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Andrea Óhidy · Ewald Terhart · József Zsolnai (Hrsg.) Lehrerbild und Lehrerbildung

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Andrea Óhidy · Ewald Terhart · József Zsolnai (Hrsg.)

Lehrerbild und Lehrerbildung

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Andrea Óhidy · Ewald TerhartJózsef Zsolnai (Hrsg.)

Lehrerbild und LehrerbildungPraxis und Perspektivender Lehrerausbildung inDeutschland und Ungarn

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1. Auflage Juni 2007

Alle Rechte vorbehalten© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007

Lektorat: Stefanie Laux

Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.www.vs-verlag.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. JedeVerwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes istohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesonderefür Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei-cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesemWerk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solcheNamen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachtenwären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergDruck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., MeppelGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in the Netherlands

ISBN 978-3-531-15308-7

Bibliografische Information Der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

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Inhaltsverzeichnis

Geleitwort........................................................................................................... 11Mária Nagy, Generalkonsulin der Republik Ungarn

Vorwort der Herausgeber ................................................................................... 13

I. Lehrerbildung in Deutschland und in Ungarn

Das deutsche Bildungswesen ...................................................................... 19 Andrea Óhidy

Strukturprobleme der Lehrerausbildung in Deutschland ............................ 45 Ewald Terhart

Das ungarische Bildungssystem.................................................................. 67 Andrea Óhidy

Offene Fragen der Lehrerausbildung in Ungarn ......................................... 95 József Zsolnai

Lehrer(aus)bildung in Deutschland und in Ungarn................................... 115 Gabriella Bikics

II. Wandel des Lehrerbildes

Gute Lehrer – schlechte Lehrer ............................................................... 127 Hermann Giesecke

Die Bielefelder Laborschule ..................................................................... 135 Hartmut von Hentig

Das Lehrerbild an der Bielefelder Laborschule ....................................... 141 Wiltrud Döpp

Lehrerbildung im Spiegel des Rollenwandels der Pädagogen .................. 153 Zoltán Poór

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Pädagogik der Wertevermittlung und Fähigkeitsförderung (ÉKP-Programm) ...................................................................................... 159 József Zsolnai

Das Lehrerbild des ÉKP-Programms ........................................................ 165 Éva Kiss/József Zsolnai

Wandel des Lehrerbildes in Deutschland und Ungarn ............................. 179 Dietrich Lemke

III. Praxis in der Lehrer(aus)bildung

Anmerkungen zu Praxisphasen in der Ersten Phase der Nordrheinwestfälischen Lehrerbildung..................................................... 187 Andreas Bergheim

Das Referendariat als Ausbildungsphase der Berufseinführung ............... 203 Franz-Josef Bölting/Stephan Thomas:

Persönlichkeit – Handlungsorientierung – Kompetenzen. Subjekt- und handlungsorientierte Lernformen im Pädagogikstudium an der Universität Szent István................................... 219 Lenke Kocsis Fábiánné

Praxisphasen in der Lehrerausbildung an der Universität Szent István ............................................................................ 233 Márta Lóczi

Praxis in der ungarischen und deutschen Lehrer(aus)bildung................... 241 Volker Möhle

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IV. Chancen und Perspektiven der Neugestaltung der Lehrer(aus)bildung gemäß der Erklärung von Bologna

Schaffung eines europäischen Hochschulraumes. Die gemeinsame Erklärung der europäischen Bildungsminister von Bologna und ihre Auswirkungen........................................................ 249 Kerstin Wedekämper

Strukturverschlechterung statt Qualitätsverbesserung? Integriertes sondepädagogisches Bachelor- und Masterstudium an der Universität Bielefeld.............................................. 267 Dagmar Hänsel

Bologna – Anfang und Ende der Europäischen Universität. Eine Polemik. ............................................................................................ 277 Dietrich Lemke

Reflexionen über die Gestaltung der einheitlichen Struktur der Lehrerausbildung nach der zweistufigen Bildungsstruktur von Bologna .............................................................................................. 295 Endre Barkó

Situationsbild der ungarischen Pädagogenausbildung im Bologna-Prozess im Spiegel der Rechtsregulierung ............................ 311 Mária Mátyási

Verwirklichung des Bologna-Prozesses im deutschen und ungarischen Hochschulwesen ............................................................ 327 Cecilia Tusa

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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ................................................. 333

Anhang...................................................................................................... 339

Grußworte zur Tagung „Lehrerbild und Lehrer(aus)bildung - Praxis und Perspektiven in Deutschland und in Ungarn“ am 31. März 2006, Bielefeld Prof. Dr. Dieter Timmermann, Rektor der Universität Bielefeld Prof. Dr. Hartmut von Hentig, Gründer der Laborschule Prof. Dr. Uwe Sander, Dekan der Fakultät für Pädagogik an der Universi-tät Bielefeld Dr. Attila Király, Gesandter der Republik Ungarn

Nachwort................................................................................................... 348 Prof. Dr. Helmut Steiner, Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft

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Geleitwort

Bildung ist die Kernfrage der Jugendpolitik und Zukunftsvorbereitung jeder Gesellschaft. Ob unsere Kinder und Kindeskinder ausgeglichen in Wohlstand und mit möglichst guten Entwicklungschancen leben werden, hängt weitgehend vom Bildungssystem ab. Gut ausgebildete, auf die Jugendlichen eingestellte Lehrer sind die wichtigste Voraussetzung von erfolgreichen Bildungsprozessen. Glücklich ist das Kind, das in dieser wichtigen Phase seines Lebens in die Hän-de von guten Lehrern und Lehrerinnen gelangt. Dies kann ausschlaggebend für seine ganze Zukunft sein.

Sowohl Deutschland als auch Ungarn stehen heute vor enormen Herausfor-derungen, was die Erneuerung des Bildungssystems und damit die Erneuerung der Lehrerbildung betrifft. Die Tagung „Lehrerbild und Lehrer(aus)bildung – Praxis und Perspektiven in Deutschland und in Ungarn“ an der Universität Bie-lefeld betrachtete 2006 dieses Thema aus der vergleichenden Perspektive. Deut-sche und ungarische Teilnehmer haben viel voneinander erfahren und zu den möglichen Lösungen einen bedeutenden Beitrag geleistet, ganz im Sinne der „Gemeinsamen Erklärung zwischen dem Ministerium für Bildung der Republik Ungarn und dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen zur Intensivierung der Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft und Forschung“ vom 21. Februar 2005. Die vorliegende Veröf-fentlichung macht es möglich, dass ein viel breiteres Publikum die wertvollen Studien der Tagung kennenlernt.

Ich möchte den Verfassern der Aufsätze und den Herausgebern zu ihrer gründlichen, engagierten Arbeit und Frau Andrea Óhidy noch darüber hinaus zu der gelungenen Organisation der Tagung von Herzen gratulieren.

Düsseldorf, 25. April 2007

Mária Nagy Generalkonsulin der Republik Ungarn

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Vorwort der Herausgeber

In der Lehrer(aus)bildung werden zurzeit umfassende Reformen in ganz Europa durchgeführt, die eng mit der Erklärung von Bologna verbunden sind. Im Zent-rum der Reformen steht die Harmonisierung der europäischen Hochschulland-schaft. Die Strukturveränderungen sollen zur qualitativen Verbesserung der Hochschulausbildung beitragen. Vor diesem Hintergrund diskutierte die Tagung „Lehrerbild und Lehrer(aus)bildung – Praxis und Perspektiven in Deutschland und in Ungarn“ am 31. März 2006 an der Universität Bielefeld die deutschen und ungarischen Entwicklungen.

Die vorliegende Veröffentlichung greift Struktur und Thematik dieser Ta-gung auf. Sie diskutiert mit Hilfe von deutschen und ungarischen Experten de-ren Themen, vor allem den Wandel des Lehrerbildes, die Praxis innerhalb der Lehrer(aus)bildung sowie Chancen und Perspektiven für deren Neugestaltung gemäß der Erklärung von Bologna.

Das Buch knüpft bewusst an die Tradition des Ost-West-Vergleichs in der deutschen vergleichenden Erziehungswissenschaft an und will dazu beitragen, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Alt- und Neu-EU-Ländern an den Beispielen Deutschlands und Ungarns transparent zu machen, um dadurch das Einander-Verstehen und das Miteinander-Leben innerhalb der Europäischen Union zu erleichtern.

Das Ziel ist, diese verschiedenen Aspekte in Deutschland und in Ungarn vergleichend darzustellen. Das Buch versucht, zwischen den zwei ausgewählten Ländern eine Brücke zu schlagen und die ungarischen Debatten über das Thema Lehrer(aus)bildung für die deutsche Diskussion zugänglich zu machen. Es soll sowohl das deutsche als auch das ungarische Fachpublikum ansprechen.

20 namhafte deutsche und ungarische Autorinnen und Autoren denken hier über wichtige Fragen der Lehrer(aus)bildung nach. Wie aus der Unterschied-lichkeit bezüglich Länge und Stil der einzelnen Beiträge zu ersehen ist, wurde den Experten bei der Gestaltung ihrer Texte größtmögliche Freiheit zugestan-den. Die Beiträge geben die persönliche Auffassung der Autoren wieder und können weder den Institutionen zugerechnet werden, bei denen sie angestellt sind noch als Meinung der Herausgeber aufgefasst werden.

Der Band ist in vier thematische Blöcke gegliedert. Der erste Block stellt die wesentlichen Eigenschaften der deutschen und ungarischen Bildungs- und Lehrerbildungssysteme vor.

Die Aufsätze von Andrea Óhidy beschreiben das deutsche und das ungari-sche Bildungswesen. Sie verstehen sich auch als Hintergrundinformation für die nachfolgenden Beiträge, die sich mit den aktuellen Entwicklungen der Lehrer-

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Vorwort14

bildung dieser beiden Systeme beschäftigen. Ewald Terhart – der die von der Kultusministerkonferenz 1998 einberufene Kommission „Lehrerbildung“ in Deutschland leitete - stellt die Probleme der heutigen deutschen Lehrerausbil-dung und deren mögliche Lösungen vor. József Zsolnai, der u. a. das Ungarische Landesinstitut für Volksbildung gründete, und das „Sprachliche, literarische und kommunikative Programm“ (Nyelvi-irodalmi-kommunikációs program, NYIK) sowie das Programm der „Pädagogik der Wertevermittlung und Fähigkeitsför-derung“ (Értékközvetít és képességfejleszt pedagógia, ÉKP) erarbeitete, plä-diert für die Einführung einer einheitlichen Ausbildung für alle pädagogischen Berufe. Am Ende des Themenblocks fasst Gabriella Bikics die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Lehrerbildung beider Länder zusam-men.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Wandel des Lehrerbildes in Deutschland und in Ungarn an den Beispielen der Bielefelder Laborschule und Zsolnais ÉKP-Programm. Hermann Giesecke und Zoltán Poór zeichnen ein Idealbild des deutschen und ungarischen Lehrers. Nach einer kurzen Einführung durch die jeweiligen „Gründungsväter“, Hartmut von Hentig und József Zsolnai,stellen Wiltrud Döpp und Éva Kiss/József Zsolnai das Lehrerbild der Bielefelder Laborschule und des ÉKP-Programms vor. Am Ende des Blocks vergleicht Dietrich Lemke diese Vorstellungen miteinander.

Das dritte Thema des Bandes ist die Rolle der Praxisphasen in der Leh-rerausbildung. Andreas Bergheim und Lenke Kocsis Fábiánné stellen diesen Aspekt der deutschen und des ungarischen universitären Lehrerausbildung vor. Franz-Josef Bölting und Stephan Thomas sowie Márta Lóczi machen uns mit Struktur, Vorteilen und den wichtigsten Problemen der praktischen Ausbil-dungsphase bekannt. Volker Möhle vergleicht die beiden Modelle miteinander.

Der letzte Themenblock analysiert die aktuellen Entwicklungen in der Leh-rerbildung aufgrund der Erklärung von Bologna. Zunächst stellt Kerstin Wede-kämper die wichtigsten Zielsetzungen des „Bologna-Prozesses“ vor. Dann zeigt Dagmar Hänsel anhand des „Bielefelder Modells“ eine sehr konkrete Reaktion auf die Erklärung auf. Dietrich Lemke fasst die wichtigsten Kritikpunkte der deutschen Bologna-Gegner zusammen. Endre Barkó diskutiert, wie weit die bildungspolitischen Zielsetzungen mit einer einheitlichen Lehrerbildung verein-bar sind. Mária Mátyási verfolgt die Auswirkungen des Bologna-Prozesses in Ungarn. Zum Schluss diskutiert Cecilia Tusa diese Veränderungen verglei-chend. Das Buch endet mit den Grußworten zur Tagung „Lehrerbild und Leh-rer(aus)bildung – Praxis und Perspektiven in Deutschland und in Ungarn“ am 31. März 2006 an der Universität Bielefeld und dem Nachwort von Helmut Steiner.

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An dieser Stelle möchten wir der Fakultät für Pädagogik der Universität Biele-feld, der Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft und ihrem Vorsitzen-den, Prof. Dr. Helmut Steiner, sowie der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft Münster für die finanzielle Unterstützung des Projektes danken. Für ihre wert-volle Hilfe bei der Organisation der Tagung danken wir dem ehemaligen Ge-sandten der Republik Ungarn, Dr. Attila Király, dem Rektor der Universität Bielefeld, Prof. Dr. Dieter Timmermann, dem Leiter der Pressestelle, Dr. Hans-Martin Kruckis, sowie Volker Möhle, dem Leiter des Zentrums für Lehrerbil-dung an der Universität Bielefeld und Kerstin Wedekämper. Dem Dekan der Fakultät für Pädagogik, Prof. Dr. Uwe Sander, gilt unser besonderer Dank: Oh-ne ihn wäre weder die Tagung noch diese Veröffentlichung zustande gekom-men. Den Autorinnen und Autoren sei ganz besonders herzlich für ihre Mitar-beit, wertvolle Unterstützung, gehaltvolle Anregungen und die gute Zusammen-arbeit gedankt. Den Übersetzerinnen, Gabriella Bikics, Olga Fekete, Tatjána Ilnyickaja und Magdolna Szénási Palláné sei für ihre schwierige Arbeit herzlich gedankt. Matthias Eickhoff danken wir dafür, dass er das Buch mit seiner kon-struktiven Kritik und unermüdlichen Korrekturarbeit unterstützt hat. Kerstin Wedekämper hat die Textgestaltung und die Erstellung der Druckvorlage mit viel Geduld und Kompetenz übernommen. Für ihre Bemühungen danken wir ihr ganz herzlich.

Das Buch „Lehrerbild und Lehrer(aus)bildung – Praxis und Perspektiven in Deutschland und Ungarn“ will die deutsche und die ungarische Diskussion um die Lehrer(aus)bildung beleben. Das Werk möchte Anstöße geben, die hier angeschnittenen Themen weiterzudenken, und sie in den internationalen Kon-text stellen.

Bielefeld, Münster und Budapest im März 2007 Die Herausgeber

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I. Lehrerbildung in Deutschland und in Ungarn

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Das deutsche Bildungswesen

Andrea Óhidy

Das wesentliche – und wahrscheinlich das meist kritisierte - Merkmal des deut-schen Bildungswesens ist seine föderale Struktur, die aus der Staatsform des Landes resultiert. Seit den 1990er Jahren vollziehen sich im deutschen Bil-dungssystem tief greifende Veränderungen. Die Gründe dafür sind vielseitig. Es gibt aber drei Hauptfaktoren, die für die Veränderungen verantwortlich zeich-nen: Am Anfang spielte die Wiedervereinigung und die Zusammenführung der Bildungssysteme der BRD und der DDR die Hauptrolle. Später beeinflussten die internationalen Vergleichstudien TIMSS1 und PISA2 die deutsche Bildungs-politik. Spätestens seit der Jahrtausendwende bestimmt die Europäische Union die Richtung der bildungspolitischen Veränderungen in Deutschland mit. Durch die Bestrebungen der Union, Bildung und Erziehung der Mitgliedsländer stärker zu koordinieren sowie durch das schlechte Abschneiden deutscher Jugendlicher in der PISA-Studie, steht das deutsche Bildungssystem unter einem enormen Veränderungsdruck. Obwohl diese keineswegs überraschenden Ergebnisse in der gegenwärtigen Struktur des deutschen Bildungswesens und der sie beein-flussenden sozialen, ökonomischen und kulturellen Strukturen begründet sind (vgl. Lange 2006), scheint das dreigliedrige Schulsystem weiterhin „die heilige Kuh“ des deutschen Bildungswesens zu sein.3 Ganz anders in der Lehrerausbil-dung, in der sich aufgrund der Erklärung von Bologna eine maßgebliche Struk-turveränderung; das konsekutive Modell mit den Bachelor- und Master-Studiengängen langsam durchsetzt.

Die Lehrer(aus)bildung kann nur im Kontext des gesamten Bildungssys-tems gesehen werden. Sie ist einerseits Teil des Hochschulsystems, da in Europa die Ausbildung von Lehrkräften meistens an Universitäten bzw. pädagogischen Hochschulen stattfindet. Andererseits ist sie sehr stark von den aktuellen Ent-wicklungen des Pflichtschulbereichs abhängig, für den die Lehrkräfte ausgebil-det werden. 1 TIMMS: Third International Mathematics and Science Study 2 PISA: Programme for Internationale Student Assessment 3 Trotz Kritik auf allen Seiten: Sowohl vom UN-Sonderberichterstatter Vernor Mu oz Villalobos als auch von zahlreichen deutschen Experten (vgl. stellvertretend Bochumer Erklärung 2005) werden die strukturbedingten Probleme des deutschen Bildungswesens, wie frühe Selektion, Mängel bei der Integration von Migrantenkindern und Behinderten im Regelschulsystem angeprangert (Neumann 2007, S. 2).

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Das deutsche Bildungswesen 20

Folgender Beitrag stellt nach einer kurzen Vorstellung der wichtigsten statisti-schen Daten zur Bundesrepublik Deutschland die Entwicklungen im Bereich Bildung und Erziehung nach 1945 in Form eines historischen Rückblicks vor. Danach wird das jetzige Bildungswesen nach folgenden Kriterien beschrieben: 1) Steuerung, Verwaltung und Kontrolle, 2) Struktur und Aufbau sowie 3) Fi-nanzierung.

1. Steckbrief Deutschland

Das 357 000 km2 große Land liegt „im Herzen Europas […] zwischen Skandi-navien im Norden und dem Mittelmeerraum im Süden sowie zwischen dem atlantischen Westen und den Weiten des europäischen Osten“ (Baedecker 2004, S. 16). Seine Nachbarstaaten sind im Westen die Niederlande, Belgien, Frank-reich und Luxemburg, im Süden, die Schweiz und Österreich, im Osten Tsche-chien und Polen und im Norden Schweden und Dänemark. Die Staatsform ist Republik (Bundesrepublik Deutschland). In Deutschland leben ca. 82,16 Millio-nen Menschen, davon 3,4 Millionen in der Hauptstadt Berlin. Verwaltungsmä-ßig gliedert sich das Land in 16 Bundesländer: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, und Thüringen. Die Landessprache ist Deutsch, eine germanische Sprache. Die größte ethnische Minderheit ist tür-kischstämmig (ca. 2,05 Mio.), gefolgt von Menschen aus dem ehemaligen Ju-goslawien (ca. 737 000), Italienern (615 000), Griechen (364 000) und Polen (291 000). Es leben ca. 120 000 Ungarn in der Bundesrepublik Deutschland.4Die Religionszugehörigkeit gestaltet sich wie folgt: römisch-katholisch (ca. 27,15 Mio.), evangelisch (27,1 Mio.). Zusätzlich gibt es noch u. a. die Neuapos-tolische Kirche (430 000), die Griechisch-Orthodoxe Gemeinde (ca. 350 000), die Zeugen Jehovas (151 000) und die Serbisch-Orthodoxen (150 000). Zum Islam bekennen sich 1,7 Mio. Menschen, die jüdische Gemeinde hat ca. 82 000 Mitglieder (ebd. S. 20). Deutschland zählt zu den führenden Wirtschaftsnatio-nen. Das Wirtschaftswachstum lag im Jahre 2006 durchschnittlich bei rund 2%, die Arbeitslosigkeit bei 11 %, die Inflation bei 2% (Quelle: Statistisches Bun-desamt).

4 Angabe des Bundes Ungarischer Organisationen in Deutschland.

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2. Entwicklung des Bildungswesens nach 1945

Die Geschichte Deutschlands nach 1945 bis heute kann in zwei Phasen einge-teilt werden:

Die erste Phase dauerte vom Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 bis 1990, und ist die Epoche der Zweiteilung Deutschlands. Sie bedeutete den Verlust der staatlichen Einheit. Die zweite Phase fing mit der Wiedervereinigung an, die auch die Wiedererlangung der vollen staatlichen Unabhängigkeit bedeutete.

2.1 Entwicklung der Bildungssysteme der BRD und der DDR 1945 – 1990

Das Ende des Zweiten Weltkrieges läutete eine neue Epoche der deutschen Geschichte ein: die Zweiteilung des Landes Deutschlands. Schon 1943 be-schlossen Roosevelt, Churchill und Stalin in Teheran die Aufteilung. Nach dem Krieg setzten die Siegermächte in der Potsdamer Konferenz diesen Plan in die Praxis um. Die zur Interessensphäre von Großbritannien, Frankreich und USA erklärten Gebiete wurden 1949 zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) zu-sammengefasst. Diese betrachtete sich politisch als „identisch“ mit dem Deut-schen Reich (Rupp 1978). In der sowjetischen Besatzungszone wurde im Ge-genzug noch im selben Jahr die Deutsche Demokratische Republik (DDR) ins Leben gerufen. Der Kalte Krieg teilte die Welt bald ideologisch und wirtschaft-lich entzwei. So standen sich die zwei deutschen Staaten politisch ebenfalls gegenüber, wie dies durch die Berliner Mauer ab 1961 auch sichtbar wurde. Die Besatzungsmächte gingen in ihren Zonen unterschiedlich vor: In Westdeutsch-land begann schon 1947 mit dem Marschallplan der Wiederaufbau, die Markt-wirtschaft wurde unterstützt, eine Währungsreform eingeleitet: all dies führte bald zum „Wirtschaftswunder“. Die Alliierten betrieben eine Entnazifizierungs- und Demokratisierungspolitik, die längerfristig auf eine selbstständige deutsche Politik hinauslief. Die Sowjetunion dagegen ließ in Ostdeutschland das Einpar-teiensystem und die Planwirtschaft nach sowjetischem Muster einführen. Im Folgenden werden die bildungspolitischen Entwicklungen dieser Epoche in der BRD und der DDR parallel dargestellt.

2.1.1 Bundesrepublik Deutschland

Die bildungspolitische Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland fing mit einer Phase der direkten Einflussnahme der Alliierten auf die Bildungspolitik

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Das deutsche Bildungswesen 22

an, die 1949 mit der Gründung der BRD endete. Die Kulturhoheit der Länder wurde im Grundgesetz festgeschrieben. Die föderalistische Ordnung des Bil-dungswesens sowie die Dreigliedrigkeit des Schulsystems blieben erhalten. Die Koordinierung auf der Bundesebene übernahm die 1949 gegründete Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland(KMK).

Die folgende Zeit lässt sich nach Peter Massing durch „tastende Reformen und Effektivierung des Bestehenden“ charakterisieren (Massing 1995, S. 12). 1955 wurde im „Düsseldorfer Abkommen“ das dreigliedrige Schulsystem als verbindliche Grundstruktur vereinbart. Ebenfalls einigten sich die Länder (außer Bayern) hinsichtlich der Dauer der Schulzeit, des Bewertungssystems, der Schultypen, der Fächer und der Abschlüsse. Bald wurde das Schulgeld abge-schafft. Die Einrichtung des Abendgymnasiums ermöglichte den „Zweiten Bil-dungsweg“. 1964 diagnostizierte Georg Picht „eine deutsche Bildungskatastro-phe“ (Picht 1964), die zu einer Reformphase führte: Aufgrund seiner Analyse wurden mit Hilfe des 1965 gegründeten Deutschen Bildungsrates in allen Stufen des Bildungswesens verschiedene Reformen durchgeführt, neue Bildungsein-richtungen (z. B. Gesamtschulen, Fachober- und Fachhochschulen) wurden geschaffen. Diese Veränderungen zielten vor allem auf die Verbesserung der sozialen Chancengleichheit („Bildung für alle“). Sie bestimmen teilweise bis heute Struktur und Aufbau des Bildungswesens (Anweiler 1996, S. 32).

Bildung wurde einerseits zum Bürgerrecht andererseits zum wichtigen Pro-duktionsfaktor. Aufgrund der größeren Nachfrage nach Bildung kam es Anfang der 1970er Jahre zu einer Bildungsexpansion. Dies bewirkte eine Neudefinition der bürgerlichen Grundbildung auf dem Mittelschulniveau. Um eine bessere Durchlässigkeit zu gewährleisten, wurden die verschiedenen Bildungsprogram-me des dreigliedrigen Systems einander angeglichen. Axel Nath sieht in der Entwicklung des Bildungssystems einen progressiven Trend zur Öffnung der Bildungsselektion, der sich seit 1800 in vier langen - von kürzeren Stagnations-phasen unterbrochenen - Wachstumsschüben vollzog. Ab den 1950er Jahren stellt er einen „Wachstum auf dem Niveau der horizontalisierten, aber immer noch relativ hierarchisierten Bildungsselektion bei rasanter Schrumpfung der Hauptsschulbeteiligung“ fest (Naht 2001, S. 41). Ab den 1980er Jahren spricht er über eine Stagnation auf dem erreichten Niveau.

Massing nennt diese Zeit die Phase der „Bildungsreform und Bildungseu-phorie“ (ebd. 14.), in der die Veränderungen eine Gesellschaftsreform bezweck-ten. 1969 erhielt der Bund durch Änderung des Grundgesetzes die Rahmenkom-petenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens. Dies ermöglichte 1976 das Hochschulrahmengesetz. Der Bau von Hochschuleinrichtungen wurde als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern definiert, und die staatlichen

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Aktivitäten im Weiterbildungsbereich auf Festlegung von Finanzierungs- und Organisationsgrundsätzen beschränkt (Döbert 2002, S. 95). 1969 wurde die Einheitlichkeit der beruflichen Bildung durch das Berufsbildungsgesetz gesetz-lich geregelt (Ausnahmen waren die im Zuständigkeitsbereich der Länder lie-genden berufsbildenden Schulen und die Erwachsenenbildung). 1970 legte der Deutsche Bildungsrat den „Strukturplan für das Bildungswesen“ vor und es entstand die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung. Nach 1971 kam es zu einer „bildungspolitischen Ernüchterung“ (Massing 1995, S. 17) und der Ölpreisschock bewirkte eine Dominanz der Finanzpolitik über die Bildungspoli-tik.

Obwohl demografische Schwankungen, Arbeitsmigration und Flüchtlings-ströme eine Modernisierung des Bildungssystems erforderten, waren die 1980er Jahre eine Phase der Unbeweglichkeit. Baumert, Cortina und Leschinsky zufol-ge lässt sich diese Zeit durch ein gewachsenes Bewusstsein für eine Reform-notwendigkeit kennzeichnen, auch wenn über Richtung und Inhalt nur schwer ein Konsens erzielt werden konnte. „Die politischen Auseinandersetzungen um Strukturreformen im Bildungswesen führten zu einer Polarisierung auf Länder-ebene, die eine rationale, konsensuell abgestimmte Modernisierung des allge-mein bildenden Schulsystems praktisch zum Erliegen brachten“ (vgl. Bau-mert/Cortina/Leschinsky 2003, S. 59). In der Folge verlor die Bildungspolitik die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Massing spricht auch über einen Rück-zug gesamtstaatlicher Bildungspolitik zugunsten symbolischer Maßnahmen.

2.1.2 Deutsche Demokratische Republik

In der Deutschen Demokratischen Republik wurde – wie in anderen Ländern, die zur Besatzungszone der UdSSR gehörten – eine zentralistische Bildungsor-ganisation nach sowjetischem Vorbild sowie eine Übernahme der sog. marxis-tisch-leninistischen Bildungstheorie durchgesetzt. Es wurde ein zentrales Minis-terium für Volksbildung gegründet und die politische und bildungspolitische Souveränität der Länder aufgehoben. Die Einheitspartei SED5 bestimmte alle Erziehungs- und Bildungsziele sowohl im schulischen als auch im außerschuli-schen Bereich. Für letztere wurde die – ebenfalls der SED unterstellte – Jugend-organisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) ins Leben gerufen.

5 Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) entstand 1946 auf Druck der sowjetischen Besatzungsmacht durch den Zusammenschluss von KPD und SPD und wurde zur Staatspartei der DDR. 1989 änderte sie den Namen in SED - Partei des Demokratischen Sozialismus (SED-PDS), 1990 in PDS (vgl. Meyers 1999, Bd. 21. S. 99).

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1946 wurde eine achtjährige Allgemeinschule (Grundschule), später eine zehn-jährige allgemeinbildende polytechnische Oberschule eingeführt. 1965 bekräf-tigte das Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem den einheit-lichen Grundsatz erneut und schloss die Vereinheitlichung des Bildungssystems formal ab. Trotzdem behielt die Berufsausbildung ihre institutionelle Eigenstän-digkeit und es gab im allgemeinbildenden Schulwesen Spezialschulen für die Begabtenförderung. Die sog. Erweiterte Oberschule, die zunächst vier, dann achtjährig wurde, führte zum Abitur und diente der Selektion für das Hoch-schulstudium (Anweiler 1996, S. 32).

Diese Reformen wurden im Zeichen der zunehmenden Ideologisierung und Politisierung des Bildungswesens durchgeführt. Das Bildungswesen hatte eine ausgesprochene gesellschaftliche Umschichtungsfunktion: durch die Politik der „positiven Diskriminierung“ blieb die Hochschulzulassung Bauern- und Arbei-terkindern, die die neue Führungsschicht stellen sollten, vorbehalten. Später trat diese Funktion in den Hintergrund zugunsten der schulischen Leistung und politischen Zuverlässigkeit. Insgesamt gelang es, die sozialen Disparitäten deut-lich zu verringern. Es entstand eine neue bildungsprivilegierte Sozialschicht, die sog. „sozialistische Intelligenz“. Die geschlechtsspezifischen und regionalen Disparitäten wurden ebenfalls spürbar verringert.

In den 1970er Jahren war eine restriktive Hochschulzulassung charakteris-tisch; mit Hilfe intensiver Berufsberatung sollte vor allem der Facharbeiter-nachwuchs gesichert werden. Die 1980er Jahre waren in der DDR die Zeit der „Unbeweglichkeit und Auskühlung“ (vgl. Baumert/Cortina/Leschinsky 2003, S. 53): Reformen wurden u. a. aus ideologischen Gründen nicht durchgeführt. Die demografische Entwicklung verlief in der DDR viel ruhiger als in der BRD und es gab keine Arbeitsmigration – diese Probleme erreichten Ostdeutschland erst nach 1990 durch die Wiedervereinigung.

2.2 Entwicklung des Bildungswesens nach der Wiedervereinigung 1990

Im Jahre 1990 erfolgte mit dem Beitritt der DDR zur BRD die Wiedervereini-gung Deutschlands.6 Dadurch wurde in den ehemaligen Ländern der DDR nicht 6 In der deutschen Politikwissenschaft bezeichnet man die Wiedervereinigung meistens als „Trans-formation“. Es gibt aber auch Ansichten, die die Nutzung dieses „scheinbar wertfreien“ Begriffes wissenschaftlich für fragwürdig halten. Christ und Neubauer sprachen bezüglich der Wiedervereini-gung schon 1991 über eine „strukturelle Kolonialisierung“ (vgl. Christ/Neubauer 1991, S. 216). Auch nach Fritz Vilmar sind im Prozess der deutsch-deutschen Wiedervereinigung alle wesentlichen Bestimmungsmerkmale der „klassisch“-historischen Kolonialisierung, - sprich sozio-ökonomische Dominanz, strukturelle Gewalt der Kolonialherren, wirtschaftliche Abhängigkeit und Ausbeutung der Kolonisierten, Identitätsverlust der dominierten Bevölkerung, einschließlich der sozialen Liqui-

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nur das politische System der BRD, sondern auch die föderale Struktur des Bildungswesens (wieder)eingeführt, weil das sozialistische Bildungssystem als „politisch diskreditiert“ galt. Im Sinne des Einigungsvertrags von 1990 traten die fünf „neuen Länder“ der KMK bei. Mit dieser Umstellung vergrößerte sich die institutionelle Vielfalt vor allem in der Struktur der Sekundarstufe, die alle Varianten zwischen zwei bis fünfgliedrigen Systemen vorwies (ebd.).

Die Neuorganisation des Bildungswesens wurde zur wichtigsten Aufgabe der gemeinsamen Bildungspolitik. Diese wurde bald im Hinblick auf die Euro-päische Union durch die Aufgabe ergänzt, die vorhandenen Strukturen auf ihre Zukunftstauglichkeit kritisch zu überprüfen (Anweiler 1996). „Hatte Anfang der 90er Jahre die Notwendigkeit im Zuge der deutschen Einheit, zwei sehr unter-schiedliche Bildungssysteme zusammenzufügen, fast alle Ressourcen gebunden, die Mängel des westdeutschen Bildungssystems weitgehend verdeckt und eine tiefer gehende bildungspolitische Reformdiskussion verhindert, stieg nach dem Abschluss der Transformationsphase wieder die Konjunktur bildungspolitischer Themen im öffentlichen Diskurs“ (Massing 1995, 5). 1997 hatte Bundespräsi-dent Roman Herzog die Bildungspolitik zum zentralen Anliegen seiner Amtspe-riode erhoben. Die wichtigsten Themen der Fachdiskussion bildeten, erstens die Fragen der Qualitätsentwicklung, die auf frühere empirische Leistungsstudien zurückgriffen und mit reformpädagogischen Ansätzen verbunden die Einzel-schule als „pädagogisch unverwechselbare Lebenswelt“ propagierten (Bau-mert/Cortina/Leschinsky 2003, S. 137). Zweitens beschäftigten sich die Fach-leute mit Möglichkeiten der Modernisierung der Verwaltung unter den Ge-sichtspunkten Effektivität und Effizienz im Sinne von bildungsökonomischen Überlegungen. Drittens wurden Transparenz und Rechenschaftslegung zu weite-ren wichtigen Leitgedanken der Diskussion, wobei Dezentralisierung und Siche-rung der Ergebnisqualität als zwei Seiten einer Medaille betrachtet wurden (ebd.). Im Jahre 2001 veröffentlichte das Forum Bildung, ein gemeinsam von Bund und Ländern getragenes Diskussionsforum von Politikern, Wirtschaftsver-tretern, Sozialpartnern, Wissenschaftlern und Praktikern zwölf Empfehlungen zur Bildungsreform. Sie deckten die wichtigsten Themen der bildungspoliti-schen Diskussion in Deutschland ab.

Internationale Schullistungsstudien, vor allem die PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) der OECD von 2000 und 2003 und ihre mediale Wahrnehmung, setzten die Bildungspolitik wie nie zuvor unter einen enormen Einigungs- und Handlungszwang. PISA bescheinigte dem deutschen dation ihrer Eliten - wieder zu finden (Vilmar 2003, S. 19f). Die Debatte wird auch in der Erzie-hungswissenschaft sehr kontrovers geführt, wie das Jahrbuch für Pädagogik 2002 über „Kritik der Transformation – Erziehungswissenschaft im vereinigten Deutschland“ zeigt (Keim/Kirchhöfer/ Uhlig 2003).

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Bildungssystem schlechte Noten vor allem hinsichtlich der Verwirklichung der Chancengleichheit. Der „PISA-Schock“ bewirkte eine rege Diskussion über pädagogische Leitgedanken, schulische Bildung sowie die Kompetenzbereiche der verschiedenen pädagogischen Berufe und Tätigkeiten (Óhidy 2003, S. 9). Nach Döbert „drängt sich spätestens nach den internationalen Schulleistungs-studien (TIMSS, PISA) die Frage auf, ob trotz aller beachtenswerter Leistungen im Zuge der Wiedervereinigung nicht zugleich reale Chancen für eine durch-gängige Modernisierung des deutschen Bildungswesens weitgehend ungenutzt blieben“ (Döbert 2002, S. 94).

Baumert/Cortina/Leschinsky bescheinigen dem deutschen Bildungswesen ebenfalls einen Modernisierungsrückstand und ordnen die „ungelösten und übersehenen Probleme“ den Kategorien Bildungserträge, Prozessebene, Organi-sationsstrukturen sowie Systemsteuerung zu. Die Probleme der „Bildungserträ-ge“ zeigen sich in den von PISA untersuchten zentralen Kompetenzbereichen sowie in den sozialen Disparitäten der Bildungsbeteiligung. Auf der Prozess-ebene liegt die größte Herausforderung im Umgang mit Heterogenität vor allem in Hinblick auf Migrationshintergrund und Lernschwierigkeiten. Im Bereich der Organisationsstrukturen bereiten die Halbtagsschule sowie die den Vorschulbe-reich prägende „Kindergarten-als-letzter-Schonraum“-Erziehungsphilosophie Probleme. Auf Ebene der Systemsteuerung sollten einerseits die Mängel der institutionalisierten Dauerbeobachtung von Bildungsergebnissen, andererseits das Fehlen einer stabilen Balance zwischen Dezentralisierungsbestrebungen und staatlicher Verantwortung behoben werden (Baumert/Cortina/Leschinsky 2003, S. 144-147).

Zurzeit gibt es einen Konsens über die – seit mehreren Jahrzehnten disku-tierten - notwendigen bildungspolitischen Veränderungen: „Die Grundschule soll gestärkt werden und Bildung schon im Kindergarten beginnen. Alle wissen, dass die Schulen mehr Freiheit brauchen, um besser zu werden und dass sie aus denselben Gründen stärker zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Und über alle Ländergrenzen hinweg setzt sich die Erkenntnis durch, dass im Unterricht Leistung und die Freude am Lernen betont werden sollen. Das Ende eines 30-jährigen deutschen Bildungskrieges scheint zum Greifen nahe“ (Kahl zitiert nach Massing 1995, S. 5). Dieser Konsens hängt sehr stark damit zusammen, dass Bildung und Wirtschaftswachstum in einem engen Zusammenhang gese-hen werden. Schon die Reformen der 1960er Jahre in der BRD verdankten ihre Existenz dem Bündnis zwischen Bildungssystem und Wirtschaft. Wie weit die jetzige Koalition diesen Konsens in wirkliche Reformen ummünzen kann, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

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3. Das heutige Bildungswesen

Im Folgenden wird das heutige öffentliche Bildungssystem in Deutschland vor-gestellt. Es werden drei Themen erläutert:

Steuerung, Verwaltung und Kontrolle Struktur und Aufbau Finanzierung

3.1 Steuerung, Verwaltung und Kontrolle

Das wichtigste Merkmal des deutschen Bildungswesens ist das aus der Staats-form resultierende Föderalismus-Prinzip.7 Dies bedeutet einerseits, dass es keine umfassende gesetzliche Regelung für das gesamte Bildungswesen gibt. Die einzelnen Bereiche unterliegen unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen, meistens bei den Bundesländern. Diese Kulturhoheit der Länder, also ihr Vor-rang vor bundeseinheitlichen Regelungen ist das Ergebnis eines langen histori-schen Entwicklungsprozesses und bildungspolitisch heftig umstritten. Die Bil-dungspolitik wird in erster Linie von den in den Ländern und auf der Bundes-ebene regierenden politischen Parteien bestimmt, aber auch vom Interessenplu-ralismus verschiedener organisierter Gruppen, wie Lehrerverbänden, Elternver-einigungen, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden sowie von den Kir-chen und Repräsentanten der Wissenschaft maßgeblich beeinflusst. Eine beson-dere Rolle spielen politikberatende Expertengremien wie z. B. der Wissen-schaftsrat8. Ebenfalls eine wichtige Rolle spielt die Verfassungs- und Verwal-tungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder, die z. B. 1972 einem Numerus Clausus an Hochschulen enge Grenzen zogen. „Die im Zusammenhang mit juristischen Entscheidungen oft beklagte >Verrechtlichung< der pädagogischen Verhältnisse ist die Kehrseite der Kontrolle durch unabhängige Gerichte“ (An-weiler 1996, S. 36). In der Zukunft werden Entscheidungen des Europäischen

7 Deutschland ist völkerrechtlich gesehen ein aus mehreren Bundesländern zusammengesetzter Bundesstaat, dessen Mitglieder teilweise Staatsgewalt behalten und nach außen durch die Zentral-gewalt Bund gemeinsam vertreten werden. Die Souveränität der Mitglieder bleibt also unangetastet, der übergeordneten Gewalt werden nicht mehr Regelungsbefugnisse gegenüber nachgeordneten Gewalten eingeräumt, als im Interesse des Ganzen geboten ist (Meyers 1999, Bd. 7. S. 102). 8 Der Wissenschaftsrat wurde 1957 durch ein Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Länderngeschaffen. Seine Aufgaben sind: Empfehlungen zur inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung zu erarbeiten. Seine Mitglieder sind Wissen-schaftler, anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Delegierte von Bund und Ländern (www.kmk.org/dossier/aufbau_und_verwaltung. pdf, Stand 25. 7. 2006).

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Gerichtshofes wahrscheinlich eine wachsende Bedeutung erhalten. Das heutige Bildungsverwaltungssystem hat vier Ebenen:

1) die Bundesebene, repräsentiert durch die 1949 gegründete Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF),

2) die Landesebene, 3) die kommunale Ebene sowie 4) die Ebene der einzelnen Bildungsinstitutionen (s. Abbildung 1).

Abbildung 1: Steuerungsebenen des deutschen Bildungswesens

3.1.1 Bundesebene

Ideell trägt der Staat die Gesamtverantwortung für das Bildungswesen, es steht also unter staatlicher Aufsicht. Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutsch-land aus dem Jahre 1949 sind nur die grundlegenden Bestimmungen, wie z. B. die Freiheit von Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre, das Elternrecht, die staatliche Schulaufsicht sowie Regelungen zu Religionsunterricht und Privat-schulen festgehalten. Der Bund hat das Recht, Rahmenvorschriften für das öf-fentliche Dienstrecht in den Ländern, Gemeinden und anderen Körperschaften öffentlichen Rechts sowie für die Besoldung der öffentlich Bediensteten zu erlassen. Von Anfang an verfügte er über die Gesetzgebungskompetenz für die außerschulische Berufsbildung und die Forschungsförderung. Die administrative Zuständigkeit für die außerschulische Berufsbildung teilen sich das Bundesmi-nisterium für Bildung und Forschung (BMBF), für Wirtschaft (MBWi), für Arbeit und Sozialordnung (BMA) und das Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BML). Durch Änderungen des Grundgesetzes 1969 erhielt der Bund die Rahmenkompetenz für die allgemeinen Grundsätze

Steuerungsebene Verwaltungsebene

Bundesebene KMK, BMBF (nur Koordination)

Landesebene Ministerien Oberschulämter/Schulämter der Bezirksregierungen

Kommunale Ebene Kommunale Schulämter

Institutionelle Ebene Bildungsinstitutionen

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des Hochschulwesens (so kam 1976 das Hochschulrahmengesetz zustande), das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung für die Ausbildungsförderung (so entstand das Bundesausbildungsförderungsgesetz BAföG) sowie das Mitwir-kungsrecht beim Hochschulbau. Die Versuche Ende der 1970er Jahre, die Ba-lance im Interesse einer schnelleren Durchsetzung von Bildungsreformen zu-gunsten des Bundes zu verändern, scheiterten am einhelligen Widerspruch der Länder (Baumert/Cortina/Leschinsky 2003).

Im Vorschulbereich obliegt es dem Bund, im Rahmen der Sozialgesetzge-bung Gesetze zur Kinder- und Jugendhilfe zu erlassen. Die Länder sind ver-pflichtet, diesen Gesetzen durch eigene Gesetzgebung konkrete Formen zu ver-leihen. Die staatliche Kontrolle zeigt sich am stärksten im allgemeinbildenden Schulwesen durch die Schulaufsicht (Recht und Pflicht des Staates für Unter-halt, Organisation und Verwaltung) und die allgemeine Schulpflicht. Sie betrifft die Universitäten und Einrichtungen der Erwachsenenbildung am wenigsten. Durch die Hochschulautonomie besitzen erstere rechtlich abgesicherte Freiräu-me für die Selbstverwaltung sowie mit der Hochschulrektorenkonferenz eine eigene, bundesweite, staatlich anerkannte Interessenvertretung.

Die Steuerung des deutschen Bildungswesens auf der Bundesebene wird durch das Föderalismusprinzip erschwert. Eine Bundesverwaltung im Bil-dungswesen gibt es nicht. Es gibt zwei zentrale Institutionen, die versuchen, in den wichtigsten strukturellen und inhaltlichen Fragen des Bildungswesens ein Mindestmaß an Einheitlichkeit zu gewährleisten: die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschlan (KMK) 9 sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Diese haben also nur Koordinations- und keine Verwaltungsaufgaben.

Die Koordinierung der Bildungspolitik auf der Bundesebene obliegt der 1948 gegründeten KMK. Nach der Geschäftsordnung hat sie die Aufgabe, „An-gelegenheiten der Kulturpolitik von überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung und der Vertretung gemein-samer Anliegen“ (Führ 1997, S. 35) zu behandeln. Sie hat keine legislativen Kompetenzen (diese liegen bei den Ländern). Ihre Beschlüsse und Empfehlun-gen müssen einstimmig gefasst werden. 1970 wurde das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft eingerichtet und 1994 mit dem Ministerium für Forschung und Technologie zusammenge-

9 Organe der KMK sind das Plenum, in dem sich die Minister 3- bis 4-mal im Jahr treffen sowie das Präsidium und die drei ständigen Kommissionen. Es gibt ein Sekretariat in Bonn und eine Dienst-stelle in Berlin. 2004 kündigte Niedersachsen den Staatsvertrag, der die Tätigkeit und Finanzierung des Sekretariats regelt. Dies bedeutet aber keine „Kündigung der KMK“ wie es in der Öffentlichkeit rezipiert wurde; das Fortbestehen des Sekretariats wurde durch einen Ministerpräsidentenbeschluss gesichert (vgl.Meyers 1999, Bd. 12, S. 282).

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fasst. Heute heißt es Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Es nimmt die Kompetenzen wahr, die der Bund im Bildungs-bereich hat, verfügt aber nur über begrenzte Befugnisse in den Aufgabenberei-chen berufliche Bildung, Hochschule sowie in der Bildungsforschung (ebd.).

Abstimmungen zwischen der Bundesregierung und den Ländern finden im Bundesrat, in der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und For-schungsförderung10 sowie im Wissenschaftsrat und im Planungsausschuss für Hochschulbau statt (Döbert 2002, S. 97). Bei besonders wichtigen Fragen wer-den zwischen den Ländern Verträge geschlossen; wie z. B. das Hamburger Abkommen von 1964.11

3.1.2 Landesebene

Die Länder sind primär für die Schulgesetzgebung und die Verwaltung des Bildungswesens zuständig. Zu ihren Aufgaben gehören Planung und Organisa-tion der Schulstruktur, Festlegung der Unterrichtsinhalte und Unterrichtsziele sowie die Beaufsichtigung der Tätigkeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen. Die Landesverfassungen enthalten meistens allgemeine Aussagen zu Bildungs-zielen sowie zur Organisation des Schulwesens. In vielen Ländern ist das Schulwesen in einem eigenen Schulgesetz geregelt. In den Kompetenzbereich der Ministerien für Bildung, Kultur und Wissenschaft (Kultusministerien), deren amtliche Bezeichnungen je nach Land unterschiedlich sind, gehört vor allem die Schulaufsicht der allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Es gibt dabei staatlich-kommunale Schulen, die vom jeweiligen Land und einer Kom-munalbehörde gemeinsam verwaltet werden: Die Kosten für das Lehrpersonal trägt das Land, für das sonstige Personal und die Sachkosten die Kommune. Die Kommunen werden dabei als Schulträger bezeichnet. Die einzige Ausnahme ist Bayern, wo das Land Schulträger ist.

10 Die 1970 gegründete Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung erarbeitete zum Beispiel 1973 einen Bildungsgesamtplan, der eine langfristige Struktur- und Entwicklungsplanung sowie einen Kostenplan enthielt. Dieser Plan zielte auf eine überregionale Bildungsplanung ab und verlief aus parteipolitischen Gründen im Sande (vgl. Anweiler 1996, S. 34).11 Aufgrund des Hamburger Abkommens wurden folgende grundlegenden Merkmale des Bildungs-wesens vereinheitlicht: Beginn und Dauer der Schulpflichtzeit, Daten für den Anfang und Ende des Schuljahres, Länge der Schulferien, Bezeichnungen der verschiedenen Bildungseinrichtungen und Organisationen, Möglichkeit des Wechsels zwischen den unterschiedlichen Schultypen, Beginn des Fremdsprachenunterrichts und Reihenfolge der Fremdsprachenoptionen, Anerkennung der Ab-schlusszeugnisse, Staatsexamen im Rahmen der Lehrerausbildung, sowie Festlegung der Notenskala für Schulzeugnisse und für Prüfungen in der Lehrerausbildung (vgl. Döbert 2002, S. 97).

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3.1.3 Regionale/Kommunale Ebene

Auf der oberen Ebene der regionalen Schulverwaltung befinden sich die Schul-ämter der Bezirksregierungen und die unabhängigen Oberschulämter. Auf der unteren Ebene stehen die kommunalen Schulämter. In einigen Ländern und in Stadtstaaten gibt es nur ein einstufiges Verwaltungssystem, wobei eine der Ebe-nen entfällt. Den Gemeinden steht nach dem Grundgesetz das Recht zu, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“ (Art. 28 Abs. 2 GG).

Die kommunalen Schulträger sind für die Finanzierung und Regelung der materiellen Belange überwiegend zuständig, also vor allem für die räumliche und sachliche Ausstattung. Dabei umfasst die räumliche Ausstattung die gesam-te bauliche Gestaltung, Unterhaltung und Verwaltung (z. B. Hausmeister, Cafe-teria, Reinigungspersonal) der Schulen. Die sachliche Ausstattung bezieht sich neben dem Mobiliar auf die Lehrmittel (z. B. Schulbücher, Lexika, Wandkar-ten), die Sammlungen, die technischen Geräte (z. B. Computer, TV, Overhead-projektoren) sowie die Musikinstrumente.12 Es gibt auch kommunale Schulen, bei denen die Kommune die Gesamtfinanzierung trägt. Desweiteren sind die Kommunen auch für die Erstellung des Schulentwicklungsplanes zuständig.

Die Beratung, Kontrolle und Anerkennung der betrieblichen Berufsausbil-dung obliegt auf örtlicher Ebene gemäß der gesetzlichen Grundlage den Selbst-verwaltungsorganisationen der Wirtschaft. In den Ausbildungsbetrieben selbst besitzt die gewählte Arbeitnehmervertretung Mitbestimmungsrechte für die Planung und Durchführung der betrieblichen Berufsausbildung sowie die Ein-stellung von Auszubildenden und Ausbildern (KMK 2005).

3.1.4 Institutionelle Ebene

Die Stellung der einzelnen Bildungsinstitutionen, vor allem der Schule, ist durch „die Spannung zwischen genuin pädagogischem Auftrag und ihrer Funktion in Staat und Gesellschaft bestimmt“ (Anweiler 1996, S. 36). Die Tradition der Staatsschule setzt sowohl der Realisierung einer materiellen Selbstverwaltung als auch der Mitwirkung von Eltern, Lehrern und Schülern Grenzen. „Den ein-zelnen Schulen wird in den neueren Schulgesetzen ein größerer Freiheitsraum gegeben, den sie nicht zu ihrem eigenen Belieben, sondern zur Verbesserung ihrer Qualität nutzen sollen; dafür wird eine intensivierte Abstimmung der Kol-legien, die in schriftlich zu fixierenden pädagogischen Grundsätzen bzw. in ein

12 (vgl. Wikipedia. Deutsches Schulwesen, Verantwortlichkeiten, Stand 19. 7. 2006).

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Schulprogramm mündet und Selbstkontrolle (innere Evaluierung) für wichtig gehalten, über deren Ergebnisse auch die bildungspolitisch interessierte Öffent-lichkeit zu informieren ist“ (Baumert/Cortina/Leschinsky 2003, S. 184). Die Schule wird von einem Schulleiter geführt, der zugleich Lehrer der Schule und in der Regel Vorsitzender der Lehrerkonferenz ist, die er einberuft und leitet. Er ist in erster Linie für die Erziehungs- und Bildungsarbeit in der Schule verant-wortlich. Dabei ist er an die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Schulauf-sichtsbehörde gebunden. Im Rahmen seiner Dienstaufsicht und Fachaufsicht ist er gegenüber den Lehrkräften weisungsbefugt. Bei der Ausführung seiner Tä-tigkeit hat er eng mit der Lehrerkonferenz und der Schulkonferenz13 zusammen-zuarbeiten.

Hochschuleinrichtungen sind zur Selbstverwaltung berechtigt; sie verfassen ihre Grundordnungen selbst, die jedoch vom jeweiligen Land genehmigt werden müssen. In der Zukunft wird erwartet, dass die Autonomie von Universitäten und Hochschulen vor allem im Bereich Finanzierung weiter gestärkt wird.14 Die Studienordnungen müssen dem fachlich zuständigen Ministerium angezeigt bzw. bei Studiengängen, die mit einer Staatsprüfung abschließen, genehmigt werden. Zur Gewährleistung fachlich-inhaltlicher Mindeststandards und der Berufsrelevanz der Abschlüsse in den neuen Bachelor- und Masterstudiengän-gen müssen diese durch ein Akkreditierungsverfahren genehmigt werden.

In letzter Zeit deutet sich ein Strukturwandel der politisch-administrativen Steuerung in Deutschland an: Internationale Vergleichsstudien haben die Auf-merksamkeit auf das Fehlen einer stabilen Balance „zwischen Dezentralisie-rungsbestrebungen einerseits und der Wahrnehmung der staatlichen Verantwor-tung auf der Ebene der Bundesländer und des kooperativen Föderalismus ande-rerseits“ (Baumert/Cortina/Leschinsky 2003, S. 146) gelenkt. Diese resultieren aus dem gleichzeitigen Vorhandensein wohlfahrtsstaatlicher und marktzentrier-ter Modelle (vgl. Fend 2000). Um dieses Problem zu lösen, hat die KMK 2002 die Entwicklung von nationalen Bildungsstandards für Basiskompetenzen be-schlossen. Diese sollten eine gewisse Einheit und Zentralisiertheit der Steuerung gewährleisten.15

13 Die Schulkonferenz hat Beratungs- und Mitwirkungsrecht in pädagogischen Fragen (wie z. B. Unterrichtsgestaltung, Auswahl der Lehrbücher, Hausaufgaben usw.). Mitglieder sind der Schullei-ter, Lehrkräfte, Eltern und Schülern. 14 Ein Beispiel ist das Hochschulfreiheitsgesetz des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 2006, nach dem die Hochschulen in NRW „ab 01.01. 2007 – nur noch – vom Land getrage-ne, rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts und nicht mehr zugleich – wie bisher – Einrichtungen des Landes“ sind (Timmermann 2006). 15 Die Bildungsstandards orientieren sich an Bildungszielen. Diese werden in Form von Kompetenz-anforderungen konkretisiert. Sie legen also fest, über welche Kompetenzen SchülerInnen verfügen müssen. Die Anforderungen werden systematisch in Kompetenzmodellen geordnet, die Aspekte, Abstufungen und Entwicklungsverläufe darstellen. Die Bildungsstandards werden als Ergebnisse

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3.2 Struktur und Aufbau

Das deutsche Bildungssystem ist in fünf Ebenen gegliedert: dem Elementarbe-reich, dem Primarbereich (Grundschule), dem Sekundarbereich (Sekundarstufe I und II), dem tertiären Bereich der Hochschulbildung sowie dem quartären Be-reich der Erwachsenenbildung und der außerschulischen Jugendbildung (vgl. Döbert 2002). Diese Kategorisierung bezieht sich auf das Alter der Lernenden. Ein zweites Kriterium ist die Differenzierung nach dominanten Zielsetzungen und Inhalten in Einrichtungen der Allgemeinbildung und der Berufsbildung (Lange 2005, S. 35). Wie sich die vier Subsysteme Pflichtschulwesen, Hoch-schulwesen, Berufsbildung und Erwachsenenbildung auf diese Ebenen verteilen lassen, zeigt Abbildung 2. Die Berufsbildung findet in einem sog. „dualen Sys-tem“ statt, das durch die Kooperation der zwei Lernorte Schule und Betrieb gekennzeichnet ist und formal dem Sekundarbereich II zugeordnet wird (vgl. Anweiler 1996, Döbert 2002).

3.2.1 Elementarbereich

Zum Elementarbereich zählen alle Einrichtungen, die Kinder nach Vollendung des dritten Lebensjahres bis zum Schulbeginn aufnehmen (Führ 1997, S. 97). Der Elementarbereich gehört in Deutschland nicht zum staatlichen Schulsystem. Er ist der Kinder- und Jugendhilfe zugeordnet, gehört also in den Zuständig-keitsbereich der Sozialministerien. Ausnahme ist Bayern, wo das Kultusministe-rium dafür verantwortlich ist. Deutschland ist das Ursprungsland der Kindergär-ten. Diese haben einen Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsauftrag. Träger dieser Einrichtungen sind meistens die Kommunen, aber es gibt auch Einrich-tungen von freien Trägern oder der Kirche. An die Träger müssen die Eltern in der Regel Gebühren bezahlen, die nach dem Einkommen gestaffelt sind. Weil das Müttersein in Westdeutschland als Beruf angesehen wurde, war die Bedeu-tung von Kindergärten eher gering. In Ostdeutschland, wo die Berufstätigkeit der Mütter als „sozialistische Errungenschaft“ galt, wurde in den 1950er Jahren die Infrastruktur im Elementarbereich deutlich ausgebaut. 1992 wurde der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz durch die Änderung des Kinder-

von Lernprozessen in Aufgabenstellungen und schließlich in Verfahren konkretisiert, mit denen das Kompetenzniveau, das SchülerInnen tatsächlich erreicht haben, empirisch zuverlässig erfasst wer-den kann (BMBF 2003). Die meisten Länder haben schon eigene Gesetze eingeführt. Es gibt ver-schiedene Orientierungs- und Vergleichsarbeiten zur Überprüfung, teilweise in länderübergreifender Form, die der Sicherung und Weiterentwicklung der Unterrichtsqualität und der Unterstützung der langfristigen Vorbereitung der SchülerInnen auf die schulischen Abschlüsse dienen.

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und Jugendhilfegesetzes gesetzlich verankert. Nach dem sog. „PISA-Schock“ wird gefordert, dass Kindergärten verstärkt Bildungsaufgaben übernehmen und für alle Kinder verpflichtend werden. Erzieher und Erzieherinnen absolvieren in der Regel eine dreijährige Ausbildung an Fachschulen bzw. an Fachhochschulen (in Bayern an Fachakademien für Sozialpädagogik).

Allgemeinbildendes Schulwesen Pflichtschulwesen Hochschulwesen

Berufsbildung

Elementar-BereichPrimarbereich Schulkindergärten

(Vorklassen) Grundschule Sonderschule

Sekundarbereich (Sekundarstufe I und II)

Gesamtschule Gymnasium RealschuleHauptschuleSonderschule

Berufliches Gymnasium FachgymnasiumBerufsschuleBerufsfachschule FachoberschuleBerufsaufbauschule FachschuleFachakademie

Tertiärer Bereich

Universität Fachhochschule

UniversitätFachhochschuleBerufsakademie Berufskolleg Fernuni Hagen

Quartärer Be-reich (Erwachsenen-bildung/ Weiterbildung)

Abendgymnasium Abendhauptschule Abendrealschule Kolleg

UniversitätFachhochschule

Berufsakademie Fernuni Hagen Volkshochschule16

Abbildung 2: Struktur des deutschen öffentlichen Bildungswesens

16 Obwohl die Volkshochschulen nicht nur Kurse im Bereich beruflicher Weiterbildung anbieten, sondern auch im Bereich der allgemeinen Bildung, wurden sie hier eingegliedert, weil sie weder dem Pflichtschul- noch dem Hochschulsystem zugerechnet werden können.

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3.2.2 Primarbereich (Vorschule und Primarstufe)

In den Primarbereich gehören die Grundschulen, Eingangsstufen und Schulkin-dergärten (Vorklassen). Der Besuch ist obligatorisch und kostenlos. Schulpflich-tig17 sind in Deutschland alle Kinder, die bis zum 30. Juni des laufenden Jahres sechs Jahre alt sind. Auf Antrag der Eltern und mit Zustimmung der Schule können auch Kinder, die bis zum 31. Dezember sechs Jahre alt werden, einge-schult werden. Alle Kinder werden vom Schularzt untersucht.

Die Grundschule wird von Kindern im Alter von sechs bis zehn (bzw. zwölf) Jahren besucht, deckt also die Klassen 1 bis 4, in Berlin und Branden-burg 1 bis 6 ab. In den ersten zwei Jahren werden die Schüler von Klassenleh-rern unterrichtet und bekommen keine Noten, sondern ausführliche Beurteilun-gen über ihr Lernverhalten, ihre Fortschritte und ihr Verhalten. Erst ab Klasse 3 werden diese Beurteilungen von Zensuren abgelöst. Am Ende der Grundschul-zeit erhalten die Kinder ein Ziffernzeugnis und eine Beurteilung sowie eine Empfehlung über den weiteren Schulbesuch in der Sekundarstufe I. Grundschul-lehrer absolvieren ein Universitätsstudium, das mit dem ersten Staatsexamen, sowie einem Referendariat, das mit dem zweiten Staatsexamen abgeschlossen wird. In den letzten Jahren, u. a. aufgrund der PISA-Ergebnisse, wurden in den meisten Ländern Ganztagsschulen eingeführt. Diese ist allerdings mit den Inte-ressen der in Deutschland sehr stark entwickelten freizeitpädagogischen und anderen außerschulischen Angeboten im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe konfrontiert.

Schulkindergärten (Vorklassen) sind Einrichtungen für schulpflichtige Kin-der, die von der Einschulung zurückgestellt worden sind. In einigen Ländern existieren auch Vorklassen für nichtschulpflichtige Fünfjährige.

In Deutschland befinden sich die öffentlichen Schulen (sowohl im Primar- als auch im Sekundarbereich) entweder in staatlich-kommunaler oder in kom-munaler Trägerschaft. Es existieren auch private Schulen, die unter Trägerschaft der Kirche, von Körperschaften des öffentlichen oder privaten Rechts sowie Einzelpersonen stehen und mit ca. 5-6% Schüleranteil eine Ersatz- und Ergän-zungsfunktion haben. Die staatlich anerkannten Ersatzschulen erfreuen sich – wie der Name schon besagt – der uneingeschränkten Anerkennung ihrer Zeug-nisse. Sie unterliegen der staatlichen Schulaufsicht. Die Absolventen der staat-lich genehmigten Ersatzschulen (Ergänzungsschulen) müssen sich den Prüfun-gen einer öffentlichen oder staatlich anerkannten Schule unterziehen. Die meis-ten Privatschulen sind Ersatzschulen. Für die spezielle Förderung behinderter Kinder gibt es Sonderschulen. Sie umfassen den Primarbereich und die Sekun-

17 Die Schulpflicht in Deutschland gilt vom sechsten bis zum fünfzehnten/sechzehnten Lebensjahr.

Page 30: Andrea Óhidy · Ewald Terhart · József Zsolnai (Hrsg ... · Andrea Óhidy · Ewald Terhart · József Zsolnai (Hrsg.) Lehrerbild und Lehrerbildung JJ_Ti_B-Ohidy_ua15308-7 15.05.2007

Das deutsche Bildungswesen 36

darstufe I., bei körperlich behinderten Jugendlichen auch die Sekundarstufe II. Seit den 1970er Jahren gibt es zunehmend eine Integration in die allgemeinen Schulen.

3.2.3 Sekundarbereich (Sekundarstufe I und II)

Der Sekundarschulbereich ist in die allgemeinbildende Sekundarstufe I für die Jahrgangsstufen 5 bis 10 (bzw. 7 bis 10) für Kinder im Alter von 10 bzw. 12 bis 16 Jahren und in die, für die Jugendliche zwischen 16-19 Jahren (Klassen 11-13) sowohl für die Allgemeinbildung als auch für die berufliche Bildung zu-ständige Sekundarstufe II, unterteilt. Der Übergang von der Grundschule zu weiterführenden Schulen erfolgt in der Regel ohne Aufnahmeverfahren. Die Entscheidung darüber fällen Eltern und Schule gemeinsam. Diese sehr frühe Selektion ist ein wesentliches - und in letzter Zeit aufgrund von internationalen Vergleichstudien heftig umstrittenes - Merkmal des deutschen Pflichtschulwe-sens.

Für die Sekundarstufe I ist eine große schulorganisatorische Typenvielfalt charakteristisch. Der am meisten verbreitete Schultyp ist die Hauptschule, die aus der Volksschuloberstufe hervorgegangen ist. Sie war bis in die 1960er Jahre die zahlenmäßig größte allgemeinbildende Schulform in Deutschland und gilt heute in vielen Ländern als Verlierer der Bildungsexpansion. In den Ländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen gibt es keine Hauptschulen, in Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein wird zurzeit deren Abschaffung bildungspolitisch vorbereitet (Füller 2007, S. 14). Die Hauptschule schließt mit der 9. Klasse, in NRW, Berlin und Bremen mit der 10. Klasse ab.

Die Realschule bietet nach dem zehnten Schuljahr eine „mittlere Reife“. Auch hier gibt es keine bundeseinheitliche Struktur; in einigen Ländern werden Haupt- und Realschulklassen zusammengefasst. Der Realschulabschluss ermög-licht einerseits den Übergang in die Fachoberschule und aufs Gymnasium, ande-rerseits auch den Zugang zu beruflichen Ausbildungsmöglichkeiten.

Das Gymnasium umfasst die Klassen 5/7 bis 12/13, also im allgemeinbil-denden Bereich als einziger Schultyp die Sekundarstufen I und II. Es kann sehr unterschiedliche Profile haben: Es gibt u. a. klassische, altsprachlich-humanistische, mathematisch-naturwissenschaftliche, musische und wirt-schaftswissenschaftliche Gymnasien. In einigen Ländern gibt es auch berufliche und Fachgymnasien, die zum beruflichen Schulsystem gehören. Mit dem Abitur werden die Absolventen zum Hochschulstudium befähigt. Das Konzept der kooperativen und der integrierten Gesamtschule wurde in den