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H. Graichen • R. Putz • Lehrstuhl I, Anatomische Anstalt, Ludwig-Maximilians-Universität München Anatomische und funktionelle Aspekte von Brust- und Lendenwirbelsäule Zusammenfassung Wirbelkörper und Wirbelbögen weisen eine jeweils charakteristische Verteilung von Compacta und Spongiosa auf. Die Pediculi sind einer uniplanaren Biegebeanspruchung ausgesetzt, was sich in der Anordnung der Corticalis widerspiegelt. Der Bandapparat besteht aus longitudinalen und – bis auf das Lig. longitudinale anterius – quer bis schräg ausgerichteten vorwiegend segmentalen Faserbündeln. Zusammen mit dem Anulus fibrosus funktioniert der Bandapparat als eine Art Getriebe, das den Bewegungsablauf benachbarter Wirbel exakt steuert und vor allem die Endphasen der maximalen Bewe- gungsausschläge kontrolliert. Die Leistung der Bandscheibe besteht neben der Aufgabe der möglichst gleichmäßigen Druckvertei- lung auf die angrenzenden Wirbelkörper in der Erhaltung einer notwendigen Vorspan- nung. Die Wirbelgelenke sind entscheidende Faktoren für die Führung der Bewegungen, indem sie deren Ausmaß in bestimmten Ebenen und Richtungen einschränken. Sie sind aufgrund ihrer Ausrichtung in der Lage, vor allem nach ventral gerichtete Scherkräfte aufzunehmen. Entscheidend für die Ge- währleistung einer protektiven Funktion der autochthonen Rückenmuskulatur ist die In- tegrität der Fascia thoracolumbalis. Schlüsselwörter Bewegungssegment • Getriebe • Bandapparat • Fascia thoracolumbalis Die sehr unterschiedlichen Anforde- rungen in Beruf und Freizeit sind von der Wirbelsäule nur im perfekten Zu- sammenspiel der verschiedenen passi- ven und aktiven Komponenten zu be- wältigen. Einerseits muß die Aufnahme hoher – sowohl statischer als auch dy- namischer – axialer Lasten gewährlei- stet sein, andererseits wird versucht, die Freiheit des Rumpfes und der obe- ren Extremität für den verfügbaren Be- wegungsraum bis zum letzten zu nut- zen. Im Hinblick auf die Mechanismen der Evolution ist die Wirbelsäule des- halb als Verkörperung eines optimier- ten Kompromisses zwischen statischer Belastbarkeit und kinematischen Möglichkeiten aufzufassen [33]. Daß da- mit bei Überbetonung einer der beiden gegensätzlichen Anforderungen die spezifische Leistungsfähigkeit rasch an Grenzen stößt, ist nicht verwunderlich. Eine umfassende Kenntnis der anato- mischen Komplexität ist dabei als ein Schlüssel für das Verständnis der funk- tionellen Zusammenhänge anzusehen, was wiederum Voraussetzung für eine exakte Diagnostik und für die Therapie gerade von verletzungsbedingten Stö- rungen einzelner Komponenten ist. Im folgenden wird zunächst die Morphologie der einzelnen Strukturele- mente dargestellt. Anschließend soll dann das kinematische Zusammenspiel der Komponenten erörtert werden. Knöcherne Strukturen Wirbelkörper Die Wirbelkörper nehmen von kranial nach kaudal an Volumen zu; dabei ver- ändert sich auch deren Form. Während die Wirbelkörper der Brustwirbelsäule (BWS) eine zylindrische bis leicht drei- eckige Form besitzen, so sind sie im Bereich der Lendenwirbelsäule eher nierenförmig [1]. Bedingt durch die Vo- lumenzunahme kommt es entspre- chend der Anforderung zur Verbesse- rung der Tragfähigkeit, da sich die Ma- terialeigenschaften der Spongiosa selbst in den verschiedenen Wirbelsäulenab- schnitten nicht verändern [5]. Von be- sonderer Bedeutung für die Stabilität der Wirbelkörper gegenüber der axialen Druckbelastung ist auch die Anordung der Trabekel und deren Anzahl im Ver- hältnis zur kortikalen Dichte [5, 7] (Abb.1, 2). So ist die Spongiosavertei- lung innerhalb der Wirbelkörper nicht konstant. Die niedrigste Spongiosa- dichte findet sich in der Mitte des Wir- belkörpers, während randplattennahe eine deutlich höhere Tragfähigkeit zu finden ist. Entsprechend der Belastung ist die Spongiosadichte grundplatten- nahe am höchsten (Abb. 1). Die Corticalis der Wirbelkörper ist rundum nur sehr dünn ausgebildet. Selbst auf Höhe deren Mitte ist sie kaum dicker als das 2- bis 3fache der Spongiasabälkchen. Es fällt auf, daß die Trabekel in der Transversalebene zur Zirkumferenz hin senkrecht eingestellt sind (Abb. 2). Dies läßt auf eine rundum gleichartige Beanspruchung schließen. Geht man davon aus, daß die Wirbelkör- per einer über die angrenzenden End- platten gleich verteilten Druck- 424 Der Orthopäde 5·99 Orthopäde 1999 · 28: 424–431 Springer-Verlag 1999 Zum Thema: Verletzungen der Wirbelsäule Prof. Dr. R. Putz Anatomische Anstalt, Ludwig-Maximilians-Universität, Pettenkoferstraße 11, D-80 336 München

Anatomical and functional aspects of the thoracic and lumbar spine

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H. Graichen · R. Putz · Lehrstuhl I, Anatomische Anstalt, Ludwig-Maximilians-Universität München

Anatomische und funktionelleAspekte von Brust-und Lendenwirbelsäule

Zusammenfassung

Wirbelkörper und Wirbelbögen weisen einejeweils charakteristische Verteilung vonCompacta und Spongiosa auf. Die Pediculisind einer uniplanaren Biegebeanspruchungausgesetzt, was sich in der Anordnung derCorticalis widerspiegelt. Der Bandapparatbesteht aus longitudinalen und ± bis auf dasLig. longitudinale anterius ± quer bis schrägausgerichteten vorwiegend segmentalenFaserbündeln. Zusammen mit dem Anulusfibrosus funktioniert der Bandapparat alseine Art Getriebe, das den Bewegungsablaufbenachbarter Wirbel exakt steuert und vorallem die Endphasen der maximalen Bewe-gungsausschläge kontrolliert. Die Leistungder Bandscheibe besteht neben der Aufgabeder möglichst gleichmäûigen Druckvertei-lung auf die angrenzenden Wirbelkörper inder Erhaltung einer notwendigen Vorspan-nung. Die Wirbelgelenke sind entscheidendeFaktoren für die Führung der Bewegungen,indem sie deren Ausmaû in bestimmtenEbenen und Richtungen einschränken. Siesind aufgrund ihrer Ausrichtung in der Lage,vor allem nach ventral gerichtete Scherkräfteaufzunehmen. Entscheidend für die Ge-währleistung einer protektiven Funktion derautochthonen Rückenmuskulatur ist die In-tegrität der Fascia thoracolumbalis.

Schlüsselwörter

Bewegungssegment · Getriebe ·Bandapparat · Fascia thoracolumbalis

Die sehr unterschiedlichen Anforde-rungen in Beruf und Freizeit sind vonder Wirbelsäule nur im perfekten Zu-sammenspiel der verschiedenen passi-ven und aktiven Komponenten zu be-wältigen. Einerseits muû die Aufnahmehoher ± sowohl statischer als auch dy-namischer ± axialer Lasten gewährlei-stet sein, andererseits wird versucht,die Freiheit des Rumpfes und der obe-ren Extremität für den verfügbaren Be-wegungsraum bis zum letzten zu nut-zen. Im Hinblick auf die Mechanismender Evolution ist die Wirbelsäule des-halb als Verkörperung eines optimier-ten Kompromisses zwischen statischerBelastbarkeit und kinematischenMöglichkeiten aufzufassen [33]. Daû da-mit bei Überbetonung einer der beidengegensätzlichen Anforderungen diespezifische Leistungsfähigkeit rasch anGrenzen stöût, ist nicht verwunderlich.Eine umfassende Kenntnis der anato-mischen Komplexität ist dabei als einSchlüssel für das Verständnis der funk-tionellen Zusammenhänge anzusehen,was wiederum Voraussetzung für eineexakte Diagnostik und für die Therapiegerade von verletzungsbedingten Stö-rungen einzelner Komponenten ist.

Im folgenden wird zunächst dieMorphologie der einzelnen Strukturele-mente dargestellt. Anschlieûend solldann das kinematische Zusammenspielder Komponenten erörtert werden.

Knöcherne Strukturen

Wirbelkörper

Die Wirbelkörper nehmen von kranialnach kaudal an Volumen zu; dabei ver-ändert sich auch deren Form. Während

die Wirbelkörper der Brustwirbelsäule(BWS) eine zylindrische bis leicht drei-eckige Form besitzen, so sind sie imBereich der Lendenwirbelsäule ehernierenförmig [1]. Bedingt durch die Vo-lumenzunahme kommt es entspre-chend der Anforderung zur Verbesse-rung der Tragfähigkeit, da sich die Ma-terialeigenschaften der Spongiosa selbstin den verschiedenen Wirbelsäulenab-schnitten nicht verändern [5]. Von be-sonderer Bedeutung für die Stabilitätder Wirbelkörper gegenüber der axialenDruckbelastung ist auch die Anordungder Trabekel und deren Anzahl im Ver-hältnis zur kortikalen Dichte [5, 7](Abb. 1, 2). So ist die Spongiosavertei-lung innerhalb der Wirbelkörper nichtkonstant. Die niedrigste Spongiosa-dichte findet sich in der Mitte des Wir-belkörpers, während randplattennaheeine deutlich höhere Tragfähigkeit zufinden ist. Entsprechend der Belastungist die Spongiosadichte grundplatten-nahe am höchsten (Abb. 1).

Die Corticalis der Wirbelkörper istrundum nur sehr dünn ausgebildet.Selbst auf Höhe deren Mitte ist siekaum dicker als das 2- bis 3fache derSpongiasabälkchen. Es fällt auf, daû dieTrabekel in der Transversalebene zurZirkumferenz hin senkrecht eingestelltsind (Abb. 2). Dies läût auf eine rundumgleichartige Beanspruchung schlieûen.Geht man davon aus, daû die Wirbelkör-per einer über die angrenzenden End-platten gleich verteilten Druck-

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Orthopäde1999 ´ 28: 424±431 � Springer-Verlag 1999 Zum Thema: Verletzungen der Wirbelsäule

Prof. Dr. R. PutzAnatomische Anstalt,Ludwig-Maximilians-Universität,Pettenkoferstraûe 11, D-80 336 München

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beanspruchung ausgesetzt sind, so muûman davon ausgehen, daû die transver-sal radiär ausgerichteten Knochenbälk-chen Zugbeanspruchungen aufzuneh-men haben.

Bryce et al. [7] konnten zeigen, daûneben Spongiosadichte und Geometrieauch die kortikale Dicke für die Kno-chenstabilität entscheidend ist. Durchdas Zusammenspiel der spongiösenund kortikalen Strukturen wird ± beigeringem Gewicht ± eine maximaleDruckaufnahmekapazität geschaffen.Veränderungen dieses knöchernen Ver-hältnisses, wie sie z. B. bei der Osteopo-rose, bei verschiedenen Stoffwechsel-krankheiten oder bei Metastasen vor-kommen, können zu einer drastischenReduktion der Festigkeit der Wirbelkör-per und damit zu einem erhöhten Frak-turrisiko führen.

Zahlreiche biomechanische Unter-suchungen konnten zeigen, daû auchdie verschiedenen operativen endosko-pischen oder offenen Stabilisierungs-maûnahmen selbst Einfluû auf dieknöcherne Beschaffenheit und damit

auf die Wiederherstellung der Funktionnehmen können. So kommt es durchposteriore und anteriore Instrumentie-rung, unabhängig ob in offener oderendoskopischer Technik durchgeführt,zu einer erhöhten Fusionsrate [8, 9, 15,27, 41]. Harris et al. [16] demonstrierten,daû es bei verschiedenen anteriorenVerplattungen von Knochentransplan-taten durch das Implantat gleichzeitgaber auch zu einer verminderten Kom-pressionsbelastung des Transplantatskommt. Dies führt schlieûlich zu einerkonsekutiven lokalen durch das Im-plantat verursachten Osteoporose. Diechirurgische Therapie von Wirbel-körperfrakturen sollte also neben derWiederherstellung der anatomischenForm deshalb auch besonders auf dieWiederherstellung der innneren Struk-tur achten.

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Anatomical and functional aspectsof the thoracic and lumbar spine

Summary

The vertebral bodies and vertebral archesshow a characteristic distribution of corticaland cancellous bone. The pedicles are loadedby uniplanar bending that is reflected by thearrangement of the Corticalis. The ligamentsof the vertebral column consist of longitudi-nal and (with exception of the lig. longitudi-nale anterius) horizontal/oblique segmentalligament bundles. In combination with theanulus fibrosus, the ligaments work as a kindof gear system. They regulate the process ofmovements of adjactent vertebral bodies ina very precise manner and control the finalphase of motion. Besides maintaining thenecessary amount of pretension the inter-vertebral disc distributes the loads uniformlyonto the adjacent vertebral bodies. The in-tervertebral joints are important for guidedmotion, by restricting the extent in specificplanes and directions. Because of their posi-tion, they are able to take up the shear forcesand to simultaneously restrict them in dif-ferent planes. The integrity of the fascia tho-racolumbalis warrants the protective func-tion of the autochthonuos muscles.

Key words

Motion segment · Gear system · Ligamen-tous apparatus · Fascia thoracolumbalis

Orthopäde1999 ´ 28: 424±431 � Springer-Verlag 1999

Abb. 1 a, b ~ Schräg vertikale Schnitte durch Brust- und Lendenwirbel; Kontaktradiographievon 2mm dicken Schnitten. Die spitzbogenartige Anordnung der Spongiosa und die Konzentrationder Corticalis auf den Umfang der Pedikel weisen auf eine hohe Biegebeanspruchung hin.a 10. Brustwirbel, b 3. Lendenwirbel

Abb. 2 a, b ~ Horizontale Schnitte durch Wirbelkörper; Kontaktradiographie von 2mm dickenSchnitten. Die senkrechte Einstellung der Spongiosa zum Umfang der Wirbelkörper weist auf eine

gleichmäûige Querdehnung im Rahmen einer Druckbeanspruchung des Wirbelkörpers hin.a 10. Brustwirbel, b 3. Lendenwirbel

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Wirbelbögen

Das Wirbelloch wird nach dorsal vonden beiden im Querschnitt ovalen Pedi-keln und der sie verbindenden Bogen-platte umschlossen. Die Pedikel stellendie Verbindung zwischen dem Wir-belkörper und der Wirbelbogenplattedar und variieren in Form und Ausrich-tung in den jeweiligen Wirbelsäulenab-schnitten (Abb. 3). So nimmt der trans-versale Pedikelwinkel von der oberenBWS bis hin zu BWK XII kontinuierlichab, während er im Bereich der Lenden-wirbelsäule wieder kontinuierlich an-steigt. In Bezug auf den sagittalen Pedi-kelwinkel finden sich für die gesamteLendenwirbelsäule deutlich niedrigereWerte als für die BWS.

Ein gerade im Hinblick auf dieoperative Therapie wichtiger Wert istdie Pedikelhöhe. Im Bereich der oberenund mittleren BWS beträgt er ca.10 mm und erreicht sein Maximum beiBW XII mit ca. 16 mm. In der Lenden-wirbelsäule erreicht er Werte zwischen12 und 15 mm. Die Streuung der Werteist allerdings beträchtlich [1].

Die Dickenverteilung der Corticalisinnerhalb des Pedikels ist nicht kon-stant, folgt aber einem sehr einheitli-chen Muster. Sowohl an den Brust- alsauch an den Lendenwirbeln ist sie je-weils im Bereich des kranialen und deskaudalen Umfangs besonders dick undauch medial immer stark ausgebildet(Abb. 1, 4). Nach lateral hin ist derSpongiosaraum jedoch nur durch einedünne Kortikalislamelle, mitunter sogarnur von Periost bedeckt. Mit zuneh-mendem Alter und auch bei Osteopo-rose verstärkt sich ein Trend zur Reduk-tion der Corticalis auf den kranialenund den kaudalen Umfang. Diese Ver-teilung ist in Verbindung mit der Archi-tektur der Spongiosa direkt als Aus-druck der Anpassung an die funktio-nelle Belastung aufzufassen.

Die Pedikel unterliegen allesamteiner enormen Biegebeanspruchung,die sich ± wegen der Abstützung überdie Bogenplatten ± allerdings streng aufdie Sagittalebene beschränkt [25]. Diesspiegelt sich neben der Verteilung derCorticalis in der spitzbogenartigen Ori-entierung der Trabekel wider (Abb. 1).

Die Pedikelschraubenfixierung [3, 29]hat sich an diesen Gegebenheiten aus-zurichten.

Im allgemeinen weist die kra-niokaudale Achse der Querschnittsflä-che der Pedikel etwa die halbe Höhe der

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Zum Thema: Verletzungen der Wirbelsäule

a b

Abb. 3 a, b ~ Segmentale Unterschiede der Wirbelbogengeometrie (nach Zindrick et al. [42] u. a.).a Pedikelmaûe (Querdurchmesser, Pedikelhöhe), b Pedikelwinkel (Transversaler Pedikelwinkel,sagittaler Pedikelwinkel)

Abb. 4 a, b ~ Querschnittsform der Pedikel inBrust- und Lendenwirbelsäule; Kontaktradio-graphien von 2mm dicken Schnitten. In beidenBereichen zeigt sich die Corticalis kranial,kaudal und medial stark ausgebildet undmineralisiert; lateral ist meist keine durchge-hende Corticalis vorhanden. a 7. Brustwirbel,b 4. Lendenwirbel

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Wirbelkörper auf. Der dadurch entste-hende Raum für den Durchtritt von Ner-ven und Gefäûen, die in den Wirbel-kanal ein- bzw. aus ihm austreten, wirdvorne unten vom äuûeren Umfang derBandscheibe und hinten vom Lig. fla-vum begrenzt (Abb. 5). In der BWS setztsich die obere Kontur der Pedikel kon-tinuierlich in die Deckplatte der Wirbelfort, während sie an den Lendenwirbelnetwas nach kaudal abgesetzt ist (Abb. 1).

Unter den dem Bogen aufsitzendenFortsätzen soll unter praktischen Ge-sichtspunkten besonders auf die Ge-lenkfortsätze eingegangen werden, diesowohl in bezug auf ihre äuûere Aus-richtung als auch ihre innere Strukturin den einzelnen Wirbelsäulenabschnit-ten sehr variieren. Im Bereich der BWSstellen die Gelenkflächen der Processusarticulares Ausschnitte von Kugelseg-menten dar und sind von kranial nachkaudal mit zunehmend ansteigendemNeigungswinkel mehr und mehr in dieFrontalebene eingestellt (Abb. 6). Damitsind sie insbesondere in der Lage, nachventral gerichtete Scherkräfte aufzu-nehmen. Beugung und Streckung sindin diesem Bereich zwar durch die Ver-bindungen mit den Rippen deutlich re-duziert, Rotation und Lateralflexion istdemgegenüber in erstaunlich hohemMaûe möglich.

Die für die Bewahrung der Integri-tät des Bewegungssegments entschei-dende Funktion der Aufnahme vonnach ventral gerichteten Scherkräftenbesitzen die Wirbelgelenke auch in derLendenwirbelsäule [24, 25, 33]. Ihr vor-derer, medialer Anteil ist steil frontaleingestellt und ist entsprechend seiner

hohen Beanspruchung stark minerali-siert [30]. Durch die Abwinkelung dergröûeren lateralen Anteile der Gelenk-fortsätze nach dorsal (Abb. 6) kommthier noch die Mitwirkung bei der Ein-schränkung der Rotation dazu. Dies er-folgt im Zusammenwirken vor allemmit dem vorderen Anteil des Anulus fi-brosus.

Verbindungen der Wirbelsäule

Die einzelnen Wirbel stehen durch dieBandscheibe, die verschiedenen Bänderund durch die Wirbelgelenke miteinan-der in Verbindung. Junghanns prägte1930 für die Gesamtheit der verbinden-den Strukturen zwischen zwei Wirbelnunter Einschluû der diesen Raum be-grenzenden Flächen den Begriff des Be-wegungssegments. Bänder und Anulusfibrosus ergänzen sich zum gemeinsamagierenden Bandapparat.

Bandscheiben

Die Bandscheiben übernehmen inner-halb des Bewegungssegments die füreine adäquate Beanspruchung wichtigeAufgabe einer möglichst gleichmäûigenDruckverteilung auf die angrenzendenEndplatten der Wirbelkörper, sind aberauch in die Steuerung der Beweglichkeitmit integriert. Die Bandscheiben sindaber in keiner Weise in der Lage, in grö-ûerem Ausmaû axiale Stöûe abzufedernoder gar zu dämpfen.

Der Anulus fibrosus umfängt mitseinen 11±13 scherengitterartig zueinan-der versetzten, aus kollagenen Fasernaufgebauten Lamellen schalenartig den

Nucleus pulposus (ªclosed-pack sys-temº ± [17, 19]). Hydrostatische Druck-steigerungen, sei es durch äuûere Kräfteoder sei es durch den inneren Quel-lungsdruck des gallertigen Materials,können so auf die gesamte räumlicheZirkumferenz der Bandscheibe über-tragen werden. Der Anulus fibrosusstrahlt sowohl in die knöchernen Rand-leisten als auch in die Auûenzonen derdie Endplatten der benachbarten Wir-bel bedeckenden hyalinen Knorpelplat-ten ein (Abb. 7). Dabei nimmt ihr Ein-strahlungswinkel von auûen nach innenab. Unerwarteterweise ist die knö-cherne Randleiste nicht in ihrem ge-samten Umfang gleichmäûig ausgebil-

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a

AZ

LFLF

b

AZLF NS

Abb. 5 a, b ~ Wirbelgelenke und Ligg. flava; Dünnschliffe. a Transversaler Schnitt durch denWirbelbogen eines 4. Lendenwirbels. b sagittaler Schnitt durch den medialen Anteil eines rechtenWirbelgelenks und das rechte Foramen intervertebrale eines 4. Lendenwirbels (LF Lig. flavum,AZ Wirbelgelenk, AF Anulus fibrosus, NS N. spinalis)

Abb. 6 a, b ~ Ausrichtung der Gelenkfortsätze;Aufsicht von dorsal kranial. Während die Ge-lenkflächen der Wirbelgelenke der BWS eherKugelsegmenten entsprechen, so bestehen siein der LWS aus einem medialen frontal undeinem lateralen sagittal eingestellten Anteil.a Brustwirbel, b Lendenwirbel

AF

AF

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det. Ihre dorsale Verschmälerung gehtparallel mit einer Verringerung derDicke des Anulus einher und muû alsAusdruck ihrer lokalen funktionellenAnpassung angesehen werden. Offen-bar wird im Einklang mit der ständigen(hauptsächlichen) Scherbeanspru-chung im Rahmen der Rotation der Len-denwirbelsäule der vordere Anteil desAnulus verdickt, während sich der hin-tere ebenso entsprechend auf einem ge-ringeren Ausprägungsniveau hält [33,34]. Dies sollte aber nicht als Degenera-tion miûverstanden werden.

Die Verankerung des Anulus fibro-sus erfolgt in erster Linie in einer, be-reits 1974 von Francois [13] nachgewie-senen intermediären kalzifiziertenKnorpelzone, über die hinaus nur ein-zelne Fasern in die knöcherne Randlei-ste eindringen. Gegen die Mitte derhyalinen Knorpelplatte hin wird dieEinstrahlung immer oberflächlicher,insgesamt wird ca. 50 % der Knorpel-platte als Einstrahlungsbereich benutzt[43]. Durch dieses einem Druckbehälterähnliche Konstruktionsprinzip wird derhydrostatische intradiskale Druckgleichmäûig in das Kollagenfasernetzder Knorpelplatte eingeleitet, wodurchdie auf die Bandscheibe wirkende axialeDruckkraft unabhängig von der Win-kelstellung der benachbarten Wir-belkörper gleichmäûig auf die beidenhyalinen Knorpelplatten, die knöcher-nen Randleisten und den Anulus fibro-sus weitergegeben wird [32]. Dies stehtauch in Einklang mit verschiedenenbiomechanischen Untersuchungen [22,35, 40] wonach die Endplatten unter axi-

aler Belastung besonders störungsan-fällig sind. Gerade im Hinblick auf diemancherorts dringende Anweisung anPatienten, an denen Eingriffe am Diskusdurchgeführt worden waren, Sitzen zuvermeiden und durch mehrere Wochenhindurch ± abgesehen von Liegezeiten± die anfallenden Tätigkeiten im we-sentlichen im Stehen zu verbringen, seischlieûlich ausdrücklich auf die hervor-ragende Übersicht von Brinckmannet al. [5] zu diesem Thema verwiesen.In einer sorgfältigen Fehleranalyse derLiteratur macht er überzeugend deut-lich, daû die Belastung des Discus imSitzen ohne Lehne keineswegs höherist, als i. allg. angenommen.

Die Position der Bandscheibe in be-zug auf die Hinterkante der Wirbelkör-per ist von groûem klinischen Interesse,da es bei dorsaler Verschiebung zu einerVerkleinerung des Spinalkanals bzw. zueiner Kompression der Nervenwurzelkommen kann. Dennoch besteht bis-lang keine Klarheit über den Einfluûder Wirbelsäulenhaltung auf die Posi-tion des Nucleus pulposus [2, 10, 11, 28,39]. Während verschiedene Autoren[35, 36] beschreiben, daû es durch eineExtensionsstellung zur anteriorenBandscheibenbewegung (im Verhältniszur Wirbelkörperhinterkante) kommt,beschreiben Beattie et al. [2], daû dieserAbstand in der Flexionsstellung kleinerist als in der Extensionsstellung.

Auch in diesem Zusammenhangwird auf die Untersuchungen vonBrinckmann et al. [5] verwiesen, die dieBandscheibe mit einem Gummireifenverglichen haben. Bei Kompression

wölbt sich naturgemäû ± unabhängigvom Grad einer bestehenden Aus-lenkung ± der Auûenrand vor und führtzu einer Einengung des Foramen inter-vertebrale. Die Frage nach der Verschie-bung des Nucleus pulposus bei der Sa-gittalflexion ist daher nur bei gleichzei-tiger Berücksichtigung des Grades eineretwaigen axialen Belastung zu klären.U. E. verschiebt sich der Nucleus bei ex-tremer Ventralflexion ± etwa im Liegen,ohne zusätzliche axiale Kompression ±etwas nach dorsal; der Anulus wirdaber durch die Entfernung der Hinter-ränder der benachbarten Wirbelkörperdennoch abgeflacht. Dies entsprichtauch der klinischen Erfahrung mit derLagerung von Patienten im Stufenbett.

Wie oben festgestellt, spielt derAnulus fibrosus als Partner der Wir-belgelenke insbesondere in der Lenden-wirbelsäule eine wichtige Rolle bei derBegrenzung der Rotation. Ebenso ist da-von auszugehen, daû die scherengitter-artig angeordneten Faserlamellen denAblauf der Sagittalflexion und der La-teralflexion mitbestimmen. Er ergänztdamit ganz entscheidend den übrigenBandapparat des Bewegungssegments.

Bänder

Der Bandapparat der Wirbelsäule läûtsich in 2 Gruppen gliedern. Ausschlieû-lich longitudinal sind das unelastische,über die ganze Wirbelsäule vorne hin-wegziehende Lig. longitudinale anterius(LLA) und die segmentalen elastischenLigg. flava (LFf) ausgerichtet. Die übri-gen Bänder hingegen, zu denen das Lig.longitudinale posterius (LLP), die Ligg.interspinalia (LIS) und die sog. querenKapselbänder (LTt) der Lendenwirbel-gelenke gehören (Abb. 8), verlaufen seg-mental schräg zur Längsachse der Wir-belsäule. Das Lig. supraspinale (LSS),welches an den Processus spinosi ange-heftet ist, stellt eigentlich nur den mitt-leren Streifen der Fascia thoracolumba-lis (FThL) dar [33, 34].

Insbesondere im Bereich der Len-denwirbelsäule agieren die Ligamenteaufgrund ihrer Anordung als eine ArtGetriebe, welches die Verschiebung derjeweils benachbarten Wirbelexakt koor-diniert. Die entscheidende Leistung da-bei ist, daû das Erreichen der jeweiligenEndstellung der Bewegungen ± insbe-sondere unter dynamischen Bedingun-gen ± verzögert und damit die Gefahr

428 Der Orthopäde 5´99

Zum Thema: Verletzungen der Wirbelsäule

AF

R

NP

K

Abb. 7 ~ Übergangszone vom Anulus fibrosus zum Wirbelkörper;polarisationsoptisches Lupenbild (2,5fache Vergröûerung).(AF Anulus fibrosus, NP Nucleus pulposus, R knöcherne Randleiste,K hyaline Knorpelplatte)

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einer Gewebeschädigung gering gehal-ten wird [1]. Der Dämpfungsmechanis-mus besteht in der langsam zunehmen-den Spannung in der Endphase einerbestimmten Bewegung. Es versteht sichallerdings, daû diese für eine gewebe-schonende Kinematik der Wirbelsäuleauf Dauer absolut maûgebliche Aufgabenur dann erfüllt werden kann, solangedie Bänder insgesamt unter einer ausrei-chenden Vorspannung stehen. Diese zugewährleisten ist eine wichtige Funktionder gesunden Bandscheibe. Ist der Inter-vertebralraum erniedrigt und die Band-scheibe ohne Turgor, so können bereitsgeringfügige äuûere Kräfte zu ruckarti-gen Verschiebungen und damit zu ho-hen lokalen Spannungsspitzen inner-halb des Bewegunsgsegments führen.Schlieûlich ist darauf hinzuweisen, daûdie Bänder reichlich mit Propriozepto-ren besetzt sind [4, 14, 20]. Dies läût denSchluû zu, daû die Rückenmuskulatur,insbesondere die tiefe autochthoneMuskulatur, über den Weg des Rücken-marks direkt von den Bändern aus mitdem Ziel der Führung der Bewegungangesteuert werden kann.

Das LLA ist fest mit der vorderenund der lateralen Wirbelkörperflächeverbunden [38]; es besteht in erster Li-nie aus Kollagen II und ist damit kaumdehnbar [34]. Seine oberflächliche

Schicht zieht von Wirbelkörper zu Wir-belkörper, während die tiefere Schichtin den Anulus fibrosus einstrahlt. NachHayashi et al. [18]. begrenzt die ober-flächliche Schicht eine Hyperextension,während die tiefe Schicht aufgrund ih-res Faserverlaufs in einem Winkel von80 � an der Begrenzung der Rotation be-teiligt zu sein scheint [31].

Die LFf bestehen zur Gänze auselastischem Material und stehen auchbei lockerer aufrechter Haltung oderauch beim Liegen unter einer Vorspan-nung von etwa 10 N. Sie verbinden diejeweils gegenüberliegenden Kanten an-grenzender Wirbelbögen und lassenzwischen sich einen Spalt frei. Siedecken den vorderen Spalt der Wir-belgelenke und kleiden besonders inder Lendenwirbelsäule die Hinterwandder Foramina intervertebralia komplettaus. Schon in jungen Lebensjahren ent-wickeln sich im Bereich ihrer Anhef-tungszonen Verkalkungsherde undKnochenspangen, die beträchtlich indie Foramina vorragen können.

Das LLP besteht ebenfalls aus2 Schichten, die ± sich jeweils segmentaldurchflechtend ± in den hinteren Um-fang des Anulus fibrosus einstrahlen.Unterhalb des 4. LWK verliert sich dieoberflächliche Schicht, im Sakralkanalläuft das Band in ein medianes Fa-

serbündel aus. Das LLP begrenzt einedie Endstellung der Ventralflexion,spannt sich aber unilateral auch bei La-teralflexion zur Gegenseite.

Die Anordnung der Ligg. interspi-nalia (LISs) verkörpert besonders ein-drücklich die Rolle der Bänder bei derBewegungssteuerung. In der BWS spieltdies angesichts der vielfachen liga-mentären Sicherung keine Rolle. Hiersind die LIS unscheinbar dünn und ori-entieren sich nach dem Verlauf der Pro-cessus spinosi. In der Lendenwirbel-säule dagegen bestehen die LIS aus fe-sten kollagenfaserigen Platten, die denInterspinalraum von hinten oben nachvorne unten durchqueren. Damit sindsie in der Lage, sowohl am Begren-zungsprozeû der Ventralflexion teilzu-nehmen, als auch eine Verschiebungnach hinten während der Dorsalflexionzu verhindern. Dazu kommt, daû dieLIS im Bereich zwischen den Spitzender Dornfortsätze direkt in die sog. Fas-cia thoracolumbalis übergehen.

Die sog. Fascia thoracolumbalis(FThL) stellt eine in der unteren Brust-und in der Lendenwirbelsäule sehr festeaponeurotische Platte dar, die von denDornfortsätzen und den nach hintenaustrahlenden Anteilen der LIS ausge-hend nach lateral zieht, wo sie den Mm.obliquus internus und transversus so-wie dem M. lotissimus dorsi Ur-sprungsfläche bietet. Die dicht gepack-ten Bündel kollagener Fasern sind in2 Blättern scherengitterartig angeord-net. Daraus ergibt sich, daû diese Apo-neurose der Längenzunahme der Rük-kenkontur bei der Flexion folgt und zu-gleich ihre Rolle als straffe quere Bindeohne funktionelle Einbuûe beibehält.Im Gegenteil, bei zunehmender longitu-dinaler Dehnung nimmt die Spannungin querer Richtung und damit der In-nendruck der osteofibrösen Röhre zu.Wie die Faszie dabei an der Bauchpressemitbeteiligt ist, ist umstritten, fest stehtjedoch, daû sie zusammen mit den hin-teren Anteilen der unteren Brust- undder Lendenwirbelsäule eine osteo-fibröse Röhre aufbaut, die der in diesemBereich gelegenen autochthonen Rük-kenmuskulatur erst zu ihrer vollen unddabei ökonomischen Wirksamkeit ver-hilft. Die Integrität dieser osteofibrösenRöhre ist Voraussetzung für den aktivenAufbau eines nachgiebigen Ver-strebungssystems, mit dessen Hilfe dieAuslenkung der unteren Wirbelsäule

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Abb. 8 3 Bandapparat derWirbelsäule; Ansicht von schrägdorsal. (LLA Lig. longitudinaleanterius; LLP Lig. longitudinaleposterius; LF Lig. flavum;AZ Articulatio zygapophysialis,Proc. articularis superior; LT Lig.transversum; LIS Lig. interspi-nale; LSS Lig. supraspinale;FThL Fascia thoracolumbalis)

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auch bei insuffizientem Bandapparatgesteuert werden kann.

Die longitudinale Verbindung derSpitzen der Processus spinosi wirdfälschlicherweise häufig als selbständi-ges Band angesehen. Beim sog. LSS han-delt es sich jedoch ausschlieûlich umden medianen Anteil der FThL. Auchdieser ist aus quer angeordneten Fa-serbündeln aufgebaut und ermöglichtdamit erst das Spreizen der Dorn-fortsätze bei der Flexion.

Während die Kapseln der BWS-Ge-lenke unauffällig sind, besitzen dieLendenwirbelgelenke in den LTt straffeVerstärkungsbänder. Sie sind an deneinander gegenüberstehenden Kantender Processus articulares angeheftetund überbrücken quer den Gelenkspalt[33, 34]. Aufgrund ihres Verlaufs sindsie daher in der Lage, im Ablauf der Ro-tation eine Verschiebung des jeweiligenunteren Gelenkfortsatzes nach dorsalzu verhindern. Wichtiger scheint ihreIntegrität für eine langsame Begrenzungsowohl der Ventral- als auch der Dorsal-flexion zu sein. Dies wird durch einelangsam zunehmende Spannung der ur-sprünglich quer zur Bewegungsebeneausgerichteten und als Folge einer Pa-rallelverschiebung der beiden Kantender Gelenkfortsätze schräg verzogenenFaserbündel erreicht.

Fazit für die Praxis

Die BWS ist durch die vielfältigen ligamentä-ren Verbindungen mit den Rippen charakte-risiert. Über die dadurch zustandekommen-den langen Hebelarme werden Bewegungengewebeschonend geführt und begrenzt. DieWirbelgelenke beschränken sich in der BWSauf die Aufnahme nach ventral gerichteterScherkräfte und spielen keine Rolle bei derBegrenzung der Rotation.

In den lumbalen Bewegungssegmentenagieren Bandscheibe, Bänder und Wirbelge-lenke in einer Weise miteinander, die bereitsisolierte Ausfälle einzelner Elemente kaumkompensierbar erscheinen läût. Die Anteiledes Bandapparats, zu dem auch der Anulusfibrosus gehört, wirken in Art eines Getriebeszusammen, dessen Bewegungsebene und-umfang auch durch die Wirbelgelenke be-stimmt wird. Der Bandscheibe als druckver-teilendes Polster kommt dabei die überauswichtige Aufgabe zu, eine gewisse Vorspan-nung zu gewährleisten. Entscheidend füreine effiziente Mitwirkung der Muskulatur

i. allg. und ihrer Schutzfunktion bei insuffi-zientem und daher instabilem Bewegungs-segment ist die Integrität der Fascia thora-columbalis. Nur innerhalb einer intaktenosteofibrösen Röhre kann die autochthoneRückenmuskulatur die Rolle einer präzisenaktiven Führung der Kinematik der Lenden-wirbelsäule übernehmen.

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Zum Thema: Verletzungen der Wirbelsäule

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Hrsg.: V. Hingst, H.-G. Sonntag

Hygienemaûnahmen inKrankenhaus und Praxis

Stuttgart: WVG, 1997. 342 S., 6 Abb., 19 Tab.,(ISBN 3-8047-1460-9), kart., DM 38,±

Das kleine Taschenbuch ist als Ratgeber für ¾rzte undPflegepersonal gedacht und soll auch dem Hygiene-beauftragten und Hygienefachkräften als Nach-schlagewerk für die tägliche Arbeit dienen. EinNachschlagewerk braucht immer eine gewisse Voll-ständigkeit. Sieht man das Inhaltsverzeichnis in die-ser Hinsicht durch, so kann man feststellen, daû na-hezu alles, was den Krankenhausarzt in schwierigenHygieneproblemen beschäftigt, abgehandelt wird.

Da geht es zuerst um die Klärung epidemiolo-gischer Fragen von Krankenhausinfektionen. Der Typvon Erregern und die Häufigkeit seines Auftretens beisolchen Infektionen werden besprochen. Dazu ge-hört natürlich eine Übersicht über die mikrobiologi-sche Diagnostik bei verschiedenen Erkrankungen;eine Übersicht über die Prävention von Kranken-hausinfektionen, insbesondere mit Hinweisen für dasVerhalten am Krankenbett, Isolierung ja oder nein,die Dauer von Isolierung, das praktische Vorgehenbei Isolierung und die Organisation der pflegerischenVersorgung, alles das wird ausführlich besprochen.

Nicht nur das Verhalten bei einmal eingetrete-ner Infektion, sondern vor allem auch die allgemeineund die spezielle Prophylaxe von Krankenhausinfek-tionen stellen einen Schwerpunkt des kleinen Ta-schenbuches dar: Desinfektions- und Sterilisations-verfahren, Verfahren der Entwesung, Fragen derHygiene im Ver- und Entsorgungsbereich des Kran-kenhauses und auch die gesetzlichen Grundlagenwerden besprochen. Arzt und Schwester finden Rat,wenn es darum geht, hygienisch einwandfrei imKrankenhaus in besonderen Situationen zu arbeiten.Das geht vom Händewaschen bis hin zur Aufberei-tung von Apparaturen mit speziellen Methoden. Esist auch berücksichtigt, wie man sich in besonderenFunktionsbereichen, z.B. in der Endoskopie oder inder Intensivstation, unter Berücksichtigung kran-kenhaushygienischer Verfahren zu verhalten hat.

Es würde zu weit führen, alles zitieren zu wol-len, was von Interesse ist. Das Büchlein ist sehr aus-führlich und im praktischen Gebrauch täglich für je-den Arzt im Krankenhaus immer wieder nützlich.

P. Lemburg (Düsseldorf)

P. Eysel

Die ventraleInstrumentation der Wirbelsäule

Stuttgart: Enke, 1998. 142 S., 193 Einzeldarst.,4 Tab., (ISBN 3-432-27931-0), geb., DM 148,±

Das übersichtlich gestaltete und mit vielen Schema-zeichnungen illustrierte Buch zeigt die Entwicklungventralseitiger Operationsverfahren an der Wirbel-säule mit den derzeit verwendeten Implantaten.

Dem Text vorangestellt ist zunächst die ge-schichtliche Entwicklung der Instrumentation anBrust- und Lendenwirbelsäule, im anschlieûendenKapitel werden die biomechanischen Grundlagenvermittelt und die einzelnen Implantatsysteme unterBerücksichtigung von Meûmethoden aktueller Lite-ratur dargestellt. Operative Zugangswege sowie zu-gangs- und implantatbedingte Komplikationenrunden den klinischen Teil ab und vermitteln zudemden operativ tätigen Kollegen umfassend die Indika-tionsstellungen zur ventralen Stabilisierung beiFrakturen, Tumoren, Entzündungen und degenera-tiven Fehlstellungen.

Der neuzeitlichen Entwicklung folgend, enthältder letzte Abschnitt eine umfassende Beschreibungneuzeitlicher Cages sowie verschiedenster Wirbel-körperersatzmaterialien.

Das Buch ist sinnvoll gegliedert und übersicht-lich geordnet, wobei sich jede gewünschte Informa-tion über ein logisches Sachregister auffinden läût. Inden Text eingearbeitet sind ca. 300 Literaturstellen,die zu allen derzeit auf dem Markt befindlichen Im-plantaten für die Brust- und Lendenwirbelsäule wei-terführende Hinweise geben.

Das Buch spricht vornehmlich alle an der Wir-belsäule operativ tätigen ¾rzte an und eignet sich inhervorragender Weise zur Aktualisierung und Berei-cherung der eigenen Kenntnisse auf dem Gebiet derVerletzung der Rumpfwirbelsäule.

Der Preis des Buches ist unter Berücksichtigungder qualitativ guten Ausstattung gerechtfertigt.

L. Kinzl (Ulm)

Der Orthopäde 5´99 431

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