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BUND DEUTSCHER FUSSBALL-LEHRER Internationaler Trainer-Kongress 2008 51 Der U15- und U17-Nationaltrainer Marco Pezzaiouli zeigt im Spiel 11-gegen-0 die mannschaftstak- tischen Grundlagen des Spielauf- baus. Mit Gegenspielern, die in verschiedenen Spielsystemen ver- teidigen, erweitert er die Organi- sationsform und zeigt spezifische Varianten des Spielaufbaus. Für das Gelingen des Spielaufbaus ist die Basis der individuellen Fähigkei- ten besonders verantwortlich. Ein Spieler sollte Folgendes beherrschen: Varianten und richtiges Anwen- den der Passtechnik Passschärfe und -genauigkeit Handlungsschnelligkeit und Antizipationsfähigkeit Individual- und gruppentakti- sche Grundlagen (z. B. offene Stellung, Reihe überspielen) Spielverständnis (z. B. Raum-/ Zeitgefühl, Rhythmus-/Tempo- wechsel, offensives Denken) Auf welche Weise ein Team den Spiel- aufbau gestalten kann, hängt von der eigenen Spielphilosophie ab. Während z. B. Spanien in der EM 2008 mit Kurz- pässen nach vorne stieß, spielte Tsche- chien mit Jan Koller in der Spitze auf den zweiten Ball. Ein zweiter entschei- dender Einflussfaktor ist das Gegner- verhalten (Anzahl und Positionierung der Spitzen, Art des Pressings). Das Ziel des geordneten Spielaufbaus ist davon jedoch unabhängig: mit mög- lichst geringem Risiko in das Angriffs- drittel zu kombinieren. Dazu liefert diese Demonstrationseinheit aus dem breiten Spektrum der Möglichkeiten einen kleinen Ausschnitt als Anregung. Angriffsverhalten: Spielaufbau – mannschafts- taktische Umsetzung Marco Pezzaiouli, DFB-Sportlehrer Spielaufbau im 11-gegen-0 Einstudieren von Grundabläufen Im 11-gegen-0 kombiniert das Team ohne Gegnereinwirkung auf das Tor. So sind Grundabläufe wie das richti- ge Auffächern aus der Defensiv- formation und die Bildung von verschiedenen Passdreiecken am leichtesten zu erlernen. Gegen 3 Spitzen + einen10er Im Zentrum Lücken finden Die beiden zentralen Mittelfeldspie- ler müssen sich für Pässe zwischen die gegnerischen Spitzen freilaufen. Im Foto erklärt ihnen der Trainer gerade die Tiefenstaffelung. Sie befin- den sich aktuell auf einer Linie und damit nicht in der idealen Position! Gegen 2 Spitzen und Raute Flügelspiel und Spielverlagerung Zwei Spitzen vor einer Mittelfeld- raute verengen das Zentrum des Spielfeldes. Dadurch entstehen an den Flügeln Räume zum Spielaufbau – verschiebt der Gegner zum Pass- empfänger am Flügel bietet sich oft- mals ein Diagonalball an. Aufbau der Trainingseinheit

Angriffsverhalten: Spielaufbau – mannschafts- taktische ... · BUND DEUTSCHER FUSSBALL-LEHRER Internationaler Trainer-Kongress 2008 53 1 1 0 1 9. 8 7 6. 5 4 3 2 1 2a 2b 3 2. Dreiecksbildung

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BUND DEUTSCHER FUSSBALL-LEHRER Internationaler Trainer-Kongress 2008 51

Der U15- und U17-NationaltrainerMarco Pezzaiouli zeigt im Spiel11-gegen-0 die mannschaftstak -tischen Grundlagen des Spielauf-baus. Mit Gegenspielern, die inverschiedenen Spielsystemen ver-teidigen, erweitert er die Organi-sationsform und zeigt spezifischeVarianten des Spielaufbaus.

Für das Gelingen des Spielaufbaus istdie Basis der individuellen Fähigkei-ten besonders verantwortlich. EinSpieler sollte Folgendes beherrschen:

Varianten und richtiges Anwen-den der PasstechnikPassschärfe und -genauigkeitHandlungsschnelligkeit undAntizipationsfähigkeitIndividual- und gruppentakti-sche Grundlagen (z. B. offeneStellung, Reihe überspielen)Spielverständnis (z. B. Raum-/Zeitgefühl, Rhythmus-/Tempo-wechsel, offensives Denken)

Auf welche Weise ein Team den Spiel-aufbau gestalten kann, hängt von dereigenen Spielphilosophie ab. Während

z. B. Spanien in der EM 2008 mit Kurz-pässen nach vorne stieß, spielte Tsche-chien mit Jan Koller in der Spitze aufden zweiten Ball. Ein zweiter entschei-dender Einflussfaktor ist das Gegner-verhalten (Anzahl und Positionierungder Spitzen, Art des Pressings).Das Ziel des geordneten Spielaufbausist davon jedoch unabhängig: mit mög-lichst geringem Risiko in das Angriffs-drittel zu kombinieren. Dazu liefertdiese Demonstrationseinheit aus dembreiten Spektrum der Möglichkeiteneinen kleinen Ausschnitt als Anregung.

Angriffsverhalten: Spielaufbau – mannschafts-taktische UmsetzungMarco Pezzaiouli, DFB-Sportlehrer

Spielaufbau im 11-gegen-0Einstudieren von GrundabläufenIm 11-gegen-0 kombiniert das Teamohne Gegnereinwirkung auf das Tor.So sind Grundabläufe wie das richti-ge Auffächern aus der Defensiv -formation und die Bildung von verschiedenen Passdreiecken amleichtesten zu erlernen.

Gegen 3 Spitzen + einen10erIm Zentrum Lücken findenDie beiden zentralen Mittelfeldspie-ler müssen sich für Pässe zwischendie gegnerischen Spitzen freilaufen.Im Foto erklärt ihnen der Trainergerade die Tiefenstaffelung. Sie befin-den sich aktuell auf einer Linie unddamit nicht in der idealen Position!

Gegen 2 Spitzen und RauteFlügelspiel und SpielverlagerungZwei Spitzen vor einer Mittelfeld -raute verengen das Zentrum desSpielfeldes. Dadurch entstehen anden Flügeln Räume zum Spielaufbau– verschiebt der Gegner zum Pass-empfänger am Flügel bietet sich oft-mals ein Diagonalball an.

Aufbau der Trainingseinheit

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1. Auffächern im 4-4-2-System mit Mittelfeldkette

Organisation und AblaufEine Abseitslinie 16 Meter vor dem Strafraum markieren und ein bewegliches Tor auf derStrafraum linie aufstellen. Die Mannschaft formiert sich in der Abwehrgrund-stellung, hier im klassischen 4-4-2-System (Abbil-dung: dunkle Figuren).Der zweite Torhüter schlägt einen langen Flugballauf den Torhüter im Tor. Sobald dieser den Ball fängt (Signal Ballbesitz),fächert die Mannschaft in die offensive Positionie-rung auf (Abbildung: helle Figuren).Der Torwart wirft zum Innenverteidiger (Abb.: gelbeMarkierung) ab, die Mannschaft kombiniert, dringtmit einem Pass in den Lauf eines Spielers (keinDribbling) in die Abseitszone ein und schließt ab.

Besondere HinweiseInnenverteidiger: fast auf Strafraumbreite ziehen.Außenverteidiger: außen hochschieben.Zentrale Mittelfeldspieler: der ballnahe Spieler gehthoch (Tiefe schaffen), der zentrale Partner bietet sichdiagonal jenseits der vertikalen Spielfeldmitte an.Außenmittelfeldspieler: hochschieben, ganz an derSeitenauslinie.Spitzen: Tiefe schaffen, Tiefenstaffelung zueinander.

Bild 1Der Ball fliegt zum Torhüter, die Mannschaft istnoch in der kompakten Defensivgrundstellung auf-gestellt (Foto: Viererabwehrkette und drei Mittel-feldspieler). Sobald der Torhüter den Ball sicher kontrolliert,müssen die Feldspieler auffächern und in Breite undTiefe Anspielstationen schaffen.

Bild 2Der Torhüter hat den Ball gefangen und rollt ihndem näheren Innenverteidiger in den Fuß.Die Feldspieler haben mit Blick zum Ball weit auf -gefächert.Fehler: Der Innenverteidiger fordert den Ball ingeschlossener Stellung!

Fotoreihe: Auffächern im 4-4-2-System mit Mittelfeldkette

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2. Dreiecksbildung im 4-4-2-System mit Mittelfeldkette

Organisation und AblaufGleicher Ablauf wie zuvor. Der Trainer korrigiert nun die Bildung von Pass -dreiecken.Dreieck 1: Die in Tiefe und Breite gestaffelten zentra-len Mittelfeldspieler ermöglichen den Spielaufbaudurch das Zentrum.Dreieck 2: Das tiefe Dreieck mit der ballnahen Spit-ze dient zum Raumgewinn mit dem Pass in die Tiefeund dem Ablegen des Balles auf die überspielteReihe (2a: Ablegen auf den 10er, 2b: Ablegen auf denAußenmittelfeldspieler).Dreieck 3: Das Überspielen einer Reihe (6er und 4er)im breiten Passdreieck ermöglicht den schnellenFlügelwechsel.

Besondere HinweiseGrundsätzliche Korrekturen: Mehr Passschärfe, offe-ne Stellung, Kommunikation („Hintermann!“,„Dreh!“), Lösen vom „Gegner“, Pass bzw. Annahmein die Bewegung, stets Blick zum Ball (auch beimZurücktraben nach dem Abschluss!).Der ballentfernte zentrale Mittelfeldspieler muss jenseits der vertikalen Mittelachse des Spielfeldesbleiben, um die Breitenstaffelung im Zentrum her-zustellen und Spielverlagerungen zu ermöglichen.

Bild 1Der linke Innenverteidigernimmt soeben den von rechtszugespielten Ball in die Bewe-gung mit. Die Innenverteidiger sind indiesem Moment zu nah zusam-men und könnten noch mehrBreite herstellen.

Die Außenverteidiger stehenhöher und weit an den Flügeln.Die zentralen Mittelfeldspielersind versetzt zueinander, derSpieler auf der Ballseite müssteaber mehr Tiefe herstellen.Die Außenmittelfeldspielersind hoch an der Seitenlinie.

Die Spitzen schaffen Tiefe. Passdreiecke: zentrales Dreieckmit den zentralen Mittelfeld-spielern (1), tiefes Dreieck mitder ballnahen Spitze (2) undbreites Dreieck hier mit demballentfernten Außenverteidi-ger (3).

Foto: Dreiecksbildung im 4-4-2-System mit Mittelfeldkette

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3. Spielaufbau gegen drei Spitzen und einen 10er

Organisation und AblaufOrganisation und Mannschaftspositionierung wiezuvor, jedoch Gegenspieler hinzunehmen: Eine zen-trale Spitze, zwei Außenstürmer, ein zentral-offensi-ver Mittelfeldspieler und zwei Innenverteidiger. Die Gegner verteidigen im System mit drei Spitzenund einem 10er.Spiel 11-gegen-7, nach Spielunterbrechungen startetimmer die Spielaufbaumannschaft mit einem Tor -hüterabwurf.

Besondere HinweiseDie Mannschaft soll versuchen, zwischen den dreiSpitzen hindurch aufzubauen und im ZentrumÜberzahl zu schaffen (gelbe Markierung A).Dazu müssen die Außenverteidiger möglichst weitnach außen ziehen, damit die gegnerischen Außen-stürmer diese Passoptionen zustellen, breiter ziehenund somit das Zentrum weniger absichern (gelbeMarkierung B).Das schnelle Spiel in die Tiefe mit dem tiefen Drei-eck ist dann ebenfalls möglich. Die blaue Markie-rung zeigt den möglichen Passwinkel in die Tiefe aufder ballnahen Seite. Wichtig: Der Innenverteidiger kann auch die Optiondes Tempodribblings ins Zentrum wählen!

Bild 1Der Torhüter wirft auf denrechten Innenverteidiger ab. Die drei gegnerischen Spitzensind relativ nah zueinanderund auf einer Höhe postiert.Der zentral-offensive Gegnerbefindet sich nahe des Anstoß-punktes.

Der ballnahe Außenmittelfeld-spieler sprintet nach außen, derAußenverteidiger läuft in offe-ner Stellung zur Seitenauslinie.Dieses Auffächern soll die geg-nerischen Spitzen dazu verlei-ten, den Weg durch das Zen-trum zu öffnen.

Die zentralen Mittelfeldspielersind noch nicht optimal gestaf-felt: auf der Ballseite Tiefeschaffen, der Partner diagonalnach hinten-innen.Die Innenverteidiger sind breitaufgefächert, der Torhüter bie-tet sich nach hinten an.

Foto: Spielaufbau gegen drei Spitzen und einen 10er

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4. Spielaufbau gegen zwei Spitzen und Mittelfeldraute

Organisation und AblaufAufbau und Ablauf wie zuvor, die verteidigendeMannschaft wird zum 11-gegen-9 erweitert. Die verteidigende Mannschaft ist gemäß dem 4-4-2-System mit Raute ohne Außenverteidiger gestaffelt.Der Spielaufbau muss nun entsprechend der neuenBedingungen erfolgen.

Besondere HinweiseGegen ein System mit zwei Spitzen und Mittelfeld-raute bleibt viel Raum an den Flügeln, das Zentrumhingegen ist eng gedeckt.Möglich ist daher der Spielaufbau über den ball -nahen Flügel, der offene Passwinkel (blaue Markie-rung) lässt auch das Spiel im tiefen Dreieck zu. Dieballnahen Außenspieler fächern bis zur Seitenausli-nie auf und öffnen damit den Raum (gelbe Markie-rung A).Je mehr der Gegner zu dieser Ballseite verschiebt,desto lohnender ist der Flügelwechsel, am besten mitdem Diagonalball in den freien Raum am ballfernenFlügel (gelbe Markierung B).

Bild 1Der linke Innenverteidiger istam Ball. der linke Außenvertei-diger bietet sich in offener Stel-lung an.Der rechte Rautenspieler undder ballnahe Stürmer der Geg-ner öffnen die Passlücke zumzentralen Mittelfeldspieler.

Die Spieler müssen solcheChancen erkennen und situativnutzen, auch wenn sie von deneinstudierten Mustern desSpielaufbaus abweichen!Ideale Passfolge in dieser Situa-tion: Pass zum ballnahen zen-tralen Mittelfeldspieler, dieser

lässt direkt in den Lauf desAußen mittelfeldspieler (Nr. 11am linken unteren Bildrand)klatschen.Dort ist viel freier Raum um inden Rücken der gegnerischenAbwehr zu gelangen!

Foto: Spielaufbau gegen zwei Spitzen und Mittelfeldraute