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Repetitive Behandlung mit Ketamin-Infusionen
Anhaltende Wirkung bei therapieresistenter DepressionFragestellung: Ist durch wiederholte Behandlungen mit Ketamin ein anhaltender antidepressiver Effekt bei Patienten mit therapieresistenter Depression (TRD) zu erreichen?
Hintergrund: Seit dem Jahr 2000 wurden mehrere Studien publiziert, die einen deutlichen antidepressiven Effekt des Allgemeinanästhetikums Ketamin zeigten. Hierbei konnten Responseraten von 62–71% innerhalb von 24 Stunden erreicht werden. Dies führte zu einem großen Interesse an dieser Behandlungsform. Zur Wirkung und Verträglichkeit wiederholter Ketamininfusionen bei TRD lagen bisher keine Daten vor, zur Dauer der antidepressiven Wirkung nur sehr wenige.
Patienten und Methodik: An dem 83tägigen ambulanten Studienprogramm nahmen 24 Patienten mit MajorDepression (nach DSMIV) und therapieresistentem Verlauf (mindestens zwei fehlgeschlagene medikamentöse Therapieversuche in der aktuellen Episode) teil. Einschlusskriterien waren eine aktuell schwere Symptomausprägung (IDSCScore ≥ 32 Punkte). Das Antidepressivum wurde mindestens 14 Tage zuvor abgesetzt. Ausgeschlossen wurden Patienten mit entgleister arterieller Hyper tonie, KetaminAbusus in der Vorgeschichte, zweiter vorherrschender AchseIStörung, Schwangerschaft oder Auffälligkeit in der körperlichen Untersuchung bei Studienbeginn (EKG, Labor, körperliche Untersuchung).
In der ersten Phase erfolgten sechs Infusionen innerhalb von zwölf Tagen (Tag 0, 3, 5, 8, 10, 12). Ein Anästhesist applizierte über 40 Minuten 0,5 mg/kg Körpergewicht (KG) Ketamin in einer Kochsalzinfusion. Eine kontinuierliche Überwachung erfolgte mittels Monitoring der Vitalparameter. In der zweiten Phase (Followup) wurden Responder auf Ketamin (Verbesserung im MADRSScore ≥ 50% zwischen Tag 0 und 13) über maximal 83 Tage regelmäßig untersucht.
Primärer Endpunkt war die Responserate an Tag 13. Zweiter Endpunkt war die Zeit bis zum Wiederauftreten des depres siven Syndroms (MADRSScore > 50% des Ausgangswerts an Tag 0) in der Gruppe der Responder.
Ergebnisse: Drei Patienten schieden während des Untersuchungszeitraums aus der Studie aus, hiervon ein Patient aufgrund nicht kupierbarer arterieller Hypertonie (180/115 mmHg) während der ersten Infusion, zwei Patienten (initial NonRes
ponder) verließen eigenständig beziehungsweise nach Pilot studienprotokoll die Studie. 21 Patienten erhielten die komplette Protokollmedikation. 17 von 24 Patienten (70,8%) waren Responder innerhalb der ersten 13 Tage. Bereits beginnend mit der
ersten Untersuchung und zwei Stunden nach der ersten Infusion zeigte sich in eine statistisch signifikante Verbesserung im MADRSScore über die gesamte Patientengruppe (p < 0,05). Responder verbesserten sich während der 13 Tage kontinuierlich, bei NonRespondern zeigte sich im Verlauf nach initialer Symp tomverbesserung eine schrittweise Verschlechterung der Symp tomatik. In der FollowupPhase ohne protokollgemäße Intervention zeigte sich ein Rückfallrisiko von 25% (± 11%), die mediane Zeit bis zum Wiederauftreten lag bei 18 Tagen. Vier Patienten blieben bis zum Ende des Beobachtungszeitraums (83 Tage) Responder.
Schlussfolgerungen: Eine wiederholte intravenöse Gabe von Ketamin zeigte eine rasche antidepressive Wirkung bei der Mehrheit der behandelten Patienten. Dieser Effekt hielt ohne weitere Intervention zeitlich begrenzt an. Die Dauer des antidepressiven Effekts war interindividuell sehr unterschiedlich.
Morrough JW, Perez AM, Pille-mer S et al. Rapid and longer-term antidepressant effects of repeated ketamine infusions in treatment-resistant major de-pression. Biol Psychiatry 2013; 74: 250 –6
1 Veränderung der Depressionsschwere nach wiederholten Ketamin-Infusionen bei therapieresistenter Depression.
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13; 7
4: 2
50–6
Phase-I-Responder (n=17) Phase-I-Nonresponder (n=7)
50
40
30
20
10
00 2 4 24 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Ketamin 0,5 mg/kg KG i.v.
13Zeit (Tage)Zeit (Stunden)
MAD
RS-S
core
Weitere Infos auf springermedizin.de
Ketamin bei Depression auch intramuskulär?
Die breite Verwendung von Ketamin als Antidepressivum wird durch die i. v.-Applikationsform eingeschränkt. Die orale Gabe ist aufgrund der niedrigen Bioverfügbarkeit wenig be-friedigend, die intranasale Applikation schlecht steuerbar. Abhilfe könnte die intramuskuläre Gabe von Ketamin bieten Lesen Sie mehr unter www.springermedizin.de/4605678.
journal club
11In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2013; 15 (12)
−Kommentar von Konrad F. Schlicht und André Tadić, Mainz
Responder profitieren von einer wiederholten GabeEs handelt sich um die vierte klinische und bisher größte Stu-die zur Wirksamkeit von Ketamin bei Depression. Erstmals fand eine wiederholte intravenöse Gabe statt. Die Ergebnisse be-stätigen die existierenden Befunde, insbesondere das sehr ra-sche Ansprechen sowie die bisherigen Responseraten. Erst-mals liegen nun Ergebnisse einer wiederholten Gabe von Ketamin vor: Diese legen nahe, dass Responder von einer wie-derholten Gabe profitieren und ein zeitlich begrenzter Effekt festzustellen ist. Wie die Autoren richtig schlussfolgern, kann eine wiederholte Ketamingabe zukünftig eine mögliche Alter-native zur EKT bei Patienten mit TRD sein. Aufgrund des Miss-brauchpotenzials und der Nebenwirkungen (dissoziative und kognitive Symptome) ist eine Behandlung mit Ketamin i. v. nicht zur kontinuierlichen antidepressiven Therapie geeignet. Über Möglichkeiten einer Verlängerung des zeitlich limitierten antidepressiven Effekts von Ketamin liegen derzeit keine In-
formationen vor. Gegenstand zukünftiger randomisierter kli-nischer Studien sollten remissionserhaltende Therapiemaß-nahmen nach einer erfolgreichen Behandlung mit Ketamin sein.
PD Dr. med. habil. André Tadić, Mainz
Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz, Leiter Schwerpunkt Affektive StörungenE-Mail: [email protected]
−Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen
Wichtig für Nicht-NeurologenDiagnostische Algorithmen sind insbesondere in den anglo-amerikanischen Ländern wichtig, da hier die Notaufnahmen nicht von entsprechenden Fachärzten der Einzeldisziplin, son-dern von Emergency Physicians besetzt werden. Die im Rahmen dieser Studie entwickelte Ottawa-Skala hat eine hohe Sensitivi-tät für die Identifikation von Patienten mit einer Subarachnoi-dalblutung. Im deutschsprachigen Raum ist dies ein geringeres Problem, da Patienten mit akuten Kopfschmerzen in der Not-aufnahme von Neurologen oder Neurochirurgen mit entspre-chender Erfahrung und Kompetenz gesehen werden.
Subarachnoidalblutung
Klinische Hinweise bei KopfschmerzenFragestellung: Lässt sich durch eine strukturierte Anamnese die Sensitivität zur Entwicklung einer Subarachnoidalblutung bei Patienten mit akuten Kopfschmerzen verbessern?Hintergrund: Etwa 2–3% aller Besuche in Notaufnahmen erfolgen wegen akuter Kopfschmerzen, davon 1–3% aufgrund einer Subarachnoidalblutung. Bei entsprechendem Verdacht erfolgt üblicherweise eine Computertomografie. Ist diese negativ, eine Liquorpunktion. Hilfreich wären Daten für eine strukturierte Anamneseerhebung, um die Wahscheinlichkeit der Diagnose einer Subarachnoidalblutung zu erhöhen.
Patienten und Methodik: Studienteilnehmer waren 2.131 Erwachsene mit akut einsetzenden Kopfschmerzen (Höhepunkt innerhalb einer Stunde) ohne neurologische Ausfälle. Die Indikation für Bildgebung und Liquorpunktion erfolgte bei Patienten im Alter über 40 Jahren mit Meningismus, Bewusstseinsverlust, Beginn während körperlicher Aktivität, Einlief erung durch einen Krankenwagen, Erbrechen und erhöhtem diastolischem Blutdruck. Die Diagnostik erfolgte durch Computertomografie, Liquorpunktion oder Angiografie.
Ergebnisse: Eine Subarachnoidalblutung wurde bei 132 Patienten diagnostiziert (6,2%, mittleres Alter 44 Jahre). 26% wurden mit dem Krankenwagen eingeliefert. Die Schmerz intensität be
trug auf einer Skala von 0–10 im Mittel 8,7. Von den Patienten gaben 53% einen Donnerschlagkopfschmerz an. Aus den erfragten Parametern wurde die OttawaSkala zur Erfassung einer Sub
arachnoidalblutung (siehe oben) erstellt, die eine Sensitivität von 100 % und eine Spezifität von 15% aufweist.
Schlussfolgerungen: Mit einer einfachen strukturierten Anamnese kann mit hoher Sensitivität der Verdacht auf eine Subarachnoidalblutung bestätigt werden.
Perry JJ, Stiell IG, Sivilotti ML et al. Clinical decision rules to rule out subarachnoid hemor-rhage for acute headache. JAMA 2013; 310: 1248 –55
1. Alter ≥ 40 Jahre2. Meningismus3. Bewusstseinsverlust4. Beginn der Kopfschmerzen während körperlicher Aktivität5. Donnerschlagkopfschmerz6. Eingeschränkte Beweglichkeit der HWS
Ottawa-Regel für Subarachnoidalblutung
journal club
12 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2013; 15 (12)