B. Abgrenzung Spannungskopfschmerz – Migräne)

….

Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal!

Lokalisierung

Art / Qualität

Intensität

Auswirkung der Schmerzen

Zeitliche Aspekte

Einflussfaktoren Empfindung des Patienten

Begleitfaktoren

Sekundäre Zeichen / Symptome

Ansprechen auf die Behandlung

rein somatisch? Einfluss auf

Aktivität / Funktionalität / Lebensqualität

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Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal!

Lokalisierung

Art / Qualität

Intensität

Auswirkung der Schmerzen

Zeitliche Aspekte

Einflussfaktoren Empfindung des Patienten

Begleitfaktoren

Sekundäre Zeichen / Symptome

Ansprechen auf die Behandlung

Stimmung, psychischer

Stress, Schlafstörungen,

Depression

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Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal!

Lokalisierung

Art / Qualität

Intensität

Auswirkung der Schmerzen

Zeitliche Aspekte

Einflussfaktoren Empfindung des Patienten

Begleitfaktoren

Sekundäre Zeichen / Symptome

Ansprechen auf die Behandlung

neurologisches Defizit,

Hyperalgesie, Allodynie

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Beispielhafte Begleitsymptome bei verschiedenen Schmerzsyndromen

Erbrechen Migräne, symptomatischer Kopfschmerz

Temperaturunterschied von Extremitäten Sympathisch unterhaltene Schmerzen

Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust Tumorerkrankung

Lokale Schwellung, Rötung entzündungsbedingte Schmerzen

Neurologische Ausfälle Läsion von Nervenwurzeln, Polyneuropathie

Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal!

Lokalisierung

Art / Qualität

Intensität

Auswirkung der Schmerzen

Zeitliche Aspekte

Einflussfaktoren Empfindung des Patienten

Begleitfaktoren

Sekundäre Zeichen / Symptome

Ansprechen auf die Behandlung

Art der Behandlung, Dosierung, Dauer, Nebenwirkungen,

Gründe für Therapieabbruch

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Psychologische Schmerzanamnese

Birgit Gunreben………

Psychologische Testverfahren

Psychologische Testverfahren

Allgemeine Depressionsskala (ADS)bei erhöhtem Testwert Hinweis auf depressive Krankheitsverarbeitung

Pain-Disability-Index (PDI)bei erhöhtem Testwert Hinweis auf schmerzbedingte Einschränkung der Aktivitäten (erfasst werden 7 verschiedene Lebensbereiche)

Schmerzempfindungsskalaerfasst affektives und sensorisches Schmerzerleben, bei erhöhtem affektivem Testwert Hinweis auf psychische Komponenten

SF-36Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, krankheitsübergreifendes Messinstrument

ADS mit Grenzwerten und Interpretation –Download: www.schmerzzentrum.klinikum.uni-erlangen.de

PDI – „Pain-Disability-Index“

ADS – „Allgemeine Depressionsskala“

Bio–psycho-soziales Schmerzmodell

Chronische Schmerzen –die Teufelskreiskrankheit

körperliche psychische sozialeVeränderungen

(ursprüngliche)Schmerzauslöser &

Risikofaktoren

Schmerzen

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körperliche psychische sozialeVeränderungen

(ursprüngliche)Schmerzauslöser &

Risikofaktoren

Schmerzen

Chronische Schmerzen –die Teufelskreiskrankheit

Auslöser und Risikofaktoren

körperlichz.B. Operation,

Unfall

psychischz.B. traumatische

Erlebnisse, Depression, Angststörung

sozialz.B. Mobbing, Pflege

von Angehörigen

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Chronische Schmerzen –die Teufelskreiskrankheit

Veränderungen

(ursprüngliche)Schmerzauslöser &

Risikofaktoren

Schmerzen

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Veränderungen

(ursprüngliche)Schmerzauslöser &

Risikofaktoren

Schmerzen

Chronische Schmerzen –die Teufelskreiskrankheit

psychischDepressivitätHoffnungslosigkeitAngst (z.B. Bewegungsangst)SomatisierungMaladaptive Kognitionen und Bewältigungsstrategien (z.B. Vermeidungs- oder Durchhaltestrategien)

körperlichLeistungsfähigkeit ↓GeneralisierungZentrale SensitivierungDiskrepanzBefund/BefindenUnspezifische Beschwerden

sozialHäufige Inanspruch-nahme des Gesund-heitssystemsVermehrte AU-ZeitenVernachlässigung von sozialen KontaktenZwischenmenschliche Konflikte

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Behandlung der Schmerzfolgen

körperlich

Kraft aufbauen

Ausdauer steigern

muskuläreVerspannungen reduzieren

Vertrauen zum Körper stärken

Arnold et al. Schmerz 2009 · 23:112–120

psychisch

Stimmung verbessern

Angst vor Bewegung reduzieren

Ablenkungsstrategien erlernen

Eigene Grenzen wahrnehmen und respektieren lernen

innere Anspannung reduzieren

sozial

Informationen einholen (z.B. „wer kann mir helfen, meinen Arbeitsplatz ergonomisch umzugestalten“)

Wiederaufnahme sozialer Kontakte

Bewusster Aufbau angenehmer Aktivitäten

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Chronische Schmerzen –die Teufelskreiskrankheit

Veränderungen

(ursprüngliche)Schmerzauslöser &

Risikofaktoren

Schmerzen

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Behandlung der Schmerzfolgen

Ein Erklärungsmodell mit dem Patienten erarbeiten

Behandlung der Schmerzen=

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Einteilung in Grad I-III unter Berücksichtigung von:

zeitlichen Aspekten (Häufigkeit, Dauer, Intensitätswechsel)

räumlicher Ausbreitung (mono-, bi- oder multilokulär)

Medikamentenanamnese (unregelmäßige, regelmäßige

Einnahme, Einnahme zentralwirksamer Medikamente)

Patientenkarriere (z.B. stationäre Aufenthalte, Reha-

Aufenthalte, Arztwechsel, schmerzbedingte Operationen)

Klassifikation nach Gerbershagen

Welche Informationen fehlen Ihnen zur Diagnosefindung bzw.

zum weiteren Vorgehen?

Fragen bei Verdacht von somatoformen Schmerzen

Was war das schönste Erlebniss in ihrem Leben?

Was war das schlimmste Erlebnis in ihrem Leben?

Taschentücher bereithalten!

Bisheriger Behandlungsverlauf???

Welche Therapieversuche wurden bisher unternommen?

Welche Gründe könnten zum Scheitern der Therapieversuche

geführt haben?

Wie beurteilt der Patient den bisherigen Therapieverlauf?

Viele erfolglose Therapieversuche oder auch abgebrochene

Therapien?

Wichtige Hinweise auf eine fortgeschrittene Chronifizierung

Take home messagesAnamnese und Befunderhebung

Empathisches Verhalten

Voraussetzung für eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-

Beziehung

Gezielte Schmerzanamnese

Basis für sinnvolle Diagnostik und rationale .mechanismen-

basierte Therapie Therapie

Verwendung einfacher psychologischer Testverfahren (z.B. ADS,

WHO 5)

Hinweis auf Chronifizierungsrisiko

Rudi jetzt kommst Du!

Rudi