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Einleitung Der distale Radius stellt den Hauptpfeiler des Handgelenks dar und ist für die Kraftübertragung verantwortlich. Die radiokarpale Gelenkfläche wird nach ul- nar hin durch den triangularen Faser- komplex (TFC) vervollständigt und ist mit dem distalen Radioulnargelenk (DRUG) eng verbunden. Die Verbindung zur Hand selbst erfolgt über starke dor- sale und palmare Bandverbindungen zu den Handwurzelknochen. Diese komplexe anatomische Konstella- tion erlaubt sowohl einen hohen Bewe- gungsgrad im Handgelenk als auch die Unterarmrotation. Dieser Aufbau führt jedoch dazu, dass bei Verletzungen des distalen Radius diese anatomischen Strukturen immer mitbeurteilt und the- rapiert werden müssen (Abb. 1). Hauptteil Das proximale Handgelenk wird gebildet von der Facies articularis carpalis des Ra- dius und dem Discus articularis, welcher dem Ulnakopf aufliegt. Zusammen bil- den sie die Gelenkpfanne. Die proximale Reihe der Handwurzelknochen bildet dabei den Gelenkkopf. Dieses so gebildete Gelenk ist ein Ellip- soidgelenk, welches ausgesprochen be- weglich ist und 2 Freiheitsgrade ermög- licht: Extension/Flexion (bis 120°) sowie Ulnar-/Radialabduktion (bis 50°). Die Facies articularis carpalis wird durch 2 konkave Gelenkflächen gebildet: die Fossa scaphoidea und die Fossa lunata. Die Fossa scaphoidea hat eine Dreiecks- form, dessen Spitze den Processus stylo- ideus radii formt. Eine dorsopalmare Crista trennt die Fossa scaphoidea von der kleineren Fossa lunata. Beide Ge- lenkflächen sind konkav in der anterior/ posterioren und radial/ulnaren Ebene. Zudem hat der Radius noch eine 3. kon- kave Gelenkfläche: die Fossa der Articu- latio radioulnaris distalis, welche auch als sog. Sigmoid Notchbezeichnet wird (Abb. 2). Mit dieser Gelenkfläche artiku- liert der Radius mit der Circumferentia articularis des Caput ulnae. Die an der Knorpelknochengrenze befestigte Ge- lenkkapsel erweitert sich dort zu einem Recessus sacciformis distalis, wodurch der notwendige Bewegungsspielraum für Drehbewegungen ermöglicht wird. Die Fossa der Articulatio radioulnaris distalis bildet somit die konkave Gelenk- Zusammenfassung Der distale Radius ist die Hauptkom- ponente im Handgelenk und für die Kraftübertragung verantwortlich. Die knöchernen Strukturen und Bandver- bindungen bilden dabei die Grundlage für die hohe Beweglichkeit und für die Kraftübertragung vom Unterarm auf die Hand. Das Handgelenk setzt sich da- bei proximal aus der radiokarpalen Ge- lenkfläche, dem distalen Radioulnarge- lenk und dem triangulären Faserknor- pel (TFC) zusammen. Distal wird das Handgelenk von der ersten Handwur- zelknochenreihe gebildet, die durch in- trinsische Bänder zusammengehalten wird. Die Stabilität des Handgelenks wird durch die Gelenkkapsel und v. a. durch die überbrückenden dorsalen und palmaren extrinsischen Bänder ge- bildet. Verletzungen des distalen Ra- dius mit Verkürzung und Verkippung führen regelmäßig zu einer Mitverlet- zung dieser Strukturen und damit zu funktionellen Defiziten. Diese Verlet- zungen erfordern häufig eine differen- zierte klinische, radiologische oder ar- throskopische Diagnostik. Neben einer möglichst anatomischen Wiederher- stellung des distalen Radius müssen daher die Verletzungen des distalen Ra- dioulnargelenks (DRUG), des TFC und der wichtigen Bandstrukturen beachtet werden. Das funktionelle Ergebnis er- gibt sich daher aus der anatomischen Wiederherstellung des distalen Radius einschließlich seiner unmittelbaren Be- gleitstrukturen. Anatomy of the Distal Radius The distal radius is the main compo- nent of the wrist and responsible for power transmission. The basis for high mobility and power transmission from forearm to the hand is provided by the bony structures and ligament connec- tions. The wrist consists proximal of the radial-carpal joint, the distal radio- ulnar joint and the triangular fibrocar- tilage (TFC). Distally it is formed by the first row of carpal bones, which are tightly connected by intrinsic liga- ments. The stability of the wrist is formed by the joint capsule, and espe- cially by bridging of the dorsal and pal- mar extrinsic ligaments. An injury to the distal radius with shortening and angulation regularly leads to an injury of these structures and thereby to func- tional deficits. These injuries often ne- cessitate a differentiated clinical, radio- logical or arthroscopic diagnostic pro- cess. In addition to a nearly anatomic restoration of the distal radius, there- fore, the injuries of the DRUJ, the TFC and the major ligamentous structures, need to be addressed. The functional outcome is related to the anatomic re- storation of the distal radius including its directly neighbouring structures. Anatomie des distalen Radius & n Maika Szermutzky, Johannes Frank, Ingo Marzi OP-JOURNAL 2012; 28: 224227 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0032-1327996 224 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

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Zusammenfassung

Der distale Radius ist die Hauptkom-ponente im Handgelenk und für dieKraftübertragung verantwortlich. Dieknöchernen Strukturen und Bandver-bindungen bilden dabei die Grundlagefür die hohe Beweglichkeit und für dieKraftübertragung vom Unterarm aufdie Hand. Das Handgelenk setzt sich da-bei proximal aus der radiokarpalen Ge-lenkfläche, dem distalen Radioulnarge-lenk und dem triangulären Faserknor-pel (TFC) zusammen. Distal wird dasHandgelenk von der ersten Handwur-zelknochenreihe gebildet, die durch in-trinsische Bänder zusammengehaltenwird. Die Stabilität des Handgelenkswird durch die Gelenkkapsel und v. a.durch die überbrückenden dorsalenund palmaren extrinsischen Bänder ge-bildet. Verletzungen des distalen Ra-dius mit Verkürzung und Verkippungführen regelmäßig zu einer Mitverlet-

nleitung

er distale Radius stellt den Hauptpfeilers Handgelenks dar und ist für dieraftübertragung verantwortlich. Diediokarpale Gelenkfläche wird nach ul-r hin durch den triangularen Faser-mplex (TFC) vervollständigt und istit dem distalen RadioulnargelenkRUG) eng verbunden. Die Verbindungr Hand selbst erfolgt über starke dor-le und palmare Bandverbindungen zun Handwurzelknochen.

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zung dieser Strukturen und damit zufunktionellen Defiziten. Diese Verlet-zungen erfordern häufig eine differen-zierte klinische, radiologische oder ar-throskopische Diagnostik. Neben einermöglichst anatomischen Wiederher-stellung des distalen Radius müssendaher die Verletzungen des distalen Ra-dioulnargelenks (DRUG), des TFC undder wichtigen Bandstrukturen beachtetwerden. Das funktionelle Ergebnis er-gibt sich daher aus der anatomischenWiederherstellung des distalen Radiuseinschließlich seiner unmittelbaren Be-gleitstrukturen.

Anatomy of the Distal Radius

The distal radius is the main compo-nent of the wrist and responsible forpower transmission. The basis for highmobility and power transmission fromforearm to the hand is provided by thebony structures and ligament connec-

edoch dazu, dass bei Verletzungen desistalen Radius diese anatomischentrukturen immer mitbeurteilt und the-apiert werden müssen (Abb. 1).

auptteil

as proximale Handgelenk wird gebildeton der Facies articularis carpalis des Ra-ius und dem Discus articularis, welcherem Ulnakopf aufliegt. Zusammen bil-en sie die Gelenkpfanne. Die proximaleeihe der Handwurzelknochen bildetabei den Gelenkkopf.

ieses so gebildete Gelenk ist ein Ellip-oidgelenk, welches ausgesprochen be-eglich ist und 2 Freiheitsgrade ermög-

icht: Extension/Flexion (bis 120°) sowielnar-/Radialabduktion (bis 50°).

ie Facies articularis carpalis wird durchkonkave Gelenkflächen gebildet: die

tions. The wrist consists proximal ofthe radial-carpal joint, the distal radio-ulnar joint and the triangular fibrocar-tilage (TFC). Distally it is formed by thefirst row of carpal bones, which aretightly connected by intrinsic liga-ments. The stability of the wrist isformed by the joint capsule, and espe-cially by bridging of the dorsal and pal-mar extrinsic ligaments. An injury tothe distal radius with shortening andangulation regularly leads to an injuryof these structures and thereby to func-tional deficits. These injuries often ne-cessitate a differentiated clinical, radio-logical or arthroscopic diagnostic pro-cess. In addition to a nearly anatomicrestoration of the distal radius, there-fore, the injuries of the DRUJ, the TFCand the major ligamentous structures,need to be addressed. The functionaloutcome is related to the anatomic re-storation of the distal radius includingits directly neighbouring structures.

Fossa scaphoidea und die Fossa lunata.Die Fossa scaphoidea hat eine Dreiecks-form, dessen Spitze den Processus stylo-ideus radii formt. Eine dorsopalmareCrista trennt die Fossa scaphoidea vonder kleineren Fossa lunata. Beide Ge-lenkflächen sind konkav in der anterior/posterioren und radial/ulnaren Ebene.

Zudem hat der Radius noch eine 3. kon-kave Gelenkfläche: die Fossa der Articu-latio radioulnaris distalis, welche auchals sog. „Sigmoid Notch“ bezeichnet wird(Abb. 2). Mit dieser Gelenkfläche artiku-liert der Radius mit der Circumferentiaarticularis des Caput ulnae. Die an derKnorpelknochengrenze befestigte Ge-lenkkapsel erweitert sich dort zu einemRecessus sacciformis distalis, wodurchder notwendige Bewegungsspielraumfür Drehbewegungen ermöglicht wird.Die Fossa der Articulatio radioulnarisdistalis bildet somit die konkave Gelenk-

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fläche des distalen Radioulnargelenks(DRUG) und ist nach distal, dorsal undpalmar scharf begrenzt, nicht jedochnach proximal.

Zwischen dem Processus styloideus ul-nae und der ulnaren Seite des Radiusbefindet sich der faserknorpelige Discusarticularis (TFC bzw. Discus triangularis).Der TFC inseriert anderdistalenulnarsei-tigen Gelenkfläche des Radius und ziehtüber die distale Ulna sowohl zum Proces-sus styloideus ulnae als auch der Foveades Ulnakopfes. Er dient als Gelenkschei-be zum Os triquetrum und Os lunatumsowie als Verbindung zwischen Ulna undRadius. Zudem vervollständigt er die Ge-lenkfläche ulnarseitig. Weiterhin hat dieUlna durch denTFC keinen direkten Kon-takt zur proximalen Handwurzelreihe.

Durch die gelenkige Verbindung zwi-schen Radius und Ulna kann eine Dreh-bewegung um die Ulna (Pro- und Supi-nation) ermöglicht werden. Dabei erfolgtdie Rotation im distalen Radioulnarge-lenk durch eine Rotation des Radius mitder Hand um den Ulnakopf, welcherdurch die Ulna und die Struktur des El-lenbogengelenks fixiert ist. Es kann eineRotation bis etwa 150° erreicht werden.

n Umeinerseits eineuneingeschränkteUn-terarmrotation imdistalen Radioulnarge-lenk (DRUG) zu ermöglichen und ande-rerseits die Ulnarabduktion sowie einefreie Bewegung im Handgelenk zu ge-währleisten, ist eine korrekte Länge undStellung der distalen Ulna und des dis-talen Radius von erheblicher Bedeutung.

Die individuelle Längenrelation von dis-taler Ulna und Radius unterliegt einerVarianz, die bei der Beurteilung gegebe-nenfalls einen Vergleich mit der Gegen-seite erfordert. Man geht davon aus, dassVariationen bis zu 4mm ohne pathologi-sche Bedeutung sind. Die korrekte Erfas-sung der Ulnavarianz ist in Abb. 3 dar-gestellt [1,2,7].

Der metaphysäre Bereich des Radius be-ginnt etwa 2 cm vor der distalen Gelenk-fläche und ist gekennzeichnet durch eineAbnahme der Dicke der Kortikalis beigleichzeitiger Zunahme an spongiösemKnochen. In der frontalen Ebene ist dieRadiusgelenkfläche mit einem Winkelvon ca. 22–23° (13–30°) nach ulnar ge-neigt und stellt den knöchernen tragen-den Anteil des Handgelenksbogens dar(Ulnarinklination) (Abb. 4). In der sagit-talen Ebene ist die Gelenkfläche des Ra-

dius im Durchschnitt zwischen 11–12°(0–28°) nach palmar geneigt (Palmarin-klination) (Abb. 5).

n Diese Inklination ist für die korrekteKraftübertragung zwischen dem dis-talen Radius und den Handwurzelkno-chen von erheblicher Bedeutung.

Der palmare Bereich des Radius ist flachund stellt den Ansatzpunkt für wichtige,das Handgelenk stabilisierende Band-strukturen dar. Der dorsale Bereich hateher eine konvexe Form und dient alsWiderlager für die 6 dorsalen Streckseh-nenfächer. Im Bereich des Processusstyloideus radii findet sich manchmaleine Rinne für die Sehnen des 1. Streck-sehnenfachs. Zusätzlich findet sich einelängliche Erhöhung, das Tuberculum Lis-ter (Tuberculum dorsale), welches derSehne des 3. Strecksehnenfachs, dem

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Abb. 1 Schematische Darstellung des Handgelenks mit distaler Ulnaund Radius sowie die angrenzenden Handwurzelknochen und die wich-tigsten Begleitstrukturen.

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Abb. 2 Darstellung der Anatomie des distalen Radius mit der Articula-tio radioulnaris distalis („Sigmoid Notch“ = U) sowie der Fascies articu-laris carpalis, welche aus der Fossa scaphoidea (= S) und der Fossa luna-ta (= L) besteht.

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Abb. 3a und b Schematische Darstellung zur Bestimmung der radia-len Länge am distalen Radius und der Ulnavarianz. a Die radiale Längewird im a.–p.-Strahlengang bestimmt und ist der Abstand zwischen derSenkrechten zur Achse des Radius durch die Spitze des Processus stylo-ideus radii (a) und der Senkrechten in Höhe der distalen Gelenkflächedes Ulnakopfes (b). Im Normalfall beträgt die Länge ca. 12mm (8–18mm). b Die Ulnavarianz wird ermittelt aus dem Abstand zwischender Parallelen zur Fossa lunata (a) und der zur distalen Gelenkflächedes Ulnakopfes (b). Bei ca. 60% befindet sich die distale Gelenkflächedes Ulnakopfes und der ulnare Rand des Radius auf der gleichen Höhe.Es findet sich eine Variation zwischen +4 und −4mm ohne Pathologie.

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langen Daumenstrecker, als Widerlagerdient. Diese Sehne des M. extensor polli-cis longus umläuft diese Knochenstruk-tur, die ihm als Hypomochlion dient.

Untersuchungen haben gezeigt, dassetwa 80% der axialen Belastung über die

radiokarpale Gelenkfläche auf den Un-terarm übertragen wird. 20 % werdenüber das ulnare Kompartment auf die1.Handwurzelknochenreiheweitergelei-tet. Damit diese Kräfte übertragen wer-den können und dennoch der hohe Gradan Beweglichkeit bewahrt werden kann,sind komplexe Band- und Weichteil-strukturen zur Sicherung der Stabilitäterforderlich. Die Integrität und Stabilitätder Bandstrukturen lässt sich am Stan-dardröntgenbild nur indirekt beurteilen.

n Als gute Orientierung hat sich hier dieVerfolgung dreier von Gilula beschriebe-nen bogenförmigen Linien bewährt.Diese Linien sollen im Normalfall ohneVersatz oder Unterbrechung den Verlaufder Gelenkflächen der Handwurzelkno-chen und der karpalen Gelenkflächenals rundliche Bögen nachziehen und ver-laufen parallel (Abb. 6).

Bei einer Luxation oder Luxationsfraktursind diese Bögen unterbrochen und wei-sen auf eine schwerwiegende Verletzunghin (Abb. 7) [5,7].

Die Stabilität des Handgelenks wird vonextrinsischen und intrinsischen Bänderngegeben. Diese ziehen vom Radius undder Ulna zu den Handwurzelknochender 1. und 2. Reihe (s. Abb. 1). Die extrin-sischen Bänder überbrücken palmar unddorsal das Radiokarpal-, Ulnokarpal-oder das Interkarpalgelenk (Abb. 8). Ra-diokarpal finden sich hier auf der Pal-marseite das radioskaphokapitäre Band,das lange und kurze radiolunäre Bandund das radioskapholunäre Band. Aufder ulnaren palmaren Seite sind hier ins-besondere das ulnokapitäre, ulnotrique-trale und ulnolunäre Band zu nennen,die den TFC stabilisieren. Die intrinsi-schen Bänder verbinden hingegen dieeinzelnen Handwurzelknochen mit-einander, wie das skapholunäre und daslunotriquetrale Band (Abb. 9). Dorsalsei-tig wird das Radiokarpalgelenk durchdas radiotriquetrale Band stabilisiert.

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Abb. 6 Hilfreich für die Beurteilung der Stel-lung der Handwurzelknochen sind die 3 vonGulila beschriebenen Bögen. Diese „karpalen“Bögen sollten im Normalfall glatt entlang derGelenkflächen der Handwurzelknochen ver-laufen ohne plötzlichen Sprung oder unter-schiedliche Weiten der Gelenkspalten (BogenI, II und III) (nach Schmitt R, Lanz U. Bildge-bende Diagnostik der Hand. Stuttgart: Thie-me; 1996: 251).

Abb. 7 Dieses Röntgenbild zeigt eine nachtransscaphoidär perilunäre Luxationsfraktur.Die Bögen sind alle unterbrochen und im seit-lichen Strahlengang ist deutlich die Luxations-stellung zwischen Lunatum und Capitatum zuerkennen.

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Abb. 8 Schemazeichung der extrinsischen karpalen Bänder.

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Abb. 9 Schemazeichung der intrinsischen karpalen Bänder.

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Abb. 5 Bestimmung der Palmarinklinationdes distalen Radius. Die Palmarinklinationwird bestimmt als Winkel (PI) zwischen derParallelen zur Gelenkfläche (A) und der Senk-rechten zur Längsachse des Radius (B). ImNormalfall beträgt diese ca. 12° (0–28°).

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Abb. 4 Bestimmung der Ulnarinklination desdistalen Radius. Die Ulnarinklination wird be-stimmt als Winkel (UI) zwischen der Paralelenzur Gelenkfläche (A) und der Senkrechten zurLängsachse des Radius (B). Im Normalfall be-trägt dieser ca. 23° (13–30°).

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Eine Übersicht über die relevanten Band-strukturen gibt Tab. 1 [4–7].

n Von erheblicher Bedeutung sind dieRupturen des skapholunären (SL) Ban-des, die insbesondere bei B1- und C-Frakturen des Radius beobachtet wer-den.

Ein Übersehen einer Verletzung dieserBandstrukturen kann zu einem zuneh-menden Kollaps der proximalen Hand-wurzelreihe mit erheblicher Schmerz-haftigkeit und Bewegungseinschrän-kung bis hin zur Arthrose führen, wes-halb dem Erkennen und Wiederherstel-len der Strukturen eine erhebliche Be-deutung zukommt [3].

Die Fossa articularis carpalis wird alsodurch palmare und dorsale Bandstruktu-

ren überbrückt. Die extrinsischen Band-strukturen umgreifen jedoch auch dasulnare Kompartment mit demDiscus tri-angularis (TFC) im Zentrum. Der dorsaleund palmare Anteil werden als dorsalesund palmares radioulnares Band be-zeichnet und stabilisieren das distale Ra-dioulnargelenk bei den Umwendbewe-gungen des Unterarms (Abb. 10). Die Ge-samtheit aus diesen Bändern und demTFC werden als TFCC (triangular fibroc-artilage complex) bezeichnet und stabili-siert neben dem distalen Radioulnarge-lenk das ulnare Handgelenk. Das distaleRadioulnargelenk (DRUG) wird zusätz-lich durch folgende Faktoren stabilisiert:die interossäreMembran zwischen Radi-us und Ulna, den M. pronator quadratus,die Sehnen und Sehnenscheiden des M.extensor carpi ulnaris und des M. flexorcarpi ulnaris.

Posttraumatische Fehlstellungen des dis-talen Radius mit relativer Verschiebungzur Ulna hin können zu einer schmerz-haften posttraumatischen Arthrose imDRUG führen.

Schlussfolgerung

Bei allen Verletzungen des distalen Radi-us müssen immer die eng verbundenenanatomischen Strukturen und funktio-nellen Abläufe berücksichtigt werden.Eine möglichst exakte Wiederherstel-lung der Länge, Achse und Neigung desdistalen Radius ist Voraussetzung füreine optimale Funktion des Handge-lenks. Dabei sind das Erkennen und dieMitbehandlung der möglichen Begleit-verletzungen für das subjektive und ob-jektive Behandlungsergebnis distalerRadiusfrakturen von entscheidender Be-deutung.

Literatur

1 Aro HT, Koivunen T. Minor axial shortening ofthe radius affects outcome of Collesʼ fracturetreatment. J Hand Surg Am 1991; 16: 392–398

2 Fernandez DL, Jupiter JB. Fractures of the dis-tal Radius. A practical Approach to Manage-ment. New York, Berlin, Heidelberg: Sprin-ger; 1996

3 Frank J, Pralle H, Marzi I. Hand und Finger. In:Scharf H-P, Rüter A, Pohlemann T et al., Hrsg.Orthopädie und Unfallchirurgie. München:Elsevier Urban und Fischer; 2011: 557–593

4 Frank J, Marzi I. Handchirurgie. In: Bruch H-P,Trentz O. Chirurgie. München: Elsevier Urbanund Fischer; 2008: 507–545

5 Garcia-Elias M. Kinetic analysis of carpal sta-bility during grip. Hand Clin 1997; 13: 151–158

6 Geissler WB, Freeland AE, Savoie FH et al.Whipple: Intracarpal soft-tissue lesions asso-ciated with an intra-articular fracture of thedistal end of the radius. J Bone Joint Surg[Am] 1996; 78: 357–365

7 Green DP, Hotchkiss RN, Pederson WC. Gree-nys operative Hand Surgery. New York, Edin-burgh, London, Philadelphia, San Francisco:Churchill Livingstone; 1999

Dr. med. Maika SzermutzkyAssistenzärztinProf. Dr. med. Johannes FrankOberarztProf. Dr. med. Ingo MarziChefarzt

Klinik für Unfall-, Hand- undWiederherstellungschirurgieUniklinik Frankfurt am MainTheodor-Stern-Kai 760590 Frankfurt am Main

[email protected]

Tab. 1 Karpale Bandstrukturen.

extrinsische Bänder intrinsische Bänder

oberflächliche und tiefe radiokarpale Bänder– radioskaphokapitäres Ligament (RSC)– langes radiolunäres Ligament (LRL)– radioskapholunäres Ligament (RSL)– kurzes radiolunäres Ligament (SRL)– dorsales radiotriquetrales Ligament (RTq)

skapholunäres interossäres Ligament (SL)

oberflächliche und tiefe ulnokarpale Bänder– ulnokapitäres Ligament (UC)– ulnotriquetrales Ligament (UTq)– ulnolunäres Ligament (UL)

lunotriquetrales Ligament

distale Reihe : interossäre Bänder

palmare interkarpale Bänder– triquetrohämatoskaphitäres Ligament

(TqHC)– skaphokapitäres Ligament– skaphotrapeziotrapezoidäres Ligament

(STT)

dorsale interkarpale Bänder (DIC)

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Abb. 10 Schemati-sche Darstellung desTFC bzw. des distalenRadioulnargelenks(DRUG) mit den ent-sprechenden stabili-sierenden Bandstruk-turen.

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