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Sprachliche Bemerkungen zu P. Petra 17 (inv. 10) LUDWIG KOENEN Mit besonderer Freude eile ich zu der Feier des siebzigsten Geburtstags von Joachim Latacz, einem guten Freund, mit einem kleinen Blumenstrauß aus mei- ner gegenwärtigen Forschung an der Edition eines Petra Papyrus. Dabei denke ich auch, obwohl wehmütig, an unser gemeinsames Unternehmen eines Studen- tenaustausche zwischen dem Baseler Seminar für Klassische Philologie und dem Institute of Classical Studies in Ann Arbor in den Jahren 1989-1995. Es war Joachim, der bei einem Besuch in Ann Arbor den Austausch angeregt hatte, wel- cher nicht nur eine außerordentliche Bereicherung für die insgesamt sieben Stu- denten bot, sondern auch für deren sodales sowohl im Gastland als auch in der Heimat-Universität. 1 Mein Blumenstrauß ist bescheiden und entstammt im großen und ganzen dem in letzter Revision befindlichen Kommentar zu P. Petra 17 (inv. 10), einem in der Rekonstruktion des erhaltenen Teiles 2,59 m langen Teilungsvertrag zwi- schen drei Brüdern wahrscheinlich aus dem Zeittraum von 527-537. 2 Er gehört zu dem Archiv der karbonisierten Petra Papyri, das 1993 bei einer Ausgrabung des American Center for Oriental Research in einem mit Regalen und wohl auch Truhen ausstaffierten Abstellraum in der Bischofskirche, die Maria, 'unse- rer glorreichsten and allerheiligsten Gottesgebärerin und immerwährenden Jung- frau' zubenannt war, gefunden wurde. In diesen Papyri liegen jetzt, abgesehen 1 Schon seit 1994 wurde es deutlich, daß das Department in Ann Arbor den Austausch nicht mehr finanzieren konnte. 2 Die folgenden Ausführungen gehen von den Ergebnissen des Kommentars der bevorstehenden Edition aus, für die als Hauptherausgeber R. Ch. Caldwell, R. W. Daniel, T. Gagos, Omar al-Ghul und ich verantwortlich sind (P. Petra 17). Dabei kommt besonderes Verdienst den bei- den erstgenannten zu; Daniel hat die Erstfassung des Kommentares geschrieben, und Caldwell hat diese zusammen mit mir revidiert. Der Strauß, den ich hier überreiche, kommt daher von uns allen. Andererseits hat die Arbeit an diesem Geburtstagsstrauß manches schärfer sehen lassen und zu Änderungen im Kommentar geführt. - Für die Abkürzungen der Papyrusurkunden sei auf Checkiis? (2001) sowie auf <http://scriptorium.lib.duke.edu/papyrus/texts/clist.html> verwiesen. Letztere Version wird periodisch ergänzt. Brought to you by | University of Arizona Library Authenticated | 172.16.1.226 Download Date | 7/30/12 5:32 PM

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Sprachliche Bemerkungen zu P. Petra 17 (inv. 10)

LUDWIG KOENEN

Mit besonderer Freude eile ich zu der Feier des siebzigsten Geburtstags von Joachim Latacz, einem guten Freund, mit einem kleinen Blumenstrauß aus mei-ner gegenwärtigen Forschung an der Edition eines Petra Papyrus. Dabei denke ich auch, obwohl wehmütig, an unser gemeinsames Unternehmen eines Studen-tenaustausche zwischen dem Baseler Seminar für Klassische Philologie und dem Institute of Classical Studies in Ann Arbor in den Jahren 1989-1995. Es war Joachim, der bei einem Besuch in Ann Arbor den Austausch angeregt hatte, wel-cher nicht nur eine außerordentliche Bereicherung für die insgesamt sieben Stu-denten bot, sondern auch für deren sodales sowohl im Gastland als auch in der Heimat-Universität.1

Mein Blumenstrauß ist bescheiden und entstammt im großen und ganzen dem in letzter Revision befindlichen Kommentar zu P. Petra 17 (inv. 10), einem in der Rekonstruktion des erhaltenen Teiles 2,59 m langen Teilungsvertrag zwi-schen drei Brüdern wahrscheinlich aus dem Zeittraum von 527-537.2 Er gehört zu dem Archiv der karbonisierten Petra Papyri, das 1993 bei einer Ausgrabung des American Center for Oriental Research in einem mit Regalen und wohl auch Truhen ausstaffierten Abstellraum in der Bischofskirche, die Maria, 'unse-rer glorreichsten and allerheiligsten Gottesgebärerin und immerwährenden Jung-frau' zubenannt war, gefunden wurde. In diesen Papyri liegen jetzt, abgesehen

1 Schon seit 1994 wurde es deutlich, daß das Department in Ann Arbor den Austausch nicht mehr finanzieren konnte.

2 Die folgenden Ausführungen gehen von den Ergebnissen des Kommentars der bevorstehenden Edition aus, für die als Hauptherausgeber R. Ch. Caldwell, R. W. Daniel, T. Gagos, Omar al-Ghul und ich verantwortlich sind (P. Petra 17). Dabei kommt besonderes Verdienst den bei-den erstgenannten zu; Daniel hat die Erstfassung des Kommentares geschrieben, und Caldwell hat diese zusammen mit mir revidiert. Der Strauß, den ich hier überreiche, kommt daher von uns allen. Andererseits hat die Arbeit an diesem Geburtstagsstrauß manches schärfer sehen lassen und zu Änderungen im Kommentar geführt. - Für die Abkürzungen der Papyrusurkunden sei auf Checkiis? (2001) sowie auf <http://scriptorium.lib.duke.edu/papyrus/texts/clist.html> verwiesen. Letztere Version wird periodisch ergänzt.

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von einigen Stein- und Mosaikinschriften, erstmals schriftliche Dokumente aus dem sechsten Jahrhundert (±527-593/4) aus Palaestina Tertia vor. Das ganze Archiv scheint aus dem Nachlaß eines Theodoras, Sohn des Obodianos, Erz-diakon in der genannten Kirche, zu stammen. Die Papyri beziehen sich fast alle auf Haus- und Landbesitz und die dazu gehörigen Steuern, und sie reflektieren die wirtschaftlichen Interessen des Theodoras und seiner weitverzweigten Fami-lie.

Bei der Entzifferung kommen jedoch auch überraschende Ergebnisse für Petra und sein Hinterland zutage. Als wichtigste darf man zur Zeit festhalten, daß Petra mit seiner hauptsächlich auf dem Landbesitz der Oberschicht basieren-den Wirtschaft durch das ganze Jahrhundert, mindestens bis 594, seine Rolle als selbstbewußte Metropole fortsetzen konnte, obwohl die moderne Forschung die Stadt von einem Erdbeben im Jahre 551 fast ganz zerstört wähnte. Die Land-steuern wurden durch Kommittees von Landbesitzern in individueller und kom-munaler Verantwortlichkeit, aber nach einer zentralen Erhebungsmethode einge-zogen, die im ganzen byzantinischen Reich aufgrund kaiserlicher Gesetzgebung angewendet wurde. In Petras Umgebung gab es lokales byzantinisches Militär. Römisches Recht bestimmte das Land, ließ jedoch wohl Raum für lokale Tradi-tionen. In der Datierung offizieller Privatdokumente trug die Stadt als römische Kolonie eine lange Liste von Ehrentiteln, wie es auch andere Hauptstädte in den östlichen Provinzen taten. In all diesen Punkten scheint sich die Stadt und das Leben ihrer Oberschicht kaum von anderen bedeutenden mediterranen Städten der damaligen Zeit unterschieden zu haben.

Alle Petra Papyri sind griechisch geschrieben. Latein wurde nur in ein paar Zeilen in einem einzigen Dokument, einer Schenkung im Todesfalle, gefunden (inv. 6a). Semitisch, in den meisten Fällen Arabisch, erscheint in Namen von Wohnstätten sowie in Flur- und Ortsnamen in griechischer Umschrift. Soweit wir das beurteilen können, bezeugen sie überraschendes vorislamisches Ara-bisch auf dem Weg zum späteren Hocharabischen.

Während diese Dinge andern Ortes erörtert worden sind,3 will ich hier drei Beispiele vorstellen, die ein Streiflicht auf die griechische Sprache im Petra des

3 Daniel-Gagos-Koenen (2003, im Druck). Einige der dort behandelten Themen wurden in Koe-nen (2003) weitergeführt. Die Entzifferung und Bearbeitung der Petra Papyri sind zwischen einer Forschungsgruppe der Finnischen Akademie und der Universität Helsinki unter der Leitung von J. Frôsén und einem Team der Universität Michigan (Ann Arbor; mit finanzieller Unterstüt-zung des NEH) aufgeteilt. Die finnische Gruppe hat bereits P. Petra I (2002) herausgebracht; die bevorstehende monographische Edition von P. Petra 17 wird der erste Band unserer Arbeits-

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sechsten Jahrhunderts werfen. Falls sich dabei trotz der dokumentarischen Trok-kenheit einige breitere Fragestellungen einstellen, so wird es willkommen sein.

1. όροθεσία

In dem rekonstruierten Teil von P. Petra 17 teilen sich die drei Brüder 61 Land-stücke (Weinpflanzungen, Getreidefelder, Trockengärten und Dreschplätze)4 in der Metropolis Petra und einem Dorf namens Serila.5 Davon sind zumindest 30 durch ihre Anrainer in den vier Himmelsrichtungen charakterisiert;6 12 berufen sich stattdessen auf Grenzmarkierungen.7 Hingegen sind 21 Weinpflanzungen

groppe sein. Über den archäologischen Kontext informieren Fiema-Kanellopoulos-Waliszew-ski-Schick (2002); vgl. auch Frôsén-Fiema (2002), Fiema-Koenen-Zayadine (1997). Mehrere Aufsätze meistens zu einzelnen Papyri und speziellen Fragen sind in den Atti XXII (2001) er-schienen: 65-75 (A. Aijava), 331-341 (R. W. Daniel), 487-493 (J. Frôsén), 495-509 (T. Gagos), 719-724 (M. Kaimio), 727-742 (L. Koenen), 787-794 (M. Lehtinen) und 1281-1285 (M. Vesteri-nen).

4 Griechisch für 'Trockengarten' ist ξηροκήπιον, ein Wort, das bisher nur als Name eines Stadt-teils von Konstantinopel und aus P. Ness. 31.20 and 31.28 bekannt ist. In Petra und Nessana han-delt es sich anscheinend um Gärten, die nicht künstlich bewässert wurden und daher diese Be-zeichnung erhalten haben. Zu den Dreschplätzen, die anscheinend wie noch oft in der Neuzeit auf Anhöhen nahe bei den Feldern und dem Dorf piaziert waren, gehören etwas bergan gelegene (έπάνω), wohl deshalb gut ventilierte Scheunen oder Lagerungsplätze. Auf der Höhe des Jabal Harun oberhalb von Petra wurden zwei Dreschplätze gefunden, die an der bergab gelegenen Sei-te von je einem sichelförmigen Steingebäude für Lagerzwecke umgeben waren (J. Frôsén und Z. T. Fiema in ihrem Preliminary Repon über das 2002 Finnish Jabal Harun Project [erscheint in ADAJ 2003]). In P. Petra 17 heißen die Scheunen oder Lagerplätze θημοβολώνκ (vox nova\ im Papyrus als θαιμοβ- geschrieben). Das Wort bezeichnet wohl 'Haufen' (θημμωνες, θημωνιαί) von Getreidekömern, die aufgeschüttet wurden (βολέω, βάλλω; vgl. Preisigke, Wörterbuch, s.w. άχυροβολών, σιτοβολών, χορτοβολών). Ob es sich hierbei allerdings um offene Lager-plätze (vgl. etwa άμπελών) oder Scheunen oder vielleicht auch zu Lagerzwecken genutzte Höh-len gehandelt hat, bleibe dahingestellt. Zu θημοβολων s. Komm. 16.

5 Außerdem haben die Brüder einige Ländereien in einer Gemarkung namens Ogbana. Diese blei-ben unberücksichtigt, weil in ihnen die hier zu besprechende Wendung nicht vorkommt. In Og-bana teilen sich die Brüder zwölf Getreidefelder und vielleicht einen Obstgarten (πω[μάριον). Davon werden nur für drei Felder Anrainer aufgezählt. Darunter ist nur ein Feld, das nach Besit-zern benannte Anrainer an allen vier Seiten hat; bei den beiden anderen werden Landbesitzer nur an einer bzw. zwei Seiten genannt, während an den anderen Seiten benachbarte Wege und Trok-kenland (Wüste?) sind. Die meisten Eintragungen sind nur ganz kurz. Wir vermuten, daß es sich hier um weniger intensiv genutztes Land handelt.

6 Anrainer sind die namentlich genannten Besitzer angrenzender Felder, aber auch Wege, kanali-sierende Wasserbäche oder Nebenwadis (beides ρύακες) und Felsen.

7 Die Zahl enthält zwei Felder, für die auch die Anrainer angegeben sind und die daher ebenfalls in der vorangehenden Kategorie mitgezählt sind.

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und Felder, meistens solche, die sehr kurz abgetan werden, weder mit ihren An-rainern noch mit ihren Grenzmarkierungen beschrieben. Die Formel für die Grenzmarkierungen von Land lautet: ακολούθως ταΐς πηχθ(είσαις) όρο-θεσίαις,8 'gemäß den festgemachten Grenzmarkierungenoder wohl in drei Fällen ακολούθως ταΐς πηχθ(είσαις) μεταξύ αύτών όροθεσίαις, 'gemäß den festgemachten Grenzmarkierungen, die auf einer zwischen ihnen (den Brüdern) getroffenen Vereinbarung beruhen'. Dieser Hinweis auf Vereinbarungen unter Brüdern (μεταξύ αύτών) findet sich bei der Aufteilung eines großen Trocken-gartens in drei Teile sowie bei einem Landstück, das aus einem bereits fruchttra-genden und zwei sich noch in der Pflanzung befindlichen Weingärten (βαθουρ-γηθέν, sc. ίούγερον, 'tief umgegraben') besteht.9 In beiden Fällen ist die Not-wendigkeit solcher Vereinbarungen über den genauen Grenzverlauf einsichtig. Für zehn der Landstücke, deren Grenzen markiert sind, werden die Anrainer nicht aufgezählt, und nur zwei haben den Verweis auf Grenzmarkierungen

8 An allen Stellen, an denen die Wendung vorkommt und genug Text erhalten ist, ist die Formel mit Abkürzungen geschrieben, welche im Detail variieren. Ich gebe hier nur die Abkürzung für πηχθ(είσαις) an, die an allen erhaltenen Stellen in gleicher Form erscheint. Zu der Wendung im ganzen s. den Komm, zu Z. 35.

9 βαθουργηθέν, geschrieben als βαθουργεθην, begegnet mindestens dreimal in den Abschnitten über die Zuteilung der Weingärten. In einer fragmentierten Stelle von inv. 84 heißt es entspre-chend in Bezug auf einen Weingarten εις βαθουργείαν (vox nova) έξέλαβον [, 'sie übernahmen [...] zum tiefen Umgraben[...'. In Geop. 2.23.14 ist entsprechend von der Verwendung einer tie-feren Pflugschar gesagt: ΐνει τε χρήσθαι βαρυτέρφ, ΐ ν ' ούτως το λιπαρόν της γης βαθουργηθη (so Daniel) καί βωλοστροφηθη, 'damit auf diese Weise der fette Boden tief gepflügt wird und die Schollen gewendet werden', βαθυεργηθη statt des üblichen βαρυεργηθίί attestiert P. Neid-ham im Apparat seiner Cambridge Edition von 1704 (abgedruckt im App. von Nielas 1781) als Lesung des Barrocianus 54 (Oxford) und beruft sich dabei auf J. Gruter, der βαθυεργηθη auch in Pal. 207 (von dem Bar. 54 abhängig ist; vgl. Beckh 1896: 2-6 und 67 [Stemma]) lesen will; vgl. dazu Nielas ad loc. Dindorf akzeptiert βαθυεργηθτί (TGL II, s.v.); cf. DGE, LSJ, Mega Lexi-kon, und GI (Vocabolario della lingua greca, ed. F. Montanari) s .w. H. Beckh, der den Barrocianus selbst kollationiert hat (Beckh 1896: 2-4), druckt in seiner Edition von 1895 βαρυ-εργηθη ohne Variantenangabe (für Kritik an Beckhs Handschriftenbehandlung s. Fehrle 1920). Ob die Lesung im Pal. 207 (?) und Barrocianus auf sonst verlorener Überlieferung oder auf einer Emendation beruht, bleibe dahin gestellt, aber das falsche ρ scheint von dem vorangehen-den ι'νει — βαρυτέρςι eingedrungen zu sein. Die Petra Papyri zeigen jedenfalls, daß βαθουρ-γηθχί (mit Kontraktion) sachlich richtig ist. Weingärten werden nicht tief gepflügt, aber im Ge-gensatz zur flachen Bearbeitung des Bodens fruchttragender Weinpflanzungen muß der Boden bei der Erstanlage tief durchgearbeitet werden (Walsh 2000: 96-97; vgl. Schnebel 1925: 245-246). Zum ganzen s. den Kommentar zu 49-50. - Bei dem obengenannten Trockengarten be-gnügt sich der Schreiber, μεταξύ αύτών nur bei der Zuweisung eines Drittels an den ersten Bru-der zu setzen; bei den Weingärten läßt er es beim zweiten Bruder aus. Es ist jedoch klar, daß der Zusatz für die Zuteilung an alle Brüder gelten muß.

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neben der Liste der Anrainer (s. Anm. 7). Soweit es um eine Identifizierung der Landstücke geht, erscheint das Nebeneinander dieser beiden Angaben Uber-flüssig. Aber unter Umständen, die uns unzugänglich sind, eventuell nach einem Streit über den genauen Grenzverlauf, kann die Kombination beider Angaben rechtlich sinnvoll sein. Man mag gleichfalls fragen, aber nicht beantworten, wa-rum 21 Landstücke keine der beiden Angaben haben. Möglich wäre, daß zum wenigsten einige dieser Felder keine Nachbarn hatten und zwischen Felsen und unfruchtbarem Land lagen, wo sie solcher Bestimmungen nicht oder noch nicht bedurften. Jedenfalls scheinen die Grenzen nicht aller Felder markiert gewesen zu sein.

Die Verbindung πηχθεΐσαι όροθεσίαι indiziert, daß es sich um das Setzen von Markierungen handelt, wobei das zusammengesetzte όροθεσία mit ορος synonym ist, aber die Sache deutlicher bezeichnet. Die ägyptischen Papyri bie-ten nur eine Parallele. Ein Tauschvertrag zweier Landstücke (PSI XIII 1341.ΙΟ-Ι 1, 5. Jh.) beruft sich auf eine Vermessung und die Anbringung von Markie-rungen, die ein Pamounis vom Dorf Kleopatra offiziell durchgeführt hat: ακο-λούθως τη γεγενημένη μετρήσει τούτων ΰπό Παμούννος διακόνου άπό κώμης Κλ[εο]πάτρας καί τ [ο ΐ ] ς π η χ θ ε ί σ ι ν I [όρίοις ΰπό] του αΰτοΰ Παμούνιος (όρίο ις F. Zucker, Gnomon 26, 1954, 393).10 Eine Inschrift aus Syrien vom Jahr 588 (Inscriptions grecques et latines de la Syria, ed. L. Lambert und R. Mouterde, II, Paris 1939, 530; SEG XLI 1527) erwähnt eine Markierung des Ge-bietes der Stadt Bäbizquä - wohl nicht notwendigerweise der einzelnen Felder - , welche auf Anordnung des glorreichsten (gloriosus) Paulus, des Comes Orientis, von dem erlauchten (clarissimus) Johannes, dem Kanzler des Gebietes der

10 ορος ist in den Papyri gebraucht, und daher scheint ϋροις gleichfalls möglich. Zucker folgt der in den Papyri oft gebrauchten Wendung κατά τα ορια, bei der es unbekannt bleibt, ob die Felder selbst markiert waren: z.B. P. Cairo Masp. 167106.15, 67107.11; auch κατά τα παλαιά καί αρ-χαία I opta (P. Lond. V 1693.14-15; vgl. P. Lond. V 1696.8-9, P. Cair. Masp. Ill 67169w'.71). In früheren Texten steht έπί τοις ούσι όρίοις (s. z.B. P. Mil. Vogl. 126.7 [127-128 n. Chr.] έπί ταΐς οΰσαις των άρουρων γειτνίαις τε καί όρίοις). Vgl. auch die hübsche aitiologische Geschichte in Ps. Galen, De partibus Philosophiae 30, wonach die Ägypter die Landvermessung erfunden hätten, weil die Nilflut immer wieder Ägypten Uberflute, die Grenzen (der Felder) durcheinander bringe (σύγχυσις των όροθεσίων έγίνετο (oder όροθεσιών) und die Ägypter sich darob gegen-seitig töteten (TLG gibt den Text nach der von R. Kotrc für das CMG vorbereiteten Edition, die noch nicht erschienen ist; M. Pantelia, die Direktorin des TLG, hat uns dankenswerterweise eine Kopie des Textes zugänglich gemacht); vgl. auch Elias in Eliae Prolegomena Philosophiae 3 and 11 (ed. A. Busse), Comm. inArist. Graeca 18.1, pp. 4 und 30. Seit Hdt. 2.109 wurden Geschicht-chen Uber die Geometrie als ägyptische Erfindung erzählt; s. Heath (1921: 121-128) und Fowler (1987: 283-297).

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Kaprobaradäer, durchgeführt worden war: κατά κέλευσιν Παύλου του ένδο-ξ(οτάτου) κόμ(ητος) της "Εω δια 'Ιωάννου λαμπρ(οτάτου) κανκελλαρ(ίου) του Καπροβαραδέ(ων χωρίου) έ π ί χ θ η (lies έπήχθη) το χω(ρίου) όροθέσι(ον) Βιζικών. Konstantinos Porphyrogenitos benutzt in De administrando imperio 53 (pp. 266-270 in CFHB, ed. G. Moravcsik) andere Verben für die Markierung von Landesgrenzen durch Grenzsteine: όροθεσίας τιθέναι (171-172, 176, 182), ίστάναι (225), ύπερβαίνειν (174-175 τάς μεταξύ αυτών τεθείσας όροθεσίας und 184), όροθεσίαι διαμένουσιν (226) und άποκείμειναι (227). Auch für die Felder in Petra darf man wohl annehmen, daß sie sichtbarlich durch Steine oder auf andere Weise markiert waren. Meistens hatten sie entweder keine Anrainer oder waren neu angelegt oder aufgeteilt worden; wo sie außerhalb der angebau-ten Felder lagen, wollte der Besitzer oder Vorbesitzer doch die Grenzen zum Schutze seiner Rechte vorsorglich festlegen. Sichtbare Markierung war sicherer als bloße Registrierung.

Der Leser hat schon längst über ca. 1200 Jahre hinweg an Homers Athene gedacht, die im Zweikampf mit Ares 'zurückwich und mit gewaltiger Hand einen Stein aufhob, einen dunklen, rauhen und großen, der da auf der Erde lag und den vorzeitliche Männer als Feldbegrenzung dort hingesetzt hatten' (//. 21.403-405):

ή δέ άναχασσαμένη λίθον εϊλετο χειρν παχείη κείμενον έν πεδίφ, μέλανα τρηχύν τε μέγαν τε, τον ρ' άνδρες πρότεροι θέσαν εμμεναι ούρον άρούρης.

Hier wird die Feldmarkierung durch große unbehauene Steine in die (vom Standpunkt der Zuhörer) graue Vorzeit verlegt, als die Männer noch gewaltige Steine tragen konnten. Das Bild versetzt die gegenwärtige Realität der Feldmar-kierung in den Mythos. Ähnlich wird die Grenzmarkierung bei der Teilung eines Feldes auch in 12.421-424 (Ameis-Hentze [19065] zu 12.423) als Gleichnis für die homerische Schlacht vorgeführt. Hier stellt sich auch sogleich Solons jambi-sche Selbstrechtfertigung ein (36 W., 30 G.-P.), in der er sich auf seine erfolgrei-chen Reformen unter zwei Gesichtspunkten bezieht, zuerst dem der fruchtbaren Erde Attikas, die er von vielerorts (s. Anm. 13) angebrachten Grenzmarkierun-gen und damit von Unrechten Herren befreit hat (3-7), sodann von dem vieler Athener, die er aus der Fremde zurückgeführt hat, in die sie verkauft oder ver-trieben worden waren oder wegen ihrer Verschuldung emigriert waren (8-12), oder die er in der Heimat aus der Versklavung befreit hatte (13-15).

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1 εγώ δέ των μεν οϋνεκα ξυνήγαγον δημον, τί τούτων πριν τυχείν έπαυσάμην; συμμαρτυροίη ταΰτ' αν έν δίκγι χρόνου

4 μήτηρ μεγίστη δαιμόνων 'Ολυμπίων άριστα, Γή μέλαινα, της εγώ ποτε ορούς άνειλον πολλαχη πεπηγότας,

8 πρόσθεν δέ δουλεύουσα, νυν έλευθέρα.

In J. Latacz' Übersetzung (für den jetzigen Zweck abgeändert in Z. 5-6, s. Anm. 11):

1 ... ich also hätte das, weswegen ich vereint das Volk, tatsächlich, ehe ich's erreicht, gestoppt? Dagegen zeugt mir wohl vor dem Gericht der Zeit

4 die Mutter (keine größre gibt's) der Götter vom Olymp am besten: sie, die schwarze Erde, der ich einst die Grenzmarkierung, vielerorts gesetzt, entfernt."

Für unsere Zwecke spielt es keine Rolle, ob Solon hier von realen oder metapho-rischen Grenzmarkierungen spricht, die er entfernt hat.12 Auch die metaphori-sche Ausdrucksweise bezeugt die zugrundeliegende Praxis. Er spricht von der Entfernung der Grenzmarkierungen vielerorts in Attika (mit πολλαχη als Orts-adverb),13 nicht allerorts oder an allen Feldern.14 Er meint nur die Markierungen, die durch die folgenden Verse definiert werden: Sie stehen im Zusammenhang

11 Latacz (1991: 205) übersetzt Z. 5-6: 'die schwarze Erde, die ich einst | enthob der Schuldenmale, vielfach eingerammt'. An diesem Punkt der Erörterung möchte meine obige Änderung es offen lassen, was Solon mit den fest eingefügten Grenzmalen gemeint hat, die er aus dem Boden ent-fernt hat, und eine Assoziation mit den Schuldensteinen des 4. Jahrhunderts v. Chr. vermeiden (dazu im folgenden). Die intensive historische Diskussion ist aufgearbeitet in Mülke (2002: 374-379). Für die theoretischen Probleme s. Ober (1995).

12 Abweichend von meiner vor dem Zitat gegebenen Zusammenfassung könnte das Zeugnis der Mutter Erde (3-5) und das Bild von ihrer Befreiung (5-7) als ein einleitendes und zugleich zu-sammenfassendes Bild für die anschließende Aufzählung konkreter Maßnahmen (8-15) ver-standen werden. Man braucht dazu nur das δέ in 8-9 πολλούς δ ' 'Αθήνας πατρίδ' ές θεόκτιστον I άνήγαγον kausal zu verstehen (Denniston 1954: 169-170). Die Rückführung der in die Fremde Verkauften (8-10) und der wegen ihrer Schulden Geflüchteten (10-12) sowie die Freilassung der in Athen Versklavten (13-15) implizieren m.E. eine Befreiung von Schulden, wie Aristoteles ge-sehen hat (Ath. Pol. 12.4 und 6.3).

13 Nur ein örtliches πολλαχηι macht Sinn; so auch Mülke (2002: 67 und vgl. 374 Anm. 93). 14 ορούς άνειλον πολλαχηι paßt schwerlich bloß zu einer Markierung von Landesgrenzen, obwohl

öpoi für geographische Grenzen normal ist. Siehe z.B. Ober (1995: 108); so auch in byzantini-schen Quellen (dazu oben).

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mit der Rückbringung der ins Ausland verkauften, geflohenen oder wegen Ver-schuldung emigrierten Bürger. Da Enteignung und Umverteilung von Ackerland für die Solonischen Reformen nicht bezeugt sind,15 müssen wir wohl mit den Al-ten an eine Aufhebung geschuldeter Zahlungen und somit auch an Freigabe der als Sicherheiten gegebenen, aber noch nicht verfallenen Felder denken.16 Letzte-res ist in dem Herausreißen der Markierungen plastisch gezeichnet. Das heißt je-doch nicht, daß man anachronistisch an die Hyphotekensteine denken sollte, die vom 4. bis zum 2. Jahrhundert v. Chr. in Attika und einigen Inseln gebräuchlich waren. Bei diesen handelt es sich nicht um Markierung der Grenzen von Liegen-schaften, sondern zumindest in der Regel um je einen Stein (ορος) mit einer In-schrift, in der die Hypothekisierung mit sehr wenigen Details festgehalten wur-de.17 Da keine solche öpoi aus dem 6. und 5. Jahrhundert gefunden worden sind, muß man für die Zeit Solons eine einfachere Prozedur voraussetzen. Unbe-schriebene Steinmarkierungen oder Holzpflöcke mögen die genauen Grenzen des als Sicherheit dienenden Landes festgelegt haben und somit eine vergleich-bare Funktion erfüllt haben (pace Fine 1951: 182), ohne archäologisch faßbare Spuren zu hinterlassen.18

15 Hierfür wird traditionell und m.E. mit Recht auf Solons Selbstaussage in fr. 34 W. (fr. 29B G.-P.) verwiesen, in der er sich wiederum gegen Vorwürfe derer verteidigt, welche seine be-grenzten Reformen zur radikalen Neuverteilung des Landes ausweiten wollten (Ath. Pol. 12.3) und zur Durchsetzung solcher Plänen erwarteten, daß er sich der Tyrannengewalt bediene. Wenn wir annehmen müssen, daß Aristoteles oder der Autor mehr Textzusammenhang zur Verfügung hatte, als wir in seinen Zitaten lesen, ist es riskant, ihn anachronistischer Interpretation zu ver-dächtigen (Mülke 2002: 350-351, Rosivach 1992). Bekanntlich sieht Solon sich andernorts als der feststehende Grenzstein (ΐόσπερ έν μεταιχμίω I δρος κατέστην, fr. 37.9-10 W. [fr. 31 G.-P.]) zwischen den Fronten des Demos (1 und 7) und der Mächtigen (öooi δε μείζους και βίην άμεί-νονες, 4). Vgl. Mülkes Kommentar zu 9-10 (und seine Übersetzung).

16 Dabei ist keine Rede davon, daß eine bereits realisierte Einziehung von Liegenschaften rückgän-gig gemacht wurde. Hierin wird die Begrenzung der Maßnahmen Solons deutlich. Was die Zah-lungsverpflichtungen begründete, lasse ich offen, und die Diskussion Uber die έκτήμοροι bleibe beiseite; vgl. etwa Harris (1997) und Schils (1991).

17 Die Steine, welche sich als öpoi wohl in der urspünglichen Bedeutungsnuance 'Wächter' be-zeichnen (Engelmann-Merkelbach 1971), geben nur das Grundstück oder Gebäude, den Charak-ter der Transaktion, oft auch den oder die Darlehensgeber und den Wert, manchmal auch das Jahr der Inschrift in knappen Worten an. Der eigentliche Vertrag war separat, öpoi als Grenzstei-ne meistens von Heiligtümern sind aus früherer Zeit gefunden worden (2. Hälfte des 6. Jh. v. Chr.) Zur Sache und zur wissenschaftlichen Diskussion s. Lalonde (1991: bes. 18-21 und 37-51). Gegen die anachronistische Heranziehung der Hypothekensteine argumentieren z.B. Ober (1995: 102) und Mülke (2002: 377).

18 Sicherheit war damit nicht gegeben, weil Grenzmarkierungen zu jeder Zeit manipulierbar waren.

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Sprachliche Bemerkungen zu P. Petra 17 (inv. 10) 361

Solons Perfekt Passiv von πήγνυμι stellt die Dauerhaftigkeit der Markierun-gen der Grenzen von Feldern sinnfällig vor Augen.19 Die Verbindung des Verbs mit den öpoi sowie das in der Sprache aufgefangene Bild blieb über mehr als ein Jahrtausend erhalten, wenngleich sich Anwendung und Zweck änderten. Aber wir werden dennoch nicht die Praxis, Feldergrenzen zu markieren, auf die grie-chische Kultur und die in ihr wirksamen Traditionen beschränken. Die Methode ist so elementar, daß sie sich Uberall einstellen mußte, wo Besitz von Feldern ge-sichert werden sollte.

2. τό έπαιωρούμενον

Nach der Auflistung aller geteilten Immobilien wendet sich P. Petra 17 in der aus Ägypten bekannten Formelsprache zu den Bedingungen des Vertrages (192-209).20 Dabei geht es zunächst um die Besitzrechte und in diesem Zusammen-hang um die gegenseitige Sicherung der erhaltenen Besitztümer gegen eventuel-le Ansprüche nicht am Vertrag beteiligter Personen (βεβαίωσις): απερ σύνπαν-τα κ[τήμα]τα κ(αί) I οίκοδ[ομή]ματα ά[λ]λήλοΐ£ βεβαιόσωσιν καί καθαρο-ποιήσωσιν (lies βεβαιώσουσιν und -ήσουσιν) άπό πανΙτός έπεωρουμένου (lies έπαιωρ-) καί έπενεχθησομένου έπί παντί τφ φέροντι (lies διαφέροντι) κ(αί) I διοίσοντ[ι τ]ρόπφ, 'sie werden alle diese Besitztümer und Behausungen gegen-seitig sichern und von jeglichem schwebenden und in der Zukunft erhobenem Anspruch auf jedwede jetzt und künftig in Betracht kommende Weise freima-chen*. Die bisher unbezeugte Wendung άπό πανΙτός έπαιωρουμένου καν έπεν-εχθησομένου ist an die Stelle einer Wendung getreten, die in byzantinischen Ur-kunden gebräuchlich war: άπό παντός άπλως του έπελευσομένου ή άντιποιη-σομένου oder άντιποιηθησομένου, '(sichern) vor schlechthin jeder Person, die Ansprüche oder Einwände erheben wird'.21 Während aber weder auf den rechtli-

" Das gilt auch für den metaphorischen Gebrauch; vgl. Lyc. Leocr. 73: 'Die Griechen waren nicht zufrieden, nur das Siegesmal in Salamis zu errichten, sondern sie wollten den Persem die fUr die Freiheit der Griechen nötigen Grenzen setzen und deren Übertretung verhindern', ορούς τοις βαρβάροις πήξαντες τους εις την έλευθερίαν της 'Ελλάδος. Aristophon, Pythag. 9.7 (PCG IV) ορούς έπηξαν τοις πένησι χρησίμους, 'die Pythagoräer setzten für die Armen nützliche Einschränkungen fest'; s. auch Thuc. 4.92.4 mit dem Kommentar von Gomme (1956: 561).

20 Hier ergänze und korrigiere ich meinen Aufsatz in Atti XXII (2001), 727-42. 21 Z.B. P. Thomas 28.16-17 und Komm, ad loc. (Gagos-Bagnall 2001), mit Abweichungen auch

SB 1.5113.9-10, P. Cairo Masp. I 67097.r.62-63, II 67169.36-37; P. Münch. 1.11.43-46 und 13.37-40. Eine kürzere Form findet sich in dem älteren P. Mich. 3.189.30-31 (129 n. Chr.; die genaue Ergänzung in Z. 31 ist unsicher).

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362 Ludwig Koenen

chen Zweck solcher Bestimmungen noch auf die charakteristische Rhetorik der polaren Gegensätze von Gegenwart und Zukunft hier eingegangen werden soll,22

möchte ich bei dem Ausdruck το έπαιωρούμενον verweilen. Das Partizip des Mediums bezeichnet das, was über etwas oder über jeman-

dem hängt. Das kann auf Drohendes gehen, aber das Passiv kann auch jemanden bezeichnen, der von einer Hoffnung erhoben, angeregt oder gar aufgebläht ist.23

Die Bedeutung des Verbs überschneidet sich mit dem etymologisch verwandten Adjektiv μετέωρος (ep. μετήορος), das etwas bezeichnet, das 'in die Höhe geho-ben', 'angeregt', 'schwebend', 'unerledigt' ist.24 An der zitierten Stelle ent-spricht έπαιωρεκθαι dem Gebrauch von pendere in römisch-rechtlicher Termi-nologie. In ihr bezeichnen mit dem Verb geformte absolute Ablative und die ad-jektivierte Wendung in pendenti esse25 was in der Schwebe, noch nicht eingetre-ten, aufgeschoben, noch nicht begonnen oder ausgeführt ist, z.B. litigio penden-te, 'vor Durchführung des Prozesses' (Dig. 4.8.49.1), pendente controversia, lite, iudicio oder appellatione 'solange die Streitfrage ungelöst', 'das Verfahren unterbrochen ist oder nicht begonnen hat', 'noch kein Urteil gesprochen', 'noch keine Berufung eingelegt ist'.26 In diesem Licht bezieht sich άπο πανΙτός έπαιωρουμένου καν έπενεχθησομένου auf die gegenseitig zu gewährleistende Sicherung gegen alle anstehenden ('schwebenden') und künftig eingeklagten Ansprüche. Das bedeutet jedoch nicht, daß tatsächlich solche Ansprüche dritter zu befürchten oder bereits eingeklagt worden waren. Der Jurist stellt alle Even-tualitäten in Rechnung.

Das hier behandelte Beispiel zeigt den Einfluß der römischen Rechtssprache auf das Griechische, das nun auch die neuen Dokumente aus Petra bezeugen. Dabei soll nicht übersehen werden, daß im polaren Gespann mit έπενεχθησο-

22 Siehe bereits den in Anm. 20 gennanten Aufsatz und den Kommentar in der bald erscheinenden Edition.

23 Siehe den neu formulierten Eintrag in LSJ, Revised Suppl., s.v.; femer P. Oxy. 34, 2712.24 und 47, 3350.16.

24 Vgl. Chantraine (1968-80) und Frisk (1960-72), s.v. άείρω 1 und (Frisk) μετέωρος. Die Über-schneidung der Worte wurde durch den Lautübergang αι ~ η/ε erleichtert, der sich in literari-schen Texten schon sehr früh nachweisen läßt (Hesiod, Herodot etc.; s. Strunk 1960: bes. 83-87), auch wenn er sich in den attischen Inschriften erst ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. nachweisen läßt (Threatte 1980: 296-299); in den Papyri seit dem 3. Jh. v. Chr.

25 Ein Beispiel für die sehr häufige Wendung genügt: dicendum est condictionem pendere magis-que in pendenti esse dominium 'es ist zu sagen, daß der Anspuch auf Erstattung offen bleibt und das Besitzrecht noch mehr so' (Dig. 7.1.12.5). Zu dieser wie auch anderer Verwendung des Verbs in der Rechtssprache s. Berger (1953: 496, 565 und 625).

26 Z.B. Dig. 38.2.42.2, Cod. Just. 1.21, Dig. 3.2.6.1, 38.2.14.8. Vgl. Berger (1953), s. vv.

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Sprachliche Bemerkungen zu P. Petra 17 (inv. 10) 363

μένου nur ein Partizip, nicht das Adjektiv μετεώρου die beabsichtigte rhetori-sche Wirkung erzielen konnte: jetzt und in alle Zukunft.

Die auf άπό πανΙτός έπαιωρουμένου καί έπενεχθησομένου folgende, gleichfalls polare Wendung έπί παντί τφ φέροντι (lies διαφ-) κ(αι) I δνοίσοντ[ν τ]ρόπφ, 'auf jegliche gegenwärtig und zukünftig in Betracht kommende Weise' bedarf einer kurzen Palinodie dessen, was ich anderenorts gesagt habe (Atti XXII 2001: 738 Anm. 37). Diese Wendung ist wiederum bisher unbezeugt, begegnet aber nochmal in dem Petra Papyrus inv. 8, in dem aber das Präfix δια- bei bei-den Partizipien geschrieben ist.27 Die zusätzlichen Worte stehen an der Stelle, an der byzantinische Verträge am Ende der Sicherung und Freistellung des Ver-tragspartners gegen künftige Ansprüche einer dritten Partei oft 'zu jeder Zeit und unweigerlich' (παντί καιρφ και έπανγκές) oder 'auf jede Weise und un-weigerlich' (πάντη καί έπαναγγκές) hinzufügen.28

In meinem erwähnten Aufsatz in den Atti XXII (2001) habe ich versucht, die Auslassung des Präfixes δια- in φέροντι zu rechtfertigen. Es ist bekannt, daß beispielsweise im Griechischen, Lateinischen, aber auch im Deutschen das prä-positionelle Präfix eines Verbums bei einem folgenden Verb - sei es das gleiche oder ein anderes - weggelassen werden kann. Anders ausgedrückt, das folgende Simplexverb erhält seine genaue Bedeutung von dem zuvor gebrauchten präpo-sitionalen Präfix. Um an ein Beispiel aus der Urkundensprache zu erinnern, in IG II2 43.41-42 (4. Jh.) versteht man έάν δέ τις ώνήται η κτάται ή τιίθηται nur in Rückbeziehung auf den vorangehenden Satz, in dem den Athenern verboten wird, im Lande der Bundesgenossen ein Haus oder Grundstück durch Kauf, Verpfandung oder auf andere Weise zu erwerben: έγΙκτήσασθαι — μήτε πρια-μέΙνωι μήτε ύποθεμένωι μήτε αλλωι τρόπωΐι μηθενί (36-41). Hier ist κτάται für das volle έγκτάται und τιίθηται für ΰποτιθηται gebraucht.29 Das hat zu der Vermutung geführt, daß dasselbe Prinzip, zwar selten und nur bei nebeneinander

27 Glas 38, ] έπί παντί τφ δ[ια]φ[έ]ροντι καί δι[οίσοντι. Hier wurde ursprtlnglich unter dem Ein-fluß von P. Petra 17 τφ φ[έ]ροντι gelesen, aber der erste Buchstabe des Verbs ist trotz seiner Be-schädigung deutlich δ[. Die Worte stehen auf drei Fragmenten, wobei das ]φ[ von einem winzi-gen Fragment stammt. Die Abstände der Fragmente ergeben sich nur aus der Rekonstruktion des Sinnes.

28 Für einige Belege s. Anm. 21. Oft wird auch bestimmt, daß die Sicherung auf Kosten und auf Gefahr des Sicherheit Leistenden geschieht.

29 So Wackernagel (1928: 176-177). An dieses Beispiel knüpft Watkins (1967: 115) an, der die Er-scheinung auch im Hethitischen erkannt hat. Zu dieser ebenfalls in der Literatur gepflegten, aber wohl volkstümlichen Sprechweise s. jetzt Renehan (1969: 77-95) und (1976: 12-27) (mit rei-chem, kritisch gesichtetem Material); auch (von Renehan zitiert) Clausen (1955), Schwy-zer-Debrunner (1950: 422), KUhner-Gerth (1955: 1.538 Anm. 6 und 2.568).

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364 Ludwig Koenen

stehenden Verben, beobachtet werden kann, wenn das mit dem präpositionalen Präfix zusammengesetzte Verb nach dem Simplex erscheint.30 Aber wie Rene-han anhand einer umfänglichen Materialsammlung gezeigt hat, gibt es dafür bis-her kein einziges legitimes Beispiel. Entweder haben das Simplex und das mit Präfix gebildete Verb ungefähr die gleiche Bedeutung, oder das Verb mit Präfix hat einen ausgeprägteren, stärkeren Sinn, der das vorangehende Simplex in ge-wisser Weise korrigiert wie in Men. Dys. 818 δίδου μεταδίδου.31 Beide Katego-rien gehen ineinander über, z.B. wenn Sokrates im Philebos (50a) sagt, daß wir, wenn wir über Freunde lachen und dabei 'Freude mit Neid mischen, die Freude mit Trauer vermischen': κεραννύντας ήδονήν φθόνφ, λύπη την ήδονήν συγκε-ραννύναι. Hier gibt das Präfix des Verbs dem zweiten Glied stärkeres Gewicht.

Bei dieser Sachlage wäre es nun schön, an der aus P. Petra 17 zitierten Stelle endlich einen Beweis dafür zu haben, daß das Präfix eines nachgestellten Verbs einem vorangehenden Simplex den Sinn geben kann, selbst wenn dieser Beleg in einem obskuren, im sechsten Jahrhundert in Palaestina geschriebenen Text stünde.32 έπΐ παντί τφ φέροντν κ(αί) I διοίσοντ[ι τ]ρόπω in Ρ. Petra II 17 ist je-doch nun durch die Neulesung im Petra Papyrus inv. 8 mit δ[ια]φ[έ]ροντι καν δι[οίσοντι (oben Anm. 27) diskreditiert. Bei dem jetzigen Kenntnisstand muß man daher ein Schreiberversehen in P. Petra II 17 annehmen.33

3. μικρφ πρός

An anderer Stelle (Z. 135-136) weist P. Petra 17 einem der drei Brüder ein Ge-treidefeld zu, dessen Größe und Lage in der folgenden Weise angegeben ist: ίούγερα τρία I μικρφ πρός, όντα έν τό(πφ) αλ-[ ]αθ, 'etwas über drei

30 Watkins (1967: 116); Renehan (1969: 83) empfand damals die Beschränkung auf nebeneinander stehende Verben als zu eng (s. die folg. Anm.).

31 Renehan (1976: 22-27), der als weitere Kategorie "non-examples" nennt, bei denen das Simplex und das mit Präfix zusammengesetzte Verb in verschiedenen Bedeutungen stehen (wieder mit zahlreichen Belegen). Ich nenne hier als Beispiele: Just. Dig. 7.1.36, wenn jemand mit dem Ver-mächtnis des Nutzrechtes eines Sklaven bedacht worden ist: cum per heredem starei, quominus praestaretur, seruus mortuus est, 'während der Erbe verantwortlich war, daß das Nutzrecht nicht gewährt wurde, ist der Sklave gestorben'; 8.S.4.5 Si quis mihi itineris uel actus uel uiae contro-uersiam non faciat, sed reficere sternere non patiatur, 'wenn jemand mir nicht das Recht streitig macht, durch sein Grundstück zu gehen, zu fahren oder den Weg zu benutzen (alles Servitutes), aber es nicht duldet, den Weg zu reparieren und zu pflastern [...]'.

32 Auch die Reihenfolge Verb mit Präfix-Simplex ist meines Wissens in den Papyri noch nicht be-obachtet und gesammelt worden.

33 R. Daniel hat diese Erklärung von Anfang an vertreten.

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Sprachliche Bemerkungen zu P. Petra 17 (inv. 10) 365

Iugera, welche in der Gemarkung al-[ ]at gelegen sind'.34 Der Leser, der mit dem Griechisch der klassischen Periode vertraut ist, hätte am ehesten ίούγερα τρία I καί μικρόν πρός erwartet, so wie Demosthenes (Phil. 1.28) sagt: τάλαντ' ένενήκοντα και μικρόν πρός, 'ein wenig über neunzig Talente*. Das adverbiale πρός ist in den Papyri häufig, aber eine vergleichbare Wendung findet sich bis-her nur in P. Fuad I 87.21-22 aus dem sechsten Jahrhundert, in dem Schulden von '400 Talenten oder um ein weniges mehr' berichtet werden, τετρακόσια νομίσματα I μικρφ ή πρός. Gemeint ist wohl: ή μικρφ πρός. Dabei bleibe es of-fen, ob die Wortstellung ein Versehen des Schreibers oder Editors ist. Die Wen-dung begegnet auch bei ungefähren Mengen in anderen byzantinischen Texten. Nikephoros, der Patriarch von Konstantinopel (8. Jh.), berichtet von einem Erd-beben, bei dem ganze Städte 'sechs Meilen oder etwas mehr' von ihrem ur-sprünglichen Standort versetzt worden waren: μέχρι σημείων εξ {καί} της οι-κείας μεταστάσαι ιδρύσεως ή μικρφ πρός (Breviarium historicum 69). Noch deutlicher ist die volle Wendung bei Georgios Synkellos (8./9. Jh.), der den 'Be-ginn des mehr oder weniger 30. Lebensjahres (Jesu)' so bezeichnet: τφ λ' ετει άρχομένφ που ή μικρφ προς ή ελαττον (Eel. chronogr. 615, p. 394 Mossham-mer). Hier wird klar, daß μικρφ πρός nur etwas zu der Zahl hinzufügt, nicht eine Annäherung im Sinne von 'fast'.

Während die genannten Parallelen μικρφ πρός mit ή anknüpfen, fehlt die Konjunktion in P. Petra 17. Palladlos (6. Jh.) läßt sie gleichfalls aus, wenn er im Dial, de v. J. Chrysostomi, 3.35-38 (Malingrey-Leclerq) das Schreiben der Syn-ode des Bischofs von Konstantinopel erwähnt: έπιδους έπιστολάς της συνόδου της 'Ιωάννου είκοσι πέντε έπισκόπων μικρφ πρός, 'und übergab ein Schreiben der Synode des Johannes von etwas Uber 25 Bischöfen'. Ohne Konjunktion er-scheint μικρφ πρός als erklärende Apposition.

Die genannten Parallelen mit Zahlenangaben genügen, um die Verwendung von μικρφ πρός in P. Petra 17 zu erklären. Es sei aber hinzugefügt, daß μικρφ πρός in byzantinischer Zeit ähnlich auch in Zeitangaben ohne Zahlen gebraucht wurde. Die Doctrina patrum (7./8. Jh.) schließt ihre Auszüge aus Epiphanios' Liste von 80 Häresien (Anakephalaioses) mit dem Satz ab: 'Dies sind die Häre-sien bis Markian.' Die letztgenannte Häresie ist die der Messalianer, die im 4. Jahrhundert aufkamen. Sodann folgt in der Doctrina die an Epiphanios' Liste

34 δντα ist in P. Petra 17 in sechs anderen Fällen gebraucht, um den kurz zuvor erwähnten Akkusa-tiv der zugeteilten Immobilie oder eines Teiles davon (μέρος [sic], ίούγερον [sic] oder ίούγερα, οίκον) wieder aufzunehmen und eine nähere Beschreibung der Lage oder die Angabe eines mit dem Land kommenden Pacht- oder Bewirtschaftungsvertrages anzufügen.

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anschließende άνακεφαλαίωσις von Häresien unter der Überschrift: άπό δε Μαρκιανοΰ δεΰρο καί μικρφ προς καί έπί Λέοντος ανεφύησαν αν αιρέσεις αύται (ρ. 269 Diekamp-Chrysos), 'von der Zeit Markians (450-457) an, und ein wenig später (als Markian) zu der Zeit Leos (457-474) wuchsen die folgenden Häresien auf.35 Um diese Bedeutung zu verstehen, ist ein kurzer Blick in die Dogmengeschichte nötig.

Die Auflistung beginnt mit den Nestorianern, deren Haupt Nestorios 431 auf dem Konzil von Ephesos verurteilt wurde, und den Eutychianern, deren geisti-ges Haupt, Eutyches, endgültig auf der Synode von Chalkedon im Jahre 451 bald nach der Thronbesteigung Markians (450) exkommuniziert und von diesem verbannt wurde. Markian war am Konzil und seinem Ausgang beteiligt. Beide Häresien hatten vor Markian begonnen, aber Chalkedon definierte die siegreiche christologische Dogmatik gegen die Nestorianer und, auf der anderen Seite, die Eutychianer. Diese Auseinandersetzungen führten zum Monophysitismus, der in der Doctrina als nächste Irrlehre zusammen mit anderen genannt wird. Obwohl also die Häresien der Nestorianer und Eutychianer bereits unter der Regierung Theodosius' II. (412-450) entstanden waren, ist es nicht erstaunlich, daß sie Markian zugeordnet sind. Sie erschienen noch nicht in Epiphanios' Liste, und sie führen zu Chalkedon und in der Weiterentwicklung zum Monophysitismus, der die Abspaltung einer Reihe von östlichen Kirchen mit sich brachte.

Der kurze Ausflug in ein Kapitel der Dogmengeschichte zeigt also, wie καί μικρφ πρός nach der Nennung Markians als 'und um ein weniges später' zu ver-stehen ist. Das folgende καί ist erklärend: 'nämlich unter Leo', falls Markians Nachfolger gemeint ist (457-474). Aber das 8. Jahrhundert sah zwei weitere Leos auf dem Kaiserthron (717-741, 775-780). Wenn einer von diesen gemeint ist, dann führt dieses καί zu einer dritten Periode zu den Lebzeiten des Autors der Doctrina (vgl. Anm. 35).

μικρφ πρός in zeitlicher Bedeutung erscheint auch in zwei Sätzen, die an zwei verschiedenen Stellen der Suda denselben Wortlaut haben. (I) ε 739 (FGrH 4 Τ 1) beschreibt den Historiker Hellanikos mit einer gedrängten Serie von Syn-chronismen: 'Hellanikos verweilte zusammen mit Herodotos beim makedoni-

35 Wegen der Weiterfuhrung des Satzes nehme ich δεΰρο als nicht auf den Endpunkt im Sinn von 'bis heute' fixiert, obwohl des Autors Reihe der Häresien die Gegenwart berührt, wenn er die 'bis heute (μέχρι νυν) starken' Ismaëliten erwähnt. Jedenfalls knüpft der Ausdruck καί μικρφ πρός an die Regierungszeit Markians an. Gegen eine nur schwerlich mögliche Ableitung von μικρφ πρός von πρός im Sinne von 'nahe bei', d.h. 'ungefähr' ('von ungefähr der Zeit Markians an') vgl. oben zu der Stelle aus Georgios Synkellos.

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sehen König Amyntas zu Lebzeiten des Euripides und Sophokles', wobei der Königsname falsch sein muß.36 Dann folgen die hier zitierten Sätze. (II) An der zweiten Stelle, ε 2020, dienen die beiden Sätze als Beleg für έπέβαλεν in der Bedeutung άντί του συνήν.

καν Έκαταίφ τφ Μιλησίω έπέβαλε γεγονότι κατά τα Περσικά καν μνκρφ πρός.

έξέτεινε δε καν μέχρι των Περδίκκου χρόνων.

γεγονώς Jacoby καν2 : ή Jacoby πρόσ(θεν) Rohde, Jacoby

'(Hellanikos) fiel (zeitlich) mit Hekataios von Milet zusammen, der während der

Perserkriege (oder) ein wenig danach geboren worden war und bis zu den Zeiten

des Perdikkas lebte.'

Im Kontext der Suda kehrt έξέτεινε zu Hellanikos zurück: 'Er (Hellanikos) lebte bis zu den Zeiten des Perdikkas.'

Die beiden Sätze bieten sowohl ein chronologisches als auch ein sprachliches Problem, wie die Konjekturen zeigen. Ersteres liegt in γεγονότι, das die Geburt während der Perserkriege fälschlich auf Hekataios (ca. 560-480)37 bezieht. Jaco-bys Konjektur γεγονώς macht den Synchronismus erträglich. Nach seinem Text ist es Hellanikos, der zur Zeit des Perserkrieges, also um 480/79, geboren sein soll und noch zur Zeit des makedonischen Perdikkas lebte (ca. 450-413). Das gleiche Geburtsjahr bietet die Vita des Euripides (FGrH 4 Τ 6: 'der Tag an dem die Griechen die Seeschlacht bei Salamis gewannen'). Aber das falsche γεγο-νότι, das die Geburtszeit auf Hekataios bezieht, erscheint an zwei getrennten, wenn auch zusammengehörenden Stellen. Das Lemma der zweiten Stelle, έπ-έβαλεν in ε 2020, ist anscheinend von dem έπέβαλεν an der ersten Stelle (ε 739) provoziert. Die Erklärung dieses Verbs als συνήν und die darin liegende Synchronisierung der beiden Geschichtsschreiber ist wohl aus der Tatsache ab-geleitet, daß Hellanikos den Hekataios benutzt hat. Darüberhinaus mag συνήν ein Schüler-Lehrer-Verhältnis suggerieren. Die Abhängigkeit des zweiten von dem ersten Zitat der beiden Sätze zeigt, daß der chronologische Fehler kein Schreiberversehen ist, sondern wohl auf einen 5Wa-Redaktor oder bereits auf die Quelle zurückgeht, aus der die beiden Sätze genommen sind. Wohl deshalb hat A. Adler zu Recht den Suda-Text an dieser Stelle nicht verbessert.

36 παρά (Άλεξάνδρφ τφ) 'Αμύντα RUhl (cf. Ä£Vffl Sp. 108 [Gudeman]). 37 Siehe besonders den 5u<&z-Artikel über Hekataios (e 360), der seine Geburt mit κατά τους Δα-

ρείου χρόνους beschreibt.

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Die zweite Schwierigkeit ist καί μικρφ πρός, 'um ein weniges später'. Wie bereits gesagt, ist mit der Herstellung von γεγονώς (Jacoby) in den oben zitierten Sätzen des Redaktors oder seiner Quelle die Geburt des Hellanikos gemeint, μικρφ πρός ist hier mit καί angeknüpft, kann aber nicht ein zusätzliches Datum für die Geburt einführen.38 Es folgt der Analogie von Annäherungszahlen und entsprechenden Begriffen wie z.B. έτών δύο καί τρία, 'von zwei oder ('auch') drei Jahren'.39 Dieses καί schließt eine Variation appositioneil an.40 Es hat in diesem Fall fast dieselbe Bedeutung wie ή. Der ursprüngliche (vor-Suda) Text der beiden Sätze vertrat also eine relativ späte Geburt des Hellanikos, dachte sich ihn entweder während oder kurz nach den Perserkriegen geboren. Damit folgte er nicht der auf den Tag präzisierten Datierung der Euripides-Vita, son-dern beschränkte sich auf ungefähr den gleichen Zeitraum.

Zusammenfassend läßt sich nunmehr feststellen, daß im byzantinischen Grie-chisch die Verwendung von μικρφ πρός bei Zeitbestimmung die gleiche wie bei Zahlenangaben ist. Beides ist ein byzantinisches Idiom, das zuerst im 6. Jahr-hundert aufzutreten scheint.

Das erste Beispiel, das im Vorstehenden besprochen wurde (1), zeigt, wie im sechsten Jahrhundert am Rande der griechischen Welt noch Idiome und die von ihnen bezeichneten praktischen Aktionen weiterleben, obwohl sich die konkrete Verwendung mit den Realitäten geändert hat. Das zweite Beispiel (2) beleuchtet eine Lehnübersetzung unter dem Einfluß des römischen Rechtes, und das letzte führt zu einer sprachlichen Neuentwicklung im byzantinischen Griechisch. All das ist reflektiert im Griechisch der Petra Papyri. Wir könnten fortfahren und darüber handeln, daß z.B. δώμα ganz wie in einem Exzerpt aus einem zeitgenös-sischen Traktat des Architekten Julian von Askalon41 nicht ein Haus oder Palast oder Raum noch, wie in den ägyptischen Papyri, ein Dach ist, sondern eine Ter-rasse. Hinter diesem Stück Bedeutungsgeschichte steht die architektonische Realität, daß ein solide konstruiertes Dach eines Hauses die Fläche bot, die man als Lebens- und Lagerfläche, Schlafstelle und Trockenplatz für die Wäsche, aber

38 Die Anknüpfung von και μικρφ πρός in der Stelle aus der Doctrina patrum ist nicht zu verglei-chen, da es in dem Satz eine 'und' entsprechende Funktion hat.

39 Thuc. 1.82.2; vgl. Denniston (1954: 292 [8]). 40 Vgl. Isocr. 7.78 όμοιας καί παραπλήσιας, 'ähnlich oder fast gleich'; Denniston (1954: 292 [8],

vgl. 291 [5]). 41 Άπό των τοΰ Άσκαλωνίτου του άρχιτέκτονος έκ των νόμων ήτοι έθών των έν Παλαιστίνη, in

Saliou (1996).

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auch als Grundfläche für ein zusätzliches Apartment auf dem Dach (ΰπερφον) benutzen konnte. Aber das wird man bald im Kommentar nachlesen können.

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