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AniCura Aachen GmbH | Trierer Straße 652 - 658 | 52078 Aachen www.anicura.de/aachen Telefon: +49 241 -92 86 60 Mitralisinsuffizienz, dekompensiert Signalement: Rottweiler-Rüde, geb. Februar 1994, 48 kg Vorbericht: Das Tier war in den letzten Wochen relativ müde und hustete gelegentlich – vor allem abends. Da es nachts auf dem Hof in einem Zwinger gehalten wurde, konnten die Besitzer über das Verhalten nachts keine Auskunft geben. Am Tag der Vorstellung war das Tier nach einem Spaziergang atemlos. Danach wollte es nicht mehr aufstehen. Klinische Untersuchung: Bei der Vorstellung des stark übergewichtigen und sehr ängstlichen Tieres betrug die Körperinnentemperatur 38,6°C, die Atmung war gleichmäßig und regelmäßig, costo-abdominal und deutlich angestrengt mit 112 Zügen/min. Der Puls war schwach, gleichmäßig und regelmäßig mit 168 Schlägen/min. In der V. jugularis wurde ein negativer Venenpuls festgestellt. Bei der Auskultation des Herzens war ein deutliches holosystolisches, plateauförmiges Herzgeräusch (Grad 5) mit Punctum maximum im 5. Interkostalraum feststellbar. Die Schleimhäute waren zyanotisch, die kapilläre Füllungszeit auf der Innenseite der linken Lefze betrug fast 4 sec. Zu den anderen Organsystemen des Körpers waren keine abweichenden Befunde zu erheben. Es bestand damit eine Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse IV. Weitergehende Befunde: Die hämatologische und klinisch-chemische Untersuchung des Blutes waren ohne besondere Befunde. Röntgenuntersuchung In der seitlichen Thoraxaufnahme zeigte sich eine generalisierte Vergrößerung des Herzens .Der Vertebral Heart Score lag bei 13,4 (8,7-10,7). Die Herztaillen waren verstrichen, die Herzsilhouette kugelförmig abgerundet. Ein Mitralisdreieck sowie ein perihiläres Lungenödem waren Hinweis auf eine Stauung vor dem linken, die Zunahme des Querschnittes der V. pulmonalis (2-facher Arterienquerschnitt) ein Hinweis auf eine Stauung vor dem rechten Herzen. Schon auf der latero-lateralen Aufnahme zeigte sich ein flüssigkeitsgefüllter Raum zwischen Herz und Sternum.

Anicura Aachen Mitralisinsuffizienz dekompensiert€¦ · generalisierte Kardiomegalie. Der diastolische Durchmesser des linken Ventrikels (LVDd) lag bei 68 mm (52-59), der systolische

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Mitralisinsuffizienz, dekompensiert

Signalement: Rottweiler-Rüde, geb. Februar 1994, 48 kg

Vorbericht: Das Tier war in den letzten Wochen relativ müde und hustete gelegentlich – vor allem abends. Da es nachts auf dem Hof in einem Zwinger gehalten wurde, konnten die Besitzer über das Verhalten nachts keine Auskunft geben. Am Tag der Vorstellung war das Tier nach einem Spaziergang atemlos. Danach wollte es nicht mehr aufstehen.

Klinische Untersuchung: Bei der Vorstellung des stark übergewichtigen und sehr ängstlichen Tieres betrug die Körperinnentemperatur 38,6°C, die Atmung war gleichmäßig und regelmäßig, costo-abdominal und deutlich angestrengt mit 112 Zügen/min. Der Puls war schwach, gleichmäßig und regelmäßig mit 168 Schlägen/min. In der V. jugularis wurde ein negativer Venenpuls festgestellt. Bei der Auskultation des Herzens war ein deutliches holosystolisches, plateauförmiges Herzgeräusch (Grad 5) mit Punctum maximum im 5. Interkostalraum feststellbar. Die Schleimhäute waren zyanotisch, die kapilläre Füllungszeit auf der Innenseite der linken Lefze betrug fast 4 sec. Zu den anderen Organsystemen des Körpers waren keine abweichenden Befunde zu erheben. Es bestand damit eine Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse IV.

Weitergehende Befunde: Die hämatologische und klinisch-chemische Untersuchung des Blutes waren ohne besondere Befunde.

Röntgenuntersuchung

In der seitlichen Thoraxaufnahme zeigte sich eine generalisierte Vergrößerung des Herzens .Der Vertebral Heart Score lag bei 13,4 (8,7-10,7). Die Herztaillen waren verstrichen, die Herzsilhouette kugelförmig abgerundet. Ein Mitralisdreieck sowie ein perihiläres Lungenödem waren Hinweis auf eine Stauung vor dem linken, die Zunahme des Querschnittes der V. pulmonalis (2-facher Arterienquerschnitt) ein Hinweis auf eine Stauung vor dem rechten Herzen. Schon auf der latero-lateralen Aufnahme zeigte sich ein flüssigkeitsgefüllter Raum zwischen Herz und Sternum.

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In der seitlichen Aufnahme des Abdomens ließen sich Stauungen in den Parenchymen von Leber und Milz nachweisen. Es bestand ein Aszites mit deutlicher Verminderung der Detailerkennbarkeit im Abdomen. Das Lumen des Jejunums war weitgestellt. Es ergaben sich keine Hinweise auf Peristaltik – auch auskultatorisch war Peristaltik nicht nachweisbar.

Elektrokardiogramm

Im EKG fanden sich ebenfalls Belege für eine deutliche Kardiomegalie. Der QRS-Komplex wies eine Niedervoltage auf. Das EKG ergab keine Hinweise auf Störungen des Herzrhythmus.

Echokardiografie Es wurde aus dem zweidimensionalen Herzultraschall ein M-Mode-Bild errechnet. Darin zeigte sich ebenfalls eine generalisierte Kardiomegalie. Der diastolische Durchmesser des linken Ventrikels (LVDd) lag bei 68 mm (52-59), der systolische Durchmesser (LDVs) bei 58 mm (33-38). Daraus ließ sich ein deutlich erniedrigtes FS von 15% ermitteln. Die Atrioventrikularklappen waren deutlich verdickt.

Blutdruckmessung: Mittels oszillometrischer Blutdruckmessung (Memoprint) ergaben sich systolisch 115 und diastolisch 80 mmHg (N: 135/75). Das niedrige )p von 35 mmHg korrespondierte mit der geringen körperlichen Leistungsfähigkeit.

Diagnose: Hochgradige Mitralisinsuffizienz, weitgehend dekompensiert, NYHA-Klasse IV

Therapie: Die Therapie des Patienten erfolgte in zwei Schritten. Zunächst wurden Sofortmaßnahmen getroffen, den Patienten zu stabilisieren: - Um ihm die Angst zu nehmen, wurde er zunächst sediert. Ziel dieser Maßnahme war die psychische Stabilisierung des Tieres sowie eine deutliche Reduktion des Sauerstoffbedarfes. - Das sedierte Tier konnte ohne weitere Zwangsmaßnahmen mit Sauerstoff supplementiert werden, zunächst durch Aufsetzen einer Maske, nach dem Ende der medizinisch notwendigen Manipulationen im Sauerstoffkäfig

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- Durch Aufbringen eines Vasodilatators auf die Innenseite des Ohres wurde die Vorlast reduziert. - Mittels Infusion eines Nierenstarters wurde unter ständiger Kontrolle des Harnabsatzes im Dauertropf die Nierenleistung sofort deutlich gesteigert. - Für die folgenden Stunden konnte die hohe Flüssigkeitsausscheidung durch Anwendung eines Diuretikums aufrechterhalten werden. Nach Kontrolle des lebensbedrohlichen Stadiums wurde der Patient eingestellt: - Mittels eines ACE-Hemmers als Vasodilatator wurde der Aufwand für die Herzaktion reduziert. - Mittels zweier Diuretika sank die Vorlast und ging die Lungenstauung zurück. Die Wasseraufnahme wurde begrenzt, um die erhöhte Ausscheidung nicht durch vermehrte Aufnahme zu kompensieren. - Positiv inotrope Medikamente wurden zur Verbesserung der Herzkraft eingesetzt.

Weiterer Verlauf: Das Tier stabilisierte sich unter der Therapie innerhalb von zwei Tagen. Der Blutdruck erreichte dadurch zwar nicht den Referenzbereich (122/80), das )p als Äqivalent der Leistungsfähigkeit des Herzens lag aber immerhin bei 42 mmHg. Um einen Anstieg des Arzneimittelspiegels in toxische Bereiche zu vermeiden, wurde der Serumspiegel mehrfach kontrolliert, erstmals nach 2 Wochen, später im Abstand von 3 Monaten. Das Husten verschwand schon am zweiten Behandlungstag. Die Therapiekontrolle im Echokardiogramm ergab eine deutlich gestiegene Herzleistung (FS 25% - N: 30 – 35 %).

Prognose: Kurzfristig ist die Stabilisierung des Patienten zu erreichen gewesen. Sie muss unbedingt mit der Reduktion des Körpergewichts um 6-8 kg einhergehen, um die Kreislaufbelastung zu senken. Außerdem kann durch eine kochsalzarme Fütterung die Neigung des Körpers zur Wasserretention verringert werden. Mittel- und langfristig ist das Fortschreiten der Herzdilatation aber nicht aufzuhalten. Es wird daher wieder zur Verschlechterung des Zustandes kommen. Bei körperlicher Überlastung oder an Tagen mit ungünstigen Witterungsverhältnissen kann es sogar wieder zu Leistungseinbrüchen oder gar zum plötzlichen Herztod kommen. Wird der Leistungsstatus laufend überwacht und die Therapie daran angepasst, kann das körperliche Befinden vieler Patienten aber über Monate oder Jahre auf einem befriedigenden Niveau gehalten werden. Insbesondere soll die elektrische Aktivität des Herzens in nicht zu großen Abständen von wenigen Monaten durch ein EKG überwacht werden. Treten Vorhofflimmern oder ventrikuläre Extrasystolen auf, muss sofort mit Hilfe von Antiarrhythmika eingegriffen werden. Dennoch verschlechtert sich die Prognose dadurch erheblich. Diverse Studien weisen nach, dass Angehörige großer Hunderassen bei Auftreten dieser Rhythmusstörungen Überlebenszeiten von nur noch wenigen Wochen aufweisen.

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Diese Fallbeschreibung entspricht dem gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Technik. Eine Garantie für den Inhalt kann nicht übernommen werden. Jede Fallbeschreibung stellt nur die für die Beschreibung des vorliegenden Falles wichtigsten Diagnosen dar. Insbesondere können hier nicht beschriebene Symptome und Vorbehandlungen wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer anderen Erkrankung aus der auch für Ihr Tier zu erstellenden Liste der

Differentialdiagnosen darstellen. Deshalb sind Diagnosen und Behandlungsvorschläge stets durch den behandelnden Tierarzt auf ihre Richtigkeit und Anwendbarkeit im speziellen Fall zu überprüfen.