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Werner Bauknecht

Rottenburgam Neckar

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Werner Bauknecht

Stadtgespräche aus

Rottenburgam Neckar

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© 2015 – Gmeiner-Verlag GmbHIm Ehnried 5, 88605 MeßkirchTelefon 0 75 75 / 20 95 - [email protected] Rechte vorbehalten1. Auflage 2015

Lektorat/Redaktion: Claudia SenghaasSatz: Julia FranzeUmschlaggestaltung: Alexander SomogyiBildbearbeitung: Alexander SomogyiKartendesign: Mirjam HechtDruck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, KemptenPrinted in GermanyISBN 978-3-8392-1712-2

ISBN 978-3-8392-4699-3

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1 Die graue Eminenz am Neckarstrand ///

Ernst Heimes gehört das Haus am Nepomuk im Unterwässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Ein Ort der inneren Ruhe ///

Harald Kiebler ist Dompfarrer von St. Martin . . . . . . . . . . . . . . 153 Schwerter, Hellebarden, heiße Duelle ///

Wolfgang Abart präsentiert seine Fechtkunst im Künstlerhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Herr der Unterwelt ///

Jürg Gaebele zeigt den Weinkeller im Erckenbrechtschen Haus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 In einer bewegten Welt ///

Elmar Bux betreibt das Kino im Waldhorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Der Zampano vom Wochenmarkt ///

Mustafa Bati verkauft Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Der Blick in den Schwarzwald ///

Thomas Hutter vom Alpenverein betreut die Weilerburg . . 378 Die guten Menschen vom Ehinger Platz ///

Margret Ernsperger hilft Bedürftigen in Morizles Kleiderkiste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Der Doktor und sein Bier ///

Andreas Weber braut sein Bier in der Schönhardtshöhe . . . . 4310 Ausflug in die Vergangenheit ///

Siegfried Schweinbenz verkauft in der Rommelstalstraße . . 4911 Hoch über der Bischofsstadt ///

Stadtführer Martin Zimmermann und das Kalkweiler Tor . . 5312 Edle Tropfen unter der Sternendecke ///

Klaus Biesinger ist Inhaber der kultigen Weinstube Stanis . . . . 5713 Ruhen und rasten auf dem Jakobsweg ///

Walter Koch leitet die Pilgerherberge in Frommenhausen . . . . 63

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14 Rock hinter schwedischen Gardinen ///

Gerhard Brüssel organisiert Veranstaltungen in der JVA . . . . . 6915 Tango und Blues unter Kastanien ///

Elke Ursinus sorgt für Livemusik im Café Amadeus . . . . . . . . 7516 Ein Leben mit dem schönen Klang ///

Karlheinz Heiss leitet die Musikschule in der Sprollstraße . . 7917 Der Wengerter und sein Weinbesen ///

Heinz und Ursula Wiedmaier in der Turmstube Alte Welt . . . 8518 Mit dem Papagei durch die Altstadt ///

Paul Franz aus der Kleegasse war ein Rottenburger Original . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8919 Steinwelten aus Marmor ///

Ralf Ehmann arbeitet als Bildhauer in der Kiebinger Straße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9120 Kult am Ehinger Platz ///

Walter Krolitzki ist Wirt der legendären Kneipe Ehgner Eck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9721 Der Rottenburger Herr der Pfeifen ///

Andreas Rogge baut in der Arbachstraße irische Dudelsäcke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9922 Von der Hauptstadt aufs schwäbische Land ///

Sabine Kircher ist Mitbegründerin des Hailfinger Dorfladens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10523 Auf dem Rücken von Isländern ///

Susanne Hiller wirkt als Reittherapeutin im Geißhaldenweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11124 Von der Scheune zur Theaterbühne ///

Heidi Heusch und Reinhard Kilian im Theater am Torbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11725 Der Rottenburger Poet ///

Josef Eberle besitzt eine eigene Neckarbrücke . . . . . . . . . . . . . . 123

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26 Der Engel der Abgestürzten ///

Elke Mildner betreibt die Einrichtung Oase in der Königstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12527 Das Glück auf dem grünen Rasen ///

Lillian Ruckaberles Karriere begann beim FC Rottenburg . . 13128 Das weiße Kirchlein auf dem Berg ///

Die Märkle-Brüder sammeln alles zur Wurmlinger Kapelle . . 13729 Lernen an verwunschenem Ort ///

Bastian Kaiser ist Rektor der Hochschule für Forstwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14330 Die Gräfin der Herzen ///

Mechthild von der Pfalz thront auf dem Narrenbrunnen . . 14731 Im Mittelpunkt des Geschehens ///

Gert Fleischer schreibt in der Redaktion am Metzelplatz . . 15132 Ein Schmuckkästchen für den Sport ///

Auf Du mit Norbert Vollmer im Sportpark 18 – 61 . . . . . . . . . 15733 Die Zauberer sind in der Stadt ///

Marc & Alex zeigen ihre Illusionen in der Festhalle . . . . . . . . 16334 Pritschen und baggern mit dem TV Rottenburg ///

Hans-Peter Müller-Angstenberger trainiert in der Jahnstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16935 Wilde Hexentänze ums lodernde Feuer ///

Michael Rehbein ist Zunftmeister der Rottenburger Narrenzunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

Bildverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

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Die graue Eminenz am NeckarstrandErnst Heimes gehört das Haus am Nepomuk im Unterwässer

Ein Blickfang ist es, vor dem die Besucher Rottenburgs erstaunt und vielleicht sogar ergriffen stehen bleiben. Das Haus am Nepomuk mit seiner Holztreppe an der Seite, den braunen Stütz- und Querbalken und seinem Garten zum Neckar hin, liegt wie hingegossen und nach allen Seiten sichtbar am östlichen Ende des Rondells am Unterwässer. Sein Hausherr Ernst Heimes hat das schmucke Gebäude zu einem kleinen Kulturzentrum gemacht. Lesungen, Vorträge, Ausstellungen oder Liederabende – in dem Veranstaltungsraum, der einst eine Ga-rage war, findet jede Kunst ihren Platz. Umgekehrt wurde das Haus selbst zur Kunst: Sebastian Blau verewigte das Domizil des Rotten-burger Heimatdichters in einem Gedicht.

Den Namen gab dem Haus eine Statue an der Südecke des Hau-ses, die den böhmischen Heiligen darstellt. Die ursprüngliche Figur datiert aus dem Jahre 1776, und ein Pendant zu ihr steht genau ge-genüber auf der anderen Seite des Neckars. Schutz sollte der Heilige Nepomuk bringen gegen die häufigen Hochwasserkatastrophen des Flusses, die den Bewohnern des Viertels so sehr zu schaffen machten. Schaut man die alten Pläne von 1828 an, steht das ursprüngliche Haus auf einer kleinen Landzunge inmitten des Neckars, nur zu erreichen über eine Brücke und einen Steg.

Das heutige Haus am Nepomuk war nicht immer ein Schmuck-stück für die Stadt. Erst als ein Rottenburger Apotheker es Ende des letzten Jahrtausends kaufte und wieder herrichtete, erhielt es seinen heutigen Glanz. Zum Kulturzentrum und zum Aushängeschild bei Stadtführungen machte es aber Ernst Heimes, der es 2006 kaufte. Der gebürtige Rheinländer kam bereits 1951 nach Rottenburg. Das Lehramtsstudium in Tübingen lockte ihn ins Schwabenland. 30 Jah-re wohnte er mit seiner Frau im Stadtteil Wurmlingen, ehe sie sich entschlossen, das Haus 2006 zu kaufen. »Es war der Wunsch mei-ner Frau«, erinnert sich der Hausbesitzer, »sie stammt vom Bodensee und sagte immer, wenn wir schon nicht mehr am See wohnen könn-ten, dann doch wenigstens am Fluss.«

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Gleich nach dem Einzug wurde als Erstes die Garage, die eher als Abstellraum gedient hatte, zum Veranstaltungsraum umgebaut. Zwei Stockwerke dienen jetzt ausschließlich der Kunst. Schulklassen, die Bil-der oder Basteleien zu einem bestimmten Thema im Unterricht fertigen, können ihre Werke dort ausstellen. Dichterlesungen, Fotoausstellungen, Vernissagen, Krippenausstellungen – der Raum ist für alle da. Dabei ist es für Heimes eine Non-Profit-Veranstaltung, er verlangt keine Nut-zungsgebühren. »Man braucht mich bloß zu fragen, ob die Räume frei sind, dann kann man sie auch benutzen.« Eine besondere Verwendung für das Haus hat Heimes stets um die Weihnachtszeit herum. Dann wer-den an den Fenstern des Gebäudes 23 Fotos von Kindern wie bei einem Adventskalender ausgestellt, für jeden Tag im Dezember eines bis zum Heiligen Abend. Die Nachfrage der Kleinen ist groß, denn es will doch jeder ein Mal sein Porträt in einem der erleuchteten Fenster sehen.

Überhaupt ist das Thema Kinder eines, das den Hausherrn nicht loslässt. »Ich bin halt ein unverbesserlicher Pädagoge«, sagt Heimes lachend, »und wenn ich helfen kann, dann mache ich das auch.«

An der Stuttgarter Dualen Hochschule hat er heute noch einen kleinen Lehrauftrag, in dessen Rahmen er Sonderschullehrer ausbildet.

Der Heilige Nepomuk an dem Hauswinkel des Nepomuk-Hause

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Beim Projekt ›Jugend engagiert sich‹ (jes) ist er federführend beteiligt. In seinem Haus erarbeiteten zum Beispiel sieben Schüler gemeinsam mit Lehrern eine Broschüre über den historischen Nepomuk. Das Büchlein veröffentlichte Heimes auch gleich in seinem Verlag ›Haus am Nepomuk‹. Den stellt er ganz in den Dienst der Bewahrung und Erhaltung Rottenburger Traditionen. Im Band ›Rottenburger Schät-ze‹ präsentiert er gemeinsam mit Fotografen und Autoren Verbor-genes oder wenig Zugängliches in der Bischofsstadt. Das kann dann ein wiederentdecktes dunkles Kellergewölbe sein, alte Fasnetmasken oder historische Weihnachtskrippen. Letzteres ist übrigens eines sei-ner Lieblingsthemen, sammelte er doch auch mit seiner Frau Krippen.

Wer mit Ernst Heimes gemeinsam durch Rottenburg spaziert, sollte am besten viel Zeit mitbringen. Der groß gewachsene, weiß-haarige Mann mit Künstlermähne kennt Gott und die Welt. An jeder Ecke hält ein Bekannter an und sucht ein Schwätzchen mit ihm. Und er wiederum ist einer, der gerne redet, aber genauso gerne zuhört. Hier fragt man ihn um Rat wegen einer Veranstaltung, dort erzählt einer vom Stammtisch am Vorabend, und ein Dritter möchte ein paar Ge-schichten von der gerade beendeten Urlaubsreise loswerden. Gibt es Fragen zu Rottenburg und seiner Vergangenheit? An Heimes wenden, denn Stadtführer ist der rundum interessierte Mann auch noch! Unter seiner Aufsicht leisten Jugendliche die ihnen aufgebrummten Sozialstunden im Nepomuk-Haus ab, nebenher unterrich-tet der Pädagoge sie und macht sie fit für ihre Prüfungen. Da mag man hoffen, dass der Heilige Nepomuk seinen Dienst ge-wissenhaft versieht, und das Haus am Ne-ckarufer tatsächlich vor Unheil bewahrt.

Ernst Heimes gehört das Haus am Nepomuk im Unterwässer 1

H A U S A M N E P O M U KU N T E R W Ä S S E R 1

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Ein Ort der inneren RuheHarald Kiebler ist Dompfarrer von St. Martin

Am nördlichen Ende des Rottenburger Marktplatzes thront weithin sichtbar der Dom St. Martin. Zum Dom erhoben wurde die ehemalige Stadt- und Marktkirche, nachdem Rottenburg 1828 zum Bischofssitz ernannt wurde. Harald Kiebler ist der Hausherr des Doms und so-mit der Dompfarrer in Rottenburg. Dabei haftet dem Seelsorger, sitzt man ihm gegenüber, so gar nichts an, was unmittelbar auf das hohe Amt schließen ließe. Er lacht viel und gerne, und bisweilen blitzt ihm der Schalk aus den Augen. Seine Anrede wäre, genau genommen, Monsig-nore. Aber da winkt er lachend ab. »Wenn ich in Rom wäre, dann viel-leicht, aber wenn mich jemand hier damit anredet, würde ich glauben, man will mich auf den Arm nehmen.« Das Bodenständige, das Volks-verbundene – das ist seine Sache.

Immerhin steht der Ort seines Wirkens zentral in der Bischofs-stadt; dort, wo die Menschen arbeiten, aber auch vielfältigen Freizeit-vergnügungen nachgehen. Vor den Pforten des Doms ist drei Mal in der Woche Markttag, rechter Hand steht das Rathaus und gleich da-neben ein Café, dessen Gartenlokal ein beliebter Treffpunkt ist. Alt ist es, das hohe Gebäude mit seinem mächtigen Turm. 1280, das zeigten neuere Grabungen, soll die ehemalige Kapelle erbaut worden sein. 1644 wurde der Dom beim Stadtbrand schwer beschädigt und wieder aufgebaut. Dasselbe geschah nach dem Stadtbrand 1735. Nach vielen Renovierungen besteht er heute aus einer Mischung aus Neogotik und Neobarock. Die gravierendste Änderung kam 2003: Aus dem ehemals eher düsteren Gebäude wurde ein heller Raum, der freundlich und einladend auf die Besucher wirkt.

Just in die Zeit der grundlegenden Erneuerung fiel auch der Be-ginn der Amtszeit des heutigen Dompfarrers. Dass Harald Kiebler den theologischen Weg wählte, war nicht immer klar. »Ich musste mich entscheiden, ob ich Medizin oder Theologie studiere«, erinnert er sich. Und warum fiel dann die Wahl auf die Theologie? »Es war eine rein spontane Entscheidung.« Im Studium zeigten sich ihm völlig neue Facetten der Theologie – nicht nur Fächer wie Griechisch und

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Hebräisch. Dann bekam der angehende Theologe die Gelegenheit, ein Auslandsjahr in Mexiko anzutreten. »Die zwei Semester dort waren eine große Erfahrung für mich. Die Kultur, die Menschen, das völlig andere Leben – da nimmt man etwas mit nach Hause, das man nie mehr vergisst.« Nach dem Studium wurde er zunächst Militärpfar-rer, danach erhielt er eine eigene Seelsorgeeinheit in Süddeutschland. »Hier ist der Pfarrer ein Einzelkämpfer«, sagt Kiebler, »aber man lernt auch viel im Umgang mit den Menschen, die einem vertrauen.«

Aber wie wurde er nun Dompfarrer in Rottenburg? Das sei ein normaler Vorgang gewesen. Die Stelle war frei geworden, nachdem sein Vorgänger nach 21 Jahren in Rente gegangen war. Jemand habe gefragt, ob er sich das Amt vorstellen könne. »Konnte ich«, meint er lachend, und es kam zum Treffen mit dem Domdekan Georg Kopp. »Da wurde ausgelotet, ob wir zusammenpassen.« Das taten sie, und kurz danach hatte Harald Kiebler ein Gespräch mit dem Bischof. Dies führte schließlich zu seiner offiziellen Bewerbung. »Das ist ein Vorgang, wie er für jede andere Seelsorgeeinheit gilt.« 2001 wurde er Dompfarrer. Dabei konnte seine Einsetzung, die Investitur, nicht einmal im Dom selbst vorgenommen werden. »Das war damals eine

Kirche St. Martin

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Baustelle.« In der benachbarten Weggentalkirche wurden die Feier-lichkeiten abgehalten. »Auch ein schöner Rahmen.« Das neue Amt sei eine große Umstellung für ihn gewesen, sagt er heute. Er hatte nicht nur neue Schäfchen, sondern mit 5.000 Gläubigen gleich eine der größten Domgemeinden in Deutschland zu betreuen.

Der Dompfarrer, das erkennt man sofort, wenn er durch seine Kirche führt, ist stolz auf das Bauwerk. Lange habe es damals gedauert, bis 2001 alle Wünsche der Beteiligten beim Umbau unter einen Hut gebracht worden seien, jetzt aber hätten ihn die Gläubigen und die Kir-chengemeinde angenommen. Dabei war es kein Zuckerschlecken. Über zwei Jahre musste die Kirche geschlossen bleiben. Bei den Bauarbei-ten seien manchmal die heiligen Gefäße in den Regalen herumgehüpft. »Kein Wunder«, meint der Seelsorger verschmitzt, »wenn direkt neben dem Gebäude die Kompressoren laufen.« Der Dom habe indes seine Charakteristika behalten. Die Sakramentskapelle ist jetzt offen; der Turm, der bisher gestört habe, sei nun integriert. Das Innere habe man so gestaltet, dass es gerade für ältere Menschen »emotional bewegend« sei. An den Vormittagen herrscht reges Treiben im Dom. Die Dom-singschule nutzt die wunderbare Akustik für die Proben. Schüler der Hochschule für Kirchenmusik üben auf der Domorgel, manche auf der Chororgel, oft gemeinsam mit den Sängern und Sängerinnen.

Harald Kiebler hat gerade eine Füh-rung auf den Kirchturm hinter sich. Das ist eher ungewöhnlich, aber eine Dame aus der Gemeinde, die sich um Flüchtlingskin-der kümmert, habe so häufig nachgefragt, dass er nachgab. Als alle wieder unten ste-hen, drückt ihnen der Dompfarrer einen Umschlag in die Hand. »So, und davon gehen Sie alle jetzt noch ein Eis essen.«

Harald Kiebler ist Dompfarrer von St. Martin 2

D O M S T. M A R T I NM A R K T P L AT Z 3

7 2 1 0 8 R O T T E N B U R G

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