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348 Andeutungen azorischer Ornithologie mitgethcilt yon Dr. (~arl Bolle. Wir beeilen uns, das deutsche ornithologische Publikum mit der Entdeekung eines neuen europaisehen Singvogels bekannt zu maehen. Es ist dies eine Fringille aus der Gruppe der eehten, den alten Linn~.- sehen Gattungsnamen heut zu Tags ausschliesslieh bewahrenden Finken; sic bewohnt die azorisehen Inseln and wurde dureh den Franzosen Morelet im Balge an Pucheran mitgetheilt, yon diesem aber in einem vor der Pariser Soei6t6 phitomathique am 5. Februar 1869 gehaltenen Vortrage: ,,Observations sur deux esp~ees de Passereaux originaires des Aqores ~' als F. Moreletti eharaeterisirt. Abgedruekt steht diese Arbeit Pucheran's in dem Journal ,,L'Institnt", No. 1310~ vom 7. Februar 1859; dann noeh einmal, in wortgetreuer Wiederholung, im 11. Jahr- gange der Revue et magazin de zoolog'ie (1859) p. 409. Letztgenannte Zeitsehrift liefert ausserdem auf T. 16 eine Abbil- dung des m~innlichen Vogels. Folgende nach Paeheran's Anffaben verfasste Besehreibung wird geniigen, sieh das Bild der neuen Species zu vergegenw~irtigen. Fringilla iltoreletli, Pueher. bat einen an der Stirn tiefer gefarbten dunkel blaugrauen Kopf and Naeken. Von da ab nimmt Olivengriin den Riicken and die vordersten Sehwanzdeeken ein; weiter naeh hinten sind Letztere sehw~irzlich. Die FlUgel tragen auf sehwarzem Grunde zwei weisse Binden~ eine obere breite und eine untere sehr sehmale~ nur dureh die weissgefiirbten Spitzen der unteren Fltigeldeeken gebil- dete. Die Sehwungfedern sind sehwarz, sehmal mit nach oben zu in's Olivengriine tibergehendem Weiss ges~iumt, auf der Unterseite sind sic braun mit grauen S~iumen. Der Unterk~rper des Vogels ist hell roth- gelb (roux clair): yon der Mitte des Bauehes an weiss; die Seiten sind grau, die untern Sehwanzdeeken r~ithlieh weiss. Der leieht gabelspal- tige Sehwanz ist schwarz, mit Ausnahme der zwei mittleren Steuer- federn, welche grau, naeh aussen schmal weisslich gerandet sind. Als Hauptkennzeichen der Art steht auf dem inwendigen Bart der aussersten, naeh aussen weiss ges~iumten Steuerfeder ein grosset grauer Fleck und dieser wiederholt sich in etwas geringerer Ausdehnung auf der zweit- aussersten Schwungfeder. Beide Flecke erscheinen nach Innen zu weiss gesiiumt. Schnabel graublau mit einem kleinen weissen Fleck je seit- warts yon der Ylitte. Beine, Fiisse und Nagel bleigrau. Das Kleid des Weibehens ist oben olivenbraun, unten riJthlich; das

Andeutungen azorischer Ornithologie

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Andeutungen azorischer Ornithologie mitgethcilt yon

Dr. (~arl Bolle.

Wir beeilen uns, das deutsche ornithologische Publikum mit der Entdeekung eines neuen europaisehen Singvogels bekannt zu maehen. Es ist dies eine Fringille aus der Gruppe der eehten, den alten Linn~.- sehen Gattungsnamen heut zu Tags ausschliesslieh bewahrenden Finken; sic bewohnt die azorisehen Inseln and wurde dureh den Franzosen Morelet im Balge an Pucheran mitgetheilt, yon diesem aber in einem vor der Pariser Soei6t6 phitomathique am 5. Februar 1869 gehaltenen Vortrage: ,,Observations sur deux esp~ees de Passereaux originaires des Aqores ~' als F. Moreletti eharaeterisirt. Abgedruekt steht diese Arbeit Pucheran's in dem Journal ,,L'Institnt", No. 1310~ vom 7. Februar 1859; dann noeh einmal, in wortgetreuer Wiederholung, im 11. Jahr- gange der Revue et magazin de zoolog'ie (1859) p. 409.

Letztgenannte Zeitsehrift liefert ausserdem auf T. 16 eine Abbil- dung des m~innlichen Vogels.

Folgende nach Paeheran's Anffaben verfasste Besehreibung wird geniigen, sieh das Bild der neuen Species zu vergegenw~irtigen.

Fringilla iltoreletli, Pueher. bat einen an der Stirn tiefer gefarbten dunkel blaugrauen Kopf and Naeken. Von da ab nimmt Olivengriin den Riicken and die vordersten Sehwanzdeeken ein; weiter naeh hinten sind Letztere sehw~irzlich. Die FlUgel tragen auf sehwarzem Grunde zwei weisse Binden~ eine obere breite und eine untere sehr sehmale~ nur dureh die weissgefiirbten Spitzen der unteren Fltigeldeeken gebil- dete. Die Sehwungfedern sind sehwarz, sehmal mit nach oben zu in's Olivengriine tibergehendem Weiss ges~iumt, auf der Unterseite sind sic braun mit grauen S~iumen. Der Unterk~rper des Vogels ist hell roth- gelb (roux clair): yon der Mitte des Bauehes an weiss; die Seiten sind grau, die untern Sehwanzdeeken r~ithlieh weiss. Der leieht gabelspal- tige Sehwanz ist schwarz, mit Ausnahme der zwei mittleren Steuer- federn, welche grau, naeh aussen schmal weisslich gerandet sind. Als Hauptkennzeichen der Art steht auf dem inwendigen Bart der aussersten, naeh aussen weiss ges~iumten Steuerfeder ein grosset grauer Fleck und dieser wiederholt sich in etwas geringerer Ausdehnung auf der zweit- aussersten Schwungfeder. Beide Flecke erscheinen nach Innen zu weiss gesiiumt. Schnabel graublau mit einem kleinen weissen Fleck je seit- warts yon der Ylitte. Beine, Fiisse und Nagel bleigrau.

Das Kleid des Weibehens ist oben olivenbraun, unten riJthlich; das

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Sehwarz der FlUgel und des Sehwanzes verwaschner als beim M~inn- chert. - - Die bezeiehnenden grauen Sehwanzllecke sind deutlieher weiss gerandet. Sehnabel hornbraun.

Hiernaeh wtirde die bisher noeh nieht gegebene Diagnose des azorisehen Finken lauten:

Fringilla(Moreletti): pileo et nueha obscure eoeruleseenti-griseis, fl'onte saturatiore, dorso cure teetrieium eaudalium parte anteriore oli- vaeeo-viridi, posteriore nigreseenti, teetrieibus alarum nigris vittis duabus albis, superiore lata, inferiore angustissima notatis, remigibus nigris albi- do-olivaeeo-marginatis, eorpore subtus pallide rufo, lade a medio abdo- mine albo, hypoehondriis griseis, subeaudalibus ex albo rufeseentibus, eauda nigra, reetrieibus mediis griseis extus anguste albido-marginatis, exterioribus duabus pogonio interno late griseo-maeulatis, rostro eoeru- leseenti-griseo, pedibus ae unguibus p lumbe i s . - Foem. Supra olivaeeo- brunnea, subtus rufeseenti, teetrieibus alarum albo-bivittatis, remigibus reetrieibusque eolore nigro dilutiore, reetrieibus exterioribus duabus griseo-maeulatis, maeul[s intus magis eonspieue albo-marginatis, rostro eorneo-brunneo.

Wie man sieht also, eine dem Typus des kontinental-europ~iisehen Buehfinken (F. coelebs) sehr nah stehende, doeh aber dureh in die Augen fallende Merkmale vollkommen gut als selbststfindig eharacteri- sirte Bildung. Geb~te uns nieht unsre vollstfindige Unkenntniss der Sitten, Stimme und Fortpflanzung der F. Moreletti jede derartige Dis- kussion als verfriiht abzulehnen, so m6ehten wir Denen, die augenbliek- lieh wieder ,elimatisehe Variet~it ~ sagen werden, zu bedenken geben, wie ausserordentlieh gleiehartig Klima, Vegetation und Bodenverhfilt- nisse, namentlieh der Lorbeer-Region der Canaren mit denen der Azoren, und wie dennoeh die Finken beider Inselgruppen welt entfernt davon sind, identiseh zu sein.

Die Gattung Fringilla im engeren Sinne' besteht, naeh unsrer jetzigeu Bekanntsehaft mit derselben, aus seehs Arten:

1. Frin#illa coelebs L.: Europa und Westasien. 2. F. spodiogenia Bp.: Berberei, namentlieh Algerien und Tunis. 3. F. Moreletti Pueh. : Azoren. 4. F. canariensis Vieill. - - F. Tintillon Berthetot: Canaren und

Madeira. 5. F. teydea Berthelot: Teneriffa. 6. F. Montifringilla L.: Nor&Europa. Die vier erstgenannten bilden ihrerseits darin wieder die Section

der um unsern coelebs, als weitverbreitetsten, sieh gruppirenden Eden

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finken. Der alte Bechstein, dieser leidenschaftliche Finkenfreund~ dem nur eine Species bekannt war, wiirde mit dem seither gewonnenen Zu- wachse seiner Lieblinge zufrieden sein. - - Es muss auffallen, dass yon einer Gattung, die nur so wenige Repr~isentanten zfihlt, drei derselben~ F. canariensis, teydea und Morelelti, ausschliessliches Eigenthum der atlantischen Inselwelt sind. Vergleichen wir nun den Finken der Azoren mit seinen niichsten ¥ettern~ so ergiebt sich Folgendes:

Derselbe steht, unbeschadet seiner eharakteristischen Eigenthiim- liehkeiten, die hauptsiichlieh in der nur ihm eignen aschgrauen Nuan- eirung des Schwanzes bestehen~ zwisehen dem europiiischen Buehfinken und dem canarischen Tintilton so ziemlich mitteninne. Letzterm, gleich ihm eiuem Bewohner immergrUner Waldlandschaften, iihnelt er im grossen Ganzen des Farbentones~ namentlich im Chamois des Unterkiirpers; er entfernt sieh jedoch yon ihm dutch seinen griinen Rtieken, dutch gri~ssere Schmalheit der oberen Fltigelbinde und dutch anders gefiirbten Schnabel und Fiisse.

Von F. coelebs unterscheidet ihn selbstredend schon der durchaus nicht gesiittigt weinr0thliche Unterktirper und der griine Mantel; vermit- telst des letztern niihert er sich F. spodiogenia, aber diese hat asch- farbige Backen und eine blassweinrOthliehe Unterseite; auch~ selbst das Weibchen, stels weisse Schwanzflecke.

F. leydea und montifringilla endlieh, stehn als zu sehr in sieh abgeschlossene Gliederungen des Fringillentypus da, als dass eine Ver- gleichung der F. Moreletti mit ihnen niithig erschiene. Der Fink des Piks yon Teneriffa schliesst sich yon diesen, dm'ch die beiden weissen Fliigelbinden seines beim Miinnehen einfarbig bl~iulich grauen Gefieders, den Edelfinken am niichsten an. Auch gleicht sein Weibchen dem der F. Moreletti auffallend; doeh unterscheiden s ie sich leicht, abgesehen yon der verschiedenen Fiirbung des Schnabets und der Fiisse~ durch das teydea fehlende r5thtiche Colorit yon Brust und Kehlti.

Da Herr Morelet, durch friihere Reisen in Portugal, Algerien~ Cuba und Guatemala als Zoolog bekannt, der 1857 zugleich mit seinem Lands- mann Drouet und dem ausgezeichneten deutschen Geologen Herrn Hat- tung, die Azoren besuchte~ keine speciell ornithologischen Zwecke ver- folgte, sondern, yon konchyliologischen and entomologischen Interessen in Anspruch genommen, nut ein Paar VOgel nebenbei mitgenommen zu haben scheint, so befinden wir uns hinsichtlich der I)etai[s yon Lebens- und Fortpflanzungsweise des seinen l~amen verherr]ichenden Edelfinken in vollstiindigem Dunkel. Nichts ist yon demselben konstatirt, als seine

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Existenz, nieht einmal das Niihere seiner Verbreitung fiber die neun Eilande des azorischen Archipels.

Wir kiinnen jedoeh aus mtindliehen Mittheilungen yon Azorianern hinzuffigen, dass sein Name beim Volke TentilMo lautet. Cordeyro nennt TintilhSes unter den Vtigeln der Insel S. Miguel and versichert, es gebe ihrer viele. In neuerer Zeit beobachtete Darwin im hohen Ianern yon Terceira dergleiehen Finken, die er ]edoch nicht yon den europiiischen unterschied.

Herr Pucheran hat, ausser der uns bisher bescMftigt habenden Fringille, noch drei andere Singviigel (passereaux) yon den Azoren erhalten. Zwei derselben fibergeht er mit Stillschweigen. Wit k~nnen, im Interesse der atlantischen ¥ogelfauna, den Wunsch nicht unterdrlicken, es miige dem gediegnen franziisischen Ornithologen gefallen, ihre Na- men - - sei es in diesen Bliittern, sei es anderwiirts - - der Oeffent- lichkeit, unsres Dankes gewiss, zu fibergeben. Der dritte, den er nennt, wirft ein ebenso interessantes als eigenthtimliches Streiflicht auf die azorische Ornis, indem er eine unerwartete Hinneigung derselben zu niirdlichen Typen verriith. Es ist Pyrrhula coccinea Selys, die grosse Rasse des Dompfaffen; ein Vogel ~ dessert Heimath man, aufmerksam ge- macht durch sein periodisches Erscheinen in Mitteleuropa, bisher, viel- leicht voreilig, im Norden und Osten unsres Welttheils gesucht hat. Das eiazige yon Morelet mitgebrachte Exemplar besitzt einen dickeren Schnabel als gewfihnlich. Ist nun, fragen wit, P. coccinea ein stiin- diger Bewohner der Azoren? Kommt er vielleicht yon dorther zu uns oder besucht er auch jene Inseln nur als wandernder Gast? Zu tet~terer Ansicht mi)ehten wit uns aus dcm Grunde nicht bekennen, well Morelet nur den Sommer dutch auf den Azoren sammelte. Jedenfalls ist diese Pyrvhula eine nordisehere Form als bisher, Turdus iliacus ausge- nommen, unter den Landv~igeln auf irgend einer der vier atlantischen lnselgruppen beobachtet worden ist.

Im Ansehluss an Obiges, miigen hier einige Notizen, das Wenige enthallend, welches wit fiber die die Azoren bewohnenden V(igel in Erfahrung bringen konnten, Platz finden. Die 51"atur der Quellen, aus denen fast alleia zu sch@l'en mi)glich war, schliesst zwar jeden Ge- danken an eine wissenschaftliche Behandlung des Gegenstands aus, doch dtirfte er , in Ermangetung iedweder genaueren Kenntniss, behufs der Beurtheilang des Characters dieser Fauna, auch solchergestalt, der Auf- merksamkeit der Ornithologen nieht ganz unwerth sein.

Die lange Kette yon neun lnseln, unter den Breitegraden des siid-

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liehsten Europ~s, welt hinaus im atlantisehen Ocean gelegen, auf der die vulkanisehen Krf~fte in beinah ununterbroehner Thiitigkeit begr!ffen sind, wiihrend eine iippige Vegetation die Laven und Bimssteine zauber- sehnell tibergrtint, seheint an ihrem wolkenumgtirteten Pik, in ihrem seeerfiillten Caldeiras and immergriinen Bnsehwiildern zwar eine geringe Zahl yon Vogelarten, dafUr abet eine desto gri~ssere yon Individuen zu beherbergen.

Im Portugiesisehen bedeutet das Weft Aqor einen Habi(;ht oder Edelfalken and es ist bekannt, dass die grosse tllenge der Raubviigel~ die man zur Zeit der Entdeekung jener Inseln im 15. Jahrhundert da- selbst vorfand, dem Arehipel den Namen gegeben hat. Da diese Ran- bet gewiss nur zum kleinsten Theil auf Fisehnahrung angewiesen, Siiugethiere aber nrspriinglieh nieht einheimiseh waren, so setzt ihre Existenz nothwendig die einer unendlieh griisseren Menge ihnen zur Beute dienender Land- and Seevi~gel voraus. Man verdankt dem Pater Cordeyro, der seinerseits wieder aus den Manuseripten des viel /ilterea Fruetuoso entlehnt haben soil, einige nieht unwiehtige Anfsehliisse tiber azorisehes Vogelleben der friiheren Epoehen. Er sagt u. A. in seiner 1717 ersehienenen Historia insulana, yon der Insel S. Miguel redend:

,Ausser manehem wilden Gefliigel, welches man im Lande fand, wurden Hiihner versehiedner Rasse eingeftihrt und vermehrten sieh so sehr, dass man 30 Eier fiir 100 Reis (1000 Reis etwa maehen einen spanisehen Thaler) verkaufte. Mit Eiern spielten die Knaben Ball. Ausserdem kamen im Anfang aus Guinea noeh andre Htihner, kleiner and stiirker befiedert als die gew~hnliehen, dabei leiehtfiissiger, abet sehwerfiilliger im Fluge, nnd die Eier, welehe sic legten~ waren dunkel- farbig, fast sehwarz, w~ihrend die Htihner selbst grtisstentheils weiss and asehgrau aussahen. Dureh tiberm~issiges Jagen wurden sic indess ausgerottet~). Der Tauben gab es so viele, dass sic sieh den Colonisten auf Kopf, Sehultern und Hiinde setzten und je mehr weggefangen war- den, desto mehr kameu ihrer and liessen sieh greifen. Sic kannten keine Vorsieht, well sic hie vorher Mensehen gesehen batten. So, seheint es mir, sind spiiter die Leute aus Porlngal naeh dieseu Inseln gekommen, haben die ersten Ansiedler in allen Stiieken betrogen und ihnen die reiehsten Frtiehte des Landes weggenommen. Dabei nannten sic, vergleiehungsweise mit ihrer eignen Bosheit, die Insulaner ihrer Einfalt halber ,Tauben." Wollte doeh Gott, dass es noeh heut so wfire! ~

~) Dies seheint eine zeitweilige Verwilderung des ieieht and gern zum Na- turzustande zur0.ekkehrenden Perlhuhns zu konstatirea.

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Die wilde Felstaube (Columba Livia L.), so verbreitet liings der tilippenkiisten und auf den Inseln des attantisehen Meers, yon den FarOer bis zu den Capverden hin, bewohnt auch die Azoren in unge- heurer Menge. Ihre Jagd soll indess wegen der brOekelnden Felswiinde welehe die See iiberhangen, nieht immer gefahrlos sei,. Der .ns be- freundete Herr Georg Hartung traf sie, jedenfalls nistend, in einer tiefen und finstern unterirdisehen Hfhle der Insel Graeiosa, deren Boden grossentheils yon einem, erstickenden Schwefelgerueh aushauehenden Wasserspiegel angeftillt war. ,,Aengsttieh, sind seine Worte, flatterten die aufgeseheuehten wilden Tauben umber, um dureh die (senkreehte) Oeffnung zu entweiehen." Diese Vorliebe der Columba Livia fur vul- kanisch erhitzte Orte, die ebenfalls auf den Canaren hervortritt, bringt uns auf einen Gedanken, den auszuspreehen - - wenn anders es dem Naturforseher erlaubt ist, soweit riiekwiirts zu s e h a u e n - uns hier ver- gSnnt sein mag. Vielleieht war sie der erste Vogel, der naehdem in der Urzeit jene Eilande sieh unter gewaltigen Convulsionen aus dem Meeresgrund emporgerungen, seinen Fuss auf die noeh heissen Sehlaeken- hiigel ihrer Eruptionsmassen zu setzen gewagt hat.

Eine Holztaube, auf welehe die Beispiele der oben erwiihnte,, primitiven Unsehuld vorzugsweis zu beziehen sein m0gen, wird Pomba- toreaz, Ringeltaube, genannt. Sie bewohnt u. a. die Waldgebirge und Baehufer S. Miguel's. Ob C. laurivora Berth. oder sehleehthin unsre europiiisehe C. Palumbus L. (Madeira besitzt beide Arten), muss vor- liiuflg dahingestellt bleiben.

Turteltauben (Rolas) waren nieht urspriinglieh einheimiseh. Es steht ausdriieklieh verzeiehnet, einer der alten Feudalherrn (Capiffles Donatarios) habe deren naeh S. Miguel kommen lassen. Ein anderer, gleieh eifriffer Aeelimatisateur l~ingst verflossner Jahrhunderte, erwarb sieh das Verdienst der Einfiihrung des Repphuhns, welches sieh bald so sehr vermehrte, dass es zu einer Landplage ffir denAekerbau ward. Tonnenweis sehiekte man sie naeh Lissabon und die Portugiesen des Mutterlandes fanden die azorisehen ,,Perdizes ~' nut aus dem Grunde weniger sehmaekhaft, well sie so erstaunlieh wohlfeil waren. Capt. Bold nennt das Repphuhn der Inseln das rothfiissige (the red-legged partridge). Naeh der Analogie Madeiras zu sehliessen, kann es nur Perdix rubra Briss. sein,

Waehteln (Codornizes) sind hiiufig. Cordeyro lobt ihre Gr~isse; sie seien wie kleine Repphiihner und noeh gesunder zu essen; eine einzige liefere einer Person fiir einen Vintem ein ebenso treffliches~ als mfissiges Abendbrod.

3ourn, f, 0rnith., VIII. Jahrg., Nr. 47, September 1560. 5 3

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In Betreff der Singv6gel riihrnt man eine grosse Mannigfaltigkeit. Die Einwohner g6nnen ihnen den Genuss eines ungestOrten Daseins; deshalb haben sic sich unglaublieh vermehrt and die Gegenden hallen, zumal fr~h nnd Abends, yon ihrem Gesange wieder.

Die Nonnengrasmueke (Sylvia atricapilla L.), dort Toutinegro genannt, grit fur den besten S~inger und geh0rt zu den h~iufigeren V0- geln. Von Kittlitz beobachtete sic in den G~irten Fayals, neben andern Grasmucken~ deren Species festzustellen die Zeit ibm nieht erlaubte. Wahrseheinlieh ist der Avenegreira genannte, auch seiner Stimme halber geseh~tzte Vogel, ebenfalls eine Sylvie.

Den Staar and die Bachstelze -- jedenfalls ~lotacilla tiara L. - - letztere als Alveoloa unter den V6getn S. Miguels genannt, sah Darwin anf Tereeira.

Alle Angenzeugen sind einstimmig hinsiehtlich der ausserordent- lichen H~iufigkeit der Amsel (Melro, Turdus Meruta L.), die sieh vielleieht nirgend in der Welt in gleieher Menge vorflndet. Der Beeren- reichthum des Busehwaldes, der grosse Fl~iehen bedeekt, scheint ihrer Vermehrung in tiberaus hohem Grade gtinstig gewesen zu sein, so dass die immergrtinen Dickiehte f6rmlich yon diesen Vi~geln wim- meln. Ihretwegen hat man auf die Cultur der Gartenerdbeeren, denen sie vorzugsweis naehstellt, fast ganz verziehten miissen. Sic entsch~i- digt daftir dutch ihren herrliehen Gesang and darch ihr Wildpret. Aueh weisse Amseln sollen vorkommen. Naeh Cordeyro's Zeugniss gab es ihrer viele in S. Miguel, and Adanson sah bei einem nut fltiehtigen Be- saehe Fayals, nnter einer hedeatenden Anzahl gew0hnlieher, viele, deren sehwarzes Gefieder sehr htibseh weiss gescheekt war. Sic hielten sieh truppweis auf Bfiumen, welehe er Erdbeerbaume (arbousiers) nennt, die aber unstreitig die Myricct Faya waren, welehe der Insel Fayal ihren zu Deutseh ,,Buchenwald" lautenden ~lamen verschafft hat. Deren Frtichte verzehrten sic unter fortw~ihrendem Plaudern. - - Mitunter mUssen sogar weissk0pfige Amseln gefunden werden, denn Webster be- richter, nieht ohne einen Anflug yon Gelehrsamkeit: ,Die Merula leu- coeephala Brissons wird bin and wieder angetroffen. Ihre weissen Fleeke werden yon den Inselbewohnern, die das Wunderbare lieben, fUr ein Product mensehlichen Eingreifens gehalten. Der Vogel selbst steht hoch im Preise. ~'

Es ist also Thatsaehe, dass die Amsel an der ~iussersten westtiehen Grenze ihrer Verbreitung eine merkwardige Neigung, weisse oder wenig- stens seheekige Variet~iten hervorzabringen, bekundet. Dies erinnert an die yon Watson zuerst beobaehtete Erseheinung im Pflanzenreieh, die

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sonst farbige Blumen trageade Gew~iehse auf den Azoren weiss bliihen l~isst, m

Ausserdem wird eine Drossel yon Capt. Boid erw~ihnt. Wahr- seheinlich ist es, als Wintergast, der weitwandernde, die Weinliinder vorzugsweis liebende Turdus iliacus L.

I)er wilde Canarienvogel (Canario, Serinus canarius) kommt be- stimrat auf Fayal, S. Jorge und S. Miguel, vielleicht aueh anf den an- dern Inseln vor. Capt. Boid nennt ausser ihm (dera native Canary), den er als gelbbraun yon Farbe schildert, noeh den eehten Canarien- vogel (real Canary). Doch diirfte letzterer, womit unstreitig die gelbe Spielart gemeint ist, sehwerlieh anders ats ira geziihmten Zustande auftreten.

Zu gewissen Zeiten erscheinen Schwalben. Erst im Laufe des Frtihlings 1859 sah Mr. Salvin, auf der Ueberfahrt naeh Amerika, H i - rundo rustica noeh ~80 englisehe Meilen nordwestlich yon den Azoren sich an Bord seines Schiffes niederlassen~ weshalb er wohl mit Reeht vermuthet, dass die Rauchsehwalbe den Inseln nicht fremd sei ~).

Die Azoren haben vor Zeiten edle Falken (A~ores) erzeugt. giele und iiusserst schfine derselben fanden sich einst - - doeh schon zu Cordeyro's Zeit nicht mehr - - auf Terceira; wohl abet noeh andre Falken (Falc6es), Sperber (Gavi~loes), Milane (Bilhafres) und Raben (Corvos).

Wilde Enten fliegen tiber das Meer nach den:Azoren. --DerName elnes Vorgebirgs auf S. Miguel, Punta da garqa (die Reiher-Spitze) bezeugt das zeitweilige Vorkommen yon Reihern. Waldschnepfen und andere Schnepfen (Gatlinholas) sind gewiihnliche Erscheinungen.

i)I(iven kommen yore l)leere herauf zu den Siisswasserbecken und stellen den in allen Kraterseeen des Archipels anzntreffenden Gold- flschen nach.

Eine Seeschwalbe (Garajfio) nistet in Menge auf einem~ unfern der Stadt der Insel Sta. Maria befindlichen lnselchen. , W e r dahin geht, sagt ein alter Schriftsteller, kann 4 - - 5 0 0 Eier holea und die sind so gut wie die besten Htihnereier, aber er muss sich den Kopf

*) Ein andrer Reisender~ Henry Cliffe, berichtet im Zoologist~ dass Schwal- ben sein Fahrzeug im l~Ionat 0ktober 1842 bis 130 englische Meilen stidwiirts yon der Capverdischen Insel Fogo begleiteten. Wiihrend noch die erhabnen Pik- gipfel derselben tiber den Wolken sichtbar waren, richteten diese Vfigel, obwohl augenscheinlich ermfidet und, um auszuruhen, yon Zeit zu Zeit sich an die Segel klammernd, doch ihren Flug nicht deal nahen Lande zu, sondern schienen tiber das hohe Megr hin tier afrikanischen Ktiste entgegen zu wandern.

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wohl bedeeken, wenn er nicht ohne Ohren zuriiekkommen will; dean auf diese haben es die VOgel vorzugsweis abgesehen." Diese See- schwalben sind hfiehst wahrseheinlich noch heut daselbst in gleicher Menge vorhanden, denn 1857 h0rte Hartung, an jener Kaste entlang schiffend, deutlich das schrille, nfichtliche Gesehrei der ~MOven " , wie er sie neant~ von dem kleinen~ nah am Ufer gelegnen Fetseneilande hertiber t0nen.

Thalassidroma Wilsonii Bp. folgt, geseltsehaftlieh, den von Ame- rika her segelnden Sehiffen his zu den Untiefen der Azoren~ wenigstens his in Sieht yon Flores. (Nutall.)

Naeh Corvo, der westlichsten Insel des Arehipels, die ihren Na- men yon den sie bevOlkernden Raben empfangen zu haben scheint, sollen sehr viele Zugvfigel aus fremden Liindern, darunter wahrsehein- lieh aueh Verirrte aus Amerika, kommen.

Zu den merkwardigsten Ornisbtirgern der Azoren geh0ren die Sturmtaucher (Pufflnus), deren Heimath zwar eigentlich die Wellen- fliiche des Oceans selbst ist, die aber zur Zeit der Fortpttanzung regel- miissig gewisse Felseninseln und einsame Kiistenpunete, .in deren H0h- lungen sie braten, aufzusuehen gen0thigt sind.

Die Arten, welche davon vorkommen, heissen: Pardelha, Estapa- gado, Bouro und Angelito. Letzterer ist vielleicht identiseh mit Puf- finus columbinus Berth. ~ Procellaria Anginho Heineken, vielleieht abet aueh die dureh einen keilf0rmigen Schwanz mit verllingerten Mittelfedera ausgezeiehnete Procellaria Bulweri Jard.

Alle vier werden ihres Fettgehalts wegen yon den Azorianern zu Gegenst~nden einer h0chst ergiebigen Jagd gemaeht. ,,Auf Corvo, heisst es bei unserem oftgenannten Gewiihrsmann Cordeyro, bratet eine Unzahl yon Seev0geln, die man Angelitos (Engelehen) nennt: nieht gr0sser als Finken, und andere, welehe Bouros heissen, yon Tauben- gr0sse. Endtieh eine dritte Art: die Estapagados. Hundert Angelitos liefern eine Canada (zwei Pinten) dem Oliven01 an Gate gleichkommen- den Oels, das zur Bereitung der Speisen benutzt wird. Man fangt sie nur im Juli, August und September. Aus den Bouros gewinnt man ebenfatls viel und gleiehgutes SpeiseOl und ihr Fleiseh ist ebenso wohl- sehmeekend and besser noch als das von Hahnern. Die Estapagados lassen dasselbe reiehliche und vortreffliche Oel aus dem Sehnabel fliessen. So erhalt man tonnenweis alas Oel dieser VOgel. Damit befrachtete Barken gehn nach Flores. Es wird abet auch streng Waehe daraber gehalten, class Niemand die Thiere, wtihrend der Monate in denen sie hriiten, verfolge, damit sie nieht ausgerottet werden, dean, abgesehen

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yon dem Oel, dient ihr Fleiseh den Einwohnern zur leekeren Speise, ihre Federn zu Betten und ihr Fett zur Tuehfabrikation."

Von den Estapagados wnrden sonst mitunter am Strande yon Villa-franca auf S. Mignel 10~000 gefangen, nnd yon einer fihnliehen Art, den Pardelhas, t6dteten einmal daselbst drei J~iger in einer 51acht 7600 Stiiek. Es wurden ganze Wagenladungen davon fortgesehafft. Diese VOgel sind schwarz wie Raben, yon KOrper so sehwer wie eine Ente; dabei besitzen sie einen Sperberscbnabe], mit dem sie den Fiseh, yon welchem sie sich niihren, ergreifen. ])lit ihren Federn stopft man Matratzen, ihre Haut liisst sich aussehmelzen wie Speck nnd aus dem tibrigen KiJrper (man driiekt ihnen, wenn man sie fiingt, den Schnabel zu), wird soviel Oel erzielt, dass zehn Pardelhas gewOhnlieh eine Ca- nada desselben geben, nnd die yore Fang heimkehrenden Jfiger wie fiber nnd fiber besehmierte Oelpresser aussehen.

Diese niitzlichen ¥iJgel wnrden anf S. Miguel dnreh Frettehen friihzeitig ausgerottet oder vielmehr zum Aufgeben ihrer dortigen Nist- pliitze bewogen.

Berlin, im Jnli 1860.

Ueber sine anscheinend ncuo Art dcr Gattung Plyctolophus. Von

Alex. v. Homeycr.

Sehon seit 2 Jahren beseh~iftigte reich ein Vogel der Gattung Plyctolophus, indem ieh ihn nicht zu bestimmen wusste. Anfiinglieh vermuthete ieh einen jener Viigel, welehe Bonaparte im Tableau des Perroquets (Extrait de la Revue et Magazin de Zoologie No. 3, 1854) auffiihrte. Doeh ist dieses nieht miJglieh, indem de Souan~d in der neuern mir jetzt erst zngehenden Bearbeitung, dem Catalogue des Perro- quets (Extrait de la Revue etc. No. 2, 1856) gerade diese fragliehen yon mir nieht gekannten Arten : aequatorialis (Temm.), parvulus (Bp.), Ducrops (Hombr.), Triton (Temm.) fortliisst, und ihnen somit die Art- bereehtignng nicht zugesteht, wiihrend mein Vogel zu keiner der yon de Souanq~ belassenen Arten passen will. Ieh vermathe demnaeh, dass er neu ist, und gebe ihm den Namen: Plyclolophus croceu8.

D iag n o s e : Plyctolophus : albns~ crista eroeea, plumis anrieularibns eroeeo leviter tinetis.

B e s e h r e i b u n g . Dem P. sulphureu8 am Aehnliehsten und des- halb ein Vergleieh mit diesem am Zweekmiissigsten.