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im Laufe ihrer Behandlung gelangen Krebspatienten immer mal wieder an den Punkt, an dem sie sich fra- gen, ob es eine Möglichkeit gegeben hätte, die Krank- heit zu vermeiden. Hätte man die Sorgen weniger in sich hineinfressen sollen, hätte ein gesünderer Le- bensstil den Krebs verhindert? Zwei Dinge sind in diesem Zusammenhang wichtig: Natürlich ist Krebs auch eine lebensstilbedingte Er- krankung: wer raucht, Alkohol trinkt und sich wenig bewegt, trägt ein höheres Erkrankungsrisiko als Men- schen mit halbwegs gesundem Lebensstil. Aber: Auch der konsequenteste Gesundheitsapostel ist vor Krebs nicht gefeit – Krebs trifft arm und reich, anständige wie charakterlose Zeitgenossen, egal ob sie zurück- haltend oder vorlaut daher kommen. An Krebs kann jeder erkranken. Und selbst wenn Ihr Lebensstil vor der Diagnose nicht der gesündeste ge- wesen sein sollte: Lassen Sie die Vergangenheit hinter sich, Sie können sie ohnehin nicht beeinflussen. Wen- den Sie sich der Gegenwart zu. Was Sie jetzt selbst tun können, um sich aus dem Klammergriff der Krank- heit zu befreien, darüber informieren wir Sie unter anderem in unserem PraxisJournal. Ihr Praxisteam Dr. Georgi Kojouharoff, Gerrit Dingeldein und Dr. Michael Rieger Siddhartha Mukherjee, der indisch-stämmige On- kologe aus New York beschreibt Erschreckendes: „Jeder zweite Mann und jede dritte Frau in den In- dustrienationen werden im Laufe ihres Lebens an Krebs erkranken. Dabei nimmt sich diese tödliche Krankheit das Leben zum Vorbild. […] Unsere Zel- len müssen wachsen, damit wir weiterleben; und sie wissen genau, wann sie aufhören müssen, sich zu tei- len. Krebszellen wissen das nicht.“ Krebs ist eine Krankheit des Erbgutes und entspringt daher tatsächlich den Grundlagen menschlicher Existenz. Die Fortschritte in der Genetik können den Kampf gegen den Krebs so weiterbringen, dass die Patienten in Zukunft mit Therapien behandelt wer- den, die exakt auf die individuellen genetischen Vo- raussetzungen zielen. Mukherjee behandelt, erforscht und beschreibt den Krebs, denn seiner Meinung nach reicht es nicht aus, „den Krebs medizi- nisch zu fassen. Man muss ver- suchen, ihn kulturell zu verstehen, seinen Charakter zu entlarven." Detailreich und trotzdem kurzweilig zeigt der Pulit- zer-Preisträger, wie sich diese Krankheit im Laufe der Geschichte den Menschen dargestellt hat und wie sie darauf reagiert haben. Das New York Times Magazine zählt den US-amerikanische Bestseller zu den 100 besten Sachbüchern der letzten 100 Jahre. Siddhartha Mukherjee Der König aller Krankheiten Krebs – eine Biografie Dumont, Taschenbuch, 672 Seiten, 14,99 Liebe Patientin, lieber Patient, April 2017 Nur für unsere Patienten, nicht zur Weitergabe bestimmt. Praxis Journal Überblick Diagnostik und Therapie des Bronchialkarzinoms – Operation und anschließende Behandlungsmöglichkeiten Ratgeber Die Sonne genießen und die Gesundheit schützen Nachgefragt Bin ich nicht selbst verant- wortlich für meinen Lungen- krebs? Stichwort Übergewicht und Fettleibigkeit erhöhen das Krebsrisiko Tipps für den Alltag Entspannung kann man lernen Kurz berichtet Krebsbedingte Sterberaten in Europa nehmen ab Kältekappe bremst Chemotherapie-bedingten Haarausfall bei Brustkrebs- patientinnen 2 4 5 7 6 8 Der König aller Krankheiten Krebs – eine Biografie Internistische Schwerpunktpraxis für Hämatologie/Onkologie Dr. Georgi Kojouharoff · Gerrit Dingeldein · Dr. Michael Rieger Landgraf-Georg-Str. 100 · 64287 Darmstadt Tel. 0 61 51 / 130 480 · Fax 0 61 51/ 130 48 10 Sprechzeiten Mo, Mi, Do, Fr 08 - 12 Uhr Di 09 - 12 Uhr Mo, Di, Do 14 - 17 Uhr Impressum © 29 | 3 | 2017, LUKON GmbH ISSN 1436-0942 Lukon Verlagsgesellschaft mbH Postfach 600516, 81205 München Chefredaktion: Dr. med. Georgi Kojouharoff (verantwortlich) Redaktion: Tina Schreck, Ludger Wahlers Anzeigen: Reinhard Bröker, Anschrift wie Verlag Grafik-Design, Illustration: Charlotte Schmitz Druck: flyeralarm GmbH

April 2017 Praxis Journal - onkologie-darmstadt.de · dem Mikroskop werden zwei große Gruppen von Bronchialkarzinomen unterschieden: Der kleinzellige und der nicht kleinzellige Lungenkrebs,

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Page 1: April 2017 Praxis Journal - onkologie-darmstadt.de · dem Mikroskop werden zwei große Gruppen von Bronchialkarzinomen unterschieden: Der kleinzellige und der nicht kleinzellige Lungenkrebs,

im Laufe ihrer Behandlung gelangen Krebspatientenimmer mal wieder an den Punkt, an dem sie sich fra-gen, ob es eine Möglichkeit gegeben hätte, die Krank-heit zu vermeiden. Hätte man die Sorgen weniger insich hineinfressen sollen, hätte ein gesünderer Le-bensstil den Krebs verhindert?

Zwei Dinge sind in diesem Zusammenhang wichtig:Natürlich ist Krebs auch eine lebensstilbedingte Er-krankung: wer raucht, Alkohol trinkt und sich wenigbewegt, trägt ein höheres Erkrankungsrisiko als Men-schen mit halbwegs gesundem Lebensstil. Aber: Auchder konsequenteste Gesundheitsapostel ist vor Krebsnicht gefeit – Krebs trifft arm und reich, anständige

wie charakterlose Zeitgenossen, egal ob sie zurück-haltend oder vorlaut daher kommen.

An Krebs kann jeder erkranken. Und selbst wenn IhrLebensstil vor der Diagnose nicht der gesündeste ge-wesen sein sollte: Lassen Sie die Vergangenheit hintersich, Sie können sie ohnehin nicht beeinflussen. Wen-den Sie sich der Gegenwart zu. Was Sie jetzt selbst tunkönnen, um sich aus dem Klammergriff der Krank-heit zu befreien, darüber informieren wir Sie unteranderem in unserem PraxisJournal.

Ihr Praxisteam Dr. Georgi Kojouharoff, Gerrit Dingeldein und Dr. Michael Rieger

Siddhartha Mukherjee, der indisch-stämmige On-kologe aus New York beschreibt Erschreckendes:„Jeder zweite Mann und jede dritte Frau in den In-dustrienationen werden im Laufe ihres Lebens anKrebs erkranken. Dabei nimmt sich diese tödlicheKrankheit das Leben zum Vorbild. […] Unsere Zel-len müssen wachsen, damit wir weiterleben; und siewissen genau, wann sie aufhören müssen, sich zu tei-len. Krebszellen wissen das nicht.“

Krebs ist eine Krankheit des Erbgutes und entspringtdaher tatsächlich den Grundlagen menschlicherExistenz. Die Fortschritte in der Genetik können denKampf gegen den Krebs so weiterbringen, dass diePatienten in Zukunft mit Therapien behandelt wer-den, die exakt auf die individuellen genetischen Vo-raussetzungen zielen.

Mukherjee behandelt, erforschtund beschreibt den Krebs, dennseiner Meinung nach reicht esnicht aus, „den Krebs medizi-nisch zu fassen. Man muss ver-suchen, ihn kulturell zu verstehen, seinenCharakter zu entlarven."

Detailreich und trotzdem kurzweilig zeigt der Pulit-zer-Preisträger, wie sich diese Krankheit im Laufe derGeschichte den Menschen dargestellt hat und wie siedarauf reagiert haben. Das New York Times Magazinezählt den US-amerikanische Bestseller zu den 100besten Sachbüchern der letzten 100 Jahre.

Siddhartha MukherjeeDer König aller KrankheitenKrebs – eine BiografieDumont, Taschenbuch, 672 Seiten, € 14,99

Liebe Patientin,lieber Patient,

A p r i l 2 0 1 7

Nur für unsere Patienten, nicht zur Weitergabe bestimmt.

PraxisJournal

ÜberblickDiagnostik und Therapie des Bronchialkarzinoms –Operation und anschließendeBehandlungsmöglichkeiten

RatgeberDie Sonne genießen und dieGesundheit schützen

NachgefragtBin ich nicht selbst verant-wortlich für meinen Lungen-krebs?

StichwortÜbergewicht und Fettleibigkeiterhöhen das Krebsrisiko

Tipps für den AlltagEntspannung kann man lernen

Kurz berichtet Krebsbedingte Sterberaten inEuropa nehmen ab

Kältekappe bremst Chemo therapie-bedingtenHaarausfall bei Brustkrebs -patientinnen

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8 Der König aller Kr ankheiten

K r e b s – e i n e B i o g r a f i e

Internistische Schwerpunktpraxis für Hämatologie/OnkologieDr. Georgi Kojouharoff · Gerrit Dingeldein · Dr. Michael RiegerLandgraf-Georg-Str. 100 · 64287 DarmstadtTel. 0 61 51 / 130 480 · Fax 0 61 51/ 130 48 10 Sprechzeiten Mo, Mi, Do, Fr 08 - 12 UhrDi 09 - 12 UhrMo, Di, Do 14 - 17 Uhr

Impressum© 29 | 3 | 2017, LUKON GmbHISSN 1436-0942Lukon Verlagsgesellschaft mbH Postfach 600516, 81205 MünchenChefredaktion:Dr. med. Georgi Kojouharoff (verantwortlich)Redaktion: Tina Schreck, Ludger WahlersAnzeigen: Reinhard Bröker,Anschrift wie VerlagGrafik-Design, Illustration: Charlotte SchmitzDruck: flyeralarm GmbH

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Regelmäßiges Rauchen über Jahre hinweg istnach wie vor der größte Risikofaktor für dieEntstehung von Lungenkrebs, von Medizi-nern als Bronchialkarzinom bezeichnet. Etwa85 Prozent aller Patienten sind bei der Diag-nose Raucher. Weitere Ursachen sind Kon-takt mit krebsfördernden Substanzen wieArsen, Asbest, Benzol und Benzol-ähnlichenKohlenwasserstoffen, mit Chrom, Cadmium,Nickel, Ruß und Teer sowie Radon. Lungen-krebs wächst lange Zeit ohne Beschwerdenund wird deshalb in frühen Stadien meistnur zufällig, etwa beim Routine-Röntgen,entdeckt.

Zwei Gruppen von Bronchial-karzinomenNach dem Aussehen der Tumorzellen unterdem Mikroskop werden zwei große Gruppenvon Bronchialkarzinomen unterschieden:Der kleinzellige und der nicht kleinzelligeLungenkrebs, nach ihren englischen Bezeich-nungen häufig abgekürzt als SCLC undNSCLC.

Der kleinzellige Lungenkrebs (SCLC) gilt alsder klassische Rauchertumor. Seine Zellenwachsen sehr schnell, der Tumor bildet schnellMetastasen. Das schnelle Wachstum bietet al-lerdings auch einen guten Angriffspunkt fürdie Behandlung: Kleinzellige Lungenkrebsesprechen gut auf Chemotherapeutika an,selbst in fortgeschrittenen Stadien reagierennoch 60 bis 80 Prozent der Patienten auf dieBehandlung. Aber trotz erfolgreicher Behand-lung bildet sich meist ein Rezidiv, also ein ge-weblich ähnlicher Tumor, an derselben Stelle,und mit jedem neuen Rezidiv wird die Be-handlung schwieriger.

Etwa 80 Prozent der Lungenkrebspatientensind am nicht kleinzelligen Lungenkrebs(NSCLC) erkrankt. Je nach Zellart, von derder Tumor ausgeht, werden drei NSCLC-Haupttypen unterschieden: das Plattenepi-thelkarzinom, das Adenokarzinom und dasgroßzellige Karzinom. Im Vergleich zu klein-zelligen Karzinomen wachsen nicht kleinzel-lige zunächst langsamer und streuen auchspäter in andere Gewebe. Sobald sie Metas-tasen gebildet haben, beschleunigt sich je-doch auch ihr Wachstum.

Diagnostik und StadieneinteilungVor der Therapie eines Bronchialkarzinomssteht die sorgfältige Diagnostik. WichtigeFragen, die zu klären sind, lauten:

Ist nur ein Lungenflügel betroffen?Sind bereits Krebszellen in Lymphknotennachweisbar?Gibt es schon Metastasen in entfernt liegenden Organen und Geweben?Um welche Tumorart genau handelt essich?

Zur Beantwortung dieser Fragen nutzen Ärztebildgebende Untersuchungsverfahren wieRöntgen, Computertomographie, Positro-nenemissions-Tomographie (PET) oder dieUntersuchung der Atemwege mit einer klei-nen Spezialkamera im Rahmen der Broncho-skopie. Gegebenenfalls wird im Rahmen einerFeinnadelbiopsie eine Gewebeprobe des Tu-mors genommen und vom Gewebespezialis-ten, dem Pathologen, untersucht. Die Unter-suchungsergebnisse versetzen die behandeln-den Ärzte in die Lage, das Bronchialkarzinomgenauer zu charakterisieren, sprich, es einemeindeutigen Stadium zuzuordnen (Tabelle).

LungenkrebsDiagnostik und Therapie

Mehr als 34000 Männer und rund 18000 Frauen werden jedes Jahr mit derschwerwiegenden Diagnose „Lungenkrebs“ konfrontiert. Das mittlere Er-

krankungsalter liegt für Männer und Frauen bei etwa 68 Jahren. FortgeschrittenerLungenkrebs gehört auch heute noch zu den Krebsarten mit eher geringen Hei-lungsaussichten. Die erst seit kurzem verfügbare Therapie mit sogenanntenImmun-Checkpoint-Inhibitoren verlängert aber die Lebenszeit vor allem für Pa-tienten mit nicht kleinzelligem Lungenkrebs zum Teil erheblich.

Ü b e r b l i c k2 | 3

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Stadieneinteilung von nicht kleinzelligen Bronchialkarzinomen

0

IA1

IA2

IA3

IB

IIA

IIB

IIIA

IIIB

IIIC

IVA

IVB

PrimärtumorCarcinoma in situ≤ 1 cm> 1 cm bis ≤ 2 cm> 2 cm bis ≤ 3 cm

> 3 cm bis ≤ 4 cm

> 4 cm bis ≤ 5 cm

jeder Tumor bis ≤ 4 cm> 4 cm bis ≤ 5 cm> 5 cm bis ≤ 7 cm

jeder Tumor ≤ 5 cm> 5 cm bis ≤ 7 cmjeder Tumor > 7 cmjeder Tumor > 7 cm

jeder Tumor ≤ 5 cm> 5 cm bis ≤ 7 cmjeder Tumor > 7 cm

> 5 cm bis ≤ 7 cmjeder Tumor > 7 cm

jeder Tumor

jeder Tumor

jeder Tumor

Lymphknotenkeine befallenkeine befallenkeine befallenkeine befallen

keine befallen

keine befallen

benachbarte der gleichen Seite befallenbenachbarte der gleichen Seite befallenkeine befallen

entferntere der gleichen Seite befallenbenachbarte der gleichen Seite befallenkeine befallenbenachbarte der gleichen Seite befallen

Lymphknoten der anderen Seite befallenentferntere der gleichen Seite befallenentferntere der gleichen Seite befallen

Lymphknoten der anderen Seite befallenLymphknoten der anderen Seite befallen

jeder Lymphknotenbefall

jeder Lymphknotenbefall

jeder Lymphknotenbefall

Fernmetastasenkeine vorhandenkeine vorhandenkeine vorhandenkeine vorhanden

keine vorhanden

keine vorhanden

keine vorhandenkeine vorhandenkeine vorhanden

keine vorhandenkeine vorhandenkeine vorhandenkeine vorhanden

keine vorhandenkeine vorhandenkeine vorhanden

keine vorhandenkeine vorhanden

Metastasen in anderem Lungenflügel oder krebsbedingter Erguss in Lungenfell oder Herzbeutelisolierte Fernmetastase in einem anderen Organ

mehrere Fernmetastasen in einem oder mehreren Organen

Weitere Charakteristikabetrifft nur wenige Zellschichten, noch nicht durch die Lungenoberfläche gewachsenKarzinom in nur einem Lungenflügel ohne Befall des HauptbronchusHauptbronchus der gleichen Seite ebenfalls betroffengegebenenfalls umgebende Organe betroffen

Immunsystem wieder angreifbar wird. DieTherapie mit Immun-Checkpoint-Inhibito-ren funktioniert besonders gut bei Bronchi-alkarzinomen, die durch das Rauchen verur-sacht wurden, also bei sehr vielen Lungen-krebspatienten.

Molekular zielgerichtete TherapieNeben dieser Immuntherapie spielt in derBehandlung von Patienten mit Lungenkrebsdie sogenannte molekular zielgerichtete The-rapie eine wichtige Rolle. Von ihr profitierenallerdings nur bis zu 15 Prozent aller Patien-ten mit nicht kleinzelligem Lungenkrebs. ImErbgut ihrer Tumorzellen hat eine bestimmteVeränderung, also eine Mutation stattgefun-den, die eine Signalkette zur fortwährendenVermehrung der Zellen in Gang setzt. Ist eineentsprechende Mutation nachgewiesen, dannprofitieren diese Patienten von Medikamen-ten, die ganz gezielt für die Unterbrechungder Signalkette sorgen und so das Tumor-wachstum verlangsamen.

Operieren, wenn es sinnvoll istWenn der Tumor noch nicht gestreut, vonseiner Lage her operabel und der Patient be-lastbar ist, dann gibt es die Chance, den Lun-genkrebs durch eine Operation vollständig zuentfernen. Wenn die Operationswunde ver-heilt ist, schließt sich meist eine Chemo-, inbestimmten Fällen auch eine Strahlenthera-pie an. Diese Maßnahmen sollen sicherstel-len, dass möglicherweise im Körper verblie-bene Tumorzellen, die man auch mit den bes-ten bildgebenden Verfahren noch nicht ent-decken kann, vernichtet werden.

Hat der Tumor dagegen schon Metastasen ge-bildet, ist möglicherweise auch in andere Or-gane vorgedrungen, geht es nicht mehr umHeilung, sondern darum, das Tumorwachs-tum zu verlangsamen und dem Patienten einlebenswertes Leben zu ermöglichen. In die-sem Fall wird auf die Operation oft verzichtet;stattdessen behandelt man mit einer ange-passten Chemo- und Strahlentherapie undgegebenenfalls mit weiteren Medikamenten.

Immun-Checkpoint-InhibitorenOperation, Strahlentherapie und Chemothe-rapie sind nach wie vor die Basiswerkzeugezur Behandlung von Krebserkrankungen. Inden letzten Jahren sind aber Medikamenteentwickelt worden, die für viele Patienten An-lass zur Hoffnung auf Lebenszeitverlänge-rung sind.

Die spektakulärsten Erfolge der letzten Jahreerzielt die sogenannte Immuntherapie. Damitsind nicht allgemein die Abwehr stärkendeMittel gemeint, sondern die spezifisch aufden Krebs bezogene Aktivierung des Immun-systems. Forscher haben herausgefunden, wiesich das Immunsystem zur Bekämpfung einesTumors aktivieren, genauer re-aktivierenlässt. Denn das Immunsystem bildet regelmä-ßig Abwehrzellen gegen Tumorzellen – zu-mindest gegen solche, die durch übermäßigeUV-Strahlung oder Rauchen entstanden sind.Tumorzellen sind aber in der Lage, die speziellgegen sie gerichteten Abwehrzellen des Im-munsystems gewissermaßen abzuschalten.Sie greifen damit in die Regulation des Im-munsystems ein, treten sozusagen auf die Im-munbremse. Konkret geschieht das durch dieInteraktion an bestimmten, für die Regulati-on wichtigen Rezeptoren, die deshalb auch alsImmun-Checkpoints bezeichnet werden. Sogenannte Immun-Checkpoint-Inhibitorenunterdrücken diese Interaktion mit der Folge,dass die Tumorzelle durch das körpereigene

Psychoonkologische UnterstützungBei der Behandlung von Lungenkrebs geht esnie nur um die Bekämpfung körperlicherSymptome. Viele Lungenkrebspatienten lei-den extrem unter ihrer Erkrankung. Nichtnur, weil die mittlere Überlebenszeit mitetwas über zwei Jahren sehr kurz ist. Häufigkämpfen sie mit Schuldgefühlen, weil sie wis-sen, dass ihr jahrzehntelanger Tabakkonsumwesentlich für die Entstehung der Krankheitverantwortlich ist.

Möglicherweise sind Empfindungen dieserArt auch eine Ursache dafür, dass Lungen-krebspatienten nur selten die Unterstützungeines Psychoonkologen suchen. Dabei kön-nen diese Fachleute bei der Bewältigung derErkrankung sehr hilfreich sein. Denn klar ist:Es geht bei der Behandlung von Patienten mitLungenkrebs nicht um Kategorien wie „selberschuld“ oder schuldlos. Es gilt vielmehr, denindividuell optimalen Weg zur Therapie undzum Umgang mit der Erkrankung zu finden.Und dabei stehen wir Ihnen mit der Unter-stützung weiterer Expertinnen und Expertenhilfreich zur Seite. ‹‹

PraxisJournal

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Mehr Informationen

Sommer, Sonne, Schattenspiele

Der Präventionsratgeberder Deutschen Krebshilfe,an dem auch Expertender ArbeitsgemeinschaftDermatologische Prä-vention e.V. mitgear-beitet haben, lässt sichim Internet kostenlosherunterladen unterwww.krebshilfe.de,und zwar im Ab-

schnitt „Informieren/Über Krebs/Infothek“.

Pigmentmale der Haut

1 | Pigmentmale wie diese sind harmlos, solange ihr Rand gleich -mäßig ist und ihr Durchmesser maximal 5 mm beträgt.

2 | Unregelmäßige Form und Farbe sind ein Alarmsignal. SuchenSie unverzüglich einen Arzt auf.

3 | Lebensbedrohlich sind Male wie diese – sie sind typisch fürden gefürchteten schwarzen Haut-krebs, das Maligne Melanom.

4 | Porzellanartige Pickel weisen aufein Basaliom hin. 95 Prozent allerPatienten werden vollständig ge-sund.

5 | Scharf begrenzte Rötungen und ständig wachsende Hornkruste kön-nen Stachelzellkrebs bedeuten. Exzellente Heilungs chancen beiDurchmesser bis zu 1 cm.

Die Sonne genießen

Die Frühlingssonne gewinnt an Kraft, die kalte Jahreszeit ist endgültigvorbei. Allein der Gedanke an Licht und wärmende Sonnenstrahlen tutKörper und Seele spürbar gut. Sonnenlicht kurbelt auch die Produktionvon Vitamin D an und stärkt so Knochenbau und Immunsystem. Aberfast jeder weiß aus Erfahrung: zu viel Sonne schadet.

Was nur wenig bekannt ist: Die Haut vergisstdie im Laufe eines Lebens aufgetretenenLicht-Schädigungen nicht. Das Risiko, anHautkrebs zu erkranken, steigt mit jedemSonnenbrand, selbst wenn man sich davonoberflächlich gut erholt hat. Die gute Nach-richt: Mit angepasstem Verhalten können SieIhr Hautkrebsrisiko erheblich vermindern.

Bestimmen Sie Ihren HauttypNicht alle Menschen reagieren gleich emp-findlich auf ultraviolette Strahlung. Versu-chen Sie, sich selbst einem der für Mitteleu-ropa typischen vier Hauttypen zuzuordnen.Wenn Sie zu Hauttyp I oder II gehören, kön-nen je nach Region schon wenige Minutendirekter Sonneneinstrahlung reichen, umHautrötungen entstehen zu lassen. Beson-ders gefährdet sind die Körperzonen, die ge-radezu zwangsläufig der Sonne ausgesetztsind, ohne dass wir es sofort merken, die so-genannten Sonnenterrassen. Dazu gehörenbeispielsweise Stirn oder Glatze, Nacken,Ohren, Nasenrücken, Kinn, Dekolletee undFußrücken.

Selbstuntersuchung und Hautkrebs-screeningSonnenschäden auf der Haut sind sichtbar.Aus diesem Grund sollten Sie sozusagen denTatsachen ins Auge sehen, und zwar systema-tisch mindestens einmal im Monat. AchtenSie auf ungewöhnliche Pigmentmale, die sichmöglicherweise auch verändern. InspizierenSie sich von Kopf bis Fuß: Gesicht, Hals,Ohren und Kopfhaut, Arme, Schultern, Ach-seln und Oberkörper, Gesäß, Lendengegendund Genitalbereich, die Beine und die Füßebis in die Zehenzwischenräume. Wenn Sie 35Jahre oder älter sind, haben Sie außerdemalle zwei Jahre Anspruch auf eine Haut -untersuchung. Qualifizierte Ärzte in IhrerNähe finden Sie unter www.hautkrebs-scree-ning.de.

ÜbrigensDie UV-Strahlung in Sonnenstudios ist nichtharmloser als natürliches Sonnenlicht. Ganzim Gegenteil. Aus diesem Grund ist Jugend-lichen unter 18 Jahren bereits seit März 2010der Solariumbesuch gesetzlich untersagt. ‹‹

und die Gesundheit schützen

Kein Sonnenbad zwischen 11 und 15 Uhr.

Leichte Kleidung, Sonnenbrille undSonnenhut schützen optimal.

Sonnenschutzcreme mit typgerech-tem Lichtschutzfaktor.

Die ersten Urlaubstage möglichstim Schatten bleiben (mit Schutz-creme!).

Erst 30 Minuten nach Eincremen indie Sonne.

Après-Creme nur im Schatten auf-tragen.

Wasserfeste Sonnenschutzmittelfür Schwimmer.

Sonnenschutz regelmäßig erneu-ern.

Auf Parfums und Deos beim Son-nenbad verzichten (verursachenPigmentflecken).

Worauf Sie achten sollten

1

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Sommer – Sonne – Schattenspiele 1

Präventionsratgeber

SOMMER

GUT BEHÜTET VOR UV-STRAHLUNGSCHATTENSPIELESONNE

Ratgeber4|5

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Stimmt es, dass Lungenkrebspatientenseltener psychologische Unterstützung inAnspruch nehmen als andere Krebspa-tienten?Diesen Eindruck haben zumindest viel Psy-choonkologen, und sie haben auch eine Ver-mutung, warum das so ist: Viele der Lungen-krebspatienten sind Raucher gewesen. Sieempfinden Scham, fühlen sich für die Entste-hung ihrer Krankheit selbst verantwortlich,und es fällt ihnen sehr schwer, sich mit ihrenunzweifelhaft vorhandenen existenziellenNöten jemandem anzuvertrauen.

Kann es nicht sein, dass diese Patienteneinfach lieber mit ihren Angehörigenreden?

Das ist in vielen Fällen sicher so. Allerdingsist eine professionelle psychologische Bera-tung meist ebenso sinnvoll. Denn entschei-dend für den Patienten ist, dass er einenRaum, einen Platz findet, an dem er seineAngst wirklich zeigen darf. Engen Verwand-ten gegenüber will man seine manchmalqualvolle Angst nicht immer offen zugeben,denn viele Patienten wollen ihre Angehörigennicht auch noch damit „belästigen“.

Was kann denn ein psychologisch ge-schulter Arzt besser oder effektiver gegendie Angst tun als Freunde und Angehöri-ge es können?

Ein Experte kann mit der Angst im wahrstenSinne des Wortes professioneller umgehen.Angehörige und Freunde spenden Trost, unddas ist sehr wichtig. Ein psychoonkologischgeschulter Betreuer aber hilft dem Patienten,aktiv zu werden. Und das empfinden die Be-troffenen als entlastend. Bei existenziellenÄngsten hilft es häufig, den ganz großen Berg„Ich werde sterben“ sozusagen in kleine Berg-etappen einzuteilen. Die große diffuse Angstwird in konkrete Einzelängste eingeteilt: „Ichhabe Angst vor Schmerzen. Ich habe Angst zuersticken. Ich habe Angst, dass meine Familienach meinem Tod nicht ausreichend versorgtsein wird.“ Darüber mit einer neutralen Per-son zu reden, fällt vielen Patienten leichter, alsFreunde oder Angehörige damit zu „belas-ten“.

Wenn Patienten so betreut werden, fühlen siesich auch in die Lage versetzt, mit entspre-chender Unterstützung praktische Dinge wiedie Beantragung einer Erwerbsunfähigkeits-rente oder das Verfassen eines Testaments an-zugehen. Und nicht zuletzt trauen sie sichdann auch, eigene Wünsche zu formulieren.

Ist es denn so, dass Lungenkrebspatien-ten sich nicht trauen, ihre Wünsche zuäußern?

Ganz häufig ja, weil viele der Meinung sind,dass sie die Erfüllung eigener Wünsche „nichtmehr verdient“ haben, weil sie fürchten, mitihren Wünschen andere zu überfordern.

Gibt es typische Wünsche von Patienten?

Wenn man nachfragt, haben viele Patientenbeispielsweise ganz konkrete Reisewünsche,die sie aber selbst als völlig vermessen emp-finden. Dabei hilft es speziell in einer solchenSituation, darüber zu reden, was geht und wasnicht. Denn auch Freunde und Angehörigefreuen sich und sind dankbar, wenn sie fürden Patienten etwas tun können. Das ist füralle Beteiligten eine echte Bereicherung.Wenn jemand das Wasser liebt, und beispiels-weise gerne noch einmal an den Atlantik fah-ren möchte, kann man besprechen, ob dastatsächlich noch geht. Und selbst wenn dasnicht funktioniert, ist vielleicht der regelmä-ßige Ausflug an einen See in der Nähe mög-lich.

Was muss ich tun, wenn ich als Patienteine professionelle psychoonkologischeBetreuung möchte?

In Deutschland finanzieren die gesetzlichenKrankenversicherungen die psychoonkologi-sche Versorgung für jeden Krebspatienten.Sprechen Sie mit uns, wenn Sie entsprechendbetreut werden möchten. ‹‹

„Bin ich nicht selbst verantwortlich für meinen Lungenkrebs?“

Der Zusammenhang zwischen Rauchen und der Entstehung von Lungenkrebs verur-sacht bei vielen Lungenkrebs-Patienten so etwas wie einen Schuldkomplex, der sielähmt und sie unter anderem daran hindert, psychologische Unterstützung zur Be-

wältigung ihrer Krankheit zu suchen. Die dazu häufig gestellten Fragen und Antworten habenwir für unsere Leser zusammengefasst.

Nachgefragt PraxisJournal

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ÜbergewichtÜbergewicht und Fettleibigkeit sind unabhängige Risikofaktoren für dieEntstehung von mindestens 13 Krebsarten. Das ist das Ergebnis einer imSommer 2016 veröffentlichten Untersuchung der Internationalen Agen-tur für Krebsforschung (IARC), einer Einrichtung der Weltgesundheits-organisation (WHO). Besonders ausgeprägt sind die Effekte bei Tumorender Gebärmutterschleimhaut und der Speiseröhre.

Übergewicht und Fettleibigkeit wur-den in diesem IARC-Bericht anhanddes sogenannten Body-Mass-Index,

kurz BMI, beurteilt (Kasten). Werte zwischen18,5 und 24,9 gelten definitionsgemäß alsnormal, über 25 beziehungsweise 30 aber sig-nalisieren sie Übergewicht und Fettleibigkeit.

Mehr als 1000 Studien beurteiltNach der Durchsicht von mehr als 1000 epi-demiologischen Studien kamen die Expertenzu dem Ergebnis, dass Übergewicht das Risi-ko für Tumoren von Darm, Magen, Leber,Gallenblase und Bauchspeicheldrüse um 20bis 50 Prozent erhöht. Bei Fettleibigkeitwächst das Erkrankungsrisiko sogar um 50bis 80 Prozent. Am höchsten war der Effektder Fettleibigkeit beim Krebs der Gebärmut-terschleimhaut: Frauen mit einem BMI vonmehr als 40 hatten gegenüber Normalgewich-tigen ein um den Faktor 7,1 erhöhtes Erkran-kungsrisiko (Tabelle).

Wer sich vor dem erhöhten Risiko schützenmöchte, sollte also dafür sorgen, dass sein

Gewicht im Normalbereich, sprich bei einemBMI von 18,5 bis maximal 24,9 liegt. Aller-dings bildet der BMI allein die Wirklichkeitnicht korrekt ab. Ein Leistungssportler, derbei einer Körpergröße von 1,96 Metern 105Kilogramm wiegt, hat zwar einen BMI von27,3, liegt also deutlich über der Grenze von24,9. Als austrainierter Sportler hat er abereinen Körperfettanteil von nur etwa 10 Pro-zent, deshalb ist sein Ernährungszustandnicht besorgniserregend.

Umgekehrt kann es auch sein, dass ein äußer-lich schlanker Mensch trotz eines BMI unter24,9 ein erhöhtes Krebsrisiko trägt, wenn seinKörperfettanteil wegen zu geringer körperli-cher Aktivität zu hoch ist. Im Zweifelsfall ent-scheidend ist der – vor allem bei übergewich-tigen Männern häufige – Bauchfettanteil.Dieses Fettgewebe kann bestimmte Hormoneproduzieren oder dauerhaft Immunzellen an-locken und so das Fettgewebe in den Zustandeiner chronischen Entzündung versetzen.Beide Prozesse begünstigen die Entstehungund das Wachstum von Tumoren.

Für Krebspatienten spielt Übergewicht eher selten eine RolleDie Ergebnisse der IARC-Arbeitsgruppe gel-ten also im Hinblick auf das Krebsrisiko an-sonsten gesunder Menschen. Ist Übergewichtauch ein (weiterer) Risikofaktor für bereits anKrebs erkrankte Menschen? – Diese Fragelässt sich nur individuell auf den einzelnenPatienten bezogen beantworten. Viele Brust-krebspatientinnen neigen tatsächlich zur Ge-wichtszunahme während der Therapie.

Woran das genau liegt und ob eine Antihor-montherapie damit zu tun hat, ist noch nichtendgültig belegt. Klar ist aber, dass bei einem

Zu viele Kilos erhöhen das Krebsrisiko

Krebsrisiko und Übergewichtbeziehungsweise Fettleibigkeit

Krebsart Erhöhung des Erkrankungsrisikos durch Übergewicht Fettleibigkeit

Darm 20 - 50% 50 - 80%Magen 20 - 50% 50 - 80%Leber 20 - 50% 50 - 80%Gallenblase 20 - 50% 50 - 80%Pankreas 20 - 50% 50 - 80%Nieren 20 - 50% 50 - 80%

Speiseröhre (Adenokarzinom) Faktor 4,8

Brust (bei Frauen nach den Wechseljahren)10% pro 5 BMI-Einheiten

Eierstöcke 10%Schilddrüse 10%

Gebärmutterschleimhaut (Typ I) 50% bis zu Faktor 7,1

Multiples Myelom 20% 50%

Meningeom (meist gutartiger Hirnhauttumor) 50%

Der Body-Mass-Index (BMI) ist der Quotientaus Körpergewicht (kg) und dem Quadrat derKörpergröße in Metern. Ein 1,80 m großer und90 kg schwerer Mann hat also einen BMI von90 : 1,802 = 27,8 kg/m2, ist demnach überge-wichtig.

Body-Mass-IndexBMI 18,5 bis 24,9 NormalgewichtBMI 25,0 bis 29,9 ÜbergewichtBMI 30,0 bis 34,9 Fettleibigkeit, Klasse 1BMI 35,0 bis 39,9 Fettleibigkeit, Klasse 2BMI ≥40 Fettleibigkeit, Klasse 3

dauerhaften BMI von über 30 auch das indi-viduelle Rückfallrisiko erhöht ist.

Patienten mit Magen- oder Darmkrebs nei-gen während der Therapie eher zu Gewichts-verlust und brauchen bis zur Normalisierungder Nahrungsaufnahme meist viel Geduld.Bei Krebs der Bauchspeicheldrüse besteht eingrundsätzliches Ernährungs- und Verdau-ungsproblem. Starker Gewichtsverlust istnicht selten. Dasselbe gilt für Lungenkrebspa-tienten: Sie verlieren meist deutlich an Ge-wicht, und zwar schon längere Zeit vor derDiagnose. Patienten mit Kopf-Hals-Tumorenleiden nicht selten unter Kau- und Schluck-störungen. Sie benötigen unter Umständeneine Trinknahrung oder müssen zusätzlichüber eine Sonde ernährt werden. ‹‹

Stichwor t6|7

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Anspannung und Ängste gehören für Krebspatienten nahezu zwangsläufig zumAlltag; schließlich steckt man eine lebensbedrohliche Erkrankung nicht mal ebenso weg. Auch wenn es in der konkreten Situation nicht so aussieht: Entspannung

kann man lernen – und zwar weit abseits mehr oder minder populärer Wellness-Trends.

Studien haben eindeutig gezeigt, dass sichmit konsequent durchgeführten Entspan-nungsübungen ein Mehr an Lebensqualitäterreichen lässt. Richtig angewendet machensie die Nebenwirkungen einer Chemothera-pie leichter erträglich. Kein Entspannungs-verfahren kann allerdings eine adäquate me-dikamentöse Schmerztherapie ersetzen. Pa-tienten, die Entspannung regelmäßig „trai-nieren“, tun aber neben der Medikamenten-einnahme aktiv etwas gegen ihre Schmerzen.

Regelmäßiges TrainingEs ist relativ gleichgültig, ob Sie sich fürAtemschulung, Progressive Muskelentspan-nung oder Autogenes Training entscheiden.Wichtig ist allerdings eines: Entspannungs-übungen können nur dann wirken, wenn sieunter fachkundiger Anleitung erlernt undtäglich zehn bis 20 Minuten konsequentdurchgeführt werden.

Atemschulung: Wer angespannt ist, atmetflach. Wird die Atmung tiefer, geht auch dieSpannung zurück. In Atemkursen übt mandeshalb, die Aufmerksamkeit auf die „At-mung in den Bauch“ und auf das Ausatmenzu richten. Beim Räkeln und sich Dehnenreguliert sich der Atemfluss unbewusst vonselbst. Massagen können den Atemgang len-ken, Stimmübungen und bestimmte For-men von Tanz können ihn vertiefen. Nach

ähnlichen Prinzipien arbeiten fernöstlicheMethoden wie das Qigong oder Tai-Chi.

Progressive Muskelentspannung nachJacobson: Diese Methode wird Krebspa-tienten besonders häufig empfohlen. Im Lie-gen werden nacheinander verschiedeneMuskelpartien von Kopf bis Fuß für jeweils15 Sekunden angespannt und während desAusatmens wieder losgelassen. Durch diesenregelmäßigen Wechsel entsteht eine tiefekörperliche Entspannung, die häufig alsWärme und Schwere erlebt wird. Idealerwei-se wirken diese körperlichen Signale dannauch mental, sodass der Übende einen ge-lösten Ruhezustand erreicht.

Autogenes Training: Diese Technik gehtden umgekehrten Weg, also nicht vom Kör-per zum Bewusstsein, sondern von der Vor-stellung zur Körperwahrnehmung. In fest-gelegter Abfolge suggeriert man sich wieder-holt den Zustand von Schwere und Wärmein allen Gliedmaßen und Körperregionen –in den Zehen, einem Fuß, einem Unter-schenkel, einem Arm und so weiter. Ziel ist,diese Empfindungen tatsächlich körperlichherzustellen, damit die „angesprochenen“Muskeln sich entspannen können. Autoge-nes Training eignet sich besonders beiSchlaflosigkeit.

Bochumer Gesundheitstraining: Diesesvon zwei Bochumer Psychologen entwickel-te Training nutzt die Tatsache, dass Gedan-ken und Vorstellungen körperliche Reaktio-nen zur Folge haben und umgekehrt körper-liche Veränderungen das seelische Befindenbeeinflussen können. Das Programm gehtzurück auf eine Methode, die der US-Ame-rikaner O. C. Simonton bei Patienten mitfortgeschrittenen Krebserkrankungen ange-wandt hatte. Mit sogenannten Visualisierun-gen – beispielsweise der Vorstellung, dass an-griffslustige weiße Blutkörperchen in großerZahl Krebszellen bekämpfen und besiegen –wollte Simonton die Selbstheilungskräfte derPatienten mobilisieren.

Die drei Säulen der GesundheitEntspannung gilt neben Ernährung und Be-wegung sowohl in der sogenannten Schul-medizin wie auch in vielen traditionellenMedizinsystemen als eine der drei Säulen derGesundheit. Gerade wenn die akute Phaseder Tumorbehandlung vorbei ist, versuchensich viele Patienten diesbezüglich neu zu ori-entieren.

Wir unterstützen solche Aktivitäten nachKräften. Werden Sie selbst aktiv. Es wirdIhnen gut tun. ‹‹

Entspannung kann man trainieren

Tipps für den Al ltag PraxisJournal

Page 8: April 2017 Praxis Journal - onkologie-darmstadt.de · dem Mikroskop werden zwei große Gruppen von Bronchialkarzinomen unterschieden: Der kleinzellige und der nicht kleinzellige Lungenkrebs,

Kältekappe bremst Chemotherapie-bedingten Haaraus-fall bei Brustkrebspatientinnen

Das sogenannte Scalp Cooling kann den che-motherapiebedingten Haarausfall bei Krebs-patientinnen insgesamt um etwa die Hälfte re-duzieren. Das legen zwei aktuell erschieneneStudien nahe. In den aus Silikon bestehendenKältekappen zirkuliert ein Kühlmittel, das füreine allmähliche Senkung der Kopfhauttem-peratur sorgt. Die Kälte verengt die Blutgefäßein der Kopfhaut, sodass die Chemotherapie-Medikamente die empfindlichen Haarfollikelgar nicht oder nur unvollständig erreichen.

Offensichtlich spielt für die Wirksamkeit desScalp Cooling auch die eingesetzte Chemothe-rapie eine Rolle: Wurden sogenannte Anthra-zykline eingesetzt, konnte der Haarverlust nurbei etwa 16 Prozent vermieden werden, beiEinsatz von Taxanen dagegen bei fast 60 Pro-zent der Patientinnen.

Nur sieben der rund 180 Studienteilnehme-rinnen mussten die Kappe wegen eines unan-genehmen Kältegefühls vorzeitig absetzen.Andere Nebenwirkungen wie Kopfjucken,trockene Kopfhaut und Hautveränderungen

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Blutendes Zahnfleisch muss nicht sein!

Blutendes Zahnfleisch ist eine häufige Neben-wirkung einer Chemo- oder Strahlentherapie.Die Kariessanierung der Zähne und die sog.

„Professionelle Zahnreinigung“ sind wichtige, aber oft nicht ausreichende Maßnahmen, um

den Mundraum vor starkem Zahnfleisch- bluten zu bewahren.

Die Gingivitis, die leichte und reversible Zahnfleischentzündung, kann sehr gut und innerhalb kürzester Zeit mit Zahnzwischen-

raumbürsten therapiert werden. Voraussetzung dafür sind Bürstchen, die per-

fekt an die unterschiedlich großen Zahn- zwischenräume angepasst sind und die die

Zwischenräume sanft reinigen können.

Die Reduzierung der Entzündungorte im Mundraum hat positive Auswirkungen für

die Mundschleimhaut – weniger Belastung, weniger Zahnfleischbluten.

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hielten sich in Grenzen. Die Kosten für dasScalp Cooling werden von den Krankenkassenin Deutschland derzeit nicht übernommen,einige Zentren in Deutschland bieten dasKühlkappensystem als Selbstzahlerleistung an.❮❮

Krebsbedingte Sterberaten in Europa nehmen ab

Forscher aus Italien, der Schweiz und den USAprognostizieren in einem aktuellen Beitragder Fachzeitschrift Annals of Oncolgy, dass imlaufenden Jahr in Europa 132 von 100000Männern und 85 von 100000 Frauen an denFolgen einer Krebserkrankung sterben werden.Im Vergleich zum Jahr 2012 nimmt die Ster-berate für Männer damit um gut 8 Prozent,für Frauen aber nur um 4 Prozent ab. Dahinterstecken in erster Linie offensichtlich je nachGeschlecht unterschiedliche Sterbe raten beiLungenkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs.Beim Lungenkrebs steigt die Sterberate fürFrauen nach wie vor an, in erster Linie, weilin den vergangenen Jahrzehnten immer mehrFrauen zu rauchen angefangen haben; beiMännern dagegen fällt sie.

Auch die Sterberate bei Bauchspeicheldrüsen-krebs ist durch das Rauchen beeinflusst, al-lerdings nur zu etwa 15 bis 20 Prozent. Warumdie Sterberate für Frauen auch dort steigt undfür Männer gleich bleibt, ist bislang nicht be-kannt. Eine Rolle könnten zusätzliche Risiko-faktoren wie Übergewicht, Fettleibigkeit undDiabetes spielen. ❮❮

Neues aus der Forschung

Kurzberichtet

PraxisJournal8