Antigene, Antikörper und Immunität

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  • KLINISCHE WOCHENSCHRIFT x6. JAHRGANG Nr . 8 ~o. FEBRUAR x937

    0BERSICHTEN. ANTIGENE, ANT IKORPER UND IMMUNIT/~T*.

    Versuche mit chemisch-rnarkierten Antigenen.

    Von

    FELIX HAUROWITZ. Aus dem Medizinisch-Chemischen Institut der Deutschen UniversitAt in Prag.

    Das Wesen der Immuni t~ts reakt ionen ist t ro tz ihrer gro~en Bedeutung ffir das Krankhe i tsgeschehen noch unklar . Dies l iegt zum gro~en Tell an der aul3erordent l ichen Schwie- r igkeit, die reag ierenden Komponenten , Ant igene und Ant i - k6rper, in v i t ro oder in den Organen immunis ie r te r Tiere chemisch zu erfassen. In den letzten Jahren haben wir uns bemfiht , diese Schwier igkeit durch Verwendung chemisch mark ie r ter Ant igene zu f iberwinden. Es gelang uns bei diesen Versuchen, eine Reihe neuer Gesetzm~13igkeiten aufzuf inden. l~ber diese Befunde soll b ier zusammenfassend ber ichtet und eine Anschauung fiber das Wesen der Immnni t~ts reak- t ionen daraus abgelei tet werden.

    Bei unseren Versuchen bed ienten wi t uns vorwiegena der Pr~eipitinreaktion, da bier die Verh~ltnisse ffir quant i ta t ive Untersuchungen am gf inst igsten liegen. Die PrAcipit inreak- t ion l~13t sich in v i t ro durchff ihren und bedar f zu ih rem Ab laut bloB der Gegenwart yon Ant igen nnd Ant ik6rper . Die ffir andere Immuni t~ts reakt ionen erforder l ichen I~omponenten: Komplement , Zellen, Organe, Tiere, werden n icht ben6t igt . - - Als Ant igene d ienten uns Proteine, die durch ein k6rper- f remdes E lement chemisch mark ie r t waren. LANDSTEINER 1 hat in seinen ausgedehnten Untersuchungen gezeigt, dal3 man die verscb iedensten chemisehen Atomgruppen an EiweiB kuppe ln und bei Immunis ie rung mi t dem Kupp lungsprodukt spezif ische Ant ik6rper erha l ten kann. Verwendet man Ato~n- gruppen ~it k6rper]reraden Elementen, so gel ingt es unter Umstt tnden, dieses E lement und dami t auch das Ant igen in den Organen des immunis ie r ten Tieres und in Prt tc ip i taten quant i ta t iv zu best immen. Ahnl iche Best immungen haben zu gleicher Zeit und unabhtkngig von uns 1VIARRACK und SMITH vorgenommen 2.

    Unsere Versuche wurden vorwiegend mi t dem kSrper- f remden E lement Arsen durchgeff ihrt . Es wurde das Schick- sal der As-halt igen Ant igene im Organismus der immuni - s ierten Tiere verfolgt; die Immunsera wurden unter ver- schiedenen Bed ingungen mit den As-Ant igenen zur Reakt ion gebraeht . Dabei haben wir uns vor al lem bemfiht, e inen E in- bl ick in die B indung des Ant igens an den Ant ik6rper zu ge- winnen, nm Rfickschlfisse auf den Bau der Ant ik6rper z iehen zu k6nnen.

    I. Methodik. Zur Darste l lung yon Ant igenen versch iedenen As-Gehaltes

    wurde Serumglobul in vom Pferde mi t versch iedenen Mengen d iazot ier ten Atoxyls nach LANDSTEINER s gekuppelt . Die auf diese Weise erha l tenen p-Phenyl-ars inst~ure-azo-globul ine sollen im folgenden kurz als As-Globuline bezeichnet werden. In j i z ier t man die As-Pferdeglobul ine Kan inchen, so erht~lt man Immunsera , welche As-Pferdeglobul ine, aber auch andere As-Prote ine s tark prt~cipitieren. Daraus geht hervor , dab die Immunsera Ant ik6rper entha l ten , welche spezif isch mi t der As-hal t igen Gruppe reagieren. Man hat diese ffir die Spezifi- t~t des Ant igens mal~gebende Gruppe mi t e inem tref fenden Ausdruck als ,,deter~ninante Gruppe" bezeichnet n. Die As- Globuline unserer Versuche enthielten 1--104 As-haltige deter- rainante Gruppen im Molelci~l ~.

    Jede dieser Gruppen entht~lt 2 As-Atome, denn bei der Kupp- lung yon Eiwei~ mit diazotiertem Atoxyl werden je 2 Gruppen

    * Nach einem am z3. XI. ~936 im Verein Deutscher Arzte in Prag gehaltenen Vortrag.

    Klinlsche Wochenschrift, z6. Jahrg.

    der Formel - -N=N--CsH4- -AsOsH 2 an je i Tyrosin- oder Histidin- rest der Eiweil3komponente gebunden. Aus dem Molekulargewicht des Serumglobulins (=Iooooo) und dem As-Gehalt unserer Antigene (o, I - io,6 %) ergibt sich, dal3 sie h6chstens 208 As-Atome, das ist Io 4 determinante Gruppen, im Molekiil enthalten.

    Zur chemischen :Bestimmung dieser Antigene im Organismus des immunisierten Tieres und in den Pr~cipitaten wurde eine empfindliche As-Bestimmungsmethode ausgearbeitet 4. ~. Sie gestattet den Nachweis yon zo/zg As mit einem Fehler yon q-5 %, die Bestimmung kleinerer As-Mengen bis zu I/zg As mit entspre- chend gr613erem Fehler.

    I I . Versuche und Ergebnisse. Mit Hilfe dieser Methode habe ich zunttchst gemeinsam

    mi t Prof. F. BREINL ~ gefunden, dab das in]izierte Antigen i nnerha lb weniger S tunden die B lu tbahn verl~13t. Man f inder nach 6 Stunden 25- -30% in der Leber, e twa ebensoviel im Knochenmark , also in den reticuloendothelialen Organen, nur I - - s % in der Milz, die be im Kan inchen sehr klein ist. E in Dr i t te l des Ant igens wird innerha lb 24 Stunden abgebaut und ausgeschieden, vorwiegend dutch den Harn , in k le ineren Mengen durch den Kot, ein weiteres Dr i t te l im Laufe yon 8 Tagen. Daher f indet man auch betrt~chtl iche Mengen des Ant igens und seiner As-hal t igen Abbauprodukte in der Niere.

    E ine tkhnliche Verte i lung f inder man bei normalen Meer- schweinchen und bei solchen, die durch Ant i -As - Immunserum passiv sensibi l is iert worden waren, im prot rab ier ten anaphy- lakt ischen Shock (Versuche mi t FRANZ KRAUS6). Man kann daraus schliel3en, dab be im anaphy lakt i schen Shock die Reakt ion zwischen Ant igen und Ant ik6rper vorwiegend im ret icu loendothel ia len System vor sich geht.

    Untersucht man die Immunsera nach In]ektion yon As- P]erdeglobulin, so f indet man, dab sie mindestens 3 verschie- dene AntikSrper entha l ten (Versuche mi t :FERD. MARXS), und zwar x. Ant ik6rper gegen die As-halt ige determinante Gruppe ; sie werden durch As-Pferdeglobul in, aber auch durch das ar t f remde As -Kan incheng lobu l in pr~cip i t ier t ; 2. Ant ik6rper gegen artspezif ische determinante , ,P fe rde"gruppen; sie werden durch As-Pferdeglobul in, aber auch durch reines Pferdeglobul in pr~cip i t ier t ; 3- Ant ik6rper gegen eine Kombi - nat ion yon As- und ,,Pferde"-Gruppen, die sich nut im homo- logen As-Pferdeglobul in f inder; sie werden nut dutch dieses, n icht durch As -Kan ineheng lobu l in oder Pferdeglobul in ge- t , l i t .

    Die Menge dieser Antik6rper ist verschieden. So gaben io ccm eines Immunserums mit As-Kaninchenglobulin stets I7 - - I8mg Pracipitat, mit reinem Pferdeglobulin stets 7--8 mg Pracipitat, unabht~ngig yon der Reihenfolge dieser F~llungen, bei anschliel3ender F~llung mit As-Pferdeglobulin 17 mg Pr~cipitat. Die Precipitate bestanden nut zum kleinsten Tell aus Antigen, vorwiegend also aus Bestandteilen des Irnmunserums (Antik6rper).

    Die Versuche zeigen, dal3 das einheitliche Antigen As- P]erdeglobulin ~ehrere Arten deterrainanter Gruppen enthdlt und zur Bildung ~nehrerer Arten yon Antik6rpern /i~hrt. Die ansche inend einfache Reakt ion zwischen As-Pferdeglobul in und dem homologen Immunserum ist also eine kompl iz ierte Reakt ion zwischen i Ant igen und mindestens 3 versch iedenen Ar ten yon Ant ik6rpern . Es ist n icht verwunder l ich , daft man bei dieser Reakt ion Precipitate ver~inderlicher Zusammen- setzung erht~lt. Man hat dies frf iher darau I zurf ickgeff ihrt, dal3 das Ant igen mi t e inem Ant ik6rper dissoziab]e Verb indungen verschiedener Zusammensetzung bi ldet. Diese Erk l~rung kann bier n icht zutreffen, denn die Prf ic ip i tate waren in unseren Versuchen unl6sl ich in I proz. NaC1-L6sung und liel3en keine Dissoziation erkennen 5.

    Um die Reakt ion zwischen Ant igen und Ant ik6rper zu vereinfachen, haben wit die artspezif ische , ,P ferde" -Kom-

    I9

  • 258 ponente ausgeschal tet und die Immunsera mit As-Kanin- ehenglobulln ausgewertet . An dieses Testant igen k6nnen nur jene Ant ik6rper gebunden werden, die sich an die As -Gruppe heften. Unter diesen e infachen ]3edinguligen ents tehen nun Prdieipitate anni~hernd konstanter Zusammensetzung (Tabelle I). Antigen und Antikdrper verbinden sich also in konstanten ProportionenK

    Tabel leI . F rakt ion ie r te Fa l lung yon io ccra Imraun- serum durch Zusatz yon je o, I - -o,2 ccn l o,67proz. As -Ka-

    n incheng lobu l in (2,8% As).

    I ( L IN ISCHE WOCHENSCHI~IFT . 16. JAHRGANG. Nr . 8 ~o. FEBRUAR I937

    Antigenllo, I o,I ~ 3,08 5,03 2,45 I,OI / Spur 3,87 0,2 o,2 0,2 o,2 Milligramnl P rac ip i ta t . I~2ubikzentimeter 12'95 4:45 o,i

    Prozent Antigen . . . 7,x 6,8 6,3 6,8 7,8 6 ? [ ?

    Wit haben diesen Versuch wegen seiner Wicht igke i t mi t As-Globul inen versch iedenen As-Gehaltes durchgeff ihrt und stets P rec ip i ta te annXhernd konstanter Zusammensetzung erha l ten. Tabel le 2 zeigt, dab die As-re ichen Ant igene mehr Ant ik6rper b inden als die As -armen Ant igene. Da der As- Geha l t der Ant igene bekannt ist, 1/~Bt sich leicht berechl ien, wieviel Ant ik6rper an jede determinante Gruppe des Ant igens gebunden wird. Diese Reehnung f i ihrt bei den As -armen Ant igenen Nr. 5 und 6 zu dem unerwar te ten Ergebnis, dab jede determinante Gruppe des Ant igens ein Ant ik6rperte i l - chen vom J iqu iva lentgewicht ~ IOOOOO bindet . Dies ist bemerkenswert , weil das lV[olekulargewicht der Ant ik6rper nach Messungen yon HE IDELBERGER, PEDERSEN und TISE- LIUS~ mi t jenem der Serumglobul ine ident isch ist; es betr~gt nach SVEDBERG s etwa IOOOOO. Unser Befund bedeutet also, dab an ]ede determinants Gruppe des Antigens 1 AntikSrper- moleki~l gebunden wird~.

    Tabelle 2. F i t l lung yon je ~o ccm I ra raunserura ra i t der max i - ma l p rXc ip i t ie renden Menge As -Kan incheng lobu l in .

    Aggregate, in denen Antigen- und Antik6rperteilchen alternierend aneinander gebnnden sind, einer yon MARRACK n vertretenen An- schauung entsprechend.

    I)a/3 nut bei As-reiehen Antigenen Precipitation eintritt, beruht nicht etwa ant ihrera Reichtnra an sauren Gruppen. Denn I~ontroll- versuche rait As-armen Antigenen, in deren Molekfll andere sanre Gruppen eingefiihrt worden waren (COOI-I-Gruppen), ergaben wiederum, dab raindestens etwa IO deterrainante As-Gruppen znr PrXcipitation notwendig sind. Dasselbe Ergebnis erhielten wir bei der ~blichen serologisehen Answertung (TabelIe 3) 5.

    Wi t haben in weiteren Versuchen gepr/ift, oh die 1Kindest- zahl yon io determinanten Gruppen such zur ]Bildung der Ant ik6rper I Iotwendig ist. Tabel le 3 zeigt, dab dies IIicht zutr i f f t . Eine einzige As-haltige determinants Gruppe im groflen Antigenmoleki~l geni'egt zur Erzeugung yon Antik6rpern, welche As-Globulins spezi/isch priicipitieren ~.

    Tabelle 3. I ramunis ie rung mi t As -P ferdeg lobu l in ver - sch iedenenAs-Geha l tesnndAuswer tuug ra i tAs - I ,2an in - cheng lobu l in . D ie Tabe l le g ib t nur d ie In tens i t i i t der

    Fa l lung be i opt i raa le r Ant igenverdt innung an.

    llUizler tes Antigen: ~ Testantigen: As-Pferdeglobulm I As-Kaninchen lobulin

    - - - - - - ~inante ' Nr . . . . I 2 3 4 5 8 Nr. As in Proz. Gruppe lm I As m Proz. Io,6 8 9 4,6 2,8 o

    Molekul ] determ. Gr. Io4 8'I 35 20 o

    Antigen :

    As-Gehalt in i~ ~o,6 8,9 2,8 1,5 I,O o,3 Deterra. Gruppen . . Io 4 81 2o io 7 2

    Pr~Lcipitat: GewichtinMil l igramra.[[ ~7,5 22,0 [ 22,8 16,2 [ 6,8 [ Spur Prozent Antigen . . 9 II 2'7 3 ,6 6,4 9,3 13,4 ? Aquiv. Gew. des Antik. [51000 46000 80000 io2ooo 95000 Antik6rper/Antigen . . 53 37 I6 IO 7 i

    ]3ei den As-reichen Antigenen Nr. I, 2 nnd 4 der Tabelle 2 werden weniger Antlk6rpermolekflle gebunden als dera GehMt an deter- rainanten Gruppen entspr~iehe. Dies ist wohl darauf zurfickzuffihren, dab diese Antigene derart reich an deterraiuanten Gruppen sind, dab aus r~.uralichen Grfinden die 13esetzung aller determinanten Gruppen dureh die grol3en Antikbrperteilchen uura6glich wird 5.

    Aus Tabel le 2 geht hervor , daB i Ant igenmolekf i l bis zu 53 Ant ik6rpermolekf i le bi l iden kann. Das Ant igenmolekf i l mul3 dann yon einer Schicht von Ant ik6rper umgeben sein nnd nach auBen h in das Verha l ten des Ant ik6rpers zeigen. Dies geht auch aus ~ber f f ih rungsversuchen yon MUDD 9 nnd yon EAGLE10 hervor, nach welchen sich der Ant igen-Ant i - k6rper -Komplex wie Ant ik6rper (Globulin) verh~tlt, II icht wie Ant igen. Fur die G lobu l innatur der Ant igen-Ant ik6rper - I iomplexe spr icht auch die Beobachtung, dab die Prec ip i ta- t ion bei Zusatz von mehr als 4 % NaC1 ausbleibtK Es ist ja bekannt , dab die F~l lung yon Globul inen dutch Neutra lsa lze gehemmt wird.

    Tabel le 2 zeigt, dab starke Priicipitation nut auftr i t t , wenn das Antigen ~rtehr als 10 determinants Gr~ppen enthiilt, wenn also mindestens IO Ant ikSrpermolekf i le an jedes Ant igen- molekfi l gebnnden werden. Das Molekulargewicht des Ant i - gen-A i i t ikSrper - i iomplexes bet r~gt dann etwa I iooooo. K le inere Komplexe b le iben of fenbar gel6st. Dies ist ver- st~ndl ich, denn grol3e Tei lchen sind stets labi ler als kleine Tei lchen.

    Die Stabilit~tsgrenze liegt nicht iraraer bei I Iooooo. Pr~cipi- t iert man mit demselben Immunserum das horaologe As-Pferde- globulin, so erhXlt man PrXcipitate, die auf i Antigenraolekfll nut 2-- 4 Antik6rpermolekfile enthalten 5. Vielleicht bilden sich bier

    A B

    C D E F G

    In jiziertes Anti [ob~

    determins Gruppe :

    I Moleku

    2,0 i 4 1,4 IO 0,84 5 0,46 3 0,24 1, 5 o,~3 (o,8) 0

    +'+ S S S - - S S

    s +

    6 7 1,5io I)O o~3

    S S

    Man dar t wohl annehmen, daB dies auch ftir die natf ir- l ichen Ant igene gilt, dab also eine einzige toxische Gruppe im grol3en Molekfil des Toxins unter Umst~indeli serologisch w i rksam ist und zur B i ldung yon Ant i tox in ft ihrt.

    Tabel le 3 zeigt, dab der gegen die As-halt ige Gruppe ge- r ichtete Ant ik6rper As-reiche Ant igens ebel isogut pr~cipi- t ie r t wie As -arme Ant igene. E r lXBt sich dutch jedes der beiden Ant igens quant i ta t iv fXllen; die f iberstehende Flfissig- keit g ibt mi t dem anderen der beiden Ant igene keine F/~llulig. Daraus geht hervor, dab sich die Spezi/itdt der AntikSrper nicht gegen das Molekal des Antigens als Ganzes r ichtet, son- dern nut gegen eine oder die andere Art seiner determinanten Gruppen, in diesem Fal le gegen die As-halt ige Gruppe. Es gibt keine besonderen Ant ik6rper gegen As-reiche und gegen As-arme Ant igene. Dies scheint uns wichtig, weil man daraus wohl schlieBen dart, dab die SpezifitXt natf i r l icher Ai i t igene n icht auf verschiedene Zahl gleicher determinanter Gruppen im Molekfil zurf ickzuft ihren ist 5.

    Aus Tabelle 3 geht hervor, dab man bei Iramunisierung rait Antigenen mittleren As-Gehaltes stark pr~cipitierende Sera erhMt, bei Anwendung yon Antigenen hohen As-Gehaltes jedoch schwach oder nicht pracipitierende Sera. %Vir haben gefunden, dab die As-reichen Antigens ira I~nochenmark weniger gut gespeichert werden Ms die As-~rraeren Antigens. Vielleicht Iehlen ihnen die zur Ablagernng im Organ n6tigen Atomgruppen des Pferdeglobulins ; vielleicht werden sis auch wegen ihrer stark sauren Eigenschaften ira Organisraus abgefangen, bevor sie an das IReticuloendothel gelangen.

    Wir haben schlieBlich ul i tersucht, ob Lipoide bei der Pr~c ip i t inreakt ion betei l igt s ind; denn dies wurde immer wieder behanptet , weil es b isher n icht gelungen war, mi t l ipoidfreieli Immunseren zu pr~cipit ieren. Um jede Denatu - r ierung zu vermeiden, wurden Ant igen nnd Immunserum unter K i ih lung mi t Ilfissiger Lu f t bei etwa - - I oo ~ durch Ather - alkohol gef~llt und IIach Waschen mi t ka l tem A lhera lkoho l schnelI get rocknet und gel6st. Die L6sungen gaben die PrSt- c ip i t inreakt ion in unverminder ter StOrks. Daraus geht her- vor, dab Lipoide [i~r die Prdicipitation des As-Globulins be- deutungslos silid 5.

    111. AntikSrper und Immunitdt. FaBt man das JErgebnis unserer Versuche zusammen, so

    ergibt sich Iolgendes : i . Immunis ie rung mit As-Pferdeglobul in

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    ftihrt zur Bildung von mindestens 3 Antik6rpern, deren jeder gegen eine bestimmte Art determinanter Gruppen des Antigens gerichtet ist. 2. Pr~icipitiert man As-Pferdeglobulin mit dem Gemenge dieser Antik6rper, so erh~lt man Pr~icipitate ver- ~inderlicher Zusammensetzung. 3. Pr~icipitiert man das art- fremde As-Kaninchenglobulin mit dem gleichen Immunserum, so erh~ilt man Pr~Lcipitate konstanter Zusammensetzung; dabei werden nut jene AntikSrper gebunden, die gegen die As-haltige determinante Gruppe eingestellt sind; an jede determinante Gruppe des Testantigens wird I Antik6rper- moleMil gebunden, bei den As-reichen Antigenen wegen der rSmmlichen Behinderung kleinere Mengen Antik6rper. 4. Die Antigen-Antik6rper-Verbindung I~illt unl6slich aus, wenn das Antigen mehr als IO determinante Gruppen enth/ilt. 5- Zur Bildung spezifischer Antik6rper gegen die As-haltige determinante Gruppe geniigt eine einzige derartige Gruppe im Molekfil des injizierten Antigens. 6. Lipoide sind bei der Pr/icipitation unbeteiligt.

    Es sei nun versucht, auf Grund unserer Ergebnisse ein Bild fiber Bau und Bildung der AntikSrper und fiber das Wesen der Immunisierung zu entwerfen. Dieses 13ild geht wie alle Theorien fiber ImmunitAt yon EHRLmI~S Seiten- kettentheorie aus. Wenn diese Theorie auch in einzelnen Punkten angegriffen und widerlegt wurde, so ist doch ihr Kern zweifellos richtig, n~imlich die Aussage, dab die Immuni- tlitsreaktionen auf Bildung stofflicher Substrate, der Anti- kSrper, beruhen. EI~RLICH hat angenommen, dab diese Anti- k6rper im Organismus in kleinen Mengen als Receptoren prMormiert enthalten seien, und dab durch Injektion eines Antigens die Regeneration des entspreehenden Receptors ausgel6st wiirde. Dieser Teil der Seitenkettentheorie ist mit den Befunden LANDSTEINERS 1 nicht vereinbar; man kann nicht gut annehmen, dab der Organismus pr~iformierte Re- ceptoren gegen Nitro-, Arsin-, SulfonsXuregruppen und andere Kunstprodukte des Laboratoriums enthAlt. Es tauehte daher der Gedanke auf, dab die determinante Gruppe des Antigens in das lViolektiI der Antik6rper eingebaut wird. Anch diese Theorie ist unhaltbar; denn das Immunserum erweist sich als frei yon den entsprechenden determinanten Gruppen, in unserem Falle als frei von Arsen 4, ~2. Da alle bekannten Theorien versagten, habe ich gemeinsam mit F. BREINL vor 6 Jahren eine neue Anschauung zur Diskussion gestellt1% Wir gingen dabei yon unseren analytischen Befunden aus, nach welchen das Pr~Lcipitat zum gr6Bten Tell aus Globulinen des Immunserums besteht und nach welchen das injizierte Antigen in den Bildungsst~itten dieser Globuline abgefangen wird, in Leber, Milz und Knochenmark. Wit haben daher angenommen, daft das Antigen in den Au]bau der normalen Serumglobuline aus ihren Aminosdurebausteinen eingrei/t, so daft an Stelle der norn~alen Serumglobuline anomale Globuline (= AntikSrper) entstehen, deren Moleki~l der determinanten Gruppe des Antigens rgumlieh und hinsichtlich Verteilung der Ladungen angepa/3t ist. Eine ~hnliche Anschauung hat un- abh~ngig yon uns kurze Zeit sparer MUDD la entwickelt.

    Die Moleki~le des Serumglobulins hat man sich vermutlich als Kn~uel 1anger F~den vorzustellen, jeden Faden als Kette zahlreicher Aminos~uren, die durch Peptidbindungen mit- einander verknfipft sind (MEYER und MARKI4). AUS dem Molekulargewicht iooooo ergibt sieh die Zahl der Amino- s~iuren eines Globulinmolek/ils zu rund IOOO, aus elektro- metrischen Titrationen die Zahl der positiven und negativen Ladungen seiner basischen und sauren Aminos~uren etwa zu je IOO (PAuLIla). Es ist begreiflich, dab sich die Aminos~iure- f~iden in verschiedenster Weise zum Kn~uel des Molekfils zusammenlegen k6nnen. Im normalen Organismus erfolgt dieser Vorgang stets in gleicher Weise, so dab stets dieselben artspezifischen Serumglobuline entstehen. Wahrseheinlich bildet das unl6sliche Zellgerfist mit seinen positiven und negativen Atomgruppen eine unver~nderliche artspezifische Matrix, durch welche die Bildung der Globuline immer in der gleichen Weise gelenkt wird.

    Durch Ablagerung des Antigens am Zellgeriist der Globu- linbildungsst~ktten mug dieser Vorgang gest6rt werden. An Stelle normaler Globuline entstehen nunmehr Globuline, deren

    Oberfl~iche nicht mehr dem normalen Zellgerfist, sondern der Oberfl~iche des Antigens und seinen determinanten Gruppen angepal3t ist. Vor allem werden polare oder elektrisch gela- dene Atomgruppen des Antigens auf entgegengesetzt geladene oder polarisierbare Gruppen des Aminos~turefadens anziehend wirken, so dab die Aminos~uref~Lden abweichend vonder Norm geformt werden. Die Oberft/iche des neuen Globulin- teilchens wird also dem determinanten Oberfl~chenbezirk des Antigens angepaBt sein wie etwa eine Galvanoplastik einer kompliziert geformten Elektrode.

    Unsere Anschauung stiitzt sich wesentlich auf die um- fassenden Versuche LANDSTEINERS 1, nach welchen l)olare u~d stark saute Atomgruppen stark determinant wirken, w~h- rend es kaum gelingt, gegen apolare Gruppen spezifische Anti- k6rper zu erzeugen. Es ist klar, dab elektrische Ladungen auf den an polaren Gruppen reichen Aminos~iurefaden st/~rker deformierend wirken miissen als apolare Gruppen. ]E~RLEN- MEYER und BERGER 16 haben sinngem~g yon einer Feldwirkung der determinanten Gruppe des Antigens gesprochen.

    Unsere Anschauung entspricht der Beobachtung, dab eine kleine Zahl von Antigenmolektilen zur Bildung einer groBen Zahl yon Antik6rpermolekfilen ffihren kann. Jedes Antigen- molekiil wirkt eben so lange st6rend, als es unver/indert am Zellgertist hatter, kann also im Laufe dieser Zeit die Bildung mehrerer Generationen yon Antik6rpern fiberdauern.

    Unsere Anschauung ist auch mit dem Befund vereinbar, dab ein einheitliches Antigen, das verschiedene Arten yon determinanten Gruppen besitzt, zur Bildung versctliedener Arten yon Antik6rpern Ifihrt. Denn das Antigen kann in verschiedener Weise an das Zellgerfist adsorbiert werden und kann daher einmal seine As-Gruppen, ein andermal seine art- spezifischen Gruppen den Globulinbildungsst~tten zuwenden, nnd dadurch zur Bildung verschiedenerAntik6rperAnlal3 geben.

    Die eben vorgetragene Anschauung, deren Grundztige vor 6 Jahren gemeinsam mit BREINL alS Arbeitshypothese ent- wickelt wurden, hat sich bisher bew~hrt. Sie widerspricht unseres ~Vissens keiner der bekannten Beobachtungen und hat trotz zahlreicher Besprechungen keinen ernsten Widerspruch erfahren. Dies dart jedoch nicht darilber hinwegtiiusehen, dab gewisse Teile unserer Anschauung bisher einer experi- mentel len Prfifung unzug~inglich und daher unsicher sind. Es sei im folgenden gerade auf diese problematischen Teile unserer Ansehauung hingewiesen, well aus ihnen ersiehtlich ist, in weleher R iehtung weiter gearbeitef werden muB.

    So ist es bisher nicht m6glich, den Ort der normalen Globu- linbildung mit Sicherheit anzugeben. Aus Versuchen, in denen das Reticuloendothel vergiftet oder blockiert wurde, schlieBt man, dab die Globuline in den Organen dieses Systems ent- stehen 17. Dafiir spricht auch der Umstand, dab die Milzvene mehr Globulin enth~ilt als die Arterie (ScI~ALLylS). Aber der endgtiltige sichere Nachweis, dab die Globuline vorwiegend oder ausschlieBlich in Milz, Leber und Knochenmark ent- stehen, fehlt noch.

    Die Globulinnatur der Antiki~rper, die lange umstritten war, ist in den letzten Jahren weitgehend gesichert worden: I. durch den Befund, dab das Pr~icipitat neben dem Antigen vorwiegend Globuline des Immunserums enth~ilt 1", 2. durch den Nachweis des gleichen Molekulargewichtes bei Anti- kSrpern und bei Globulinen des Immunserums (HEIDEL- BERGERT), 3. durch das Fehlen yon Antik6rpern in Seren neugeborener Tiere, denen auch Globuline fehlen 2~ schliel31ich 4. durch unsere Beobachtung, nach welcher an jede determi- nante Gruppe des Antigens I Teilchen vom Aquivalentgewicht iooooo gebunden wird 5.

    Gegen die Eiweil3natur der Antik6rper sprach die Darstellung eiweiBfreier Agglutininl6sungen durch FRANKEL und OLITZK121. Diese Befunde konnten jedoch weder dutch MARRACK ~2, noch auch durch BREINL sa bestatigt werden. Die im Pr~icipitat nach- gewiesenen Globuline sind oft als unspezifische Begleitstoffe der wahren AntikSrper angesehen worden. Gegen diese Annahme spre- chen Kontrollversuche, in denen wir fanden, dab Globuline fremder Sera bei der Prlieipitation nicht mitgerissen werden 24. BERGER u~ hat an die M6glichkeit gedacht, dab die nachgewiesenen Globuline unspezifische Tr~iger einer spezifisehen Wirkgruppe seien. Wenn man unter Wirkgruppe jenen Tell des Globulinmolektils versteht,

    I9"

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    der der determinanten Gruppe des Antigens angepaBt ist, so deckt sich diese Anschauung mit unserer eigenen Anschauung. Versteht man jedoeh unter Wirkgruppe einen nicht zum Globulin geh6renden K6rper, so ger~t man in das Dilemma der Ehrlichschen Theorie (s. oben) und muB ffir jede kfinstliche determinante Atomgruppe besondere Wirkgruppen annehmen; eine derartige Mannigfaltig- keit ist bei kleinen Wirkgruppen kaum vorstellbar, w~hrend sich entspreehende PormAnderungen am groBen Globulinmolekfil leieht vorstellen lassen.

    Es wurde berei ts erw~hnt , dab vor al lem elektr isch ge- ladene oder s tark polare Gruppen des Ant igens die Globul in- b i ldung st6ren und determinant wirken. Es scheint jedoch, dab noch eine zweite Bed ingung erffi l lt sein muB, damit eine Atomjruppe des Antigens determinant wirkt und zur B i ldung spezif iseher Ant ik6rper ff ihrt, n~ml ich ober]ldchliche Lage dieser Gruppe im Antigenmoleki'tl (Exogruppe).

    Dies geht aus Vorarbeiten hervor, in denen ich die unspezifische gegenseitige Flockung positiver und negativer Kolloide untersucht babe ~6. Die Flockung tr i t t nur ein, wenn oberfl~chliche Ladungen entgegengesetzten Vorzeichens vorhanden sind; denn nur in diesem :Falle k6nnen sie einander so welt geni~hert werden, dab es zu starker gegenseitiger Anziehung, zur Anlagerung und damit zur Flockung kommt. Die im Inueren der Kolloidteilchen gelegenen Gruppen (Endogruppen) sind fiir die Floekung belanglos, nur die Exogruppen yon 13edeutung2%

    Durch die Annahme, dab nur Exogruppen des Antigens deter- minant wirken k6nnen, wird manches immunochemische Paradoxon erkl~rt. So haben SNAPPER und GRI3NBAUM 27 kiirzlich gefunden, dab Jodeiweil3 dureh ein Immunserum gegen Thyreoglobulin nicht pr~cipiert wird, ebensowenig Thyreoglobulin durch ein Immun- serum gegen JodeiweiB, trotzdem beide die Dijodtyrosingruppe ent- halten. Aus der L6slichkeit des Thyreoglobulins und der Unl6slich- keit des JodeiweiBes am isoelektrischen Punkt geht hervor, dab im ersteren die jodhaltigen sauren Gruppen Endogruppen sind, daher nicht determinant wirken konnen. Das Antithyreoglobulinserum enthMt daher Antik6rper gegen jodfreie determinante Gruppen des Thyreoglobulins und reagiert nicht mit Jodeiweil3.

    Die Annahme, dab nur Exogruppen des Ant igens deter- minant wirken und mi t dem Ant ik6rper reagieren k6nnen, sehl~gt eine Brficke zur Agglut inat ion. Bei dieser s teht es sehon lange lest, dab die Agglut in ine mi t Ant igenen reagieren, die in der ZelloberfiXche lokal is iert sind, z. t3. mi t Ant igenen aus der Kapsel der Bakter ien.

    IV . Die Bindung zwischen Antigen und AntikSrper. Die Kr~fte, die Ant igen und Ant ik6rper ane inander bin-

    den, s ind nach unserer Auf fassung dieselben Kr~fte, die zur B i ldung des Ant ik6rpers ffihren, n~Lmlich e lektrostat ische oder induz ierende Kr~fte der determinanten Gruppe des Antigens.

    tJlektrostatlsche Kr4]te sind zwischen Atomgruppen entgegen- gesetzter Ladung wirksam. Sie kSnnen vor allem bei ionisierten determinanten Gruppen auftreten, z. B. bei den in unseren Ver- suchen angewandten Arsins~uregruppen. Die Gruppe --AsOaH ~ ist bei schwachsaurer Reaktion i fach negativ beladen, bei alkali- scher Reaktion (PE > 8) 2fach negativ.

    /OH /O- /O- - -As=O -+- -As=O --->--As=O

    \OH \O~ \O - Wenn man im Antik6rper positive bindende Gruppen annimmt,

    z. 13. die freien Aminogruppen des Lysins oder Guanidogruppen des Arginins, so k6nnte es zur gegenseitigen 13indung durch elektro- statisehe iKri~fte zwischen positiven und negativen Ladungen kommen, zur 13ildung einer salzartigen 13indung. l~m diese M6g- lichkeit zu prflfen, haben wir das pH-Optimum der Pracipitatlon yon As-Globulin bestimmt und bei pa 8--9 ge]unden. Dies ware mit der Annahme einer salzartigen 13indung zwischen Arsins~uregruppe des Antigens und Amino- oder Guanidogruppen des Antik6rpers gut vereinbar; denn bei p~ < 8 wird die ArsinsXuregruppe allm~h- lich entladen, bei P~z > ~o werden die basischen Gruppen entladen. -- Der Versuch zeigt eindringlich, dab es keinesfalls auf die Gesamt- ladung der beiden Komponenten ankommt, denn bei PI~ 8--9 wan- dern Antigen ~de auch Antik6rper anodisch. 13eide haben also einen ~berschul3 an negativen Ladungen. Es kommt also bei der gegen- seifigen 13indung nicht auf die Gesamtladung der Teilchen an, son- dern auf die Ladung bestimmter oberfi~chlich gelegener Gruppen, der determinanten Gruppen des Antigens und der bindenden Gruppen des Antik6rpers.

    R IFT . i6. JA I - IRGANG. Nr . 8. 2o. FEBRUAR I937

    Es ist auch an die M6glichkeit zu denken, dab ungeladene leicht polarisierbare Gruppen des Antik6rpers durch die induzierende Wirlcung der Arsingruppe angezogen werden, und dab es dadurch zur Bindung des Antigens an den Antik6rper kommt. Diese Art ,con 13indungen ist bisher wenig beachtet worden, spielt aber bei der gegenseitigen Anlagerung hochmolekularer Stoffe eine groBe I~olle ~. Das bekannteste Beispiel einer polaren Yerbindung ist das Wasser; seine positiven and negativen Ladungen sind im Molekgl nicht symmetrisch verteilt; die (negativen) Elektronen liegen n~her am O-Atom, so dab dieses den negativen Pol des Mole- kfils bildet, die beiden H-Atome den positiven Pol. Eine in die N~he der Wassermolektile gebrachte Ladung (z. B. die Arsins~ure- gruppe) zieht daher die Pole entgegengesetzter Ladung an, stOBt die Pole gleicher Ladung ab und orientiert auf diese Weise alle benachbarten Wassermolekiile. Die Arsins~uregruppe mfiBte also die Wassermolekflle derart orientieren, dab die positivierten H- Atome der determinanten Gruppe zugekehrt, die negativierten O-Atome yon ihr abgewandt wfirden, Die Anziehung der H-Atome muB sti~rker sein als die Abstol3ung der O-Atome, da die letzteren yon der Arsins~uregruppe welter entfernt sind. Dies ist eine ganz allgemeine Folge der Dipolinduktion; sie bewirkt allgemein, dab eine Ladung die in der NAhe befindlichen polaren Verbindungen anzieht. Die Anziehnng der Wassermolekfile ist als Hydratation schon lange bekannt. In gleicher Weise k6nnen yon der negativen Arsins~uregruppe Ot-I-, SH-, NH- und andere polare Gruppen des Antik6rpers angezogen werden. Unter diesen Gruppen ist vor allem an die phenolischen OH-Gruppen des Tyrosins zu denken, denn sie werden bei p~ > io negativ aufgeladen, k~men dann ffir die Anlagerung nicht mehr in Betracht, wl~rden also die Abnahme der Precipitation bei PH > IO verst~ndlich machen.

    Die gegenseitige Anziehung durch Dipolinduktion hat viel all- gemeinere Bedeutung Ms jene durch elektrostatische KrMte ionischer Gruppeu. Denn auch ungeladene polare Gruppen des Antigens wirken hi~ufig determinant. Von diesen k6nnen keine elektrostatischen Kr~fte der zuerst beschriebenen Art ausgehen.

    Um die determinante Gruppe des Ant igens bewerben sich n icht nur die polaren Gruppen des Ant ik6rpers , sondern auch polare Gruppen f remder Prote ine und polare Wassermole- kfile. Im aUgemeinen werden die Wassermolekf i le wegen ihrer K le inhei t und Bewegl ichkeit am le ichtesten an die determinante Gruppe herankommen und die An lagerung der Prote ine behindern. Wor/ ibergehend mag es auch zur An- lagerung f remder Prote ine an die determinante Gruppe des Ant igens kommen; durch die k inet ische Energ ie der beiden Teilchen, durch die WArmebewegung, werden sie jedoch bald vone inander getrennt . Die dauernde B indung des Ant ik6rpers an die determinante Gruppe mul3 also eine besondere Ursache haben. Diese Ursache sehen wir in der rdumlichen Anpassung des Antik6rpers an das Antigen. Dadurch kann ein grofler Ober]ldchenbezirk des Antik6rperteilchefls der determinanten Gruppe sehr weitgehend gen~hert werden. Dies ist ifir die gegen- seitige B indung yon gr613ter Bedeutung, denn die Kra f t der Anz iehung durch Indukt ion n immt etwa mi t der 5. Potenz (!) der Ent fe rnung ab, ist also nut in unmi t te lbarer N~he s tark wirksam ~6. Nut in unmittelbarer Ndhe ist die gegen- seitige Anziehung so stark, dab sie die W~irmebewegung der Tei lchen f iberwindet, nnd daft die Teilchen aneinander ha]ten- bleiben.

    Es ist Mar, dab eine derar t wei tgehende ~75herung nut bei Exogruppen des Ant igens und des Ant ik6rpers m6gl ich ist. Die im Inneren der Tei lchen gelegenen Endogruppen sind ]i~r die Bindung belanglos.

    Es ist weiter Mar, dab die r~nml iche Anpassung des Ant i - k6rpers an die determinante Gruppe des Ant igens n icht voll- kommen sein kann. Denn der Ant ik6rper ist ans Amino- s~iuren aufgebaut, deren Molekfile eine gegebene Gesta l t haben und nut beschr~nkt ver fo rmt werden k6nnen. Deshalb ist zu erwarten, dab ein Ant ik6rper n icht nur an eine best immte determinante Gruppe gebunden wird, sondern auch an deter- minante Gruppen ~hnl icher Form and Ladung. Dies hat LANDSTEINER 1 in seinen umfassenden Untersuchungen an einer grol3en Zahl yon Beispielen gezeigt.

    Wir selbst haben in ithnlictlen VersucheI1 gefunden, dab die gegen die Arsins~turegruppe eingestellten Antik6rper dureh die ~hnlich gebundene StibinsXuregruppe gebunden werden 2~. Auf ~hnlichen Erscheinuugen dfirffe es beruhen, dab die Pr~cipitine gegeI1 artspezifische Proteine zum Teil aueh Proteine verwandter Arten pr~eipitieren.

  • 20. FEBRUAR 1937 KL IN ISCHE WOCHENSCHRIFT . 16. JAHRGANG. Nr . 8 261

    Die B indung des Ant igens an den Ant ik6rper l~Bt sich, wie unsere Ausff ihrungen zeigen, auf physikal isch-chemische Anziehung zurfickffihren, auf Anziehung durch Ladungen entgegengesetzten Vorzeichens oder auf Anziehung dutch Dipol induktion. Die Annahme einer besonderen fermentat iven Wirkung der Ant ik6rper ist unn6tig und experimentel l n ieht begrfindet. Dies gilt jedoch nur ffir die Pr~icipitinreaktion und die Agglutination. t3ei anderen Immunit~itsreaktionen, z. ]3. bei der Cytolyse, k6nnen fermentat ive Vorgiinge betei- ligt sein; sie dtirften auch dort nicht auf die Ant ik6rper zu beziehen sein, sondern auf Gegenwart des hierffir nnent - behrl ichen Komplementes .

    Zum SchluB sei kurz er6rtert , wie man sich die Abl6sung des neugebi ldeten Ant ik6rpers yon der determinanten Gruppe des Ant igens vorzustel len hat. Unsere Versuche bieten hier- ffir gewisse Anhal tspunkte. Sie zeigen, dab die Pr~icipitation bei pa < 5 unterbleibt , offenbar infolge Ent ladung der sauren Arsins~iuregruppen. Anh~iufung saurer Stoffwechselprodukte in den Globulinbildungsst~itten dtirften die gleiche Wirkung haben und die Abl6sung des Ant ik6rpers von dem an die Zel lstruktur adsorbierten Ant igen verursachen. Man hat auch an die M6glichkeit zu denken, dab die allm~ihliche Ver- gr6Berung des entstehenden Antik6rpers zu einer Lockerung seiner B indung ftihrt, so dab diese schlieBlich gesprengt wird. Der abgel fste Ant ik f rper gelangt dann als Pr~icipitin in die B lutbahn oder wird an andere Zellen verankert , um dort

    - - im Sinne der Doerrschen Membranhypothese 28 - - celln- l~ire Allergie zu verursachen.

    V. Schluflbemerkungen. Die vor 6 Jahren mit BREINL 1~ aufgestel lte Anschauung

    tiber Bau und t3ildung der Ant ik6rper wird dutch die Versuche der letzten Jahre gesti itzt. Die Versuche gestat ten weitere

    Aussagen tiber die Reakt ion zwischen Ant igen und Anti - k f rper , vor allem fiber das Wesen der zur Pr~icipitation ffihren- den VorgAnge. Es ist anzunehmen, dab sich die an kfinst- lichen, chemisch marMerten Ant igenen aufgedeckten Gesetz- m~iBigkeiten auch auf die natt ir l ichen Ant igene t ibertragen lassen; doch bedarf dies weiterer Prf i fung an einem grol3en Material. l?;s ist der Zweck der vorl iegenden Abhandlung, solche Versuehe an klinischem Material anzuregen.

    L i t e r a t u r : 1 LANDSTEINER, Spezifit~t serologischer Reaktionen. Berlin: Julius Springer 1933. - - z MARRACK u. SMITH, Brit. J. exper. Path. 12, 183 (1931); 13, 394 (1932). - - a LANDSTEINER U. LAMPL, Biochem. Z. 86, 359 (1918). -- 4 HAUEOWlTZ U. BREINL, Hoppe- Seylers Z. 2o 5, 259 (1932). - - s HAUROWlTZ, Hoppe-Seylers Z. (im Druck). - - ~ HAUROWlTZ U. KRAUS, Hoppe-Seylers Z. 239, 78 (1936). -- ~ HEIDELBERGER, PEDEESEN n. TISELIUS, Nature (Lond.) 138, 165 (1936). -- 8 SVEDBERG, Kolloid-Z. 51, IO (193o). -- 9 MUDD u. Mitarbeiter, J. of exper. Med. 52, 313 (193o). - - 10 EAGLE, J. of Immun. I8, 393 (193o). -- 11 MARRACK, Chemistry of antigens andantibodies. London, Medical Research Council 1934. - - 12 BERGEE n. ERLENMEYER, Z. Hyg. I13, 79 (1932). -- is MUDD, J. of Immun. 23, 423 (1932). - - 14 MEYER U. MARK, Der Aufbau der hochpotyo meren organischen Naturstoffe. Leipzig: Akad. Verl. 193 o. - - is PAULI U. VALKO, Kolloidchemie der EiweiBkfrper. Dresden: Th. Stein- kopfI I933. - - le ERLENMEYER U. BERGER, Biochem. Z. 255, 429 (1931) . __ 1T Vgl. I-IAcROWlTZ, Med. Klin. 1933, Nr 18. -- 18 SCHALLY, Med. Klin. 1936, 990. _ 19 BREINL U. HAUROWlTZ, Hoppe- Seylers Z. I92, 45 (193o) 9 - - 20 ORCUTT U. HOWE, J. of exper. Med. 36, 291 (I922). - - 21 I~'RAlgKEL n. OLITZI{I, Proc. roy. Soc. Lond. B. Eli, 175 (1932). -- 22 MARRACK, a. a. O. zit. 11 S. 43. - - 2~ Per- s6nliche Mitteilung. - - 24 HAUROWITZ u. BREINL, Hoppe-Seylers Z. 214, 111 (1933). - - ~ BERGER, Klin. Vqschr. 1935, 1377. - - ~6 HAU- EOWlrZ, Kolloid-Z. 74, 208 (1936) -- HAUROWlTZ U. MARX, Kolloid- Z. 77, 65 (1936) 9 ~ 27 SNAPPER U. GEONBAUM, Klin. Wschr. I935, 1199. -- ~s DOERR, Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie 13, 747 (1929).

    ORIGINALIEN. ASCORBINS)~URE UND SCHILDDROSENFUNKTION.

    Von HERMANN PAAL und KARL BRECHT.

    Leiter der Inneren Abteilung des Loretto- Krankenhauses

    Freiburg i. Br. Aus der Medizinischen Universit~itspolikUnik Heidelberg

    (Direktor: Prof. C. OEHME).

    Die Beziehungen der Ascorbins~iure zur Schilddrtisen- funkt ion sind in der letzten Zeit von verschiedenen Seiten eingehender untersucht worden. DEMOLE und IPPEN 1 kamen zu dem Ergebnis, dab die t fd l ich-tox ische Thyrox inwirkung bei Skorbutt ieren durch Ascorbins~uregaben aufgehoben werden kann. MARINE, DAVID, EMIL J. BALIMANN und SAMUEL H. :RosEN 2 fanden, dab die Ascorbinsaure der Schild- drf isenhyperplasie, auch der thyreotrop ausgelSsten, entgegen- wirkt und gleichzeitig eine Hyperplasie der Nebenniere hemmt.

    Andererseits kam A. SCHXFER 3 auf Grund histologischer Untersuchungen zu dem SchluB, dab die AscorbinsAure nicht direkt die Schilddrtise zu beeinflussen vermag, v ie lmehr ihren Angr i f fspunkt in der Leber besitzt. Auch OEHME konnte keine Ruhigstel lung der durch Hypophysenvorder - lappenhormon (thyreotropes Hormon) akt iv ierten Schild- drfise mit Ascorbins~ure erzielen.

    DEMOLE und IPPEN sowie MOSONY 4 fanden unter dem Einf luB yon Thyrox ingaben bei Meerschwe inchen eine Ab- nahme des Aseorbinsi iuregehaltes der Nebenn iere . Sie er- kl~irten diese Abnahme im S inne einer vermehr ten Aus - schfittung der Ascorb ins~ure zum Zwecke der l~ompensat ion der Thyrox inwi rkung im intermedi~iren Stoffwechsel. Be i Ratten, die bekannt i i ch Aseorbins~iure selbst synthetisieren, wurde yon den gleichen Autoren eine Abnahme der Ascorb in- s~iure in den Nebenn ieren unter dem E inf luB der Thyrox in - w i rkung in der Rege l vermiBt , da der Nachschnb neugebi ldeter Ascorbins~iure den Ef fekt der e rh6hten Ascorb ins~ureaus- schiittung w ieder ausglich.

    An thyreo idektomierten Rat ten land MosoNY eine Zu- nahme des AscorbinsAuregehaltes der Nebennieren, n icht dagegen der Leber. E r schloB daraus, dab nach vf l l igem Schilddrfisenausfall die Rat te in Leber und Nebennieren Vi tamin C anreichert, da der spe icherungshemmende Thyroxin- einfluB fortf~Lllt, dab aber nur die Nebenniere , nicht auch die Leber zur C -V i tamin -Synthese bef~ihigt ist.

    Im Grundumsatzversuch am hyperthyreoid is ierten Meer - schwe inchen konnte neuerd ings OEHME 5 eine die Umsatz - steigerung abschw~ichende, ant ithyreoidale Ascorbinsi iure- w i rkung sicherstellen. Dami t in E ink lang stehen die Er - gebnisse yon KNIPP ING und KOWlTZ s, we lche den erhShten Grundumsatz be im Skorbut durch C -V i tamin zur Norm aus- gleichen konnten. RIGO s, CALCINAI, GALIZANI und STRIECK ~ hat ten demgegenfiber bei normalen Hunden, Meerschweinchen und auch am Menschen unter dem Einflul3 yon Ascorbins/iure- gaben einen erh6hten Sauerstof fverbrauch beobachtet . WAh- rend die Schutzwirkung des Thyroxins im Acetonitr i l test - versuch bei der m~nnl ichen weiBen Maus durch Ascorbin- s~ure wesentl ich herabgesetzt wird (t)AAL, unver f f fent l ichte Versuche), konnten SCHR('JDER, DORMANN und SCHP.FER 9 keine ant i thyreoidale Wirkung der Ascorbins~iure im Kaul- quappenmetamorphoseversuch nachweisen.

    LfHR 1~ sah nach Ascorbins~iurebelastung einen Abfal l des ]31utjodspiegels. Desgleichen ber ichtete er fiber eine bessernde Wirkung der Ascorbinsliure bei Basedowkranken, ohne dab diese Besserung freilich sich auch auf die Grund- umsatzh fhe ausdrfickte. MCCARRISON 11 land bei C-frei ern~hrten Meerschweinchen einen Anst ieg des Schilddrtisen- jodgehaltes.

    Von besonderem Interesse schien das Studium der Wech- selbeziehungen zwischen Ascorbins~ure und Schilddrfisen- funktion, nachdem die Bedeutung der Nebennierenr inde als ant i thyreoidal wirksames Organ in zunehmendem Mal3e offenbar wurde. OEHME ~ hat kfirzlich eine ausfl ihrl iche Dar- stel lung dieser Wechselbeziehungen gegeben.