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Redaktion W.L. Gross, Lübeck/Bad Bramstedt F. Moosig, Lübeck/Bad Bramstedt Z Rheumatol 2009 · 68:75–80 DOI 10.1007/s00393-008-0418-y Online publiziert: 19. Dezember 2008 © Springer Medizin Verlag 2008 J.U. Holle · P. Lamprecht Universtitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Poliklinik für Rheumatologie und Rheumaklinik Bad Bramstedt ANCA-assoziierte Vaskulitiden EULAR/EUVAS-Empfehlungen zur Einteilung, Aktivitätsbestimmung und Durchführung klinischer Studien Standpunkte – EULAR Recommendations Im Jahr 2007 sind von der EULAR („Eu- ropean League Against Rheumatism“) bzw. der EUVAS („European Vasculitis Study Group“) Empfehlungen zur Ein- teilung der ANCA-assoziierten Vaskuli- tiden (AAV, d. h. Wegener-Granuloma- tose/WG, mikroskopische Polyangi- itis/MPA, Churg-Strauss-Syndrom/CSS) nach Stadien und Krankheitsaktivi- tät sowie zur Durchführung klinischer Studien bei den systemischen Vasku- litiden ausgesprochen und in den Annals of Rheumatic Diseases publi- ziert worden [1]. Die wesentlichen Empfehlungen sind in diesem Artikel zusammengefasst, werden kritisch beleuchtet und im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit im klinischen Alltag diskutiert. Krankheitsaktivität und Remission Definition Eine Übersicht über die Definition der Aktivitätsstadien ist in Tab. 1 wie- dergegeben. Eine Remission ist durch vollständig fehlende Erkrankungsak- tivität unter einer remissionserhalten- den Therapie definiert. Die Remission sollte durch die Verwendung von Ak- tivitätsscores (Birmingham-Vaskuli- tis-Aktivitäts-Score/BVAS, BVAS/WG) dokumentiert werden. Die remissions- erhaltende Therapie besteht dabei in der Regel aus einem klassischen Immun- suppressivum (z. B. Azathioprin oder Methotrexat/MTX) und Glukokortiko- iden. Ein weiteres Kennzeichen der Re- mission ist, dass der Glukokortikoid-Be- darf stabil der Cushing-Schwellendo- sis von 7,5 mg Prednisolon/Tag p.o. ent- spricht oder darunter liegt. Gegebenen- falls können zur Bewertung der Krank- heitsaktivität zusätzlich Biomarker her- angezogen werden. Die Autoren emp- fehlen außerdem, die Dauer der Remissi- on sowie die Medikation anzugeben, un- ter der die Remission erreicht wurde bzw. fortbesteht. Kommentar In der Vergangenheit gab es unterschied- liche Definitionen von Remission im Rah- men klinischer Studien. Bisherige Studi- en unterschieden sich in Bezug auf die Art der Feststellung der Remission (z. B. rein klinisch oder unter Anwendung von Ak- tivitätsscores wie dem „Disease Extent In- dex“/DEI oder BVAS), der Feststellung, ob eine Remission beispielsweise nur „parti- ell“ oder „komplett“ eingetreten sein muss- te, der Dauer des Zustandes ohne klinische Aktivität, die erfüllt sein musste, um von einer Remission zu sprechen (z. B. 1, 3 oder 6 Monate), und die „erlaubte“ Medikati- on (keine Medikation, Remissionserhal- tung mit oder ohne Glukokortikoide, evtl. Restriktion der Glukokortikoid-Dosis; [2]). Die Remissionsraten variieren daher in Abhängigkeit der Definition: So betrug die Remissionsrate in einer Studie, in der die komplette Abwesenheit von Krankheitsak- tivität für 6 Monate ohne immunsuppres- sive Therapie gefordert war, nur 30% [3]. > Remissionsraten können je nach Begriffsdefinition variieren In den meisten US-amerikanischen Studien wird, anders als in den heutigen europäischen Studien, weiterhin eine Glukokortikoid-Dosissenkung auf 0 mg Prednisolon innerhalb von 6 Monaten zur Bedingung des Remissionskriteriums durchgeführt. Dementsprechend geringer fiel z. B. im WEGT-Trial die Remissions- rate in den verschiedenen Therapiearmen (Standardtherapie mit Cyclophosphamid oder MTX ± Etanercept bei WG) im Ver- gleich zu anderen Studien aus [4]. Auch das eigentliche Ziel der Remissionsinduk- tion mit Etanercept wurde auf diese Wei- se möglicherweise konterkariert. In euro- päischen Studien werden demgegenüber Aktivitätsscores hinzugezogen, um eine Remission zu definieren (z. B. BVAS), und eine immunsuppressive Medikation stellt kein Ausschlusskriterium für eine Remis- sion dar. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien erreichen 90–94% der AAV- Patienten eine Remission. 75 Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2009 |  

ANCA-assoziierte Vaskulitiden

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Page 1: ANCA-assoziierte Vaskulitiden

RedaktionW.L. Gross, Lübeck/Bad Bramstedt F. Moosig, Lübeck/Bad Bramstedt

Z Rheumatol 2009 · 68:75–80DOI 10.1007/s00393-008-0418-yOnline publiziert: 19. Dezember 2008© Springer Medizin Verlag 2008

J.U. Holle · P. LamprechtUniverstitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Poliklinik für Rheumatologie und Rheumaklinik Bad Bramstedt

ANCA-assoziierte VaskulitidenEULAR/EUVAS-Empfehlungen zur Einteilung, Aktivitätsbestimmung und Durchführung klinischer Studien

Standpunkte – EULAR Recommendations

Im Jahr 2007 sind von der EULAR („Eu-ropean League Against Rheumatism“) bzw. der EUVAS („European Vasculitis Study Group“) Empfehlungen zur Ein-teilung der ANCA-assoziierten Vaskuli-tiden (AAV, d. h. Wegener-Granuloma-tose/WG, mikroskopische Polyangi- itis/MPA, Churg-Strauss-Syndrom/CSS) nach Stadien und Krankheitsaktivi-tät sowie zur Durchführung klinischer Studien bei den systemischen Vasku- litiden ausgesprochen und in den Annals of Rheumatic Diseases publi-ziert worden [1]. Die wesentlichen Empfehlungen sind in diesem Artikel zusammengefasst, werden kritisch beleuchtet und im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit im klinischen Alltag diskutiert.

Krankheitsaktivität und Remission

Definition

Eine Übersicht über die Definition der Aktivitätsstadien ist in . Tab. 1 wie-dergegeben. Eine Remission ist durch vollständig fehlende Erkrankungsak-tivität unter einer remissionserhalten-den Therapie definiert. Die Remission sollte durch die Verwendung von Ak-tivitätsscores (Birmingham-Vaskuli-tis-Aktivitäts-Score/BVAS, BVAS/WG) dokumentiert werden. Die remissions-

erhaltende Therapie besteht dabei in der Regel aus einem klassischen Immun-suppressivum (z. B. Azathioprin oder Methotrexat/MTX) und Glukokortiko-iden. Ein weiteres Kennzeichen der Re-mission ist, dass der Glukokortikoid-Be-darf stabil der Cushing-Schwellendo-sis von 7,5 mg Prednisolon/Tag p.o. ent-spricht oder darunter liegt. Gegebenen-falls können zur Bewertung der Krank-heitsaktivität zusätzlich Biomarker her-angezogen werden. Die Autoren emp-fehlen außerdem, die Dauer der Remissi-on sowie die Medikation anzugeben, un-ter der die Remission erreicht wurde bzw. fortbesteht.

Kommentar

In der Vergangenheit gab es unterschied-liche Definitionen von Remission im Rah-men klinischer Studien. Bisherige Studi-en unterschieden sich in Bezug auf die Art der Feststellung der Remission (z. B. rein klinisch oder unter Anwendung von Ak-tivitätsscores wie dem „Disease Extent In-dex“/DEI oder BVAS), der Feststellung, ob eine Remission beispielsweise nur „parti-ell“ oder „komplett“ eingetreten sein muss-te, der Dauer des Zustandes ohne klinische Aktivität, die erfüllt sein musste, um von einer Remission zu sprechen (z. B. 1, 3 oder 6 Monate), und die „erlaubte“ Medikati-on (keine Medikation, Remissionserhal-tung mit oder ohne Glukokortikoide, evtl.

Restriktion der Glukokortikoid-Dosis; [2]). Die Remissionsraten variieren daher in Abhängigkeit der Definition: So betrug die Remissionsrate in einer Studie, in der die komplette Abwesenheit von Krankheitsak-tivität für 6 Monate ohne immunsuppres-sive Therapie gefordert war, nur 30% [3].

> Remissionsraten können je nach Begriffsdefinition variieren

In den meisten US-amerikanischen Studien wird, anders als in den heutigen europäischen Studien, weiterhin eine Glukokortikoid-Dosissenkung auf 0 mg Prednisolon innerhalb von 6 Monaten zur Bedingung des Remissionskriteriums durchgeführt. Dementsprechend geringer fiel z. B. im WEGT-Trial die Remissions-rate in den verschiedenen Therapiearmen (Standardtherapie mit Cyclophosphamid oder MTX ± Etanercept bei WG) im Ver-gleich zu anderen Studien aus [4]. Auch das eigentliche Ziel der Remissionsinduk-tion mit Etanercept wurde auf diese Wei-se möglicherweise konterkariert. In euro-päischen Studien werden demgegenüber Aktivitätsscores hinzugezogen, um eine Remission zu definieren (z. B. BVAS), und eine immunsuppressive Medikation stellt kein Ausschlusskriterium für eine Remis-sion dar. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien erreichen 90–94% der AAV- Patienten eine Remission.

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Bewertung

Die aktuelle Definition der Remission als Abwesenheit klinischer Aktivität unter Immunsuppression ist unter klinischen Gesichtspunkten sowohl als pragma-tischer als auch als realistischer, erreich-barer Endpunkt in der Behandlung eines Patienten einzuschätzen. Als positiv ist ebenfalls zu bewerten, dass eine maxi-male Glukokortikoid-Dosis in die De-finition der Remission mit einbezogen wurde, um ein Kaschieren von Aktivität durch erhöhte Glukokortikoid-Dosen zu vermeiden, ebenso die Tatsache, dass ne-ben den klassischen Vaskulitismanifesta-tionen (z. B. pulmorenales Syndrom) eine Berücksichtigung granulomatöser Krank-heitsmanifestationen als WG- bzw. CSS-Aktivität erfolgt.

Ansprechen auf die Therapie: „Response“

Definition

Die „Therapie-Response“ entspricht nach EULAR einer ≥50%igen Reduktion der Krankheitsaktivität bei fehlenden neu aufgetretenen Organmanifestationen. Zur Feststellung der Reduktion von Krank-heitsaktivität schlagen die Autoren eben-falls den BVAS-Score vor.

Kommentar

Der BVAS 2003 setzt sich aus einer Rei-he klinischer Symptome, die den verschie-denen Organsystemen zugeordnet wer-

den, zusammen. Ein definiertes Symp-tom wird dabei als neu/progredient („new/worse“), vorausgesetzt es trat innerhalb der letzten 3 Monate auf, bzw. als persis-tierend („persistent“: Dauer 3–6 Monate) eingeschätzt. Vaskulitische oder granulo-matöse Symptome, die länger als 6 Mo-nate bestehen, werden im „Vasculitis Da-mage Index“ (VDI) als „damage“ gewer-tet. Jedem Symptom ist im BVAS eine Zahl („Score“) zugeordnet, wobei dasselbe Symptom, wenn es persistierend vorhan-den ist, entweder denselben Score, oder aber 2/3, 1/2, 1/3 oder 1/4 des Zahlenwertes des neuen/progredienten Symptoms er-hält. Die Scores der Einzelsymptome wer-den addiert. Die absolute Gewichtung der Zahlenwerte ist je nach „Wichtigkeit“ eines Organs unterschiedlich.

Die Definition der „Response“ als ≥50%ige Reduktion des BVAS ist proble-matisch, da der BVAS zur Einschätzung einer Krankheitsaktivität – insbesondere auch im Verlauf – nur einen Teilaspekt der Aktivität wiedergibt: zum einen aufgrund der Art der Berechnung des BVAS und zum anderen aufgrund des Fehlens von Parametern, die in der klinischen Praxis ebenfalls zur Bewertung der Krankheits-aktivität herangezogen werden (z. B. sero-logische Entzündungsparameter, ANCA usw.). Der BVAS wurde gewissermaßen als „self-fulfilling prophecy“ für Therapie-studien der EUVAS konstruiert, um das Ansprechen auf eine Therapie als abfal-lenden Punktewert in einem Score doku-mentieren zu können. Der Schwachpunkt dieses artifiziellen Konstruktes ergibt sich aus der Wertung länger als 6 Monate be-

stehender Symptome, die qua definitio-nem – aber dann eben nicht therapiebe-dingt – aus dem Score herausfallen und zum „damage“ erklärt werden.

Patientenbeispiel

Die Problematik der Definition der „Re-sponse“ soll anhand eines praktischen Bei-spiels zur Berechnung des BVAS 2003 ver-deutlicht werden: Ein Patient mit retroor-bitalen Granulomen (z. B. im Rahmen ei-ner WG) erhält bei der Erstdiagnose ei-nen BVAS 2003 von „4“. Wenn im Rah-men der nächsten Evaluation (z. B. nach 6 Wochen) die retroorbitalen Granulome unverändert vorhanden sind, so verrin-gert sich der Score von 4 auf 2, da es sich nun um eine persistierende Manifestati-on handelt. Damit erlangt der Patient „au-tomatisch“ eine 50%ige Reduktion seines BVAS, und die Krankheitsaktivität wä-re demnach mit einer „Response“ zu be-werten, obwohl sie klinisch als chronisch/persistierend bzw. refraktär zu einzuschät-zen ist. Die Krankheitsaktivität des Pati-enten ist also „underscored“. Persistiert das Granulom weiter, wird es schließlich zum „damage“ deklariert und verschwin-det aus dem Aktivitätsscore, obwohl der Patient stets mit dem gleichen Symptom zu kämpfen hat.

Bewertung

Die Definition der „Response“ als ≥50%ige Reduktion der Krankheitsaktivität – ge-messen am BVAS – ist eine willkürliche Festlegung und sowohl im klinischen All-tag als auch in der Anwendung im Rah-men von Studien aufgrund der Art der Berechnung des BVAS und der Defini-tion von Organschaden (als Persistenz von Symptomen >6 Monate) als proble-matisch zu bewerten, insbesondere wenn granulomatöse Organmanifestationen wie retroorbitale Granulome die führen-de Organbeteiligung darstellen.

Rezidiv

Definition

Als Rezidiv („relapse“) wird das erneu-te Auftreten einer Krankheitsmanifes-tation/-aktivität im selben Organ oder

Tab. 1  EULAR/EUVAS-Definitionen der Krankheitsaktivität ANCA-assoziierter Vaskuli- tiden. (Nach [1])

Aktivitätsstadium Definition

Remission - Keine Krankheitsaktivität- Art und Dauer der immunsuppressiven Therapie sollten dokumentiert

werden

Response„Ansprechen“

- ≥50%ige Reduktion der Krankheitsaktivität und keine neuen Krankheits-manifestationen

Rezidiv- major- minor

Erneute Krankheitsaktivität- mit potenzieller Organ- oder Lebensbedrohung- keine Organ- oder Lebensbedrohung

Refraktär - Unveränderte oder zunehmende Krankheitsaktivität im Rahmen akuter AAV-Manifestationen nach 4-wöchiger Standardtherapie oder

- mangelndes Ansprechen, definiert als ≤50%ige Reduktion der Krankheits-aktivität nach 6-wöchiger Therapie oder

- chronisch persistierende Erkrankung (ein „Major-“, 3 „Minor-Symptome“ im BVAS-Score) ≥12 Wochen

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Standpunkte – EULAR Recommendations

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eine neue Organmanifestation definiert, wobei ein „major relapse“ einer erneu-ten Aktivität in Form einer Organ- oder Lebensbedrohung entspricht (z. B. alveo-läre Hämorrhagie), während ein „minor relapse“ (z. B. Sinusitis, Arthritis) ohne unmittelbare Bedrohung eines Organs oder des Lebens einhergeht.

Kommentar

In früheren EUVAS-Publikationen wur-de noch darauf hingewiesen, dass ein „minor relapse“ durch eine passagere Ste-roiddosiserhöhung aufgefangen werden kann, wohingegen ein „major relapse“ eine Therapieumstellung auf eine orale oder intravenöse Cyclophosphamid-The-rapie zur Folge hat [5]. Diese Definition ist in der klinischen Praxis leicht anwend-bar und kann durch den BVAS abgebildet werden (entsprechende Symptome sind der Kategorie „new/worse“ zuzuordnen).

Bewertung

Das Rezidiv ist durch die aktuelle Defini-tion adäquat beschrieben und wird durch den BVAS korrekt abgebildet.

Refraktäre Erkrankung

Definition

Als refraktäre Erkrankung („refractory disease“) gilt eine anhaltende oder zu-nehmende Krankheitsaktivität nach ei-ner 4-wöchigen Standardtherapie bei der akuten AAV sowie die chronisch persis-tierende Erkrankung (≥12 Wochen). Ein „lack of response“, also ein Reduktion des BVAS um ≤50% nach 6-wöchiger Thera-pie, wird ebenfalls als refraktäre Erkran-kung definiert [1].

Kommentar

Diese Definition trifft sicherlich für vas-kulitische Manifestationen zu. Bei vor-herrschender granulomatöser Erkran-kung bei der WG wäre eine etwa 50%ige Reduktion des BVAS nach 6-wöchiger Therapie aber als Erfolg und keineswegs als refraktär zu bewerten! Außerdem ist zu bemerken, dass sowohl in der Defini-tion der „Response“ als auch der „refrak-tären Erkrankung“ eine Reduktion der Krankheitsaktivität um genau 50% (also =50%) als Kriterium für das jeweilige Ak-tivitätsstadium benannt wird. Formal soll-te eine Reduktion der Krankheitsaktivität um genau 50% nur einmal als Kriterium vergeben werden.

Die „low-activity disease“ oder „grum-bling disease“ wird definiert als Persistenz von Symptomen wie Abgeschlagenheit, Arthralgien und eine persistierende nasale Aktivität (Borken- und Krustenbildung) bei Patienten, die sich im Übrigen in Re-mission befinden. Therapeutisch wird ei-ne passagere Erhöhung der Glukokortiko-id-Dosis bei unveränderten immunsup-pressiven Regimen empfohlen. Problema-tisch ist die Nähe des Begriffs zur Definiti-on des „minor relapse“ und seiner thera-peutischen Konsequenz. Auch kann man über die Empfehlung der passageren Er-höhung der Glukokortikoid-Dosis für die „grumbling disease“ streiten, die lediglich Symptome kaschiert, aber das Problem ei-ner persistierenden Aktivität nicht löst.

Bewertung

Ähnlich wie bei der Definition der „Re-sponse“ ist die Definition der refraktären Erkrankung im Hinblick auf granulo-matöse Organmanifestationen proble-matisch. Patienten mit granulomatöser

Erkrankung gelangen unter Umständen schnell in die Kategorie „refraktär“, da sie deutlich langsamer auf eine Therapie an-sprechen als solche mit Vaskulitismanifes-tationen.

Subklassifikation der Krankheitsstadien der Wegener-Granulomatose

Für die WG – und in früheren EUVAS-Pu-blikationen auch für die MPA [5] – ist au-ßerdem eine Subklassifikation der Krank-heitsstadien durch die EULAR/EUVAS vorgeschlagen worden (. Tab. 2). Die-se Subklassifikation trägt dem Verlauf der WG mit Beginn als granulomatöse Er-krankung im Respirationstrakt und an-schließender Generalisierung mit ANCA- assoziiertem zumeist pulmorenalem Syn-drom Rechnung. Für die entsprechenden Subklassifikationen sind stadienadaptierte Therapieempfehlungen der EULAR/EUVAS publiziert worden [6]. In die-sen Therapieempfehlungen wird die Sub-klassifikation auf alle AAV bezogen, was zur Vereinfachung der Therapieempfeh-lungen beiträgt, jedoch nicht in jedem Fall sinnvoll ist.

Lokalisiertes Stadium

Im lokalisierten Stadium der WG („loca-lised“) liegt als Organmanifestation aus-schließlich ein Befall des oberen und/oder unteren Respirationstraktes vor (früher: Initialstadium). Nach der Defi-nition sollten konstitutionelle Symptome („B-Symptomatik“) nicht vorkommen. Der ANCA ist in diesem Stadium nur bei etwa der Hälfte der Patienten nachweisbar [7]. Während in früheren Versionen die-ser Tabelle daher lediglich vermerkt war, dass der ANCA im lokalisierten WG-Sta-

Tab. 2  Stadieneinteilung der WG gemäß EULAR/EUVAS [1]

Klinische Subgruppe Systemische Vaskulitis außer  in HNO-Trakt und Lunge

Bedrohte Organfunktion Weitere Charakteristika Serumkreatinin (µmol/l)

Lokalisiert Nein Nein Keine B-SymptomeANCA typischerweise negativ

<120

Frühsystemisch Ja Nein B-SymtpomeANCA negativ oder positiv

<120

Generalisiert Ja Ja ANCA positiv <500

Schwer Ja Organversagen ANCA positiv >500

Refraktär Ja Ja Standardtherapie nicht erfolgreich Jedes

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Standpunkte – EULAR Recommendations

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dium nachweisbar oder nicht nachweis-bar sein kann [5], wird nun betont, er sei „typischerweise“ nicht nachweisbar. Eine Überprüfung dieser Formulierung ist vor dem Hintergrund der vorgenannten Zah-len angezeigt.

Frühsystemisches Stadium

Sofern ein Anhalt für das Vorliegen ei-ner systemischen Vaskulitismanifes-tation besteht, eine Bedrohung von Organfunktion(en) aber nicht vorhan-den ist, ist die Erkrankung als frühsyste-misch „early systemic“ zu diagnostizieren. So kann in diesem Stadium nach der Defi-nition eine Glomerulonephritis vorliegen, jedoch darf eine wesentliche Einschrän-kung der Nierenfunktion nicht vorhan-den sein (Kreatinin <120 µmol/l).

Problematisch ist die Angabe maxi-maler Serumkreatininwerte für die 3 ge-nannten Krankheitsstadien der lokalisier-ten, frühsystemischen („early systemic“) und generalisierten WG.

> Maximale Serumkreatininwert-Angaben sind für die Stadien-einteilung problematisch

In früheren Definitionen war kein ma-ximaler Kreatininwert für diese Stadien definiert, sondern es wurde lediglich ge-fordert, dass keine Vaskulitismanifestati-onen außerhalb des Respirationstraktes vorliegen (lokalisiertes Stadium) bzw. ei-ne systemische Vaskulitis ohne Organ-bedrohung und renale Beteiligung vor-liegt (frühsystemisches Stadium; [5, 8]). Nun sind in die EULAR/EUVAS-Defini-tion jedoch unnötigerweise Modifikati-onen eingeflossen, die man ursprünglich nur in einer Studie zur WG „ohne“ bzw. mit geringer Nierenbeteiligung eingeführt hatte (um der Patientenrekrutierung wil-len). Im Rahmen dieser NORAM-Studie [9] wurde das frühsystemische Stadium in Abweichung von der oben genann-ten Definition als WG ohne organbedro-hende und Nierenbeteiligung durch einen Kreatininwert unter <150 µmol/l (bzw. bis 149 µmol/l) definiert – nach der aktuellen EULAR/EUVAS-Definition <120 µmol/l (bzw. bis 119 µmol/l). Hier hat man sich an einem modifizierten Studienprotokoll ori-entiert und nicht an der ursprünglichen,

sinnvolleren Definition der frühsyste-mischen WG.

Zusammenfassend ist für beide Defi-nitionen – die der NORAM-Studie und die aktuelle EULAR/EUVAS-Definition – als kritisch zu bemerken, dass Kreatinin-werte von 150 µmol/l bzw. 120 µmol/l be-reits einer deutlichen Nierenfunktionsein-schränkung entsprechen und vor diesem Hintergrund die Formulierung, dass im frühsystemischen Stadium eine syste-mische Aktivität ohne Organbedrohung vorliegt, überdacht werden sollte.

Generalisiertes und schweres Stadium

Das generalisierte Stadium („generalised“) ist als das Auftreten einer systemischen Vaskulitis mit bedrohter Organfunktion definiert. Der Kreatininwert kann hier bis auf 499 µmol/l erhöht sein. Hiervon un-terschieden wird das Stadium „severe (di-sease)“, bei dem ein Organversagen vor-liegt, welches nach der Definition (für die Niere) ab einem Kreatininwert von >500 µmol/l vorliegt. Diese Definitionen sind wiederum abgeleitet aus EUVAS- Studienprotokollen zur Rekrutierung schwerkranker WG- und MPA-Patienten mit rasch progredienter Glomeruloneph-ritis (RPGN) für eine Studie: Die Hö-he der Kreatininwerte ist auch hier will-kürlich angesetzt, reflektiert aber in die-sem Fall ein Einschlusskriterien für die MEPEX-Studie, in die Patienten mit einem Kreatininwert von >500 µmol/l rekrutiert wurden. Diese Studie zeigte, dass eine Plasmaseparation zusätzlich zur Standardtherapie im Vergleich zu Methyl-prednisolon-Stößen hinsichtlich des re-nalen Outcome nach 3 Monaten signifi-kant überlegen war [10].

> Die Übergänge zwischen generalisiertem und schwerem Stadium sind fließend

Insofern hat hier die Anwendung der De-finition der Krankheitsaktivitätsstadien („generalised“ vs. „severe“) eine thera-peutische Konsequenz (zusätzliche Plas-maseparation zur Standardtherapie). Im klinischen Alltag profitieren allerdings auch Patienten im Kreatininanstieg mit Kreatininwerten unter 500 µmol/l von ei-

ner Plasmaseparation, ebenso Patienten mit einer alveolären Hämorrhagie. Kont-rollierte Studien zur Prüfung der Effek-tivität der Plasmaseparation in diesen Situationen sind geplant (z. B. PEXIVAS, EUVAS-Initiative). Somit ist die strenge Trennung der Stadien „generalised“ und „severe“ willkürlich, denn die Übergänge sind naturgemäß fließend, erleichtert aber Therapieentscheidungen nach der (aktu-ellen) Studienlage.

Fazit für die Praxis

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die EULAR-Empfehlungen zur Durchführung klinischer Studien einen wichtigen Beitrag zur Standardisierung von Diagnostik und Therapie bei AAV darstellen, zukünftig im Detail aber  wesentlich stringenter und akkurater  pathophysiologische Überlegungen und die sich ändernde Studienlage einflie-ßen sollten.

KorrespondenzadresseDr. J.U. HolleUniverstitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Poliklinik für Rheumatologie und Rheumaklinik Bad BramstedtOskar-Alexander-Str. 26, 24576 Bad [email protected]

Interessenkonflikt. Die korrespondierende Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

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2. Mukhytar C, Luqmani R (2007) Disease-specific indi-cators, guidelines, and outcome measures in vascu-litis. Clin Exp Rheumatol 25 (Suppl 47):S120–S129

3. Reinhold-Keller E, Kekow J, Schnabel A et al (1994) Influence of disease manifestation and antineutro-phil cytoplasmatic antibody titer on the response to pulse cyclophosphamide therapy in patients with Wegener’s granulomatosis. Arthritis Rheum 37:919–924

4. Wegener’s Granulomatosis Etanercept Trial (WGET) Research Group (2005) Etancercept plus standard therapy for Wegener’s granulomatosis. N Engl J Med 352:351–361

5. Jayne D, Rasmussen N (1997) Treatment of an-tineutrophil cytoplasm autoantibody-associa-ted systemic vasculitis: initiatives of the European Communitiy Systemic Vasculitis Trials Study Group. Mayo Clin Proc 72:737–747

79Zeitschrift für Rheumatologie 1 · 2009  | 

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6. Mukhtyar C, Guillevin L, Cid MC et al (2008) EULAR recommendations for the management of primary small and medium size vasculitis. Ann Rheum Dis [Epub ahead of print 15.04.2008]

7. Nölle B, Specks U, Lüdemann J et al (1989) Anti-cytoplasmatic autoantibodies: their immunodia-gnostic value in Wegener granulomatosis. Ann In-tern Med 111:28–40

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Wyeth Forschungspreis Rheumatologie 2008 verliehen

Der mit 50.000 Euro dotierte Preis unterstützt

vielversprechende Forschungsprojekte,

die sich mit molekularen Ursachen und

klinischen Fragestellungen bei chronisch-

entzündlichen Erkrankungen befassen und

ging im Jahr 2008 an Professor Dr. Hanns-

Martin Lorenz und Ram Kumar Chowdary

Venigalla von der Sektion Rheumatologie der

Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg.

Die beiden Wissenschaftler gehören damit

zu vier Teams, die auf dem 36. Kongress der

Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie

mit diesem Forschungspreis ausgezeichnet

wurden.

Der Systemische Lupus erythematodes (SLE)

gehört zur Gruppe der Autoimmunerkran-

kungen. Neben Fieber, Abgeschlagenheit

und Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht

gehören Entzündungen der Gelenke, von

Herz, Lungen, Nieren und Gehirn zu den

Symptomen. Bei schweren Verlaufsformen

kann es sogar zu einem Multi-Organversagen

kommen. In Deutschland leiden Schätzungen

zufolge etwa 40.000 Menschen, vor allem

junge Frauen im gebärfähigen Alter, an SLE.

Im Mittelpunkt des geplanten Forschungs-

projektes der Heidelberger Wissenschaftler

stehen regulatorische T-Zellen (TReg), die un-

ter normalen physiologischen Bedingungen

Immunreaktionen vermitteln, bei einigen

Autoimmunerkrankungen aber den Angriff

von anderen T-Zellen (sog. „Responder T-Cel-

ls“, TResp) gegen körpereigene Zellen nicht

mehr kontrollieren können. Die Ursache da-

für liegt offenbar in einer Kommunikations-

störung zwischen den beiden T-Zell-Typen:

Die TResp reagieren nicht mehr auf das Signal

der TReg, wie die Heidelberger Forscher be-

reits in früheren Untersuchungen an Zellen

von Patienten mit SLE nachweisen konnten.

In ihrem neuen Projekt wollen sie prüfen, ob

diese Störung zwischen den beiden T-Zell-

Typen spezifisch für SLE ist oder generell bei

Autoimmunerkrankungen auftritt.

Bisherige Erkenntnisse deuten außerdem

darauf hin, dass Entzündungsbotenstoffe wie

TNF-alpha oder Zytokine aus der Interleukin-

Familie beim Zusammenspiel von TReg und

TResp eine entscheidende Rolle spielen. Nun

sollen mit Hilfe von molekularbiologischen

und immunologischen Methoden die dafür

relevanten Botenstoffe identifiziert und ent-

schlüsselt werden, auf welche Weise sie auf

die beiden T-Zell-Typen einwirken.

Quelle:

Universitätsklinikum Heidelberg

www.klinikum.uni-heidelberg.de

Fachnachrichten